Das Werk von Charlotte Klein wäre noch wirksamer, wenn es das mit Händen zu greifende projektive Moment im kirchlichen Antijudaismus mit herausgearbeitet hätte. Aber das wäre nur möglich gewesen, wenn der Antijudaismus nicht nur als subjektive Gesinnung, sondern als ein objektiv in Geschichte und Selbstverständnis der Kirche verankertes Strukturelement begriffen worden wäre: Der Antijudaismus wirft den Juden genau das vor, was man selber tut, aber, da mit dem eigenen Selbstbild nicht vereinbar, vor sich selber verbergen, verdrängen muß (die Kirche war die erste jüdische Häresie, die diesen Makel dann in der Geschichte der Häresien, die ihre eigene war, unter einem selbstverschuldeten Wiederholungszwang abarbeiten mußte); für die Verdrängungsarbeit benötigte sie die Juden, die Ketzer und die Frauen als Projektionsfolie.
Siegel und Etikett (Name und Markenzeichen): Wenn ich auch einen Baum mit lauter Feigenblättern behänge, so wird doch kein Feigenbaum daraus.
Die Sexualmoral ist zur Sexualmoral erst geworden, als sie um ihre politische, herrschaftskritische Dimension verkürzt wurde. Das war nur möglich durch die Rezeption des Weltbegriffs, aber dann auch zwangsläufig (Beschneidung des Erkenntnisbegriffs durch Einbau redundanter Projektionsmechanismen).
Der Begriff macht das wiederkehrende Tun eines Subjekts zu einer dauernden Eigenschaft eines Objekts. Diese Differenz begründet den Unterschied zwischen Natur- und Weltbegriff (Natur bezeichnet das empirische, Welt das logische Apriori des Objektbegriffs). Aber diese beiden Momente: Tun und Eigenschaft, stehen gleichsam orthogonal zueinander (die Griechen haben den Winkel entdeckt); und erst vor dem Hintergrund eines vollständig orthogonalen Systems (der apriorischen Raumvorstellung) werden Natur und Logik zu in sich geschlossenen Systemen (Zusammenhang mit dem biblischen Kelchsymbol und der Trunkenheit, die auf den Grund der Trennung von Natur und Welt verweist: nur die nach allen Seiten offene Natur garantiert die Geschlossenheit der Welt, begründet den objektiven Schein ihrer Beherrschbarkeit; erst im Horizont einer unendlichen Zeit kann ich alle Vorgänge in ihr als abgeschlossen, als einmal der Vergangenheit angehörig ansehen: indem ich jeden Gedanken an eine Auferstehung ausschließe).
Der Gewaltakt, mit dem die Vorsokratiker die Philosophie begründet haben, war der der Trennung von Natur und Welt, sprachlogisch begründet im Futur II.
Mit der Definition der Wahrheit als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand wurde die Idee der Wahrheit gesprengt.
Käme es nicht darauf an, den Staat und die raf aus dem Clinch zu lösen?
Hat nicht die Linke recht: das, was ist, ist die Katastrophe; aber hat nicht auch die Rechte recht: dazu gibt es keine Alternative?
Die subjektiven Formen der Anschauung, die auch systemlogisch zusammengehören, sind das Grundinstrument der Vergesellschaftung des Bewußtseins, seiner Beherrschbarkeit und seiner Selbstausblendung zugleich. Durch die intentio recta schließt sich das Denken, ohne es zu merken, selbst von der Wahrheit aus.
Sind nicht die Wasser das Realsymbol der Einheit von Mythos und Aufklärung?
Die Trennung der primären und sekundären Sinnesqualitäten, die den Anfang der erkenntniskritischen Reflexion der modernen Naturwissenschaften bezeichnen, steht unter dem Bann des Gesetzes der Intentionalität und entstellt den zugrundeliegenden Sachverhalt insoweit, als sie seine wichtigsten Folgen zugleich ausblendet und unkenntlich macht. So verschwindet vor allem die Erinnerung an die alten Elemente völlig. Die Elemente, und hier vor allem das Wasser (das Flüssige) und das Feuer (das brennt und erleuchtet), lassen sich (wie insbesondere auch das Licht) nicht auf punktuelle Empfindungen reduzieren, sondern sind bestimmbar nur als innigste Vereinigung sinnlicher und sprachlicher Elemente: man darf vermuten, daß sie an das Zentrum der benennenden Kraft der Sprache rühren; mit ihnen wird Sensibilität (die etwas anderes ist als Empfindlichkeit, und ohne Sprache, ohne Mimesis, ohne objektive Phantasie nicht zu denken ist) an der Wurzel abgeschnitten. Gewinnt nicht das Desiderat einer Theorie des Feuers eine immer brennendere Aktualität? Dazu gehört:
– Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen, und ich wollte, es brennte schon; aber auch
– die Stelle aus dem Petrusbrief, wonach diese Welt in Feuer vergehen wird.
Das Feuer, der Name und das Angesicht: die drei Zentren einer Logik der Umkehr.
Ist nicht
– der Raum der Ursprung des Begriffs und die Leugnung des Namens,
– das Geld der Ursprung des Wassers und die Leugnung des Feuers und
– das Bekenntnis der Ursprung der Sexualmoral und die Leugnung des Angesichts;
wie stehen diese drei Zusammenhänge
– zur Trinitätslehre und
– zu den drei evangelischen Räten?
Haben wir nicht das Feuer vom Himmel geholt, und brennt es nicht schon? Aber das Wasser ist geblieben, das Flüssige im Oberen, in dem sich nichts mehr dingfest machen läßt (sind Feuer und Wasser die zwei Seiten des Himmels: das Feuer sein Angesicht, das Wasser seine Rückseite, und hat in der Sintflut die Rückseite des Himmels die Erde überflutet?).
Gilt das Wort: Laßt die Toten ihre Toten begraben, für die Physik, die Ökonomie und das Bekenntnis?
Die Würde und das Sein: Problem der Hilfszeitworte (gründet nicht auch der Wertbegriff in einem Hilfszeitwort?). – Treten nicht im Lateinischen erstmals Hilfszeitworte auf (bei den Perfektbildungen: im Prozeß der Vergegenständlichung des Vergangenen), und welche Bedeutung hat das für die sprachlogische Struktur dieser Sprache?
Hegels Satz, er sei von Gott dazu verdammt, ein Philosoph zu sein, wäre, um der Wahrheit willen, ein wenig zu korrigieren: nicht von Gott, sondern vom Absoluten war er verdammt.
Ist nicht das Scheiden eine Tätigkeit des Richtens? So schied Gott das Licht von der Finsternis, und so schuf Gott eine Feste, die die oberen von den unteren Wassern schied (an die er demnach erstmals das Richten delegierte), und er nannte diese Feste Himmel. Und schließlich schied er das Wasser unter dem Himmel vom Trockenen (er ließ es sich an einem Orte sammeln, damit das Trockene sichtbar wurde).
Der Weltbegriff macht das, was eine Sache für andere ist, zu ihrem Wesen.
Was bedeutet das Wort
– „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ (Mt 822)? So beantwortet Jesus die Bitte eines Jüngers, der, bevor er ihm folgen will, heimgehen und seinen Vater begraben möchte;
– zuvor beantwortete er die Bitte eines Schriftgelehrten, der ihm nachfolgen will, mit dem Hinweis: „Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (819f);
– bei Lukas kommt noch ein dritter, der vorher von seiner Familie Abschied nehmen möchte; ihm antwortete er: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes“ (Lk 957ff).
Antijudaismus
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08.08.93
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07.08.93
Im Selbstmitleid ergreift die Sintflut ihren Verursacher. Sind nicht die fremdenfeindlichen Überflutungsängste projektive Abarbeitungen des Selbstmitleids?
Heute wäre ein Gottesbeweis nur noch über die Logik des Namens zu führen.
Wir exportieren die Armut in die „Dritte Welt“ und brauchen die Rüstung, um unsere Beute zu sichern. Ein projektiv verarbeitetes Christentum hilft hier, schon die Wahrnehmung der Tatsachen auszublenden (was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß). Das Problem liegt nicht mehr in der Frage nach der richtigen Gesinnung, oder ob man auf der richtigen Seite steht, sondern in der Frage nach dem Zustand der Welt.
Ich weiß nicht, welche Wirkungen eine Theologie hinter dem Rücken Gottes auf Gott hat, aber ich weiß, was sie bei denen anrichtet, die sie betreiben.
Was drückt sich eigentlich in der Konsonanten-Kombination -pfl-aus: Pflicht, Pflanze, pflücken, Pflaume, Pflaster, Pflock?
Die erkenntniskritische Reflexion der modernen naturwissenschaftlichen Aufklärung hat mit der Unterscheidung der primären und sekundären Sinnesqualitäten begonnen. Aber die Einschränkung der primären Sinnesqualitäten auf „Empfindungen“ hat das Problem verkürzt, indem sie es subjektivierte. Mit getroffen wurde der gesamte sprachliche Bereich des Namens, zuletzt erkennbar an der „vorwissenschaftlichen“ Elementenlehre. Wasser, Feuer, Luft und Erde, auch Licht und Finsternis (aus deren benennender Kraft die „Aufklärung“ ihren Namen herleitet), und die mit diesen Namen verbundenen sinnlich-sprachlichen Konnotationen sind seitdem gegenstandslos geworden. Gründete nicht die Entsinnlichung der Welt in dem theologischen Konzept der Entsühnung der Welt und der damit verknüpften Sexualmoral? Stand nicht diese Aufklärung insgesamt in der christlichen Tradition der Desensibilisierung?
Ist nicht Sinnlichkeit, soweit sie als Sensibilität sich begreift, eine sprachliche Bestimmung (das Medium des verlorenen Namens)? Theologie im Angesicht Gottes ist eine sensibilierte Theologie (die Rekonstruktion des Bekenntnisses des Namens), Theologie hinter seinem Rücken hingegen ein Instrument der Desensibilierung und der Zerstörung des Namens.
Müßten nicht in einer Theologie, die dann sich selbst durchsichtig wird, Marx, Freud und Einstein, sowie Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Georg Lukacs, Ernst Bloch, Walter Benjamin, Max Horkheimer und Theopdor W. Adorno ihre Stelle finden?
Findet nicht die mittelalterliche Eucharistie-Frömmigkeit ihre projektive Entsprechung in den antijüdischen Hostienfrevel- und Ritualmord-Legenden?
Kirche, Heiden und Ketzer: Überzeugen ist unfruchtbar (Walter Benjamin), die Widerlegung stabilisiert und verinnerlicht das Widerlegte. Was bedeutet es und welche Folgen ergeben sich aus der These, wonach die Kirche mit der Reformation ihre häresienbildende Kraft verloren hat und es seitdem nur noch Sekten gibt?
Steckt nicht in der Vorstellung, daß Basisgemeinden in der Metropole eigentlich Penner-, Knast- und Hurengemeinden sein müßten, ein trinitarisches Moment?
– Wer heute aus einem Ur in Chaldäa emigriert, hat keine Chance mehr, ein gelobtes Land zu finden;
– wer heute in die Fänge des Rechtsstaats gerät, hat keine Chance, vergöttlicht zu werden;
– und wer der lebenslänglichen Unterwerfung der Ehe unters Tauschprinzip sich entzieht, verfällt ihm als Hure.
Zusammenhang von Urschisma und Gnosis: Ist nicht das NT das erste Dokument der nach dem Urschisma (und in Reaktion darauf) sich herausbildenden Orthodoxie; aber ist es nicht zugleich auch ein Dokument, das in sich, und zwar in seinem Kernbestand, selbst die Warnungen gegen die Orthodoxisierung des Christentum enthält:
– Joh 129 und die Abschiedsreden („wenn die Welt euch haßt …“),
– „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“,
– die Feindesliebe,
– „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“,
– Maria von Magdala und die sieben unreinen Geister,
– die drei Leugnungen Petri,
– das Wort vom Binden und Lösen,
– die Auferstehungs- und Auferweckungsgeschichten,
– die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen,
– das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden,
– Getsemane und der Kelch,
– die drei evangelischen Räte (Marx, Freud und Einstein),
– die Apokalypse, die Lösung der sieben Siegel (und die Reihe von Cohen bis Adorno) und die Offenbarung des Namens (der „Weltuntergang“).
(Wäre eine Zuordnung der 10 Namen von Marx bis Einstein und Cohen bis Adorno zu den 10 Sefirot denkbar?)
Hat nicht die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Psalmen als privates Gebetbuch zu lesen (und mißzuverstehen)? Und hat nicht durch die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft (und den Ursprung und die Geschichte des Weltbegriffs hindurch) die Offenbarungsgeschichte insgesamt sich so verändert, daß die Beziehung des Alten und Neuen Testamentes nur vor diesem Hintergrund durchsichtig wird (im Kontext des Symbols der „Dornen und Disteln“, vom Sündenfall, über die die Jotamfabel und die Institution des Königtums, über David und die messianische Geschichte: die Geschichte der Verinnerlichung der Dornen und Disteln).
Der Rechtsstaat ist nicht nur kein Mittel gegen den Faschismus, er ist eine Verkörperung des unreinen Geistes, der ihn erzeugt.
Alles ist Wasser (Thales): Der Mythos in all seinen Gestalten war das Medium der Reflexion des Ursprungs des Staates vor seiner Konsolidierung. Der Weltbegriff, der die Konsolidierung des Staates besiegelte, hat den Mythos überflüssig gemacht, seine Quellen trockengelegt. Aber ist nicht die Sintflut ein Realsymbol für den Untergang der mythischen Welt, für seine Überflutung mit den Wassern des Begriffs (und die Arche ein Symbol der Erinnerung)? Und gehört zu dieser Geschichte nicht auch die vom Weinanbau, von der Trunkenheit und der aufgedeckten Blöße? -
06.08.93
Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist der Grund der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit und die absolute Verhinderung der Umkehr. Das Tote ist das Produkt der Verweigerung der Umkehr.
Ist nicht die Philosophie eine Seitenansicht des Mythos, in der die Formelemente erhalten bleiben, aber die Inhalte sich gleichsam in Luft auflösen. Ein zweiter Schritt des Herrendenkens; den dritten hat dann das Christentum getan (mit der dogmenbegründenden Ausbeutung der Ambivalenz des Oben/Unten-Paradigmas).
Was bedeutet eigentlich der Satz: Musik erfüllt den Raum? Edgar Morin hat einmal darauf hingewiesen, daß im Kino Musik die Funktion erfüllt, den flachen Bildern des Films Tiefe und Plastizität zu verleihen. Ist die Musik nicht (im Rosenzweigschen Sinne) eine Weissagung der Einheit von Licht und Sprache? Und ist es nicht auch von daher begründet und sinnvoll, in der Philosophie der Neuen Musik den Teil über Schönberg auch auf Einstein zu beziehen?
Zu den Konnotationen des Wassers: Schicksal, Sintflut, Rotes Meer, Taufe, der Geist Gottes über den Wassern und die Trennung der unteren von den oberen Wassern. Sind die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn am Ende wiederkehren wird, Projektionen der unteren Wasser in die obere Welt (Produkt der Subsumtion der oberen Wasser unter die Vergangenheit, die Entstellung und Vertreibung des Segens)?
Wir sind die Sintflut, die über die Welt gekommen ist.
Zum Wunder von Kana: Waren es nicht Reinigungskrüge, und war es nicht im Kontext einer Hochzeit, und fällt hier nicht das Wort: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Seine Jünger waren mit dabei, jedoch merkwürdig stumm. Man hat das Gefühl, sie sitzen nur dabei, sperren Nase, Mund und Ohren auf, und verstehen nicht, was hier vorgeht.
Ist nicht die Geschichte von David, dem Hetiter Urijas und seiner Frau Batseba (der Mutter des Salomo) typologisch (der messianische David, Batseba, die Frau des „indogermanisch“-hetitischen Urijas, und Salomo, der Sohn der Batseba)?
Zur Geschichte von den drei Leugnungen: Ist nicht
– die Magd des Hohepriesters die Theologie, und sind nicht
– die Umstehenden die Welt?
Und lassen sich nicht die drei Leugnungen ohne Mühe auf die Anfragen
– der Juden (und den kirchlichen Antijudaismus und die Kirchenväter),
– des Islam (und die Scholastik) und
– der modernen Aufklärung (und die Unfähigkeit der Kirche, darauf noch rational und – aufgrund der Selbstreferenz, der Rückbeziehung auf die erste Leugnung – unterm selbstverschuldeten Rechtfertigungszwang ohne Selbstverfluchung zu reagieren), sich beziehen?
Die Welt ist nicht nur, wie bei Heidegger, das Vorhandene und das Zuhandene; die Einschränkung des Weltbegriffs auf diese beiden Attribute schließt das Moment der Selbstverfluchung mit ein (das Vorlaufen in den Tod, die Entschlossenheit).
Der Heideggersche Begriff der Frage, die heroische Leugnung der Beantwortbarkeit der „eigentlichen“ Fragen, ist die letzte Konsequenz des Nominalismus: die Leugnung des Namens, die letzte Leugnung der Erwartung, daß das Wort sich erfüllt (Heidegger: das letzte Objekt der Sintflut – vgl. das In-der-Welt-Sein, die Entschlossenheit, das Vorlaufen in den Tod, die selbstverschuldete Verstrickung in den alternativlosen Gegensatz des Vorhandenen und Zuhandenen, Folge der Verführung durch die indikativische Logik der Fundamentalontologie, oder: die Selbstneutralisierung durch Eigentlichkeit). Die Fundamentalontologie identifiziert den Infinitiv Sein (aufgewertet zum Seyn) mit dem Possessivpronomen der dritten Person sing. masculinum und neutrum (und findet sein biblisches Gegenstück im Staubfressen der Schlange).
Der Existentialismus, und zwar schon der Kierkegaardsche, dispensiert von der Logik; daher kommt es, daß es zur Struktur des Sterns des Erlösung bis heute, abgesehen von den Ansätzen bei Stephane Moses, keine wirklich zureichenden Analysen gibt. Erst eine produktive und konstruktive Analyse des Sterns, dieses kunstvoll verschlungenen Systems, befreit die Rosenzweig-Rezeption vom Stammeln.
Vater und Mutter ehren heißt auch, ihre Dummheiten begreifen.
Heißt parakletisches Denken nicht, in der von den Vergangenheiten beherrschten Welt die Gegenwart wieder zu entdecken?
Die Instrumentalisierung des Marxismus in diesem Jahrhundert und der Theologie vor 1600 Jahren zum Herrschaftswissen waren nur möglich, solange sie das herrschaftskritische Moment, das beide enthielten, projektiv nach außen wenden konnten, anstatt es reflexiv in den Erkenntnisbegriff mit hereinzunehmen (wie Benjamin, Horkheimer und Adorno es im Anschluß an Georg Lukacs getan haben). Aber ist das heute nicht erst dann möglich, wenn das projektive Moment in den Fundamenten unserer Zivilisation, in dem ihre zugrundeliegenden Erkenntnisbegriffs selber (auch in der Kerndisziplin der Aufklärung: den Naturwissenschaften), begriffen wird?
Ist nicht der Hegelsche Begriff der Aufhebung eine subtile Entstellung des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt, und so, zusammen mit der List der Vernunft (die eine Selbstüberlistung ist: sie leugnet den Tod und ersetzt die Hoffnung auf Auferstehung durch die leere Unsterblichkeitslehre), der reallogische Grund des Absoluten? – Vgl. hierzu Zenger, S. 135f, das Kehl-Zitat. Ist nicht die Grundlage der Hegelschen Aufhebung (der Konstitution des Hegelschen Begriffs) die Ersetzung des Auf-sich-Nehmens durch das Hinwegnehmen? So hängt die Hegelsche Logik in der Tat mit der christlichen Trinitätslehre zusammen. Franz von Baaders Bemerkung über die Hegelsche Philosophie wäre zu ergänzen: Sie ist nicht nur das Auto da Fe der bisherigen Philosophie, sondern auch das der bisherigen Theologie.
Nur im Kontext der Auferstehungslehre ist der Satz im Stern zu begründen: Der Name ist nicht Schall und Rauch.
Ist nicht Simson, der, nachdem ihm die sieben Locken abgeschnitten waren, im Keller der Philister die Mühle drehen mußte, ein Typos der Theologie? Aber als ihm die Locken wiedergewachsen waren, hat er die Säulen eingedrückt und das Haus der Philister zum Einsturz gebracht. Waren es nicht Philister – wie vorher die Ägypter -, die die Israeliten Hebräer nannten?
Ist die griechische Sprache der Kelch, den seine Jünger trinken mußten?
Entspricht der systembegründenden Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip im Ursprung des Kapitalismus am Ende die aus Gründen der Systemerhaltung notwendige Rückkoppelung von Massen-Produktion und Massen-Konsum durch die Werbung (die Adorno zufolge den Tod verschweigt)? (Gibt es einen systemlogischen Zusammenhang mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, der speziellen Relativitätstheorie und seiner ungeklärten Beziehung zur Quantenphysik?)
Im Sozialismus gab es keine Reklame, nur Propagande und die Hypertrophie der Geheimdienste.
Dienstleistungsgewerbe: Ist nicht auch das Militär ein Dienstleistungsgewerbe, und muß heute nicht (aus Gründen der Systemerhaltung) ein immer größerer Teil der Produktion für den Dienstleistungsbereich verwandt werden (vgl. auch das Anwachsen der Kosten der Dienstleistungen im Bereich der privaten Selbsterhaltung)? Und erniedrigt sich nicht der Staat zum Dienstleistungsunternehmen für die Erhaltung des Apparats, in den sich das ganze Gewicht der vergesellschafteten Selbsterhaltung verlagert?
Getsemane: Steckt nicht in jeder Todesangst etwas davon, daß das Entscheidende, das man hätte tun können, um die Welt aus ihrer Verstrickung zu befreien, nicht getan worden ist? Steckt nicht in der Todesangst die unaufgehellte Beziehung zur Welt?
Zu Mantel und Rock (Mt 540, Lk 629) vgl. im Stern der Erlösung, S. 361ff: Der Mantel ist der Gebetsmantel, und zum vollständigen Sterbekleid (das der Bräutigam unterm Trauhimmel auch als Hochzeitskleid trägt) gehört außer dem Gebetsmantel auch noch der Rock (Chiton und Tunica). Steht dieser Rock in der Tradition des Rocks aus Fellen und der Rock, der keine Naht hatte (über den unterm Kreuz das Los geworfen wurde)?
„Es gibt keine menschenfreundlichere Religion als das Christentum, aber es gibt auch keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen wurden.“ (Horkheimer) Sind das nicht zwei Seiten eines Blattes: wenn ich die eine durchreiße, vernichte ich auch die andere? Das Gleichnis Jesu vom Weizen und Unkraut würde dazu passen. Hat nicht dieses Blatt solange zwei Seiten, wie die Welt besteht? Aber dann müßte zur „Rückseite“ des Blattes als konstitutives Moment jene Subjektivität mit dazugehören, die den Weltbegriff konstituiert (der die Sicht „Hinter dem Rücken“ zum Ganzen macht: der das Angesicht leugnet). – Es gibt keine Theologie im Angesicht Gottes ohne Kritik des Weltbegriffs. Die Rückseite des Blattes besteht solange wie die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird (wie ein hoffnungsloser Begriff von Erfahrung seine Geltung behält). – „Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe.“
Ist nicht die Leugnung des Sohnes die Leugnung der Auferstehung? Und ist nicht die Geschichte der Beziehung der Kirche zu den Häresien ein Indiz und Gradmesser dieser Leugnung? Welche Bedeutung hat das für die beiden anderen Leugnungen (des Vaters: den Antijudaismus, und des Geistes: den Sexismus)? Verweist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist darauf, daß der Beginn der Umkehr hier, bei der dritten Leugnung, die „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird“, liegt? Aber wird die Umkehr nicht gekrönt durch die Rücknahme der Leugnung des Vaters?
Das trinitarische Dogma: Produkt der Selbstreflexion der Subjektivität im Unendlichen (an der Todesgrenze).
Ist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist in der Geschichte des Christentums zu leicht genommen worden; und gehört hierzu nicht auch das Prophetenwort, daß am Ende die Erkenntnis Gottes die Erde bedecken wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken?
Haben die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen (Maria Magdalena) etwas mit der Aufhebung der Reinheitsgebote zu tun? Ist nicht der Weltbegriff dämonisch (Inbegriff der sieben unreinen Geister)?
Symbolisiert die Dornenkrone nicht beides: das Auf-sich-Nehmen der Sünde der Welt und den Haß der Welt (zielt die Aufschlüsselung der Dornen und Disteln durch den Eleasar von Worms nicht schon auf den Weltbegriff)?
Die Welt als Gemeinheitsgenerator und Exkulpierungsmaschine.
Zum Kelch und zur Trunkenheit: Jemandem reinen Wein einschenken.
Physik und Schuld: Nur in der Physik addieren sich die Lasten, während in theologischem Zusammenhang ich mich von den Lasten befreie, die ich auf mich nehme.
– Elementenlehre hebräisch: ät haschamajim we’ät ha’arez und ruach.
– Theologische Elementenlehre: Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße; und der Geist brütend über den Wassern.
Destruktion beider durchs Inertialsystem: Grauen um und um.
Zur Theorie des Namens gehört:
– eine Theorie des Lachens und des Weinens;
– das Lachen und der Schrecken;
– die Logik des Angesichts (das Antlitz des Hundes);
– Prophetie (Erfüllung des Worts) und Apokalypse (Aufdeckung des Namens).
Wird außer Abram, Sarai und Jaakob in der Schrift noch jemand neu benannt? -
04.08.93
Jedes Urteil enthält ein projektives Element und ist in Schuld verstrickt, aber in eine Schuld, in die die Welt selber verstrickt ist: Diese Schuld ist der logische Grund des Weltbegriffs.
Futur und Futur II sind Reflexionsformen von Imperfekt und Perfekt, davon nur durch die Prämisse einer unter die Vergangenheit subsumierten Zukunft unterschieden (Produkt einer innerzeitlichen Verschiebung: Ursprung des Naturbegriffs und seines sprachlichen Pendants, des Neutrums). Das Plusquamperfekt ist eine sprachlogische Konsequenz dieses grammatischen Eingriffs. Die hebräische Sprache kennt keinen Indikativ, diese verhängnisvolle Mischung von Präsens und Imperativ, das sprachliche Äquivalent dessen, was neudeutsch Sachzwang heißt.
Der ungeheure sprachlogische Prozeß, in dem sich Futur und Futur II, Plusquamperfekt und Indikativ gebildet haben, auch das Neutrum (und der Welt- und Naturbegriff), hängt zusammen mit der Ausbildung der mathematischen Raumvorstellung. Dessen Einheitsprinzip ist die Orthogonalität. Aber die Orthogonalität ist zunächst nur ein Strukturelement der Fläche, die selber wiederum dadurch definiert ist, daß sie auf eine und nur eine zu ihr orthogonale Richtung im Raum bezogen ist. Der Raum ist zwangsläufig dreidimensional. Der Preis für die Ausbildung der mathematischen Raumvorstellung ist die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: der oben bezeichnete sprachlogische Prozeß (oder die apriori positiv beantwortete Frage: if the future will be like the past).
Die exkulpatorische Funktion der Ontologie wird erkennbar an dem unter Ontologen so beliebten Begriff des Geschehens, in das sie den Weltprozeß verzaubert. Dem entspricht das Fernsehen, das Politik und Zeitereignisse als Zeitgeschehen dem Konsum präsentiert, aber mit dem systemimmanenten Hinweis: Du bist Zuschauer und hast keine Chance, einzugreifen und die Dinge zu ändern. Mit der Betroffenheit, mit der alle auf die Darbietung des Schlimmsten reagieren (und aus dem die Fernseh-Theologie ihren erbaulichen Honig saugt), wird das moralische Subjekt, das hier ohnehin nicht mehr vorkommt, endgültig ausgelöscht. – Ist die Betroffenheit nicht eine Reflexionskategorie der Kollektivscham?
Mit der Subsumtion unter die Vergangenheit schneiden wir den Dingen (auch dem Kreuzestod Jesu) die Zukunft ab. Was meint das Wort Name im Bekenntnis des Namens?
Ist nicht die Beziehung des Begriffs zum Objekt (im Urteil die Beziehung des Prädikats zum Subjekt und in der Realität die des Schicksals zu seinem Substrat) eine genitivische: eine Eigentums- und Herrschaftsbeziehung (und zwar als wechselseitige oder als Reflexionsbeziehung: Grund der Unterscheidung von genitivus subjektivus und objektivus)? Der Eigentümer ist nicht nur Herr über seinen Besitz, sondern er selber wird durch seinen Besitz beherrscht („besessen“). Hier liegt der Ansatz zur Lösung des Problems des Weltbegriffs.
Zum Antlitz des Hundes: Sind nicht alle Blickbeziehungen Herrschaftsbeziehungen, und ist das nicht der Grund, weshalb Hunde aufs Angeblicktwerden aggressiv reagieren? Der freie Blick ist etwas davon deutlich (nämlich durch die Fähigkeit zur Schuldreflexion) Unterschiedenes; er schließt die Umkehr mit ein, die Fähigkeit zur Reflexion der Intentionalität. Frei ist nur, wer den Rechtfertigungszwängen und der in den modernen Erkenntnisbegriff mit eingebauten Projektionsautomatik entronnen ist: Notwendigkeit einer Logik des Angesichts (das Gesehenwerden durchs Objekt und das Hören aufs Objekt in das Sprechen übers Objekt mit hereinnehmen)!
Die Probleme des dritten Buchs im zweiten Teil des Sterns der Erlösung (die Probleme des Rosenzweigschen Erlösungsbegriffs) hängen zusammen mit den Problemen im zweiten Buch des ersten Teils des Stern (mit den Problemen des Weltbegriffs). Hier wird deutlich, was die jüdische Tradition in der Rosenzweigschen Fassung vom Christentum unterscheidet; aber diese Differenz war zwangsläufig, weil sie im Christentum selber bis heute nicht begriffen ist.
Nicht der Erste Weltkrieg, sondern Getsemane ist das Korrelat des Anfangs des Sterns.
Stern, S. 37: „Die Natur ist stets die eigene Natur der Götter.“ Darin steckt schon der christologische Naturbegriff.
S. 153: Der Begriff einer Schöpfung aus Nichts „enthält die Leugnung des Chaos“; er ist ein Instrument der Leugnung und Verdrängung der Vergangenheit, der Diskriminierung der Erinnerung und der Verhinderung von Herrschaftskritik: Vor dem Ursprung des Weltbegriffs war nichts. Wenn doch etwas war, was nicht mehr zu leugnen ist, muß es dem Weltbegriff angeglichen und subsumiert werden (wie im Inertialsystem die Zukunft unter die Vergangenheit).
Ebd.: Mit der Urteilsform ist die „Vorstellung“ eines Unvorstellbaren: einer unendlichen Vergangenheit, mitgesetzt.
Zur Sünde der Welt: „Die Seele ist ihrer Last ledig im Augenblick, wo sie sie ganz auf die Schultern zu nehmen gewagt hat“ (S. 201).
Ontologie und Umkehr: Das Sein, als allgemeines Possessivverhältnis, ist die Umkehr der Gnade, der Barmherzigkeit; daher seine „verandernde Kraft“ (Instrumentalisierung durch Vergegenständlichung rückt alles, was es ergreift, in ein vergesellschaftetes Possessivverhältnis: Deshalb gibt es ohne Staat keine Welt).
Das Haus hat nicht nur mit Zweckmäßigkeitsgründen zu tun (Schutz vor den Unbilden der Witterung), sondern ebenso mit der Geschichte der Scham (Schutz der Intimsphäre): Hängen das Sklavenhaus Ägypten und der Name Pharao damit zusammen?
Was bedeutet es eigentlich, wenn das Paradigma Innen/Außen nicht mehr zu halten ist: das Innere zu Nichts geworden ist?
Die intersubjektive Welt ist zum gemeinsamen Gefängnis aller geworden: Alle sitzen in Isolationshaft.
Der Korpuskel-Welle-Dualismus resultiert aus der objektiv unvermeidbaren Alternative, die der Lichtgeschwindigkeit zugrundeliegende „Bewegung“ entweder nur auf eine Richtung des Raumes zu beziehen, oder auf die Zeit, und damit auf die Totalität des Raumes.
Das Inertialsystem abstrahiert vom Gesehen-Werden, von der Scham, die sich dann gegenständlich als Materie in den niederschlägt (sic, B.H.) (projektive Erkenntnis und Schuld). Scham ist Selbstbewußtsein des Andersseins, logische Konsequenz des Satzes: Das Eine ist das Andere des Anderen.
Wann wird es gelingen, die Vergangenheit so einzudämmen, daß sie nicht mehr die Zukunft überschwemmt?
Ist nicht im ersten Satz der Genesis (im „elohistischen“ Schöpfungsbericht, Gen 11) auch die Reihenfolge des Geschaffenen (Himmel und Erde) von Bedeutung? Erst am Anfang des zweiten („jahwistischen“) Schöpfungsberichts (24b), der die Paradiesesgeschichte und die Geschichte vom Sündenfall erzählt, wird die Folge umgekehrt („Zur Zeit, als Gott, der Herr, Erde und Himmel machte, …“). Wird der erste Schöpfungsbericht im Imperfekt, der zweite im Perfekt erzählt? Ist die Reihenfolge des Geschaffenen nicht in der Logik der Sprache begründet (in der perfektivischen Gestalt gewinnt die Erde den Vorrang vor dem imperfekten Himmel)? Deshalb endet der zweite Bericht mit dem Sündenfall und der jahwistischen Urgeschichte (bis zur Sintflut und zum Turmbau von Babel), der erste hingegen mit dem „sehr gut“. Enthält nicht die Geschichte von der Bindung Isaaks (mit dem Engel Elohims am Anfang und dem Engel JHWHs am Ende) den Lösungansatz?
Zum ersten Satz der Genesis: den Himmel nutzt Gott als Namen für das Firmament, die Erde zur Herbringung der Kreaturen.
Zum paradiesischen Nahrungsgebot: Nur dem Menschen ist die Frucht verheißen, den Tieren nur das Grün, die Blätter (vgl. das Feigenblatt und die Scham).
(Gibt es im Hebräischen ein Partizip?)
Ist nicht majim, das Wasser, ein Plural (wie schamajim, der Himmel), und ist nicht auch der deutsche Begriff Wasser ein Plural von Was (wie Völker von Volk)? Merkwürdig, daß der Ursprung der Philsophie mit der Neutralisierung des Wassers (Thales: Alles ist Wasser, Heraklit: panta rhei, und: niemand steigt zweimal in den gleichen Fluß) beginnt: der unendlich schwere, am Ende vergebliche Versuch das Flüssige dingfest zu machen (in einer wahrscheinlich entscheidenden Phase mit Hilfe der Theologie: Bedeutung der Trinitätslehre!)?
Ist Theologie heute nicht doch nur noch in einer bekenntnishaften Form möglich, aber einer, die es wirklich ist: auf die Neutralisierung des Bekenntnisses, die Konfessionalisierung der Theologie, endgültig verzichtet? Dieses Bekenntnis wäre eines im Angesicht Gottes, nicht im Angesicht der Welt (dem Scheffel überm Licht). Durch Objektivierung und Theoretisierung wird der Inhalt der Theologie generell verfehlt.
Das zum Bekenntnis neutralisierte Symbolon ist das vergrabene Talent.
(Die Welt ist das Verwesungsprodukt des toten Gottes.)
Steckt nicht in der projektiven Vorstellung vom „jüdischen Rachegott“ (bei Drewermann, Alt, Christa Mulack u.a.) auch die Angst vor einem Gericht, in dem die Opfer der Vergangenheit, die nur still sind, wenn sie endgültig tot sind, die Richter sein werden? Müßten nicht Kirche und Theologie, Gegenwart und Vergangenheit, aber auch Politik und Gesellschaft, völlig anders sich darstellen, wenn es auch nur einen gäbe, der wirklich an die Auferstehung glaubte? Hat das Christentum nicht die Theologie (Trinitätslehre und Christologie) auch dazu mißbraucht, sich die Vergangenheit (ihre jüdischen Wurzeln, aber dann auch ihre fatale eigene Rolle in der Geschichte) vom Leibe zu halten? Mit der Gehorsamsforderung wurden die Ohren verstopft, damit niemand das Blut, das zum Himmel schreit, mehr hören konnte. Ist nicht der „christliche Liebesgott“, der in der Vorstellung gründet, daß Gott seinen eigenen Sohn hingeschlachtet habe, „um uns zu retten“, Produkt und Deckbild einer nun wirklich sadistischen Phantasie? Während wir glauben, den „Rachegott“ nicht mehr zu brauchen, haben wir in Wahrheit genau diesen Aspekt längst neutralisiert und instrumentalisiert, indem wir ihn, wenn wir ihn nicht zu Zeiten auch einmal selbst in die Hand genommen haben, an den Staat, an die Institutionen des Rechts: der staatlichen Strafverfolgung und des Strafvollzugs, delegiert haben. Das „Volk“, in dessen Namen Gesetze erlassen, Recht gesprochen und Urteile gefällt werden, ist der anonymisierte Erbe dessen, den das antijudaistische Vorurteil einen „Rachegott“ nennt. Wer sich auch nur ein wenig mit den Zuständen in unseren Knästen (die jeder zu verantworten hat, der dem Volk angehört, in dessen Namen hier die „Strafen vollzogen“ werden) vertraut gemacht hat, weiß, daß zu den realen Gründen des Strafrechts auch, wenn nicht zentral, die Vergesellschaftung der Rachebedürfnisse gehört, während der „alttestamentliche Rachegott“ (das „Mein ist die Rache“ des Gottes, dessen wichtigste Eigenschaft die Barmherzigkeit ist) in seinem realen Kontext auf die Auflösung der Rachebedürfnisse der Opfer abzielt. Übrigens: Im Neuen Testament (im Hebräerbrief, 1030) steht der Satz: „Furchtbar ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“, während im Alten Testament (im Buch Jona, 411) Gott gegen Jona den Verzicht auf die Zerstörung Ninives so begründet: „Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als 120 000 Menschen leben, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können, und soviel Vieh.“
Das gedankenlos Bösartige an der antijudaistischen Unterscheidung des „alttestamentlichen Rachegottes“ vom „neutestamentlichen Liebesgott“, das zum Syndrom der verfolgenden Unschuld gehört, wird deutlich, wenn man auch nur einen Augenblick daran denkt, wer – in einem geschichtlichen Kontext, zu dem Auschwitz gehört – hier an wen welches Ansinnen stellt: Der Täter schlägt dem Opfer das einzige Mittel, die Erinnerung an die Leiden zu verarbeiten, aus der Hand. Hier darf nicht mehr aufgearbeitet, hier soll nur noch verdrängt werden.
Der Beter rächt sich nicht selbst (Zenger, S. 71): Ist das nicht das zentrale Anliegen eines jeden Gebets, das Moment, durch das es mit dem Gottsuchen sich verbindet, und der Wahrheitsgrund des Satzes von Reinhold Schneider? Wäre dieser Satz nicht heute eine der Grundlagen der Rechtskritik: als Kritik eines Instruments der instrumentalisierten Rache?
Wird mit dem Gerede vom „jüdischen Rachegott“ nicht
– der zugrundeliegende Text entstellt, seine Wahrnehmung verzerrt, und zugleich
– ein theologischer Erkenntnisgrund durch Verdrängung neutralisiert?
Verräterisch die Rede vom Gottesbild im Hinblick auf eine Religion, zu deren zentralen Elementen das Bilderverbot gehört: Zu den objektiven Intentionen des Bilderverbots gehört es, sich die reale Erfahrung nicht durch Bilder verstellen zu lassen. Hierzu gehört auch die biblische Unterscheidung von Im Angesicht und Hinter dem Rücken. Der Antijudaismus ist ist ein System von Vorstellungen über die Juden hinter ihrem Rücken, er ist (nach einer auch hierauf zutreffenden Formulierung Adornos über den Antisemitismus) das Gerücht über die Juden, das jede reale Erfahrung mit Juden und mit der jüdischen Tradition scheut, wie der Teufel das Weihwasser.
Hebr 1030f: Wenn wir vorsätzlich sündigen, gibt es für diese Sünden keine Opfer mehr. – Ist nicht das Opfer die Vergebung?
In einer Welt, die bis in ihre innersten Strukturen hinein, und ohne daß eine Alternative dazu überhaupt noch sichtbar wäre, durchs Selbsterhaltungsprinzip geprägt und bestimmt ist, braucht man, wie es scheint, einen „Gott der Liebe“; aber gilt nicht hierfür Adornos Satz: Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner mehr zu lieben fähig ist? Die Sperre vor der Fähigkeit zu lieben liegt in der Struktur dieser Welt.
Die antikirchlichen Positionen in Kirche und Theologie sind nicht einfach nur falsch und zu verurteilen, sondern haben ihren eigenen Erkenntniswert in einem System, in dem Erkenntnis insgesamt seine projektiven Anteile nicht mehr abwischen kann.
Den Begriff zum Sprechen bringen: das setzt eine Theorie des Lachens und des Schreckens voraus.
Die subjektiven Formen der Anschauung und das Inertialsystem (der „luftleere Raum“) zerstören den Himmel durch die Zerstörung der „Elemente“ hindurch: die Erde, die Luft (das Pneuma), das Wasser und das Feuer (haschamajim).
Physik als Kloß im Hals der Theologie: im „luftleeren Raum“ gibt es keine Luft zum Atmen.
In welcher Beziehung stehen die Juden, Ketzer und Hexen der christlichen Geschichte zu den Barbaren der Griechen (trinitarische Entfaltung des projektiven Erkenntnisbegriffs der Philosophie)?
Kants Philosophie war Erkenntniskritik, der stringente Nachweis, daß der Erkenntnisbegriff der Philosophie sich auf die Dinge, nicht wie sie an sich selber sind, sondern wie sie uns erscheinen, sich bezieht.
Bekenntnisse des Jeremias: 1118-21, 121-6, 1510-21, 1714-18, 1818-23, 207-18: prophetischer Ursprung der Reflexion?
Jeremias, der Prophet des welthistorischen Bruchs?
– Dreimal verbietet Gott dem Jeremias, für das Volk zu beten; aber Jeremias gebietet dem Volk, für das Wohl der Stadt, in der sie nach der Deportation leben, zu beten.
– Selbst wenn Mose und Samuel … (Jer 14-15?)
– „Wer sich den Chaldäern ergibt, wird sein Leben als Beute gewinnen.“ (Jer 282, vgl. dazu den „Ursprung des Weltbegriffs“ und das Jesus-Wort: Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren.)
– Dreimal „Grauen um und um“.
– Ist der „Feind aus dem Norden“ (Babylon) ein Vorbegriff der Welt?
– tewel (hebr. für Welt und Natur) nur zweimal im AT, beide Stellen bei Jeremias (?). Sonst „Himmel und Erde“; haolam ist der Bereich der göttlichen Herrschaft, nicht die Welt.
– Zu Jer 1010-16: außer an dieser Stelle nur noch zwei andere „Schöpfungsberichte“, Ps 104 (der älteste) und Hiob 38ff.
Erfüllung des Worts: „Der Prophet aber, der Heil weissagt – an der Erfüllung des prophetischen Worts erkennt man den Propheten, den der Herr wirklich gesandt hat.“ (Jer 289, vgl. Dt 1821-22, Ez 3333) Ist der Name die Erfüllung, das Eintreffen des Worts?
Das Wunder gehört zur Prophetie: daß „das Wort sich erfüllt“, zum Namen wird (das Wunder erlischt im Namen).
Das Absolute ist ein Korrelat der Welt: deshalb ist kein Gied in ihm nicht trunken.
Zur Bestimmung der Theologie:
– Aktualität (Prophetie),
– eingreifende Erkenntnis,
– apokalyptisch (aber nicht die Endzeit berechnend: dazu zwingt nur die Logik des Weltbegriffs).
Kommen die Völker Kanaans in der Völkertafel, in den Genealogien der Genesis vor?
Zur Vorgeschichte der drei Leugnungen Petri gehört ihre Weissagung:
– Mt 2630 und Mk 1432: Ihr werdet in dieser Nacht (!) an mir Anstoß nehmen und zu Fall kommen.
– Lk 2231ff: … der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf …, daß der Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich bekehrt hast, stärke dein Brüder.
– Joh 1336ff: Wohin ich jetzt gehe, dorthin kannst du mir nicht folgen …
Binden und Lösen: Ist nicht durchs Binden das Lösen neutralisiert, unkenntlich gemacht worden: und der Glaube zur Hybris?
Das Dogma hat die Frage: Wie ist die Thora „heute“ (und d.h. prophetisch) zu verstehen, neutralisiert.
Das Urschisma: auch eine Frage der Grammatik? Sind physis und kosmos (natura und mundus) grammatisch bedingte Begriffe? (Vgl. Rosenzweig: der „Mittler“ nur für die Heiden, nicht für die Juden).
Der Weltbegriff fundiert den Egoismus (das Prinzip der Selbsterhaltung), den Sexismus und die Desensibilisierung, die Erfahrungsunfähigkeit.
Die Welt ist Welt für andere: Schamgenerator. Durch die Identifikation der Kirche mit der Welt (mit dem Aggressor) ist die Kirche zum steinernen Herzen der Welt geworden.
Hegel: die Neutralisierung der Philosophie zum Absoluten.
Jeder Machtgewinn wird mit Sprachverlust erkauft.
Zur Raummetaphorik: Die Neutralisierung von Oben und Unten ist ein Teil der Vergesellschaftung von Herrschaft.
Ursprung des Geldes im Kontext der Schuldknechtschaft: Hat nicht das Bußsakrament das Lösen in kleine Münze umgemünzt (und ist nicht der verdinglichte Glaube ein Stück verinnerlichter Schuldknechtschaft)?
Das Christentum hat der frühen Christenheit die Last der Umkehr abgenommen, heute blockiert es sie.
Jona ben Amittai und Jesus kommen aus der gleichen Gegend (Nazareth und Umgebung). -
15.07.93
Das Wort Gott war laut Kluge ursprünglich ein Neutrum: also ein Begriff, nicht ein Name.
Jutta Voß: Der Feminismus auf der Suche nach einer Religion, die die Welt nicht antastet, aber doch von der Last befreien soll. Liegt das nicht in der Konsequenz der christlichen Opfertheologie, der „Entsühnung der Welt“, des Bekenntnisprinzips?
Vorsicht: Nicht das feministische Experiment ist der Greuel am heiligen Ort, sondern die Unfähigkeit der Orthodoxie, in diesem Experiment die Logik des eigenen Prinzips zu erkennen. Die Verführung, den Balken als Vergrößerungsglas zu gebrauchen: die projektive Verarbeitung der eigenen Schuld.
Das „Lehrzuchtverfahren“ der zuständigen Kirche möchte aus der Wildsau wieder eine domestizierte Zuchtsau machen?
Die Verführung durch die Bekenntnislogik liegt darin, daß in ihrem Kontext die Gespensterkämpfe der Religionen und Weltanschauungen mit dem verwechselt werden, was in ihnen sich ausdrückt. So braucht man sich um die Gründe der realen Kämpfe in der Geschichte nicht mehr zu kümmern. Dagegen wäre nichts notwendiger, als die realen gesellschaftlichen Naturkatastrophen, die in den Gespensterkämpfen sich widerspiegeln, endlich wahrzunehmen. Das gehört zu den Voraussetzungen dafür, überhaupt erst sehen zu lernen, was heute sich zuträgt.
Die Kanaanäer waren die Händler. Ist nicht der Wildschweinmythos, den Jutta Voss beschreibt, eine bereits durch die Geldwirtschaft vermittelte Gestalt des Matriarchats: Trägt er nicht die wachsenden Früchte des Patriarchats bereits in sich? Anstatt die zweite Natur zu mythisieren, käme es darauf an, die Spiegelungen der ersten in der zweiten zu analysieren.
Eine Religion, die mit keinem Wort Gesellschaftliches reflektiert, für die Armen und die Fremden inexistent sind, wird natürlich auch großzügig von materiellen Bedingungen der religiösen Vorstellungswelt abstrahieren: Nur so entsteht der Schein, der die Bekenntnislogik begründet, Religionen ließen sich, wie die Gesetze, Begriffe und Erscheinungen in der Physik, unbeschadet ihres Gehalts im historischen Zeitkontinuum verschieben: Das wäre der Sieg der Natur über die Religion, gegen den die Idee der Auferstehung und das Wort sich richtet: die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden.
Jutta Voss‘ Begriff der „heiligen Materie“ drückt aufs genaueste den Zusammenhang der Bekenntnislogik mit dem Inertialsystem aus. Diese „Religion“ ist ein Produkt der Kultur- und Freizeitindustrie; verräterisch eine Bemerkung, die darauf schließen läßt, daß sie Freiheit und Emanzipation, nur als finanzielle Unabhängigkeit versteht (selbst wenn es keine Alternative mehr dazu geben sollte, wäre es nicht zu verantworten, die Reflexion dieses Sachverhalts zu verdrängen).
Das Entsetzliche an solchen Büchern ist, daß man die Aprioris des Bewußtseins des letzten Jahrzehnts in die gesamte Vergangenheit zurückprojiziert: So hat es das Christentum einmal mit der eigenen jüdischen Vergangenheit gemacht. Nicht zufällig erinnert dieser Umgang mit dem Mythos an den Umgang der christlichen Theologie mit dem von ihr sogenannten Alten Testament (eine Bezeichnung, die Jutta Voss zusammen mit den ihr in der Geschichte des Chistentums zugewachsenen antijüdischen Konnotationen unreflektiert übernimmt: aber vermutlich wird das nicht Gegenstand des „Lehrzuchtverfahrens“ sein). Die Vergangenheit als Objekt der Diffamierung, Ausbeutung und Verwertung für eigenen Zwecke und die Zerstörung der Erinnerung: das ist auch ein Produkt der christlichen Tradition (und die Geschäftsgrundlage der Bekenntnistheologie).
Der jüdische Tempel unterschied sich von allen anderen zeitgenössischen Tempeln dadurch, daß er nicht das Haus des Gottes, sondern das Haus seines Namens war.
Nach Jes 661 hat Gott den Himmel als Thron und die Erde als Schemel seiner Füße: Hat die Zerstörung des Himmels durch die Rezeption des Weltbegriffs, vollendet in der kopernikanischen Wende, Gott um seinen Thron gebracht? -
12.07.93
Erkenntnis und Interesse: Ist nicht der Begriff des Interesses ein Hinweis auf das Schuldmoment an jeder Erkenntnis, und die Einschränkung aufs unmittelbar „materielle Interesse“, die Abstraktion vom „Unschulds“-Interesse, deren Reflexion im Anschluß an die kantische Erkenntniskritik auch die Notwendigkeit der Kritik der Naturwissenschaft mit einschließen würde, der Grund, daß es zu Gemeinheit, Unrecht und Gewalt keine Alternative mehr zu geben scheint? – Und ist nicht die „Übernahme der Sünden der Welt“ eine logische Konsequenz aus der Zeitstruktur jeder Erkenntnis (Unschuld liegt nicht außerhalb, neben der Schuld, sondern in der Linie ihrer Reflexion: der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung)? Wird man beim heutigen Weltzustand nicht schuldig durch Nichthandeln (hier liegt der Grund des Begriffs der Erbsünde), und unschuldig nur durch Handeln?
Die Virginitas war nichts weniger als ein Name der natürlichen Unschuld, und die sexuelle Unberührtheit Symbol eines von Gewalt (auch der Gewalt des Ehevertrages, vom Mythos der männlichen Vorherrschaft) nicht mehr befleckten Glücks: kein biologisches, sondern ein politisches Symbol, Symbol der Befreiung. Aber ist nicht der Mythos der männlichen Vorherrschaft ein siebenfacher: sind nicht die sieben unreinen Geister die sieben Geister der Unreinheit des Patriarchats (von denen bisher nur Maria Magdalena befreit wurde)?
Kann es sein, daß die confessio und die virginitas, wenn sie einmal vom Bann der Herrschaftsgeschichte befreit sein werden, sich als Symbole der Rechten und der Linken (des Gerichts und der Barmherzigkeit) erweisen werden?
Hat die Schrift den Gehorsam vom Hören getrennt, und ist dadurch die Schrift zu dem Feigenblatt geworden, als welche sie von der Konfessions-Theologie dann nur noch benutzt worden ist? Das Instrument dieser Trennung war der kirchliche Antijudaismus (der die jüdische Vergangenheit als Projektionsfolie ihrer eigenen verdrängten Schuld benutzt hat).
Wird sich nicht vielleicht doch einmal die Geschichte vom Feigenblatt und vom Feigenbaum als zentral erweisen, und muß man nicht zum Symbol der virginitas das andere Wort hinzunehmen: ihr wird viel vergeben werden, denn sie hat viel geliebt?
Das Wort Johannes XXIII., Jesus sei nicht gekommen, den Menschen tausend Lasten aufzubürden, hat der Kirche die Unschuld genommen. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil, dessen Chance sie nicht genutzt hat, ist die Kirche zum steinernen Herzen der Welt geworden. Sie hat die Rechtfertigungszwänge, unter denen sie steht, nicht auflösen können.
Theorie und Praxis: Der Weltzustand heute ist so, daß man durch Nichthandeln, dadurch, daß alle, auch die heute Handelnden, im Habitus des Zuschauers gebannt bleiben, schuldig wird, während doch alles zum Eingreifen auffordert.
Zur Kritik der subjektiven Formen der Anschauung, des Begriffs des Wissens und der Wissenschaft bei Kant: Das Wissen konstituiert sich in dieser Beziehung des Zuschauens zu den Dingen, in dieser Passivitätshaltung, durch die der Zuschauende schuldig wird, solange er nicht begreift, daß dieses Zuschauen (und seine Prämissen: die Hypostasierung der subjektiven Formen der Anschauung) zu den Ursachen des gegenwärtigen Weltzustandes gehört. Dieser Habitus des Zuschauens ist nur noch aufrechtzuerhalten durch Verachtung der Armen und durch Fremdenhaß.
Ist nicht der Weltbegriff die Rechtfertigung des Zuschauers?
Das Substantiv ist der Greuel am heiligen Ort (Mt 2515, Dan 927, 1131, 1211).
Gibt es nicht einen Hinweis zum Verständnis des Wortes vom Greuel am heiligen Ort: in der Geschichte von den drei Leugnungen, wenn Petrus beim dritten Mal „sich selbst verflucht und abermals leugnet“.
Die Vorstellung von einer überzeitlichen Wahrheit (oder auch die Definition der Wahrheit als „Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“) ist Produkt der Leugnung des Zeitkerns und des Aktualitätsbezugs der Wahrheit: ihres prophetischen Kerns, und zugleich die Basis und das Medium der Geschichte der drei Leugnungen.
Die ungeheure Geschichte vom Kampf gegen die Amalekiter in Ex 178ff: Josue kämpft gegen Amalek, während Mose, Aaron und Hur auf den Berg steigen. Solange Mose seine Hände erhoben hält, siegt Israel, wenn er sie sinken läßt, siegt Amalek. Als er ermüdet, holen sie einen Stein, schieben ihn unter Mose, dann stützen Aaron und Hur seine Arme, der eine rechts, der andere links. Und am Ende spricht der Herr zu Mose:
– … ich will die Erinnerung an Amalek unter dem Himmel austilgen. Und:
– Krieg ist zwischen JHWH und Amalek von Generation zu Generation.
Wer ist Hur, und wer ist der Fels; und ist das Ungeheurliche denkbar, daß sich das Gebot der Feindesliebe auch auf Amalek bezieht? War Haman (der Typos des Judenfeindes im Buch Esther) als Agagiter ein Amalekiter (vgl. Num 247, 1 Sam 158 und Est 83)?
Ist nicht die Geschichte der raf und die der in jeder Hinsicht mißlungenen „Auseinandersetzung“ mit ihr, eine zwangsläufige Folge der mißlungenen Aufarbeitung der Geschichte der größten terroristischen Vereinigung, die es je in diesem Lande gegeben hat: des Nationalsozialismus?
Hatte nicht Jutta Ditfurth recht: der Staat braucht seine Terroristen; nur das reicht heute nicht mehr: er braucht auch die den Staat und seine „Leistungen“ mißbrauchenden Armen und Fremden, während der Gewaltmißbrauch des Staates in jeglicher Hinsicht, Justiz, Polizei und Militär eingeschlossen, im Dunkeln gehalten wird. Die Gefahr liegt darin, daß dem ein sehr breites und tiefes Rechtfertigungs- und Projektionsbedürfnis in der Bevölkerung entgegenkommt.
Heute berufen sich die, die gegen alle Ehebrecherinnen die Steine werfen, auf das Jesuswort: Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.
Ist es nicht wirklich beängstigend, und greifen einen nicht Schrecken und Kälte ans Herz,
– wenn die öffentliche Verarbeitung der Vorgänge von Bad Kleinen wieder einmal darauf hinausläuft, daß die, die auf Aufklärung bestehen, Gefahr laufen, als Sympathisanten diffamiert zu werden?
– wenn in einer Talkshow (Talk im Turm am 11.07.) der Tod eines mutmaßlichen Terroristen (Wolfgang Grams) mit dem Tod des GSG-Beamten begründet und gerechtfertigt wird, und keiner der Anwesenden (u.a. Erich Böhme, Gottfried Bernrath, Johannes Gerster, Dagobert Lindlau) die in den Beifallsäußerungen des Publikums lautwerdende Lynch-Gesinnung bemerkt (und schon garnicht beim Namen nennt)?
Sind die meisten Diskussionen heute nicht deshalb so unfruchtbar, weil sie nicht mehr an den Sachen, sondern an Rechtfertigungsproblemen sich entzünden? -
07.07.93
Zu Mt 532 und 199: Hängt diese rigorose Eheauffassung nicht mit der Stellung der Gesamtlehre Jesu zum Weltbegriff (mit dem Prinzip der „Übernahme der Sünden der Welt“) zusammen? Wenn die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt: wenn die Frau gleichsam diese ganze Schöpfung vertritt, dann ist in der Tat eine Scheidung nicht mehr möglich. (Daß Paulus ein Christ und ein Theologe war, beweist seine Kosmo-Theologie: die Lehre von den Archonten und der Satz, daß die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt. Hängt das nicht zusammen mit der Geschichte von der Befreiung der Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern?)
Hat Jesus etwas mit den „Sünden der Mutter“ und der „Schuld der Väter“ zu tun? Bezieht sich die Übernahme der Sünden der Welt auf die Sünden der Mutter (vgl. die problematischen Beziehungen Jesu zu seiner Mutter, die jedoch selber „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte“), und ist das Verschwinden Josefs und seine Hypostasierung des Vaters darin begründet?
Hängt das Trinken des Kelchs mit der „Schuld des Vaters“ zusammen?
Zu Joh 129 vergleiche Jes 537.12.
Die Zweideutigkeit des konziliaren Aggiornamento ist vor allem in Deutschland wahrzunehmen: Anstatt für die prophetische Aktualität hat die deutsche Theologie sich für die Anpassung an die Welt entschieden. Ist nicht die entsetzliche Verwirrung insbesondere in der katholischen Theologie ein Produkt der Übermacht der Welt, vor dem sie jetzt kapituliert hat?
Weshalb unsere Justiz auf dem rechten Auge blind ist: Der Exkulpationsdruck, der sich des Staats bedient, um die Schuld verdrängen zu können, mit der niemand mehr glaubt leben zu können, ist das Energiepotential, das das Strafbedürfnis erzeugt und sein Maß bestimmt, das heute zugleich in Haß gegen die Linke und gegen die Fremden explodiert. Die Justiz gehört zu den Abfuhrinstanzen dieses Exkulpationsdrucks, sie löst ihn nicht auf.
Hat dieser Exkulpationsdruck nicht etwas zu tun mit der Schuld der Väter und den Sünden der Mutter? Zu den Mechanismen seiner Erzeugung und Verwertung gehört das sprachliche Element und die Sprachgeschichte der Bildung des Neutrums (des ne-utrum als Entlastung von der Schuld der Väter und den Sünden der Mutter). Diese Geschichte hängt zusammen mit der des Ursprungs des Weltbegriffs, der Philosophie und des Rechts, sie wurde mit einer Theologie abgesichert, zu der essentiell die Christologie, die Opfertheologie, das Konzept der Schöpfung (und Entsühnung) der Welt gehört.
Der Sündenfall, das Substantiv und die Geschlechter der Nomen: Ist im Begriff des Substantivs nicht das Bewußtsein erreicht, daß die Substanz (das substare) ein Produkt der projektiven Gewalt (Struktur) des Denkens ist, ist der Staub (aus dem Adam gemacht ist und zu dem er wieder werden wird, und den die Schlange frißt) das Substrat der Neutrumsbildung? Damit hängt es zusammen, wenn der Objektbegriff die benennende Kraft der Sprache zerstört, den Namen zum Begriff neutralisiert.
Gibt es einen sprachlichen Zusammenhang zwischen bereschit und berith, bara, Abraham und den Hebräern, und den Barbaren?
„Möget ihr, in der Liebe festgewurzelt und gegründet, fähig werden, mit allen Geheiligten zu begreifen, was es ist um die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe der Liebe Christi, um sie zu erkennen, die erhaben ist über alle Erkenntnis, damit ihr die ganze Gottesfülle mit ihrem Reichtum in euch erfahret.“ (Eph 317ff) Ist in dieser Raummetaphorik nicht die vollständige Umkehr angesprochen? Aber ist die Metapher der Höhe und Tiefe nicht obsolet geworden durch ihr restloses Aufgehen in die Herrschaftsmetaphorik (zu der es nach der kantischen Lehre von der Form der äußeren Anschauung fast keine Alternative mehr gibt)? Sie wäre aufzulösen nur noch im Kontext einer herrschaftskritischen Theologie: der Kritik des Weltbegriffs und des Begriffs. Vergleiche hierzu den Baaderschen Hinweis auf den Zusammenhang von Hochmut und Niedertracht, sowie den Begriff der Empörung im Zusammenhang der Konstituierung des moralischen Urteils (was entspricht dieser „Empörung“ im Bereich der theoretischen Vernunft? Gibt es ein Bekenntnis ohne Empörung? Und war es nicht die Selbstverblendung durch Empörung, die das „Bekenntnis des Namens“ zum „Glaubensbekenntnis“ verhext hat: zum Ersatz für die Umkehr? – Wer ist der Fürst dieser Welt?).
Was hat es der Erkenntnis der „Tiefen Satans“ (Off 224, Schreiben an die Gemeinde Thyatira) auf sich?
Begriff und Name sind durch die Idee der Umkehr, objektiv durch die Idee der Auferstehung aufeinander bezogen: durch die Rücknahme des projektiven Elements, durch die Ergänzung der Klugheit der Schlange durch die Arglosigkeit der Tauben, durchs Gebot der Feindesliebe und das Verbot zu richten.
„… und schließlich ist das Ziel erreicht: wenn er Gott, dem Vater, das Reich übergibt, nachdem er jede Herrschaft, jede Gewalt und jede Macht entmachtet hat. Denn er muß herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt (Ps 1091) hat. Als letzter Feind aber wird der Tod entmachtet (Jes 258): denn alles hat Er ihm zu Füßen gelegt (Ps 87). Wenn es heißt, alles sei ihm zu Füßen gelegt, dann offenbar alles außer Dem selbst, der ihm alles zu Füßen legte. Wenn ihm aber einmal alles unterworfen ist, dann wird auch der Sohn sich Ihm unterstellen, der ihm alles unterworfen hat. damit Gott alles in allem sei.“ (1 Kor 1524ff) Ist das nicht die genaue Beschreibung dessen, worauf sich das Wort vom Lösen bezieht?
„Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 2540): In den Geringsten seiner Brüder leidet Er; was wir denen tun, das tun wir ihm, damit machen wir uns zu den Tätern der Kreuzigung. Da hilft keine projektive Abfuhr mehr, wie im kirchlichen Antijudaismus (die „Gottesmörder“ sind wir). Von hier her läßt sich präzise begründen, daß das Wort „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ in erster Linie sich auf uns, auf die Kirche bezieht. (Vgl. hierzu den letzten Satz aus dem Buch Jonas: die Antwort auf die Bitte Jesu?)
Zur Logik des Inertialsystems, zur Konstituierung seiner metrischen Struktur, gehören die sogenannten Erhaltungssätze (der Erhaltung der Materie und der Energie). In dieser Logik gründet auch die Einsteinsche Äquivalenzgleichung E = m.c2. Aber dazu gehören auch das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (ein den Maxwellschen Gleichungen korrespondierender Erhaltungssatz) und die daraus abzuleitenden Konstanten der Mikrophysik: das Plancksche Wirkungsquantum, die elektrische Elementarladung sowie die damit wiederum zusammenhängenden Erhaltungssätze (Parität, Spin etc.). Was hier gleichsam von Natur (unabhängig von der Willkür der Menschen) vorgegeben ist, bedarf im Bereich der Geldwirtschaft des aktiven politischen Handelns, insbesondere die Aufgaben der Geldpolitik: Hier sind die die Gesamtprozesse regulierenden (berechenbar machenden) Erhaltungssätze (Regulierung der Geldmenge, Erhaltung der Geldwertstabilität) nicht naturgegeben, sondern durch geld- (und wirtschafts-) politische Maßnahmen sicherzustellen (die Zentralbanken als Garanten des gesamtwirtschaftlichen Inertialsystems). Die Sicherung dieser „Erhaltungssätze“ ist nur über Wachstumsraten möglich und unterliegen damit den konjunkturzyklischen Prozessen und den tendentiellen gesellschaftlichen Naturkatastrophen der Modernisierungsschübe.
Die Kostenseite des wirtschaftlichen Gesamtprozesses (das projektive Sparen: das „Sparen“ aus den Taschen der anderen) verknüpft die Entstehung des Reichtums zwangslogisch mit der Erzeugung der Armut, und zwar
– über den Druck auf die Welthandelspreise für Rohstoffe (Export der Armut nach draußen) und
– über den Druck auf die Lohnkosten (Rationalisierung, Arbeitslosigkeit, „industrielle Reservearmee“, Kürzung der Sozialausgaben: Reimport der Armut nach innen).
Der Reimport der Armut ist (wie die „politische Stabilität“ in den Ländern, in die die Armut exportiert wird) nur über das Vorurteil abzufangen: durch die Erzeugung des Faschismus (Fremdenhaß und Antisemitismus). -
30.06.93
Hat nicht die Unkenntnis des Blutsymbols, die Verwendung des Begriff „ad litteram“ und die Unfähgkeit zu Kritik des Weltbegriffs und in diesem Falle der Naturwissenschaften (die Rückprojektion unseres heutigen Bewußtseinsstandes in die frühe Christenheit), die Opfertheologie und das Dogma insgesamt verhext?
Die Natur ist die aufgedeckte Blöße der Welt, und die Materie die Scham.
Klingt nicht in dem paradiesischen „Sie waren nackt und sie schämten sich nicht“ die Verklärung an (der Stand vor der Verblendung durch Materie)? Steckt darin wie in dem anderen Satz „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“ nicht die Geschichte des Ursprungs der Materie?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung Fixierungen aufs Sehen und die Abstraktion vom Gesehenwerden (Grund des Prinzips: man darf alles, sich nur nicht erwischen lassen)? Die Abstraktion vom Gesehenwerden drückt sich selbst wieder in der Form der inneren Anschauung aus. Hier ist der Zusammenhang mit der Schicksalsidee begründet (Verinnerlichung des Schicksals als Grund des begrifflichen Denkens). Der Begriff der Materie bezeichnet die auf dem Sehen auf der Objektseite korrespondierende Scham. Die Heußsche „Kollektivscham“ hat nicht nur die Aufarbeitung der Vergangenheit blockiert, sie hat die Deutschen in die schicksalhafte Beziehung zur Welt, zum „Ausland“ gebracht, dagegen der Rechtsradikalismus heute so vergeblich wie selbstzerstörerisch aufbegehrt. Und kein Zweifel: Es gibt eine lustvolle Scham, wobei die Lust daher rührt, daß die Scham den Sich Schämenden von Schuldgefühlen befreit, indem es ihn von dem Subjektsein befreit, das den Schuldgefühlen zugrunde liegt. So ist die Scham der Keim des moralischen Trägheitsprinzips. Die Scham macht namenlos („Oh, wie gut, daß niemand weiß, …“), man begibt sich in der Scham außer Reichweite des Hörens.
Ein Papst, der Galilei rehabilitiert und der Inquisition guten Glauben bescheinigt, kann natürlich auch einen Pinochet seiner Freundschaft versichern (FR heute).
Eine Kirche, die sich so in ihrem Schuldverschubsystem verfangen hat, daß sie selber zur Schuldreflexion unfähig geworden ist, ist der Greuel am heiligen Ort.
Entspricht nicht die Beziehung von Kaninchen und Schlange in mancher Beziehung der des Hundes zum Mond: Gibt es diesen bannenden Blick der Schlange, und hat er etwas mit dem berüchtigten Blick Hitlers zu tun?
Während Seiters, Rühe, Hintze, auch Kinkel und Rexroth so aussehen, als könnten sie einen nicht anblicken, hat Schäuble den stechenden Blick.
Beelzebul, der Herr der Fliegen: Verhalten sich nicht die Insekten (Ursprung des Namens der Insekten?) zu den Blüten wie das Inertialsystem zum Licht und zur Materie? Sind die Insekten gleichsam lebendige Verkörperungen des Inertialsystems (ähnlich wie vielleicht die Dornen und Disteln und die Hörner der jüdischen Opfertiere)?
Sind nicht generell die symbiotischen Systeme in der Natur Repräsentanten der Doppelnatur des Lichts?
Bei Elisa (2 Kön?) steht die Geschichte von der Frau, die nach dem Tode ihres Mannes ihre Kinder in Schuldknechtschaft geben muß.
Ist nicht die Geldwirtschaft insgesamt ein System der Schuldknechtschaft, die sich auf die Naturwissenschaft bezieht wie die Trunkenheit Noes auf das Aufdecken der Blöße durch Ham.
Die in der Simson-Geschichte immer wiederkehrende Wendung „Da überkam ihn der Geist Gottes …“ ist sowohl komisch als auch ein noch aufzuklärender Hinweis auf die Beziehung des Geistes Gottes zu den Grundlagen der Gewalt, zu ihrem Naturgrund.
Die Welt ist das fensterlose Haus der Monade: die Isolationshaft des Subjekts. Nur die Kritik des Begriffs und die Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache führen heraus. Das „qui tollit peccata mundi“ ist das Ausbruchswerkzeug.
Der Antisemitismus (und sein kirchliches Pendant, der Antijudaismus) ist ein Versuch, sich die prophetische Kritik vom Leibe zu halten, der Verpflichtung des Votums für die Armen und die Fremden sich zu entziehen. -
26.06.93
Mit dem Weltbegriff wurde die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft etabliert, damit die Quelle des Fortschritts eröffnet und die Erinnerungsfähigkeit domestiziert (abgeschnitten). In diese Geschichte ist das Christentum als Lehre und als Institution solange unheilbar verstrickt, wie es seine eigene Vergangenheit, nämlich die jüdische Tradition, nur in der durchs Dogma entstellten, antijudaistischen Gestalt erinnert.
Bezieht sich das zweite bara in der Schöpfungsgeschichte (die Erschaffung der großen Seeungeheuer) auf den Staat?
Ist die Metzsche Ersetzung der Sensibilität durch die Empfindlichkeit nicht ein Anpassungseffekt?
Die Erweckungsgeschichten: der Jüngling von Naim, die Tochter des Jairus und Lazarus.
Der Begriff der Gesellschaftskritik hatte auch ein Stück Exkulpations- und Alibifunktion: Schuldig waren die, die sich mit dieser Gesellschaft identifizierten, sie repräsentierten; der Gesellschaftskritiker war (wie generell der Empörte) durch seine Kritik (Empörung) ausgewiesen als einer, der der Schuld enthoben war. Auf die Änderung kam es schon gar nicht mehr an.
War nicht die Enttäuschung der Parusieerwartung durch ihre Folgen (durch einen selbstreferentiellen Rückkoppelungseffekt) selber eine der Ursachen der Verzögerung, des Ausbleibens der Parusie? War sie nicht selber ein Teil der Parusieblockade? Und ist nicht das Dogma der Felsen, in den das Grab gehauen war, und der Stein vor dem Grab? Aber am Ende wird sich erweisen, daß das Grab leer ist. Als Petrus und der andere Jünger (Joh 203ff) zum Grab liefen, war der andere Jünger als erster am Grab, aber Petrus ging als erster hinein.
Ist nicht der Begriff einer Enttäuschung der Parusieerwartung nur ein taktvoller Ausdruck für die Verdrängung der Parusieerwartung, und das etablierte Christentum die Erfüllung einer selffulfilling prophecy? Die Christen haben das letzte Wort am Kreuz umgekehrt: Sie vertrauen auf die Vergebung Gottes, indem sie sich bemühen, nicht mehr zu wissen, was sie tun. Wenn auch der neue Katechismus wieder die Barmherzigkeit Gottes in die Sündenvergebung legt, so apelliert er genau an diesen Mechanismus. Begründet ist das ganze in einem Personalismus, der die Schuld verrechtlicht, sie an das Prinzip der Zurechenbarkeit (und damit ans Prinzip des Beweises) knüpft, und dann nach dem Motto lebt, was die Welt nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Der Rechtsradikalismus heute hat seine Wurzeln nicht auf der Bekenntnisebene (im „Rassismus“), sondern auf der Verhaltensebene: in Ritualen und Wiederholungszwängen. Das ist es, was die Linken so irritiert, die selber von der idealistischen Vorstellung, daß das Tun in Vorstellungen und Ideen gründet, nicht mehr loskommen. Der Rechtsradikalismus zeichnet sich dadurch aus, daß er die Bekenntnislogik endlich vom Inhalt des Bekenntnisses gelöst, sie auf ihre Identifikationsfunktion reduziert und so zu einer reinen Verhaltenslogik gemacht, damit aber erstmals analysierbar gemacht hat.
Läßt sich nicht die Kritik des verdinglichenden Denkens und die Kritik des Weltbegriffs aus dem „Richtet nicht …“ herleiten?
Steckt die Beziehung des Glaubens- zum Schuldbekenntnis nicht in dem Schein der Schuldbefreiung (der „Rechtfertigung“) durch den Glauben, in der falschen, weil autoritären Plausibilität der Vorstellung, daß Er, wenn ich Ihn als den Herrn anerkenne, mich dafür lieb haben wird? Hier ist nicht mehr die Tat, sondern wie ich angesehen werde: das Erwischtwerden entscheidend (Problem der Scham). Und geht es nicht genau darum in der Geschichte von den drei Leugnungen: repräsentieren die Umstehenden nicht die Welt, die Ursache der Scham?
Auschwitz ist die Frage an Petrus (die Kirche) vor der dritten Leugnung, und die Kollektivscham (der neue Katechismus, mit dem die Kirche der Kollektivscham ausweglos verfällt) die mit der Selbstverfluchung verbundene dritte Leugnung.
Die Sorge um die Zukunft und die Sorge um den andern gehorchen der gleichen Logik.
Auch das „Liebet eure Feinde“ ist (wie die Umkehr und das „Richtet nicht …“) ein erkenntnistheoretisches Prinzip: Es ist ein Sinnesimplikat der Kritik der Verdinglichung. Der Objektbegriff selber ist Repräsentant des Feindes im Objektivierungsprozeß, der von der Unterwerfung des zum Objekt Gemachten sich nicht trennen läßt. Das Urteil gründet im Schuldzusammenhang und konstituiert ihn zugleich; diesen Zusammenhang erstmals in die Nähe der Erkenntnis gebracht zu haben, ist das große Verdienst der kantischen Transzendentalphilosophie. Das Gebot der Feindesliebe ist nicht zu trennen vom Nachfolgegebot und seiner Begründung in Joh 129, von der „Übernahme der Sünden der Welt“. Die dogmenbegründende Opfertheologie perpetuiert das Feindbild und seine Logik (die Bekenntnislogik, die durch das opfertheologische Konstrukt der „Entsühnung der Welt“ und durch das Opfer der Vernunft das Bekenntnis von der Erkenntnis trennt). Sie hat seit je mehr an den Teufel als an Gott geglaubt.
Ist nicht das lateinische ire (gehen) ein reines Infinitivsuffix? Hat dieses ire etwas mit ira (Zorn) zu tun? Was bedeuten Verben wie dare (geben) und fere (tragen), die das Infinitivsuffix nur an einen Vokal binden? Gibt es nicht auch zu den gestae (Geschehnissen) einen Infinitiv gere?
Nochmal zum Sein:
– Ist nicht auch das esse ein reiner Infinitivsuffix? Dann aber diese merkwürdige Folge sum, es, est, sumus estis, sunt, mit gleichen Stämmen
. in der 1. Pers. sing. und der 1. und 3. Pers. pl. (ich, wir und sie) bzw.
. der 2. und 3. Pers. sing und der 2. Pers. pl. (du, er, sie, es und ihr).
Hat das sum, sumus, sunt etwas mit sumere (nehmen) zu tun, das auf die merkwürdige (instrumentalisierende) Beziehung des Seins zum Eigentumsprinzip verweisen könnte?
– Ist das Griechische einai ein durch das -ai suffigiertes Infinitivsuffix -ein? Gibt es das Suffix -ai auch sonst noch im Griechischen, ist es vielleicht Ausdruck einer Hypostasierung (durch Pluralisierung)?
– Im Deutschen sind die Stammbindungen anders verteilt: bin, bist, ist, sind, seid, sind: Verbunden sind das ich und du, dann die Pluralbildung, während die 3. Pers. sing. (und anders die 3. Pers. pl., die rückwirkend auch die 1. Pers. pl. bestimmt: Selbstobjektivierung des wir!) an die entsprechende lateinische Bildung anklingt.
– Im Englischen ist der Infinitiv von Sein (das to be) von den präsentischen Deklinationsformen getrennt (am, are, is, are, are, are, mit der merkwürdigen Identität aller Pluralformen mit der 2. Pers. sing. – Zusammenhang mit dem to be, der Hypostasierung des Präfixes be-?).
Zur Sprachlogik des „Seins“ vgl. auch die Frage der Perfektbildungen mit den Hilfszeitverben haben und sein (im Englischen nur mit have). Ich habe getan, ich bin gewesen (I have been).
Wird der Ausdruck „(diese) Person“ nur von Frauen über Frauen im diskriminierenden Sinne gebraucht? Bei einem Mann ist ein vergleichbarer Ausdruck „(der) Kerl“. Ist im Falle des Personbegriffs nicht gemeint, daß hier eine Frau sich herausnimmt, Person zu sein, was doch nur einem Mann zusteht? Und drückt darin nicht auch sich aus, daß der Personbegriff sich als Produkt einer Projektion begreifen läßt: als Produkt der Personalisierung; indem ich jemand als Person bezeichne, halte ich ihn für sein Tun rechtlich und moralisch verantwortlich. (Vgl. den theologischen Ursprung und Gebrauch des Personbegriffs in der Theologie: bei Tertullian; Grund der urpatriarchalischen Trinitätslehre?)
Mit herauszuhören ist beim diskriminierenden Gebrauch des Personbegriffs auch der Anklang an die Diskriminierung der Prostitution, die weniger an die Verletzung des Sexualtabus (dann müßte die Diskriminierung sich gegen den Mann richten) als an das Problem der Emanzipation (der aktiven Teilnahme von Frauen am Warenverkehr) erinnert. Ist nicht der diskriminierende Personbegriff ein veralteter Ausdruck für das, was heute „Emanze“ heißt? Und rührt das ganze nicht viel mehr an das Problem der Ehe und deren Verstrickung in den historischen Prozeß (und an die politischen Konnotationen der Sexualmoral bei den Propheten)? Kulminiert dieser Konflikt nicht heute in der Werbung, die nicht nur den Tod verschweigt, sondern jeden Genuß auf den der sexuellen Gewalt reduziert (zurückführt)? Wäre nicht anhand der Werbung (und ihrer Vorform: der Propaganda, deren Begriff kirchlichen Ursprungs ist) zu demonstrieren, was heute Keuschheit heißen müßte, zusammen mit der Reflexion des Sachzwangs: Es gibt keine Massenproduktion (weder von Waren, noch von Christen) ohne Werbung. Die Produkte müssen sich (wie Babylon durch den Turm, wie die Christen seit Antiochien) einen Namen machen. Seitdem kann man sich dem Zwang, in jeder sprachlichen Äußerung nur noch herauszuhören, wofür oder wogegen einer ist (der Erkenntnis des Guten und Bösen), fast nicht mehr entziehen kann.
Merkwürdige Beaobachtung beim Scharping (gestern in der ARD): Was hatte es zu bedeuten, wenn er in der Befragung gestern abend beim Wechsel des Fragenden jedesmal mit einer Wendung des Kopfes reagierte, die auszudrücken schien, welche Mühe es ihm bereitete, sich von der vorhergehenden Frage (und dem Fragenden) zu lösen, um der neuen Frage sich zuwenden zu können?
Im Angesicht Gottes, oder wie hängen Sehen und Hören mit einander zusammen? Sind nicht die Blinden und die Tauben, nur beide mit charakteristischen Differenzen, auch von physiognomischen Wahrnehmungen und Erkenntnissen bestimmt? Die physiognomischen Wahrnehmungen des Blinden und seine Art der Aufmerksamkeit unterscheiden sich signifikant von denen des Tauben: Der Blinde lebt vom natürlichen Vertrauensvorschuß, während der Taube dem paranoiden Mißtrauen nur mit großer Anstrengung sich entziehen kann. Ist nicht die Erfahrung des Hasses der Welt eher ein Sinnesimplikat eher des Hörens als des Sehens? Und muß nicht, wer mit den Augen hören lernen will, durch diesen Haß der Welt hindurch? An diesem Haß der Welt habe ich als Sehender größeren Anteil denn als Hörender; er wird auf den begriffslosen Begriff gebracht durch die subjektive Form der äußeren Anschauung: durch die Form des Raumes. Heute vergeht dem wirklich Sehenden das Hören, dem wirklich Hörenden das Sehen. Aber lernen müßten wir, mit den Augen zu hören und mit den Ohren zu sehen. Steckt nicht das in dem Wort: Wer euch angreift, greift meine Augapfel an.
Hat es nicht doch eine ganz anderen metaphysischen, oder genauer prophetischen Hintergrund, wenn heute die Beziehung der Geschlechter nicht mehr im Kern durch die Ehe, sondern durch den Zustand der Welt (der prophetisch im Bilde der Ehe zu begreifen wäre) definiert werden?
Anhand der Ehe wäre zu demonstrieren, welche Bedeutung die Sakramente einmal für das „Bestehen der Welt“ (im objektiven, logischen, wie im subjektiven, moralischen Sinne) hatten, und welche Kräfte, Zwänge und Notwendigkeit hier wie auch bei der Säkularisation der anderen „Sakramente“, in der Geschichte des modernen Staates, wirkten und zugleich sich entfalteten, freigesetzt wurden (Ursprung der modernen Staatsmetaphysik). Diese Geschichte steht in Wechselwirkung mit dem Ursprung und der Entfaltung des Inertialsystems: Hier wurden die Sakramente zu den Siegeln (mit dem Nationalismus als säkularisierter Eucharistie: vgl. Bölls Sakrament des Büffels), deren Lösung die Apokalypse beschreibt.
Ist nicht die Säkularisierung der sieben Sakramente beschrieben in Geschichte von den sieben unreinen Geistern? Und bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen nicht auf diese sieben Sakramente? Welche Bedeutung hat in der Johannes-Apokalypse (108ff) das Essen des Buches (im Munde süß, im Magen bitter)? Gibt es eine Beziehung zum Trinken des Bechers des Zorns? Ist das nicht die letzte Gestalt der Eucharistie? (Vgl. 1 Kor 1125ff)
Was bedeutet das to arnion to esphagmenon (Offb 512, lt. Einheitsübersetzung: das Lamm, das geschlachtet wurde) wörtlich? Ist nicht das im Katechismus zitierte entsetzliche Lumen gentium-Wort von der „liebenden Zustimmung zur Schlachtung des Sohnes“ eine projektive Verarbeitung der Schuld, ohne die das Amt des Papstes nicht mehr zu ertragen wäre? Es reicht nicht mehr, nur Jesus die Schuld der Welt aufzubürden; auch diese Schuld (der Verdrängung, der zwangshaften und vergeblichen Wiederholung des Opfers) muß noch abgewälzt werden auf Maria: So wird sie zur „Mittlerin aller Gnaden“. Da ist das Stabat mater ehrlicher. Gibt es nicht ein herzzerreißendes und steinerweichendes Weinen?
Diese ungeheure Schwammspinner-Johannistrieb-Natursymbolik? Wann begreifen wir’s endlich?
Bezieht sich die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel auf das finster gewordene Geheimnis des Bußsakraments?
Hängt der Patriarchalismus des Christentums mit dem Gebrauch des Personbegriffs in der Trinitätslehre zusammen? Welche Bedeutung hatte hier die Übertragung der Theologie aus der griechischen in die lateinische Sprache (Tertullian)? -
21.06.93
Gründet
– der Raum in der Beziehung von Rechts und Links (Gericht und Barmherzigkeit),
– das Bekenntnis in der von Vorn und Hinten (im Angesicht und hinter dem Rücken, berith und Schwur) und
– das Geld in der von Oben und Unten (Gewalt und Herrschaft und Knechtschaft, diatheke und Tod)?
Und alle drei hängen mit Trägheit, Licht und Schwere (auch mit den drei Aspekten des Bösen: dem Satan, dem Teufel und dem Dämon) zusammen?
Haben Gottesfurcht, Umkehr und Nachfolge etwas mit den drei Abmessungen des Raumes, mit Raum, Geld und Bekenntnis (Bekenntnis des „Namens“!), und mit den drei evangelischen Räten zu tun (entspricht das „Bekenntnis des Namens“ der Keuschheit, das verdinglichte hingegen der Unzucht? – „Lehrzuchtverfahren“).
Die Bekenntnislogik ist wie die des Geldes ein Aspekt der Logik des Inertialsystems.
Die vergangene Zukunft ist die durchs Dogma neutralisierte Parusie-Erwartung.
Das Blutsymbol ist durch die Bekenntnislogik und durch das verdinglichte Dogma nicht nur unkenntlich gemacht worden: es ist in sein Gegenteil verkehrt worden. Es wird durchsichtig, wenn die verdinglichende Gewalt im Dogma getilgt wird, wenn in ihm die Gottesfurcht, die Umkehr und die Nachfolge wiedererkannt werden. Insofern ist die Opfertheologie in der Tat das zentrale Objekt der Weltkritik. Das Dogma ist der Greuel am heiligen Ort.
Die Hegelsche List der Vernunft heißt bei Kant noch schlicht und einfach Betrug (Kr.d.r.V., S. 395).
Im Futur II, im „Es wird gewesen sein“, klingt das „was wird schon gewesen sein“: die enttäuschte Erwartung, nach. Hier wird die Wurzel des Herrendenkens sichtbar: es gründet in der Verzweiflung (die die Wurzel des Neutrums ist, des Objektbegriffs: des Staubs, aus dem Adam ward, und zu dem er wieder werden wird, und von dem die Schlange sich nährt).
Der Vertrag bedarf des Schwures und der damit verbundenen Einrichtungen: des Tempels, der Religion, des Opfers und des Priestertums, während das Testament an den Tod anknüpft.
Trotz des Satzes „Niemand hat eine größere Liebe, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“ war der Kreuzestod kein Heldentod. Obwohl der Heldentod, der die Greuel des Krieges, die den Heldentod begründen, hinter sich verbirgt, sie unsichtbar macht, in der Tradition der christlichen Kreuzestheologie begründet ist (was ein bezeichnendes Licht auf die zentrale Bedeutung des Kreuzestodes in der deutschen Nachkriegstheologie wirft). Hier liegt zweifellos einer der Gründe, weshalb innerkirchlich die Aufarbeitung der Vergangenheit so schwer fällt: die Lösung liegt zu nah. Voraussetzung einer solchen Aufarbeitung wäre in der Tat der Bruch des Tabus, das über dem Heldentod liegt, seine Lösung vom Kreuzesparadigma: die Kritik seiner christlichen Prämissen. Ist nicht der Kreuzestod Jesu die offene Wunde der Geschichte, und die Opfertheologie – als Versuch, die offene Wunde durch Verdinglichung und Instrumentalisierung zu schließen – der blasphemische Kern der christlichen Tradition, nicht mehr nur Produkt der enttäuschten Parusieerwartung, sondern deren Hintertreibung?
Weltkrieg (dessen Name die transzendentallogische Einheit von Welt und Krieg aufs genaueste bezeichnet), Heldentod und Auschwitz bezeichnen den Kulminationspunkt einer bis heute nicht aufgearbeiteten Theologie.
Volk als Schicksalsgemeinschaft ist die Gemeinschaft einer Mordgesinnung, die glaubt, sie könne nicht haftbar gemacht werden. (Dieser Satz löst das Rätsel des Begriffs der „Volkspartei“.) Gilt das gleiche auch für „Bekenntnisgemeinschaften“? Sind nicht Bekenntnisgemeinschaften ebenfalls Schicksalsgemeinschaften? Aber die Differenz zwischen Volks- und Bekenntnisgemeinschaften ist ablesbar an der Differenz zwischen Antisemitismus und Antijudaismus: Das Schicksalhafte des Volks gründet im Biologischen, das des Bekenntnisses in einem Akt, der die Zustimmung per definitionem mit einschließt. Das Volk ist durch Gründung der Gemeinschaft im Blutprinzip antisemitisch; durchs Blutprinzip tritt das Volk in wütende Konkurrenz zum auserwählten Volk.
Müßte der Satz „Ich bin das A und das O (das Alpha und das Omega), der Erste und der Letzte“ (Apk 18, 216, 2213) wegen seines Ursprungs im Hebräischen nicht auf das Aleph und das Taw bezogen werden? Und hängt das mit dem et (dem Akkusativ-Partikel und dem mit) und dem at (dem femininen Du), in dem beide Buchstaben vereinigt sind (die nach kabbalistischer Auffassung das ganze Alphabet, die ganze Schrift, in sich befassen) zusammen? Haben die Griechen das thet und taw durch das Omikron und das Omega (beiden entspricht das hebräische waw) ersetzt: die beiden Verschlußlaute als Grenzbuchstaben durch zwei Vokale? Hängt das damit zusammen, daß die hebräische Sprache eine Sprache im Angesicht, die griechische eine Objektsprache ist (was die christliche Theologie nicht von der Gottesfurcht, der Umkehr und der Nachfolge suspendiert)? -
26.05.93
Es gibt keinen Naturbegriff ohne die Vergegenständlichung der Vergangenheit. Beide, Natur und Vergangenheit, haben das gemeinsam, daß sie sind, wie sie sind, und sich nicht ändern lassen. Die Gesetze der Natur entziehen sich wie die Vergangenheit dem ändernden Eingriff.
Im Sohar, S. 182, heißt es: „Im Zeichen Jot erschuf er die künftige Welt.“ – „Aber eher werden Himmel und Erde vergehen, als daß auch nur der kleinste Buchstabe im Gesetz wegfällt.“ (Lk 1617)
Grundlage einer Kritik des Organismus ist dessen Beziehung zum Prozeß der Objektivierung und Instrumentalisierung, der zusammengehalten wird durchs Prinzip der Selbsterhaltung (dem Äquivalent des Inertialsystems).
Muß nicht der Hegelsche Satz, wonach die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, ein wenig korrigiert werden: Sind nicht die Erzeugung der Armut und des Pöbels bereits die Grundlagen des bürgerlichen Reichtums?
Hängen die Träume des Mundschenks und des Bäckers und ihre Folgen in der Josefs-Geschichte mit den Träumen des Pharao und deren Folgen zusammen? Wird die Josefs-Geschichte nicht ohnehin mißverstanden, wenn man sie nur unter dem Karriere-Gesichtspunkt (dem Staunen darüber, was aus Josef doch geworden ist) sieht?
Die wichtigsten Jünger waren Fischer: Ist die Opfertheologie der Köder, mit dem die Völker aus dem Meer geangelt wurden?
Ist nicht die Form der äußeren Anschauung eine Emanation der inneren Anschauung (und zusammen mit den darunter befaßten Begriffen, Gesetzen und Erscheinungen ein Kopfprodukt), steht sie nicht unter dem Gesetz der Form der inneren Anschauung (des verschlossenen rechten Auges, das dann auch das linke erblinden läßt)?
Die Gehorsamsforderung der Kirche treibt aus dem Hören das Denken aus: macht die Gläubigen taub.
Mit der Definition der Wahrheit als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand wurde die Wahrheit ans Urteil gebunden. Daraus ist der Schein entsprungen, sie sei dekretierbar. Damit aber wurden zugleich die Abwehrmechanismen als Mittel der Desensibilisierung ins Wahrheitsverständnis mit eingebaut, mit den fürchterlichen Nebenwirkungen der Dogmengeschichte, deren letzte die Definition der Unfehlbarkeit des Papstes war, eine notwendige Konsequenz aus dem dezisionistischen Wahrheitsverständnis. Mit der Bindung ans Urteil wurde die Wahrheit zu einem Teil des (durch den Weltbegriff abgesicherten) Herrendenkens: Prophetie als Herrschaftskritik wurde neutralisiert (und als vergangenes Herrendenken auf die Juden bezogen: und so zu einem Teil des kirchlichen Antijudaismus).
Urteile werden gefällt: Objekte fallen unter den Begriff. Ist der Objektbegriff der Abgrund der Philosophie?
Wurde nicht mit dem Unfehlbarkeitsdogma der kirchliche Autismus besiegelt, dessen jüngstes Produkt der neue „Welt“-Katechismus ist?
Beginnt nicht die Fähigkeit zu sehen und zu hören überhaupt erst mit der Übernahme der Sünden der Welt? Die Übernahme der Sünden der Welt befreit vom Zwang der Projektion.
Ist die mittelalterliche Dämonenlehre (z.B. die zum Hexensyndrom gehörenden Vorstellungen von den incubi und succubi) eine durch Spiritualisierung und Personalisierung entstellte Form der Kritik der politischen Ökonomie?
Das Wiederanknüpfen an die prophetische Tradition ist nur möglich durch die Selbstreflexion der philosophischen Tradition hindurch. Darauf verweist das Wort: Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben (enthalten die Symbole der Schlange und der Taube nicht auch die Konnotationen des Männlichen und Weiblichen?).
Das jesuanische „Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“ ergibt sich zwanglos aus der Verknüpfung der deuteronomischen Steinigungsregelung mit dem achten Gebot (Dt 520 und 175ff : den ersten Stein werfen die anklagenden Zeugen; vgl. hierzu auch die Steinigung des Stephanus in der Apostelgeschichte 758).
Die Kirche hat seit je versucht, dem Glauben durch die Bindung ans autoritäre Urteil die Form des Wissens zu geben (bis hin zur „Offenbarung der Trinitätslehre“ im neuen Katechismus). Den Nebeneffekt, daß er so in ein Herrschaftsmittel verwandelt wurde, hat sie aufgrund ihrer Verblendung durch Herrschaft zwar gerne genutzt, aber nicht wahrgenommen. In dieser Verblendung gründet die Beziehung der Theologie zum historischen Objektivationsprozeß, aber auch ihre Hilflosigkeit dagegen: ihre zutiefst zweideutige Beziehung zur Geschichte der europäischen Aufklärung.
Der Weltbegriff ist ein Instrument der Sprachregelung und der Abschirmung der Sprache gegen Reflexion. Hier liegt die Bedeutung des Wittgensteinschen Satzes „Die Welt ist alles, was der Fall ist“. Es wäre sicher nicht uninteressant, die Wittgensteinschen Reflexionen auf den Katechismus anzuwenden, insbesondere den Satz „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen“. (Kommt eigentlich im Tractatus logico-philosophicus Wittgensteins der Naturbegriff vor?)
Wenn man von der Erwähnung der Naturwissenschaften absieht, kommt der Begriff der Natur in Ludwig Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“ nur in der Zusammensetzung „Natur des Gegenstandes“ (in einer erläuternden Klammer zu Tz. 2.0123) vor. Der Traktat führt den strengen Nachweis, daß eine reine Weltphilosophie (als reine Selbstzerstörung des Namens) auf eine reine Tautologie hinausläuft.
Ist nicht das Präfix ge- ein Instrument der Perfektbildung; aber was bedeutet das für Begriffe wie Gemeinschaft (Gemeinheit), Gesellschaft (Geselle, gesellig)? Und wie hängen die Präfixe ge-und be- zusammen (gekannt, bekannt; gelehrt, belehrt)? Entspricht nicht die Beziehung der Präfixe ge- und be- der quasiorthogonalen Beziehung von Innen und Außen, der inneren und äußeren Anschauung (s. den Begriff des Begriffs: wenn ich in einem Gegebenen ein Gewußtes wiedererkenne, begreife ich es; keine Begriffe ohne Erinnerung, kein be- ohne ge-)?
Die Naturwissenschaft geht von der Homogenität des Raumes, die Geschichtswissenschaft von der der Zeit aus: Beide sind durchs Gesetz der Orthogonalität (durch wechselseitige Verdrängung) mit einander verbunden.
Das letzte Dezennium vor der Ersten Weltkrieg: die heroische Phase der Moderne. -
23.05.93
Wenn das „natürliche Sittengesetz“ (vgl. Z. 1958f) unveränderlich ist (und das unterstellt schon das Adjektiv „natürlich“), dann ist Erlösung unmöglich: dann gibt es zum Staat und zu dieser Welt keine Alternative.
Z. 1968: „So hat er das Kommen Christi vorbereitet“: Klingt das nicht eher nach dem Organisationskonzept einer Konzertagentur, als nach einem Akt der göttlichen Vorsehung?
Was heißt es eigentlich, daß „der Menschensohn auch Herr über den Sabbat“ ist (Mk 228)?
Z. 2302: „Zorn ist ein Verlangen nach Rache“. Diese Definition ist nicht nur falsch, sie ist antisemitisch. Sie unterschlägt die Differenz zwischen Wut und Zorn und die Beziehung des Zorns zur Liebe.
Zum Titel „Friede“ (Z. 2302ff): Es gibt auch objektive Verhältnisse, die von denen, die deren Opfer sind, als Rachewunsch, als Haß, erfahren werden. Nicht immer (und heute weniger denn je) hängen Friede und Gerechtigkeit von personalisierbarem guten Willen ab. Das „sie wissen nicht, was sie tun“ hat heute eine beängstigende Aktualität (im Staat wie in den Kirchen); sie wird umso beängstigender, je mehr sie geleugnet wird.
Der Lieblosigkeit der Ausführungen über die Liebe entspricht die Einsichtslosigkeit in die Verstrickungen auch der Kirche in den gesellschaftlichen Prozeß. Das Gegenmittel wäre zu entwickeln aus dem achten Gebot: Das „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten“ ist im Prozeß der Verweltlichung der Welt zu einem Erkenntnisprinzip, zu einem Teil der Idee der Wahrheit selber, geworden: das einzige Mittel zur Auflösung des Banns. Erkenntniskritik ist zu einem Mittel geworden, der Gesetzmäßigkeit der Lüge auf die Spur zu kommen.
Die „Reinheit des Herzens“ (Z. 2518ff) hat mit der Übernahme der Sünden der Welt (und mit Herrschaftskritik) zu tun, während der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs die Idee der Reinheit des Herzens zur Unkenntlichkeit entstellt, wenn er – durch die Logik des Weltbegriffs – sie als einen Begriff der Sexualmoral zu begreifen gezwungen ist (die kirchliche Sexualmoral konnte die entsetzliche historische Bedeutung nur gewinnen, nachdem mit der Idee einer „Entsühnung der Welt“ die Welt und mit ihr ihr Daseinsgrund: die Institutionen der Herrschaft, der Kritik entzogen wurden; zwangshaft reproduziert deshalb der neue „Welt“-Katechismus das autoritäre Syndrom).
Der Eindruck, daß der Katechismus nur lieblos von der Liebe, von der Sexualität, von der „Natur des Menschen“ – um von dem eigentlich theologischen Bereich zu schweigen – redet, hängt mit dem ungeklärten Weltbegriff zusammen.
Diese Katechismus erinnert nicht zufällig an die Trümmerlandschaften nach dem Kriege.
Der Katechismus ersetzt die benennende Kraft der Sprache durch ihren Schein: die ernennende Gewalt der Autorität (ähnlich wie er die erkennende Kraft des Namens durch die bekennende Gewalt aller über alle ersetzt). Der Name des Goebbelsschen Ministeriums („Propaganda“) ist nicht zufällig kirchlichen Ursprungs. Die hierbei von der Kirche benutzte tabuisierende Gewalt des Begriffs des Heiligen, die selber bereits antijudaistisch war, ließ sich dann über das beliebig anzuheizende, Mordlust erzeugende Grauen vor den „Juden“ antisemitisch instrumentalisieren.
Natur als Inbegriff des Andersseins ist durch den Tod vermittelt (Grund der „Todesangst“ von Getsemane: der Schweiß des Angesichts aus Gen 319 wird hier zu Schweiß und Blut).
Die Begriffe Natur und Materie sind ohne Antisemitismus, Fremden- und Frauenfeindschaft nicht zu halten.
Kommt der unsäglich erbauliche Ton (Verletzung der biblischen „Nüchternheit“) nicht daher, daß die an sich prophetische Wahrheit in die indikativische Dingsprache zurückübersetzt wird (Grund des Dogmatismus)? Durch den Indikativ wird das, was (wie die Idee des Ewigen) jeder Vergangenheit sich entzieht, unter die Vergangenheit subsumiert, ihrem Gesetz unterworfen, damit aber neutralisiert und entmächtigt. (Vgl. Mt 2327: Wehe auch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler: Ihr seid wie die Gräber, die außen weiß angestrichen sind und schön aussehen; innen aber sind sie voll Knochen, Schmutz und Verwesung.) Die Sprache des Katechismus ist die „fachidiotische“ Sprache derer, die sich von Berufs wegen damit befassen müssen, aber die Sache selbst um keinen Preis an sich herankommen lassen dürfen.
Was im neuen „Welt“-Katechismus zur Trinitätsspekulation verkommt, war einmal nur die verdinglichte Beschreibung der Umkehr. Die Übersetzung metaphorischer Namen in Begriffe ist in einer Logik und in einem System vermittelt, dessen Hypostasierung das Objekt der Trinitätslehre ist. Es war der Weltbegriff, der (vermittelt durch den Natur- und Objektbegriff) die Begriffe von ihrem metaphorischen Sprachgrund getrennt hat.
Das Urteil ist das gekreuzigte Wort.
Hängt der Gottesname „Vater“ (dessen patriarchalische Konnotationen heute nicht mehr verdrängt werden sollten) mit der Übernahme der Sünden der Welt zusammen (wie der Vatername mit dem Begriff der Schuld, der der Mutter mit dem der Sünde)? Ist er nur der Name eines Äons?
„Unser tägliches Brot gib uns heute“ – aber nicht unseren täglichen Wein?
Es gibt keinen Begriff ohne Empörung: jeder Begriff ist durch seinen Objektbezug über der Sache. Die „Natur der Dinge“ ist der Inbegriff ihres Andersseins. In der Erkenntnis des Andersseins (der „Natur“) der Dinge und als dessen Legitimation bildet sich der Weltbegriff.
Der Freudsche Mythos von der Ermordung des Urvaters durch die Brüderhorde (der in dem christlichen Gottesnamen „Vater“ nachklingt) ist ein wesentlicher Beitrag zur Erklärung des Antisemitismus.
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