Aktueller Bezug

  • 29.01.91

    Der „heilige Krieg“ war an Regeln und Bedingungen geknüpft, die einen Rest an Humanität sicherstellten. Das Schlimme im Golfkrieg ist – wenn denn die Informationen stimmen und nicht selber Mittel der Kriegsführung sind – daß Saddam Hussein offensichtlich jedes Mittel recht ist (er jedenfalls mit jedem Mittel droht); er hat von den Christen gelernt.
    Reicht es, wenn man gegen den Krieg ist und darauf verweist, daß nicht alle Möglichkeiten eines Embargos und der Blockade und dann der Verhandlungen genutzt worden sind: Gibt es nicht heute angesichts der technischen Sensibilität der Wirtschafts- und Staatsorgane andere Eingriffsmöglichkeiten – ohne Rückgriff auf die Mittel des Krieges -, die das Gleiche, wenn nicht Empfindlicheres bewirken – allerdings auch für die Bevölkerungen, die in jedem Falle Geiseln der Regierenden sind? Wurde die Wirksamkeit dieser Mittel nicht gerade erst bewiesen (im „Erfolg“ des Wirtschaftskriegs gegen den Ostblock)?
    Wenn nicht schlimmer, so doch vielleicht in anderer Hinsicht folgenreicher als der heiße Krieg scheinen die Mittel zu sein, mit denen er geführt wird (oder auch geführt werden könnte, stünde dem nicht die unvermeidliche Dummheit der Militärs im Wege):
    – „geführt wird“: hier ist auf die perfekte Instrumentalisierung der Information hinzuweisen, die erst aufgrund der modernen Medien (insbesondere des Fernsehens) möglich ist, und die nicht nur den Feind, sondern auch die eigene Bevölkerung (in dem sie ohnehin einen potentiellen Parteigänger des Feindes erkennt) in die Irre führt;
    – „geführt werden könnte“: hier wäre auf die technischen Möglichkeiten des Embargos und der Blockade angesichts der hochsensiblen wirtschaftlichen und politischen Machtapparate hinzuweisen (insbesondere die Zufuhr von Rohstoffen und technischem Know how sowie die technische Unterbindung der Informationswege).
    Für/gegen Schmied-Kowarzik:
    – Verharmlosung der Naturbeherrschung vermeiden („… so kann dies für Marx niemals … bedeuten“ – S. 114);
    – Auflösung des Herrendenkens durch Erinnerungsarbeit: Herrendenken und seine materiellen Metastasen (erste und zweite Natur) sind Produzenten, Erben und Tradenten der Last der unaufgelösten Vergangenheit; Absicherung der Verdrängung der Erinnerungsarbeit durch Historismus und Kolonialismus, die im Verdrängungsprozeß wider Willen das Material für die Erinnerungsarbeit bereitstellen (wie im Kern dieses Prozesses auch die Naturwissenschaften). Das Adornosche „Eingedenken der Natur im Subjekt“ ist ein Teil des Eingedenkens der Vergangenheit im Subjekt: nichts ist wirklich vergangen. Natur (und ihre Metastasen) als Alibi fürs Herrendenken, Exkulpierung durch den Naturbegriff: Hier hilft nur Gottesfurcht (seitdem der Himmel keinen Platz mehr hat). (Vgl. Reinhold Schneiders Bild einer gottlosen Gottesfurcht: der Hund am Fuße des Kreuzes.)
    – Hinweis auf Habermas, der der Benjamin-, Horkheimer- und Adornoschen sanften Hoffnung auf eine Änderung auch der Natur in einer befreiten Gesellschaft (erstmals, wenn ich recht sehe, in Erkenntnis und Interesse) offen widersprochen hat: sie sei nicht zu halten. Interessant wäre zu untersuchen wie weit die Folgen dieser These in das Konzept seiner Theorie des kommunikativen Handelns hineinreichen und sie um den von H. erwarteten Erfolg betrügen. (Vgl. auch die Bemerkung von Hauke Brunkhorst zur DdA!) Bei H. wird aus der Gottesfurcht die Angst vor der Theologie.
    Der „Gihad“, der heilige Krieg: hervorgegangen aus den nomadischen „Razzien“, Vorform der Ausbeutung, die dann im Kapitalismus institutionalisiert (und moralisiert) wird? Bedeutung der Christianisierung? (Vgl. W. Montgomery Watt: Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter, Berlin 1988, S. 16)

  • 15.01.91

    Georg Lukacs hat in „Geschichte und Klassenbewußtsein“ Hinweise auf eine marxistische Kritik der Naturwissenschaften gegeben, die er zwar später wieder zurückgenommen hat, deren produktiver Ansatz heute duetlich gemacht werden kann: Die von Frankfurter Seite mit dem Hinweis auf die experimentelle „Praxis“ geübte Kritik an Lukacz‘ Begriff des „Kontemplativen“ (der rein anschauenden Beziehung zum Objekt) vergißt die Einsicht der „Dialektik der Aufklärung“, wonach die Distanz zum Objekt durch die Distanz der Herrschenden über die Beherrschten vermittelt ist. Es ist diese (in der kantischen Philosophie durch die Unterscheidung von transzendentaler Anschauung und transzendentaler Logik bereits angezeigten) besonderen Beziehung von Anschauung und Praxis, Ursprung der Beziehung von Verwaltung und Industrie, die hier näher zu bestimmen wäre (Rückwirkung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur auf die Gesellschaft; Einbeziehung auch des Motors der Emanzipation – des naturwissenschaftlichen Aufklärungsprozesses: in den Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang – negative Trinitätslehre?). Hier ist der Ansatzpunkt für eine gesellschaftlich-geschichtliche Kritik der Naturwissenschaften.
    Die kantischen Formen der Anschauung (Raum und Zeit) sind sowohl die subjektiven Bedingungen der transzendentalen Logik (des historischen Objektivationsprozesses) als auch selber objektivierungsfähig (Inertialsystem; Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Identität von träger und schwerer Masse). Sie sind so der Statthalter sowohl des Naturgrundes von Herrschaft als auch seiner Vergesellschaftung im Subjekt (Ursprung der Reflexionsbegriffe und Grund der Konstituierung des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs). Die europäische Gesellschaft ist die historische Gestalt der dem Bewußtsein entfremdeten Empörung, die exakt dem Naturgrund von Herrschaft korrespondiert: Deshalb ersetzt hier immer noch die Empörung das Argument. Bekenntnis als Empörung (Bekenntnis als „Weltanschauung“ – Brutalität der „Weltanschauungskriege“ bei gleichzeitiger Verdrängung des Bewußtseins und der Erinnerung der Brutalität darin begründet).
    Der Entkonfessionalisierung der Kirchen entspräche eine Form des Bekenntnisses, die nicht mehr zur Empörung sich anreizen läßt, der Empörung nicht mehr bedarf (wohl des Zorns).
    Die Formen der Anschauung sind die Formen der gegenständlich gewordenen, versteinerten Empörung; die Form ihrer Objektbeziehung entspricht der des Hohns, des kalten Auslachens: der apriorischen Verurteilung. Grund der Gemeinheit.
    Startbahnprozeß: Die Empfindlichkeit ist ein Gradmesser der verdrängten Sensibilität (Konstruktion des Selbstmitleids; Ableitung seiner gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Folgen; Zusammenhang mit der Geschichte des Christentums).

  • 13.01.91

    Zentrale Stellung des Weltbegriffs: Judentum vorweltliche, Islam Welt-Religion, Christentum weltkritische Religion. Die Geschichte der Häresien hängt mit der Geschichte des Weltbegriffs zusammen; der Ursprung der Häresien ist ableitbar aus dem Geburtsfehler des Selbstverständnisses der Orthodoxie, die seit je die Schöpfung mit der Welt verwechselte; hieraus zogen die Häresien seit der Gnosis logisch die richtigen, aber sachlich falschen Konsequenzen. Die Orthodoxie hat seit je die Symptome (die Häresien) unterdrückt anstatt sie (dem Gebot der Nachfolge und der Feindesliebe gehorchend) zum Anlaß zu nehmen, die Schuld der Welt auf sich zu nehmen und die Ursachen der Häresien im eigenen Innern zu suchen. Der projektive Anteil im Kampf gegen die Häresien und in der Geschichte der Ketzerfolgung ist immer verdrängt worden, er lag im blinden Fleck der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit. Die Warnung: „parvus error in principio magnus est in fine“ fiel ins Leere. Mit der Reformation (und Gegenreformation) war die Kraft der Häresienbildung deshalb erschöpft, weil angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung und der korrespondierenden Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung der Wechsel einzulösen war, den die Kirchen im (konstantinischen) Pakt mit der weltlichen Herrschaft (und die Theologie mit der dogmengeschichtlichen Rezeption des philosophischen Weltbegriffs) unterschrieben hatten. Das theologische Herrendenken war selber Ursprung des weltlichen, gegen das die bis dahin verwandten Mittel (der Inquisition, des Banns und der physischen Verfolgung) dann sich als ohnmächtig erwiesen und nichts mehr ausrichteten.
    Birgt der Golfkonflikt nicht ein weit größeres Risiko als z.Z absehbar:
    – Religionskrieg, der durch die mögliche Anwendung der militärischen Mittel (ABC-Waffen) die Brutalität und die Folgen des letzten „Weltanschauungskrieges“ übertrifft (das Erbe Reagans: Harmaggedon-Phantasien; Auswirkungen auf Israel, Gefahr des arabisch-islamischen Nationalismus)?
    – Weiteres Unrecht im Schatten dieses Konflikts (Litauen – Komplizenschaft der Weltmächte: hat es vielleicht sogar Vor-Absprachen zwischen UdSSR und USA gegeben – Preis für freie Hand im Irak)?
    – Wirtschaftliche Folgen: Läßt sich die Dominanz der westlichen Industrienationen halten? Sind weitere Grundstoff-Boykotts und Liefereinschränkungen der sogenannten Dritten Welt mit entsprechenden Folgen auf den „Wohlstand“ im Westen auszuschließen (mit absehbaren politischen Folgen im Innern der westlichen Staaten wie auch im zerfallenden Ostblock aufgrund der schwindenden wirtschaftlichen Möglichkeiten)?
    – Weitere politische Folgen: nach dem Zerfall des Ostblocks jetzt Zerfall der moralischen und politischen Hegemonie der USA? Neue politische Rolle der EG (mit dem nach der „Einigung“ gewachsenen und infolge der nationalistischen Welle nicht mehr kontrollierbaren Einfluß der BRD)?
    – Vorbereitet u.a. durch den Bau der Startbahn West in Frankfurt?

  • 24.12.90

    Information als Unterhaltung: Fernsehnachrichten und BILD-Zeitung kommen darin überein, daß sie Informationen nicht nach ihrem objektiven Stellenwert, sondern nach ihrem Unterhaltungs- oder Sensationswert (Empörungsreiz) beurteilen. Der Begriff der Sensation erinnert nicht zufällig an den erkenntnistheoretischen Begriff der Empfindung (des sinnlich Gegebenen: nach Kant des chaotischen Materials, aus dem die transzendentale Logik die Urteile fertigt, durch die es Teil der Erfahrung wird). Diese Sensationen (die im Unterhaltungsbereich „Erlebnisse“ heißen) konstituieren sich erst im Kontrast zur transzendentalen Logik, nach Abzug ihres Erfahrungsgehalts, der nur als Kommentar, als Meinung zugelassen ist. Der Begriff der Sensation setzt die Unterscheidung von Tatsache und Meinung voraus und widerlegt sie zugleich. Die Ideologie, die geheimen Zusatzinformationen, die mit transportiert werden, resultieren aus dem ersten Gebot der Unterhaltungsindustrie: der Zuschauer/Leser darf aus der passiven Rolle nicht herausgerissen werden, er darf nicht (jedenfalls nicht politisch) zum Handeln verführt werden: die Fakten müssen so zubereitet werden, daß sie zur Entlastung des Zuschauers/ Lesers von dem moralischen Druck, den jede ungefilterte Information heute erzeugt, beiträgt: d.h. sie muß den Mechanismen der Schuldverschiebung, den Sündenbockmechanismen, mit einem Wort: dem Vorurteil das Feld überlassen. Bezeichnend das Interview mit einem Tagesthemen-Moderator der ARD in einer Unterhaltungssendung zum Jahresende 1990 (in der kritischen Phase der Golfkrise, über die der Interviewte täglich berichtete). Auf die Frage nach seinem zentralen Wunsch für das Neue Jahr: Er hoffe, daß es ihm endlich gelinge, das Rauchen aufzugeben.
    Zusammenhang zwischen zweiter Schuld und dem Verschwinden der Schamgrenze, die das Private, den Intimbereich von der Öffentlichkeit trennt (BILD, Werbung, Fernsehen, Bedeutung der Familienserien, Gestaltung der Wohnungen: die Privatisierung der Politik und die Politisierung des Privaten; das unaufhaltsame Vordringen der Gemeinheit).
    Der deutsche Begriff für Sexualität: das Geschlecht, das Geschlechtliche (auch die Geschlechter, z.B. die Genealogien? Zusammenhang mit der Trinitätslehre, der Zeugung des Sohnes?) scheint vom Ursprung her mit dem der Scham zusammenzuhängen. Das Geschlecht wäre demnach die Hypostase des Schlechten, des Verurteilten, das apriorische Objekt der Scham. Verletzt die Trinitätslehre die Schamgrenze Gottes?
    Zur Trinitätslehre: Umkehrung der Vater-Mutter-Sohn-Beziehung? Der Beistand (das Mütterliche) geht aus dem Vater und dem Sohne hervor und wendet sich nach außen, während im traditionellen Familienkonzept die Mutter dem Mann und den Kindern „Beistand“ ist, der empathische Anwalt, der alles versteht (auch den richtenden Vater).

  • 14.11.90

    Zur Verweigerung der Haftverschonung für Frau Isabel Jacob:

    Ich meine, es wird Zeit, endlich auch einmal darauf hinzuweisen, daß der „Terrorismus“ nicht nur als Angriff auf den Staat, sondern ebenso auch als Produkt der Verzweiflung an den moralischen Problemen dieses Zeitalters, als Ausdruck einer Sensibilität sich begreifen läßt, die keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    Die paranoide Reaktion auf den Terrorismus gehört mit zu den Ursachen seines Weiterbestehens, seiner Reproduktion.

