Das analsadistische Vokabular schließt die Mimesis a limine aus. Es dementiert das „non olet“. Im Kontext einer homosexuellen Komponente (des männlichen Sexismus) macht es die Sexualmoral zur Basis der Kapitalismuskritik (Grundlage der Personalisierung).
Das petrinische Vorurteil: Personalisierung und Sexualmoral gehören zusammen und sind Folgen der Bekenntnislogik. Deshalb kann der Katholizismus die Sexualmoral nicht aufgeben und Frauen nicht zum Priesteramt zulassen. Dieses Syndrom kommt in der Abtreibungskampagne in die Nähe der Selbstverfluchung.
Steckt nicht in jedem Werturteil eine sexualmoralische Komponente (und ist das analsadistische Vokabular der Kern aller Werturteile)? Oder umgekehrt: Ist das Wertgesetz das obszöne Zentrum des Kapitalismus?
Sexualaufklärung ist der falsche Begriff für einen richtigen Sachverhalt; worauf es ankäme, wäre:
– die Fähigkeit, Sexualität ohne Schuldangst (ohne Rechtfertigungs- und Projektionszwang) zu reflektieren;
– die Anerkennung des „erste(n) Gebot(s) der Sexualmoral: der Ankläger hat immer unrecht“ (Adorno: Minima Moralia); und
– die Anerkennung des Satzes, daß ich niemanden zum bloßen Mittel meiner Bedürfnisse machen darf.
Die Übernahme der Schuld der Welt setzt die Fähigkeit zur freien Reflexion des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs voraus, insbesondere die Fähigkeit zur freien Reflexion
– von Sexualität,
– der Naturwissenschaften,
– des Kapitalismus und
– der Religion.
Darin liegt das Befreiende des Christentums (ama et fac quod vis).
Furcht und Zittern: Es müßte heißen: Gottesfurcht, aber ohne Zittern (Zittern gehört zur Herrenfurcht, nicht zur Gottesfurcht).
Die zuletzt von Drewermann wieder genutzte Charakterisierung der jüdischen Religion als Gesetzesreligion, die einen paulinischen Begriff aufnimmt, ist in dieser Form ein Element des Antijudaismus: eher trägt das Dogma die Züge einer Gesetzesreligion als die Tora. Historisch hat sich das Dogma, und nicht die Tora, als Mittel der Anpassung der Religion an die Welt (an dessen Konstitutionsgrund der Gesetzesbegriff erinnert) erwiesen. Der antijudaistische Gebrauch des Gesetzesbegriffs ist Produkt reiner Projektion. Selbst der Dekalog ist keine Verkörperung des Gerichts (das zum Tode führt), sondern eine der Gnade, der Barmherzigkeit (die christliche Tradition, die hier offensichtlich verlernt hat, „links und rechts zu unterscheiden“, hat nicht zuletzt deshalb keines der zehn Gebote verstanden: vom „keine Götter neben mir“ und von der „Heiligung des Gottesnamens“ bis zum Verbot des falschen Zeugnisses wider den Nächsten und des „Begehrens“).
Die weltkritische Tradition des Christentums ist insoweit bis heute nicht verstanden worden, als sie bis heute nicht auf das weltkonstituierende Moment im Subjekt selber bezogen worden ist, umgekehrt: vom Christentum zur Heiligsprechung der Subjektivität als Weltgrund mißbraucht wurde (im christlich-dogmatischen Gebrauch des Person- und des Bekenntnisbegriffs). Anstatt sie auf die Äonenwende, den Ursprung und Verlauf des weltkonstitutierenden Objektivationsprozesses zu beziehen, wurde das Christentum selber zum Träger dieses Prozesses: Seitdem steht es sich selbst im blinden Fleck. Das Geheimnis dieses Prozesses hat Kant in der Kritik der reinen Vernunft: im Zusammenhang von transzendentaler Ästhetik und Logik, ausgesprochen. In diesen Prozeß ist (als verhängnisvolles Erbteil eines Christentums, für das die Umkehr ein Fremdwort geblieben ist) der Exkulpationsmechanismus eingebaut, der dem begrifflichen Denken insgesamt zugrundeliegt.
Die Trinitätslehre als Gottesfurcht-, Umkehr- und Nachfolge-Vermeidungs-Maschine.
Die Philosophie partizipiert an der Stummheit des Helden; und diese Stummheit vollendet sich in der transzendentalen Logik, in der das Objekt endgültig namenlos wird und die Sprache der Erkenntnis ihre benennende Kraft verliert. Diese Stummheit ist erstmals im Universalienstreit: im Nominalismus zum Bewußtsein ihrer selbst gebracht worden (nomina sunt flatus vocis; Name ist Schall und Rauch).
Erinnerungsarbeit ist der Versuch, den Schuldzusammenhang aufzulösen, in dem sich (zuletzt in der traszendentalen Logik Kants) das namenlose Objekt konstituiert, und der Sprache ihre benennende Kraft zurückzugewinnen.
Was hat Jona der Stadt Ninive gesagt?
In Heideggers „Geschick des Seins“ reflektiert sich die schicksalhafte Struktur des Begriffs, sein Verhältnis zum Schuldzusammenhang, seine sprachzerstörerische Gewalt.
Der Logos (die benennende Kraft der Sprache) konstituiert sich in der Übernahme der Schuld der Welt.
Ästhetik
-
24.11.91
-
21.11.91
Bekenntnis (Hypostasierung des Raumes, Logik des Geldes) = Isolationshaft des Geistes.
Daß der Himmel sich wie eine Buchrolle aufrollt, ist ein Bild für die Auflösung des Objektivierungsmechanismus, der uns von der Vergangenheit trennt, sie uns gegenständlich macht. Und das wird sein, wenn wir die Sprache beherrschen und nicht mehr die Sprache uns.
Der Durchbruch der naturwissenschaftlichen Aufklärung ist erfolgt, als es gelang, den Raum gegen die theologische Metaphorik abzuschirmen, ihn davon abzutrennen und die theologische Metaphorik als bloß subjektiv und bloße Anthropozentrik zu diskriminieren. Die Raummetaphorik konnte allerdings nicht ganz zum Verschwinden gebracht werden: Die Unterscheidung von oben und unten ist geblieben; sie hat die Erinnerung daran erhalten, daß die Abstraktion von der theologischen Metaphorik nur dem Herrendenken zugute gekommen ist.
Zur Unterscheidung von Im Angesicht und Hinter dem Rücken: sie paßt genau zu dem Hinweis Horkheimers, es sei eigentlich unvorstellbar, daß auf dem riesigen Leichenberg, den die Vergangenheit uns hinterlassen hat (gleichsam auf dem Rücken der Leiden der Vergangenheit), einmal die richtige Gesellschaft errichtet werden könne.
Die Subjektivierung der theologischen Metaphorik, die zusammenging mit der Derealisierung und Subjektivierung der „sekundären Sinnesqualitäten“, hat der Gemeinheit den Weg frei gemacht.
Das, was Levinas (gegen Buber, aber auch gegen den pseudotheologischen Begegnungsbegriff) die Asymmetrie der Ich-Du-Beziehung genannt hat, läßt sich demonstrieren am Verhältnis von Subjekt und Objekt im Raum.
Kant hat dem sokratischen daimon dingfest gemacht im System der transzendentalen Ästhetik und Logik (insbesondere der Raum erfüllt präzise die Funktion des diabolos gegen die Sprache: er macht das Objekt namenlos).
Nach Ebach ist die Wendung Im Angesicht sowohl auf Gott als auch auf den Feind bezogen: Ist nicht darauf das Gebot der Feindesliebe anzuwenden? Erscheint uns das Antlitz Gottes nicht prima facie im Gesicht des Feindes?
Entkonfessionalisierung der Kirchen heißt: aus den Gestalten der selbstverschuldeten Entfremdung der Kirchen heraustreten, sich befreien.
Das Trägheitsprinzip im Inertialsystem entspricht der Winkelfunktion im Raum (Zusammenhang mit dem Verfahren der Begriffsbildung); es bezieht – ähnlich wie die Winkelfunktion die räumlichen Dimensionen – die Zeit und die Materie in ein gemeinsames metrisches System mit ein. Die Konstituierung des Trägheitsprinzips hat das Relativitätsprinzip zur Voraussetzung. -
01.10.91
Zum Zusammenhang von „Schicksal“ und „schneiden“ (W.v.Soden, S. 168): Nachklang im „scheiden“ im biblischen Schöpfungsbereicht (Licht von der Finsternis, Wasser oben vom Wasser unten etc.)?
Die Kurzfassung des biblischen Schöpfungsberichts, wonach Gott die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt hat, hat zweifellos sprachliche Wurzeln, ihr gegenständliches Korrelat ist sprachlicher Natur; ihr entspricht heute die Unterscheidung von
– Wissenschaft (Begründungs-Institution, Herrschaft des Kausalprinzips; Frühform: die „sumerischen“ Omina-Listen)
– und Kunst (vom langen Atem der ästhetischen Formbegriffs bis hin zur Technik der Erzeugung von Spannung, z.B. in Literatur und Musik <Lösung des Problems der U-Musik?>).
Der Unterschied zwischen Ästhetik und Kunstkritik (zwischen Adorno und Benjamin) hängt am Begriff der Autorität, die der Kunst beigemessen wird.
Vor dem Hintergrund des „aufgespannten“ Himmels gewinnt der Sternendienst, die Sternenreligion, im alten Orient seinen besonderen Stellenwert (die Sterne „bedeuten“, weil sie der Praxis nicht zugänglich sind, nur Gegenstand der Kontemplation; sie sind gleichsam Projektionen dessen, was der Himmel „bedeutet“: der absoluten Zukunft gegen das Vergangenheits- und Totenreich des Irdischen; Projektion nur möglich im Kontext der Ausbildung frühstaatlicher Herrschaftsstrukturen, die ebenfalls die <irdische> Zukunft beherrschbar machen sollen – Sternendienst und Sprache: ist die Sprache an der Astronomie zerbrochen <Turmbau zu Babel>? – Anwendung aufs Zeitalter der Raumfahrt?).
Jedes Opfer enthält ein Stück Magie: die Vorstellung, daß man (durchs Opfer) Einfluß nehmen könne auf das Handeln Gottes und auf das Schicksal der Natur; gegen diese Opfertheologie steht das paulinische: „Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. … Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß die ganze Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.“ (Röm 817ff; vgl. hierzu Gen 316 sowie auch Ps 10430). Der Weltbegriff als Inbegriff von Herrschaft (das Tauschprinzip) ist die Grundlage des Naturbegriffs als Inbegriff aller Objekte von Herrschaft (des Inertialsystems): Erst vor diesem Hintergrund wird das messianische „die Schuld der Welt auf sich Nehmen“ sinnvoll und verständlich.
Natur und Welt sind die Totalitätsbegriffe, die den realen Verblendungszuammenhang begründen, unter dessen Bann wir heute alle stehen. Dieser Bann ist ist für den, der ihn nicht durchstoßen kann, zirkulär, und d.h. ausweglos. Der Marxsche Satz, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt und nicht das Bewußtsein das Sein, ist zu differenzieren (und zu berichtigen): das Sein, das das Bewußtsein bestimmt, ist ein auch durchs Bewußtsein bestimmtes Sein. Es ist – konkret – ein durch vergangenes Bewußtsein bestimmtes Sein, und die Gewalt dieser Vergangenheit ist die Last, die auf uns lastet. Der Stalinismus ist nichts anderes, als der Versuch, von dieser Differenzierung gleichsam den unerlaubten Gebrauch zu machen, nämlich mit Hilfe politischer Gewalt das Sein zu bestimmen, das dann das Bewußtsein der Menschen bestimmen soll. So wurde der Marxismus (durch Instrumentalisierung) zur Ideologie.
„Du hast unsere Sünden vor dich hingestellt; unsere geheime Schuld ist das Licht deines Angesichts“ (Ps 908): Erkennen wir sein Angesicht nur im Lichte unseres Schuldbekenntnisses? (Vgl. „Israel“ – Gen 3229ff)
Die Verwechslung von Virgo und Bekenner ist der Ursprung des pathologisch guten Gewissens (des Faschismus – Zusammenhang mit der weiblichen Sonne und dem männlichen Mond?). Die Ausländerfeindschaft ist eine direkte Folge der Veräußerung des Gewissens (ins Urteil des Auslandes, der Welt): sie glaubt durch den Mord an den Ausländern das eigene schlechte Gewissen beseitigen zu können.
Die Schöpfungsgeschichte zu Beginn der Bibel ist bereits prophetisch; sie steht nicht in Konkurrenz zu naturwissenschaftlichen Weltentstehungslehren. Aber sie benennt an der Natur deren Korrespondenz zur Prophetie. Das Chaos im Anfang der Schöpfung und die sechs Nächte, die die Schöpfungstage von einander trennen, haben – wie mir scheint – mit den sieben unreinen Geistern zu tun, die an zwei Stellen des NT erwähnt werden (zu Johannes vom Kreuz: es gibt nicht eine mystische Nacht der Erkenntnis, sondern sieben Nächte der Erkenntnis; und deren Hypostasen sind die sieben unreinen Geister, die bisher nur bei Maria Magdalena ausgetrieben wurden (d.h. Maria Magdalena ist die einzige, die die Umkehr vollzogen hat; darauf weist es hin, wenn sie als einzige im Heiligenkalender als Büßerin geführt wird, während umgekehrt dem Petrus, als Typos der Kirche, die dreimalige Leugnung vorausgesagt ist).
Die Vorstellung, daß Sternkatastrophen in der von Heinsohn u.a. vorgestellten Weise die gesellschaftliche Entwicklung bestimmt hätten, gleicht der, die die Geschichte der Aufklärung aus dem Erdbeben von Lissabon herleitet. Beide werden sinnvoll, wenn man unterstellt, daß die Geschichte der gesellschaftlichen Realität und des Bewußtseins in beiden Fällen soweit vorgearbeitet hatte, daß es „nur noch“ dieses äußeren Anstoßes bedurfte, um die entsprechenden geschichtlichen Wirkungen dann auszulösen. Nur als sinnliche Korrespondenz einer vorausgehenden gesellschaftliche Naturkatastrophe konnte die reale ihre geschichtliche Wirkung entfalten. Frage an Heinsohn: Warum muß man den Ursprung des Monotheismus und nicht den der Idolatrie erklären? -
09.09.91
„Ein unreiner Geist, der einen Menschen verlassen hat, wandert durch die Wüste und sucht einen Ort, wo er bleiben kann. Wenn er aber keinen findet, dann sagt er: Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe. Und wenn er es bei seiner Rückkehr leer antrifft, sauber und geschmückt, dann geht er und holt sieben andere Geister, die schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen dort ein ein und lassen sich nieder. So wird es mit diesem Menschen am Ende schlimmer werden als vorher.“ (Mt 1243ff, Lk 1124ff) Aber es gilt auch: „Seid also wachsam! Denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ (Mt 2442) und „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“ (Mt 2641) – „Als Jesus am frühen Morgen des ersten Wochentages auferstanden war, erschien er zuerst Maria Magdalena, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte.“ (Mk 169)
Beschreibt die Geschichte mit dem Tiefschlaf Adams und der Er-schaffung Evas aus einer Rippe einen innersprachlichen Vorgang, ein Hinweis auf den Ursprung der Sprache (nach der Namengebung das Du; Objekt und Adressat)? War die Benennung der Tiere ein Reflex der Benennung Adams, so bildet sich jetzt mit dem Du das Ich (vgl. den „Tiefschlaf“ Abrahams: „große, unheimliche Angst befiel ihn“ – Gen 1512).
Spenglers Hinweis, daß in der modernen Welt die Musik die Stelle einnimt, die in der alten Welt die Statue einnahm, gibt Sinn, wenn man an die Bedeutung der Statue denkt: die Abgeltung des Menschenopfers und die Erinnerung ans Opfer. Die Musik ist die Abgeltung des Opfers der Sprache und die Erinnerung an dieses Opfer (die Erinnerung ans verinnerlichte Opfer). Insoweit ist die Musik auf eine ganz vertrackte Weise christologisch (antimythisch).
Zum Begriff der Hebräer: „der Hebräer Abram“, seine Begegnung mit dem Pharao und Abimelech, dem Philisterkönig; bei welchen der zehn Plagen beruft sich Moses auf den „Gott der Hebräer“? An welchen Stellen in den Philisterkriegen werden die Israeliten von wem Hebräer genannt (Hebräer als Fremdbezeichnung, während die Selbstbezeichnung Israeliten ist – Zusammenhang mit der Abimelech-Geschichte bei Abraham und Isaak)? – Wer hat wann hebräisch gesprochen (die Schrift ist hebräisch, nur Zitate sind aramäisch)? – Steckt der Name Sara in Israel drin, ist Israel von Sara abgeleitet? Weshalb sind die Verwandten Abrahams keine Hebräer, sondern Aramäer?
Ist nicht die Tatsache, daß auch Levi als ein besonderer Stamm erscheint, ein Hinweis darauf, daß auch soziale Schichten in der Schrift völkerähnlichen Status haben können? In Indien ist dieses Verhältnis im Kastenwesen gleichsam geronnen und fixiert worden. Sprechen die indischen Kasten auch unterschiedliche Sprachen?
Was drückt sich darin aus, daß der Jahwist sowohl archaischer als auch jünger ist als der Elohist?
Spricht nicht die Geschichte vom Handel Abrahams mit Jahwe über die Strafe gegen Sodom (was war die Sünde Sodoms?) dafür das Hinkelammert mit seiner Interpretation der Opferung Isaaks recht hat?
In der Exodusgeschichte und in der Geschichte der Philisterkämpfe erweist sich die Selbstbezeichnung Israel als die Innenerfahrung dessen, was von außen Hebräer heißt. Hieran läßt sich die Differenz griechischen Geschichte aufzeigen: Während die Griechen nur den Unterschied zwischen der aktiven Selbst- und Fremdbezeichnung (Hellenen und Barbaren) kannten, handelt es sich bei den Juden um den Unterschied zwischen der passiven Selbst- und Fremdbezeichnung (Israeliten und Hebräer). – Grund zur Hoffnung, scheint mir, liegt darin, daß die Deutschgesinnten in aller Regel kein Deutsch können: Nur so ist der Sonderfall, daß ein Volk für sich nur die passive Fremdbezeichnung kennt (während der Gebrauch des Volksnamens als passive Selbstbezeichnung selbstzerstörerisch ist) nicht nur ein Verhängnis. Der Name der Deutschen ist nicht mehr als Name, nur noch als Reflexionskategorie verwendbar.
Ist die raf eine biblische Zelotenbewegung?
Das Objekt ist der besiegte Feind.
Wer sind die Völker Kanaans, von den Hetitern bis zu den Jebusitern (Ursprung in den Genealogien)?
– Gen 1519: Keniter, Kenasiter, Kadmoniter, Hetiter, Perisiter, Rafaiter, Amoriter, Kanaaniter, Girgaschiter, Hiwiter, Jebusiter;
– Ex 317: Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter;
– Ex 2323: ebenso
– Ex 2328: Hiwiter, Kanaaniter, Hetiter;
– Num 1329: Anakiter, Amalek, Hetiter, Jebusiter, Amoriter, Kanaaniter;
Gottesnamen:
– … aber unter meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen (sc. Abraham, Isaak und Jakob) nicht zu erkennen gegeben (Ex 63)
– vor Pharao, vor Beginn der Plagen: „der Gott der Hebräer … und Jahwe ….“ (Ex 52)
– Erste Plage (Wasser in Blut): „Sag zum Pharao: Jahwe, der Gott der Hebräer, hat mich zu dir gesandt …“ (Ex 716)
– zweite Plage (Frösche): „So spricht Jahwe“ (Ex 726)
– dritte Plage (Stechmücken): „… der Finger Gottes“ (Ex 815)
– vierte Plage (Ungeziefer): „So spricht Jahwe“ (Ex 816)
– fünfte Plage (Viehseuche): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 91)
– sechste Plage (Geschwüre): ohne (Ex 98)
– siebte Plage (Hagel): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 913)
– achte Plage (Heuschrecken): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 103)
– neunte Plage (Finsternis): ohne (Ex 1021)
– zehnte Plage (Tod der Erstgeburt): ohne (Ex 1229)
Melchisedech ist der König von Salem, die Opferung Isaaks fand auf dem Berge Morija statt.
Die Geschichte vom Traum mit den sieben fetten und den sieben mageren Jahren hat ihre Erfüllung in der Geschichte von den sieben fetten Jahren, in denen der Pharao sich die Überschüsse der Ernte des Landes aneignet, und den sieben mageren Jahren, in denen Joseph die Armut des Landes ausnützt, um die Bauern ins Eigentum des Pharao zu überführen, nachdem sie ihr Geld, ihr Vieh und schließlich ihr Land gegen das Getreide in Zahlung gegeben haben. Das ganze erinnert an den Satz Hegels, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, der Armut zu steuern, oder auch an die Geschichte von der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals. – Gab es in Ägypten Gefängnisse, und aus welchem Grunde? War es ein Ort für Schuldgefangene, für Straftäter, für politische Häftlinge?
Was reimt sich auf Dorn: Horn, Korn, Born, Zorn, vorn.
Schneisen durch den Dschungel der neuen Unübersichtlichkeit?
Andere führen ihren Hund spazieren, ich führe meinen Gott spazieren; aber der holt mir nicht jeden Knüppel zurück.
Ist es nicht so, daß die Kirche dort, wo sie zu lösen vorgibt, bis heute immer nur gebunden hat, und das aus eben jenem Kleinglauben, der sich heute zur realen Verzweiflung und zur Selbstverfluchung auswächst?
Die spezielle Relativitätstheorie rückt das Zentrum des Systems in jene Lücke im System, auf die das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hinweist, d.h. auf ein im strengen Sinne systemtranszendentes Element.
Es gibt auch eine historische Anwendung des Inertialsystems, deren Strukturgesetz wird einerseits durch die transzendentale Logik Kants, andererseits durch die Hegelsche Logik des Begriffs beschrieben.
Der Unterschied zwischen der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und der antiken Schuldknechtschaft scheint darin zu liegen, daß, während diese sich aus der Eigenlogik der wirtschaftlichen Entwicklung ergab, jene etwas Gewolltes und bewußt Angestrebtes war, wobei jedoch auch hier der Wille sich am Ende nur als ein Moment im System erwies.
In welcher Beziehung steht der Turmbau zu Babel zur Regenbogengeschichte?
Der Beweiszwang entspricht dem Bekenntniszwang, beide vertreiben die Erkenntnis, die Einsicht aus der Wahrheit. Das ist der Grund für das Mißlingen jeglicher Apologetik.
Die moderne Astronomie versündigt sich gegen das Herrschaftsgebot der Genesis, indem sie nicht nur die Erde, sondern auch den Himmel versucht sich untertan zu machen. Allerdings hat hier die Theologie in der Geschichte der Dogmenentwicklung die nötige Vorarbeit geleistet. – Gott hat den Menschen nach seinem Bilde erschaffen; der Mensch hat den ganzen Kosmos dem Bilde der Erde nachgebildet (und so dem Totalitätsbegriff der Natur unterworfen).
Titelvorschlag: Objektivation und Instrumentalisierung?
Wie steht es mit den Realien zu den Geschichten Rut, Judit, Ester, Tobit, Hiob, Jonas? Sind die historischen Überlagerungen vergleichbar mit denen der Abraham-Geschichte? (Nach Franz von Baader hat die Schrift insgesamt apokalyptische Bedeutung.)
Die Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen (die babylonische Sprachverwirrung) in der Theologie.
Idolatrie und Opfer gehören zur Genese des Eigentumsbegriffs. Und diese Geschichte des Eigentumsbegriffs wird fundiert und abgesichert durch Geschichte und Struktur des Weltbegriffs. Die Phasen dieser Geschichte lassen sich ablesen an den Gestalten der Kulturen (der Religionen und der Kulturen, bevor sie durch den Säkularisationsprozeß neutralisiert und musealisiert worden sind). Religionen sind geronnene Formen der subjektiven Verarbeitung der Eigentums- und Rechtsgeschichte. Der heutige Atheismus ist darauf zurückzuführen, daß die Verdrängung heute soweit gediehen ist, daß man glaubt, diese Verarbeitung nicht mehr nötig zu haben.
Bei Heinsohn hängt die Naturkatastrophentheorie, aus der er dann die Genese des Opfers (den Ursprung des Monotheismus und des Geldes) ableitet, erkennbar mit seinem Ökonomiebegriff zusammen, aus dem er die genetischen Zusammenhänge weiterhin heraushalten möchte. Deshalb braucht er die Naturkatastrophen als Mittel der Erklärung.
Ist die lateinische Version des christlichen Dogmas römische Rechtsmystik (Person- und Eigentumsmystik)? Wenn die Person durch ihr Verhältnis zu anderen Personen und zum Eigentum definiert wird, und diese Verhältnis als allgemeines sich im Geld vergegenständlicht, dann gab es für das Christentum keine andere Form der Auseinandersetzung mit dem Mythos als die der Überwindung (nicht der Reflexion, die durch den geschichtlichen Kontext versperrt war). Die Reflexion des Mythos hätte zwangsläufig dem Dogma den Boden, den Grund entzogen. Durch die bloße Überwindung des Mythos hat dieser sich im Dogma (nachdem er unkenntlich geworden ist) reproduziert.
Entspricht das, was Hinkelammert als Schuldenautomatik analysiert, dem, was heute in der Astronomie „schwarze Löcher“ heißt?
Arbeit ist die Sühne für die Schuld, nicht Eigentümer zu sein; der Eigentümer ist der Erlöste; und Sünde ist alles, was dem Streben nach Eigentum im Subjekt selbst im Wege steht. Deshalb ist heute Mitleid, Empathie Sünde.
Die Opfertheologie stützt den Eigentumsbegriff und den Rechtsstaat.
Die endgültige Trennung von Begriff und Objekt gründet in der Verselbständigung des Objekts, die durch die reinen Formen der Anschauung vermittelt ist. „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ In diesem Zustand ist der Islam geblieben, weil er das Verhältnis der Arbeit zum Sündenfall (Arbeit als säkularisierter Kampf gegen den Sündenfall) nicht kennt. (Vgl. die Hegelsche Bemerkung über den prosaischen Charakter der modernen Kleidung in seiner Ästhetik.)
Das „die Schuld der Welt auf sich Nehmen“ schließt den Abstieg zur Hölle mit ein.
Die Welt ist die Welt des potentiellen Eigentums (nach universaler Ausbreitung des Tauschprinzips), die Natur die der gegenständlichen Objekte (Produkt der unendlichen Ausdehnung des Raumes).
Daß sich Hegel zufolge der Begriff in der Natur nicht halten kann, reproduziert sich im Absoluten als die Trunkenheit aller seiner Glieder.
„Sein Erlauten“ (Buber) statt „Spruch des Herrn“: Buber ist nicht selten (sowohl in der Bibel-Übersetzung als auch in seinen theologischen Schriften) der Verführungskraft einer Archaik erlegen, die auf feudale Verhältnisse zurückweist; deren Erbe ist aber ist die Verwaltung, nicht die Theologie.
Büchner: „Wenn ich Gott wäre, ich würde retten, retten.“ – „Ich fühle mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte.“ – „Mit einem Lachen ergriff der Atheismus in ihm Platz.“ -
28.06.91
Nach der Katastrophe hat in Deutschland der Katholizismus und auch die Theologie, wie es scheint, endgültig das Nachfolge-Gebot verworfen, mit unermeßlich katastrophalen Folgen. Unter dem Druck der zugleich verdrängten Konfrontation mit Auschwitz ist Religion, anstatt sich auf die allein befreiende Erinnerungsarbeit einzulassen, der zweiten Schuld verfallen und blasphemisch geworden. Eingedrungen ist die Blasphemie als „Greuel der Verwüstung“ am „heiligen Ort“: in die Opfertheologie, zentral ins Verständnis der Eucharistie. Die Kirchenarchitektur und die kirchliche Ästhetik nach dem Krieg legen eindrucksvoll Zeugnis ab davon. Ablesen läßt sich das an dem projektiven Anteil in den kirchlichen Verurteilungskampagnen, zuletzt im Kampf gegen die Abtreibung: Abgetrieben wurde das Nachfolge-Gebot. Und die eigene Schuld, mit der die mater ecclesia nicht mehr leben kann, zur eigenen Entlastung auf die projiziert, die, nachdem sie keine Alternative mehr haben, dann wehrlos der Diskriminierungskampagne ausgeliefert sind.
Zugleich hat sich unter dem Druck der Katastrophe der Objektivitätsbegriff so verändert, daß er eine Alternative zur Opfertheologie nicht mehr zuzulassen scheint. Die Kritik der Opfertheologie ist nur noch möglich, wenn zugleich der natur- und weltkonstituierende Panzer des Objektivitätbegriffs selbst gesprengt wird: wenn die Schulddiskussion (die Reflexion des historisch-gesellschaftlichen Schuldzusammenhangs angesichts der Folgen des historischen Zusammenbruchs der Moral) endlich auf das theologisch allein angemessene Niveau des Nachfolge-Gebots gehoben wird.
Erkennbar sind die Folgen – außer in der politischen und ästhetischen Selbstmanifastation der Kirchen – in der Verwirrung der Nachkriegs-Theologie (es gibt bis heute keine christliche Theologie nach Auschwitz), in der Verfassung derer, die frustiert sind, aber von der Droge Kirche nicht lassen können, insbesondere an den die Kirchentage bevölkernden Jugendlichen (ihrer unaufgearbeiteten Belastung durch die Erwachsenen, die ihnen keine Hilfe waren, vielmehr gegen sie die Welt vertraten, aus der sie sich ausgeschlossen wußten). Auch hier scheint die merkwürdig ambivalente Bindung an die Liturgie (eine der ambivalenten Folgen der Liturgie-Reform), insbesondere in den Jugendlichen, bei denen, die (in der katholischen Kirche) nach dem Krieg zur Erstkommunion gegangen sind, nur die Alternative Verhärtung (Säkularisation und Externalisierung des Opfers durch Anpassung an die Welt) oder Sucht (Verinnerlichung des Opfers: Wiederholungszwang im Wunsch nach einer heilen Natur, nach Geborgenheit, Bindung ans Selbstmitleid) zuzulassen; beschädigt sind beide, oder: sind nicht doch beide nur zwei Seiten der gleichen Medaille?
Mit der Trennung der Opfertheologie und der Eucharistie-Praxis vom Nachfolge-Gebot wird die Gemeinheitsautomatik (für die in der Öffentlichkeit nicht zufällig mit hoher Repräsentanz die CDU einsteht, oder die Maxime: Du darfst alles, dich nur nicht erwischen lassen) kirchlich sanktioniert, das Zwangsbekenntnis (dessen kirchliche und politische Anwendung die Heuchelei, die Lüge toleriert, aber die moralisch begründete Abweichung diskriminiert) zu einer Waffe, der die, die unten sind, wehrlos ausgeliefert sind: insgesamt wird mit der objektiv gewordenen Heuchelei der Zusammenbruch der Moral (und der Religion, der Idee des seligen Lebens, die dem Denkverbot unterworfen wird) so kaschiert, daß eine blasphemisch gemachte Religion als Basis der Gesellschaft und des Zusammenlebens der Menschen weiterhin nutzbar ist. -
13.05.91
Die Logik des Bekenntnisses beherrscht auch den Erkenntnisfortschritt: Das Objekt ist der Feind, das Wissen das Denkmal des Sieges; gewonnen wird das Wissen in der Auseinandersetzung mit den Häresien: den veralteten, überwundenen Anschauungen (in jeder Häresie tritt der wahren Lehre erneut ein noch nicht überwundenes Stück Heidentum entgegen). Der Materialismus repräsentiert die ungetaufte, noch nicht überwundene rohe Natur: das, was unten ist und da auch hingehört. Universität ist ein Zielbegriff und ein Kampfruf, die Wissenschaft die Phalanx, die ruhig, gewaltig und unwiderstehlich fortschreitet. Die widerlegten, überwundenen Gedankenmassen haben ihre Begräbnisstätten in den Bibliotheken gefunden; an die Möglichkeit einer Auferstehung denkt niemand.
Hat der Satz: „Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag“ auch erkenntniskritische Bedeutung? Und ist nicht der Sinn hierfür durch die Musik geschärft worden: durch die Überlagerung verschiedener Zeitstrukturen? Und ist hier nicht die Klassik ein -wie auch immer ambivalenter – Fortschritt gegenüber der Polyphonie Bachs? Werden hier nicht in die Musik Formstrukturen eingearbeitet, die sich dann in der Musik gegen die Musik (in Richtung Sprache?) abarbeiten? Eine Geschichte der Musik nach Bach (bis Schönberg) müßte diesen Prozeß darstellen. Bach hat gleichsam das Gravitationsgesetz in der Musik entdeckt und ausformuliert, Schönberg das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Das Movens in dieser Geschichte ist mit denm Hegelschen Absoluten verwandt: mit dem Gesetz der Profangeschichte: von der brutalen Form der Selbsterhaltung bis zu den sublimsten Formen des Glücksverlangens.
Das Gefühl, dessen Begriff das Äquivalent des mechanischen Stoßes, das Tastempfinden, wie auch die sublimsten Erfahrungen umfaßt, ist nicht nur der Gegensatz zur Vernunft, zur Logik, sondern es hat seine eigene Logik, die an der der Vernunft partizipiert. Das Gefühl ist die brennende (aber nicht verbrennende) Innenerfahrung der Profangeschichte; durch die Bindung an die Profangeschichte hat es seinen pathologischen Zug, der aber gleichzeitig der Widerstand ist, an dem es sich abarbeitet. Das Gefühl ist das Äquivalent des materiellen Trägheitsmoments im Subjekt. Und die Physik, vom Gravitationsgesetz über die Thermo- und Elektrodynamik bis zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, zum Planckschen Strahlungsgesetz und zur Quantenmechanik, beschreibt nicht nur die Schicksale des Trägheitsbegriffs, sondern ebensosehr die des Gefühls. Das Gefühl konstituiert sich in der Spannung zwischen Welt und Natur (als subjektiver Reflex der entfremdeten, vergegenständlichten Geschichte der Auseinandersetzung mit der Natur). Sein Ursprung licht (sic, B.H.) die Geschichte der politischen Physik (nicht Ökonomie).
Der Säkularisationsprozeß hat seine Grenze darin, daß in seinem blinden Fleck die christlichen Ursprünge versteckt sind (blind herrschen und zugleich unerkennbar geworden sind). Diese verdrängten christlichen Ursprünge aber sind nur erkenntnis- und bewußtseinsfähig im Rahmen einer politischen Physik. Sie sind aufklärungsfähig nur dann, wenn der Bann, der von der Physik auf die Politik ausstrahlt und übergreift, gelöst wird. (Titel-Vorschlag: Probleme des Säkularisationsprozesses oder Kritik der politischen Physik. – Kritik der politischen Physik ist Kritik der Ästhetik, Kritik des Weltbegriffs; in der Theologie: Kritik des Bekenntnisbegriffs. Hintergrund ist der Zusammenhang der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Logik)
Typos meiner Waldspaziergänge: das Brüten des Geistes über den Wassern (in Verbindung mit dem „abgestiegen zur Hölle“).
Über den Gegenstandsbegriff hat das Subjekt alle Objekte in den Strudel seines Falls mit hereingezogen.
Der verdinglichte Begriff des Unbewußten, der Zwang, das Unbewußte im Rahmen einer psychologischen Topographie im Subjekt zu lokalisieren, rührt her vom Telos der Psychoanalyse, von dem Ziel, das Subjekt lebenstüchtig zu machen, es ans herrschende Realitätsprinzip anzupassen, es arbeits- und genußfähig zu machen. Mit der Anerkennung des Realitätsprinzips lädt Freud dem Subjekt die ganze Last der Vergangenheit auf; die Hinnahme der Vergangenheit ist die Grundlage des Realitätsprinzips. Aber mit der Anamnese, mit der Erinnerungsarbeit, stellt Freud auch die Mittel bereit, diese Vergangenheit zu durchschauen; wenn die Anamnese entdomestiziert (nicht selber wieder dem Realitätsprinzip unterworfen) wird, vermag sie vielleicht auch diese Prämisse des Freudschen Konstrukts zu relativieren.
Das Subjekt-Objekt des Rechts ist die Gemeinheit: deshalb ist die Gemeinheit kein Tatbestand des Strafrechts.
Im Gravitationsgesetz und in der Geschichte der Optik und Elektrodynamik ist es der Physik gelungen, die Distanz zum Objekt ins System zu integrieren, so das System überhaupt erst zu konstituieren. Durch diese Einbindung aber ist das System zugleich gesprengt worden (Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit).
Falsch wäre es, das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit auf das Gravitationsgesetz bloß anwenden zu wollen, wichtig wäre es, die Identität zu begreifen.
Velikowsky und seine Nachfolger, die Vertreter einer katastrophischen Geschichtstheorie, bleiben in dem gleichen Konkretismus stecken, der auch die gesamte Ökologiebewegung beherrscht. Ein nicht konkretistischer Objektivitätsbegriff würde allerdings auch eine Kritik der Physik (Kritik des Inertialsystems) voraussetzen, die es bis heute noch nicht gibt.
Steckt in der Masse-Energie-Äquivalenz (E = m.c2) der Schlüssel für die Kritik und Entzifferung der wichtigsten Leistung des Gravitationsgesetzes: der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen.
Enthalten die apokalyptischen Schriften Erinnerungen an die historischen Naturkatastrophen, oder enthalten sie Hinweise für eine Entschlüsselung dessen, was hier durch das Konzept der historischen Naturkatastrophen bewiesen werden soll? Die konkretistischen Weltuntergangsvorstellungen scheinen in den gleichen Zusammenhang hereinzugehören.
Wenn die Juden der Augenstern Gottes sind, wer ist dann der Finger Gottes? Ist es der Finger Gottes, der die Lippen öffnet? (Ein Titel wie „Der Heilige Geist als Person“ ist schlicht blasphemisch, eine Sünde wider den Heiligen Geist.)
Hat der Hahnenschrei etwas mit dem Morgenstern zu tun?
Die installierte Heuchelei des kirchlichen Lebens heute, der Existenz in der Kirche, beruht darauf, daß der Block des Bekenntnisses, wie es scheint, nicht aufzulösen ist. Erst die Verbindung von Gottesfurcht und Herrschaftskritik löst den mythischen Bann.
Das Subjekt in der Natur ist das alte logische Subjekt, das Subjekt im Urteil, das durch die Mathematisierung der Natur sich aufgelöst hat. Geblieben ist die Idee des unbegriffenen Benennbaren. Die Auslöschung des benannten (benennbaren) Subjekts ist der systemlogische Grund des Antisemtismus.
Heute verfängt sich das Herrendenken in seinem selbstproduzierten System. Der Satz „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ benennt das Prinzip davon.
Der Begriff des Gerichts hängt mit dem der gerichteten Bewegung, mit der Gewalt des Raumes, zusammen; gerichtet wird außerdem das Haus („aber der Menschensohn, hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen soll“); und das Essen wird angerichtet. Gerichtet wird der Angeklagte, der Verbrecher.
Wie ist es mit dem Haus, dem Wohnen, im Alten Testament (das Zelt, der Tempel), mit dem Land, wo Milch und Honig fließt?
Die Erde erscheint von außen als „blauer Planet“. Warum eigentlich? Und warum nur die Erde?
Hegels List der Vernunft ist heute übergegangen in die Gewalt der Vernunft. Genauer: An die Stelle der List der Vernunft ist heute die nackte und brutale Gewalt getreten, die auch in der Vernunft ihr zerstörerisches Werk vollendet hat.
Die Differenz zwischen dem stalinistischen und dem faschistischen Antisemitismus läßt sich an dem Verhältnis der stalinistischen Schauprozesse und dem faschistischen Judenmord bestimmen: Die Funktion der Antisemitismen war unterschiedlich. Der stalinistische Schauprozeß ging über die Gehirnwäsche zur Auslöschung des Subjekts durch systemkonforme Selbstdenunziation; den Opfern wurde zugemutet, durch die doppelte Selbstdenunziation (als „Verräter“ der Bekenntnisgemeinschaft und des eigenen Gewissens) das von ihnen selbst vertretene System (ihre eigene Identität, wie es heute bei der raf heißt) zu retten. Die Angeklagten bekannten sich schuldig für Taten, die sie nicht begangen hatten. Um der Gemeinschaft, der sie sich verschrieben hatten (dem Bekenntnis, an das sie glaubten), zu dienen, ließen sie sich als Opfer (als Opfer ihrer eigenen Bekenntnislogik) vorführen. Die Nazis hingegen beteten die Gewalt an; und um diese Gewaltmetaphysik bei den eigenen Anhängern rein durchsetzen zu können, vernichteten sie die Angehörigen des Volkes, das an den einzigen Widerspruch gegen die Gewaltmetaphysik: an den Ursprung des Gewissens erinnerte. Die faschistische Gemeinschaft war die der Komplizenschaft, nicht die eines rationalen Bekenntnisses (der Form, nicht des Inhalts des Bekenntnisses).
Die Liquidierung ist ein stalinistischer Akt, die Endlösung ein faschistischer.
Intersubjektivität ist ein Bekenntnisbegriff.
Die Medien sind die Agenten des beschränkten Lesergeschmacks, den sie selber produzieren.
In den Problemen der Agrarpolitik und in den Dritte-Welt-Problemen drückt sich die Tendenz der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur aus, die darauf hinausläuft, die Natur (den Naturstoff und die Arbeit) zum Verschwinden zu bringen.
Legen die Hinweise von Gunnar Heinsohn die Erkenntnis nahe, daß die Schlachtopfer matriarchalischen, die Ganzopfer (Holocaust) hingegen patriarchalischen Ursprungs sind?
Urheber des Krieges ist der Staat, nicht das Volk (Franz Rosenzweig, Kleine Schriften). Das Volk ist Opfer des Krieges, und zwar unabhängig von nationaler Zugehörigkeit und unabhängig von Sieg oder Niederlage: so ist das Volk eine Schicksalsgemeinschaft.
Der Trick der Hegelschen Philosophie, die List der Hegelschen Vernunft, liegt darin, daß er das begriffslos gewordene Objekt zum Verschwinden bringt und auf diesem Wege den Begriff zum Inbegriff des Ganzen macht. Das Objekt, sofern es Deckbild des Anderen ist, dessen, was nicht in den Begriff aufgeht, ist nur noch Denkmal des vergessenen Namens, hat kein Existenzrecht. Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte der Philosophie insgesamt antisemitisch, und das auch schon im frühchristlichen Dogmatisierungsprozeß, in der christlichen Theologie.
Heideggers Existenzbegriff ist Inbegriff der Gewalt, die dem Objekt angetan wird, während der Existenzbegriff bei Rosenzweig, wenn es denn so etwas überhaupt bei ihm gibt, Inbegriff des Leidens ist, das dem Objekt angetan wird. Philosophie ist der Prozeß der Verdrängung dieses Leidens.
Doppelte Beziehung zum Anderssein im Objekt: die Aggression, die Wut, ist antisemitisch, die Angst vor dem Chaos, vor der Selbstauflösung, ist frauenfeindlich. (Und die Oszillation von Angst und Wut ist die Elektrodynamik.)
Das Medium der Naturphilosophie ist die assoziative, auch aleatorische Aufschlüsselung des Bruchs zwischen der Sinnlichkeit und ihrer physikalischen Objektivierung. Die hierbei gewonnene Erkenntnis gleicht der, die Spengler die physiognomische Erkenntnis genannt hat, jedoch nach ihrer Befreiung von der Herrschaft, des Mythos, des Schicksals. Sie gehorcht dem Satz: Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe; deshalb seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.
Der Werbeslogan „Die Polizei, den Freund und Helfer“ ist schlicht eine blasphemische Lüge. Die Polizei ist die Priesterschaft des neumythischen Staates, das Opfer, das sie ihrem endlichen Gott darbringt, liegt noch jenseits des Ganzopfers, es ist kein Opfer mehr zur Entsühnung des Volkes, sondern das Opfer des Volkes zur eigenen Entsühnung, zur Entsühnung des Tieres, in dessen Dienst die Polizei steht. -
06.04.91
Aufklärung und Erinnerungsarbeit: schließt den Zusammenhang von transzendentaler Ästhetik und Logik mit ein, gegen Instrumentalisierung der Erinnerung (gg. Habermas und seine Anwendung des Begriffs des kommunikativen Handelns). Erinnerungsarbeit sucht die Last der Vergangenheit als Produkt vergangener Arbeit zu begreifen und selbst durch Erinnerung aufzulösen. Die realen Opfer sind Folgen der Verdrängung dessen, wofür das Opfer einmal einstand; diese Verdrängung ist sedimentiert in der transzendentalen Ästhetik. Deshalb ist eine Kritik der Naturwissenschaften heute unabweisbar; sie ist aber nur möglich, wenn Philosophie zusammen mit der „religiösen Tradition“, auf die sie in allen ihren Phasen sich bezieht, in die Erinnerungsarbeit mit einbezogen wird. Eine gewisse Vorarbeit hat hier Hans Blumenberg geleistet; zugleich wird die Arbeit der Postmoderne (Lyotard) hilfreich.
Die wichtigste theologische Konsequenz aus Auschwitz: Kritik der Opfertheologie (und der Gnaden- und Rechtfertigungslehre), der Trinitätslehre und der Christologie; Beginn der Erinnerungsarbeit, deren erster Gegenstand die Geschichte des Opfers ist, in eins damit: Kritik des historischen Objektivationsprozesses (der transzendentalen Ästhetik: das „reine Zusehen“ ist nicht mehr erlaubt).
Nicht: nach Auschwitz ein Gedicht schreiben, sondern: nach Auschwitz ein Bild malen, ist barbarisch. -
19.02.91
„Doch die Frauen haben einen Vorzug: Sie haben kein Gesicht zu verlieren.“ (Erica Fischer in der taz vom 19.02.91)
Der Satz hängt mit den anderen zusammen: „Frauen sind nicht bekenntnisfähig (Forderung biologischer Unschuld: Jungfrau).“ „Männer dürfen nicht weinen (müssen sich zu ihrer Tat bekennen: Confessor).“ Das Gesicht, daß die Männer glauben, nicht verlieren zu dürfen, ist ein öffentliches Gesicht: die Maske der Person, die sie auf der Weltbühne der Politik, des Geschäfts, der Durchsetzung des Rechts als Existenzgrundlage benötigen (als Grund der Fähigkeit, mit der Schuld zu leben). Hintergrund ist das unterschiedliche Verhältnis zur Schuld (Biologisierung und Vergeistigung: Ursprung des Idealismus und des Rassismus) und die Unfähigkeit, diesen Konflikt aufzuarbeiten. Männer machen die „Drecksarbeit“, kämpfen insbesondere gegen den „inneren Schweinehund“ (im eigenen Innern und draußen), während die Frauen den Schein der „heilen Welt“ des Privaten, die die Männer durch ihre Arbeit draußen begründen und nach außen absichern, nach innen durchsetzen und nach draußen repräsentieren (Zusammenhang mit dem Eigentumsbegriff, mit der Geschichte des Tauschprinzips.)
Das Bekenntnis steht in der Geschichte des Falls und transportiert ihn weiter, ist die Grundlage für die falsche Säkularisierung der Theologie (die Geschichte der Gottesleugnung).
Wer sich zu etwas bekennt, gibt sich als etwas zu erkennen (Mord, Mörder).
Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben: ein Gebot wider die Personalisierung der Schuld, gegen das Geschwätz (Gerede), gegen das Herrendenken.
Gibt es einen sprachlichen Zusammenhang zwischen Welt, Gewalt, Verwaltung? Begründen Gewalt und Verwaltung die Welt (Funktion der Engelhierarchien)? Säkularisation kommt dagegen von saeculum: von Zeitalter, Weltalter, Epoche (per saecula saeculorum: durch die Zeitalter der Zeitalter, nicht „von Ewigkeit zu Ewigkeit“: Verewigung des Zeitalters?). Klingt im saeculum auch der astrologische Weltbegriff (Planeten als Herrscher der Zeitalter) an, oder nur der politische Begriff (assyrische. chaldäische, römische Aera, apokalyptischer Epochenbegriff)? – „per J.Chr., filium tuum, qui tecum regnat et imperat per s.s.“
An der Hegelschen Philosophie läßt sich demonstrieren, daß der Antisemitismus mit der Leugnung des Vaters zusamenhängt.
Das „messianische Licht“ in dem Stück „Zum Ende“ ist der genaue Ausdruck dessen, was man bei Adorno Gottesfurcht wird nennen dürfen.
Der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus legt den Schluß nahe, daß der Übergang von der Theorie zur Praxis nur unter theologischen Prämissen sich bestimmen läßt. Erst in theologischem Kontext wird die Theorie praktisch.
In einem Punkt hat die christliche Sexualmoral recht: Es gibt eine Schamgrenze, die nicht überschritten werden darf. Ihr Fehler liegt jedoch darin, daß sie sich Scham nur als sexuelle Scham vorstellen kann: Im Übrigen ist die Theologie in der Tat unverschämt und schamlos. Sie hat bis heute nicht begriffen, daß die Schamgrenze (auch die sexuelle) durch die Idee der Gottesfurcht definiert und bestimmt wird.
Das „et ne nos inducas in tentationem“ gilt auch im Hinblick auf die Empörung. Mehr noch: Es gibt keine Versuchung, die diesen Namen mehr verdient (Gemeinheit wird belohnt durch die Moralität dessen, der sich aus der Schuldzone durchs moralische Urteil herauszustehlen sucht; vor allem: er bemerkt es nicht.) Empörung ersetzt die Kraft des Arguments durch die personalisierende Projektion, durch Wut, die zugleich dem Wütenden den Schein der moralischen Überlegenheit verleiht. Empörung verhindert eben damit das, was aus dem Teufelskreis herausführen könnte: die Kraft der Besinnung, der Differenzierung, der Identifikation und der Unterscheidung. Man muß den alten theologischen Sinn von Empörung, nämlich Hybris, in diesem Begriff mithören: Mit dem Herrendenken wurde auch diese Hybris sozialisiert.
Der Säkularisationsprozeß hat nicht erst zu Beginn der Neuzeit, sondern – mitten in der Theologie – schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung, in der Phase der Kirchenbildung, der Ausbildung des Dogmas: der Anpassung an die Welt, begonnen. Die ersten Gestalten der säkularisierten Religion waren der Confessor und die Virgo.
Gesinnung als moralisches Alibi: Die reine Gesinnung will sich nicht selbst mit der Schuld beflecken, von der sie doch zugleich selbst lebt.
Die Idee des Ewigen schließt die Vergangenheit von sich aus; aber ist nicht die Idee des Ewigen selbst eine vergangene Idee?
Muß man zum Verständnis der Figur der Magd darauf achten, daß es sich um die Magd des Hohepriesters (nach Joh. um die Pförtnerin) handelt, daß die Leugnung im Hof des Hohepriesters sich ereignet? Und was hat es mit dem Vorhof und dem Tor auf sich? Ist die Kirche (Petrus) immer im Hof oder im Vorhof des Judentums geblieben (bis zum Hahnenschrei)? (Zusammenhang mit dem frühkirchlichen Antijudaismus?)
Bei Johannes ist der „Jünger, den Jesus lieb hatte“, der Petrus den Zugang zum Hof des Hohepriesters verschaffte.
Die johanneische Pförtnerin: Ist sie nicht eine Verwandte des Kafkaschen Türhüters (Vor dem Gesetz).
Theologie im Angesicht Gottes: Als Jesus sich umsah und ihn anblickte, da ging er hin und weinte bitterlich.
Bei der dritten Leugnung verflucht Petrus sich selbst.
Die dreifache Leugnung:
1. die Rezeption der griechischen Philosophie,
2. die Rezeption der islamisch weiterverarbeiteten Philosophie,
3. die europäischen Aufklärung. Hier helfen die Mittel, die den Kirchenvätern und den scholastischen Kirchenlehrern noch zur Verfügung standen, nicht mehr.
(Die Angst davor, als Sympathisant erkennt zu werden, gab es damals schon: sie ist die Urangst des Christentums.)
Die drei Leugnungen beschreiben exakt den Prozeß der Selbstentfremdung (der auch über die zuschauenden Anderen abläuft und in der Selbstverfluchung endet).
Hat die Pförtnerin etwas mit der Schlüsselgewalt Petri zu tun? Zur Pförtnerin gehört auch, daß
– Petrus Einlaß durch Johannes bekommen hat,
– die ganze Geschichte sich im Hof, im Vorhof und am Tor abspielt. (Wer sind eigentlich die Galiläer? – Jakob Böhme würden jetzt vielleicht die Gallier, die Galizier, die Fürstin Gallitzin und vielleicht auch noch die Galle einfallen.)
Die Geschichte der Kirche ist eine Geschichte der Bekehrungen. Aber diese Geschichte der Bekehrungen findet ihre Grenze an den modernen europäischen Aufklärung: Hier trifft sie auf ihr eigenes Produkt, auf eine Projektion ihres eigenen unbekehrten Inneren. Die Kirche hat Bekehrung immer als Überwindung des alten Heidentums, das damit abgetan und erledigt schien, verstanden, während die wirkliche Bekehrung nur durch Umkehr möglich ist: durch Aufarbeitung der Vergangenheit, durch Erinnerungsarbeit. Die Geschichte der Bekehrungen hätte eine Geschichte des Lernens sein können und müssen; sie war eine Geschichte der fortschreitenden Verdummung.
Bezeichnend, daß Hegel den Islam nicht kennt (ihn nur kursorisch unter dem Titel Mohammedanismus abhandelt).
Erinnerungsarbeit und das, was Horkheimer und Adorno exakte Phantasie nannten, gehören zusammen.
Das Inertialsystem ist das vergegenständlichte Abfallprodukt des Denkens des Denkens.
Aus der katholischen Tradition heraus ist der Hegelsche Begriff der „List der Vernunft“ (gibt es diesen Begriff auch in der Hegelschen Logik?) nicht akzeptabel, eigentlich unverständlich. Da ist offensichtlich eine spezifisch katholische Blockade. Das Gleiche gilt für den Begriff des Scheins bei Hegel. Diese Blockade hat bei Heidegger dazu geführt, daß er den Reflexionsbegriff nicht einmal wahrnehmen, wirklich zur Kenntnis nehmen konnte und dadurch in die Schlinge hineingeraten ist, die er dann in seiner Fundamentalontologie zugezogen hat.
Der Fundamentalismus (in allen Buchreligionen) ist das Produkt der unaufgearbeiteten Gegenwart. Judentum und Islam scheinen ihm schutzlos preisgegeben zu sein. Das Christentum hat den Säkularisierungsprozeß nicht nur eröffnet und weitergetrieben, es ist die einzige Religion, die auch das Mittel dagegen hätte (wenn es nur endlich davon Gebrauch machen würde).
Die Allegorie ist die Umformung des Mythos in Philophie, in Begriffe. Die Typologie ist die Umformung des Mythos in Prophetie, in die benennende Kraft der Theologie.
Grund und Prinzip der Sprachverwirrung: das Ungleichnamige gleichnamig machen. Dieses Prinzip ist in Hegels Begriff des Begriffs (und in dem Konstrukt einer List der Vernunft) als Teil der philosophischen Vernunft begriffen worden.
Die apriorische Objektbeziehung, die durch die subjektiven Formen der Anschauung in die transzendentale Logik hereingekommen ist, ist dauerhafte und irreversible Verletzung des Bilderverbots, Ursprung des Taumelkelchs des Begriffs (an dem kein Glied nicht trunken ist).
Die Äquivalenzbeziehungen, die anhand der Analyse der Stoßprozesse herausgearbeitet worden sind, sind die Grundlage und der begriffliche Kern der gesamten Physik.
Gilt das Gewaltmonopol des Staates auch fürs Inertialsystem (das von außen Angreifen als der Erkenntnisgrund der gesamten Physik)? Lassen sich die Hegelsche Logik und die Hegelsche Geschichtsphilosophie als als die begriffliche und historische Selbstentfaltung der Gewalt begreifen?
Die physikalischen Erhaltungssätze sind eigentlich keine physikalischen Sätze, sondern erkenntnistheoretische Randbedingungen der physikalischen Erkenntnis. Sie definieren und stabilisieren die metrische Struktur des Referenzsystems, auf das sich alle physikalischen Begriffe beziehen; sie sind ein systematischer Teil des Inertialsystems.
Die Physik ist das Skelett der Natur, und die Chemie beschreibt den Verwesungsprozeß des abgestorbenen Fleisches.
Hat der Plural in Gen. 126,27 „Lasset uns dem Menschen machen nach unserem Bilde …“ etwas mit dem Plural haschamajim zu tun (vgl. auch das „qui es in caelis“)? Und ist der „Hofstaat“, auf den Jürgen Ebach den Plural bezieht, ein Vorläufer und früher Verwandter der „Mächte“ beim Paulus?
Die Theologie ist zu Tode erkrankt an der Unfähigkeit, zwischen rettender und zerstörender Gewalt zu unterscheiden; oder auch an der Unfähigkeit, zwischen transzendent und transzendental zu unterscheiden. Bei Kant bezeichnet das An sich die Transzendenz, die transzendentale Ästhetik und Logik hingegen den Inbegriff der Subjektivität, den Ursprung des Idealismus. Die transzendentale Logik macht den Idealismus als Inbegriff dessen, was einmal Empörung hieß, als Hybris, erkennbar.
Die kantische Erkenntniskritik gilt sowohl für die vom Tauschprinzip beherrschte Gesellschaft als auch für die vom Trägheitsgesetz beherrschte Natur. -
18.02.91
Abhängigkeit der Naturästhetik von der Vergegenständlichung der Natur (Verdrängung der Schuld, Besänftigung des Schreckens). Wer Natur wirklich erfahren will, muß sich dem Schrecken öffnen (dem mittäglichen Schrecken des Pan). – Natur und Opfer.
-
01.01.91
Die Rede von der „Überwindung der Mechanik“, überhaupt von den „Überwindungen“ (des 19. Jahrhunderts o.ä.), ähnelt dem Verhalten von Newcomern, die sich ihrer Herkunft schämen und sich falsche Ahnenbilder ins Wohnzimmer hängen. Das Christentum heute scheint zu einer Galerie falscher Ahnenbilder zu werden.
Der Begriff der „rohen Natur“ ist ambivalent. In ihm wird der vorzivilisatorische Zustand mit einem durch den Zivilisationsprozeß erst vermittelten: mit dem, was im Verwertungsprozeß als dessen materielle Grundlage (als Rohstoff- und als menschliche und „natürliche“ Rohenergiebasis) selbst erst produziert worden ist, in eins gesetzt. Was im Verwertungsprozeß als das Erste gesetzt wird, muß es nicht auch an sich sein. Ist es so undenkbar, daß das sogenannte Primitive auch als Endstufe eines Verfallsprozesses sich fassen läßt? – Adornos Kritik des „Ersten“ (in seiner Metakritik der Erkenntnistheorie) scheint nicht ganz frei von dieser Verwechslung zu sein, die selber wiederum (mit Konsequenzen bis in seine Ästhetik hinein) mit dem unaufgeklärten Weltbegriff zusammenhängt: mit dem Problem der gegenständlichen Entsprechung seiner Erkenntniskritik, seines Begriffs der negativen Dialektik. Der Begriff der „rohen Natur“ macht Ungleichnamiges gleichnamig. Dieses Ungleichnamige ist der „Eckstein, den die Bauleute (bei dem Turmbau von Babel, der heute seiner Vollendung entgegen zu gehen scheint) verworfen haben“. (Zum Zusammenhang von Geschichte der Architektur und Ontologie: Die Fundamentalontologie als Betonbunker.) -
27.05.90
Vom Ansatz, von der Begründung und von der Durchführung her ist Schopenhauer („Die Welt als Wille und Vorstellung“) der Konsequenz der kantischen Kritik und dem kritischen Weltbegriff am nächsten gekommen. Seine Hegel-Kritik ist von hier aus durchsichtig.
Sind die immensen, ständig wachsenden Forschungsmittel, die seit dem Ende des letzten Krieges in die Atomphysik im weitesten Sinne, in die Weltraumforschung und in den Rüstungshaushalt abgezweigt wurden, noch wirklich rational zu erklären; erinnert der Vorgang nicht doch ein wenig an den mythischen hieros gamos (oder auch an den Turmbau zu Babel, der möglicherweise näher am hieros gamos liegt, als bisher angenommen)? – Der Grund mag banaler, darum allerdings nicht weniger harmlos sein: Welcher Ministerialbeamter will sich schon vor dem geballten Sachverstand des Experten, der zudem auf die Referenzen der Großindustrie (als Abnehmer der Forschungsergebnisse wie als Zulieferer der preisexplosiven Forschungsmaschinerie) sich berufen kann, blamieren? Gibt es eigentlich industrielle Großprojekte, die nicht in Beziehung zum Rüstungsbedarf des Kapitalismus stehen?
Zusammenhang von:
– Entdeckung, Hereinnahme und Ausbildung der Perspektive in der Malerei;
– Ende der konstruktiven und Beginn der dekorativen Architektur (Gotik; Renaissance, Barock);
– Beginn der absoluten Musik;
– Beginn der naturwissenschaftlichen Aufklärung, Konzeption des Inertialsystems;
– Trennung von Objekt und Empfindung, Objektivation von Gefühlen, Projektion in Gegenstände, in Natur (Ursprung der Naturästhetik unter der Herrschaft der Melancholie, Entstehung des Genie-Konzepts);
– Portraits.
Die Konstruktion der Neuzeit (der Übergang vom geschlossenen zum unendlichen Universum) wird verständlich vor dem Hintergrund des Ökonomischen und wissenschaftlichen Objektivationsprozesses, der Säkularisation (Verweltlichung der Welt).
-
14.05.90
Dogma und Welt: Das Dogma ist ein wesentliches Moment in der Geschichte der Verweltlichung der Religion, der Verweltlichung des Christentums. Der Zusammenhang mit der Herrschaftsgeschichte spielt hier mit herein. Wenn die Umkehr eine erkenntnistheoretische Kategorie ist, dann ist sie auch aufs Dogma anzuwenden; nur so kann man es vermeiden, daß Theologie zur bloßen Ausschmückung des Dogmas wird, anstatt endlich deren Wahrheit zu realisieren, die nur durch die Umkehr zu realisieren ist. Alle Versuche der Modernisierung, der bloßen Anpassung des Dogmas an veränderte Welt- und Erkenntnisbedingungen verfehlen das Ziel theologischer Erkenntnis; verschoben wird die Relation von Maß und Gemessenem. Nicht die moderne Welt ist Maßstab für das, was am Dogma noch wahr ist, sondern das Dogma ist Maß dessen, was an der modernen Welt falsch ist. So sagen es zwar alle kirchlichen Lehrämter auch, und die Gefahr, mißverstanden zu werden, ist sicherlich groß. Aber wer der Gefahr des Mißverständnisses entgehen will, verstellt sich selbst den Zugang zur Wahrheit.
Zu Drewermann: Seine Adaptation der Psychoanalyse leidet daran, daß es ihm nicht gelingt, den Bann des Psychologismus zu sprengen. Bezeichnend seine Rezeption des Begriffs des Unbewußten, der der Innerlichkeit des Subjekts verhaftet bleibt. Eine objektive Anwendung der Psychoanalyse ist wahrscheinlich erst möglich, wenn es gelingt, den Begriff des Unbewußten statt bloß formal, nämlich gegen das Bewußtsein, in Abgrenzung vom Bewußtsein zu definieren, ins Objektive zu wenden und inhaltlich zu bestimmen, d.h. darauf abzustellen, was in der Objektivität das Bewußtsein nicht mehr erreicht, welche Bereiche der Objektivität vom Bewußtsein ausgeblendet werden, und die besondere Rolle, die der moderne Säkularisationsprozeß darin spielt. Verdrängungsprozesse wären heute nicht mehr in erster Linie in der Privatsphäre, im Bereich der Sexualität, zu studieren, sondern in der Öffentlichkeit, in einem Bereich, der durch Diskriminierung, Ausgrenzung, neue Formen der politischen Gewalt von der Atombombe bis hin zu Polizeigewalt, die qualitativ neue Formen angenommen hat; hier geht es in erster Linie um Verdrängungsprozesse und eines der wesentlichen Instrumente ist hier die Produktion des pathologisch guten Gewissens. Hier haben die Studies in Prejudice, die Untersuchungen über das Vorurteil ganz erhebliche Vorarbeit bereits geleistet.
Der Hinweis Jesu, daß man das Opfer nicht feiern soll, bevor sich nicht mit seinem Bruder versöhnt hat, ist heute das schlagendste Argument gegen die weitere Teilnahme an der Feier der Opfers. Würden die Christen dieses Wort ernst nehmen, die Kirchen wären leer. Die Sache ist nicht harmlos. Der historische Prozeß, in den auch die Geschichte der Sakramente verflochten ist, hat uns deren Gebrauch entfremdet, er hat uns mehr noch die Sakramente entwendet, und zwar entwendet in einem sehr wörtlichen Sinne: Ihr Inhalt ist so verkehrt worden, daß sie uns gleichsam nur noch die Rückseite zukehren, für uns unkenntlich geworden sind. Übrig geblieben ist eine barbarische Ästhetik.
Zweifellos krankt Drewermanns Buch über die Kleriker daran, daß auch er hier das Problem von der falschen Seite anfaßt. Es ist keine Frage der Psychologie, die an die Lösung des Rätsels führt, sondern es ist eine Frage des historischen Prozesses. Und berührt wird nicht die Frage des Klerikertums, sondern betroffen ist die Frage des Priestertums im Kern. Und genau das hätte das eigentlich Objekt von Drewermann sein müssen, das er aber nicht wahrgenommen hat. Und genau das ist es, woran die Priester für alle sichtbar so intensiv leiden, nur sie selber merken es nicht mehr.
Habe ich bei dem Hinweis auf Esther und Judith die Ruth vergessen? Es erscheint mir bemerkenswert, daß diese drei Frauengestalten im „Alten Testament“ die Beziehung der Juden, des jüdischen Volkes zur Außenwelt widerspiegeln, von den Heiden über die Machthaber bis hin zu den Tyrannen. Zu überprüfen wäre, wie sich Hiob, der Leidende, die Propheten zu dieser Außenwelt verhalten, wie verhält sich die Apokalypse hierzu. Propheten und Apokalyptiker scheinen doch zu sehr in die Innerlichkeit des erwählten Volkes versponnen zu sein, bis zum Exzeß versponnen, und die Außenwelt nur noch wahrzunehmen als Gegenstand der Verurteilung, des Banns. Und wohin gehört in diesem Zusammenhang das Hohe Lied der Liebe?
Fällt in der säkularisierten Welt die Theologie insgesamt unter das Bilderverbot?
Das Wesentliche an dem „Hexensabbat“ von Carlo Ginzburg scheint mir zu sein, daß es einen Blick auf eines der wichtigsten Motive der Hexenverfolgung wirft, nämlich auf die Verdrängung der Erinnerung an die Toten. Diese zugleich verdrängte Beziehung zu den Totenheeren scheint mir der Schlüssel zu sein. Verdrängt wurde hier mit der bedrängenden und möglicherweise falschen Erinnerung an die Toten der Grund für die Lehre von der Auferstehung.
Was das Christentum nie geschafft hat, war der gelassene Umgang mit den Häresien. Grund dafür war die Komplizenschaft mit der Herrschaft. Erst das Staatschristentum kennt den Häretiker (wie zuvor der heidnische Staat das Christentum) als den zu eliminierenden Feind. Das Christentum ist in der Geschichte seiner Komplizenschaft mit der Herrschaft bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden, aber es ist darin nicht aufgegangen; ein Rest ist geblieben, der möglicherweise heute fähig wäre, seine rettende Kraft zu entfalten. Erst wenn das Bewußtsein seine Härte ablegt, sich selbst als offene Wunde begreift, erst dann ist Theologie wider möglich. Hier ist das Leiden und der Schmerz nichts, worauf einer sich berufen kann, woraus er Ansprüche herleiten könnte; sie bleiben Leiden und Schmerz. Sie finden keinen Trost. Wer aber in diesem Leiden, in diesem Schmerz sich selbst und seinen Gott zu finden und zu bewahren sucht, der … Selbstmitleid, das Verlangen, geliebt zu werden, ist der Tod der Theologie.
Franz Rosenzweig hat den Streit zwischen Realismus und Nominalismus nicht geschlichtet, sondern auf eine Ebene gehoben, auf der er dann aufgehoben wird. Zentraler Punkt ist seine Lehre vom Namen. Der Name ist nicht Schall und Rauch. Der Name ist das Zentrum seiner Philosophie, deren Intention es ist, die Dinge beim Namen zu nennen oder auch – das ist die andere Seite der Sache – sie zum Sprechen zu bringen. Der kirchliche Zug, den Gershom Scholem an F.R. bemerkt hat, hängt offensichtlich zusammen damit, daß bei ihm keine Apokalypse gibt. Die Apokalypse war zu nah, zu brennend, zu direkt, als daß er sie hätte mit aufnehmen können. Auschwitz kam nach Rosenzweig.
Wenn die Theologie nur dazu dient, die Vorstellung, durch Handeln ließe sich etwas ändern, zunächst einmal beiseite zu stellen, und die ganze Schwere und die den Umfang der Negativität ins Auge zu fassen, jede Illusion darüber beiseite zu lassen, und damit die Gefahr zu meiden, Räuber- und Gendarm-Spiel mit Revolution zu verwechseln, dann hat sie schon einiges erreicht. Aber der Schock der Radikalität ist nicht zu vermeiden. Vor allem dann nicht, wenn man kein Zyniker werden möchte.
Die Hexen haben in der Auseinandersetzung mit der Natur auf der falschen Seite gestanden.
Ein Schmerz, der nicht beleidigt, ein Schmerz, der keine Empörung wachruft, sondern nur Trauer. Es gibt keine Empörung mehr ohne Projektion. Zumindest auf der Seite der Täter. Wir haben kein Recht mehr beleidigt zu sein. Mehr noch, das Beleidigtsein ist Teil des pathologisch guten Gewissens.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie