Das Relativitätsprinzip stellt genau den abschließenden Abstraktionsprozeß vor Augen: Hier wird – ähnlich wie durchs Tauschprinzip die Stadt (der Markt) – die Mechanik mit all den Folgewirkungen begründet. Zu den ersten Folgewirkungen gehört die Neubegründung der Astronomie durchs Gravitationsgesetz (auf der früheren Stufe des Sternendienstes und des Opfers). Die Ablösung und Konstituierung des mechanischen Objektivitätsbegriffes, dessen Grundlage der Bewegungsbegriff ist (mit der Äquivalenz von Raum und Objekt) verhält sich zum agrarischen (magischen) Objektivitätsbegriff wie das (gegen die Erde sich verselbständigende) Tier zur (ortsfesten) Pflanze. Gelenkfunktion hat das Relativitätsprinzip (auf der früheren Stufe das Tauschprinzip). „Hode hä sophia estin. Ho echon noun …“ (Off 1318)
Tiere sind nominalistische Wesen (sie wurden von Adam benannt). Und es ist kein Zufall, daß in der Apokalypse (beim Fall Babylons) die Könige, die Kaufleute und die Spediteure genannt werden (auch Noah und die Kirche sind Spediteure).
In der Religion übernimmt der Bekenntnisbegriff diese Funktion der (vergegenständlichenden) „Ablösung“: daher die zentrale Funktion des Bekenntnisbegriffs im Kontext der Konstituierung des Weltbegriffs (in der Sexualität – generell in der Sinnlichkeit -wird die letzte Bindung an die vorzivilisierte Welt gesehen; deshalb der Kampf gegen die Sexualität: die Sexualmoral, und die Vergeblichkeit dieses Kampfes: der Wiederholungszwang; aufzulösen nur durch Reflexion).
Die Subjektivierung der Sinnlichkeit ist ein Teil der Selbstverdinglichung des Subjekts (durchs Tauschprinzip, durchs Inertialsystem und durchs Bekenntnis).
Natur und Welt sind Totalitätsbegriffe, deren Funktion u.a. darin zu liegen scheint, uns durch ein quasi abkürzendes Verfahren die Last der Reflexion abzunehmen (die gleiche Leistung hat vor der Konsolidierung des Weltbegriffs die Idolatrie erbracht).
Kriegszeiten sind Bekenntniszeiten, und Bekenntniskriege sind die brutalsten Kriege.
Das hat die Linke nie begriffen, obwohl sie es von Marx hätte lernen können: daß der Materialismus keine Ideologie ist, sondern eine Anweisung, den Vorrang des Objekts anzuerkennen und nicht den Rechtfertigungszwängen zu verfallen, die seit Ursache des Idealismus gewesen sind (auch der Materialismus ist als Rechtfertigungslehre Idealismus).
Die apostolische Nachfolge ist die vergeistigte Form der Genealogie und bezieht sich auf eine Form des Lebens, das sich über die Sakramente reproduziert.
Rock: das Schreien der Steine.
Wer ist eigentlich der Pharao: das „große Haus“? In der Schrift kommt die Bezeichnung mit und ohne Eigennamen vor. Drückt sich in dieser Unterscheidung etwas aus? Sonst ist von Königen die Rede, nur im Hinblick auf Ägypten vom Pharao. Haben die Bezeichnungen König und Pharao den gleichen Stellenwert, die gleiche Bedeutung, drücken sich in den unterschiedlichen Bezeichnungen andere Gestalten von Herrschaft aus (ist der Heideggersche Begriff „Haus des Seins“ pharaonisch)? Hängt es zusammen mit dem Unterschied zwischen dem „Turmbau von Babel“ und dem Sklavenhaus (mit den Fleischtöpfen), in dem die Israeliten (als hebräische Sklaven) beim Pyramidenbau (bei der Erstellung der Todesarchitektur) helfen mußten?
Die babylonische Gefangenschaft ist etwas anderes als das Sklavenhaus Ägyptens; davon ist dann das jüdische Exil wiederum zu unterscheiden (wie ist die Entwicklung von Hebräern zu Israeliten und dann zu Juden: Jesus war zu den „verlorenen Kindern Israels“ gesandt).
Durch das nationalistische Vorurteil, unter dem unsere Geschichtsschreibung leidet, und das wir in die Bibel hineintragen, wird diese entstellt und unkenntlich gemacht; so wird sie automatisch antisemitisch erfahren.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ursprung des Inertialsystems und der Entwicklung des Bank- und Kreditwesens (Ursprung und Entwicklung der doppelten Buchführung)? Nach dem Relativitätsprinzip ist die Bewegung eines materiellen Objekts der entgegengesetzten Bewegung des Inertialsystems äquivalent (Äquivalenz von Objekt und System; entspricht der Äquivalenz von Masse und Energie in der speziellen Relativitätstheorie Einsteins). Die Erfindung der doppelten Buchführung (Erfolgsrechnung: Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben) war die Grundlage des modernen Kreditwesens; sie hat das Anschauungsmaterial (das fundamentum in re) geliefert für den theologischen Begriff der creatio ex nihilo.
Gibt es eine Statistik über die Entwicklung des Geldumlaufs in den Industrieländern, und kann man unterscheiden zwischen Geldmenge und Zirkulationsgeschwindigkeit? Die vollendete Dynamisierung zeigt sich daran, daß der Wert des Geldes heute nur noch in Ausnahmefällen (imgrunde nur in rückständigen Ländern) von den Goldreserven der Zentralbank abhängt; die reale Abhängigkeit bezieht sich auf die Außenhandelsbilanz (zu deren Stabilisierung, wie im Falle der früheren Getreideeinkäufe der Sowjetunion, u.a. die Goldreserven eingesetzt werden können). – Der Fehlschluß der staatskapitalistischen Länder liegt darin, daß sie glauben, die Regeln des Tauschprinzips (der Geldwirtschaft) beibehalten und zugleich die Gesetze der Geldwirtschaft beherrschen zu können. Hier geraten sie zwangsläufig in die Rolle des Zauberlehrlings (sie lösen Entwicklungen aus, deren Folgen sie nicht überblicken können).
Der Annihilierungsprozeß, der jeder Kapitalschöpfung zugrunde liegt (und im Kreditwesen instrumentalisiert wird), gewinnt gegenständliche Bedeutung in jeder Form der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals (bis hin zu den imperialistischen Raub- und Vernichtungskriegen). Deshalb war der Weltanschauungskrieg (und seitdem jeder Religionskrieg) ein Vernichtungskrieg (und aus dem Antisemitismus ableitbar).
Am Abend in einer Talk-Show Ernst Fuchs, der darauf hinweist, daß es eine unmittelbare Erfahrung des eigenen Ursprungs und des eigenen Todes nicht gibt: Beides, die Zeit vor meiner Geburt und mein Tod, ist mir eigentlich nur durch Mitteilung von außen und durch Rückschlüsse aus meiner Erfahrung mit anderen, bewußt. Ich für mich bin ewig, das Bewußtsein meiner zeitliche Endlichkeit (meines Anfangs und meines Endes in der Zeit) ist nur ein Reflex meiner Welterfahrung. Vergleich mit der sinnlichen Erfahrung (der Wahrnehmung der sinnlichen: der erleuchteten und farbigen, der warmen und kalten und der rauschenden, tönenden und klingenden Welt), die ebenfalls in ihrer Unmittelbarkeit nicht mitteilbar ist, außer über die Sprache nicht mit der Erfahrung der anderen kommuniziert. Dieses Ewige wird durch Objektivierung aufgehoben, vernichtet, bleibt unerinnert. An ihre Stelle tritt das Ich, das selber in den Weltzusammenhang verflochten (und somit wie die Welt sterblich) ist. Es wird wiedergewonnen nur als die Erfahrung und das Bewußtsein der Ewigkeit des anderen.
Aktueller Bezug
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28.11.91
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27.11.91
„Auschwitz ist in hohem Maß die Folge einer gnadenlos instrumentalisierten Vernunft.“ (Götz Aly und Susanne Heim: Vordenker der Vernichtung, Hamburg 1991, S. 485) Die Feststellung wäre zu er-gänzen durch den Hinweis, daß diese „gnadenlos instrumentalisierte Vernunft“ ohne das Vorurteil nicht möglich gewesen wäre: Sie war effektiv nur nach Osten, nicht gegen den Westen. D.h. zu den Voraussetzungen der Instrumentalisierung gehörte auch die Verinnerlichung dessen, was man die Zivilisationsgrenze nennen könnte. Im Westen gab es Feinde, mit denen man glaubte, sich auf gleicher Ebene messen zu können; im Osten gab es nur noch „Untermenschen“ (mit nur graduellen Abstufungen zwischen Polen, Tschechen, Russen, Zigeunern und Juden); im Verhältnis zur zivilisierten Vernunft standen sie auf der Seite der unterworfenen Natur. Die Instrumentalisierung der Vernunft war angewiesen auf das Gelingen der Instrumentalisierung der Moral, die nur noch als Stütze des Herrendenkens verstanden wurde: als Mittel der Identifikation mit der Macht (das drückte u.a. in Begriffen wie „Humanitätsduselei“ und „Kampf gegen den inneren Schweinehund“ sich aus). Die Gemeinschaft der zivilisierten Welt wurde als die Gemeinschaft des Herrendenkens verstanden, und dessen reinste Ausprägung war der Faschismus. So wurde der Krieg im Osten – im Gegensatz zu dem im Westen – als „Weltanschauungskrieg“: als organisatorisch durchrationalisierter Vernichtungskrieg geführt.
Quellen des Vorurteils: Sexualmoral und Bekenntnislogik (transzendentale Logik als säkularisierte Bekenntnislogik).
Noch heute werden die pogromartigen Ausschreitungen des Fremdenhasses nicht an ihren realen Auswirkungen (z.B. an realen Morden) gemessen, sondern an ihrer Außenwirkung: an der „Schande“, die solche Vorkommnisse dem „deutschen Namen“ zufügen (Bundeskanzler Kohl). Ähnlich wurde wurde argumentiert, als im Krieg die Vorstellung einer „Endlösung der Polenfrage“ in die Diskussion gebracht wurde: „Daß man die Polenfrage nicht in dem Sinne lösen kann, daß man die Polen, wie die Juden, liquidiert, dürfte auf der Hand liegen. Ein derartige Lösung der Polenfrage würde das deutsche Volk bis in die ferne Zukunft belasten und uns überall die Sympathien nehmen, zumal auch die anderen Nachbarvölker damit rechnen müßten, bei gegebener Zeit ähnlich behandelt zu werden.“ (Vgl. Aly und Heim, S. 422)
Das „grundsätzlich“ im Juristendeutsch erinnert an Radio Eriwan: „Im Prinzip ja, aber …“ Und von dieser Art ist der Satz Kohls: „Es gibt kein ausländerfreundlicheres Volk als die Deutschen.“ Hier beißt sich die Blindschleiche in den Schwanz (und beginnt sich selbst zu verschlucken): Was Kohl allein interessiert, ist das Urteil des Auslandes (der Welt, der Geschichte); und das will der Ausländerfeind ja gerade wegbringen. So verstärkt sich das Xenophobie-Syndrom.
Der Fortschritt des Christentums gegenüber dem Hellenismus (des christlichen Weltbegriffs gegenüber dem griechischen Kosmos: Bedingung der Möglichkeit der neuen Gestalt von Naturbeherrschung) liegt darin, daß es die räumlich Grenze gegen die Barbaren in eine zeitliche umgewandelt hat: Der Missionsauftrag wurde verstanden als Auftrag, in „aller Welt“ die „frohe Botschaft zu verkünden“ und „die Heiden zu bekehren“, d.h. alles aus dem Blickfeld zu schaffen, was an die überwundene Vergangenheit erinnerte. Das kehrte dann in der Aufklärung als der ambivalente Begriff des „Wilden“ (der undifferenzierten Einheit von Heiden und Nichtzivilisierten) wieder. So wurden mit dem Objekt (mit der Natur) die Erinnerung und ihre gegenwärtigen Repräsentanten zum Weltanschauungs-Feind. Heute mißt sich der Grad der Zivilisiertheit (und der Bekehrung) an dem der Zustimmung und der Teilhabe am naturwissenschaftlichen Aufklärungsprozeß. Die historische Verdrängungsleistung schlägt immer wieder in den Vernichtungswillen um, wenn ein gegenständlicher Repräsentant die Verdrängungsleistung in Frage stellt. -
13.10.91
„Ihnen ist jedes Mittel Recht?“ oder „Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand“: Die Tendenz, mit der in den sogenannten Terroristen-Prozessen Verteidiger zu „Organen der Strafrechtspflege“ gemacht wurden, gehorcht der gleichen Bekenntnislogik, mit der der Bundeswehr ein „Verteidigungsminister“ vorsteht: Sie zielt – ebenso wie die übrigen begleitenden Maßnahmen von der Isolationshaft bis zur Kronzeugenregelung, und von der Kollektivhaftung aller Mitglieder für die Taten einer „terroristischen Vereinigung“ bis zur schlichten Leugnung und Verdrängung des politischen Hintergrunds – darauf ab, Verteidigung abzuschaffen, weil hier der absolute Feind gesehen wird. Insoweit gleicht der gesamte Komplex der Tradition des Antisemitismus; nur daß hier geschickter, als es die Nazis konnten, die nicht mit einer Niederlage gerechnet hatten, die „Wahrheit“, die sich aus dem vermeintlichen Staatsinteresse definiert, das selber nur noch aus einer zugrunde liegenden Paranoia sich erklären läßt, durch rigorose Beherrschung der Beweismittel im ganzen Verfahrensbereich, insbesondere auch schon im Vorfeld, unwiderlegbar gemacht werden soll. Das Verfahren weckt Bedenken gegen Meldungen wie denen,
– daß nach den Aussagen von Susanne Albrecht (die ein begründetes Interesse daran hatte, der Bundesanwaltschaft genehme Aussagen zu machen) Zweifel an der Selbstmordthese hinsichtlich der Stammheimer Häftlinge endgültig ausgeräumt werden konnten, oder
– daß der Barschel-Brief an Stoltenberg sich jetzt als Stasi-Fälschung herausgestellt habe.
Diese Bedenken mögen unbegründet sein; aber was man hier (und bei Bakker-Schut) erfährt, untergräbt die Glaubwürdigkeit der politischen und staatlichen Institutionen in diesem Lande (den Begriff und die Idee des Rechtsstaats) und damit ihre Legitimation in den Köpfen der Bürger, die bereits soweit sind, anzunehmen, das sei halt so, und damit müsse man rechnen und sich abfinden, weit mehr als es die terroristischen Taten selber je vermochten (verhängnisvollstes Erbteil der Kirchen). Sind nicht die wahren Staatsfeinde jene, die den Staat und seine Institutionen so mißbrauchen?
Gemeinheit, Bekenntnis, Selbstgetthoisierung: Thesen sind dann keiner sachlichen Bestätigung oder Widerlegung mehr bedürftig, wenn sie entweder „offenkundig“ sind (d.h. dem eigenen Bekenntnis konform sind) oder vor jeder Prüfung sich einem Feindbekenntnis zuordnen lassen (dann ist die Wahrheit oder Unwahrheit nicht zu ermitteln, da davon auszugehen ist, daß sie nur der Selbstbestätigung des Fremdbekenntnisses dient, dieses aber aus übergeordneten Gründen als falsch, gefährlich o.ä. anzusehen ist). Grund ist – insbesondere im Rechtsstreit – eine im positivistischen Rechtsverständnis begründeter instrumentalisierter (und deshalb dezisionistischer) Wahrheitsbegriff (wie in der Physik ist der Objektivismus vom Instrumentalismus nicht zu trennen). Aus dem gleichen Grunde bedarf die rechtlich festgestellte Wahrheit schon aufgrund ihrer Urteilsform der Sanktion. Das Gewaltmonopol des Staates bezieht sich primär auf das Recht zu strafen, und d.h. auf das Recht, die Wahrheit von Urteilen mit Gewalt durchzusetzen. Die Logik des Rechts ist die Bekenntnislogik; ihr Ziel ist der Rechtsfrieden, der erst mit der allgemeinen Anerkennung des Gewaltmonopols des Staates hergestellt ist; und die Vorstellung, daß die Rechtslogik (als Urteils- und Straflogik) auch auf die Handlungen derer angewandt werden könne, die selber Herren des Rechts sind, ist illusionär. Deshalb bedarf eine an der Idee der Gerechtigkeit orientierte Rechtspraxis vor allem
– der Sicherung der Verteidigerrechte,
– der Fähigkeit des Richters zur Identifikation mit dem Angeklagten,
– der Kritik der herrschenden Staatsmetaphysik (der Ankläger ist kein Staatsanwalt).
Gemeinheit und Staatsmetaphysik:
– Gewalt wird anders definiert je nachdem, ob es sich um Vergewaltigung oder um „Nötigung“ bei gewaltfreien Sitzblockaden handelt;
– Staatsanwalt (Staat als Prinzip der Anklage, als institutionalisierte List der Vernunft), computerlesbarer Personalausweise und Ausweitung der Fahndungs- und Ermittlungstechniken, die darauf basieren, daß jeder Bürger ein potentiell Verdächtiger ist, als Bürger aus dem Bann der Anklage nicht mehr herauskommt;
– Staatsmetaphysik als Technik-Metaphysik: Grund ist die Personalisierung (der Rechtsbegriff der Person), die im Weltbegriff in der Materialisierung sich ausdrückt (im Rahmen der Staatsmetaphysik vertritt die Natur den Bereich des Angeklagten, die Welt den des richtenden Urteil).
Gemeinheit ist eine Überzeugungstat. Sie ist eine zwangsläufige Konsequenz des Staatshandelns.
Gemeinheit und die Kohlsche Dementipraxis: Kohls Satz, daß dieser Staat nicht ausländerfeindlich ist, ist genau der Grund der Ausländerfeindlichkeit. Er verhindert nicht die Aktionen, auf die sie als Dementi sich bezieht, sondern er verhindert nur das Aussprechen der realen Erfahrung von Ausländerfeindlichkeit, stigmatisiert den, der nicht verdrängen kann, als pathologisch oder bösartig (staatsfeindlich). Und das ist genau der Zweck dieses und vergleichbarer Dementis, deren Technik Kohl am besten beherrscht; und alle fallen darauf seit Jahren herein.
Gemeinheit und die Struktur des Vorurteils, Gemeinheit und Mechanik (Funktion der Hegelschen List und der Reflexionsbegriffe: die Hegelsche Vernunft ist eine, die selber das Opfer der Vernunft fordert, es in sich enthält und aufgehoben hat; dieses Opfer der Vernunft – oder die Zerstörung des Antlitzes – ist der Grund für die Trunkenheit des Hegelschen Absoluten).
Wenn den Armen das Bewußtsein der Armut und sein öffentlicher Ausdruck genommen wird, weil heute die Herrschenden (nach dem Vorbild der Kirchen) ihrer Schuld nicht anders als durch Selbstmitleid (durch Leugnung) glauben Herr werden zu können, das ist gemein (Grund in der Konstruktion der Welt). Was heute nicht selten tragisch (ein Prädikat, das immer schon eine Selbsterfahrung der Herrschenden bezeichnete) genannt wird, ist imgrunde gemein.
Die Anwendung mythischer Begriffe auf gegenwärtige Erfahrungen scheitert daran, daß an die Stelle des unaufgeklärten Schicksal heute die imgrunde nur noch pathologische Gemeinheitsstruktur getreten ist, die sich gerne in mythische Gewänder kleidet. So glaubt sie, der Kritik sich entziehen zu können.
BKA (oder GBA?): die „objektivste Behörde der Welt“: das schließt Gemeinheit nicht nur nicht aus, sondern bezeichnet genau ihren Grund.
Staatsmetaphysik (und die ihr korrespondierende Idee des Rechtsstaats) ist der Grund für die Struktur und die Tendenz politischer Prozesse: Der Staat kann nur aufgrund einer abgrundtiefen Bosheit angegriffen werden, und er kann nur von links angegriffen werden (Angriffe von rechts beeinträchtigen nur „das Ansehen unseres Rechtsstaates im Ausland“). Der politische Charakter der Prozesse gegen Linke kann nur (reflektiert und) anerkannt werden, wenn man bereit ist, auf die Staatsmetaphysik zu verzichten, die aber erforderlich ist, um das „Weltbild“ (bis hinein in die Naturwissenschaften) zu begründen und zu stabilisieren. Die Totalitätsbegriffe Natur und Welt sind nur im Rahmen der Staatsmetaphysik zu halten; und wer sie akzeptiert, akzeptiert zugleich (wie links er sich auch verstehen mag) diese Staatsmetaphysik, die dann im Gewaltkonzept (und im stalinistischen Rechtsverständnis) sich ausdrückt (Ausdruck der Sünde wider den Heiligen Geist).
Gibt es einen Zusammenhang des erweiterten noachidischen Nahrungsgebot (das nicht mehr vegetarisch ist wie das paradiesische) mit den Kerubim und dem kreisenden Flammenschwert nach der Vertreibung aus dem Paradies und der Bedeutung des Regenbogens nach der Sintflut? -
07.10.91
Die aufgedeckte Scham bei Noe bezeichnet einen „Fortschritt“ gegenüber dem Ursprung der Scham in der Geschichte vom Sündenfall. Wie verhält sich die Scham zur Erkenntnis?
Ist das mit der Todesdrohung verbundene Sehen „von Angesicht zu Angesicht“ bei Jakob auf Elohim bezogen, mit der Folge der Benennung Jakobs als Israel; ist es bei Moses, der Gott nur von hinten sieht, auf Jahwe bezogen?
Gibt es entsprechend der aufgedeckten Scham auch ein aufgedecktes Antlitz?
Die Physik gehört in den zweiten Schöpfungsbericht (in die Geschichte vom Sündenfall), nicht in den ersten.
Das griechische Erbe, oder das Erbe des begrifflichen Denkens (der Hypostasierung des Prädikats, Konsequenz des Seinsbegriffs und der damit verknüpften Zeitformen des Verbs), hebt die Differenz zwischen Selbst- und Fremdbezeichnung auf: die Selbstbezeichnung des Fremden verschwindet im großen Sack der Barbaren (und der Materie).
Der Weltbegriff ist der Inbegriff der vollendeten Fremdbezeichnung (der Zerstörung des Namens). Er verwischt die Differenz zwischen dem Einen und dem Anderen, ist der Grund der Reflexionsbegriffe. Diese Differenz kehrt dann wieder als Differenz zwischen Welt und Natur (begrifflosem Objekt und objektlosem Begriff). Beide stehen unter dem Bann des Totalitätsbegriffs Welt.
Ins Verhältnis des Welt- zum Naturbegriff scheint auch das von Sonne und Mond (das sprachliche und das genealogische) mit hereinzuspielen.
Wenn der Stammbaum Kains stimmt, dann gehört der Brudermord zu den Fundamenten der Zivilisation.
Der Säkularisationsprozeß ist eins mit dem Prozeß der fortschreitenden Instrumentalisierung: In der Welt gibt es keinen Endzweck.
Das Verhältnis des Säkularisationsprozesses zur Genealogie bestimmen (Indikator: mein Verhältnis zu meiner Familie; sh. die Namen meiner Töchter und die Last, die ich ihnen damit aufgebürdet habe; ist es den Eltern eigentlich klar und bewußt, was sie ihren Kindern zumuten durch Institutionen wie Erstkommunion und Schulbesuch?).
Die Wünsche der Eltern sind Fallen für die Entwicklung der Kinder. Das Verhältnis zur Welt wird vorgeprägt durch das zu den Eltern (durch die Form der Ablösung von den Eltern).
In der entfremdeten Welt scheint es ein Ich-Gefühl nur noch über den Mechanismus der Empörung zu geben.
Der Vater Alexanders war Philippus, der Pferdefreund; sein Lehrer war Aristoteles, dessen Metaphysik schon Hegelsche Staatsphilosophie war.
Das Gravitationsgesetz korrespondiert der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip. D.h. das Subjekt der Physik steckt im Gravitationsgesetz (allerdings durch Gleichnamigmachung entstellt).
Es muß möglich sein, die Sprache der Musik (ebenso wie die der Bilder) genauso zu verstehen, wie der heilige Franziskus die Sprache der Tiere verstanden hat.
Kohls Dementi „Wir sind kein ausländerfeindliches Land“ klingt wie der in Gesprächen und Diskussionen immer wieder zu hörende Satz „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber …“ Es ist ein Dementi, das der Begründung nicht mehr bedarf, weil es das Gesamtgewicht der Persönlichkeit (und in diesem Falle das des politischen Amtes, oder des blinden Flecks, den es repräsentiert) in die Waagschale wirft. Das Dementi erfüllt den taktischen Zweck, eine offen zutage liegende Erfahrung zu tabuisieren: diese darf nicht mehr laut werden. Genau dieses Dementi gießt Öl ins Feuer der Ausländerfeindschaft.
Der positive Bekenntnisbegriff, der dem heutigen Religionsbegriff zugrundeliegt und seinen Ausdruck findet im Glaubensbekenntnis, verdankt sich der Umkehrung (und Bewahrung) des Schuldbekenntnisses, das hier umschlägt in ein Instrument der Komplizenschaft. Genau darin liegt die gemeinschaftsbildende Kraft dieses Bekenntnisses begründet. So wirkt es als Bindemittel, mit dem die Kirche ihre Gläubigen, die Nation das Volk und der Fußballverein seine Hooligans, an sich bindet.
Der Satz „Richtet nicht …“ schließt Kritik nicht nur nicht aus, sondern liefert dazu das reflektive Moment, durch das Kritik vom richtenden Urteil sich unterscheidet. Ziel von Kritik ist nicht die Widerlegung einer These oder die Überwindung eines falschen Standpunkts.
Unser Denken ist ein Teil der Welt, und die Kritik der Welt schließt die Kritik des eigenen Denkens mit ein.
Theologie, die nicht dazu beiträgt, den gegenwärtigen Weltzustand zu begreifen, verdient diesen Namen nicht. Der gegenwärtige Weltzustand ist ein Zustand in dem Sinne, in dem die allgemeine Relativitätstheorie einen Weltzustand beschreibt, der das Gravitationsgesetz in sich enthält.
Nur durch die positive Rezeption des Weltbegriffs ist die Theologie in die verhängnisvolle Lage geraten, den Begriff einer creatio es nihilo aufzunehmen. In der Schrift heißt es „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“; es gibt kein Davor, insbesondere kein Davor, das mit Nichts auch nur halbwegs zureichend zu bezeichnen wäre. Heideggers Frage „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ ist ohne Auschwitz nicht mehr zu denken; und das Nichts vor der Schöpfung hat sich als Quelle der vernichtenden Gewalt gegen die Schöpfung enthüllt. Das real existierende Nichts ist der Tod.
Der Fall ist die Bewegung, in der das Subjekt seinen Namen verliert und ins Prädikat hereinrutscht (Ableitung der babylonischen Sprachverwirrung).
Zur prädikativen Struktur der Mathematik: Die Griechen haben die Winkel entdeckt. Die Fähigkeit, damit mathematisch umzugehen, wurde erworben mit der Entdeckung der trigonometrische Funktionen. Wie verhalten sich diese zur Infinitesimalrechnung, zur Integration und Differentiation? Sind die trigonometrischen Funktionen rein räumliche Funktionen, während die Infinitesimalrechnung sich der Hereinnahme der Zeit verdankt (Begründung des Bewegungs-, Kraft- und Energiebegriffs: Inertialsystem). Wie verhalten sich dazu die Irrationalzahlen wie die Kreiszahl und die Basis des natürlichen Logarithmus?
Resultiert die Sprachverwirrung aus der Schuldknechtschafts-Katastrophe (Polarisierung in eine Herrensprache und eine Schuldner-/Sklavensprache)?
Hängt der Satz „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ mit dem anderen zusammen, wonach Gott die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt hat?
Das Überzeugen, das Bekennen und das Rechtbehalten gehören zusammen. Das Rechtbehalten begründet die Beweislogik des Bekenntnisses: es muß unwiderlegbar sein. Unwiderlegbar aber ist nur die Apokalypse, die Katastrophe.
Wie hängt der Ödipuskomplex mit der Astronomie zusammen?
Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren: Dieser Satz beschreibt präzise die Gründe für den Untergang des Römischen Reiches.
Ist das Problem der Ableitung der Mikrophysik aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ebenso und aus vergleichbaren Gründen unlösbar wie das Dreikörper-Problem in der Astronomie?
Hat die aristotelische steresis, die privatio, die Beraubung, etwas mit der Geldwirtschaft und mit dem privaten Eigentumsbegriff zu tun?
Wo wurden die Christen zum erstenmal Christen genannt: in Antiochien? Diese Fremdbezeichnung haben sie dann für sich übernommen; eine davon abweichende Selbstbezeichnung scheint es nicht zu geben. Dieser Begriff des Christentums hat den dogmatischen Prozeß (mit dem Personbegriff als absoluter Fremdbezeichnung des Selbst im Zentrum) determiniert und bestimmt. -
20.07.91
Zwei Bemerkungen zum Schuldbegriff (oder auch zum „jüdisch-christlichen Dialog“):
– Rückblickend auf die Situation während des Golfkrieges hat Micha Brumlik (in Publik-Forum vom 19.07.91, S. 21f) bei einigen christlichen Teilnehmern am jüdisch-christlichen Dialog die „unbedingte und fraglose Solidarität mit dem unter irakischem Beschuß stehenden Israel“ vermißt. In der Erinnerung an Auschwitz kann er die unbedingte Solidarität fordern, aber auch die fraglose? Fordert er damit nicht jene „Bekenntnisgemeinschaft“, die zum christlichen Erbteil in der Schuldgeschichte des Antisemitismus gehört? Als fraglose wird die Bekenntnisgemeinschaft zur Schicksalsgemeinschaft, zum mythischen Bann. Grundlage ist hier wie in der christlichen Opfertheologie die Instrumentalisierung der Schuld.
– Vgl. hierzu Ernst Tugendhat in „Hatte die Friedensbewegung nicht doch recht?“, S. 91: Ist diese Schuld objektivierbar? Gibt es hier nicht in der Tat den Unterschied zwischen der Selbstbeurteilung und der Beurteilung durch andere (im Angesicht und hinter dem Rücken; „der Ankäger hat immer Unrecht“)? Ist dieser Unterschied nicht der Grund der jüdisch-christlichen Tradition?
Theologie: Reflexion der Beziehung von Schuld und Erkenntnis. -
16.06.91
IKvu in Gernsheim (14.-16.06.):
– Wie tief steckt doch die Droge Kirche auch in denen, die eine Alternative suchen, weil sie in der Kirche nicht mehr leben können. Nach Verinnerlichung der Opfertheologie suchen sie immer noch Geborgenheit, Heimat, Harmonie, die sie in der Kirche nicht mehr finden, und verdrängen lustig weiter.
– Könnte (und müßte) das „von unten“ nicht auch heißen: Aufarbeitung der verdrängten Vergangenheit? Gibt es, wenn man die Katastrophe des kirchlichen Traums von der Religion noch vermeiden will, zum Aufwachen überhaupt eine Alternative?
– Die befreiende Kraft der Nachfolge, oder Entmündigung durch die Opfertheologie (Opfertheologie als kirchliche Droge; Zerstörung der göttlichen Barmherzigkeit durch Instrumentalisierung; was bindet die Gläubigen an diese gnadenlose Kirche?).
– Jedes „Bekenntnis zu …“ ist ein entfremdetes Schuldbekenntnis: Sein Objekt ist das Gravitationszentrum eines Schuldzusammenhangs. Insofern gehört zum Bekenntnis zwangsläufig, aus Gründen der Systemlogik, das Opfer. Ohne die Opfertheologie wäre das christliche Dogma nicht möglich gewesen.
– Origenes, Tertullian und Augustinus: über den Zusammenhang der Confessio mit dem Sexismus (welche Bedeutung hatten Alexandria und Nordafrika für die Geschichte der christlichen Theologie?).
– Schließt der Glaube an die Eucharistie eine vegetarische Lebensweise aus (no pity for the animals and the trees)?
– Schwerter in Pflugscharen: Nachdem das Bekenntnis, das Dogma und in seinem Zentrum die Opfertheologie, zu lange schon als Waffe mißbraucht wurden, an der das Blut von Millionen klebt, kommt es endlich darauf an, die Ursachen zu begreifen und den Schuldzusammenhang durch Reflexion aufzulösen.
– Die Wahrheit, daß Jesus die Schuld der Welt auf sich genommen hat, ist nicht generalisierbar; sie gilt so nur für ihn (für den „Gottesknecht“). Der Schluß, den wir (die Kirche: in der Opfertheologie, in der Lehre vom Sühneleiden) daraus ziehen, daß er unsere Schuld auf sich genommen hat und wir den Profit der Erlösung aus seiner einmaligen Leidens-Investition ziehen, ist falsch, mehr noch: er ist der Grund der christlichen Heuchelei, der Lüge, er ist schlicht blasphemisch. Wahr ist der Satz nur im Kontext des Nachfolgegebots (Konsequenzen für eine theologische Erkenntnistheorie). -
13.06.91
Wie hängen die subjektiven Formen der Anschauung, das Geld und das Bekenntnis zusammen? Wie verhalten sie sich zum Gesamtkonstrukt des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs (des Feinddenkens, des Sexismus und der paranoiden Verräterfurcht)? Lassen sich aus der historischen Analyse und Kritik der Geldwirtschaft und des entfremdeten und instrumentalisierten Christentums Hinweise für die Entschlüsselung des Banns gewinnen, unter dem die Natur steht? Bezeichnet der dem Bekenntnisbegriff zugrundeliegende Begriff der Orthodoxie mehr als nur ein zufällig und willkürlich zusammengestelltes Dogmenkonstrukt, ohne daß allerdings die darin verborgene natur- und herrschaftsgeschichtliche Logik zu ihrer Erklärung des Rückgriffs auf das Wirken des Heiligen Geistes oder auf eine göttliche Vorsehung bedürfte.
Wie es scheint, nutzt die katholische Kirche die Abtreibungsdebatte
. einerseits als Mittel, endlich wieder einen archimedischen Punkt zur moralischen Weltbeurteilung zu gewinnen, als Medium der Urteilslust, der sie rettungslos verfallen ist, weil an sie im Verblendungszusammenhang die Erhaltung des Selbstgefühls gebunden zu sein scheint,
. zum andern aber als Alibi, um ihre Schuld und ihr vollständiges Versagen angesichts des realen apokalyptischen Weltzustands zu verbergen (das Alibi ist aber nur noch ein Alibi vor sich selbst; alle anderen sehen es zwar nicht, sind aber als Häretiker abgeschrieben).
Dahinter steht die paranoide Theologie, die die Katastrophen aus der Sittenverderbnis der Völker herleitet anstatt aus den Tendenzen ihrer realen Lebensbedingungen. Wenn darüber hinaus die These stimmt, daß in jedem Feindbild ein Stück Projektion steckt, müßte die Abtreibungsdebatte eigentlich
. Aufschluß über den Zustand der Kirche geben: So wütend reagiert nur, wer sich selbst getroffen fühlt. -
08.05.91
Yaak Karsunke, „Über Leichen gehen“ (FR 08.05.91): Die Instrumentalisierung der Toten von Stammheim, die Umkehrung der Trauer in Wut und Aggression, hängt nicht nur über die bewußt gehandhabte paranoide Logik der Verschwörungstheorie mit dem Faschismus zusammen, sondern erinnert auch an die antisemitischen Grabschändungen und an Kohls Vergangenheitsbeschwörung in Bitburg („Versöhnung über Gräbern“). Der Tod der Häftlinge in Stammheim war, obwohl vielleicht tatsächlich Selbstmord, in anderer Hinsicht schon Mord: Folge der aggresiven und wütenden Unfähigkeit des Staates und der Justiz, mit dieser Frage noch auf humane Weise umzugehen. (Vgl. auch die stalinistischen Schauprozesse – Notizen vom 12. und 13.05.91)
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28.04.91
Zu den Problemen des Vaterbegriffs gehört es, daß die davidische Abstammung über Josef geht, Josef selbst aber nicht der Vater Jesu ist. Daß Josef später nicht mehr vorkommt, daß aber der Vaterbegriff Jesu trotz allem sehr auf Josef bezogen ist: daß er keinen Vater hat, macht ihm Gott zum Vater. Er hat eine Mutter (was hab ich mit dir zu schaffen?) aber keinen Vater. Der Vaterbegriff scheint dann ja auch in den einzelnen Evangelien mit unterschiedlicher Akzentuiereng, Betonung und Häufigkeit vorzukommen. Der Vaterbegriff ist – wie mir scheint – in der jüdischen Tradition so nicht vorgebildet. Mit dem Vaterbegriff hängt dann auch der fatale trinitarische Begriff der Zeugung zusammen. Frage: Ist das achte Gebot: Du sollst kein falsches Zeugnis geben …, eine Widerlegung oder eine Bestätigung des Christentums? Oder ist die Zweideutigkeit des Zeugungsbegriffs nur eine Suggestion des deutschen Sprachgebrauchs? Im Lateinischen wird zwischen dem generare und dem testare unterschieden.
Die Atome, Moleküle (Avogadrosche Zahl), Elementarteilchen sind Knotenpunkte des durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit korrigierten Inertialsystems.
Ist der „unbewegte Beweger“ des Aristoteles der Inbegriff aller Gravitationszentren (zumindest ist er das seit den Kant-Laplaceschen Weltentstehungstheoriem geworden)?
Die christliche Theologie war seit ihren Anfängen Apologetik. Ihr beliebtestes Werkzeug war – spätestens seit dem ontologischen Gottesbeweis – die Theodizee. Beide, der ontologische Gottesbeweis und die Theodizee, sind den Theologen spätestens mit Auschwitz aus der Hand geschlagen worden. Ist die Trinitätslehre auch eine Gestalt der Theodizee, oder nur ihr systemlogischer Ursprung? Wenn die Theologen nicht in der gleichen Geschichte das Hören verlernt gehabt hätten, hätten sie diese Katastrophe vorher kommen hören (in ihrer eigenen Sprache, in der Sprache der Erbaulichkeit). Die Theodizee war seit je ein Teil der Scheinheiligkeit, die sich im kirchlichen Pomp aufs drastischste manifestiert und darin sich um die Gottesfurcht herumgelogen hat. Wenn doch diese verstockte Christenbande endlich begreifen würde, welche Konsequenzen sie aus dem Nachfolge-Gebot ziehen müßte und daß nicht Gott sich für das Böse in der Welt rechtfertigen muß.
Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ bleibt an die Begriffe von Natur und Subjekt gebunden, die eigentlich zu kritisieren wären.
Kennzeichnend für den Zustand der Theologie ist es, daß von den zentralen theologischen Kategorien wie z.B. Gottesfurcht oder „im Angesicht Gottes leben“ nur noch ein erbaulicher Gebrauch gemacht wird, der in den Kontext der Scheinheiligkeit hineingehört. Grund ist die metaphysische Interpretation des Ergebnisses der Säkularisation.
Das wesentlich Neue bei Marquardt ist, daß er begriffen hat, daß nach Auschwitz jede apologetische Haltung gegenüber den Juden untersagt ist; nicht begriffen hat er, daß Mission (die Ausbreitung des Bekenntnisses) insgesamt eine Form der Apologetik ist. In diesem Zusammenhang erweist sich „Empörung“ (der Quellpunkt des autoritären Denkens) als die Versuchung, der unsere Theologie immer wieder erliegt.
Die Einführung des Personbegriffs in die Theologie war die Folge einer falschen Übersetzung durch Tertullian; im Griechischen heißt es soma. Genau hier ist der Punkt, an dem das physische Martyrium (die Heiligung des Gottesnamens) durch das seelische Selbstmitleid ersetzt wird. Hier setzt sich die Kirche an die Stelle der Armen und der Fremden und begründet so ihre hierarchisch-autoritäre Struktur (und den Pompzwang). Durch den Personbegriff ist die Sünde wider den Heiligen Geist fest in der Theologie installiert worden. Und hier ist der Punkt, an dem Gott, Mensch und Welt fast unrettbar in den Schuldzusammenhang eingebunden worden sind.
Trug meine Anpassung an kirchliche Bräuche, insbesondere mein Verhalten im Gottesdienst, vielleicht doch von Anfang an subversive Züge: Ich wollte nicht (zu früh) erkannt werden. Hierzu paßt es, daß ich nach dem Krieg sehr kurzentschlossen Theologie studieren wollte, mir aber nie vorstellen konnte, einmal Priester zu werden.
Auf eine wirkliche Berufung kann man sich nicht berufen (zum Titel des Professors). Bedeutung des Begriffs Berufung: jdn. berufen, sich berufen, berufen werden, Berufung einlegen.
Im Begriff des Feindbildes verschmelzen die Übertretungen des Bilderverbots und des Gebots der Feindesliebe. Sind nicht alle Bilder Feindbilder? Sind nicht Idole (Götzenbilder) Projektionsflächen für die Identifikation mit dem Aggressor und deshalb untersagt? Und ist nicht das Gebot der Feindesliebe der subjektive Aspekt des Bilderverbots?
Der Dekalog wird traditionell so aufgeteilt, daß die ersten drei Gebote als die eigentlich theologischen Gebote als die wichtigsten angesehen werden, während die folgenden nur das Zusammenleben der Menschen regeln, somit zweitrangig sind. Könnte es nicht sein, daß bei näherem Hinsehen die Akzente sich doch ein wenig verschieben.
– Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten: bedeutet doch auch, daß es untersagt ist, Theologie hinter dem Rücken Gottes zu betreiben.
– Ebenso das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß du lange lebest und es dir wohl ergehe auf Erden. Hier geht es nicht um die autoritäre Familienbindung, sondern darum zu begreifen, daß man die Eltern nicht als Projektionsfolie für eigene Fehler nutzen darf, daß man am Ende selbst die Verantwortung für den eigenen Charakter übernehmen muß.
Susanne Albrecht und Ezechiel: Das „dixi et salvavi animam meam“ ist nur einem Propheten (im Rahmen von Herrschaftskritik) erlaubt; im profanen Gebrauch (im Rahmen der Kronzeugenregelung) wird es zur Denunziation, zur Verletzung des achten Gebots. Sie hat ihre Haut, nicht ihre Seele gerettet.
Die Staatsfrömmigkeit, die im Titel des Staatsanwalts sich ausdrückt, hat u.a. lutherische Ursprünge (bzw. paulinische). Und der Säkularisierungsschub, den der Protestantismus ausgelöst hat, hat offensichtlich seine Grenze in seiner Beziehung zum Staat. Und diese Staatsbeziehung ist es, die den Protestantismus auf spezielle Weise anfällig gemacht hat für den Antisemitismus, d.h. auf pathologische Weise empfindlich gemacht hat gegen das Moment von Herrschaftskritik, das in der jüdischen Tradition enthalten ist. Hier scheint der kritische Punkt beim Friedrich-Wilhelm Marquardt zu liegen, wenn er sein Votum für Israel auch auf den israelischen Staat bezieht.
Kann es sein, das Marquardtsche Votum für den Staat Israel damit zusammenhängt, daß Israel durch den Staat in den Bekenntnizwang hereingezogen wird? Und Henryk M. Broder und Micha Brumlik sollten vielleicht doch einmal darüber nachdenken, ob nicht ihre Stellungnahmen in der letzten Zeit mehr mit der Schaffung „klarer Fronten“ als mit einer Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus zu tun haben, und ob nicht die Aufteilung in Gute und Böse, und die Anwendung des Prinzips „Wer nicht für mich ist, ist wider mich“ in die Mechanismen hineinführt, aus denen der Antisemitismus erwachsen ist: das ist ein böses Erbe des Christentums. Mir ist ein Jehoshua Leibowitz immer noch lieber als ein Micha Brumlik der auf den Bileam Marquardt hereinfällt.
Zur Kritik von Metaphysik: Die Verwechslung von Kontingenz und Geschöpflichkeit ist identisch mit der Verwechslung des Untertans mit dem Geschöpf (und des Staats mit dem Schöpfer: hier trifft die gnostische Kritik des Schöpfergotts).
Wie hängt die Institution des Bundespräsidenten mit der Bekenntnislogik zusammen (Personalisierung des Staates)?
Der Behemoth reicht (wie der Leviathan) in die Saurierzeit zurück; das Rätsel beider läßt sich wahrscheindlich nur gemeinsam lösen.
Was kommt alles zweifach vor? Jahwe und Elohim, die Urflut und die Wasser (über denen der Geist brütet), die Wasser über und unter dem Firmament, Mond und Sonne, herrschen über Tag und Nacht, Behemoth und Leviathan, Kain und Kenan, Adam und Noach.
Zur Konstruktion der Verblendung, des Verblendungszusammenhangs: Grundlage ist die Empörung, die Konstitution des Herrendenkens, des vergesellschafteten Subjekts; vorbedeutet im Verhältnis von Licht und Finsternis, Tag und Nacht, Sonne und Mond, Wachen und Schlaf, Leben und Tod, Name und Begriff. Wir werden geweckt, auferweckt, wenn wir beim Namen gerufen werden. Zusammenhang mit der Trennung von Zukunft und Vergangenheit (Idee der Gegenwart).
Wo und in welchem Zusammenhang erscheint in der Schrift die Aufforderung zu wachen? Wie hängt das Gebot zu wachen mit dem Beten zusammen?
Hier sind die Kinder dieser Welt wieder einmal klüger als wir: Im brain-storming haben sie längst entdeckt, was heute nottut (allerdings auch wieder unter Kontrolle gebracht): die Erinnerungsarbeit.
Im Schöpfungsbericht gibt es sieben Tage, aber nur sechs Nächte: nach dem siebten Tag gibt es keine Nacht.
Hat nicht der Aufklärungsprozeß, die Geschichte der Säkularisation, die ganze Welt in Nacht getaucht? Die Romantik hat nur den Mond entdeckt, nicht die Sonne. Und die Kirche wird den Herrn dreimal verleugnen und beim Hahnenschrei erwachen.
Ferdinand Ebner und Florens Christian Rang sind wohl die ersten im Christentum gewesen, die im Ansatz begriffen haben, welche Konsequenzen sich aus der Idee eine Theologie im Angesicht Gottes ergeben. Bei Florens Christian Rang in seiner Idee einer messianischen Erkenntnistheorie und in dem Ziel, nicht die Unendlichkeit Gottes, sondern seine Endlichkeit zu begreifen. Ferdinand Ebner fällt hinter seine eigene Einsicht zurück, wenn er die Ich-Du-Beziehung wieder in seine Ich-Einsamkeit zurücknimmt. Christ kann man nicht alleine sein, nur gemeinsam mit anderen. Das gemeinsame Gebet, die gemeinsame Auflösung der Ich-Einsamkeit: die Ausgießung des Geistes.
Die Vergöttlichung Jesu, die ihn zum Objekt der Anbetung macht, ist der Balken im christlichen Auge. Hier wurde auf Erden gebunden, was dann auch im Himmel gebunden war; der Weg der Nachfolge versperrt. Vgl. Büchners „Lenz“: Herr Pfarrer, wenn ich Gott wäre, ich würde retten, retten.
Mit dem homoousia haben wir ihn getötet, den cäsarischen Wahn, mit dem wir Macht über den Vater zu erlangen suchten, in die Fundamente der westlichen Zivilisation mit eingebaut. Der Preis dafür war der Antijudaismus (und schließlich der Antisemitismus, die letzte Reichsideologie). „In hoc signo vincis“: Als Siegeszeichen wurde das Kreuz zum Zeichen des Tieres.
Großartig erinnert Freud an „die Stimmung unserer Kindheit, in der wir das Komische nicht kannten, des Witzes nicht fähig waren und den Humor nicht brauchten, um uns im Leben glücklich zu fühlen“. (Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten, Fischer Bücherei, Frankfurt 1958, S. 193)
Gott schuf:
– Himmel und Erde,
– das Licht (1),
– alle Arten von großen Seetieren und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt, und alle Arten von gefiederten Vögeln (5),
– den Menschen (6).
Gott schied:
– das Licht von der Finsternis (1),
– die Wasser unterhalb des Gewölbes von den Wassern oberhalb des Gewölbes (2)
Gott machte:
– das Firmament (2),
– die Lichter am Firmament (4),
– alle Arten von Tieren des Feldes, alle Arten von Vieh und alle Arten von Kriechtieren auf dem Erdboden (5).
Es sammle sich:
– das Wasser unterhalb des Himmels an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde (2).
Das Land lasse wachsen:
– junges Grün, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin (3).
Das Land bringe hervor:
– alle Arten von lebenden Wesen, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes (5).
Gott nannte:
– das Licht Tag und die Finsternis Nacht (1),
– das Gewölbe Himmel (2),
– das Trockene Land, das angesammelte Wasser Meer (3).
Herrschen sollen:
– das größere Licht über den Tag, das kleinere über die Nacht (4),
– die Menschen: unterwerft euch die Erde und herrscht über die Fische des Meeres, das Vieh, die Vögel des Himmels und alle Kriechtiere auf dem Land (6).
Gott segnete:
– alle Arten von großen Seetieren und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt, und alle Arten von gefiederten Vögeln (5),
– die Menschen (6),
– den siebten Tag (7).
Nahrungsgebot:
– Für die Menschen alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen und alle Bäume mit samentragenden Früchten (6),
– für die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und alles, was sich auf Erden regt, was Lebensatem in sich hat: alle grünen Pflanzen (6).Adorno, Aktueller Bezug, Antijudaismus, Antisemitismus, Aristoteles, Auschwitz, Bäume, Bekenntnislogik, Broder, Brumlik, Büchner, Christentum, Ebner, Einstein, Empörung, Erbaulichkeit, Feindbildlogik, Freud, Justiz, Kant, Laplace, Leibowitz, Lüge, Marquardt, Naturwissenschaft, Rang, Selbstmitleid, Sprache, Theodizee, Theologie, Tiere, Wasser -
27.02.91
Ist das Symbolum (Bekenntnis) ein Schuldschein (Teil eines Vertrages)?
– Vgl. Tob. 53: „Da antwortete Tobit seinem Sohne Tobias: Wir haben unsere Unterschrift auf einer Urkunde gewechselt, und ich habe sie in zwei Teile geteilt, damit jeder von uns eine erhalte. Eine Hälfte habe ich mitgenommen, die andere zum Geld hinterlegt. Zwanzig Jahre sind es nun schon her, daß ich dieses Geld hinterlegt habe.“ (Text nach LXX Cod. Sinaiticus) – Was hat der Hund im Buch Tobit zu suchen?
– Vgl. Luk. 166f: Der untreue Verwalter ändert die Schuldscheine der Gläubiger, als der Herr ihn der Verschleuderung des Vermögens beschuldigt.
– Vgl. Kol. 214: „Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, daß er ihn ans Kreuz geheftet hat. Die Fürsten und Gewalten hat er entwaffnet und öffentlich zur Schau gestellt; durch Christus hat er über sie triumphiert.“
– Vgl. Neh. 510f: „Auch ich und meine Leute haben Stammesbrüdern Geld und Getreide geliehen. Erlassen wir ihnen doch diese Schuldforderungen. Gebt ihnen unverzüglich ihre Äcker und Weinberge, ihre Ölberge und Häuser zurück und erlaßt ihnen die Schuld an Geld und Getreide, Wein und Öl, die sie bei euch haben.“
– Vgl. die Regelungen zum Jubeljahr (Lev. 258ff).
Fernseh-Nachrichten im Golfkrieg: Gekennzeichnet durch den Siegeston, durch Häme gegen den Unterlegenen, Identifikation mit den Triumphierenden, kein Gedanke an die Folgen (wenn, dann nur zur Bestimmung des „Schuldigen“: zur eigenen Entlastung). Unbehelligt von der Frage, ob sich auf der Grundlage der „Ergebnisse“ dieses Krieges eine „neue Nachkriegsordnung“ überhaupt vorstellen läßt. Grund: Verdrängt wird die Mitschuld der Arroganz, des Hochmuts und der furchtbaren demonstrativen Unschuld des Westens. -
12.02.91
Die „Person“ unterscheidet sich vom Subjekt durch ihre Abstraktheit: Das Subjekt ist der (technische und moralische) Urheber seiner Taten, auch der begrifflichen: Konstrukteur der Welt; die Person ist „nur“ Objekt des moralischen Urteils über ihre Handlungen: der Angeklagte (Objekt des Schicksals?). Erst in der kritischen Reflexion beider Bestimmungen konstituiert sich das Selbstbewußtsein(?).
Zu Klaus Michael Meyer-Abich: Aufgaben und Chancen der Philosophie (FR vom 12.02.91, S. 22).
– Was ist der Unterschied zwischen dem Confessor und einem Professor? – Ist der Professor der mittelalterliche Nachfahre des frühkirchlichen Confessors, und drückt in der Differenz der Beziehung zum Objekt, zur Wahrheit, nicht die zum Staat und zur Gesellschaft sich aus?
– Hat nicht der neudeutsche Begriff der Philosophie (von der Unternehmensphilosophie bis zur Philosophie des Schuhs: Reklame als selffulfilling prophecy) sehr wohl etwas mit dem neoakademischen Begriff der Philosophie zu tun? Und wäre nicht doch erst eine Reflexion dieses Zusammenhangs der Anfang einer Neubegründung der Philosophie?
– Und befaßt sich nicht eine Philosophie, die sich „mit sich selbst beschäftigt“, eo ipso „mit den Problemen der Zeit“?
– Was ist das für eine „Wahrheit, von der er (der Philosoph) fragend weiß“? Genügt es, wenn man „die Wahrheit“ so als Fetisch vor sich herträgt, um sie dann auch noch unter Berufung auf Plato „den Politikern“ anzudienen?
– „Mit den Unternehmensphilosophien ist hier nun wohl noch kein rechter Staat zu machen …“ – ein Satz, über den man in Tiefsinn verfallen möchte.
Heute eine Meldung in der Frankfurter Rundschau (RIAD, 11. Februar – AFP): „US-Verteidigungsminister Richard Cheney und US-Generalstabschef General Colin Powell haben per Bombe Liebesgrüße an Iraks Diktator Saddam Hussein verschickt. „An Saddam mit Liebe, Dick Cheney, Verteidigungsminister“ kritzelte Cheney in Cowboy-Stiefeln und ohne Schlips auf eine Fliegerbombe. General Powell grüßte den irakischen Präsidenten mit den Worten: „An Saddam: Du schaffst es nicht“. Cheney und Powell besuchten am Sonntag Soldaten auf einem geheimgehaltenen Luftwaffenstützpunkt der US-Luftwaffe in Saudi-Arabien.“
Bekenntnislogik:
– Bezugssystem der transzendentalen Logik des Herrendenkens, Basis seiner kollektiven Absicherung (gleichsam dessen Inertialsystem) und Grund des Schuld- und Verblendungszusammenhangs (Herstellung von Komplizenschaft, Ursprung und Wirksamkeit des blinden Flecks).
– Beziehung zur Logik des Tauschprinzips.
– Ausgrenzung, Verurteilung von Häresien, projektives Moment im Häresiebegriff (Feinddenken), Verdrängung durch Projektion.
– Verhältnis zur Macht (Dezisionismus: Cujus regio, ejus religio).
– Telos: Dasein als Reflex des Vorhandenen, Grund der Zuhandenheit (Selbstinstrumentalisisierung, Opfer der Vernunft).
– Effekt: objektlose Angst, dessen Auflösung real nicht mehr möglich ist, nur noch zum Schein: durch Unterwerfung. Installierung des Wiederholungszwangs.
– Komplizenschaft: Der Feind meines Feindes ist mein Freund (Grund der Äquivalenz, der abstrakten Vergleichbarkeit, der Gleichnamigkeit des Ungleichnamigen: der Forschung).
Ist der Titel von „Sein und Zeit“ dem Zusammenhang der kantischen Formen der Anschauung (Raum und Zeit) nachgebildet (Mimesis ans Objekts des Inertialsystems)? Oder: Steht Heideggers Philosophie (wie der Faschismus insgesamt) unter dem Bann der Bekenntnislogik? Läßt sich hier der faschistische Grundzug der „Fundamentalontologie“ ableiten?
Analyse des Feindbegriffs (Repräsentant der Vergangenheit, der Natur und der Welt; Zusammenhang mit Personalisierung), oder der Grund des Unterschieds zwischen Zorn und Wut (Personalisierung und Entpersonalisierung, Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit haben den gleichen Effekt, sind Momente der Herrschaft des Freund-Feinddenkens, Folgen der Bekenntnislogik).
„Der Einzelne … findet seine Vollendung dadurch, daß er einem Stande angehört; er dadurch ist er ein wahrhaftes Individuum und eine Person.“ (Franz Rosenzweig: Hegel und der Staat, I, S. 135) -
03.02.91
Dieser Tage eine Meldung in den Nachrichten: Das israelische Fernsehen bringt jede Nacht live das Bild der Skyline von Tel Aviv; so können die Menschen dort bei einem Raketenalarm in ihren Schutzbunkern direkt den Anflug und evtl. den Einschlag der irakischen Raketen beobachten. Erfüllung der ebenso wahnsinnigen wie makabren Vorstellung (letztlich der Idee des Fernsehens überhaupt): Zuschauer bei der eigenen Vernichtung, zuletzt auch beim Weltuntergang zu sein. – Konsequenzen für eine Kritik der Metaphysik (als Inbegriff der Theoria, der kontemplativen Erkenntnis – auch der Idee der seligen Anschauung Gottes?) und der Transzendentalphilosophie (der Bedeutung der subjektiven Formen der Anschauung für den Erkenntnisprozeß).
Selbstzerstörung der Theologie durch die Metaphysik, durch ihren Gegenstands- und Wahrheitsbegriff.
„Das Bekenntnis (zu den USA im Golfkrieg) begründet unsere Glaubwürdigkeit“: Mittlerweile sind Fragen, die durch Vernunft zu entscheiden wären, schon Bekenntnisfragen geworden; steckt darin die deutsche Krankheit, sich gleichsam nur noch von außen: im Spiegel der Öffentlichkeit zu sehen und so jede Äußerung als Bekenntnis vor der Öffentlichkeit (der Weltmeinung, der Geschichte: dem Weltgericht, als das wir in gut hegelscher Tradition das Ende des letzten Weltkrieges erfahren haben) zu bewerten? Geht es hier nur darum, daß andere „uns glauben“ (und so unser Selbstbewußtsein begründen), und nicht darum, daß wir die Souveränität einer Selbstgewißheit gewinnen, die aus der Kraft der Begründung unseres Handelns erwächst?
Die Abdankung des Subjekts vor der Natur (durchs Bekenntnis, durchs Tauschprinzip und durchs Trägheitsgesetz) ist der Grund der Aggression und des Fanatismus: der Mordlust des Existentiellen.
Identität und Gegensatz (Feindschaft) von Welt und Natur, Tauschprinzip und Trägheitsgesetz (Genesis und Geltung). Natur ist der Inbegriff des Anderen der Welt, des Nichtidentischen, des Nicht-Säkularisierbaren; aber dieses Andere, Nichtidentische, Nicht-Säkularisierbare ist durch die Konstituierung und die Geschichte der Welt vermittelt, ist Produkt der Säkularisation. Der Sieg der Welt über die Natur ist ein Pyrrhus-Sieg: der Besiegte ist nicht die Natur, sondern die Welt selber. Der Feminismus vertritt die Natur gegen die Welt.
Läßt sich die Geschichte von Kain und Abel (und dann Set) auf das Verhältnis von Welt und Natur beziehen? Abel (der Hirt) ist der Jüngere, Kain (der Ackerbauer) der Ältere (und nach dem Brudermord der Gezeichnete und ein Städtegründer, der die Stadt nach seinem Sohn Henoch benannte; und in der letzten Generation die Begründer von Technik und Kultur). Die Welt als urgeschichtlicher „Brudermörder“, der Brudermord die Grundlage des Fortschritts. – In der Nachfolge Sets „begann man den Namen des Herrn anzurufen“, sie endet mit Noach (Adam benannte die Tiere, Abel brachte das erste Tieropfer dar, Noach rettet die Tierwelt vor der großen Flut).
Ist der Zeugungsbegriff in der Trinitätslehre ein Indiz ihrer Unwahrheit? Er unterstellt, daß der Sieg der Welt über die Natur erreichbar, ja schon erreicht sei. Der Begriff der Zeugung ist ein Weltbegriff, kein Naturbegriff (oder vielmehr: ein von der Welt usurpierter Naturbegriff)? – Filius meus es tu, hodie genui te? Wie hängt die Zeugung mit dem Zeugen und dem Zeugnis zusammen (das patrimonium mit dem testimonium)?
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