    Nicht Wut, sondern Trauer (die die Kraft der Identifizierung auch mit dem Täter mit einschließt) wäre angemessen und notwendig; das allgemeine Bekenntnis gegen den Terrorismus wird nur von denen gefordert, die ihres eigenen Urteils nicht ganz sicher sind und deshalb der kollektiven Absicherung durch das Bekenntnis der anderen bedürfen. Moralische Souveränität hat zur Voraussetzung, daß das Urteil über die Tat die Empathie mit der Person und seiner Intention und den Bedingungen seines Handelns nicht ausschließt.

    Nicht zufällig erinnert die Wut, mit der der Terrorismus verfolgt wird, an die Wut des Antisemiten (Sympathisanten hießen damals Judenfreunde); die Ursachen sind in der Tat vergleichbar: verfolgt werden nicht die Taten, sondern mit ihnen das, woran sie erinnern: beim Antisemitismus das Gewissen, und beim Terrorismus die verdrängte Schuld der Vergangenheit, der rechtfertigungsbedürftige Wiederholungszwang in der Gegenwart (die zweite Schuld).

    Die Zerstörung des Gewissens ist gelungen. Indiz ist der praktische Atheismus auch der Religionen heute; die verwirrte conscientia derer, die den Umgang mit dem Gewissen nicht mehr gelernt haben. Recht als Gewissensersatz ratifiziert nur die Zerstörung der Gewissen, ist die Ursache und die Folge der Verwirrtheit; es macht die Dinge noch schlimmer. Heute hat das Recht im Terrorismus sein von ihm nicht mehr zu trennendes Objekt, in dessen Verfolgung es weniger den Terrorismus als vielmehr sich selber zerstört. (Der Terrorismus ist das apriorische Objekt des richtenden Urteils, das durch Kompetenzverteilung des Gewissens sich entledigt hat und deshalb paranoid geworden ist.)

    Die Dinge aus dem Teufelskreis herausholen, die Probleme wieder diskussionsfähig zu machen, anstatt sie als „anschlagsrelevante Themen“ im vorhinein zu kriminalisieren.

    Kein Zufall, daß schließlich auch die Verteidiger Über das Konstrukt „Organ der Rechtspflege“ in Hilfs-„Staatsanwälte“ umfunktioniert wurden.

    Es gibt eine Hysterie, die glaubt, nur die Gesetze anzuwenden, und nicht merkt, wie parteiisch sie ist.

    Isabel Jacob möchte nicht auf den psychosomatiche Aspekt der Sache sich beziehen, da sie fürchtet, dann u.U. psychiatrisiert zu werden (Alternative Knast/Anstalt).

    Die Gemeinheit hat kein Bewußtsein über sich selbst (hätte sie es, wäre sie’s nicht): deshalb ist sie vor der Vernunft wie vor dem Strafrecht unfaßbar.

    Würden die Regelungen im Zusammenhang des 129 a auf die größte terroristische Vereinigung, die es je in Deutschland gegeben hat, angewandt worden, die Mehrheit der Bevölkerung säße in Isolationshaft.

  • 11.11.90

    Staat und Gesellschaft verhalten sich wie Welt und Natur. Das Bekenntnis begründet die Welt über ihre Beziehung zum Staat (die Polis, den Kaiserkult, die Trinitätslehre).

    Komitee für Grundrechte und Demokratie: Wider die lebenslange Freiheitsstrafe. – Was richtet diese Gesetzesregelung bei denen an, die sie anwenden müssen (bei Staatsanwälten, Richtern und Vollzugsbediensteten, nicht zuletzt aber bei dem Volk, in dessen Namen die Anwendung erfolgt)? Welche Verdrängungsleistungen müssen erbracht und abgesichert werden, um die Folgen des eigenen Handelns vor sich selbst zu verbergen; welche Entsühnungsrituale sind notwendig, um mit der Schuld im Angesicht des Schicksals der Strafgefangenen überhaupt leben zu können?

    Gemeinheit ist strafrechtlich nicht faßbar, und deshalb nicht strafbar: wird sie nicht zwangsläufig produziert, wenn es keine kritische Distanz zum strafrechtlichen Schuldbegriff mehr gibt (Ableitung der juristischen Niedertracht aus der Logik der Strafkompetenz; das letzte Argument des Rechts ist das staatliche Gewaltmonopol, die Polizei)? Sind wir, das Volk, nicht mitschuldig an dem, was den Opfern und den Tätern im Bereich der Strafverfolgung und des Strafrechts heute „im Namen des Volks“ angetan wird?

    Politik als straflose Einübung der Gemeinheit, der Häme; Wahlkämpfe sind zu Konkurrenzkämpfen der Gemeinheit geworden – im gleichen Maße, in dem sie scheinbar harmlos, unpolitisch geworden sind; Gemeinheit als Erfolgsgarantie; Stellenwert und Funktion der Öffentlichkeit – BILD, Regenbogen-Presse, FAZ nützen die Straflosigkeit der Gemeinheit bis an die Grenze des rechtlich Möglichen aus.

  • 13.10.90

    „500-Jahrfeier zur Entdeckung Amerikas“ (am 12.10.1992): Was für ein Selbstverständnis Europas steckt hinter diesem Begriff! Amerika als reines Objekt (so ist es dann ja auch behandelt worden), das erst durch „unsere“ Entdeckung (und Namengebung) historisch existent geworden ist. Einem ganzen Kontinent und seinen Bewohnern (ähnlich Australien) wird der eigene Name vorenthalten. Die „Indianer“ als reines Material der Geschichte, sozusagen ein natürlicher Rohstoff wie das Gold und die anderen natürlichen Rohstoffe des Landes, die uns auch erst seit der „Entdeckung Amerikas“ zur Verfügung standen. Im Namen dieser Feier lebt der Kolonialismus fort, verdrängt wird, daß auch die vorkolumbianischen „Amerikaner“ (die „Indianer“) Menschen waren und sind.

    „Einsatztruppen“: Noch heute „kommen“ Angestellte, Arbeiter, Soldaten „zum Einsatz“, werden „eingesetzt“ wie willen- und subjektlose Schachfiguren: mit dem Privileg, nicht schuldig werden zu können, da sie ja keine Subjekte (d.h. nicht verantwortlich) für die Bedingungen und den Auftrag ihres „Einsatzes“ sind. Sie sind subjektlos wie die Toten, die Helden der Vergangenheit und die personae der abgebildeten, verdoppelten Welt der Kunst (Schauspiel, Roman, Film). Über sie wird wie über den Gegenstand ihres Tuns: die äußere Natur, die verwaltete und die nichtzivilisierte (vor allem die außereuropäische) Welt verfügt. – Zur Dialektik der Schuld allerdings gehört es, daß das „Nicht-schuldig-werden-Können“ eins ist mit dem Zustand der absoluten Schuld, der Ver-worfenheit (mit der übrigens Heideggers „Geworfenheit“ nicht nur sprachlich zusammenhängt: ähnlich wie Gewalt mit Verwaltung).

    Ursprung des Bekenntnisses im Martyrium; Umkehrung und Vergeistigung nach Enttäuschung der Parusieerwartung: Privatisierung, falsche Politisierung. Das Zwangsbekenntnis ist ein erpreßtes Liebesbekenntnis, die Bekenntnisforderung Ausdruck des Sich-ungeliebt-und-deshalb-schuldig-Fühlens (Gott hat sein Versprechen nicht gehalten?), mangelnder Liebesfähigkeit (Selbstmitleid), des Rechtfertigungsbedarfs. Wer das Bekenntnis fordert, sucht die Bestätigung, daß die Schuld nicht wahrgenommen wird, daß sie nicht öffentlich wird, daß sie unten bleibt. Das Zwangsbekenntnis ist Teil der kirchlichen und später auch der staatlichen Verdrängungsmechanismen, ihrer autoritären Strukturen, die durch dieses religiöse System hindurch sich erhalten. Ausdruck der Herrschaft über die Gewissen der Gläubigen oder der Untertanen.

  • 10.10.90

    In seiner Predigt vor der Herbstvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz in Fulda vermißte Karl Lehmann die „dankbare Freude“, statt dessen werde „Trübsinn, Vergangenheitsbeschwörung und gottferne Skepsis gepflegt“ (FR vom 26.09.90). Karl Lehmann auf J. Ebachs Interpretation der Geschichte von Lots Weib hinweisen? Der Begriff „Vergangenheitsbeschwörung“ zusammen mit dem Hinweis auf „Trübsinn“ und „gottesferne Skepsis“ macht die Verwirrung, die den deutschen Katholizismus heute beherrscht, (den Verdrängungsprozeß und die Verblendung, unter denen die Kirche heute leidet) mit einem Schlage sichtbar.

    Die Verwendung des Begriffs „Vergangenheitsbeschwörung“ läßt sich nur durch einen vollständigen Mangel an Gottesfurcht erklären.

    Die Todesstrafe wurde abgeschafft, als die Menschen nicht mehr an die Hölle glaubten. Dafür wurde dann die lebenslängliche Haftstrafe eingeführt und entsprechend ausgestaltet. Die Abschaffung der Todesstrafe war außerdem überdeterminiert, da nach Auschwitz zu viele das Risiko zu fürchten hatten.

    Das Gefängnis ist heute der Ort, an dem Menschen zu qualitätsloser Materie fertiggemacht werden. Es mußte einfach in der Industriegesellschaft einen Ort geben, der noch schlimmer war als die Fabrik. Das wirft ein Licht auf die Argumente der allgemeinen Niedertracht: „Denen geht’s ja viel zu gut“.

    Zu dem Prinzip „man darf alles tun, sich nur nicht erwischen lassen“: Das Prinzip ist erweiterungsfähig: Jede Gemeinheit ist zulässig, solange sie nicht ausdrücklich rechtlich untersagt ist; und Gemeinheit ist nicht justiziabel. Nach diesem Prinzip verfährt heute ein nicht unerheblicher Teil sowohl der Medien (von BILD bis FAZ) als auch unserer Justiz (von den Ermittlungsbehörden über unsere Gerichte bis zu den Aufsichtsorganen in den Strafanstalten).

    Das Gewaltmonopol des Staates drückt sich mittlerweile in den Folgen der Komplizenschaft einer Gemeinheit aus, die bewirkt, daß fast alles erlaubt ist, weil nichts mehr nachweisbar ist. Darin überlebt auf eine perfektionierte und gewitzte Weise Auschwitz.

    Im übrigen wurde Auschwitz vorbereitet in den kirchlichen Höllenpredigten (der Schule der Gemeinheit).

    Zum Problem des Selbstmitleids: Nach Walter Benjamin ist der Kleinbürger Teufel und arme Seele zugleich, arme Seele für sich und Teufel für die andern. Heute gibt es hierzu keine Ausnahme mehr, heute sind alle Kleinbürger. Genau darin liegt die ungeheure Gefahr und die Gewalt des Selbstmitleids. Vgl. hierzu Edgar Morins Antwort auf die Frage, warum die Menschen im Kino weinen.

    Im Übrigen ließe sich die Hölle sehr gut als Kino vorstellen, nur daß in der Hölle die Verdrängung entfällt, das reale Bewußtsein der Situation hinzukommt. Diese Situation ist heute durch das Fernsehen individualisiert und privatisiert worden.

    Naturkonstanten wie z.B. Masse und Ladung des Elektrons verweisen allesamt auf strukturelle Gegebenheiten, nicht auf Dingeigenschaften. Wer das verwechselt, ist potentieller Antisemit.

    Mir scheint, in der Auseinandersetzung mit der Postmoderne in Frankreich wird die mißlungene Auseinandersetzung mit dem Positivismus wie unter einem Wiederholungszwang nochmals mißlingend wiederholt. Die Leute wollen sich einfach die „Dinge“ nicht aus dem Kopf und aus der Hand schlagen lassen, weil sie fürchten, dabei sich selbst zu verlieren.

    Wären Menschen, die vor zweieinhalb Tausend Jahren Propheten wurden, heute vielleicht schizophren? Und säße Ezechiel heute in der Anstalt eines Landeswohlfahrtsverbandes?

    Zum Problem „Insektenforscher“: Der Begriff erweckt den Eindruck, als sollten Probleme der Kirche und der Hierarchie ohne Emotionen untersucht werden. Das ist nicht ganz korrekt: Affekte sind sehr wohl angemessen und notwendig; ich würde sagen: wenn es sein muß mit Zorn, aber ohne Empörung (beide unterscheiden sich durch ihre Richtung: der Zorn geht zur Sache, die Empörung gegen Personen).

    Zum Bruch zwischen der Vätertheologie und der Scholastik: Vätertheologie und Dogmenentwicklung als Anpassung der Theologie an die Welt, als der Versuch, sich als Kirche in der Welt einzurichten; war möglich, weil ihm ein philosophischer Weltbegriff (Begriff des Kosmos) entgegenkam. Dieser Weltbegriff, den Spengler mit dem Begriff der arabischen Kultur zu fassen versucht hat, mußte untergehen, ehe die dann weitergehenden Konsequenzen daraus gezogen werden konnten. Theologie mußte mit einem neuen Weltbegriff verbunden werden, der aus der Theologie zu entwickeln war: Das ist die Leistung der wissenschaftlichen Diskussion seit den Anfängen der Scholastik (Entwicklung des instrumentalisierten Begriffs).

    Theologie als Geschichte der Auseinandersetzung mit der Philosophie (mit dem Herrendenken, dem die Theologie mit der Rezeption der Philosophie dann selbst verfallen ist).

    Karl Thieme hat einmal die Geschichte des Schiffsbruchs vor Malta eschatologisch interpretiert: als Typos der Rettung der Völkerwelt (mit Ausnahme des einen Volkes, dessen Rettung nicht Sache der Kirche ist) bei gleichzeitigem Untergang des Schiffes (der Kirche). Er hat einen Punkt dabei übersehen: das Schiff ist infolge eines Sturms untergegangen (durch den Geist). – Vgl. auch die Geschichte mit der Natter (Paulus wird von der Natter gebissen, stirbt aber nicht, sondern überlebt, nachdem er sie ins Feuer geworfen hat: verniedlichter Höllensturz des Drachen).

    Heidegger war der Sache ganz nahe: Sein „Gestell“ ist in Wirklichkeit das Gericht.

    Die „Summa contra gentiles“ war der Weg, über den der Islam in das Christentum eingedrungen ist. Nach der Hellenisierung und Islamisierung wäre heute die Judaisierung des Christentums an der Reihe.

    Drückt in der kirchlichen Kampagne gegen die Abtreibung vielleicht doch ein Stück Projektion sich aus. Wird hier nicht etwas angegriffen, dessen man sich selbst schuldig fühlt: der Abtreibung der Wahrheit (durch deren Instrumentalisierung im Interesse des Herrendenkens).

    Eine Philosophie des Namens müßte die ganze Spannbreite des Sprachgebrauchs abdecken: vom „das ist in unserem Namen geschehen“ bis zum „die Dinge beim Namen nennen“.

    – Im Bereich des Namens gibt es keine Subsumtionsbeziehungen.

    – Im Namen ist die Trennung von Begriff und Objekt aufgehoben.

    – Das Sein ist der Annihilationspunkt des Namens, der Punkt, an dem der Name in den Begriff umschlägt, die Subsumtionslogik, das Herrendenken beginnt (Quellpunkt des Begriffs).

    – Rührt das emphatische, das gleichsam theologische Verständnis der Ontologie her vom ontologischen Gottesbeweis?

    – Nicht das Eine oder die Einheit, sondern der Eine ist ein Gottesname.

    Adams Namengebung der Tiere verweist auf den Zusammenhang von Benennung, gegenständlicher Erkenntnis, die „katastrophische“ Genesis der Tiere (DdA) und den Zusammenhang mit den apokalyptischen Tieren (den singulären Chaosmächten: den falschen Umschlag des „Begriffs“ als absoluter Begriff in den Namen). – Hiob nochmal lesen: Behemoth und Leviathan; welche Bedeutung der Hinweis auf diese Tiere an dieser Stelle hat: Begründung der Gottesfurcht? – Zusammenhang mit der Erschaffung Evas (Namengebung der Tiere vorher), der Geschlechtertrennung und dem Auftrag zur Naturbeherrschung, sowie mit dem Baum der Erkenntnis (Erkenntnis des Guten und Bösen).

    Merkwürdige grammatische Beziehung: Die Erhebung in die Allgemeinheit verwandelt ein Maskulinum in ein Femininum. Jede -heit und -keit ist feminin, jeder -ismus ist maskulin. Oder auch: der Logos, aber die Ontologie, Theologie, Geologie etc. – Gattung und Art sind feminin (im Deutschen, aber genus und species?), das Individuum ist neutrum.

    Die Raumkontraktion und die Zeitdilatation beschreiben genau den Punkt, an dem die die sinnliche Welt in die physikalische umkippt: die Grenze zum Objekt. Man muß den prozessualen Vorgang nur rückwärts lesen.

    Das Ätherproblem ist mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gelöst worden: Es ist das Problem der inneren Grenze des Inertialsystems.

    Die Tatsachenwelt ist in der Tat eine: Die Welt ist ein Produkt des Tuns; in der Konstruktion der Welt steckt das Tun der Menschen, der Gesellschaft: der Staat. Durch dieses Tun sind die Menschen, ist die Gesellschaft mit in den Schuldzusammenhang verflochten. Und auf dieses Tun müßte sich heute die Gewissenserforschung richten, deren Resultat eine neu begründete Theologie wäre. Der Inbegriff dieses Gewissens ist die jüdisch-christliche Tradition, die der Antisemitismus (im Auftrag der Welt) aus der Welt schaffen wollte. Wenn die Beichte heute den wirklichen Problemen in Deutschland (nach Auschwitz) überhaupt nicht mehr angemessen ist, dann hängt das damit zusammen. Der eigentliche Gegenstand der Beichte wäre das Erbe der Philosophie.

    Ist der (kultische) Opferbegriff dem Kreuzestod Jesu angemessen? Wo und von wem wurde zum erstenmal der Opferbegriff hierauf angewandt? Und wie war hier der Opferbegriff gemeint, real oder symbolisch (als Teil der Aufhebung des Opfers)?

    Was bedeutet die „Erhöhung des Herrn“, und zusammen damit das „Sitzen zur Rechten Gottes“: Die Rechte ist die Seite der Gnade, des Erbarmens (aber von hinten ist sie die Linke, die Seite der Strenge, des Gerichts – Bedeutung der Umkehr!). Wie verhält es sich mit dem Wort: „…, der ißt und trinkt sich das Gericht“? Hat nicht die Mysterientheologie durch den Zusammenhang, in den sie die sakramentale, mystische Teilhabe der Gläubigen an der Erhöhung des Herrn rückt, diese Erhöhung zur Hypostase des Gerichts gemacht?

    „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Dieses Wort Jesu verweist darauf, daß die Wahrheit nicht nur gegenständlich ist, sondern auch subjekthaft (wer das Subjekt in der Wahrheit durchstreicht, streicht die Wahrheit durch.)

    Vielleicht stimmt es, daß die Beziehung der Juden zu Gott unmittelbar ist (F. Rosenzweig), die der Christen ist es nicht. Hier bedarf es – auch im Sinne der Mysterientheologie – des Durchgangs durch den Tod. Heideggers „Vorlaufen in den Tod“ hält davon die letzte und allerabstrakteste Erinnerung fest, oder auch die letzte Erinnerung des islamischen Verständnisses des Martyriums als Tod im Heiligen Krieg. Auch bei Heidegger ist ja das „Vorlaufen in den Tod“ Teil des heroischen Gestus seiner Philosophie. (Anzumerken ist: Der Islam hat den Heiligen Krieg gepredigt, das Abendland hat ihn – zuletzt im sogenannten „Weltanschauungskrieg“, der ein Vernichtungskrieg war – aufs fürchterlichste praktiziert.)

    Der Zusanmmenhang von Objektivation und Instrumentalisierung (Vorhandenheit und Zuhandenheit bei Heidegger) verweist auf einen absoluten Vorrang des dreidimensionalen Raumes.

    Hegels Offenbarungsbegriff bezieht sich auf die Konstantinische Wende (das Ergebnis des Dogmatisierungsprozesses: das Christentum als Staatsreligion), nicht auf das Leben und die Taten und Leiden Jesu. Nicht zuletzt deshalb erscheinen auch bei Hegel die antijüdischen Vorurteile, die zu den Voraussetzungen und Folgen der Konstantinischen Wende gehören.

    Die Wirkung des Bekenntnissyndroms auf den Bekenntnisinhalt kann man daran erkennen, daß das Symbolum das Leben und die Lehre Jesu nicht erwähnt. Jesus ist nur geboren, gestorben und auferstanden; was dazwischen liegt, wird verschwiegen und ist auch im Rahmen des Bekenntnisses wohl nicht faßbar. Die Hegelsche Philosophie hingegen bezieht ihre ganze Stringenz aus diesem Bekenntnissystem; das Bekenntnis ist sozusagen die nicht mehr reflektierte Grundlage der Hegelschen Philosophie. Und die Bekenntnis-Theologie ist zum Inbegriff eines verworfenen, hoffnungslosen Glaubens geworden.

    Zu Dezisionismus und Bekenntnis: Die Ontologie ist nicht nur dezisionistisch, sondern auch Bekenntnis-Ontologie. Durch das Bekenntnis ist mit der Philosophie das dezisionistische Moment in die Theologie hereingekommen, und das war die Grundlage der Trinitätslehre und der Lehre von der Göttlichkeit Jesu im Sinne einer (nicht ewigen, sondern) überzeitlichen Göttlichkeit. Dieser Dezisionismus oder das Bekenntnis haben die Verwechslung des Ewigen mit dem Überzeitlichen ermöglicht. (Zum Begriff des Ewigen vgl. auch Rosenzweigs Aufsatz.) Überzeitlich ist der Staat (der Begriff), ewig ist der Gegenstand der Theologie (der Name).

    Wer sich mit dem Staat befaßt, wird den Staatsanwalt nicht vermeiden können.

    Jede Architektur ist ontologische und Bekenntnisarchitektur.

    Die Terroristen sind der Nachfolge Christi näher als die elitären Mysterientheologen.

    Zum Eckstein, den die Bauleute verworfen haben: Heute geht es nicht mehr nur um den Eckstein; sondern die Materialien, aus denen die Theologie zu erbauen wäre, bestehen nur noch aus den verworfenen Materialien, aus Ruinen. Zuerst ist die Betondecke zu zertrümmern, die die Ruinen der Geschichte zudeckt.

    Zu den Ursprungsbedingungen des pathologisch guten Gewissens gehören auch die historischen Verdrängungsprozesse, insbesondere jene die mit der Ursprungsgeschichte der modernen Aufklärung, vor allem der modernen Naturwissenschaften zusammenhängen. Erst wenn es gelingt, die Tathandlung, die die Naturwissenschaften ins Leben gerufen hat, und deren Folgen in der Welt selbst zu begreifen, erst dann gelingt es auch, jene Verdrängungsblockade aufzuheben.

    Modell für die Neutralisierung durch Erkenntnis ist das „pecunia non olet“. Deshalb wird man nicht umhin können, in der Vergangenheit „herumzuschnüffeln“.

    Es gibt zwei Formen der Entstehung von Vergangenheit. Die eine ist die historische: Mit jedem Tag vermehrt sich die Vergangenheit (die dann hinter uns liegt). Die zweite ist die natürliche (die auf uns lastet): sie ist gegenläufig zur historischen.

    Gefühl des Schwindels, wenn der Boden des Herrendenkens unter den Füßen weggezogen wird (Adorno): Die Kritik des Dings trifft auch das Subjekt zentral (in seinem blinden Fleck).

    Die Wahrheit ist antisystematisch, systemkritisch. Wenn sie trotzdem selbst systematische Züge trägt, rührt das her aus der Kritik des Herrschaftssystems, dessen Strukturen sich verkehrt in der Wahrheit abbilden. Darin liegt die unermeßliche Bedeutung der Hegelschen Philosophie.

  • 08.09.90

    Leserbrief von Jürgen Schubach in der FR vom 08.09.90: „… und bleibe ich der Meinung, daß sich alle Konflikte durch das Recht lösen lassen.“

    * Der im Titel zitierte Satz verrät eine wahrhaft hybride Rechtsauffassung:

    . ausgeschlossen werden Lösungen, die unter zivilen Verhältnissen die ersten sein sollten, nämlich Lösungen durch Verständigung und Übereinkunft;

    . zugleich wird geleugnet, daß es Konflikte gibt, die sich rechtlich nicht lösen lassen; die Verdrängung dieses Problems führt zwangsläufig zur Gewalt, die er dann prophylaktisch auf jene projiziert, die sich seit je haben fügen müssen (nicht zufällig reizt ihn der Feminismus).

    . so schafft er das Gewaltpotential, dessen Auflösung die Justiz heute vor nicht mehr lösbare Aufgaben stellt: erst wenn diese Gesellschaft bereit ist, ihre (nicht immer justifiziable, in jedem Falle aber moralische) Mitschuld an der Gewalt, die sie dann so rigoros zu bekämpfen sich gezwungen fühlt, anzuerkennen, werden die ersten Schritte zum Rechtsfrieden auch in den Dauerkonflikten getan werden können;

    * Verräterisch das „bis ihm staatlicherseits nachgewiesen wird“:

    . Schuldig macht nicht die Tat, sondern erst der „staatliche Nachweis“; banal gesprochen: das Erwischtwerden (übrigens ein bei Demonstrationen heute auf beiden Seiten, bei der Polizei wie bei den Demonstranten, angewandtes Prinzip, das dann allerdings in der Öffentlichkeit nur auf eine Diskriminierung der letzteren hinausläuft);

    . wer Unrecht erlitten hat, es aber nicht nachweisen kann (wer m.a.W. nicht justifiziables Unrecht erlitten hat), muß halt damit fertig werden, daß nicht nachgewiesenes Unrecht rechtlich keines ist, der eigenen Erfahrung somit keine öffentlich verwertbaren Tatsachen entsprechen, sie also irreal sind (rechtliche wie wissenschaftliche Tatsachen sind an die Bedingung der Nachweisbarkeit gebunden; andernfalls können sie nicht als Tatsachen gelten); er läuft in die double-bind-Falle.

    . so halten Juristen sich für den Staat (diese Identifikation war der Preis für die Entlastung von dem Gewissensdruck, urteilen zu müssen: für das – dann allerdings pathologische – gute Gewissen), und jede Kritik ist „possenhaft, giftig und abwegig“, eigentlich ein staatsfeindlicher Akt.

    . Justiz als Träger/Inhaber des staatlichen Gewaltmonopols? Hier verwechselt er offensichtlich Rechtsfindung und Exekution des Urteils; nur auf dieses darf sich das staatliche Gewaltmonopol beziehen, während die Rechtsfindung (u.a. die Schuldfeststellung) Sache unabhängiger Gerichte ist, und nicht Sache des Staates. Auch bei der Rechtsfindung ist der Staat (in Gestalt des „Staatsanwalts“, der übrigens in zivilisierteren Staaten öffentlicher Ankläger heißt) nur Partei und nicht feststellende Instanz. Daß es heute – insbesondere im sogenannten Staatsschutzbereich – Fälle gibt, in denen Verdacht besteht, daß politischer Druck und vorauseilender Gehorsam (in Verbindung mit einem weder rechtlich noch moralisch begründbaren Staatsbegriff) die Urteilsfindung mit bestimmen, greift die Idee des Rechtsstaats in der Wurzel an. Manches wäre nicht mehr möglich, wenn die moralische und rechtliche Selbstreinigung der Justiz nach dem Kriege gelungen wäre.

    + Eines der wichtigsten Ämter bei den staatlichen Ermittlungs-und Verfolgungsbehörden ist heute der Pressesprecher;

    + Daß der Ankläger hierzulande „Anwalt des Staates“ ist, ist Teil einer blasphemischen Staatsmystik: Symptom der Staatsvergötzung, die zu den Quellen des deutschen Sündenfalls in diesem Jahrhundert gehörten.

    + Isolationshaft, Einschränkung der Verteidigerrechte, Ausschaltung der Öffentlichkeit

    + Hier verbinden sich sexistische Vorurteile mit einem Rechtsdenken, das in der letzten Konsequenz Unschuldsvermutung und Vorverurteilung fein säuberlich nach Macht-, Geschlechts- oder Gesinnungsgrenzen (und vielleicht auch mal wieder nach Konfessions- oder Rassengrenzen) verteilt.

