Ästhetik

  • 26.02.90

    Die Probleme der alten Äthertheorien haben sich in der modernen Atomphysik präzise reproduziert; nur hat es noch niemand bemerkt. Beide sind Ausdruck und Konsequenz der projektiven Struktur der gesamten Physik, des Verdinglichungszwangs (der an das apriori der Kantischen Anschauungsformen bzw. – gegenständlich und selber verdinglicht formuliert – des Inertialsystems gebunden ist: Ableitung des Verdinglichungszwangs, des Objektbegriffs aus der Struktur des dreidimensionalen Raumes, der Form der Äußerlichkeit, die im Ding – wie im Ich – sich auf sich selbst bezieht).

    Das Inertialsystem als selber verdinglichte Gestalt der Kantischen Anschauungsformen: Ohne diese Verdinglichung wäre das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nicht formulierbar gewesen.

    Die Objektivität der physikalischen Erkenntnis und Theorie ist jedoch ebenso auch nur Schein: Der verdrängte Herrschaftstrieb kehrt notwendig als aggressiver Nationalismus wieder. Modell des pathologisch guten Gewissens: Die Harmonie und Ästhetik der mathematischen Theorie wird gerne beschworen, nachdem man im Konkurrenzkampf die Siegerposition, die Zugehörigkeit zur herrschenden Meinung erobert hat. Wer oben ist, hat das Sagen, erläßt die Sprachregelungen, die die eigene Position dann gegen lästige Newcomer abschirmt.

  • 01.11.89

    Der Dezisionismus ist ein notwendiges Korrelat der Reflexionsbegriffe, in ihrem Geltungsbereich begründet, ebenso übrigens der Hegelsche Begriff der „List“, dessen Anwendung nur unter diesen Voraussetzungen (aufgrund der „verandernden Kraft“ des Seins) möglich ist. Frage (und zu prüfen) wäre, ob nicht der Zusammenhang von Wesen und Schein in Hegels Philosophie (für mich immer schon eine Zone, die dem Verstehen besondere Widerstände entgegensetzte, die allerdings umgekehrt die besondere Stellung der Ästhetik im Hegelianismus begründen könnte) in diesem Zusammenhang durchsichtig wird. Die Folge wäre, daß jede Ontologie eo ipso als dezisionistisch und damit als Betrug (Produkt von List) sich erweist (der heute sich nicht mehr halten läßt, nachdem Heideggers Strategie nur noch unmodern, d.h. komisch ist).

    Bei Hegel wird der Kunstgriff manifest im Begriff des absoluten Wissens (das ausgeführte futurum perfectum?): Jedes Wissen ist – aufgrund seiner Beziehung zur Vergangenheit – endlich, und das absolute Wissen nur die sich in sich selbst spiegelnde Vergangenheitsform: der Deckel auf dem brodelnden Topf.

    Beziehung der Reflexionskategorien zur Struktur des Mythos (Zweideutigkeit, Schicksal, Beziehung zur Offenbarung; Grenze der Identifikation; Beziehung zum Herrendenken, Unmöglichkeit des verteidigenden Denkens; Unentrinnbarkeit der Anklage; Ideologie).

    „Religion als Blasphemie“: Wenn Blasphemie die Verletzung religiöser Gefühle bezeichnet, dann ist jede Religion blasphemisch, nämlich eine notwendige Verletzung der Reinheit des religiösen Gefühls, die keine Instrumentalisierung zuläßt.

  • 18.07.89

    Zum Verständnis der transzendentalen Logik und Ästhetik: Die Formen der Anschauung und die Urteile apriori sind nicht „unsere“, sondern ihr Subjekt ist die (subjektlose) Welt (es gibt eine Objektivität des Wissens, die ohne Subjekt, ohne eine Begleitung durch das „Ich denke“ denkbar ist, Sedimente vergangenen Denkens); nicht wir, sondern die Welt (oder genauer: die Welt als „transzendentales“ d.h. vergangenes, abgestorbenes Subjekt, als Subjekt außer uns) urteilt in (durch) uns (und damit auch über uns). Das ist der Ursprung der Idee des Weltgerichts, ihr fundamentum in re. In jedem richtenden Urteil richten nicht wir, sondern durch uns (und über uns) die Welt, werden wir zu Objekten des gleichen richtenden Urteils. D.h. wer richtet, wird gerichtet. Hier wäre wichtig, endlich den Zusammenhang der transzendentalen Logik mit der transzendentalen Ästhetik zu begreifen, das Verhältnis der Kategorien zu Raum und Zeit, insbesondere zur Zeit (Projektion der Zukunft ins Vergangene, futurum perfectum, als Ursprung der Form der räumlichen Anschauung, ihrer Dreidimensionalität?, d.h.: keine Zukunft ohne innere Grenze des Raumes, ohne den Sprung über den eigenen Schatten: ohne das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit).

    Der Begriff des Weltkriegs ist ein Pleonasmus, so wie der der heilen Welt eine contradictio in adjecto: der Inbegriff der Welt ist der Krieg, ihre Logik (die Urteilslogik) die Freund-Feind-Logik; somit unterwirft sich das Freund-Feind-Denken der Logik der Welt, es ist die Verweltlichung, die Säkularisation schlechthin, es versinkt ins „In-der-Welt-Sein“, es ist die Abdankung des Subjekts (das „Man“, das „Gerede“, die „Eigentlichkeit“, die ununterscheidbar ebenso die „Uneigentlichkeit“ ist).

  • 09.04.89

    Der Konflikt Habermas/Lyotard scheint mit den unterschiedlichen Beziehungen zur „Studentenbewegung“ zusammenzuhängen (Paris: Mai 68 / „Deutscher Herbst 77“), insbesondere mit der Unfähigkeit in Deutschland, bis heute den „Terrorismus“-Komplex aufzuarbeiten und aufzulösen. Diese Auflösung müßte politisch, nicht nur theoretisch sein. Und dazu greift halt die Idee eines „herrschaftsfreien Diskurses“ zu kurz.

    Ist das Verhältnis der Ästhetik zur Ethik (der Kritik der Urteilskraft zu der der praktischen Vernunft) dem des Mythos zur Offenbarung vergleichbar?

    Das „postmoderne Babel“ (J.-F. Lyotard: Der Enthusiasmus, S.113): Die Sprache beginnt, ihre benennende Kraft zu verlieren. Aus der materiellen Struktur der (natürlichen/gesellschaftlichen) Welt, die eigentlich ein System von durch Abgründe getrennten Welten (Objekte als Monaden) ist; Welten, die sich gegenseitig sowohl durchdringen als auch vertreten; aus dieser Struktur der Realität rühren die objektiven Widerstände gegen ihre Erkenntnis her. Die Welt ist gleichsam selbst nur noch Objekt von double-bind-Strukturen, die, wie man sie auch benennt, immer falsch sind. Diesen Zustand versucht der Begriff „Postmoderne“ beschreiben. Hier gibt es „Verteidigungs“-Einrichtungen, bei denen man nicht weiß, wer oder was wen oder was gegen wen oder was denn noch verteidigt (die Staaten ein Prinzip gegen die Welt?). Daß jegliche Verteidigung auf einen kollektiven Selbstmord der Menschheit hinausläuft.

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie