29.07.90

Zu Heidegger: Das Vorhandene ist das Zuhandene (beides durch Herrschaft, durch die Distanz zum Objekt, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, vermittelt) und das Eigentliche das Uneigentliche. Im Bann des In-der-Welt-Seins wird alles zum „Zeug“ (unter Einschluß des „Daseins“, des Selbst: dagegen hilft auch nicht die dezisionistische „Eigentlichkeit“, die „Entschlossenheit“); und die volle Verachtung Heideggers, die im Begriff des Zeugs sich ausdrückt, trifft eigentlich ihn selber.

Das gilt auch für die Theologie: Der vorhandene Gott (der Gegenstand des Zwangsbekenntnisses und eines Glaubens, der vom Unglauben nicht mehr zu unterscheiden ist) ist der zuhandene (instrumentalisierte) Gott, das Bekenntnis und das vergegenständlichte Dogma ein Herrschaftsmittel.

Die Heideggersche Selbstverachtung bringt die der Theologie bewußtlos auf den Begriff: sie ist zugleich der Grund des Selbstmitleids (in der Theologie: der mit der Opfertheologie verknüpften Leidensmystik), der heute jedes Bewußtsein verhext. (Dagegen Adorno: Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner mehr zu lieben fähig ist.)

Die neue Sakramentenlehre (Produkt der Enteschatologisierung des Christentums) begründet den magischen Instrumentalismus der Kirche, der dann abgesichert werden muß durchs Dogma (durch Vergegenständlichung der Wahrheit, durch das Objekt des Bekenntnisses; Schlußpunkt ist offensichtlich das konstantinisch-nicänische „homousios“, die endgültige Vergöttlichung Jesu – das christliche Erbe des römischen Kaiserkults?). – Vgl. EdChD, S. 72ff, 78. (Frage hierzu: Wie hängt der dogmengeschichtliche Gnosisbegriff mit dem von Elaine Pagels „Versuchung durch Erkenntnis“ zusammen?)

Gibt es einen Zusammenhang der Vergöttlichung der „Zeugung“ (in der Trinitätslehre und im trinitarischen Vaterbegriff: Vorrang vor dem Schöpfungsbegriff!? – Dazu: Zeugen ist männlich, das Empfangen demnach keine göttliche Tätigkeit; Verzicht auf einen weiblichen Anteil im trinitaritischen Prozeß: Zusammenhang mit dem Inzest-Tabu?) mit der urchristlichen Askeseauffassung und der daraus abgeleiteten Sexualmoral, sowie mit der nachfolgenden Eremiten- und Mönchsbewegung (vgl. auch die Konsequenz des Origenes aus der Aufforderung: Wenn dein Auge Anlaß zum Ärgernis gibt, reiße es aus). Neuorganisation und Neuverständnis von Dogma, Kirche und Moral im Mittelalter (Neubestimmung der Eschatologie, der Kirche, der Sakramente, des gesellschaftlichen Selbstverständnisses).

Worauf bezieht sich eigentlich der Auftrag (in der Genesis) zur Herrschaft „über die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und über alle Lebewesen, die auf der Erde wimmeln“? – Naturbeherrschung hat andere Objekte.

Stammt die Transsubstantiationslehre der Eucharistie aus der Inkarnationslehre (beide gemeinsam begründen den totemistischen Kannibalismus)? – Vgl. EdChD S. 115ff.


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