Die Erinnerung an die Schrecken des Holocaust ist nicht nur nicht mehr zu löschen, sie ist auch durch historische Vergegenständlichung nicht mehr zu neutralisieren. Deshalb rückt uns Auschwitz, je weiter wir uns in der Zeit von ihm entfernen, immer näher.
Kann es sein, daß der Satz, der unter Katholiken im Krieg oft zu hören war: „Nach den Juden ist die Kirche dran“, sich heute auf eine damals nicht vorauszusehende Weise erfüllt, nämlich durch Kräfte, die in der Kirche selbst heranwachsen?
Zeit theologische Fragen (sic, B.H.): Wie unterscheidet sich das Kaninchen, das durch den Blick der Schlange gebannt ist, vom Lamm, das keinen Widerstand leistet, wenn der Wolf es zerreißt? Und wie unterscheidet sich die Arglosigkeit der Taube vom Bann, unter dem das Kaninchen steht?
Gegen die Metzgertheologie: Im reinen Opfer, in dem das Lamm widerstanslos zur Schlachtbank sich führen läßt, wird die Schlachtbank als Schlachtbank kenntlich. Unrein ist die Gewalt.
Der Begriff der „Selbstbezichtigung“ ist ein Zerfallsprodukt des Bekenntnisbegriffs, der nicht mehr lange zu halten ist. Er notiert die contradictio in adjecto, die schon im Bekenntnisbegriff steckt. Der Begriff der Selbstbezichtigung unterstellt, daß der, der sich „selbst bezichtigt“, nicht weiß, was er tut. Genau damit aber macht er die Projektion kenntlich, die schon die Bekenntnislogik verhext.
Die Rechtschreibreform treibt das Hören und Sehen aus: Sie dogmatisiert die Selbstverblendung, die in der Lehrerfrage sich ausdrückt: Was will der Autor damit sagen?, die unterstellt, daß man mit der Sprache nicht sehen kann – eine Folge der Trennung der Anschauung von der Sprache, der Ablösung und Hypostasierung der „subjektiven Formen der Anschauung“.
2.12.1996
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