Adenauer

  • 09.09.92

    Ist das Neutrum der Staub, aus dem und zu dem das Maskuline im Prozeß der Herrschaftsgeschichte wird?
    Sind Nominativ und Akkusativ nur im Männlichen unterschieden, im Femininum und im Neutrum hingegen gleich? Im Femininum lassen sich zusätzlich auch Genitiv und Dativ nicht unterscheiden.
    Gilt es eigentlich für alle modernen Sprachen, daß sie von den klassischen sich durch die Einführung des (geschlechtsbezogenen) Artikels (im Deutschen zusätzlich verstärkt durch die Großschreibung der Nomina), durch die stärkere Hervorhebung der Personalpronomina und durch den verstärkten Gebrauch der Hilfszeitverben unterscheiden? Der tiefste Fall wäre dann wohl die Verwandlung aller Verben in Nomina und Gebrauch des Generalhilfsverbs „tun“ (oder doch noch eine Stufe tiefer: „ich bin am arbeiten“ ü.ä.). Ist nicht doch der Adenauersche Satz doch sehr ernst gemeint gewesen: „Je einfacher reden ist eine gute Gabe Gottes.“ In diesen Zusammenhang gehört der fundamentalontologische Gebrauch der Begriffe Ereignis und Geschehen, die die gleiche Subjektlosigkeit, die schicksalhafte Subsumtion des Subjekts unter die Realität, bezeichnen.
    Der Artikel ist Ausdruck des Zerfalls der benennenden Kraft der Sprache, der Hereinnahme des tode ti in die Sprache, daß den Begriff von „diesem“ (deiktisch verstandenen, bei Kant dann durch seine Beziehung zu den subjektiven Formen der Anschauung bestimmten) Objekt trennt, das Objekt gegen den Begriff (gegen seinen Namen) isoliert. Für Aristoteles (wie später für Hegel) ist das tode ti der Einsatzpunkt der Philosophie (das Wasser des Thale).
    Wie hängen die Begriffe Eudaimonia (gutes, günstiges Schicksal), Glück (fortuna), Zufall und der augustinische Gnadenbegriff mit einander zusammen?
    Hat nicht Johann Georg Hamann schon eine Metakritik der reinen Vernunft geschrieben?
    Merkwürdige Doppelbedeutung des Verbums „heißen“: benennen und befehlen. Mit dem tode ti ist die benennende Gewalt als Grund des Gewaltmonopols (das Sokrates mit dem Trinken des Schierlingsbechers ausdrücklich anerkennt) an den Staat übergegangen.
    Wenn Befehlen mit Fehlen zusammenhängt, warum wird es dann stark (das Fehlen hingegen schwach) konjugiert, und worin liegt der Unterschied zwischen starken und schwachen Verben?
    Hängt der Sternendienst mit der Geldwirtschaft zusammen (als Ausdruck der Änderungen des Bewußtseins durch die Geldwirtschaft, seiner veränderten Stellung zur Objektivität)? Und ist die Ischtar/Astarte der Inbegriff der veränderten Konsumerfahrung, des Genusses? Dann würde die „Venuskatastrophe“ auf andere Weise, als Heinsohn et al. annehmen, zur Schuldknechtschafts-Katatrophe passen.
    Ist der Pharao die Personifikation des Sklavenhauses, und der Josefs-Roman seine Ursprungsgeschichte?
    Angesichts der Pogrome in der Bundesrepublik droht das sogenannten Asyslantenproblem den Rang der alten Judenfrage anzunehmen.
    Der ungeheure Exkulpationsbedarf, der seit dem Ende der Nazizeit auf Deutschland lastet, und dessen prädestinierter Repräsentant Kohl zu scheint, ist bis heute weder in seinen Ursachen, noch in seinen Folgen wirklich begriffen. Das Hochgefühl der Unschuld, das Kohl, Seiters und Schäuble beflügelt, wenn sie von „diesem ausländerfreundlichen Land“ sprechen, gehört mit zu den Ursachen der in den derzeitigen Pogromen sich manifestierenden verfolgenden Unschuld. Gleichzeitig halten sie den Topf des sogenannten „Asylantenproblems“ am Kochen, mit falschen Begriffen und Zahlen, mit dem Verwischen und Verschweigen der Ursachen. Die reale Situation und die realen Erfahrungen derer, auf die dieses unverantwortliche Gerede sich bezieht, soll nicht laut werden, wird verdrängt. Der Zerfall der Moral und die demoralisierende Gewalt, die dieser Bundeskanzler repräsentiert, wäre endlich zu benennen.
    Kohl hat immer schon die Technik der denunziatorischen Nutzung des Schuldverschubsystems beherrscht und genutzt. Man konnte darauf gehen, wenn er sich über andere empörte, dann war er selber gerade dabei, eben das zu tun, worüber er sich empörte. Sein politischer Erfolg beruhte nicht zuletzt auf dieser Technik. So hatte er immer das Instrumentarium parat, mit dem er sich abschirmen konnte gegen den Einblick in seine realen Absichten, sein Handeln und seine Vorhaben. Im Falle der deutschen Einheit ist ihm zusätzlich dieses Instrument als Geschenk in den Schoß gefallen: Alle Fehler kann er abwälzen auf den maroden Sozialismus und das, was er uns hinterlassen hat.
    Kann es sein, daß die SPD, daß insbesondere die Ministerpräsidenten, oder überhaupt die Landesregierungen, unter einem erpresserischen Druck stehen, der ihnen keine andere Wahl läßt, als mit den Wölfen zu heulen?
    Die Unwirksamkeit des Kabaretts liegt darin begründet, daß auch das Kabarett seine apriorischen Objekte und die zu diesem Objekt gehörende transzendentale Logik hat. Das, was heute passiert, liegt jenseits der durch diese Logik definierten Sphäre. Das läßt sich demonstrieren an einer Figur wie Kohl, dessen Statur mit den Witzen, die über ihn gemacht werden, nur noch gefestigt wird. Die Kohlwitze waren selbstreferentielle Produkte verzweifelter Ohnmacht, deren Bewußtsein in den Pointen explodierte und damit unschädlich gemacht wurde. Seitdem befördert das Kabarett die demoralisierenden Zustände, indem es sie anprangert.
    Deutlicher kann man die Absenz der eigenen Gewissens, das nur vom Schrecken und vom Schmerz der Opfer bewegt wäre, nicht demonstrieren: Diese Reaktion (der Hinweis auf die Wirkung der Ereignisse in Rostock und anderswo im Ausland) ist nur Ausdruck der Angst vorm Erwischtwerden, nicht die (allein moralische) Angst vor der Tat. Heute sitzen die Mescaleros in der Regierung.
    Die Technik der Nutzung der Gesetze des Schuldverschubsystems setzt ein Denken voraus, das den Gesetzen des Hinter dem Rücken gehorcht. Dafür ist politisches Denken, wie es scheint, besonders anfällig. In der altorientalischen Welt fand dieses Denken seine Abstützung und Absicherung in der Idolatrie, gegen die die jüdische Prophetie sich richtete. Heute funktioniert es aufgrund der Logik des Weltbegriffs.
    Die politische Ausbeutung des Vorurteils – heute des sogenannten Asylantenproblems – gehorcht der gleichen Logik wie die angeblich friedliche Nutzung der Atomenergie. Auch hier weiß man nicht, ob sie nicht eigentlich der Gewinnung spaltbaren Materials, das man für die Bombe benötigt, dient.

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