    + Der Identitätszwang, die fehlende Kraft zur Distanz zur eigenen Tätigkeit, der heute die berufliche Existenz immer mehr durchdringt und beherrscht (und die geistige Existenz, die nur in Distanz zur beruflichen zu begründen ist, nicht mehr kennt, nur noch Freizeit, Hobby und Unterhaltung), zerstört die menschliche Würde in der Wurzel, er ist barbarisch und fürdert die Barbarei in gleichem Maße wie er eingreifende Besinnung verhindert.

    + Das Maß, mit dem Gerechtigkeit in einem Gemeinwesen allein sich messen läßt, ist sein Umgang mit den Armen und mit den Fremden (das müßte jedenfalls ein Christ von den Propheten gelernt haben).

    – Bezeichnend auch die Argumentationsfigur: Der Hinweis auf andere, die auch Dreck am Stecken haben, soll von den eigenen Schuldgefühlen befreien; noch so festgestellter Unschuld kann er die Schuld auf die Ankläger verschieben (nachdem er seine Kritiker als possenhaft, giftig und abwegig abqualifiziert hat, kann er selbst ungestört possenhaft, giftig und abwegig werden).

    – Das IN DUBIO PRO REO als Scheunentor oder Waschanlage.

    – bleibt im Bann des pathologisch guten Gewissens, das – nach der mißlungenen Aufarbeitung der eigenen Geschichte und unter dem Wiederholungszwang der zweiten Schuld – zur chronischen Berufskrankheit im deutschen Rechtswesen zu werden droht.

    – Beispiel dafür, wie blinde Wut verfolgende Unschuld produziert.

    – „Selbst von Rechtslaien darf erwartet werden, …“: Unerträglich der justizübliche belehrende Ton (Korrelat der eigenen Kritik-Empfindlichkeit und Zeichen der immer wieder wahrzunehmenden fehlenden Souveränität)

    – J.S. scheint jede Urteilskritik als Angriff zu empfinden -offensichtlich an der schwächsten Stelle getroffen reagiert er mit wütenden Projektionen;

    – Man muß nur seinen Gegner in die Ecke treiben; dann wird er schon so reagieren, daß man ihn als Schuldigen präsentieren und sich selbst mittels der dann üblichen Empörung freisprechen kann; ein alter Herrentrick.

    – Ich hoffe nur, daß J.Sch. kein Richter ist.

    Wie es scheint, ist die Kritik überfällig, jedenfalls sollte sie erfolgen, bevor der Bekenntnisstrick uns die Luft endgültig abschnürt. Bei uns ist immer noch (frei nach Carl Schmitt) nur der Staat souverän, nicht der Richter.

  • 15.08.90

    Ganzseitige Anzeige von Klaus Vack in der FR zu Michael D. Döllmann: So gnadenlos kann nur eine Justiz sein, die die ganze Kraft ihres Erbarmens in der Begründung und Erhaltung ihres eigenen pathologisch guten Gewissens (Selbstbegnadigung) verbraucht hat. So gerät sie in den Bann des Wiederholungszwangs (der politischen Justiz); sie wird unfrei und verliert den letzten Rest von Souveränität.

    Dazu:

    – Kann der Beleidigte (das Amtsgericht in Simmern) selbst das Strafmaß für eine „Beleidigung“ festsetzen? Angriff auf die Idee des Rechtsstaats durch Legalisierung der Rache.

    – Zusammenhang dieser gnadenlosen Rechtspraxis mit dem Antisemitismus.

    – „Im Namen des Volkes“ – kann ich aus theologischen Gründen nicht akzeptieren, möchte in diese moralische Kollektivschuld nicht hereingezogen werden.

  • 27.06.90

    Die Theologie ist der Einspruch gegen die Zwänge, als welche die gesellschaftlichen Strukturen des Realitätsprinzips heute erfahren werden; sie wird blasphemisch, wenn sie mit schwindender Kraft der Reflexion selber diesen Zwängen unterliegt (ihnen einen religiösen Anstrich verleiht: zweite Religiosität; Anbetung der „theologischen Mucken“ der Warenform).

    FR: „Vatikan droht kritischen Theologen“ – Hier fordert die Kirche, die selbst kein Mitleid kennt, in paranoider Verkehrung der Verhältnisse Mitleid mit sich selbst, mit den „Hirten der Kirche“, wenn sie von den Theologen fordert, daß sie bei Konflikten mit der Kirche keinen „Druck auf die öffentliche Meinung ausüben“ sollen. Übernahme des „Nestbeschmutzer“-Syndroms? (Ähnlich schon im Hirtenwort der deutschen Bischöfe zum 50. Jahrestag der „Reichskristallnacht“). – „Triebkräfte der Untreue gegen den Heiligen Geist“? Es gibt die Sünde wider den Heiligen Geist, aber keine Untreue gegen den Heiligen Geist (die Nibelungentreue sollte man dem nationalen Wahn überlassen); und bei den „Triebkräften“ kann es sich nur um die allzu bekannten subversiven Kräfte handeln (projektive Nebeneffekte der krichlichen Sexualmoral).

    D.’s Interpretation des „Richtet nicht, damit ihr nicht von Gott (E.D.) gerichtet werdet“ entstellt den Sinn des Gebotes.

    Mit der Kritik der politischen Theologie und der Rechtfertigung des Bürgers blendet D. das Herrendenken und seine Folgen für den Prozeß der Verweltlichung aus. Wer die Kritik der Welt aus der Theologie eliminiert, kastriert die Theologie. Da trifft sich D. mit Habermas, mit dessen Kritik an der Frankfurter Schule: an den Weltbegriff wird nicht mehr gerührt. D.’s Diffamierung des „Retter-Syndroms“, eigentlich der Erlösung, ist der genaue Ausdruck davon. Hier adaptiert er, was er zugleich kritisiert (und das macht den D. so anstrengend): die Kirche als Gnaden-Verwaltungsanstalt. Zusammenhang mit der von D. sowohl kritisierten als auch dann doch akzeptierten Opfertheologie.

    Ist nicht D.’s Verständnis der j Urgeschichte neokolonialistisch (Vergangenheit als Rohstofflieferant). So wird die j Urgeschichte wieder einmal von oben her erledigt, anstatt sich wirklich darauf einzulassen.

    Die Schöpfungsgeschichte wörtlich nehmen: das ist auch einer anderen Interpretation fähig als einer fundamentalistischen.

    Religion ist heute entweder Blasphemie oder eine offene Wunde, deren Sinnesorgan z.B Adorno, Jean Amery, Primo Levi oder Nelly Sachs heißt. Es ließe sich leicht ein Kanon verbindlicher Schriften zusammenstellen, deren Kenntnis bei einer Neubegründung der Theologie vorauszusetzen wäre: Drewermann scheint keine dieser Schriften zu kennen. Zu beachten ist freilich, daß diese Literatur Literatur von realen oder potentiellen Opfern ist und von den (realen und potentiellen) Tätern nicht unverwandelt rezipiert werden kann. Dazwischen steht die Vernichtungswut, die Opfer und Täter trennt. Unsere Kraft reicht nur soweit, wie wir bereit sind, uns durch diese Literatur aufstören zu lassen.

    Das angstfreie Leben, das D. wohl als Utopie, als Bild eines Lebens, das mit sich versöhnt ist, vorschwebt, ist in der D’schen Version nur auf der Grundlage neuer Verdrängungen und Rationalisierungen möglich, das aber heißt: nur als Quellgrund neuer Angstregionen. Angst ist ein Indikator für Unaufgearbeitetes: freilich für ein nicht nur im Subjekt, sondern zugleich draußen, in der Objektivität Unaufgearbeitetes.

    Zu Kant: Die Moral ist der Schopf, an dem sich die Philosophie aus dem zuvor selbst produzierten Sumpf ziehen muß.

    Das Prophetenwort „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ rückt den Kreuzestod Christi überhaupt erst in die richtige Perspektive. Es ist die schärfste Kritik an seiner Instrumentalisierung zur Opfertheologie. Die Vorstellung, daß die KZ-Schergen nach getaner Arbeit auch 1944 noch zu Hause mit Frau und Kindern unterm Weihnachtsbaum Weihnacht gefeiert haben, sollte eine Schutzimpfung gegen den sentimentalen Sog des Weihnachtsfestes sein, der ohnehin nur dem Weihnachtsgeschäft zugute kommt, in dem sich Auschwitz fortsetzt.

    Die Opfertheologie verhält sich zur Befreiungstheologie wie die Familie zur Ehe (oder wie die Eucharistie zum Kannibalismus?). Die Ehe ist ein Sakrament, nicht die Familie; die ist eines der Zentren des bürgerlichen Schuldzusammenhangs, ein Mythos-Generator.

    Gibt es für die Idee der seligen Anschauung Gottes eine biblische Grundlage, oder handelt es sich hier um ein philosophisches (aristotelisches) Erbe? Zusammenhang mit dem aristotelischen Theorie-Begriff, abgegolten und erledigt durch die kantische Philosophie (Zusammenhang der Formen der Anschauung mit der transzendentalen Logik).

    Der Rosenzweigsche Weltbegriff scheint mir den Punkt zu bezeichnen, von dem aus der „Stern“ aufzuarbeiten wäre. Das „All“, gegen das er seine Philosophie setzt, ist ja der Gegenstand des Weltbegriffs, gegen den seine Philosophie andenkt. Der Weltbegriff ist selber an die Geschichte der Auseinandersetzung mit der Natur gebunden, ein Nebenprodukt des Objektivationsprozesses, der Vergegenständlichung der Natur, hinter deren Rücken gleichsam der Weltbegriff sich konstituiert. Herrschaft verstrickt sich in Welt.

    Wenn das Verhältnis des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zur Planckschen Strahlungsformel begriffen ist (Ursprung und Bedeutung des Korpuskel-Welle-Dualismus), ist der Einstieg in eine neue Naturphilosophie geschafft (Zusammenhang mit dem -vierdimensionalen – Raumzeitkontinuum, mit der Minkowskischen Raumzeit: Stellenwert des die Lichtgeschwindigkeit repräsentierenden imaginären Raumteils: Grund für die Begrenzung auf den mikrophysikalischen Bereich?).

    Dem Naturschönen wohnt ein utopisches Element inne, während die weltliche Schönheit nur regressive Züge trägt (Zusammenhang von Natur- und Weltbegriff).

    Der eigentliche Gegenstand des Inzest-Verbots ist der Ursprungs-Mythos, in letzter Instanz die Fundamentalontologie. Parvus error in principio magnus est in fine. Aktualität von Kafkas Parabel vom Schauspieldirektor, der zur Vorbereitung einer neuen Inszenierung die Windeln des künftigen Hauptdarsteller wechselt.

    Zusammenhang von Öffentlichkeit und Krieg (unter Einbeziehung der Lehre vom Heiligen Geist).

    Das Gefühl ist das Gegenteil von Glück; das Glück ist kein Gefühl.

    D. überantwortet die Theologie einem Abfall-Vernichter.

    „Zeit ist’s zu handeln für den Herrn“.

    Gilt das Kreuzeswort Jesu „Vater, vergib ihnen, …“ auch für die Kirche, die sich mit der Opfertheologie auf die Seite der Täter gestellt hat?

    F.R. hat nach W.B. die Tradition auf dem eigenen Rücken weiterbefördert statt sie seßhaft zu verwalten, D. wirft die Tradition wie einen Ballast ab, um die Verwaltungspraxis zu erleichtern. Dabei ist er sich nicht zu schade für die denunziatorische Nutzung einer instrumentalisierten Psa. z.B. im Falle des Franz von Assissi.

    Wenn Jesus die Schuld der Welt auf sich genommen hat, dann war das kein stellvertretendes Opfer, sondern ein durchaus realer Versuch, verdrängungslos zu leben.

  • 21.05.90

    Zu Hitler als Generalprobe des Antichrist vgl. Karl Thieme: „Biblische Religion Heute“; sh. ebd. und in „Kirche und Synagoge“ die Hinweise zu Amalek.

    Hirtenbrief der Bischofskonferenzen zum Verhältnis von Christen und Juden (20.10.88):

    – apologetisch

    – Unterscheidung von kirchlichem Antijudaismus und modernem Antisemitismus (Verdrängung der Ursprungsgeschichte; Rassismus nicht einziger Grund des Antisemitismus)

    – Schuld und Projektion (Hinweis auf Abtreibungsproblem: ohne Empathie; bloße Empörung/Verurteilung = Schuldlosigkeit des Urteilenden; schuldig ist der andere; Vorteil der privaten, individuellen Schuldzuweisung, während Antisemitismus und Judenmord kollektive und öffentliche Ursachen hat)

    – Verschweigen der durch die politische Ökonomie verursachten Hunger-Massentode in der Dritten Welt (hier müßten andere angeprangert werden, Mächtige)

    – Abwehr der Instrumentalisierung des Schuldvorwurfs, aber nur, soweit er sich gegen die Kirche richten könnte! – Ist der mit der Abtreibungsfrage verbundene Schuldvorwurf nicht auch instrumental?

    – Unfähigkeit, das, was eigene Gedankenlosigkeit und eigenes Vorurteil anrichten, überhaupt noch wahrzunehmen; Unfähigkeit zu begreifen, welches Gesicht die Kirche selber zeigt; Pflege des pathologisch guten Gewissens

    – Faschismus eine christliche Häresie?

    – Frauenfeindschaft = Ursprung und Paradigma der Sünde wider den Heiligen Geist?

    – Unfähigkeit zur Umkehr; zu parakletischem, verteidigendem Denken

    – Entkonfessionalisierung des Christentums = Abkehr vom Herrendenken = einzige Möglichkeit der Ökumene und der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit

    – Völlig unterschlagen wird das Versöhnungskonzept, das die Schrift selbst vorgibt (Unversöhntes: Knast, Isolationshaft, des Elend in der Dritten Welt, Nichtseßhafte, Sexismus, „no pity for the poor“, Herrschaft und Gericht/Problem des Rechtsstaats, Verwechslung von Recht und Moral, Recht und Gerechtigkeit); Versöhnung = Voraussetzung des Opfers (nicht Folge!)

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie