Aristoteles

  • 26.02.94

    Ez 23 und 24:
    – Die Hurerei mit Assur ist real, die mit Babylon läuft über das Bild an der Wand.
    – Was bedeutet in 24 das Blut auf dem Felsen (das nicht im Sand versickert und nicht vom Staub bedeckt wird) als Symbol der Blutschuld. Hat es etwas mit dem nt’lichen Bild vom Haus auf dem Felsen, im Gegensatz zum Haus im Sand, zu tun? Ist die Kirche der Fels der Blutschuld, und hat der Fels etwas mit der Leugnung zu tun? Ist die Leugnung der Grund, auf den das Haus gebaut ist, und der Fels das steinerne Herz der Welt?
    Das Ende des „Stern der Erlösung“ enthält den entscheidenden Einspruch gegen die Gnosis: Nicht die Erkenntnis ist die Erfüllung, sondern das Leben, das durch Erkenntnis ermöglicht wird. Gibt es für die Idee der seligen Anschauung Gottes, dessen Ursprung wahrscheinlich die aristotelische theoria ist, einen biblischen Beleg? Das Neue Jerusalem bedarf der Sonne nicht mehr, weil Gott selbst die Stadt erleuchtet; aber er erleuchtet die Stadt, er wird nicht selber angeschaut. Ist die Idee der seligen Anschauung Gottes, wenn sie von ihrem telos, vom richtigen Leben, getrennt wird, der Kern der Sünde der Welt, die Kraft, die das Herz versteinern macht? Wie verhält sich das zu 1 Kor 1312: „Wir sehen jetzt mittels eines Spiegels in rätselhafter Gestalt, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich völlig erkennen, wie auch ich völlig erkannt worden bin.“?
    Kann es nicht sein, ja ist der Gedanke nicht geradezu logisch zwingend, daß, wenn es einem Pfarrer gelungen wäre, den Oskar Schindler zur kirchlichen Sexualmoral zu bekehren, er seine Tat nicht hätte vollbringen können?
    Was hat es eigentlich mit der Hallstimme auf sich (die auch im NT sich findet), und seit wann gibt es sie nicht mehr?

  • 03.01.94

    Welt und Natur sind die elliptischen Brennpunkte des Herrschafts-, Schuld und Verblendungszusammenhangs.
    Der Rechtspositivismus macht den Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, zu einem Rechtsprinzip.
    So wird auch das Dogma zum Feigenblatt, zum Alibi, das die Sünden zudeckt, wenn man es als Dogma versteht, wenn man es aus dem Kontext der Umkehr herauslöst: durch Positivismus. Im Kontext der Umkehr jedoch sind der Satz, daß Gott die Welt erschaffen hat, wie auch die Opfertheologie nicht mehr zu halten.
    Wenn es von Propheten heißt, Gott habe sie vom Mutterleibe her berufen, hat das dann etwas mit der realsymbolischen Beziehung der Gebärmutter zur Barmherzigkeit zu tun? Welche Bedeutung hat dann die Radikalisierung des Symbols, wenn Jesus vom Heiligen Geistes empfangen ist?
    Ist die Redensart, daß „gut gemeint“ eine Steigerung von gemein ist, christlichen Ursprungs, Produkt der Bekenntnislogik, wonach das Erwischtwerden schlimmer ist als die Tat? Bezieht sich nicht hierauf das Wort am Kreuz: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun? Und hängt das Sakrament der Buße nicht mehr mit diesem Wort (nämlich als Einübung in diesen Satz) als mit dem Satz vom Binden und Lösen zusammen? Sündenvergebung ohne Umkehr ist keine. Das andere Wort: Denen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen, ist mehr als eine administrative Ermächtigung.
    In der Vorstellung einer unendlichen Vergangenheit wird das Nichts zitiert, daß mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit Macht über die Zukunft gewinnt.
    Hängen die drei Bücher des ersten Teils des Sterns der Erlösung (Gott, Mensch, Welt) nicht mit den drei Dimensionen des Raumes zusammen, haben sie darin nicht ihren empirischen Grund?
    Der Säkularisationsprozeß und der historische Objektivationsprozeß beginnt mit der Trinitätslehre und der Opfertheologie, er endet mit den subjektiven Formen der Anschauung Kants.
    Treibt Jesus nicht zusammen mit den Geldwechslern auch die Taubenhändler aus dem Tempel? Sie gilt nicht nur der Herrschaft des Tauschprinzips allgemein, sondern insbesondere der Subsumtion des Heiligen Geistes unters Tauschprinzip.
    Physik: Die Identifizierung der Außenwelt mit der gemeinsamen stummen Innenwelt aller.
    Kant und die Metaphysik: Ist nicht der aristotelische Gott bei Kant zum transzendentalen Subjekt, ins Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können, zusammengeschnurrt? Hegel hat versucht, ihn wieder daraus hervorzuzaubern, während Gott in der kantischen Philosophie (im Kontext von Unsterblichkeit und Freiheit) auf die jüdisch-christliche Tradition zurückweist (die Hermann Cohen dann darin auch wiedererkannte).
    Bezeichnet der Turm von Babel, der bis an den Himmel reicht, nicht einen sprachlichen Sachverhalt: das Konstruktionsprinzip der indogermanischen Grammatik, in der die Vergangenheit Macht über die Zukunft gewinnt (Bedingung der Bildung des Neutrum, das in der Schrift durch die Schlange symbolisiert wird)? Verweist die Ziegelherstellung (wie später im Sklavenhaus Ägypten) auf diese Neutrumsbildung?
    Israel kommt aus Ägypten. Aber zu dieser Herkunft gehört der Exodus und der Durchzug durchs Rote Meer (auch ein Sprachsymbol?).
    Wird Gott die Toten erwecken, wenn es uns gelingt, ihn zu erwecken?

  • 21.12.93

    Wie es scheint, ist von der gesamten theologischen Tradition nur die Sohn-Gottes-Theologie übriggeblieben: der letzte Statthalter des Absoluten in der Theologie, Garant der Exkulpation ohne Umkehr. Welche Rolle spielt hierbei der Umstand, daß sich in dieser Theologie alle Herren als allmächtige Väter fühlen können (sie alle haben ihn gezeugt)? Nichts komischer (aber auch nichts entsetzlicher) als die Vorstellung, Jesus sei in die Welt gekommen um zu verkünden, er sei der Sohn Gottes. Ist die Sohn-Gottes-Theologie der Abfalleimer der verworfenen Tradition?
    Kafkas Landarzt: „Einmal dem Fehlleuten der Nachtglocke gefolgt, es ist nicht wieder gutzumachen“. Eine Allegorie des Christentums?
    Was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein: die präziste Bestimmung der metaphysischen Bedeutung des Objektbegriffs, zu dessen letzten theologischen Emanationen die Sohn-Gottes-Theologie gehört.
    Die biblischen Gebote sind keine absoluten Gebote: Zu dem „Macht euch die Erde untertan“ gehört das „Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist“.
    Ist nicht die nach dem Vaticanum II erfolgte Verwerfung der Tradition die Besiegelung der Kapitulation vor dem naturwissenschaftlichen Erkenntnis- und Weltverständnis, in deren Kontext der theologische Rest (und seine unterschiedlichen Ausprägungen) allein verständlich wird?
    Gibt es nicht eine verblüffende Parallele zwischen dem Generationenwechsel in der Lehrerschaft durch den Ersten Weltkrieg und dem Generationenwechsel in der Theologie nach dem Zweiten Weltkrieg?
    Wollte man die Grenze des Sterns der Erlösung bestimmen, müßte man von der Ausblendung des Sündenfalls und der Apokalypse ausgehen (aber war das nicht die Grundlage der Buber-Rosenzweigschen Zusammenarbeit?).
    Hängt die Logik der Vergöttlichung des Opfers (und der Ursprung des modernen Naturbegriffs) mit der Geschichte der Beziehung von Kausalität und Teleologie zusammen? Der aristotelische Kompromiß: die Neutralisierung des Widerspruchs zwischen Kausalität und Teleologie, war die Grundlage seiner Metaphysik. Nur so konnte Gott zugleich als die noesis noeseos und als der Erste Beweger begriffen werden. Im Rahmen dieses Konzepts war es unmöglich, einen dem Trägheitsgesetz entsprechenden Begriff der Bewegung zu definieren. Die Entwicklung dieses Begriffs in der Spätscholastik (unter dem Druck frühkapitalistischer Strukturen in der Gesellschaft) hat die aristotelische Tradition gesprengt und die Grundlage gelegt für die Transzendentalphilosophie Kants.

  • 12.04.93

    Apologetik ist ein Teil des richtenden und das Gegenteil des verteidigenden (parakletischen) Denkens. Heute erstickt die Kirche an ihrer Apologetik.
    Wenn die geschlechtliche Vereinigung das Sterben in die Gattung hinein (die „Begattung“) bedeutet, ist dann nicht das Bekenntnis Unzucht?
    Die Schuld am Schuldverschubsystem und die Sünde am Herrendenken demonstrieren heißt, beide aus der kausalen Verknüpfung herauslösen und insbesondere die Sünde aus ihrem Ursprung: der Trennung, der Abstraktion, dem Urteil, begreifen.
    Zwei Ziele der Theologie:
    – den Satz „Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein“ und
    – das Wort von der Weisheit und dem Verstand im Kontext des Rätsels von der Zahl des Tieres (666)
    endlich begreifen. Den Rebus, das Bilderrätsel, der Apokalypse lösen.
    Der real existierende Sozialismus ist der Verführung der Logik des Schuldverschubsystems, der Unschuldsfalle, zum Opfer gefallen.
    Wer die Sündenvergebung von der Übernahme der Sünden der Welt (das Bekenntnis von der Nachfolge) trennt, verhält sich blasphemisch: er usurpiert das Gericht, dem er damit verfällt.
    Die Kirche hat die Wahrheit zum Dogma neutralisiert. Heute treffen sich die Positivisten auf eine nachgerade selbstzerstörerischen Weise: der naturwissenschaftliche, der Rechtspositivismus und der katholische Positismus.
    Der Objektivierungsprozeß hat die Welt restlos instrumentalisiert. Hat dieser Prozeß jetzt nicht eine unüberschreitbare Grenze erreicht? Was passiert jenseits dieser Grenze?
    Kant hat das aristotelische Materie-Form-Problem soweit radikalisiert, daß er auch die Materie als ein Formproblem begreift. Auch die Materie ist noch polarisiert worden: in die Objektvorstellung, die ins Apriori der transzendentalen Logik mit hereingenommen wird (als Grundlage der synthetischen Urteile apriori), und das Gegebene der Empfindungen. Die Empfindungen verhalten sich zur transzendentalen Logik wie die Rohstoffe zu ihrer industriellen Verarbeitung (oder wie die Dritte zur Ersten Welt, zur Metropole). Lenin hatte schon bemerkt, daß auch das Proletariat zum Agenten des Imperialismus geworden ist, aber er hat die Konsequenzen daraus nicht mehr begriffen.
    Die Kirche, deren Stifter einmal gesagt hat, „wer von euch ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein“, ist selber zu einer Horde von Steinewerfern geworden.

  • 26.02.93

    Erinnert nicht das Verhältnis der Kopenhagener Schule zu Einstein an die Beziehung von Hegel zu Kant? In beiden Fällen wird die Systemkritik als Motor des Systems ins System zurückgenommen und integriert, das kritische Moment herausgebrochen.
    Der Gott der Philosophen ist nicht der Gott der Offenbarung. Wenn man versucht, beide mit allen Konsequenzen zu harmonisieren, kommt der Islam dabei heraus.
    Dein Wille geschehe, fiat voluntas tua: Wie heißt und welche genaue Bedeutung hat das griechische Verb, das hier mit „geschehen“, „fieri“ übersetzt wurde? – „Genätäto to teläma sou“ (Mt. 610: von ginomai, werde geboren, entstehe, werde erfüllt, getan). Wenn aus dem ginomai das Tun herausgebrochen wird, entsteht genau das, was die Christen immer in den Islam hinprojiziert haben (zusammen mit der nur kriegerischen Interpretation des jihad): die Unterwerfung unter den Willen Gottes anstelle des Tuns. Ist hier nicht eines jener Beispiele, an denen sich (wie an den Begriffen Welt und Natur) nachweisen läßt, welche Folgen die Übersetzung der Philosophie und der Theologie aus dem Griechischen ins Lateinische gehabt hat?
    Was ist das movens der Ursprungsgeschichte des Römischen Reiches? War nicht so etwas wie ein sprachlich-logischer Zwang mit darin enthalten, der sich aus dem Übergang von der heidnischen Idolatrie (vgl. die römische Religion, ihren Unterschied zur griechischen) zur Aufklärung und zur Installation des Weltbegriffs herleiten läßt? Ist hier nicht der Ort des aristotelischen „Ersten Bewegers“, der noesis noeseos; und muß hier nicht daran erinnert werden, daß Alexander ein Schüler des Aristoteles war? Lag nicht der Keim der Orientalisierung der griechischen Philosophie im Hellenismus in der inneren Tendenz und Logik dieser Philosophie selber?
    Das ex nihilo in der philosophisch-theologischen Schöpfungslehre ist mit der Einführung der Null in die Mathematik (im Kontext des Ursprungs der doppelten Buchführung und des Inertialsystems) gegenstandslos, obsolet geworden; es hat nur noch niemand bemerkt. An dem Unvermögen, das zu begreifen, ist die nachislamische kirchlich-christliche Theologie (Grund des Universalienstreits) zugrundegegangen.
    War nicht die Nazizeit eine Zeit der Einübung in das Heulen mit den Wölfen?

  • 06.11.92

    Für Sodom und gegen die Engel Jahwes: Sind es nicht die gleichen (nur jetzt zwei anstatt vorher drei) „Männer“, die von Abraham mit großer Gastfreundschaft aufgenommen wurden, den Bund mit ihm schlossen und ihm den Erben und die zahlreiche Nachkommenschaft ankündigten?
    Jericho und Sodom haben mit dem Stammbaum Jesu zu tun, und zwar beide über Frauen, über Rahab und Ruth (die als Moabiterin an die Lot-Geschichte erinnert). Aus Gibea stammt der erste König Israels, Saul; sein Namens-Nachfahre, Saulus/ Paulus, war ein Benjaminiter.
    Sind der neue Himmel und die neue Erde die alten nach ihrer Befreiung von der Welt?
    Die Fremdenfeindschaft, die Xenophobie, ist der Preis für die Zivilisation, und jede Fremdenfeindschaft ist im Kern antisemitisch (inverse Identität von Hebräern und Barbaren).
    Der systematische Quellpunkt des Stern der Erlösung hat etwas mit dem systematischen Kern der Kritik der reinen Vernunft zu tun: er entspringt dem Problem der Ableitung der Dreidimensionalität des Raumes, das bei Kant im Zusammenhang mit der Benennung der drei Strukturelemente der Zeit: Dauer, Folge und Zugleichsein, anklingt. Das transzendentallogische Kausalitätsprinzip, die Verknüpfung von Ursache und Wirkung, erinnert nicht zufällig an das theologische Verhältnis von Sünde und Schuld.
    Der christlogische Naturbegriff, die Vergöttlichung des Opfers, ist das zentrale Element der Nachfolgevermeidungsstrategie, die er durch die Nutzung des Privilegs der Opfer, durch die theologische Honorierung des Selbstmitleids (Grund der christlichen Seelenvorstellung), fast unaufhebbar in das Bewußtsein der Zivilisierten eingesenkt hat. Diese Beziehung zum Opfer macht den durch den Weltbegriff abgesicherten Objektbegriff, Grund des verdinglichten Bewußtseins, fast unangreifbar.
    Daß das neutestamentliche Lösen sich auf einen Knoten bezieht, der nicht nur geknüpft, sondern zusätzlich auch noch durchschlagen wurde (Alexander und der gordische Knoten), macht die Sache so ungeheuer schwierig. Das Schwert, mit dem dieser Knoten durchschlagen wurde, war das Schwert des Urteils, des Begriffs, abgeschirmt durch die zugleich entspringende Gewalt des Weltbegriffs, begründet in dem bis heute unaufgeklärten Konnex von Kosmologie und Herrschaft (Alexander war Aristoteles-Schüler); und was hier durchschlagen wird, ist die benennende Kraft der Sprache, die Gewalt des Namens: ihre Neutralisierung durch die Trennung von Begriff und Objekt. Erst der durchschlagene Knoten hat das Herrendenken von seinen vorweltlichen („asiatischen“) Verstrickungen befreit, um den Preis der Verinnerlichung des Schicksals, Erbe der griechischen Philosophie seitdem. Hegels Philosophie ist die gewaltige Rekonstruktion dieses Knotens, allerdings nicht seine Lösung. Denkmal der Durchschlagung des Knotens ist neben dem Geld die Geometrie (seit der griechischen „Entdeckung“ des Winkels), in der Moderne erweitert durch das systembegründende Inertialsystem und die Infinitesimalrechnung, und durch das Prinzip der Lohnarbeit (die Inertialisierung des Tauschkontinuums: gesellschaftlicher Grund des naturwissenschaftlichen Materiebegriffs).
    Indem Kant alle Erkenntnis an die subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere an die der äußeren Anschauung, bindet, verhindert er selber die Erkenntnis der Dinge an sich, zugleich aber benennt er damit auch das Hindernis, das der Erkenntnis der Dinge an sich seitdem im Wege steht. Von diesem „Hindernis“ macht das moderne Bewußtsein einen ebenso unverschämten wie selbstmörderischen Gebrauch (Zusammenhang mit der Funktion des Weltbegriffs).
    Bezieht sich das Orakel über den gordischen Knoten auf die Herrschaft über Asien? Was bedeutet dann hier der Name Asien (ist er gleichbedeutend mit dem Namen Orient)? Was immer Kaiser Wilhelm, Max Horkheimer und Erich Nolte sonst unterscheiden mag, eines war ihnen gemeinsam: die Angst vor der „asiatischen Gefahr“. Wie hängt das zusammen mit den asiatischen Gestalten des Mythos und der Offenbarung bei Rosenzweig: mit Indien, China und dem Islam? Und wie hängt das auf der anderen Seite zusammen mit der ungelösten Frage der „indogermanischen Sprachen“ (deren innergrammatische Herrschaftsstruktur Indien und Europa in eine gemeinsame Beziehung gegen die „altorientalische“ Geschichte und Kultur rückt)?

