Astrologie

  • 28.01.93

    Drücken sich in der Redensart „den Staub von den Schuhen schütteln“ (bei der Aussendung der Jünger Jesu) nicht die beiden Sachverhalte mit aus, daß
    – die Schuhe ein Instrument der Besitzergreifung sind und
    – im Staub dessen Beziehung zum Fluch über die Schlange und über Adam nachklingt?
    Ist das „Staub von den Schuhen Schütteln“ das Gegenteil der Aufforderung: Ziehe deine Schuhe aus, hier ist heiliger Boden; ist es ein Fluch über die Städte, die die Jünger nicht aufnehmen?
    Die Konstruktion des Begriffs der Erscheinung schließt als Kristallisationskern ein projektives Moment mit ein.
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen Stephanus und der Dornenkrone? Und ist der Gepfählte ein Gottesfluch nicht auch in dem Sinne, daß die opfertheologische Verarbeitung des Kreuzestodes mit der Leugnung des Nachfolgegebots und mit dem Bann der Vergegenständlichung, den sie über den Kreuzestod verhängt, genau diesen Fluch transportiert?
    Der kirchliche Antijudaismus gründet in der Unfähigkeit, die Schmach und die Schande, die der Kreuzestod mit repräsentiert, zu ertragen. Die Opfertheologie, und in seinem Schatten der kirchliche Antijudaismus, ist ein Mittel und ein Produkt der falschen Verarbeitung dieser Schmach.
    Hat Heinrich Böll nicht recht: Sind es nicht die verwesenden und verfaulenden Reste des Hegelschen Staats, mit denen wir es heute zu tun haben, und deren Vergiftungserscheinungen jetzt beginnen aufzubrechen und sich zu manifestieren?
    Ist nicht die Unbeherrschbarkeit der vegetativen Körperfunktionen ein Hinweis darauf, wie tief die Unfähigkeit, in Vergangenes einzugreifen, in unsere eigene physische Existenz hereinreicht? Aber im Angesicht des andern erblicke ich die Spuren des Ursprungs und der Geschichte der Welt und der Menschheit: der Schöpfung.
    Die Kritik des Wissens und der Vernunft durch Erinnerungsarbeit ist ein Teil des Versuchs, den Bann, der auf der Vergangenheit lastet, zu sprengen.
    Ein Krieg, der wegen eines falschen Bekenntnisses geführt wird, beleidigt Gott mehr als alle falschen Bekenntnisse.
    Die Astronomie hat die Astrologie nur „überwunden“, nicht widerlegt.
    Himmel und Erde werden vergehen: Genau daran (an dieser Vergängnis) hat die Theologie seit der Konzeption der Lehre von der creatio mundi ex nihilo mit gewirkt.
    Wodurch unterscheidet sich der griechische kosmos vom lateinischen mundus (der „geschmückte“ Kosmos von der „gereinigten“: militärisch und rechtlich begrenzten und gesicherten Welt)? Hat das deutsche Wort Mund etwas mit dem lateinischen Wort mundus zu tun? Vergleiche auch den Zusammenhang mit Münze, Munition (Verteidigung, Befestigungsanlagen, Recht)?
    Hat die Beschreibung dessen, den der eine unreine Geist verlassen hat: er sei leer, gereinigt und geschmückt, mit dem Weltbegriff zu tun, der dann zur Wohnung der sieben unreinen Geister wird? Und steckt in der Folge: leer, gereinigt und geschmückt nicht eine Beziehung zu den drei Versuchungen, den drei Leugnungen, den drei Dimensionen des Raumes (auch zur Subjektivität des Raumes, des Geldes und des Bekenntnisses)?
    Verhält sich das Griechische zum Lateinischen wie Form der äußeren zu der der inneren Anschauung?

  • 22.11.92

    Das Horn ist ein Symbol der Macht. Hängt es damit zusammen, daß Opfertiere gehörnte Tiere sind?
    Den Sünden der Welt korrespondiert die Schuld der Natur: Neigen wir deshalb dazu, auch in der Theologie von der „Schuld der Welt“ zu sprechen, gleichsam eine falsche Fährte zu legen? Mit den Sünden der Welt sind wir als Subjekte angesprochen, mit der Schuld der Welt nur als Objekte, die einem Schicksal unterworfen sind: der Begriff Schuld der Welt macht die aktiven Sünden der Welt zum bloß passiv erlittenen Schicksal.
    Ist nicht der theologische Begriff des Übernatürlichen abgeleitet von dem der Metaphysik, gleichsam nur von der Logik transponiert ins Magische.
    Heißt nicht im Griechischen, was wir heute Begriff nennen, Logos? D.h. war nicht die Philosophie in ihrem Ursprung grammatisch-logisch determinierte Sprachphilosophie? Ist nicht die Verdinglichung des logos zum Begriff der Beginn des Objektivationsprozesses?
    Wie hat sich die Philosophie durch Übersetzung der Vätertheologie, des Dogmas, von der griechischen in die lateinische Sprache verändert? Wie verhält sich beispielsweise persona zu prosopon und hypostasis?
    Demagogie ist heute keine besondere Art des Umgangs mit der Sprache mehr, sondern ein Ingrediens der Institution der Öffentlichkeit. Die Interpretation der „Fakten“ – und es gibt keine Fakten ohne das Bedürfnis nach Interpretation – ist zu einer reinen Machtfrage geworden: Heute ernennt die Regierung nicht mehr nur ihre Beamten, sondern auch die Begriffe, mit denen die Dinge benannt werden, so als wären sie Titel, denen man die Dinge per Gesetz zuordnen könnte. Die Gewalt steckt in der Sprache, und über die Sprache ist sie zu einem Teil, wenn nicht zur Grundlage der Kommunikation geworden. Das macht die Habermassche Kommunikationstheorie, insbesondere den Konsensbegriff, der auf die Legitimierung der Erpressung hinausläuft, so problematisch.
    Hat das In-die-Ferse-Stechen etwas mit der Lähmung zu tun (als Ersatz fürs Einsperren)? Und wie verhält sich der Hinweis auf die Ferse im Fluch über die Schlange zu den Flügelschuhen des Hermes? Jakob der Fersenhalter ist zugleich Jakob der Betrüger, der erste, der von der List Gebrauch macht. Entspringt hier die später ins Bewußtsein eingebaute Automatik der List der Vernunft? Weshalb wurden den Frauen in China die Füße verstümmelt, und weshalb tragen die Frauen im „zivilisierten“ Europa Stöckelschuhe? Und weshalb ist es im Fluch über die Schlange der Nachkomme der Frau, und nicht der des Mannes (der Erbe, der Stammhalter)? Gründet hier (im vaterlosen Nachkommen) das Symbol der Jungfrauengeburt: Die Jungfrau wird einen Sohn gebären, und sein Name wird sein Immanuel, Gott mit uns?
    Ist das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit der Stich in die Ferse?
    Parvus error in principio magnus est in fine. Ist nicht dieser kleine Fehler im Ursprung der Theologie, die Rezeption des Weltbegriffs, der Ursprung und nicht die Folge der Parusieverzögerung?
    Die Astrologie ist am Ende dadurch „überwunden“ worden, daß das Subjekt in der Astronomie sich selbst an die Stelle dieser Schicksalsmächte setzt (Verinnerlichung von Herrschaft: von Saturn und Jupiter bis zu Venus und Merkur sind die Planetenmächte, die paulinischen Archonten, ins Subjekt eingewandert).
    Das aufgedeckte Antlitz ist das Gegenteil der Nacktheit (und wird nur unterm Zeichen des Antichrist als solche erfahren: im Antlitz des Hundes).
    Wut ist der verweltlichte Zorn, die Person das traumatisierte Antlitz und seitdem beleidigungsfähig, Quelle der Wut.
    Der Weltbegriff erzeugt den Schein eines angst- und schuldfreien Lebens. Aber dieser Schein ist wirksam nur auf der Herrenseite (der „Sonnenseite“) der Welt. Ihm entsprechen auf der Objektseite die Angst- und Schuldkomplexe, die nicht mehr aufgelöst, nur noch – mit den bekannten Folgen – verdrängt werden können.
    Zum Problem der benennenden Kraft der Sprache: Benjamins Bemerkungen über das Gestische bei Kafka und die metaphorische Stelle in dem Kraus-Essay mit heranziehen.
    Jede Naturphilosophie verfällt ihrem Objekt insoweit, als sie zwangsläufig verkennt, daß das metaphorische Element das eigentliche Erkenntnismedium ist, das man verfehlt, wenn man es wörtlich nimmt. Sobald sie die Natur „ad literam“ (wie Augustinus die Genesis) nimmt, verstrickt sie sich in die Logik der Verdinglichung, verfällt sie ihrem Bann.
    Ist nicht die Kirche ein verwesender Leichnam, gleichsam ein Lazarus, der „schon riecht“. Aber dann wurde er doch von Jesus zum Leben erweckt.

  • 06.06.92

    Armut ist die Energiequelle, aus der der Kapitalismus den Reichtum schöpft. (Zum Begriff des Proletariats: Wer kein Eigentum hat, ist durch seine „Existenz“ schon verschuldet und muß seine Schulden lebenslänglich abarbeiten.)
    Mit der Denunzierung des Marktes als Götzen ist noch nicht viel getan; sie erinnert zu sehr an die Auseinandersetzung mit den „Häresien“; sie unterstellt, daß eine Gesinnungs- (Bekenntnis-) änderung schon der Anfang einer Änderung der Dinge sei. Notwendig wäre die genaue Analyse der Gewalt, die im Markt sich zu einem die Gesellschaft insgesamt beherrschenden System zusammengeschlossen hat; das Pseudoreligiöse am Markt ist Teil der Vergötzung der Macht: Teil eines Religionsbegriffs, dessen christliche Ursprünge zu bestimmen wären.
    Mit der Armut exportiert diese Gesellschaft auch die Paranoia: die autoritären Systeme und den Terror in die Dritte Welt. Hier liegt die Schuld der Kirche, daß eine wirkliche Bekehrung trotz der Christianisierung nicht gelungen ist.
    Wie hängen die Banken mit dem Militär zusammen?
    Das Futur II und die Astronomie: Schon im Schöpfungsbericht wird den Leuchten am Himmel die Herrschaft über die Zeit übertragen.
    Welches waren die jüdischen Opfertiere: u.a. das Lamm (Vorbild des Gottesknechts), die Tauben (Typos des Heiligen Geistes) und der Stier (Verkörperung JHWHs?).
    Zu dem Schiller-/Hegel-Wort „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ (die Welt als Inbegriff des richtenden Prinzips in der Geschichte): Heißt das nicht im Hinblick auf Heidegger, daß er durch die Fundamentalontologie, durch den Begriff der Eigentlichkeit, der Entschlossenheit, des Vorlaufens in den Tod, sich selbst an die Stelle dieses richtenden Prinzips zu setzen versucht, damit jedoch das Gericht auf sich zieht (dieses Gericht über Heidegger wäre die Neubegründung der Theologie). Es war seit je die Anpassung an die Welt, die das Gericht auf sich gezogen hat (die Anpassung an die Welt oder die Verführung des Richtens). Der Weltbegriff ist das Subjekt und Medium der Erbschuld (das ist der präzise Sinn von Joh 129). Der Naturbegriff als Inbegriff des Objekts (Nicht-Subjekts) vermischt den Begriff des Opfers mit dem der Unschuld der richtenden Gewalt, verleiht ihm die exkulpatorische Kraft, die auch im naturwissenschaftlichen Erkenntnistrieb mit enthalten ist. Vorbild des modernen Naturbegriffs war u.a. der christliche Typos der Jungfrau.
    Der Begriff der Rechtfertigung bezeichnet ein Moment der Bekenntnislogik: die falsche Form der Schuldverarbeitung.
    Lassen sich die unterschiedlichen Beziehungen rechter und linker politischer Gruppen zu Tod aus den unterschiedlichen Beziehungen von Markt- und Planwirtschaft (Babel und Ägypten) zur Zeit herleiten?
    Als Grundlage der Handels- und Rechtsbeziehungen im Imperium Romanum war das Pantheon zugleich Grundlage der Pax Romana.
    Hat nicht die Übernahme der Sünde der Welt etwas mit dem Baum des Lebens zu tun? Und verhält sich der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zum Baum des Lebens nicht wie die Philosophie zur Prophetie, oder wie die Erkenntnisfunktion des Raumes zur benennenden Kraft der Sprache?
    Bedeutung des Tierkreises:
    – in der chaldäischen Astrologie,
    – im griechischen Mythos (Idee des Heros),
    – in den Megalith-Kulturen,
    – in der jüdischen Tradition (Tierkreis-Mosaiken in antiken Synagogen?).
    Hat der später als Sothis-Periode mißdeutete Sachverhalt in der ägyptischen Geschichte etwas mit dem Tierkreis zu tun? Ist die Patriarchen- und Exodus-Geschichte so etwas wie ein Astral-Mythos?
    Freude, Lachen und Johlen; oder: Befreiung, Herrschaftskritik und Freude, und Herrendenken, Objektivierung durch Lachen, Johlen und Rache.
    Die Instrumentalisierung der Welt und die Zerstörung der teleologischen Prinzipien gehören zusammen; sie machen den Raum frei für das liberum arbitrium und die Subjektivierung der Zwecke, die dann selber wiederum über das Tauschprinzip und die Geldwirtschaft in eine der instrumentalisierten Welt angemessene Beziehung gerückt werden. In der instrumentalisierten Welt gibt es zur Herrschaft keine Altenative.
    Hat nicht die Übersetzung des zweiten Gebots in „Du sollst nicht fluchen“ ein ähnliche Funktion wie die des achten „Du sollst nicht lügen“? Auch das „Du sollst nicht fluchen“ ist ein Teil des Herrschaftsmechanismus, der Herrschaftskritik schon im Keim unterdrückt. Beide Übersetzungen haben hinterhältig und gemein gewirkt.
    Hat Auschwitz nicht eine zweitausendjährige Vorgeschichte? Und ist die Angst im Garten Gethsemane nicht eher auf diese Geschichte als auf die private Todesfurcht zu beziehen?

  • 30.05.92

    Joachim Fest hat seine Hitler-Biographie seinerzeit als „Geschichte einer Karriere“ verstanden. Er hat damit einen wesentlichen Punkt heutigen Politikverständnisses getroffen: Wo die Politik zu Karriere wird, wo Politik am Prestige gemessen wird, das sie gewährt, wird sie tendentiell faschistisch. Das Prestige, der Ruhm, das Sich-Spiegeln im Urteil der Öffentlichkeit, der Welt oder gar „der Geschichte“ ist Produkt einer pathologischen, Welt und Geschichte mit einbeziehenden Potenzierung des Exkulpationstriebs. Die größte Verführung für den Politiker ist das Gefühl, zum Herrn der Sprache zu werden, durch Sprachregelungen (bis in die Medienpolitik hinein) zwar nicht mehr die Dinge, wohl aber (im Interesse der eigenen Karriere) das Bewußtsein der Dinge bestimmen zu können.
    Der Fluch über die Schlange: „auf dem Bauche sollst du kriechen und Staub sollst du fressen“ ist nur ein anderer Ausdruck für den automatisierten Objektbezug (den apriorischen Objektbezug der transzendentalen Logik). Ist es nicht diese Schlange, die am Boden der Tatsachen klebt („die Welt ist alles, was der Fall ist“)?
    Die Schlange ist die Verkörperung der Leugnung der Umkehr, die Welt ist der Inbegriff dieser Leugnung.
    Die Beziehung von Licht und Finsternis, hat das etwas mit dem Entstehen und Vergehen zu tun (mit dem Verhältnis des Lichts zur Gravitation)? Und drückt sich das nicht in den Farben aus?
    Wenn die Fische auf die Wasser unterhalb des Firmaments bezogen sind, sind dann die Vögel auf die Wasser oberhalb bezogen?
    Der Turm zu Babel, der bis zum Himmel reicht: war das die Astrologie?
    Sind nicht die modernen, nach-einsteinschen Kosmologien (wie zuvor schon die sogenannten nicht-euklidischen Geometrien) Nachfahren der ptolemäischen Epizyklen – auf der Basis der kopernikanischen Wende?
    Kommen Leviathan und Behemoth nicht auch im Buch Jonas vor: als der große Fisch (bei der Flucht nach Tarschisch) und als „so viel Vieh“ in Ninive?
    Der Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang hängt mit den drei Dimensionen des Raumes zusammen: mit der Beziehung von
    – Im Angesicht und Hinter dem Rücken,
    – Gericht und Barmherzigkeit (rechts und links) und
    – Oben und Unten (Herrschaft und Gottesfurcht).
    Genau hierin gründet der Primat der Ethik, das Konzept der Ethik als prima philosophia.
    Prophetie und Sexualität: ein unbearbeitetes Thema (war nicht Jeremias unverheiratet, aber schon „im Mutterschoße“ erkannt; vgl. auch die Ehegeschichte des Hosea sowie den prophetischen Begriff der Hurerei)?
    Augustinus, der ausdrücklich darauf verzichtet, im Buche Genesis die „Rätsel der Prophetie“ zu lösen, nimmt damit das Recht der Schlange wahr (und begründet die Allegorie, christliche Sexualmoral und die Höllenlehre).
    Labor und Verwaltung; weitere Äquivalenzen: Industrie, Militär, Justiz und Strafvollzug, Schule, Psychiatrie. Definieren sie nicht alle geschlossene Systeme, die aber zugleich alle einander äußerlich sind?
    Innen und Außen (rechts und links?): Die Gesinnung verdankt sich der Subjektivierung der exkulpierenden Instanz, die Verantwortungsethik ihrer Objektivierung. Gesinnung und Empörung gehören zusammen (die Empörung ist ein Ausfluß und ein Stabilisator der Gesinnung), beide sind zusammenhängende Quellpunkte einer selbstzerstörerischen Dynamik. Im Begriff der Verantwortung steckt die Beziehung auf eine äußere (richtende, zur Verantwortung ziehende) Instanz.

  • 15.04.92

    Geldwirtschaft und Rüstung: Hängt die Erfindung (und militärische Nutzung) des Schießpulvers mit der der doppelten Buchführung zusammen? Oder die Gründung und Ausbreitung der Tempelbanken mit dem assyrischen Militarismus (und ihrem theologischen Reflex im Deus Sabaoth, im Herrn der Heerscharen), ähnlich wie die Einheit von „Entdeckung“, Eroberung und Missionierung Amerika mit dem Raub der Tempelschätze im „entdeckten Amerika“, dem mit seinem Reichtum auch noch der Name geraubt wurde.
    Zum Schreiben der raf vom 10.04.92: Konsequenzen aus dem Prinzip der Kleinschreibung: Verzicht auf Hypostasierung und Personalisierung? Es gibt Handlungen, die Komplizenschaft begründen und in Rechtfertigungszwänge hineinführen, und so die verändernde Kraft der Reflexion unterlaufen, verhindern. – Umgekehrt die völlig unangemessene Reaktion der Politiker: von der CSU war nichts anderes zu erwarten, aber daß auch die SPD, die doch selbst an der Einführung der Sonderbehandlung der Terroristen maßgeblich beteiligt gewesen ist, jetzt jede „Sonderbehandlung“ glaubt ablehnen zu müssen, ist nur verständlich aus den Rechtfertigungszwängen, denen sie seit dem Deutschen Herbst 77 unterliegt. Und wenn Herta Däubler-Gmelin, im vorhinein schon Forderungen der raf glaubt ablehnen zu müssen, die gar nicht gestellt worden sind, so drückt sich genau darin die Unfähigkeit aus, den Kern des Konflikts überhaupt wahrzunehmen. Die Äußerungen des Herrn Penner lassen es nachträglich noch als Glücksfall erkennen, daß nicht er damals Nachfolger Rebmanns geworden ist. Die SPD steht sich selbst im kollektiven blinden Fleck, zu dem sie geworden ist (sie hat insoweit Teil am Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus, als auch sie den Sozialismus noch für eine Frage der Innen- und Wirtschaftspolitik hält: der reale Problem- und Existenzgrund der raf – die Fundierung des Reichtums der westlichen Staaten auf dem Export der Armut – ist auch der Problemgrund der SPD; das ahnt sie, möchte aber nicht daran erinnert werden, und deshalb reagiert sie so paranoid).
    Die Reiselust der Deutschen: sie halten es zuhause nicht aus, suchen dann aber doch nur Plätze, an denen sie wieder unter sich sind. Trift nicht auch noch die (erweiterungsfähige) Erklärung die der König der Tartaren den Portugiesen in der Urphase der Kolonisation gegeben hat: „Die Tatsache, daß diese Menschen sich so weit von zu Hause entfernen, … zeigt deutlich, daß es bei ihnen so wenig Gerechtigkeit und so viel Gier geben muß.“ (John H. Elliott: Die Welt nach Kolumbus, Lettre 16, Frühjahr 1992, S. 80)
    Zur Geschichtsphilosophie der Oper: Rousseau, der Erfinder des modernen Naturbegriffs (der Natur-Christologie), war Opernkomponist und Librettist (Waltraud Gölter: Die Schrift und das Reale, Lettre 16, S. 87). Die Confessiones (des Augustinus wie die des Rousseau) sind der genaueste Ausdruck der Einsamkeit: einer Sehnsucht, eines Verlangens, das kein Objekt mehr findet. Die Oper reflektiert diese Einsamkeit als die gesellschaftliche des Herrn, der sich durch den Herrschaftszusammenhang gegen die beherrschte Welt und das Leben in ihr verblendet, sie als Oper, als musikalischen Traum, reproduziert (Oper als Traum-Äquivalent der instrumentalisierten Welt).
    Einleitungen, Vorreden, Vorworte haben nur den Zweck, mögliche Mißverständnisse, die jeder Autor zu fürchten scheint, zu vermeiden. Käme es heute nicht umgekehrt darauf an, Mißverständnisse zu provozieren?
    Drückt sich im lateinischen AcI nicht genau die undurchdringliche, der Kommunikation und dem Handeln nicht mehr kommensurable Herrschaft des Römischen Imperiums und die damit verbundene Konstituierung des Privaten, die in der Philosophie vor allem in der Stoa sich reflektiert, aus?
    Die seitenperspektivische Betrachtung des Charakters (und ihre Objektivierung in der Maske, der Person) gehört zu den Grundlagen des begrifflichen Denkens und bestimmt den Charakter der Aufklärung seitdem. Der Personbegriff ist nicht zu trennen von dem des Charakters, beide sind verbunden durch den der Maske. Das Ebenbild Gottes hingegen ist sinnlich erfahrbar im Angesicht des Andern.
    Dieser wahnsinnige Jakobus-Brief (Jak 123)! Diese Forderung ist (fast?) nicht mehr erfüllbar.
    Enstsprechen den drei Verleugnungen Petri die drei Versuchungen Jesu in der Wüste? Bei beiden, am Ende der Versuchung in der Wüste und bei Petrus (und nur hier?), kommt es zu dem „Weiche von mir, Satan“.
    Zum Begriff der Geschichte: Die historische Genese ist zu unterscheiden von der logischen Genese, die aber selber wiederum in die Geschichte fällt. Der Begriff des Ursprungs ist diachronisch.
    Uns hat’s die Sprache verschlagen, fast unmöglich der Versuch, sie wiederzufinden.
    Hängt der Name des Wassers zusammen mit dem Fragewort „Was“? Und haben die biblischen und die philosophischen Wasser (die Wasser über und unter dem Firmament, und dem „Alles ist Wasser“ des Thales) etwas mit dem Heideggerschen Begriff der Frage zu tun, dem Topos einer leeren, objekt- und antwortlosen, aber rang-(d.h. die Eigentlichkeit) bestimmenden und die Hierarchie begründenden Frage?
    Siegfried war, nachdem er im Blut der erschlagenen Drachen gebadet hatte, unverletzbar (Ausnahme: die Stelle an der Ferse).
    Es ist das seit den Anfängen des Privateigentums und der Geldwirtschaft ins Ungemessene gesteigerte Exkulpationsbedürfnis, das die Tempel und die Opfer begründet hat.
    Das christologische Erbe des Naturbegriffs: Es ist dieser Naturbegriff, von dem Habermas sich nicht lösen kann. Und es ist genau dieser Naturbegriff, der die Reflexion an der von der Herren erwünschten Stelle abschneidet. Die Abwehr jeglicher Naturspekulation bei Habermas scheint mit seinem Öffentlichkeitsbegriff zusammen zu hängen: damit, daß er es sich versagen muß, den Quellpunkt der Gemeinheit im Strukturgesetz der Öffentlichkeit wahrzunehmen und zu analysieren, in das Problem der Bewußtseins- und Kulturindustrie sich ernsthaft einzulassen. So wird er hilflos gegenüber jenem Prinzip, nach dem die Boulevard-Presse und das Fernsehen vor allem sich richten: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, weil sie die Beweislogik (die Logik jeglicher Öffentlichkeit, aber auch die der Philosophie, den Quellpunkt der Dialektik) transzendiert. Darzustellen wäre, daß das, was Habermas Öffentlichkeit nennt, ein Strukturgesetz ist, dessen nachvollziehbare Geschichte eins ist mit der Geschichte des Weltbegriffs und heute behemothische Qualität annimmt. Diese Öffentlichkeit blendet durch ihr eigenes Strukturgesetz jene Bereiche aus, die Habermas dann auch aus seiner Philosophie hinausweist. Das Habermassche Konzept von Erkenntnis und Interesse, Grundlage seiner Diskursphilosophie und des Konsensbegriffs, blendet die Erinnerung aus; übrig bleibt die instrumentalisierte Erinnerung. Diese Instrumentalisierung der Erinnerung ist das Erbe der dogmatischen Theologie; sie gründet im Zusammenhang von Schicksal und Begriff und endet in der Heideggerschen Seinsvergessenheit. Der Inbegriff der instrumentalisierten Erinnerung ist der gegenständliche Weltbegriff (als Begriff eines subjektlosen Subjekts der Erkenntnis).
    Die Lösung für das Problem der Beziehung des Reichs der Erscheinungen zu den Dingen an sich liegt im theologischen Begriff der Umkehr.
    Der Schicksalsbegriff ist ein sprachimmanenter Begriff, Ausdruck einer bestimmten Form der Beziehung der Sprache zu den Dingen, er müßte insbesondere aus der Struktur der indogermanischen Sprachen, aus ihrer grammatischen Struktur, ableitbar sein.
    Woher stammen die Tierkreiszeichen und ihre Namen (sie fanden sich u.a. in Synagogen)? Und in welcher Beziehung stehen sie zu den Sternengöttern (zu den Planeten)? Und wie verhält es sich mit der Astrologie: ist das Schicksal an die Planetenkonstellationen, der Charakter an die Tierkreiszeichen gebunden (oder umgekehrt)?
    Kelch und Becher: Hängen der Taumelkelch, der Kelch von Gethsemane und beim Abendmahl sowie die Ursprungsgeschichte von Moab und Ammon (Lot und seine Töchter) zusammen?
    Ein Feminismus der mit Rangkategorien argumentiert, arbeitet dem Sexismus in die Hände.
    Der Wittgensteinsche Satz „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ wird erläutert und kenntlich gemacht durch den Hegelschen Satz „Das Eine ist das Andere des Anderen“. Der Fall ist dieses Anderssein, Produkt der „verandernden Kraft des Seins“.
    Es ist diese Mischung von Euphorie und Schrecken, die den Verdacht wachhält, daß an der Sache noch etwas falsch sein muß.
    Die autoritäre Struktur des christlichen Dogmas ist von dem Zusammenhang mit dem Weltbegriff nicht abzulösen.

  • 08.04.92

    Was ist das „Salz der Erde“, und was ist das „Licht der Welt“?
    Der Unterschied zwischen der griechischen und der jüdischen Tradition liegt unter anderem darin, daß zwar die Philosophie in der Prophetie ihre Stelle findet (und auch benannt wird), nicht aber die Prophetie in der Philosophie. Die Prophetie kommt in der Philosophie nicht vor, weil die Philosophie den Gedanken der Schöpfung a priori abweisen muß, nicht ertragen kann. Schlimm war, was dann die Theologie unterm Begriff der creatio ex nihilo glaubte als Schöpfungsbegriff in die Philosophie einzuführen zu können und dann im Begriff des Kontingenten glaubte begriffen zu haben: Diese creatio ex nihilo hat mehr mit Bankgeschäften und Geldschöpfung zu tun als mit dem biblischen Schöpfungsbericht, aber sie war die einzige Möglichkeit, eine Erschaffung der Welt auch nur zu denken.
    Die Darwinistische Theorie ist eine Analogiebildung. Das Modell für die Vorstellung von der Entwicklung der Arten war die Erkenntnis der „organischen“ Entwicklung des Kapitalismus. Aber wenn sie eine Analogiebildung ist, dann wurde ihr Grund in der theologischen Konzeption der creatio ex nihilo gelegt.
    Die Idee der creatio ex nihilo ist ein Mammonismus. Dagegen ist die Rosenzweigsche Konzeption des nihil als eines dreifachen, bestimmten Nichts realistischer und kommt der Sache näher.
    Warum nennen die Dämonen Jesus den „Sohn Gottes“ (und warum nennt Pilatus ihn den „König der Juden“)? Kann er das überhaupt sein, wenn diese ihn als solchen glauben zu erkennen?
    Heideggers Kritik der Metaphysik ist regressiv, sie führt hinter Aristoteles zurück, nicht über ihn hinaus.
    Kann es sein, daß die Astrologie von der Chaldäern und die Alchemie von den Ägyptern (lt. Meyers großem Taschenlexikon im 2./3. Jhdt. im griechisch sprechenden Ägypten) stammt?
    Es ist eine im Aufklärungsprozeß selber entsprungene Verblendung, die die Menschen heute daran hindert, zu sehen, was sie durch ihr materielles Leben draußen anrichten. Ganz verdrängen läßt sich’s nicht: Sie ahnen die Wahrheit und reagieren darauf faschistisch. Der nach dem Zusammenbruch des Ostblocks eingetretene Rechtsruck läßt sich daraus herleiten.
    Sind nicht die Aktionen der Linken auch in der großen Gefahr, zu Exkulpationsriten zu werden, die dann die andere Seite erst wecken und provozieren?
    Wie in der Politik hilft auch in der Wissenschaft die selbstlaufende Logik nicht mehr zur Ermittlung der Wahrheit. Ist der Verdacht so unbegründet, daß sie heute bereits der Produktion des Chaos dient?
    Das war der Irrtum des real existierenden Sozialismus und das ist der Irrtum der gesamten Marktideologie, dessen Zeche wir werden zahlen müssen.
    Die Splitter in den Augen der Anderen sind Metastasen des Balkens im eigenen Auge. Oder anders: Das steinerne Herz ist der Reflex des Objektivierungsprozesses.
    Ist Petrus das steinerne Herz der Kirche, das erst nach dem Hahnenschrei durch die lösende Kraft des Weinens sich in ein fleischernes Herz verwandelt? Und ist nicht das aufs Dogma bezogene Bild von Schale und Kern noch zu grob?
    Die Todesgrenze ist identisch mit der Grenze, die das Lachen zieht, das Gelächter.
    Simone Weil: Schwerkraft und Gnade. Das muß als physikalisch-theologisches Buch gelesen werden.
    Nur die Gottesfurcht entmythologisisert die Welt.
    Das Objekt „fällt“ unter den Begriff, und das Urteil wird „gefällt“: So drückt sich der Fall in der Logik aus, und so wird die Welt zu „allem, was der Fall ist“.
    Die Kanonisierung der Schrift (in allen drei Schrift-Religionen) war die Installation der Schrift als Schicksalsmacht.
    Das kirchliche Gebot „Du sollst nicht lügen“ ist unerfüllbar, weil die Wahrheitspflicht, die darin sich ausdrückt, unerfüllbar ist. Und zwar ebenso unerfüllbar wie die Chance einer als Hexe Beschuldigten, ihre Unschuld zu beweisen. (Das ist der Beweis der dämonischen Unwahrheit des Unschulds-Ideals). Die Wahrheit, die nicht an der Idee des Konsenses, sondern an der der Versöhnung sich mißt, ist im prädikativen Urteil nicht faßbar. Und das Gebot „Du sollst nicht lügen“, verurteilt unentrinnbar zur Schuld; in seinem Bannkreis gibt es keinen möglichen Weg der Befreiung. Es verdankt sich dem kirchlichen Instrumentalisierungsgesetz, das bis ins Dogma hinein die Wahrheit entstellt, und dessen Wirkung hier mit Händen zu greifen ist: Es ist Produkt der Instrumentalisierung des achten Gebots: Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten. Es verwandelt das befreiende Offenbarungs-Gebot in ein Schicksals-Gebot.

  • 10.03.92

    Bedeutungswandel des Namens des Himmels im Christentum: Zusammenhang mit dem Namen des Logos und der Übernahme der Sünde der Welt? Konstitutiert sich dieser Himmelsbegriff in der Reflexion des Schuldzusammenhangs? Und wie hängt dieser Himmel mit dem empirischen Himmel (der „Feste“ und der Sternenwelt) zusammen? Ursprung der neuen Himmelsvorstellung in der Apokalypse, Zusammenhang mit der Schöpfungsidee und mit dem Weltbegriff?
    Dankbarkeit und Schuld sind Korrelate der Gnade und des Gerichts: Ist Undankbarkeit Schuld? Und ist erzwungene Dankbarkeit noch Dankbarkeit (Ursprung des Herrschaftsverhältnisses und des Schuldzusammenhangs)? – Anwendung auf das Verhältnis von Genitiv und Dativ.
    Zur Baum-Metaphorik: Unterscheidung des Baumes des Lebens vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Beide sind sprachlicher Natur, wie überhaupt Bäume mit Sprache zu tun zu haben scheinen (Erlaubnis, von den Früchten der Bäume – mit der bekannten Ausnahme – zu essen). Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen scheint die durch die Urteilsform geprägte und präjudizierte Sprache, die begriffliche Sprache, zu symbolisieren, der Baum des Lebens die Ausdruckssprache, die metaphorische, die Namenssprache (die Sprache, die ihre Wurzeln in ihrer benennenden Kraft hat, und in deren Krone die Vögel des Himmels nisten).
    Hat der Rhizynus-Strauch im Buch Jona etwas mit dem Senf-Strauch im Gleichnis Jesu tun? Auf diesen Strauch bezieht sich der Dialog, in dem am Ende Gott auf die 120000 Menschen, die rechts und links nicht unterscheiden können, und auf soviel Vieh verweist.
    Welche Bäume gibt es in der Schrift (Ölbaume, Weinbäume, Eichen, Zedern)? Nach der Kabbalah gibt es sieben Baumarten (Zusammenhang mit Schöpfung und Apokalypse, Astrologie).
    „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Hier ist der Ursprung des Weltbegriffs, die reinste Beschreibung des Falls, und zwar sowohl als Vorgang, als Prozeß, als auch der Bahn, auf der dieser Vorgang verläuft.
    Die Zeitdilatation ist richtungsabhängig und nicht unmittelbar auf den ganzen Raum bezogen. Bedeutung für die Frage der Chronologie, der Umkehr, der sieben unreinen Geister, der Schöpfung und Apokalypse?
    Das „Seid klug wie die Schlangen“ (griechische Tradition) ist leicht im Verhältnis zu dem „arglos wie die Tauben“ (jüdische Tradition).
    „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“: Hängt das mit der Umkehr und den sieben unreinen Geistern zusammen (vgl. auch die sieben Werke der Barmherzigkeit bei Matthäus)?
    Die Hebräer haben im Sklavenhaus Ägypten Ziegel gebrannt: wurden die Pyramiden mit Ziegeln oder mit Quadersteinen erbaut; war der Ziegelbau nicht eine Spezialität in Mesopotamien?
    Das christliche Dogma blockiert die Sprache und den Dialog auf ähnliche Weise wie das Rechtbehaltenwollen bei (nicht nachprüfbaren) Zukunftsaussagen (negative Prognosen).
    Parakletisches oder messianisches Denken vermag nicht die Schöpfung zu rekonstruieren, den Schöpfungsprozeß nachzuvollziehen, aber es reicht heran an den Ursprung des Sündenfalls (an den Grund der Sünde der Welt).
    „Ich bin das Licht der Welt“: Das Licht macht die Welt nicht durchsichtig, aber hell, und das ist möglich nur im Kontext der Auf-sich-Nahme der Sünde der Welt.

  • 24.10.91

    Der Tag ist die Zeit des Wachseins, des Bewußtseins, die Nacht die Zeit des Schlafs, des Traums, des Unbewußtseins. Die Gesetze der Nacht sind die Gesetze der Physis.
    Der GBA ist die objektivste – und deshalb die gemeinste -Behörde der Welt. Er ist Opfer jenes Sachverhalts, den Adorno so beschrieben hat: Die Welt gleicht sich immer mehr der Paranoia an, die sie zugleich falsch abbildet.
    Ist den Tieren das Fell gewachsen, als sie von Adam benannt wurden, oder als den ersten Menschen die Augen aufgingen, „und sie erkannten, daß sie nackt waren“? Und hat mit der Erkenntnis der eigenen Nacktheit sich zugleich die Welt verdunkelt? Herrschaft rührt in der Welt an einen Punkt und an Strukturen, denen im Subjekt die Sexualität entspricht. Sexualaufklärung bleibt abstrakt, wenn sie nicht mit der Aufklärung dieses dunklen Punktes im Weltbegriff zusammengeht.
    Die Dunkelheit draußen steht in Beziehung zur Dunkelheit drinnen. Und die Anatomie beginnt zusammen mit der Begründung der Astronomie (wie in der alten Welt die Leberschau mit der Astronomie bzw. Astrologie).
    Hat Amalekiter etwas mit Melek zu tun? Woher kommen Gog und Magog, und was bedeuten die Agagiter?
    Auschwitz ist nicht vergangen; die Vorstellung, Auschwitz sei vergangen, ist bekenntnislogisch begründet: sie gründet in der Vorstellung, daß die Taten von Auschwitz sich auf Gesinnungen, auf „Weltanschauungen“ zurückführen lassen (anstatt auf den aufgrund der Herrschaft der Bekenntnislogik unbegriffenen gesellschaftlichen Prozeß).
    Wie ist die Geschichte vom Rotkäppchen und dem bösen Wolf und vom Wolf und den sieben Geißlein (Sternendienst)? Ist der Hund ein domestizierter Wolf oder der Wolf ein verwilderter Hund?
    Die Widerspiegelungstheorie bezeichnet genau den Punkt, an dem der Marxismus in Mythologie umschlägt (das Bilderverbot verletzt).
    Jesus hat schon das Hegel-Studium empfohlen: Seid klug wie die Schlangen.
    Zur Neuen Jerusalemer Bibel (generell zur heutigen Theologie): Es ist eine schlechte Angewohnheit unserer Theologen, daß sie immer dann vorgeben zu wissen, was ein biblischer Autor mit einem Satz hat sagen wollen, wenn sie glauben, das reale, wörtliche Verständnis eines Satzes nicht akzeptieren zu können. Diese Wendung wird gerne gebraucht, wenn es darum geht, Schwierigkeiten wegzudiskutieren. Das Verfahren gleicht nicht zufällig dem in raf-Prozessen bei der Begründung unhaltbarer Urteile üblichen (wenn Richter vorgeben zu wissen, aus welchen Gründen Taten nur begangen worden sein können, wenn die wahren, nämlich die politischen Gründe nicht laut werden dürfen), auch dem in der Erziehung gerne angewandten Methode, mit der man Kindern Kritik abgewöhnt. Diesen Hintergrund hat die Theologie hinter dem Rücken des lieben Gottes.
    Das Inertialsystem und die kantischen Formen der subjektiven Anschauung sind der Grund und der Stabilisator der Bekenntnislogik (und seiner Derivate, von der Wertphilosophie bis zur Weltanschauung).
    Die Geschichte des Christentums ist vorbezeichnet in dem „et descendit ad inferos“. Und es hilft überhaupt nichts zu versuchen, sich diese Hölle zur heilen Welt zuzurichten.
    Nochmal Sylvia Schröer: Das hebräische Wort für Machen, für den Begriff, der auch in der Schöpfungsgeschichte vorkommt, bezeichnet auch das Kränken, Beleidigen?
    In welcher Beziehung steht die Geschichte des Militärs (der Produktion von Zerstörung) zu der der Banken (Parallelität der explosiven Vermehrung beider im 20. Jhdt.).

  • 20.09.91

    Theorie des Feuers (gibt es in der Schrift eine Erinnerung an den Ursprung des Gebrauchs des Feuers?).
    Off 1318: Hode hä sophia estin. ho echon noun psäphisato ton arhithmon tou thäriou. arhithmos gar anthropou estin. kai ho arhithmos autou hexakosioi hexäkonta hex. – Ist es die Zahl eines oder des Menschen? Weisheit und Verstand werden dann in Off 179 zitiert und erläutert: auf Rom bezogen.
    Der Drache, das Tier aus dem Meere und das Tier vom Lande: wie verhalten sich diese drei zur Struktur von Herrschaft, Schuld und Verblendung?
    Die Schrift macht das hic et nunc gegenstandslos und das Eine zum Anderen des Anderen (oder sie befreit den Gegenstand vom hic et nunc, von seinem Namen, und begründet die verandernde Kraft des Seins).
    Der Fisch ist ein Christus-Symbol (ichthys = iesous christos theou uios sotär), aber ebenso das Lamm (der Widder?). Jedoch der Fisch aufgrund seines Namens, das Lamm, weil es stumm zur Schlachtbank geführt wird. Das Lamm liefert Wolle und Fleisch, die Kuh Milch und Fleisch, das Schwein nur Fleisch (das Schwein wird durch Domestizierung nackt).
    Gibt es eine Evolutions-Synopse, die die Erdentwicklung, die Entwicklung der Pflanzen und die der Tiere synoptisch, in ihrem gleichzeitigen Verlauf, darstellt?
    Die Sonne beherrscht den Tag und das Jahr, der Mond die Nacht und den Monat.
    Der Sabbat ist der Tag des Saturn, nicht der Sonne. Der Sonnentag ist der erste Tag, der der Erschaffung des Lichts. Die Wochentage, die auch mit dem Schöpfungswerk (dem Hexaemeron) zusammenhängen, stammen wahrscheinlich aus dem Sternendienst, sie orientieren sich an den „Planeten“, den beweglichen Sternen:
    – Sonne
    Licht (Tag und Nacht)
    – Mond
    Gewölbe mitten im Wasser, scheide Wasser von Wasser (Himmel)
    – Merkur
    Wasser sammle sich, das Trockene werde sichtbar (Land, Meer)
    das Land lasse Grün, Pflanzen mit Samen, Bäume mit Samen und Früchten wachsen (das Land brachte … hervor)
    – Jupiter
    Lichter am Himmelsgewölbe, um Tag und Nacht zu scheiden (als Zeichen und zur Bestimmung von Festzeiten, Tagen und Jahren); Gott machte die beiden großen Lichter (das größere soll über den Tag, das kleinere über die Nacht herrschen) und die Sterne; Gott setzte die beiden Lichter ans Himmelgewölbe (sie sollen über die Erde hin leuchten, über Tag und Nacht herrschen, Licht von der Finsternis scheiden)
    – Mars
    das Wasser wimmele von lebendigen Wesen, Vögel über der Land am Himmelsgewölbe; Gott schuf …; Gott segnete sie (fruchtbar, vermehren, bevölkern)
    – Venus
    das Land bringe alle Arten von lebenden Wesen hervor (Vieh, Kriechtiere, Tiere des Feldes).
    Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich, sie sollen herrschen über Fische des Meeres, Vögel des Himmels, das Vieh, die ganze Erde und alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf … (als sein Abbild, als Abbild Gottes, als Mann und Frau). Gott segnete (seid fruchtbar, vermehrt euch, bevölkert die Erde, macht sie euch untertan, herrscht über Fische, Vögel, Tiere). Nahrungsgebot (vegetarisch).
    So wurden Himmel und Erde vollendet und ihr ganzes Gefüge.
    – Saturn
    Gott vollendet das Werk, das er geschaffen hatte.
    ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte.
    segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig, denn an ihm ruhte Gott, nachdem er … geschaffen hatte.
    Hängt die Finsternis (die Scheidung des Lichts von der Finsternis) mit dem Gravitationsfeld zusammen? Und hängt die Mathematik mit den Zeugungen zusammen?
    Wehalb durfte am Freitag kein Fleisch, wohl aber Fisch gegessen werden (Venus/Drachen: apokalyptisches Mahl des Leviatan)? Der Freitag ist der Tag der Kreuzigung, der Donnerstag der des Abendmahls.
    Zum Zeichen des Tieres an Hand und Stirn: Was bedeuten Hand und Stirn? (Off 1316ff; zu Zeichen vgl. Gen 415, 912; zu Hand Deut 68; zu Stirn Ez 94 und Off 94).
    Er ging hinaus und weinte bitterlich: das Weinen ist Trauerarbeit. Das Weinen bezieht sich auf den Trotz, in der Geschichte der drei Verleugnungen auf den in der Selbstverfluchung sich vollendenden Trotz. Das Weinen ist Ausdruck der Einsicht und des Bekenntnisses: Ja, das bin ich gewesen, das habe ich getan.
    Wenn ich noch die Zeit und die Kraft dazu hätte, würde ich gerne
    – einen Kommentar zur Hegelschen Logik schreiben. Arbeitstitel: Die Hegelsche Logik und das Inertialsystem.
    – Oder eine Kritik der Heideggerschen Philosophie. Arbeitstitel: Die Fundamentalontologie oder das Herrendenken als Selbstverfluchung.
    Kann es nicht sein, daß ebenso wie Abraham in der Genealogie vor die Könige (mit dem Einschub der Parodie auf beide: das Richterbuch) gesetzt wird, auch die Schöpfungsgeschichte, das Hexaemeron, im Rahmen der (nachdynastischen) Auseinandersetzung mit dem Sternendienst, an den Anfang gesetzt wurde?
    Welche Rolle spielen eigentlich Lot, Ismael und Esau in der Vätergeschichte?
    Ist Melchisedech, der „König von Salem“, ein Nachfahre des David? Welche Abraham-fremden Vorfahren gibt es in der Genealogie Davids (und Jesu): die Frauen?
    – Tamar die Kanaaniterin (Mutter des Perez),
    – Rahab die Frau aus Jericho (Mutter des Boas),
    – Rut die Moabiterin (Mutter des Obed),
    – Batseba die Hethiterin (Mutter des Salomo)?
    Schon der Vorläufer des Personbegriffs, die hypostasis (das hypokeimenon oder die Substanz), das Zugrundeliegende, der Träger der Eigenschaften (wie die Person Träger des damit neutralisierten Namens ist) ist vom Bekenntnisbegriff (und der Bekenntnislogik, die die Logik der Verdinglichung ist) nicht zu trennen. Das Bekenntnis drückt genau die Trennung des Subjekts vom Prädikat, des Trägers (Dings) von seinen Eigenschaften aus; diese Trennung ist der Grund der Verdinglichung, sie verwandelt die dann sich bildende Beziehung in eine Schuldbeziehung. So zieht der Personbegriff auch den Namen in diese Schuldbeziehung mit herein (und neutralisiert seine benennende Kraft, verwandelt ihn in einen singulären Begriff: in eine singuläre Eigenschaft, die die Person dingfest macht; im Spitznamen drückt sich diese verdinglichende, fertigmachende Gewalt als Gelächter, deren letztes Objekt die Person ist, aus).
    Empörung gibt es nur im Kontext der Personalisierung (Personalismus und Wertethik). Grundsatz der Personalisierung: An sich ist die Welt in Ordnung, aber leider gibt es ein paar Bösewichter (Prinzip der Idolatrie: Vergöttlichung der Bösewichter).
    Personalismus und Wertethik ratifizieren die Zerstörung der Idee des Glücks. Benjamins Satz „Glücklich ist, wer seiner selbst ohne Schrecken inne wird“ bezieht sich auf ein Selbst, das sich allein im Angesicht Gottes konstitituiert.
    Der Personalismus ist ein Ableger der christlichen Sexualmoral, die ihn zugleich stabilisiert; diese ist der Grund dessen, was seitdem „persönliche Verantwortung“ heißt: Zentrum einer Moral, die als Urteilsnorm das moralische Urteil durch Setzung des korrespondierenden Objekts: der Person, konstituiert. Hier liegt der Grund und der Ursprung des historischen Verdrängungsprozesses, Produkt einer auf den ersten Blick geringfügigen Verschiebung: der Vorstellung, die Erbsünde werde durch die Sexuallust (anstatt durch durch die sexualmoralische Urteilslust) auf die nachfolgenden Generationen übertragen. Das einzige Gegenmittel ist das Nachfolgegebot, das dem sexualmoralisch begründeten Feinddenken den Boden entzieht. (Zusammenhang von Sexualmoral, Objektivation und Verdinglichung, Personalisierung und Verinnerlichung des Opfers, Verschiebung des Mitleids vom Opfer aufs Selbst). Neubestimmung des Schuldbegriffs im Kontext des Nachfolgegebots (Befreiung vom Projektionszwang).
    Personalisierung ist die letzte Möglichkeit, unter Verkennung der realen Beziehungen zwischen Welt und Person (der Weltgrundes der Person) Rachephantasien auszuleben. Die Verdrängung der Frage, was nach dem revolutionären Akt kommt, brutalisiert den revolutionären Akt, macht ihn terroristisch; ihr subjektiver Grund sind Heile-Welt-Phantasien (das Unheil kann nur von Bösewichtern kommen: so aber hat’s seit je die Kirche gelehrt). Die Säkularisierung der falschen Theologie, die Beibehaltung des Bekenntnisprinzips (mit Feinddenken, Ketzerverfolgung und -nicht zuletzt – Frauenfeindschaft) ist nur ein Indiz dafür, wie tief das christliche Erbe sitzt, wie sehr es uns in Fleisch und Blut übergangen ist; sie ist aber nichts weniger als eine geglückte Aufhebung des falschen Christentums. Der Atheismus, die Gottesleugnung, ändert die Welt nicht, versperrt nur der Reflexion die letzte Chance, das Moment der Unwahrheit im Weltbegriff zu begreifen.
    Der Personbegriff drückte einmal die Anerkennung durch andere aus, die Hegel zufolge im Kampf um Leben und Tod errungen wurde und (ebenso wie das Eigentum, die Rechtsfähigkeit) die Person zur Person machte; in der verwalteten Welt ist die Person zum Knoten im Netz geworden, in dem sie gefangen ist und aus dem sie nicht mehr herauskommt: ist sie zu einer bloßen Funktion des Staates geworden, dessen Gewaltmonopol sie hilflos ausgeliefert ist, sofern sie nicht durch Eigentum geschützt ist. In dem Schimpfwort „diese Person“, das seinen logischen Ort im nachbarlichen Gerede hat, drückt sich die Wahrheit der vorfaschistischen Wertethik aus: als Person ist sie ungeschützt den Werturteilen ihrer Umwelt ausgeliefert; ohne Personbegriff kein Feinddenken: Horkheimers Wort über die Ambivalenz des Christentums gründet im christlichen Gebrauch des Personbegriffs (ohne den Personbegriff in der Trinitätslehre würde es keinen Grund für Apologetik und Theodizee geben; die damit systemlogisch verbundene Gottesidee ist ohne verteidigendes, apologetisches Denken nicht zu halten: Umkehrung der so neutralisierten Idee des Heiligen Geistes; es ist nicht unwichtig zu wissen, daß Tertullian, der den Personbegriff in die lateinische Theologie eingeführt hat, Jurist war: der Gedanke ist nicht abzuweisen, daß der Personbegriff hier nur noch das gemeinsame Verfügungsrecht der drei göttlichen Personen über die eine Wesenheit, die homoousia, ausdrückt).
    Der Bekenntnisbegriff sowie Form und Inhalt des christlichen Dogmas bilden ein System, das jedoch nur dann zu begreifen ist, wenn das System als ganzes gleichsam als sein eigener Umkehrpunkt begriffen wird. Die Bekehrung dieses Systems, seine Rettung vor dem Instrumentalismus, läßt sich begründen aus dem Nachfolgegebot; ihre Realisierung wäre die Wahrheit des Satzes „Schwerter zu Pflugscharen“.
    Gegen Heinsohn: Das Opfer ist kein Mittel der Katastrophenbewältigung, sondern eines der Schuldbewältigung: es will (wie das Experiment in der Physik) eine Untat durch Wiederholung ungeschehen machen. Und die Idolatrie (auch der Sternendienst und das Bilderwesen) ist ein Mittel der Komplizenschaft: der Rechtfertigung von Herrschaft.
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Bezeichnungen Barbaren und Hebräern? Wenn, dann würde das genau die Differenz zwischen der hellenischen und der israelitischen Tradition ausdrücken: der Unterschied zwischen der projektiven Fremdbezeichnung und der reflexiven Selbstbezeichnung (sie „lebten als Fremde im Lande“ – ist der „hebräische Sklave“ ein „fremder“ Sklave?). Ist die Teilung bei Eber die zwischen Hellenen (im weitesten Sinne) und „Barbaren/Hebräern“ (der erste historische Ausdruck der Klassengesellschaft), die Teilung, in der sich die Hebräer auf der anderen Seite wiederfinden (und „Abraham der Hebräer“ sollte „ein Segen für die Völker“ werden)? Der verzweifelt scharfsichtige Nietzsche hatte Recht: die jüdisch-christliche Religion ist eine Sklaven-Religion (aber der „Wille zur Macht“ ist die falsche, die faschistische Konsequenz daraus: jedoch die einzige, wenn die jüdisch-christliche Tradition verworfen wird). Die Söhne Ebers waren Peleg (Teilung) und Joktan, Peleg gehört zum Stammbaum Jesu. Zwischen den Genealogien Joktans (Gen 1026) und Pelegs (Gen 1118) liegt der Turmbau zu Babel (Gen 111ff).
    Nochmal zu den Söhnen Ebers: Ist der Teil der Nachkommenschaft Ebers, der vor der Sprachverwirrung benannt wird und wohl im Arabischen wohnt, eine Abspaltung, in der sich die Ursprache (die Sprache vor der Sprachverwirrung) erhalten hat? Oder hat Eber mit Abraham und seine Söhne mit den Söhnen Abrahams (und insbesondere Joktan mit Ismael) zu tun (wo sind ihre Siedlungsgebiete: die Söhne Joktans von Mescha, wenn man über Sefar kommt, bis ans Ostgebirge – Gen 1030 – und die Söhne Ismaels von Hawila bis Schur, das Ägypten gegenüber an der Straße nach Assur liegt – Gen 2518; ist nicht die Jakobsleiter in der Jakobsgeschichte das Gegenstück zum Turmbau von Babel)?
    Die barbaroi sind die „Stammelnden“, nur die Hellenen sind sich selber verständlich. Ist nicht in der Prophetie der „Taumelkelch“ ein Bild für das, was im Hellenismus (im griechischen Mythos und in der Philosophie, in dem, was Nietzsche im Dionysischen, der Innenseite des Apollinischen, begriffen hat) dann sich entfaltet? Im Hegelschen Absoluten, in dem „kein Glied nicht trunken ist“ (vgl. hierzu auch Kants Antinomien der reinen Vernunft und Hegels Bemerkungen dazu), kehrt das wieder. In der philosophisch instrumentierten Trinitätslehre ist dieser „Taumelkelch“ ins Christentum eingewandert. Und der zentrale Begriff war wohl der der homoousia, den Konstantin in Nizäa durchgesetzt hatte.
    Das Stammeln der Barbaren ist in der Schrift Wort geworden. Und die Aufgabe der historischen Bibelkritik scheint es zu sein, die Bibel aus ihrer falschen Verständlichkeit in dieses Stammeln zurückzuübersetzen, aus dem heraus sie vielleicht einmal wirklich verstanden werden kann. (Ist Hebräisch eine Objektsprache? Und verweist die Unterscheidung von Hellenen und Barbaren auf den Turmbau zu Babel?)
    Die Sprache des NT ist Griechisch: die damalige „Weltsprache“ und die Sprache der Philosophie. Aber das neutestamentliche Griechisch ist weder das eine noch das andere, es stammelt gleichsam in beiden Sprachen. Zu begründen ist das neutestamentliche Griechisch eigentlich nur durchs Nachfolge-Gebot: als ein erster Versuch, in der Sprache der Welt die Schuld der Welt auf sich zu nehmen. So hat es auch sprachlich die Gestalt des Gottesknechts angenommen (Jes 421-9, 491-7, 504-11, 5213-53).
    In Heideggers Fundamentalontologie wird der Taumelkelch zur Droge; davon ist die Kirche süchtig geworden.
    Maß, Zahl und Gewicht (Waage): sind das nicht Raum, Zeit und Materie (vgl. Hegels Logik, Quantität)?
    Zu Maß, Zahl und Gewicht (die Produkte der Abstraktion und des Vergleichens, von Augustinus als Hinweis auf die Trinitätslehre verstanmden): Liegt der Ursprung des „Gewichts“ im Geldwesen (das Geld als Einheit von schwerer und träger Masse; babylonische Tempelwirtschaft und Astronomie / Astrologie, Schuldknechtschaft; moderne Astronomie und Gravitationslehre als Stabilisator der Mechanik; Kopernikus und Newton waren Münzbeamte)?
    Die Welt, auch die physikalische, ist die Wolfswelt.
    Der „Schrecken Isaaks“ ist der Schrecken des „Er lacht“. Die tiefe Zweideutigkeit, die Dämonie des Lachens, in dem Freude und Hohn kaum voneinander sich trennen lassen, klingt hier an. Zuletzt erscheint das in der verkehrten (unbekehrten, mit dem christlichen Begriff der Sexualmoral zusammenhängenden) Vorstellung des Augustinus, daß zur Glückseligkeit der Seligen im Himmel der Anblick der Leiden der Verdammten in der Hölle gehört. Hier ist einer der christlichen Ursprünge des Faschismus; hier sind die Seligen im Himmel schon auf der Bahn zum KZ-Wächter. In jeder Law and Order-Mentalität steckt etwas davon.
    Der positivistische Ansatz in Loretz‘ Hebräer-Buch hängt nachweislich zusammen mit der Unfähigkeit, das Moment der Gemeinheit im wissenschaftlichen Objektivismus (und in der vergesellschafteten Welt) zu reflektieren.
    Die Josephs-Geschichte beschreibt den Vorgang der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals im Kontext des Staatskapitalismus, während die ökonomisch-religiösen Institutionen in Babylon solche der Privatwirtschaft gewesen zu sein scheinen. Das Königtum und die Tempelwirtschaft sind Instrumente eines Handelsbürgertums, das so die Grundlagen des Handels: das Geld und das Vertragswesen, absicherte (dagegen ist der Dekalog von Grund auf antikapitalistisch).
    Pyramide und Mausoleum: Zusammenhang von Staatskapitalismus und Totenkult.
    Der Ursprung der Idee, die Welt müsse zivilisiert werden, ist griechisch (Alexander); und der Ursprung der Idee, sie müsse befriedet werden, römisch (Cäsar / Augustus). Beides kehrt wieder in der spätchristlichen Verbindung von Mission und Kolonialismus (die Asylanten von heute sind die Nachfahren der Hebräer).
    Ebenso, ja mehr noch wie im Wörterbuch steckt die Weltgeschichte in der Grammatik (Genitiv / Dativ; mit dem Ablativ verschwindet der Sprachgrund der Gnadenlehre). Der Weltbegriff selber ist Teil einer grammatischen Struktur, eines grammatischen Konstrukts, des gleichen Konstrukts, durch das der Begriff in der Sprache verankert wurde (das prädikative Urteil, die damit zusammenhängenden Strukturen der Deklination und Konjugation), während die Mathematik sich aus der Sprache und gegen die Sprache entfaltete (Beziehung von Mathematik und prädikativem Urteil; Verstärkung der Gewalt des prädikativen Urteils durch die Mathematik: Was bedeutet der Begriff Mathematik?).
    Die Metaphysik setzt die Physik, die Gegenstandswelt, voraus. Deren Konstruktion setzt wiederum die Astronomie voraus.
    Die Heideggersche Philosophie ist ein Reflex der verdinglichten Objektwelt: die auftrumpfende Ohnmacht des Subjekts, der zwangshaft sich selbst reflektierende Instrumentalismus, der das Bewußtsein, Instrument zu sein (der „Uneigentlichkeit“), unter taktischer Verwendung der selber instrumentalisierten Bekenntnislogik (des Dezisionismus) zur „Eigentlichkeit“ aufspreizt.

  • 16.09.91

    Mit dem Rätsel der Sumerer wird auch das Rätsel des Ursprungs und der Vorgeschichte der Schrift gelöst (Tempelwirtschaft, Keilschrift, Astronomie/Astrologie und Gestirndienst, Turmbau zu Babel und Verwirrung der Sprachen – durch die Schrift?).
    Der Rassismus, der im Hinblick auf die Indogermanen durch Auschwitz obsolet geworden ist, besteht im Hinblick auf die Sumerer und die altorientalischen Völker (die „Hebräer“?) weiter.
    Haben Wellhausen und seine Nachfolger (bis in die Gegenwart hinein) wilhelminische/imperialistische Theologie betrieben (war W. der Treitschke der Bibelwissenschaft)?
    Hängt Jerubbaal (Vater Abimelechs, identisch mit Gideon? – vgl. Ri 91-5, 632, 71) mit Jerusalem zusammen?
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Pferden, dem Sternendienst und insbesondere em Sonnenkult (Pferde ziehen den Sonnenwagen und den Streitwagen)? Wo kommen Pferde vor in der Schrift? (Salomo: 1 Kö 1028, vgl. Am 410, Sa 18, Jak 33, Off 62) – Vgl. hierzu auch den Namen Philippus und die Philipper.
    Die Kritik der Naturwissenschaft und die Kritik der kirchlich-christlichen Sexualmoral gehören zusammen (die „Erbsünde“ wird über die Urteilslust, nicht über die Sexuallust „vererbt“).
    Schickt die christliche Opfertheologie den erstgeborenen Sohn des Vater durchs Feuer?
    Heißt es bei Buber wirklich „Braus Gottes über Urwirbels Antlitz“?
    Die drei „Nichtse“ bei Rosenzweig sind Nichtse unseres Wissens: sie beziehen sich auf ein Jenseits der Grenzen, die dem Wissen aus seinen eigenen Voraussetzungen heraus gesetzt sind. Wissen aber ist Wissen von etwas oder Wissen über etwas: es bezieht sich entweder auf Vergangenes oder auf Objekte von Herrschaft. Durch diesen Zusammenhang wird das Unvergängliche/Ewige mit dem Herrschaftsfreien verknüpft, mit der Idee des Reiches Gottes.
    In der Natur ist das wissensbegründene Konstrukt das Inertialsystem (Objektivation durch Subsumtion unter die Vergangenheit und Instrumentalisierung); der Begriff der Natur verdankt sich der Universalisierung dieses Systems: dem Begriff des Universums. Das Universum ist somit Produkt der Subjektivierung der Welt; es hat als Nebenfolge die Versuchung/Verführung zur Vorstellung, das Subjekt sei das Absolute (vgl. Rosenzweigs Kritik des „All“).
    Müßte man micht bei einer Theorie der Banken die der „schwarzen Löcher“ zu Rate ziehen (und das Gesetz der Hohlraumstrahlung)?
    Heidegger und die rhetorische Frage (die Seinsfrage, die deutsche Frage, die Judenfrage und die Endlösung). Fragen werden beantwortet, Rätsel und mathematische Aufgaben gelöst. Fragen binden, aber wann wird das Rätsel, das wir uns selber sind, gelöst? Rätsel löst man, indem man die Schwierigkeiten häuft; Fragen stellt man eigentlich erst, wenn man die Antwort schon kennt (sind alle Fragen rhetorisch?). Deshalb stellen Lehrer Fragen und lösen keine Rätsel.
    Die Rehabilitation des Konjunktivs ist die Rehabilitation des Wunschdenkens („ach möge doch …“). Ohne das Wunschdenken ist der Bann des Seins nicht zu lösen. Wer den Menschen das Wünschen austreibt – und das ist das durch die Geldwirtschaft bereits realisierte Ziel der Fundamentalontologie -, treibt ihnen die Wahrnehmung dessen aus, was das Wünschen provoziert und notwendig macht.
    Das heute so beliebte „ich würde dazu sagen …“ ist ein Indiz dafür, daß bereits das Denken und die Wahrheit dem verpönten Wunschdenken unterliegt („ich würde ja gerne, aber die Gewalt der Fakten verbietet’s mir“): Heute ist die Realität selber der stärkste Motor der Verdrängung.

  • 17.04.91

    Das Modell des Kreislaufs ist der Jahreskreislauf: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. An diesen Kreislauf ist das Leben der Pflanzen gebunden, es verselbständigt sich nicht dagegen. Anders das Leben der Tiere, daß sozusagen den Grund dieses Kreislaufs in sich aufgenommen, verinnerlicht hat. Läßt sich so (auf der Grundlage der Korrespondenzen zwischen dem Inneren und der Außenwelt) die Astrologie begründen? Aber auch die dem Menschen verliehene Macht: Adam benennt die Tiere. Gleichzeit werden Sonne und Mond als Herrscher des Tages und der Nacht bestimmt.
    Die Pflanzen überleben (überwintern) durch den Samen (und die Wurzeln?). Die Bäume überleben die Jahre durch Verholzung, Verstockung (Hypertrophie der Wurzeln). Hängt das mit dem gemeinsamen Ursprung der Bäume und der Prähominiden zusammen? Die Säugetiere, deren Leben auch an die Perioden der Jahreszeiten noch gebunden ist (Zeugung, Geburt, z.T. auch Winterschlaf), haben einen gemeinsamen Ursprung mit den blütentragenden Pflanzen (Beziehung der Fortpflanzung zum Licht, Insekten). Ist hier der Punkt, an dem der Ursprung von Behemoth und Leviatan interessant wird?
    Hat es etwas zu bedeuten, daß der Begriff Stamm sowohl die vorstaatlichen (geschlechterbezogene) Sozialeinheit bezeichnet als auch den Stamm der Bäume? Ist – bezogen auf die zwölf Stämme Israels – die Verstockung gleichsam ein Naturqualität?
    Hoffnung gibt es nur, wenn es Hoffnung auch für die Toten gibt.
    Die naturphilosophische Enträtselung des Gesetzes: Der Islam wäre daraufhin zu befragen: Wenn Gott die Welt täglich neu schafft, er gleichsam diese Herkulesarbeit leistet, die Welt täglich vor dem Untergang zu retten, woher kommt dann ihr täglicher Untergang? Wo liegen die Wurzeln des Verhängnisses; sie haben einen politischen Teil, aber sie liegen nicht in der Politik.
    Die Vorstellung einer unendlichen Vergangenheit (und eines unendlichen Raumes) ist der Preis für die Konstitution des transzendentalen Subjekts.
    Aggression ist ein Symptom für nicht geleistete Trauer- und Erinnerungsarbeit.
    Heute trampeln unsere Theologen beim Unkrautausreißen in allen Weizenfeldern herum. Und zwar sowohl die christlichen, als auch die marxistischen Theologen. Alle behaupten, das richtige Unkrautvertilgungsmittel zu haben, aber keiner macht sich Gedanken über die Nebenwirkungen.
    Die Stoßprozesse sind der Keimpunkt, an den sich das ganze System der Physik ankristallisiert. Sie sind sozusagen der zentrale Referenzpunkt für alle naturwissenschaftlichen Begriffe, Objektvorstellungen und Gesetze.
    Die Gemeinheitsautomatik ist eine Funktion des Empörungsmechanismus.
    Zur Bekenntnislogik gehört
    – der Feind: das sind die Juden;
    – der Verräter (die Sympathisanten des Feindes): das sind die Ketzer, die Häretiker;
    und die Bekenntnislogik ist selbst männlich: sie schließt die Frauen aus, die dann nur durch Keuschheit, Erhaltung der Jungfräulichkeit, sich aus ihrer ursprünglichen Verderbtheit (ihrer Unfähigkeit zu bekennen) retten können. Der Rechtfertigungszwang ist männlich.
    Der Bekenntnisbegriff versetzt den (männlichen) Gläubigen in die Lage, gleichsam hinter dem Rücken Gottes (durch Vermännlichung Gottes) Theologie zu treiben (Anbetung der zeugenden Kraft, an der nur die Männer teilhaben: „Ich bin ein eifersüchtiger Gott“). Die damit verbundenen Schuldgefühle, mit denen man nicht leben, die man nur verdrängen kann, werden dann zwangshaft projiziert; und hier stehen die drei Projektionsflächen offen, die aufzuarbeiten sind:
    – der Antijudaismus,
    – die Ketzerverfolgung
    – und die Frauenfeindschaft.
    Hier gibt es eine Systematik, die auf die drei Verleugnungen des Petrus verweist: Die letzte Leugnung geht einher mit der Selbstverfluchung, dann krähte der Hahn, und er ging hinaus und weinte bitterlich. Hier, wenn die Kirche die Angst verliert, sie könne ihr Gesicht verlieren (vor der Welt schuldig erscheinen), in dieser Lösung der Spannung, löst sich die Schuld.
    Das Zwangsbekenntnis ist der Kern, das logische Zentrum einer Struktur, die gegen ihren Inhalt gleichgültig ist; das Entscheidende ist genau diese Gleichgültigkeit gegen den Inhalt. Sie vermittelt die Möglichkeit, den Inhalt zu behaupten, ohne davon berührt zu werden, ihn objektiv zu halten.
    In dem Augenblick, in dem Schuld keine Rechtfertigungszwänge mehr auslöst, d.h. in dem Augenblick, in dem der Bekenntniszwang durchbrochen wird, wird auch der Wiederholungszwang außer Kraft gesetzt, der den Zusammenhang zwischen dem Bekenntniszwang und den scheußlichen Untaten, die im Namen des Christentums im Laufe seiner Geschichte begangen worden sind, einmal herstellte.
    Nicht das Proletariat, sondern die Toten bezeichnen diesen absoluten Objektstatus, auf den als reine Negativität die Erlösung sich bezieht.
    Das Bekenntnis ist die Verstockung, die die Christen dann den Juden zum Vorwurf gemacht haben.
    Die Bekenntnislogik im Christentum hat sehr viel mit der Beziehung des Christentums zur Philosophie zu tun, die dann an einem anderen Objekt, gleichsam durch Verschiebung, Kant auf ihren Begriff gebracht hat. Die Hegelsche Philosophie ist die präparierte Leiche der dogmatischen Theologie. Aber erst Einsteins spezielle Relativitätstheorie, das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, hat (mit der Berichtigung des Inertialsystems)
    . dem Bekenntnissyndrom endgültig den Boden entzogen und
    . das Modell für die Berichtigung des Bekenntnisses geliefert (vgl. auch Freud, dessen Psychologie das durchs Bekenntnissyndrom, das dem Ödipuskomplex entspricht und wie dieser die bürgerliche Geschlechterrolle prägt, bestimmte Subjekt zur Grundlage hat: der „Penisneid“ und die Bekenntnis-Unfähigkeit gehören zusammen).
    Ist nicht die spezielle Relativitätstheorie Einsteins eigentlich die allgemeine, und die allgemeine die spezielle?
    Die Lichtgeschwindigkeit ist nur durch „Umkehr“ auf ihren realen Begriff zu bringen. (Das Bekenntnis ohne Umkehr wird zum Zwangsbekenntnis.)
    Die moderne naturwissenschaftliche Aufklärung und der Kapitalismus beruhen beide auf dem gleichen Prinzip: dem der Verinnerlichung des Opfers. Der prophetische Satz: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ ist ein erkenntnis- und herrschaftskritischer Satz.
    Die Mystik, genauer die christliche Mystik, ist der vergebliche Versuch, der Schuld des Objektivationsprozesses durch die Wendung nach innen zu entkommen.

  • 20.02.91

    Schneisen schlagen:
    – Theologie im Angesicht/hinter dem Rücken Gottes (vgl. Jürgen Ebach, UuZ, S. 51ff: Der Gottesgarten liegt im Antlitz Gottes; bedeutet „hinter dem Rücken Gottes“: im Angesicht des Feindes? – Im Angesicht = in den Augen von, im Urteil von),
    – Subsumtion der Zukunft (der Versöhnung) unter die Vergangenheit (Theologie hinter dem Rücken Gottes) als Basis des Herrendenkens,
    – „sanctificetur nomen tuum“: was geschieht dem Kind, dessen Mutter in seiner Gegenwart über das Kind redet: sie macht das Kind sich selbst und der Mutter zum Feind (und verdeckt diese Feindschaft durch symbiotische Bindung); genau das machen unsere Theologen mit Gott; – haben unsere Theologen einmal nachgefragt, was die Juden unter der „Heiligung des Gottesnamens“ verstehen?
    – zum Begriff des Ewigen (Umkehr: Heute, wenn ihr meine Stimme hört),
    – Bekenntnis: Herrendenken und Instrumentalisierung,
    – Kritik des Personbegriffs (Produkt der Verinnerlichung der falschen Versöhnung),
    – Kritik des Inertialsystems (Entfremdung, Grund der Instrumentalisierung, Löschung der benennenden Kraft der Sprache: Produkt der falschen Versöhnung),
    – Kritik des Herrendenkens (Begriff und hierarchische Struktur der Logik; Herrschafts-, Schuld-, Verblendungszusammenhang),
    – Dornen und Disteln (Ursprung der Gewalt, Herschaft von Menschen über Menschen),
    – Ursprung und Kritik der Gewalt (Verhältnis zur Logik; Logos: Begriff oder Name?),
    – Ansteckung durch Gewalt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“
    – „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“,
    – Petrus: Schlüsselgewalt und dreifache Verleugnung: die dritte – die Sünde wider den Heiligen Geist – endet in der Selbstverfluchung,
    – imitatio Christi, die Gottesfurcht (dazu gehört auch die Lektüre des Angehörigen-Info),
    – Natur und Welt als Totalitätsbegriffe zur Absicherung des Herrendenkens, Neutralisierung der Gottesfurcht (Zusammenhang mit der Grenze/Ausdehnung von Natur und Welt – Rom, Kopernikus),
    – Welt und Schöpfung: Ursprung und Geschichte der Häresien (Orthodoxie und Weltbegriff: Instrumentalisierung der Theologie; Äquivalenz von Bekenntnis und Trägheitsgesetz),
    – Welt und Geschichte: geschichtliche und kosmische Religion; Genealogie, Chronik, Prophetie vs. Mythos; Christentum und Verweltlichung; Ursprung und Geschichte von Antijudaismus, Ketzer- und Hexenverfolgung,
    – Verweigerung/Notwendigkeit der Erinnerungsarbeit (Idee der Versöhnung: offene Zukunft und abgeschlossene Vergangenheit; die Öffnung des Raumes schließt die Vergangenheit ab),
    – nicht Ökumene, sondern Entkonfessionalisierung der Kirchen,
    – die raf und der Golfkrieg: die Welt gleicht sich immer mehr dem Verfolgungswahn an, durch den sie zugleich falsch abgebildet wird (seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben),
    – es kommt nicht aufs Rechtbehalten an (Bekenntnissyndrom; Rechtbehaltenwollen als Teil der „Versuchung“: et ne nos inducas in tentationem),
    – wer unbedingte Gewißheit: die Zukunft dingfest machen will, zahlt zwangsläufig den Preis der Entfremdung, weil er es nicht erträgt, in der Furcht Gottes zu bleiben; er ist zur Verdummung verurteilt,
    – wo kein Kläger, da kein Richter (Hauptsache: nicht erwischt werden): sich der Anklage stellen, anstatt die Schuldgefühle, die sie auslöst, zu verdrängen.
    Bekenntnis und Komplizenschaft: Die Komplizenschaft ist in den Weltbegriff bereits eingebaut. Als Bürger des Staates (sowie als Käufer in einer durch Geldwirtschaft bestimmten Gesellschaft) bin ich als Komplize der Herren (durch Identifikation mit dem Aggressor) selbst Herr über die Unterworfenen (und die Produzierenden, die Arbeit und das Produkt der Arbeit anderer). Entlastung von den Schuldgefühlen bringt die Absicherung der Selbstexkulpierung durch das „homologe“ Bekenntnis aller: Wo kein Kläger, da kein Richter. Erst durchs Bekenntnis (durchs Bekenntnis zu den geltenden Werten: zum moralischen Urteil, bzw. durch Identifikation mit dem Aggressor und Verzicht auf die Anklage gegen ihn) werde ich real zum Komplizen. Dieses „Bekenntnis“ (und das gilt heute auch für das kirchliche, konfessionelle Bekenntnis) ist ableitbar als Umkehrung des Schuldbekenntnisses (als falsche Versöhnung: Leugnung der offenen Schuld in der Gegenwart und Dekretierung der Versöhnung als einer in der Vergangenheit bereits geleisteten; Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit; das sich Verstecken des Adam („unter den Bäumen des Gartens“), Flucht aus dem Angesicht Gottes, dreifache Leugnung des Petrus: die dritte – die Sünde wider den Heiligen Geist – endet in der Selbstverfluchung; Instrumentalisierung der Scham).
    Ist das homologein (Bekennen) nur ein anderer Ausdruck für das akolouthein (die Nachfolge)? „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“
    Beherrscht der Mond die Natur und die Sonne die Welt? Die Sonne erleuchtet (herrscht über) den Tag, der Mond die Nacht.
    Die Vorstellung des (nicht vorstellbaren) unendlichen Raumes hat Natur und Welt als Totalitätsbegriffe konstituiert: vorher waren beide begrenzt, gab es noch ein Außerhalb.
    Der philosophische Begriff des Kontingenten konnte nur deshalb mit dem Schöpfungsbegriff verwechselt werden, weil die Schöpfung selber mit der Welt verwechselt wurde. Beides war erkauft mit einem Tabu über die Erinnerungsarbeit (Kontingenz bezeichnet die Beziehung des Objekts zum Begriff, Schöpfung die zum Namen).
    Der Begriff der List der Vernunft ist der Spalt, durch den die benennende Kraft der Sprache entweicht und die Gewalt in die Hegelsche Philosophie Einlaß gefunden hat (vgl. Adornos Hegel-Aufsatz). Heute ist von der List der Vernunft nur die List noch übriggeblieben, der reine Dezisionismus. Nicht zufällig taucht der gleiche Begriff der List auch im Rahmen der Hegelschen Theorie der Naturbeherrschung auf: als Prinzip der Technik; die gesellschaftliche Anwendung des Listbegriffs liegt auf der Hand (vgl. die List des Swinegels und Jürgen Ebachs Bemerkungen dazu, UuZ, S. 154).
    Die Sprachverwirrung beim Turmbau von Babel („und machen wir uns damit einem Namen“) wird beschrieben als die Folge eines Eingreifens Gottes, der herabstieg, „um sich Stadt und Turm anzusehen“ (Gen. 111ff).
    Erst in der transzendentalen Logik, durch die Einbindung des Objektbegriffs, wird die benennende Kraft des Begriffs, die im traditionellen Begriff des Begriffs noch drinsteckt, gelöscht. Die Geschichte der Philosophie läßt sich hiernach auch begreifen als eine sprachgeschichtliche Auseinandersetzung zwischen Begriff und Namen, mit dem Ziel, den Namen zu neutralisieren (Kampf gegen die Magie, Ursprung des Personbegriffs). Die Verwirrung kommt herein durch die zentrale Funktion des Urteils (und dessen Bindung an den instrumentellen Sprachgebrauch). Die Umformung der Subjekt-Prädikat- in die Objekt-Begriff-Beziehung in der transzendentalen Logik Kants markiert den Punkt, an dem sich die Sprache endgültig von ihrer benennenden Kraft emanzipiert. Hier vollendet sich die Sprachverwirrung (der Turmbau von Babel). Oder: die Postmoderne beginnt mit Kant und Hegel. Hier gibt es einen zwangsläufigen Zusammenhang mit der Interpretation der Geschichte vom Sündenfall (die in der Tradition der Aufklärung und des deutschen Idealismus als die Geschichte der Menschwerdung begriffen wird) und mit der Neigung zum Antisemitismus.
    „Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß“: Gegen die Sprachverwirrung die Dinge zum Sprechen bringen (oder sie beim Namen nennen).
    War es vielleicht die beängstigend nahegerückte Gefahr des Wiederauflebens der Magie (nicht nur in Astrologie und Alchimie, sondern näher noch in der neuen Gestalt des Bekenntnisses: des Konfessionalismus), die dann ihr Sündenbock-Opfer in der Hexenverfolgung fand? – Namenszauber und Ursprung der Naturwissenschaften und des Nominalismus, des Objekts der kantischen Kritik? Ritualisierung des Lebens (pompöse Verkleidung: Perücke und Robe) zur Abwehr der andrängenden feindlichen Mächte (der Gewissensmächte: zweite Geburt der Person – Christentum als Gewissenskomfort – Höllensturz). Unausweichlichkeit der Melancholie und der barocken Hybris?
    Gewissen und Über-Ich: das Gewissen lebt von der Erinnerungsarbeit, von der Fähigkeit, die Vergangenheit zur benennen (Name, Scham und Schuld), das Über-Ich ist die verinnerlichte, instrumentalisierte Gestalt der falschen Versöhnung, gehört zur Geschichte des Begriffs.
    Ich glaube, man muß heute die tiefe Ambivalenz in der Geschichte der Aufforderung an Petrus: „Schlachte und iß!“ (in der Apostelgeschichte) begreifen, um die ganze Tragweite der Entscheidung zur Heidenmission (die mit dem Namen des Petrus, der Kirche, untrennbar verbunden ist; die Auseinandersetzung mit Paulus, in der Petrus die andere Seite vertritt, macht das Gewicht der Entscheidung noch deutlicher) zu begreifen.
    Unsere Theologie hat die Gottesfurcht durch die Furcht des Herrn ersetzt (Ursprung und Geschichte der Herrenbegriffs, des Kyrios-Begriffs).
    Der Staat oder die installierte Sünde wider den Heiligen Geist.
    Einer der Nebeneffekte des Bekenntnissysndroms ist die Gesinnungsethik, bei der in der Regel übersehen wird, daß die „Ge-sinnung“ gerade nicht das Innerste des Menschen bezeichnet, sondern nur das, was der Gesinnte gerne als sein Innerstes nach außen demonstrieren möchte: Der demonstrative (durch den Exkulpationswunsch bestimmte) Grundzug, den die Gesinnung mit dem Bekenntnis gemeinsam hat, ist unverkennbar; er verweist zugleich darauf, daß ohne Ausnahme jede Gesinnung von außen induziert ist (oder auch transplantiert, bei herabgesetzten Immunkräften): Ausdruck dessen, was David Riesman den „außengeleiteten Charakter“ genannt hat; man ist national „gesinnt“, aber einem Menschen, den man liebt, wohl „gesonnen“ (zu diesem Adjektiv gibt es bezeichnenderweise kein verdinglichendes, personalisierendes Substantiv; hierauf kann man niemanden festnageln). Von der Gesinnung (wie auch vom Zwangs-Bekenntnis) ist das Passive, das Unspontane und Unlebendige, das Selbst-Opfer und die dahinter lauernde Wut auf den, der nicht einstimmt, nicht abzuwaschen (es gibt keinen Nationalismus ohne Feinddenken). Jede Gesinnungsethik trägt ausgesprochen exkulpatorische Züge, sie ist ein Akt der Selbstfreisprechung, des reuelosen Sich Unschuldigfühlens, der direkt in den Wiederholungszwang hineinführt. (Begriff der Gesinnung bei Kant?)

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