6.4.1997

Haben die drei Dimensionen des Raumes (oder hat die dreifache Beziehung des Raumes zur Zeit, die darin sich reflektiert) etwas mit
– den Momenten der Bekenntnislogik: Feindbild, Verrätersyndrom und Frauenverachtung, und mit
– der Konstellation Zahl, Maß und Gewicht
zu tun?
Hat das Gewicht (die Schwere) etwas mit der Schwangerschaft (der instrumentalisierten Barmherzigkeit) zu tun?
No pity for the poor: Sich den Kopf der andern zerbrechen, das ist das exakte Gegenteil, die genaue Umkehrung des Sich-in-den-Andern-Hineinversetzens, es ist dessen wirksamste Verhinderung. Die Phantasie, die heute im Projekt des Sozialabbaus am Werk ist, agiert nach diesem Rezept, sie zerbricht sich den Kopf der Armen, derer, die sich nicht wehren können. Ziel dieser Phantasie ist es, sich selbst die Erfahrungen der Andern, damit aber dem Andern die eigene Erfahrung auszureden.
Das Geschwätz ist ein wirksames Instrument der Einübung dieser Phantasie.
Gründet hierin nicht eine der schlimmsten Kindheitserfahrungen, und ist der gegenwärtige Generationenkonflikt nicht der genaue Reflex dieser Erfahrungen? Im Generationenkonflikt wendet sich das double-bind-Syndrom gegen seine Urheber.
Ist Weizsäckers Theorie der Sonnenenergie das physikalische Pendant zu Fichtes Staatsphilosophie?
In dem Wort über Adam: Staub bist du, und zu Staub wirst du wieder werden, steckt das Prinzip der Verwüstung.
Erwählung: Im Namen der Auserwählung ist die Nicht-Erwählung der andern Völker, die wechselseitige Abgrenzung, damit aber die Feindschaft gegen die andern Völker, ist m.e.W. das nationalistische Prinzip enthalten. Im Namen der Erwählung fehlt dieser konkurrierende Blick auf die andern Völker. Die Auserwählung ist das Produkt der Hellenisierung der Erwählung: die Heiden sind das jüdisch-christliche Äquivalent der griechischen Barbaren. Vergessen wird, daß Israel (schon in der Gestalt Abrahams) durch die Erwählung zu Hebräern für die Andern geworden ist. Das Christentum hat versucht, den nationalistischen Bann durch das Gebot der Feindesliebe zu lösen, auch die Heiden, die Völker noch zu Objekten der Barmherzigkeit zu machen.
Ist der Nationalismus nicht eine innere Konsequenz aus der Universalität des Kausalitätsprinzips, der Verwerfung des Endziels? Das logische Instrument, über das diese Konsequenz sich durchsetzt, ist Hegels „List der Vernunft“, das Prinzip der Naturbeherrschung in Natur und Gesellschaft.
Es gibt keine „letzte Klarheit“: Die „Klarheit“ der Aufklärung ist die der „klaren Fronten“, eine Konsequenz aus dem feindbildlogischen Prinzip, das der Aufklärung zugrundeliegt, den historischen Objektivationsprozeß begründet.
Die klarheitschaffende Front ist die Grenze zwischen Außen und Innen; mit der Hypostasierung des Raumes, der Etablierung der transzendentalen Ästhetik, der Form der äußeren Anschauung, wurde sie universal. Der Preis dieser Universalisierung, des Idealismus der Transzendentalphilosophie, der Preis der kopernikanischen Wende war das Konstrukt des Zeitkontinuums, die Subsumtion der Zeit unter die Vergangenheit.
Der unendliche Raum, seine ins Unendliche sich fortpflanzende Selbsterzeugung, der wir keinen Halt mehr gebieten können, ist der Unzuchtsbecher.
Ist nicht der Zusammenhang überdeutlich, wenn Brot die Barmherzigkeit und Wein das Gericht symbolisiert: Der Kelch ist das Gefäß des Gerichts.
Das Ding ist das neutralisierte Subjekt.
Allein mit Hilfe der Feindbildlogik (mit Hilfe des Objektbegriffs, der darin gründet) war es möglich, dem mythischen Bann des Schicksals zu entrinnen; aber hat der Bann sich mit dieser Logik nicht reproduziert?
Barmherzigkeit, nicht Opfer: Die Verinnerlichung des Opfers, die die Zivilisation begründete, hat die Barmherzigkeit in der Wurzel vernichtet.


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