  • 24.10.92

    Zu der Meldung, daß die Entscheidung des Bundespräsidenten über das Gnadengesuch für Bernd Rössner um 18 Monate verschoben/vertagt wurde, daß Bernd Rössner aber am 17.11. aus der JVA Kassel mit der Auflage, sich einer Therapie zu unterziehen, entlassen wird, einige Fragen:
    – Wie ist die Auflage hinsichtlich der Therapie zu verstehen: Wird R. in eine vorbestimmte Anstalt eingewiesen, hat er ggf. dieser Einweisung selber zugestimmt (wenn ja, unter welchen Bedingungen), oder kann er frei bestimmen, welche Therapie er selber für richtig und wirksam hält, hat er die Möglichkeit, sich selbst einen Therapeuten seines Vertrauens zu wählen?
    – Im Falle der Einweisung in eine Anstalt (ohne eigene Entscheidungs- oder freie Zustimmungsmöglichkeit): Setzt das nicht die Feststellung der Unmündigkeit, damit aber der Haftunfähigkeit voraus? Ist diese Haftunfähigkeit eine Folge der Haft, oder hat sie schon vorher bestanden, wenn ja: seit wann? Wer ist ggf. dafür verantwortlich, daß R. trotz Haftunfähigkeit in Haft gehalten worden ist?
    – Die Tatsache, daß ein Gnadengesuch für R. beim Bundespräsidenten vorlag und mit festen Terminvorstellungen dort in Bearbeitung war, war seit langem bekannt. Dieses Verfahren wurde durch eine „überraschende“ Entscheidung des OLG Düsseldorf in einer Weise unterlaufen und in Frage gestellt, die in der Öffentlichkeit als eine Brüskierung des Bundespräsidenten verstanden wurde und so verstanden werden muß, wenn, wie es die Meldungen nahelegen, die Entscheidung des OLG ohne vorherige Abstimmung mit dem Herrn Bundespräsidenten getroffen wurde. Es mag sein, daß keine rechtliche Pflicht zu einer solchen Abstimmung besteht; es bleibt aber die Frage, ob diese Form des öffentlichen Umgangs mit dem höchsten Amt im Staate, der Eingriff in ein beim Bundespräsidenten laufendes Verfahren, nicht die Loyalitätspflichten berührt, denen nach meinem Verständnis auch ein Senat eines OLG unterworfen ist. Mehr noch: dieses Verhalten des OLG wirft ein Licht auf sein Staatsverständnis, das man nicht ohne Erschrecken zur Kenntnis nehmen kann. Ist es nicht der Fall eines in dem Rechtsverständnis unserer Staatsschutzinstitute begründeten Verfassungskonflikts, der unter dem Stichwort Recht und Gesetz nicht zu lösen ist, vielmehr deren dunkle Gründe offenlegt: das auch in der Verfassung ungelöste Problem der Souveränitat, dessen Begriff nicht zufällig sowohl den Grund der Staatsautorität wie auch die Freiheit der Vernunft von den Zwängen, in die sie durch Unfähigkeit zur Schuldreflektion sich verstrickt, bezeichnet. Ist dieser Konflikt nicht in dem gleichen positivistischen Rechtsverständnis begründet, ohne welches die Aufgabenstellung von Staatsschutzsenaten sich nicht definieren läßt, das aber von einem autoritären (und d.h. nicht souveränen) Staatsverständnis nicht zu lösen ist: Ist nicht ein Rechtsverständnis, das den Staat nur als positivistische Instanz der Rechtssetzung begreift, gezwungen, diesen Staat als nicht souveränes Institut anzusehen? Als ein Institut, das per definitionem jeder Schuldreflektion sich entzieht, deshalb nicht souverän sein kann? Deshalb müssen Staatsschutzsenate jedes Ansinnen an den Staat, sich durch Schuldreflektion als souverän (oder schlicht als vernünftig) zu erweisen, als Angriff auf den Staat, der mit allen Mitteln zu ahnden ist, ansehen und verfolgen, gleichgültig, ob dieses Ansinnen von der raf oder vom Bundespräsidenten ausgeht. Ich meine, die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, ob und in welcher Weise die von diesen Vorgang mit betroffenen Verfassungsorgane hierauf reagieren. Ich befürchte nur, daß dieser Staat sich weiterhin als einer der „unbegrenzten Zumutbarkeiten“ erweisen wird, wobei gegen Sonnemann vielleicht doch zu fragen bleibt, ob diese Zumutbarkeiten wirklich unbegrenzt sind, und ob sie nicht doch an eine Grenze stoßen, an der die letzten Bastionen der politischen Moral, ohne daß es noch einer bemerkt, fallen werden, an der die Welt wirklich zu allem wird, was der Fall ist.
    Weitere Bemerkungen:
    – 129a als Exerzierfeld zur Erprobung des Grundsatzes: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand;
    – funktioniert nur gegen Links, nicht gegen Rechts (obwohl hier die Realerinnerung an die größte terroristische Vereinigung, die es je in Deutschland gegeben hat, unabweisbar ist);
    – wie schnell war der Gesetzgeber (auf wessen Anregung?) bereit, den 129a zu erweitern, um Anschläge gegen Strommasten mit aufzunehmen; Anschläge gegen Menschen (dazu noch „Ausländer“) sind offensichtlich weniger gravierend;
    – ist der Angriff auf die moralischen Grundlagen des Gemeinwesens kein Angriff auf den Staat?
    – das Zeitalter des Antichrist wird das Gesicht eines Hundes tragen, aber muß das unbedingt im Staatsschutzbereich vorgezeigt werden?
    – Recht, Verknüpfung von Sünde und Schuld (Schuld und Sühne); Genesis des Faschismus, der Gemeinheit, rechtlich nicht zu fassen, weil subjektlos (Sünde der Welt); Zusammenhang mit der Genesis des Begriffs (äußerliche Erinnerung an die vergangene Tat, die den Täter im zum Namen gewordenen Begriff – „Dieb“, „Mörder“ – als Schicksal ereilt: Schuld als schicksals- und wesensbegründendes Identitätsprinzip), der Welt;
    – zum „Verständnis“ für diese Jugendlichen (überhaupt für die „Psychologie“ des Faschismus) gehört es, daß hier womöglich die einzige Stelle ist, an der der Staat aus Vernunftgründen gezwungen ist, mit jenem Zorn, deren nur die souverän gewordene Autorität fähig ist, zu reagieren.
    Erinnerungsarbeit begründet die eingreifende, zukunftseröffnende Kraft der Erkenntnis, hängt zusammen mit der inneren Struktur der Zeit (gegen die Metzsche Diskriminierung der Anamnese). Teil des Verhältnisses von Theorie und Praxis: Über die Kritik der mit dem Weltbegriff mitgesetzten Verblendung wird die Theorie zu einem Teil der Praxis. Der Weltbegriff, der endgültig mit der Philosophie und dem Römischen Imperium sich durchgesetzt hat (und spätestens seit der Konstantinischen Wende Theologie und Kirche beherrscht), hat seine Vorgeschichte (die durch Erinnerungsarbeit in die Kritik des Weltbegriffs mit aufgenommen wird); dazu gehören auf der einen Seite das, was die Schrift Idolatrie, Sternen- und Opferdienst nennt, andererseits aber auch Ursprung und Geschichte der politischen und ökonomischen Institutionen (insbesondere der Ursprung und die Geschichte der Stadt, des Königtums, des Handels und des Geldes) und die damit verknüpfte Sprachgeschichte. Gewinnt vor diesem Hintergrund vielleicht doch der Ursprung der indogermanischen Sprachen neues und ganz anderes Interesse (grammatische Ausdifferenzierung, insbesondere Ursprung des Futur II: Ursprung des objektivierenden, verdinglichenden Denkens, sprachliche Voraussetzung des Weltbegriffs)?
    Die Vorstellung von der Kirche als einer gesellschaftskritischen Institution bleibt bei einem äußerlichen Verhältnis von Kirche und Gesellschaft stehen. Das hängt zusammen mit
    – der Funktion des Weltbegriffs,
    – der ungeklärten (ebenfalls bloß äußerlich vorgestellten) Beziehung von Theorie und Praxis und
    – dem Verzicht auf die Idee einer eingreifenden Erkenntnis.
    Die Kirche wird zur gesellschaftskritischen Institution, wenn sie sich selbst als das steinerne Herz der Welt begreift und darüber erschrickt. Dazu ist sie aus dem gleichen Grunde geworden, den Metz heranzieht, wenn er auf die christlichen Ursprünge der Verweltlichung der Welt verweist. Das aber verweist darauf, daß und in welcher Form das Christentum in der Tat in den Säkularisationsprozeß verstrickt ist, daß dessen fehlendes Selbstbewußtsein in der kirchlichen Selbstverblendung begründet ist, und daß der Schlüssel zur Lösung in der Hand der Kirche liegt.
    Die Welt als Geschichte (Metz) wäre nicht nur auf die politisch-ökonomische Geschichte zu beziehen, sondern ebenso auf die der naturwissenschaftlichen Aufklärung (auch im Verhältnis zur Natur auf die innere Struktur des Weltbegriffs selber).
    Ist nicht der paulinische Gesetzesbegriff selber erst zu begreifen, wenn er aus dem Grunde der juristischen Verknüpfung von Sünde und Schuld begriffen wird. Denn das ist der Grund des Gesetzes im Recht wie in den Naturwissenschaften (in denen die Verknüpfung von Sünde und Schuld im Kausalprinzip wiederkehrt).
    Zur Verdeutlichung dessen, was mit der Übernahme der Sünden der Welt gemeint ist, ist auf einen Witz zu verweisen, der von Mitscherlich stammt, und den Horkheimer und Adorno in den Soziologischen Exkursen zitieren:
    In einer Massenveranstaltung wettert der Redner über die Massen: „Die Masse ist an allem schuld.“ Tosender Beifall.
    Die Masse: das sind immer die anderen, aber nicht wir; wir sind es nur insoweit, als wir es auch für die anderen sind. Hierbei wirkt der fatale Mechanismus mit: Gerade dadurch, daß man sich über die Masse erhebt, wird man selbst Teil der Masse. Hierauf bezieht sich die Idee der Übernahme der Sünden der Welt, mit der dann wiederum allein die Kraft der Sündenvergebung sich begründen läßt.
    In der Geschichte des Massenbegriffs ist der Zusammenhang von Empörung und Fall zur Gemeinheitsautomatik zusammengeschlossen. Nach dem gleichen Schema reagiert jegliche Empörung (jede exkulpatorische Nutzung des moralischen Urteils, mit dem ich mich von der Tat distanziere: Zusammenhang mit dem Begriff der „Tatsache“; die Geschichte der Philosophie ist in diese Geschichte des Massenbegriffs verstrickt).
    Anima naturaliter christiana: Der Satz läßt sich variieren: Natura mortaliter christiana. Das, was wir Natur nennen, ist abgestorbenes Christentum, Folge und Ausdruck der Sünde wider den Geist. Die Sünden der Welt: Deren Inbegriff ist die Natur, und zwar als Todsünde. Hierauf bezieht sich das Wort vom Kelch in Gethsemane.
    Die Kausalverknüpfung von Sünde und Schuld, zusammen mit dem Konzept, daß Jesus die Sünde der Welt hinweggenommen hat, ist die Kehrseite der sprachlichen Verknüpfung des Indikativs mit dem Imperativ, aus dem die Ontologie den Schein ihrer Tiefe gewinnt (durch Begriffe wie Geschehen, Ereignis, Eigentlichkeit, Vollzug, vor allem durch den Existenzbegriff selber: Fundamentalontologie als Kommando der subjektlosen Welt).
    Wer die Vergangenheit nicht antasten will, wer nicht daran rühren will (wer 2000 Jahre Christentum für einen Wahrheitsbeweis, anstatt für das Gegenteil, hält), wer sich davon glaubt fernhalten zu können, verbaut sich die Zukunft (eben darauf bezieht sich das dem vierte Gebot beigefügte Versprechen).
    Wenn man sich daran erinnert, daß Adorno durch sein Wirken in einem kleinen Geschichtsaugenblick uns wieder Luft zum Atmen gegeben hat, dann braucht man diesen Satz nur ins Griechische zu übersetzen, um eine kleine Ahnung davon zu bekommen, was die Idee des Heiligen Geistes real bedeuten könnte.
    Der prophetische Satz, daß der Geist die Erde bedecken wird wie die Wasser den Meeresboden, hat sein spätes Echo in der Apokalypse, wo es heißt: Und das Meer wird nicht mehr sein. Hierher aber gehört auch die Geschichte vom Kleinglauben des Petrus, der bei dem Versuch, wie Jesus auf dem Wasser zu wandeln, versinkt mit dem Ruf: Herr hilf mir, ich ertrinke. Ist nicht das Dogma dieser Kleinglaube? Und sind diese Wasser nicht seit Thales die Philosophie?
    Wenn Aristoteles etwas mit dem einen unreinen Geist zu tun hat, dann die Hegelsche Philosophie mit den sieben unreinen Geistern.

