09.10.1996

Zur Opferfalle: Ist sie nicht eigentlich eine Opferhölle, in der alle, die darin gefangen sind, kochen?
Gibt es nicht heute ein kopernikanisches (oder auch astrologisches) System von Knotenpunkten der Rechtfertigungs- und Verurteilungszwänge?
Hängt das Zölibatsproblem nicht mit dem Seiten-Problem zusammen: Damit, daß Eva aus der Seite Adams (aus welcher Seite?) genommen wurde, und daß der zum Himmel aufgefahrene Jesus zur Rechten des Vaters sitzt („von dannen er wiederkommen wird“)? Zur Rechten des Vaters: Heißt das nicht, daß für den Sohn das Angesicht des Vaters zur Rechten, sein Rücken zur Linken erscheint?
War nicht die Sohn-Gottes-Theologie der Anfang jener Personalisierungs-Logik, aus deren Bann die europäische Geschichte nicht mehr herausgetreten ist?
Veranderung: Der Seitenblick, in den die kopernikanische Wende den ganzen Kosmos gerückt hat, ist mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, mit der Konstituierung der Vorstellung des Zeitkontinuums, erkauft, mit der Ausblendung der Idee des Ewigen. Sie ist erkauft mit der Säkularisation des Bewußtseins selber, das als anderes Bewußtsein für andere, als logischer Ort der Erscheinungswelt, sich konstituiert. Der Seitenblick ist der mitleidslose, der richtende Blick. Im Hinblick auf ihn gilt der Satz „Seid barmherzig, wie auch euer Vater in den Himmeln barmherzig ist“. Ist es nicht die Barmherzigkeit, die – Jakobus zufolge – über das Gericht triumphiert?


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