  • 09.09.92

    Ist das Neutrum der Staub, aus dem und zu dem das Maskuline im Prozeß der Herrschaftsgeschichte wird?
    Sind Nominativ und Akkusativ nur im Männlichen unterschieden, im Femininum und im Neutrum hingegen gleich? Im Femininum lassen sich zusätzlich auch Genitiv und Dativ nicht unterscheiden.
    Gilt es eigentlich für alle modernen Sprachen, daß sie von den klassischen sich durch die Einführung des (geschlechtsbezogenen) Artikels (im Deutschen zusätzlich verstärkt durch die Großschreibung der Nomina), durch die stärkere Hervorhebung der Personalpronomina und durch den verstärkten Gebrauch der Hilfszeitverben unterscheiden? Der tiefste Fall wäre dann wohl die Verwandlung aller Verben in Nomina und Gebrauch des Generalhilfsverbs „tun“ (oder doch noch eine Stufe tiefer: „ich bin am arbeiten“ ü.ä.). Ist nicht doch der Adenauersche Satz doch sehr ernst gemeint gewesen: „Je einfacher reden ist eine gute Gabe Gottes.“ In diesen Zusammenhang gehört der fundamentalontologische Gebrauch der Begriffe Ereignis und Geschehen, die die gleiche Subjektlosigkeit, die schicksalhafte Subsumtion des Subjekts unter die Realität, bezeichnen.
    Der Artikel ist Ausdruck des Zerfalls der benennenden Kraft der Sprache, der Hereinnahme des tode ti in die Sprache, daß den Begriff von „diesem“ (deiktisch verstandenen, bei Kant dann durch seine Beziehung zu den subjektiven Formen der Anschauung bestimmten) Objekt trennt, das Objekt gegen den Begriff (gegen seinen Namen) isoliert. Für Aristoteles (wie später für Hegel) ist das tode ti der Einsatzpunkt der Philosophie (das Wasser des Thale).
    Wie hängen die Begriffe Eudaimonia (gutes, günstiges Schicksal), Glück (fortuna), Zufall und der augustinische Gnadenbegriff mit einander zusammen?
    Hat nicht Johann Georg Hamann schon eine Metakritik der reinen Vernunft geschrieben?
    Merkwürdige Doppelbedeutung des Verbums „heißen“: benennen und befehlen. Mit dem tode ti ist die benennende Gewalt als Grund des Gewaltmonopols (das Sokrates mit dem Trinken des Schierlingsbechers ausdrücklich anerkennt) an den Staat übergegangen.
    Wenn Befehlen mit Fehlen zusammenhängt, warum wird es dann stark (das Fehlen hingegen schwach) konjugiert, und worin liegt der Unterschied zwischen starken und schwachen Verben?
    Hängt der Sternendienst mit der Geldwirtschaft zusammen (als Ausdruck der Änderungen des Bewußtseins durch die Geldwirtschaft, seiner veränderten Stellung zur Objektivität)? Und ist die Ischtar/Astarte der Inbegriff der veränderten Konsumerfahrung, des Genusses? Dann würde die „Venuskatastrophe“ auf andere Weise, als Heinsohn et al. annehmen, zur Schuldknechtschafts-Katatrophe passen.
    Ist der Pharao die Personifikation des Sklavenhauses, und der Josefs-Roman seine Ursprungsgeschichte?
    Angesichts der Pogrome in der Bundesrepublik droht das sogenannten Asyslantenproblem den Rang der alten Judenfrage anzunehmen.
    Der ungeheure Exkulpationsbedarf, der seit dem Ende der Nazizeit auf Deutschland lastet, und dessen prädestinierter Repräsentant Kohl zu scheint, ist bis heute weder in seinen Ursachen, noch in seinen Folgen wirklich begriffen. Das Hochgefühl der Unschuld, das Kohl, Seiters und Schäuble beflügelt, wenn sie von „diesem ausländerfreundlichen Land“ sprechen, gehört mit zu den Ursachen der in den derzeitigen Pogromen sich manifestierenden verfolgenden Unschuld. Gleichzeitig halten sie den Topf des sogenannten „Asylantenproblems“ am Kochen, mit falschen Begriffen und Zahlen, mit dem Verwischen und Verschweigen der Ursachen. Die reale Situation und die realen Erfahrungen derer, auf die dieses unverantwortliche Gerede sich bezieht, soll nicht laut werden, wird verdrängt. Der Zerfall der Moral und die demoralisierende Gewalt, die dieser Bundeskanzler repräsentiert, wäre endlich zu benennen.
    Kohl hat immer schon die Technik der denunziatorischen Nutzung des Schuldverschubsystems beherrscht und genutzt. Man konnte darauf gehen, wenn er sich über andere empörte, dann war er selber gerade dabei, eben das zu tun, worüber er sich empörte. Sein politischer Erfolg beruhte nicht zuletzt auf dieser Technik. So hatte er immer das Instrumentarium parat, mit dem er sich abschirmen konnte gegen den Einblick in seine realen Absichten, sein Handeln und seine Vorhaben. Im Falle der deutschen Einheit ist ihm zusätzlich dieses Instrument als Geschenk in den Schoß gefallen: Alle Fehler kann er abwälzen auf den maroden Sozialismus und das, was er uns hinterlassen hat.
    Kann es sein, daß die SPD, daß insbesondere die Ministerpräsidenten, oder überhaupt die Landesregierungen, unter einem erpresserischen Druck stehen, der ihnen keine andere Wahl läßt, als mit den Wölfen zu heulen?
    Die Unwirksamkeit des Kabaretts liegt darin begründet, daß auch das Kabarett seine apriorischen Objekte und die zu diesem Objekt gehörende transzendentale Logik hat. Das, was heute passiert, liegt jenseits der durch diese Logik definierten Sphäre. Das läßt sich demonstrieren an einer Figur wie Kohl, dessen Statur mit den Witzen, die über ihn gemacht werden, nur noch gefestigt wird. Die Kohlwitze waren selbstreferentielle Produkte verzweifelter Ohnmacht, deren Bewußtsein in den Pointen explodierte und damit unschädlich gemacht wurde. Seitdem befördert das Kabarett die demoralisierenden Zustände, indem es sie anprangert.
    Deutlicher kann man die Absenz der eigenen Gewissens, das nur vom Schrecken und vom Schmerz der Opfer bewegt wäre, nicht demonstrieren: Diese Reaktion (der Hinweis auf die Wirkung der Ereignisse in Rostock und anderswo im Ausland) ist nur Ausdruck der Angst vorm Erwischtwerden, nicht die (allein moralische) Angst vor der Tat. Heute sitzen die Mescaleros in der Regierung.
    Die Technik der Nutzung der Gesetze des Schuldverschubsystems setzt ein Denken voraus, das den Gesetzen des Hinter dem Rücken gehorcht. Dafür ist politisches Denken, wie es scheint, besonders anfällig. In der altorientalischen Welt fand dieses Denken seine Abstützung und Absicherung in der Idolatrie, gegen die die jüdische Prophetie sich richtete. Heute funktioniert es aufgrund der Logik des Weltbegriffs.
    Die politische Ausbeutung des Vorurteils – heute des sogenannten Asylantenproblems – gehorcht der gleichen Logik wie die angeblich friedliche Nutzung der Atomenergie. Auch hier weiß man nicht, ob sie nicht eigentlich der Gewinnung spaltbaren Materials, das man für die Bombe benötigt, dient.

  • 05.08.92

    Auch Gewalt ist eine Gestalt der Kommunikation. Eine, die den Tod zitiert und „den Weg, die Wahrheit und das Leben“ leugnet. (Zusammenhang der Gewalt mit dem, was Levinas die „Asymmetrie“ des dialogischen Prinzips nennt. Gewalt und Konstituierung des Objekts, Zerstörung der Sprache.)
    An der Bitte „Geheiligt werde Dein Name“ läßt es sich demonstrieren: In der christlichen Tradition, in der diese Bitte in die Nähe der Majestätsbeleidigung gerückt wurde, ist das theologische Element geleugnet worden, die Herrschaftsmetaphorik hat sich durchgesetzt, und das im Kontext der Rezeption des Hellenismus und der Philosophie.
    Nach dem Jesus-Wort steht vor dem Opfer die Versöhnung, nicht umgekehrt.
    Der Satz Jesu „Ich bin das Licht der Welt“ ist von der Übernahme der Sünde der Welt nicht zu trennen (Zusammenhang mit dem ersten Schöpfungstag und Einsteins Relativitätstheorie).
    Newton hat die moderne Astronomie, das Realsymbol von Herrschaft in der Moderne, begründet und stabilisiert, Einstein hat die Himmel erschüttert.
    Ist nicht der medizinisch-industrielle Komplex ein ähnlich risikoloser und gewinnträchtiger Markt wie der militärisch-industrielle Komplex?
    Das Subjekt der aristotelischen Logik ist die (griechische) Sprache; diese Logik hat noch Anteil an der benennenden (und metaphorischen) Kraft der Sprache (die Beziehung der benennenden zur metaphorischen Kraft der Sprache wäre zu analysieren). Die kantische (transzendentale) Logik gründet in der Mathematik; sie hat sich von der benennenden (und metaphorischen) Kraft der Sprache gelöst; sie ratifiziert die Selbstzerstörung der Sprache. Aber die Kritik der reinen Vernunft ist noch nicht zum Ende durchgeführt. Die Erkenntniskritik wäre als Kritik des Herrendenkens weiterzutreiben, über den Zusammenhang von Objektivation und Instrumentalisierung zu einer Kritik des Welt- und Naturbegriffs und zu einer Kritik der Bekenntnislogik. In diesem Zusammenhang wäre auch die Kritik der Gewalt als logisches Problem zu begreifen und weiterzuführen, der Zusammenhang von Schicksal, Recht und Mythos konkreter zu bestimmen und u.a. abzuleiten, daß der Derrida’sche (und Wittgensteinsche) Begriff der Mystik ein Deckbegriff für den Mythos ist.
    Benjamins Definition des Kapitalismus als Kult ohne Dogma rückt den Kapitalismus in die genaueste Beziehung zur christlich-theologischen Tradition, insbesondere zur Opfertheologie.
    Das Inertialsystem, die transzendentale Logik und die mit der Funktion des Welt- und Naturbegriffs akzeptierte Logik setzt die Zukunft als vergangen, das Vergangene als zukünftig. Das Herrendenken gründet in der Umkehrung des der theologischen Erfahrung zugrundeliegenden Zeitsinns (der mit der räumlichen Metaphorik von Oben und Unten zusammenzuhängen scheint).
    Der Weltbegriff (und der der Natur) ist nur im Kontext von Schuld zu bestimmen: Schuld ist eine theoretische (und zugleich philosophiekritische) Kategorie. Deshalb erweist sich die Ethik als prima philosophia.

  • 19.05.92

    Die aristotelische Metaphysik ist von der aristotelischen Körperphysik nicht zu trennen, zu der u.a. auch die Lehre vom natürlichen Ort gehört, die dann durch die noesis noeseos, durch das Denken des Denkens, das (über das teleologische Element darin) eins ist mit dem ersten Beweger, direkt in die Metaphysik einmündet. Mit der Kritik und Auflösung der Zweckursachen, mit der Subjektivierung der Teleologie und d.h. mit der Etablierung des Inertialsystems verliert die aristotelische Metaphysik ihre Basis. Das ist vermittelt durch die Theologie, durch die Einführung des Schöpfungsbegriffs in die aristotelische Metaphysik (in die er nicht hineinpaßt). Durch die Idee einer creatio ex nihilo gewinnt zwar der aristotelische Gott Schöpferkraft, gewinnt er seine besondere Art von Allmacht, die ihn dann allerdings (durch die genau hier logisch erzwungene nominalistische Revolution) gleichsam von innen aushöhlt, als Hypostase des Staates erkennbar macht. Nicht Gott, sondern der Staat ist „Schöpfer“ der Welt; und die creation ex nihilo ist ein Deckbegriff der unbegriffenen ökonomischen Funktion des Staates.
    Quellpunkte des Systems sind:
    – die Geldwirtschaft,
    – dann der (aus der Verbindung der philosophischen Gotteslehre mit der theologischen Schöpfungsidee entspringende) theologische Bekenntnisbegriff,
    – und am Ende das Inertialsystem (mit dem daraus entspringenden christologischen Naturbegriff).
    Die Etablierung des Inertialsystems ist von ähnlicher geschichtsphilosophischer Relevanz und Bedeutung wie der kirchliche Dogmatisierungsprozeß, mit dem sie genetisch, strukturell und logisch zusammenhängt.
    Die fürs Inertialsystem konstitutive (systembildende) Beziehung zur Vergangenheit hat ihr Modell und ihr Vorbild in der Beziehung zur Vergangenheit, die bereits den Prozeß der Dogmenbildung bestimmt. Die „Überwindung“ der Vergangenheit (der vergangenen Gestalten der Religion oder der Erkenntnis) ist in beiden Fällen erkauft mit der unkenntnlich gemachten Wiederkehr des Verdrängten.
    Das newtonsche Gravitationsgesetz und seine Optik gehören zum Inertialsystem als Stabilisatoren (als Wächter des Orthogonalitätsprinzips) dazu.
    „Oh Haupt voll Blut und Wunden …“: das tiefste Symbol des Inertialsystems (eigentlich insgesamt die Passionsgeschichte: mit dem „Warum schlägst du mich?“, der Königsparodie und der Dornenkrone, aber auch unter Einschluß des Unschulds-Händewaschens des Pilatus).
    Der Satz Adornos „Ideologie ist Rechtfertigung“ ist im strengen Sinne christologisch, bringt die „Sünde der Welt“ auf den heutigen Erkenntnisstand.
    „Wenn die Welt euch haßt …“ Das heißt doch auch: der Haß, den ihr verspüren werdet, wird so subjektlos sein wie die Welt; das ist der Hintergrund und die Grundlage für das Wort am Kreuz: „… denn sie wissen nicht, was sie tun“. Und dieses Wort scheint heute zum Wesen und zu Signatur der Welt insgesamt zu werden: Wer weiß noch, was er tut? Vgl. hierzu auch das Ende des Buches Jona. Heute verstricken sich alle in Schuld, die es immer noch nicht wissen und sich wohl dabei fühlen. Nochmal: „Wenn die Welt euch haßt …“ Aber wenn der Geist kommt, wird er das Antlitz der Erde erneuern, das hinter diesem Haß der Welt nicht mehr zu erkennen ist.
    Drei Bemerkungen zur Kritik der Naturwissenschaft:
    – Das Inertialsystem ist das Referenzsystem aller naturwissenschaftlichen Erscheinungen, Begriffe und Gesetze;
    – es konstituiert sich durchs Relativitätsprinzip, durch das Gedankenexperiment, das die Orthogonalität aller Strukturen im Inertialsystem (bis hin zur „Trennung“ von Raum, Zeit und Materie); dazu gehören die Formulierung des Gravitationsgesetzes (die Identität von träger und schwerer Masse) und der Grundlagen der Optik (Feststellung der endlichen Lichtgeschwindigkeit);
    – mit der Etablierung des Inertialsystems ist die Herrschaftslogik mitgesetzt, als Logik des Zusammenhangs von Objektivation und Instrumentalisierung.
    Rosenzweigs Bemerkung zu Schopenhauer und Nietzsche, daß sie als erste die Welt nach ihrem Wert für sie (für Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche) beurteilen, bezeichnet den Punkt, an dem erstmals die Sünde der Welt in die Philosphie hereinragt.
    Der Konsensbegriff und die Kommunikationstheorie übersehen, daß die Logik – nach dem Hegelschen Nachweis – ohne ein dezisionistisches Moment nicht zu halten ist; eben deshalb bedarf die Hegelsche Rechtsphilosophie eines Souveräns und seiner Legitimierung durch Geburt. Es gibt in der Tat keine Wahrheit ohne die Idee der Versöhnung.
    Bis heute hat die Kirche ihre Hähne immer rechtzeitig geschlachtet.
    Ohne Metaphorik verliert die Sprache ihre benennende Kraft; aber die Metaphorik lebt von der Logik der Umkehr. Sie verhält sich zur Identitätslogik wie die Begründung zur Kausalität. Ohne Metaphorik verliert die Sprache mit der benennenden auch die begründende Kraft („Traum der Menschheit, sich von einem Punkt des Raumes zu einem anderen Punkt des Raumes zu bewegen“).
    Weltbegriff: historisch, logisch und theologisch.

  • 07.05.92

    Kelch und Kreuz: Ist mit dem Kreuz im Nachfolge-Rat schon das Kreuz von Golgatha gemeint? Muß, wer das Kreuz auf sich nimmt, den Kelch trinken?
    Die Unbelehrbarkeit (Produkt aus Schuld und Verstockung) ist eine Konsequenz aus der Sünde wider den Heiligen Geist. Sie kann weder in dieser noch in der kommenden Welt vergeben werden.
    Jungfrauengeburt und die sogenannte „Enttäuschung der Parusieerwartung“: In beiden spielen die Mechanismen eine Rolle, die man in dem Konzept von Objektivierung und Instrumentalisierung zusammenfassen kann.
    Alle Kosmogonien haben mit dem Urknall gemeinsam, daß sie sich um die Idee der Schöpfung herummogeln, den Naturbegriff als Totalitätsbegriff festhalten wollen.
    Zu den Confessiones des Augustinus:
    – Für ihn war das Bekenntnis als Symbolum in erster Linie etwas, das sich in seiner Beziehung zu Gott abspielte; es war esoterisch, der Gottesfurcht oder der Scham unterworfen.
    – Vor den Menschen war es vorab ein Schuldbekenntnis, ein Sich-wehrlos-Machen, ein „Akt der Demut“, und zugleich ein Bekenntnis der Befreiung, mit dem Anreiz für andere, es nachzumachen. Hierin ist der ursprüngliche Sinn des Bekenntnisses noch sichtbar, aber hier ist genau der Punkt bezeichnet, an dem es umkippt in ein konfessionelles Bindemittel.
    – Das zweite große Bekenntnis in der europäischen Geschichte, das des Rousseau, ist eigentlich nur noch exkulpatorisches Bekenntnis, Bekenntnis einer schuldlosen Schuld, das glaubt, im „Zurück zur Natur“ einen Fluchtweg aus dem Schuldbewußtsein, aus der Gottesfurcht gefunden zu haben, und das dann zwangsläufig in den christologisch instrumentierten Naturbegriff führt. Es kein Zufall, daß Rousseau, die Etablierung des modernen Naturbegriffs, diese zugleich ungeheure und subkutane Wirkung gehabt hat, in der gesamten Geschichte von Spinoza über den deutschen Idealismus bis hin zu Derrida.
    – Welche Sünden bekennt Augustinus:
    . die Gier und die Eifersucht des Säuglings,
    . den Diebstahl des Heranwachsenden und
    . die Sexualität des jungen Mannes, wobei er das moralische Problem nicht in der Trennung von der Frau, mit der er zusammengelebt hat, sieht, sondern nur in der sexuellen Beziehung, die er vor der Trennung gehabt hat. Diese Kälte ist die Kirche seitdem nicht mehr losgeworden. Indiz des Zusammenhangs der kirchlichen Unsterblichkeitslehre mit dem bürgerlichen Prinzip der Selbsterhaltung, das über diese Unsterblichkeitslehre (und durch die Aufnahme des Tauschprinzips in die bürgerliche Moral) gleichsam seine theologische Weihe erhält.
    – Beim Augustinus ist der Kontext des ungeheuerlichen Wortes vom Binden und Lösen noch mit Händen zu greifen. Hat nicht dieses Binden und Lösen nicht sehr viel mit dem gordischen Knoten zu tun: den Alexander, Schüler des Aristoteles und erster Welteroberer, nur durchschlagen und nicht gelöst hat? Alexander ist geradezu die historische Verkörperung jener Beziehung von Philosophie und Herrschaft, die dann durch die Rezeption der Philosophie und durch die Übernahme des Erbes Roms in der Konstantinischen Ära von der Kirche übernommen und verinnerlicht worden ist, mit all den Folgen, die das gehabt hat.
    – Im Anfang (im Zusammenhang mit dem Satz „inquietum es cor nostrum …“) kommt die Differenz zwischen dem Anrufen Gottes und der Kenntnis Gottes zur Sprache, ohne daß sie wirklich entfaltet wird. Ist nicht das „inquietum …“ ein Fluchtversuch aus dem Bereich der Gottesfurcht?
    – Ist nicht der augustinische Gott – wie der philosophische -stumm, und wird er nicht gerade durch die dogmatische Logos-Spekulation zum Verstummen gebracht? Was ist das für ein Gott, in dem ich ruhen könnte?
    Zur euklidischen Geometrie: Ein Dreieck in einer Ebene enthält sechs Bestimmungselemente: drei Längen und drei Winkel. Von diesen sechs Elementen müssen drei gegeben sein, um ein Dreieck eindeutig zu bestimmen, mit der einen Ausnahme: Durch drei Winkel werden nur ähnliche, nicht gleiche Dreiecke bestimmt (Grund ist u.a., daß aufgrund der mathematisch bestimmten Winkelsumme der dritte Winkel keine unabhängige Größe darstellt, sondern durch die Festlegung der beiden anderen mitbestimmt ist).
    Hat das Rosenzweigsche Konstrukt Gott Welt Mensch etwas mit dem Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang zu tun, oder auch mit dem Verhältnis von Raum und Umkehr: Oben/Unten, Rechts/ Links und Vorne/Hinten (und zwar genau in dieser Reihenfolge)? Und gründet die Ebenbildlichkeit des Menschen in der Abbildlichkeit, in der abbildlichen Beziehung des Vorne und Hinten zum Oben und Unten? Für Gott gibt es kein Hinten, für den Menschen kein für ihn gegenständliches Unten (aus diesem Satz läßt sich die gesamte Moral ableiten).
    Die Subjektivität der kantischen Formen der Anschauung wird bei Kant selber nachgewiesen durch die Antinomien der reinen Vernunft.
    Israel ist der Augapfel Gottes; deshalb entspringt mit dem Versuch, der Gottesfurcht zu entgegehen, gleichsam hinter den Rücken Gottes zu gelangen, der Antisemitismus.
    Es ist wahr: Mit dem Ursprung des Protestantismus war die häresienbildende Kraft in der Kirche erschöpft. Aber ist die Frage nicht interessanter: Wo und unter welchen Bedingungen ist die häresienbildende Kraft in der Kirche entstanden, wo ist sie entsprungen? Die Lösung dieser Frage würde die Lösung des Rätsels des Christentums mit einschließen.
    Die apologetische Bemerkung in der Einleitung zu den Minima Moralia über die Bedeutung der individuellen Erfahrung für die Philosophie wäre ihres apologetischen Charakters zu entkleiden und als schlichter sachlicher Quellpunkt einer neuen Selbstbegründung der Philosophie zu bestimmen.

  • 08.04.92

    Was ist das „Salz der Erde“, und was ist das „Licht der Welt“?
    Der Unterschied zwischen der griechischen und der jüdischen Tradition liegt unter anderem darin, daß zwar die Philosophie in der Prophetie ihre Stelle findet (und auch benannt wird), nicht aber die Prophetie in der Philosophie. Die Prophetie kommt in der Philosophie nicht vor, weil die Philosophie den Gedanken der Schöpfung a priori abweisen muß, nicht ertragen kann. Schlimm war, was dann die Theologie unterm Begriff der creatio ex nihilo glaubte als Schöpfungsbegriff in die Philosophie einzuführen zu können und dann im Begriff des Kontingenten glaubte begriffen zu haben: Diese creatio ex nihilo hat mehr mit Bankgeschäften und Geldschöpfung zu tun als mit dem biblischen Schöpfungsbericht, aber sie war die einzige Möglichkeit, eine Erschaffung der Welt auch nur zu denken.
    Die Darwinistische Theorie ist eine Analogiebildung. Das Modell für die Vorstellung von der Entwicklung der Arten war die Erkenntnis der „organischen“ Entwicklung des Kapitalismus. Aber wenn sie eine Analogiebildung ist, dann wurde ihr Grund in der theologischen Konzeption der creatio ex nihilo gelegt.
    Die Idee der creatio ex nihilo ist ein Mammonismus. Dagegen ist die Rosenzweigsche Konzeption des nihil als eines dreifachen, bestimmten Nichts realistischer und kommt der Sache näher.
    Warum nennen die Dämonen Jesus den „Sohn Gottes“ (und warum nennt Pilatus ihn den „König der Juden“)? Kann er das überhaupt sein, wenn diese ihn als solchen glauben zu erkennen?
    Heideggers Kritik der Metaphysik ist regressiv, sie führt hinter Aristoteles zurück, nicht über ihn hinaus.
    Kann es sein, daß die Astrologie von der Chaldäern und die Alchemie von den Ägyptern (lt. Meyers großem Taschenlexikon im 2./3. Jhdt. im griechisch sprechenden Ägypten) stammt?
    Es ist eine im Aufklärungsprozeß selber entsprungene Verblendung, die die Menschen heute daran hindert, zu sehen, was sie durch ihr materielles Leben draußen anrichten. Ganz verdrängen läßt sich’s nicht: Sie ahnen die Wahrheit und reagieren darauf faschistisch. Der nach dem Zusammenbruch des Ostblocks eingetretene Rechtsruck läßt sich daraus herleiten.
    Sind nicht die Aktionen der Linken auch in der großen Gefahr, zu Exkulpationsriten zu werden, die dann die andere Seite erst wecken und provozieren?
    Wie in der Politik hilft auch in der Wissenschaft die selbstlaufende Logik nicht mehr zur Ermittlung der Wahrheit. Ist der Verdacht so unbegründet, daß sie heute bereits der Produktion des Chaos dient?
    Das war der Irrtum des real existierenden Sozialismus und das ist der Irrtum der gesamten Marktideologie, dessen Zeche wir werden zahlen müssen.
    Die Splitter in den Augen der Anderen sind Metastasen des Balkens im eigenen Auge. Oder anders: Das steinerne Herz ist der Reflex des Objektivierungsprozesses.
    Ist Petrus das steinerne Herz der Kirche, das erst nach dem Hahnenschrei durch die lösende Kraft des Weinens sich in ein fleischernes Herz verwandelt? Und ist nicht das aufs Dogma bezogene Bild von Schale und Kern noch zu grob?
    Die Todesgrenze ist identisch mit der Grenze, die das Lachen zieht, das Gelächter.
    Simone Weil: Schwerkraft und Gnade. Das muß als physikalisch-theologisches Buch gelesen werden.
    Nur die Gottesfurcht entmythologisisert die Welt.
    Das Objekt „fällt“ unter den Begriff, und das Urteil wird „gefällt“: So drückt sich der Fall in der Logik aus, und so wird die Welt zu „allem, was der Fall ist“.
    Die Kanonisierung der Schrift (in allen drei Schrift-Religionen) war die Installation der Schrift als Schicksalsmacht.
    Das kirchliche Gebot „Du sollst nicht lügen“ ist unerfüllbar, weil die Wahrheitspflicht, die darin sich ausdrückt, unerfüllbar ist. Und zwar ebenso unerfüllbar wie die Chance einer als Hexe Beschuldigten, ihre Unschuld zu beweisen. (Das ist der Beweis der dämonischen Unwahrheit des Unschulds-Ideals). Die Wahrheit, die nicht an der Idee des Konsenses, sondern an der der Versöhnung sich mißt, ist im prädikativen Urteil nicht faßbar. Und das Gebot „Du sollst nicht lügen“, verurteilt unentrinnbar zur Schuld; in seinem Bannkreis gibt es keinen möglichen Weg der Befreiung. Es verdankt sich dem kirchlichen Instrumentalisierungsgesetz, das bis ins Dogma hinein die Wahrheit entstellt, und dessen Wirkung hier mit Händen zu greifen ist: Es ist Produkt der Instrumentalisierung des achten Gebots: Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten. Es verwandelt das befreiende Offenbarungs-Gebot in ein Schicksals-Gebot.

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie