Wenn die sieben Siegel etwas mit den sieben Planeten zu tun haben, ist dann nicht der Himmel das Buch des Lebens, das aufgerollt (abgeschlossen und geöffnet) wird, wenn die sieben Siegel gelöst werden?
Gilt nicht der Satz über den Faschismus, daß die bloße Verurteilung nicht hilft, sondern der Schrecken zu reflektieren ist, auch fürs Patriarchat insgesamt. Und ist die Instrumentalisierung des Schreckens (in der bloßen Verurteilung des Faschismus wie des Patriarchats) nicht die Falle der Urteilslogik? Hat die „Venus-Katastrophe“ etwas mit diesem Vorgang zu tun, und sind die „Planeten“ die kosmischen Repräsentanten dieser Urteilslogik? Sind die sieben Siegel (wie auch die sieben Planeten, die Wege des Irrtums) Ausdruck objektiver Zwänge, die aus der Verdrängung des Schreckens (an den die paulinischen Elementarmächte erinnern) resultieren? Ist die Astrologie eine Urteilstheorie?
Die frühe Kirche hat (nach der Rezeption des Weltbegriffs und nach dem Ursprung der Bekenntnislogik) die dämonischen Elementarmächte der Paulusbriefe zu Engelshierarchien gemacht.
Venus und Merkur sind sonnennahe Planeten, Jupiter und Mars sonnenferne (und auf eine komplizierte Weise auf den Mond bezogene) Planeten. Und gehören Uranos und Pluto auf ähnliche Weise zum Saturn? (Vgl. die Neunzahl der pseudodionysischen Hierarchien: Seraphim/Cherubim/Throne, Herrschaften/Mächte/Kräfte, Fürstentümer/Erzengel/Engel, peri tes ouranias hierarchias.)
Ist Saturn der Planet der Personalpronomina (erste, zweite, dritte Person bzw. m/f/n)?
Läßt die Theologie Martin Bubers aus seiner Übersetzung des Gottesnamens (ER, 3. Pers. m.) sich rekonstruieren: aus der Verwechslung des Gottesnamens mit dem Namen Adams? Rührt nicht daher die Affinität seiner Bibelübersetzung (wie auch seiner Bibel-Interpretation) zum Feudalismus? Hatte nicht schon die Orthodoxie, die dogmatische Theologie, Christus mit Adam, den, der die „Sünde der Welt auf sich genommen“ hat, mit dem Sünder, der nur das Bewußtsein der Sünde verdrängt hat, verwechselt?
Die erst mit dem Dogma entstandene Vorstellung, daß das Reich Christi kein Ende haben wird, heißt eigentlich, daß die Welt unerlösbar ist: die Erlösung wurde ad kalendas graecas vertagt (mit der endlosen Verschiebung seiner Wiederkunft und der Leugnung der Auferstehung). Für die Kirche hatte die Auferstehung mit dem Dogma und seiner Verschmelzung mit dem Bürgerrecht des Imperium Romanum sich „erfüllt“.
Ist das Ganze nicht (im wörtlichen Sinne) eine Wahnsinnsgeschichte (ebenso wie auch die Astrologie eine Wahnsinnsgeschichte ist)? Aber eine, an deren Lösung die Rettung der eigenen Seele gebunden ist?
Die naturwissenschaftliche „Lösung“ des Astrologieproblems, hat den Wahnsinn psychotisiert: Sie hat den Wahnsinn ans Selbsterhaltungsprinzip gekoppelt, an das Prinzip der Vergesellschaftung von Herrschaft. Sie hat die translunarische Welt an die Gesetze der sublunarischen Welt geknüpft, sie hat die untere Welt zur oberen Welt gemacht, aber auf der Schiene der Urteilslogik: der Verdrängung des Schreckens (sie hat damit diese und die zukünftige Welt verraten). Kehren nicht die neuen „kritischen Bewegungen“ (der nach-68er-Bewegungen) wiederum die Urteilslogik (mit der Folge der Verinnerlichung des Schreckens)?
Gegen Kant (und gegen Hegels Logik): Es gibt nicht eine transzendentale Logik (die, in sich selbst reflektiert, zur Idee des Absoluten führt), sondern es gibt sieben transzendentale Logiken. Und deren Repräsentanten sind die sieben Planeten.
Wenn das Bekenntnis das bara verdrängt, so verdrängt es Himmel und Erde, die großen Meeresungeheuer und das Ebenbild Gottes (an dessen Stelle die homousia des vergöttlichten Sohnes tritt). Und dieser Fehler ist nicht dadurch zu heilen, daß das facere im Deutschen mit erschaffen übersetzt wird, es bleibt ein demiurgisches Machen, es verbleibt im Bannkreis der Naturbeherrschung.
Sind die ägyptischen wie auch die apokalyptischen Plagen nicht eigentlich Schrecken (die Objektseite der Urteilserfahrung)?
Die Lösung der sieben Siegel gibt den Blick auf die Schrecken frei (der Faschismus, der diesen Anblick nicht erträgt, erschlägt die, die ihn verkörpern oder ihn laut werden lassen). – Es kann nicht das Ziel sein, daß der Staat sein wahres Gesicht zeigt, sondern es kommt allein darauf an, daß er an den Folgen seines Handelns gemessen wird.
Sind die sieben Planeten nicht ebenso viele Knotenpunkte der Abstraktion und Verdrängung? Hängt ihre Konstituierung und Erscheinung nicht mit dem Problem der Beweislogik (mit dem kantischen Problem des apagogischen Beweises) zusammen, ebenso mit dem Problem der Genesis des pathologisch guten Gewissens (mit der Logik der Schuld): mit dem Problem, auf das sich das Wort Jesu bezieht „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, mit dem Problem der „Wege des Irrtums“ und der Bekehrung des einen Sünders, mit der Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden? Gehört hierzu nicht auch das Väterproblem in den Evangelien? Und hängt die „Heilung der Schwiegermutter des Petrus“ mit diesem Problem zusammen?
Der ungeheuerliche Verdrängungsakt am Ende des letzten Krieges, der doch so „natürlich“ war, wäre endlich aufzulösen. Hierbei wäre die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos eine unentbehrliche Hilfe.
Heute in der FR ein Hinweis auf ein Buch mit dem Titel „Blut. Von der Magie zur Aufklärung“. Es ist offensichtlich ein medizinisches Buch, aber ist es nicht zugleich ein theologisches Buch?
Im Angesicht und Hinter dem Rücken (vorn und hinten): Bezieht sich nicht Rechts und Links auf das Vorn und Hinten des Andern, und das Oben und Unten auf das Angesicht und den Rücken Gottes?
Nur über die Schuldreflexion (für die im Stern der Erlösung die Todesfurcht steht) ist der Verblendungszusammenhang aufzulösen.
Die griechische Sprache verhält sich zur lateinischen wie die (prädogmatischen) subjektiven Formen der Anschauung zum (postdogmatischen) Inertialsystem.
Astrologie
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21.09.1996
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16.09.1996
Bezeichnen der Schurz aus Feigenblättern und der Rock aus Fellen Stufen der Sprachentwicklung? Und schließt die Übersetzung des Gebotes „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten“ in das Gebot „Du sollst nicht lügen“ nicht die Konsequenz mit ein, daß jeder (insbesondere aber die Kinder, an die das Gebot in erster Linie gerichtet zu sein scheint) in voller Nacktheit sich zeigen soll? Diese Fassung des Gebots ist obszön, in ihr enthüllen sich die, die Gebrauch von ihr machen, als Voyeure. Dieses Gebot perhorresziert die Phantasie, damit aber die Fähigkeit der Kinder, mit der Welt sich auseinanderzusetzen, es macht sie wehrlos. Das „Du sollst nicht lügen“ hängt mit der Verurteilungslogik zusammen.
Welche Logik steckt in dem Ausdruck „unverschämt“? Logik ist Sprachlogik, zu deren Elementen nicht nur die sprachimmanenten Momente gehören, wie Wortbedeutung und deren Varianten, die Grammatik und die Satzbildung, sondern ebensosehr die Sprachsituation (es gibt keine herrschaftsfreie Kommunikation). Für sich genommen sind die sprachimmanenten Elemente der Sprachlogik technische Elemente. Wer der Reflexion dieser technischen Elemente nicht fähig ist, ist kommunikationsunfähig, bleibt bloßes Objekt der Verurteilungsautomatik (verschämt und gehorsam).
„Unverschämt“ ist ein eliminatorischer Begriff. (Kafkas Brief an seinen Vater läßt sich als ein zwangsläufig hilfloser Versuch verstehen, sich gegen den Vorwurf der Unverschämtheit zu wehren.)
Zum Keuschheitsgebot: Hängt die Befreiung des Katholizismus vom Bann nicht davon ab, ob es gelingt, die Sexualmoral als eines der Produkte der Verdrängung der Sprachreflexion (als Nebenprodukt der Dogmatisierung) zu begreifen? Die indikativische Sexualmoral (die Sexualmoral als Gesetz) ist der Kern des Schuldverschubsystems.
Jürgen Ebachs Bemerkung zu dem Abschnitt aus dem Minima Moralia „Herr Doktor, das ist schön von Euch“, daß Adorno „zuletzt das Leben selbst aus dem Blick verliert“ (Kassandra und Jona, S.66), habe ich zunächst nicht verstanden. Diese Bemerkung entzündet sich an dem Satz Adornos: „Noch der Baum, der blüht, lügt in dem Augenblick, in dem man sein Blühen ohne den Schatten des Entsetzens wahrnimmt …“. Aber wird dieser Satz, in dem „Natur“ zum Spiegel der Katastrophe wird, in deren Anblick er geschrieben wurde, nicht der gleichen (vergewaltigenden) Logik unterworfen, die auch das Verhältnis des Dogmas zu den biblischen Texten, aus denen es einmal „abgeleitet“ wurde, beherrscht? Die Bemerkung, daß Adorno „das Leben selbst (was immer in diesem Kontext darunter verstanden werden mag, H.H.) aus dem Blick verliert“, wenn er sein Entsetzen über den Autismus der Bäume ausdrückt, die weiterhin blühen, als wäre nichts geschehen, wenn das Grauen die Welt überfällt, erinnert mich an den neudeutschen theologischen Slogan von der „Bewahrung der Schöpfung“, der eigentlich die „Natur“ und mit ihr die Herrschaftslogik, das steinerne Herz der Welt, meint, in deren Kontext Natur sich konstituiert.
Was symbolisieren Bäume? Gibt es nicht einen Zusammenhang zwischen dem, was man den deutschen Charakter nennen könnte, und der deutschen Waldreligion? Bäume sind aufrecht, trotzen dem Unwetter und allen Stürmen, vor allem aber sind sie im wörtlichsten Sinne verstockt und der Empathie völlig unfähig (hängt nicht die Erkenntnis des Guten und Bösen mit der Verstockung zusammen?). Bonifatius hat zwar die heilige Eiche gefällt, aber, wie es scheint, gefruchtet hat’s nichts.
Durch ihre Verstockung (als Holz) werden die Bäume zum Grundmaterial der Möbel und des Feuers. Im Griechischen ist hyle der Name der Materie. Läßt sich der Kohle und dem Erdöl auch eine geschichtstheologische Bedeutung abgewinnen? Gehört nicht zur Geschichte der Verwendung des Baumes der Pfahl, die Säule, die Statue?
Hängen hyle und physis sprachlogisch auf ähnliche Weise zusammen wie materia und natura, und liegt nicht dazwischen die Verstockung des Herzens (physis ist männlich, natura weiblich)?
Ist es nicht an der Zeit, die Geschichte der Verstockung des Herzens Pharaos endlich einmal genauer sich anzuschauen? Die Verstockung des Herzens Pharaos steht in Abhängigkeit von seiner Entscheidung, das Volk nicht ziehen zu lassen.
Ist nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos eine Abfolge von Symbolen, die sexueller, sprachlicher und herrschaftsgeschichtlicher Natur zugleich sind? Aber erst Babylon hat den hieros gamos vollzogen (hierauf verweist der apokalyptische Unzuchtsbecher).
Wie im Himmel, so auf Erden: Als Gott am zweiten Tag die Feste schuf, die er dann Himmel nannte, hat er mit dieser Feste die oberen von den unteren Wassern getrennt. Von den Wassern unter dem Himmel heißt es dann am dritten Tag, daß sie an einem Ort sich sammeln, damit das Trockene sichtbar werde. Entspricht dem etwas bei den „oberen Wassern“? Ist der Gottesname der „eine Ort“, an dem diese Wasser sich sammeln sollen, und steckt das hinter dem Gebot der Heiligung des Gottesnamens? Ist nicht der biblische Schöpfungsbericht (eigentlich die ganze Thora) „kos-mogonisch“ (weltbegründend) und prophetisch (himmelaufspannend) zugleich, und verleiht das der Thora das Übergewicht über die Prophetie?
Tenach: Ist nicht in der Tora (im „Gesetz) vereint, was in den Nebiim (Propheten) und Ketubim (Hagiographien) getrennt ist?
Die Differenz von Rind und Esel ist die Differenz von Gesetz und Gebot (Joch und Last).
Es gibt keine Kollektivschuld, aber es gibt nur die eine Chance, den Wiederholungszwang zu brechen, wenn durch Erinnerungsarbeit die Sünde der Welt reflektierbar gemacht ist. Und ist das nicht die Geisttaufe?
Die Entlastungskonstruktionen, die mit der Historisierung des Holocaust als Zugabe (aufgrund der Logik der Historisierung) sich einstellen, haben die Deutschen endgültig zu einem Volk von Zwangsneurotikern gemacht.
Behemoth: Ist das nicht ein Abstraktum die Gehölz, und kann man es nicht mit Getier übersetzen?
Die Schrift ist ein durchsichtiger Körper, aber man muß lernen, mit den Ohren zu sehen, um hindurchblicken zu können. Aber es ist das Inertialsystem, es sind die subjektiven Formen der Anschauung, die die Ohren verstopfen. Die kantische Philosophie ist das Gegenteil einer dogmatischen Philosophie, sie ist der Beginn der Reflexion des Grundes, aus dem der Dogmatismus erwachsen ist.
Sollte man im Credo nicht das visibilium et invisibilium, das Sichtbare und das Unsichtbare, durch das Erhörte und das Unerhörte ersetzen?
Der Himmel ist ein plurale tantum. In der Schrift steht der Himmel im Plural. Das Einheitsprinzip dazu: Ist das nicht die Einzigkeit Gottes, die Einheit des Gottesnamens.
Das aufgedeckte Antlitz wird aufgedeckt durch das Leuchten seines Angesichts.
Die Erde ist kein Planet. Haben nicht die Planeten etwas mit den subjektiven Formen der Anschauung zu tun: der Saturn mit der Form der inneren Anschauung, die anderen sechs Planeten mit den sechs Enden der Richtungen des Raumes, der Form der äußeren Anschauung?
Kommt nicht das Konstrukt aus dem Sohar, daß die Enden der Richtungen des Raumes auf göttliche Namen versiegelt sind, der Astrologie auf eine gefährliche Weise nahe? Und bezeichnet nicht Maria Magdalena, die von den sieben unreinen Geistern befreit wurde, den neutestamentarischen Einspruch gegen die Astrologie? -
12.09.1996
Ist nicht das Konzil eine Metamorphose der Arena? An die Stelle des Märtyrers tritt der Confessor, und der Herr über beide ist der Caesar. Gehört dieser Prozeß nicht zur Neukonstituierung der Öffentlichkeit, der res publica, unter den Bedingungen des Imperium Romanum, des Caesarismus? Die Transformation des Märtyrers zum Confessor gehört zum Prozeß der Vergeistigung der Gewalt, der Identifikation mit dem Aggressor und dem Formelbekenntnis als Feigenblatt. Instrument dieser Transformation war das Dogma, die Trinitätslehre, die Orthodoxie (mit der Opfertheologie im Kern).
Beachtenswert ist die merkwürdige Unsicherheit im Prozeß der Dogmenbildung, im Gebrauch der Begriffe Zeugung und Geburt (die zurückweist auf die Differenz im Naturbegriff, den Unterschied zwischen der lateinischen und der griechischen Version dieses Begriffs). Vgl. „gezeugt/geboren, nicht geschaffen“, „hat Fleisch angenommen aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria/durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria“, „aus dem Vater gezeugt/geboren vor aller Weltzeit“ (sh. Staats, S. 19ff).
Nach dem griechischen Text ist der Sohn aus dem Vater vor aller Weltzeit gezeugt, und aus dem Heiligen Geist und Maria der Jungfrau geboren, nach dem lateinischen Text ist der Sohn vor aller Weltzeit aus dem Vater (der ihn auch gezeugt, nicht geschaffen hat) geboren, und durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geboren.
Hierzu eine Randbemerkung: Wenn Paulus (in der Apostelgeschichte) sagt, er sei ins römische Bürgerrecht „hineingeboren“, ist er dann nicht in dem gleichen Sinne Römer „von Natur“ wie nach 1 Kor 1114f „die Natur selbst (uns belehrt), daß, wenn ein Mann lange Haare trägt, es eine Schande für ihn ist, wenn aber eine Frau lange Haare trägt, es eine Ehre für sie ist“? Natur ist eine herrschaftsgeschichtlich definierte Kategorie.
Hängt nicht auch das „filioque“ mit der Differenz der lateinischen gegenüber der griechischen Sprachlogik zusammen? Im Griechischen geht der Geist aus dem Vater hervor, während der Sohn (den der Vater gezeugt hat) aus dem Geist (und aus der Jungfrau Maria) geboren wird; im Lateinischen hat der Vater den Sohn gezeugt, geht der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohne hervor, wird der Sohn durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geboren. Hat die lateinische Version den Heiligen Geist (der dem Sohn ebenso folgt, wie er ihm vorausgeht) endgültig vom Mutterschoß (vom Ort der Barmherzigkeit, aus dem die Propheten berufen und hervorgegangen sind) getrennt? Und erinnert nicht die lateinische Version eher noch (und auch logisch genauer) als der Mythos, auf den Freud sich bezieht, an den „Ödipus-Komplex“? Löst sich damit nicht die verwirrende Logik der lateinischen Version, in der Grund und Ursache ununterscheidbar werden, in der die zeitliche und die logische Folge nicht mehr sich auseinanderhalten lassen?
Ist die Trinitätslehre der durchschlagene Knoten, und ist die Stelle, an der er durchschlagen wurde, nicht rekonstruierbar?
Peri physeos: Steckt in diesem Generaltitel der vorsokratischen Philosophie nicht noch das Bewußtsein der männlichen Zeugung, des aktiven Hervorbringens im Ursprung des Objektivationsprozesses: Ist die Natur der Inhalt des Unzuchtsbechers?
Wenn das Meer die Völkerwelt symbolisiert, welche Folgen hat das für das Verständnis der signifikanten Stellen, an denen das Meer erscheint?
– Während es sonst heißt, daß Gott den Himmel und die Erde erschaffen (den Himmel aufgespannt, die Erde gegründet) hat, gibt es einige Stellen an denen es heißt, daß Gott den Himmel, die Erde und das Meer erschaffen hat. Und Jonas gibt sich (auf dem Schiff nach Tarschisch) als Hebräer zu erkennen, der „den Herrn (verehrt), den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht“ hat (haben dieses „Meer und das Trockene“ etwas mit der Völkerwelt und dem Petrus zu tun?).
– Und was hat es mit dem Stein, der, einem großen Mühlstein gleich, ins Meer geworfen wird (Apk 1821) auf sich? Ist es der gleiche Stein, der nach Mt 186 denen, die „einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zu Sünde verführen“, um den Hals gehängt und mit ihm in die Tiefe des Meeres versenkt werden sollte; und ist das Meer das gleiche, das am Ende nicht mehr sein wird (Apk 211)?
Zur Goldhagen-Diskussion: Sollte man nicht ein Buch an seiner eigenen Intention messen, und nicht an dem, was einer von ihm erwartet? Sind nicht von außen herangetragene Erwartungen (wie auch das von außen an eine Sache herangetragene Maß, insbesondere der Inbegriff dieser Maße, das Inertialsystem) hinterhältig?
Franz Rosenzweigs gelegentliche Bemerkung, daß seine Arbeit erst posthum Anerkennung finden werde, bezieht sich nicht nur auf seinen eigenen Tod, sondern nach Auschwitz auf den Untergang der Judenheit in Deutschland überhaupt. Und verstärkt sich nicht zusehends der Eindruck, daß Auschwitz, je weiter es in die Vergangenheit zurücksinkt, uns immer näher auf den Leib rückt?
Nochmal zur Sprache der Medien („diesen Jahres“): Wie hängt die Adjektivierung des Demonstrativpronomens zusammen mit der Vertauschung von Genitiv und Dativ nach trotz, wegen, entsprechend? Und wie hängen beide damit zusammen, daß der Nominativ immer deutlicher als durch den Akkusativ vermittelt sich erweist (Grund der Umwandlung des Nomens ins Substantiv)? Läßt das Ganze aus der Neudefinition des Wahrheitsbegriffs (aus der Formel: Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand) sich ableiten, die der Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung (des Inertialsystems) sich verdankt, aus der neuen Urteilsform, die an den Objektbegriff sich anschließt?
Wegen müßte den Genitiv, trotz und entsprechend müßten den Dativ nach sich ziehen. Die Vertauschung von Genitiv und Dativ verschiebt die Sprache ins Autoritäre. Gehorsam wird zum Dank gegen die höhere Einsicht der Welt, während der Eigenwille seiner Sprache beraubt wird. Die Medien-Grammatik ist die präventive, vorauseilende Einübung in die Grammatik des autoritären Denkens. Sie treibt den Menschen den Widerspruch aus und macht die Sprache zur Sprache der Unterwerfung, der im Voraus kapitulierenden Ohnmacht, der mit Hilfe dieser Grammatik eingebläut wird, daß sie gegen das, was ist, nichts mehr auszurichten vermag.
Das Fernsehen ist das zum Leben erweckte Menetekel, das Zeichen an der Wand: Gezählt, gewogen und zu leicht befunden (anschaulich vor Augen geführt in dem vorgestern gesendeten Gespräch Bioleks mit Kohl).
Ist nicht Kohl der lebendige Beweis dafür, daß der A…. keine Ohren hat? Ein überdeutlicher Hinweis zur Ortsbestimmung des Weltgeistes, der autistisch geworden ist und nicht mehr auf dem Pferde sitzt (ja, wo reiten sie denn, oder: wohin ist der Weltgeist gerutscht?).
Das Subjekt war noch das dem Allgemeinbegriff (dem Prädikat) Unterworfene; beim Objekt liegt diese Unterwerfung dem Urteil voraus, sie wird schon durch die subjektiven Formen der Anschauung, die damit in die Urteilsform hineinregieren (und die Begriffe depotenzieren), geleistet.
Im Kontext der polis wird die Natur von den Bürgern erzeugt; im Kontext des Imperium Romanum ist die Erzeugung der Natur abgeschlossen, wird die Natur zum Geborenen.
Die heutige Astrologie ist deshalb so unsäglich, weil sie dem System, das zu negieren sie vorgibt, verhaftet bleibt: dem System der Selbsterhaltung, das im kopernikanischen System kosmische Qualität gewonnen hat.
Der Begriff der Verurteilung markiert den Übergang von der Urteilslogik zum moralischen Urteil. Und dieser Übergang trägt alle Züge einer Katastrophe (die in der Geschichte vom Sündenfall im Wort von der Erkenntnis des Guten und Bösen sich anzeigt). Natur ist gefallene Natur, es gibt keine andere. -
30.7.96
Schwindel: ein physischer und ein logischer Sachverhalt; Zusammenhang von Hören und Sehen, Fall und Rotation (Planeten). Der Schwindel und die „Wege des Irrtum“, der Taumelkelch. Das Inertialsystem erzeugt den Schein des Schutzes vor diesem Schwindel, er verschafft den Begriffen Grund durch Verankerung in der Identität des Anschauens, der sichtbaren Dinge. Seitdem steht alle Identität unter dem Bann des Anschauens.
Im Johannes-Evangelium gibt es den „Fürsten dieser Welt“: – 1231: „Jetzt … wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden“, – 1430f: „Nicht mehr viel werde ich mit euch reden, denn es kommt der Fürst dieser Welt. Über mich vermag er nichts, …“ – 167f.11: „Wenn ich nicht ginge, würde der Beistand nicht zu euch kommen … Wenn er dann kommt, wird er die Welt überführen: … des Gerichts, weil der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist.“
Wer ist damit gemeint: Der Caesar oder eine Engelsmacht (wenn beide sich überhaupt unterscheiden lassen)? Ist die Engelsvorstellung nicht politischen und astrologischen Ursprungs zugleich (und sind die Horoskope säkularisierte Engelsbotschaften)? Und unterscheiden Engel und Dämonen sich nicht eigentlich nur dadurch, daß, während jene auf das Endziel, die Rettung der Welt, sich beziehen, diese auf Interessen der Selbsterhaltung?
Zur Zweideutigkeit des Begriffs der Autonomie: Die Autonomie, die dem Selbsterhaltungsprinzip korrespondiert, gründet im Eigentum (der Nicht-Eigentümer ist nicht autonom), die andere Autonomie in der Distanz zur Selbsterhaltung (oder in der Fähigkeit zur Schuldreflexion): in der Freiheit zur Barmherzigkeit, zur Identifikation mit dem Anderen.
Die zweite Gestalt der Autonomie findet ihre biblische Verkörperung in der Idee des Heiligen Geistes. Als Verkörperung des verteidigenden („parakletischen“) Denkens ist der Heilige Geist die Verkörperung einer Freiheit, die dem Rechtfertigungszwang entronnen ist.
Ist nicht das Auto, dessen Kosten insgesamt die der „Anschaffung, Aufzucht und Erhaltung“ eines Kindes entsprechen dürften, und das auch einer ähnlichen „Zuwendung“ bedarf, das Symbol der Abschaffung der Zukunft? Hierbei entspricht der Geschwindigkeitsrausch („Freie Fahrt für freie Bürger“) dem Trieb, in der Gegenwart verharren zu können, der Zukunft zu entfliehen (Kult des Komparativs: Höher, schneller, weiter; zum Fetisch Auto gehört der Olympia-Kult). Sind nicht die Siege im Sport, insbesondere auf dem Fußballplatz, Exerzitien der schrecklichen Siege, deren Opfer wir alle einmal sein werden? Ist nicht das Ziel allen Sports das Präsens, das keine Zukunft mehr kennt (der Indikativ, der keinen Konjunktiv mehr kennt)? Bezieht sich nicht der Satz, daß die Pforten der Hölle sie (die Kirche) nicht überwältigen werden, auf dieses Präsens. Oder anders: Ist dieses Präsens das schwarze Loch, das alles Licht in sich aufsaugt, aber keins mehr ausstrahlt? Wie hängen die Formen der Deklination (die Casus) mit den Formen der Konjugation (den Zeiten und Modi: mit Präsens und Vergangenheit, Aktiv und Passiv, Indikativ und Konjunktiv, mit Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II, am Ende mit Infinitiv und Imperativ) zusammen? Hat nicht das nunc stans, das geheime Ziel der Lehre von der ewigen Wiederkunft, mit Nietzsche als absolute Parodie des Ewigen sich enthüllt? Nur daß es in einer Logik, die das Ewige mit dem Überzeitlichen verwechselt, hierzu keine Alternative gibt. „Ehe Abraham ward, bin ich“: ist dieser Satz nicht doppeldeutig? Er verweist einerseits auf eine vergangene Zukunft, die bis heute noch nicht eingeholt ist, während das „ehe“ auf eine Vorangehendes, Früheres, Erstes verweist, durch deren Kritik hindurch die Idee des Messias überhaupt erst zu gewinnen wäre. In messianischem Kontext ist das Erste das Letzte. Was „vor aller Zeit“ ist, ist keine Vergangenheit, sondern die Zukunft. Dieser Anfang wird das Ende sein. Deshalb ist der erste Akt der Schöpfung das Fallen, eine Katastrophe, das tohuwabohu, die Finsternis über dem Abgrund, während der zweite, noch nicht abgeschlossene der des Rettens ist. Der Anfang dieses zweiten Akts ist der über den Wassern brütende Geist. Aus wieviel Siebener-Gruppen besteht die Apokalypse (wenn man die Schreiben an die Engel der sieben Gemeinden in Asien mitzählt)? Kann es sein, daß es insgesamt elf sind, und bezieht sich darauf das Jesus-Wort an Petrus (das fast unmittelbar auf den Satz vom Binden und Lösen folgt), daß wir nicht nur siebenmal sondern siebenundsiebzigmal vergeben sollen (Mt 1822)?
Läßt sich die Nachkriegsentwicklung in der Bundesrepublik nicht daraus herleiten, daß nur die, die mitgemacht haben, lebenstüchtig waren, während die, die nicht mitgemacht haben, zu sehr mit sich selbst (mit der Aufarbeitung ihrer eigenen Probleme) befaßt und für die anderen Dingen nicht frei waren? Hat nicht der leichte Gesinnungswechsel nach dem Krieg die Bekenntnislogik, der er sich bediente, endgültig gegen die Tradition, aus der sie einmal erwachsen ist, immunisiert und damit erst wirklich faschistisch gemacht? Hier liegt der Ursprung des Mechanismus, zu dem es keine Alternative mehr zu geben scheint, der bewirkt, daß heute der Kampf gegen den Faschismus zum Kampf gegen die Erinnerung wird: Die reflexartige Verurteilung des Faschismus, die das Erinnern ausschließt (das Entsetzen soll nicht „konserviert“ werden), macht auch den Kampf gegen den Faschismus blind gegen das wirkliche Verhängnis, das fortbesteht, sie macht ihn am Ende selber faschistisch. „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen“ (Zwi Rix, zit. na Henryk M. Broder): Gehört nicht zur Anamnese der Rache die Einsicht, daß nicht die Opfer, sondern nur die Täter rachsüchtig sind; und liegt darin nicht die wirkliche politische Gefahr? Läßt sich nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos auf die Gechichte des Christentums anwenden (und liegt das einzige Hemmnis nicht in den aus genau dieser Anwendung ableitbaren Folgen dieser Geschichte)? Und sind wir nicht heute in der Phase der Finsternis? Worauf bezieht sich das Wort vom Greuel der Ägypter; ist dieses Greuel (die Materie des Opfers) eins in den Augen der Ägypter oder in den Augen Israels (das Greuel der Ägypter selbst, das Prinzip Mizrajim)? In jedem Fall rührt das am dritten Tag nach dem Auszug vorgesehene (dann aber nicht erfolgte?) Opfer an die „heiligsten Güter“ Ägyptens.
Ist es nicht doch ein wenig arglos, wenn Ton Veerkamp darüber klagt, daß die gegenwärtige Theologengeneration an der Schrift nicht interessiert sei? Braucht nicht jeder Staat sein Militär, um in seinen Bürgern die paranoiden Ängste zu erzeugen und zu pflegen, deren er zu seiner Absicherung gegen ein etwaiges Erwachen der politischen Vernunft bedarf?
Auch wenn Tertullian selber nicht heilig gesprochen wurde: Ist er nicht gleichwohl die Verkörperung jenes Paradigmenwechsels, der dazu führte, daß an die Stelle des Märtyrers der Confessor getreten ist? Hat nicht Tertullian das Martyrium in die Confessio transformiert, und war das nicht der Grund der donatistischen „Häresie“? Dazu würde es passen, wenn es stimmt, daß Tertullian einmal gesagt hat, daß Frauen, wenn sie in den Himmel kommen, dort zu Männern (gleichsam „befördert“) werden. Hat er sich hierbei auf die Antwort bezogen, die Jesus den Sadduzäern gegeben hat, als sie ihn wegen der Frage der Auferstehung auf die eine Frau, die mit sieben Männern verheiratet war, ansprachen (und erinnert diese Geschichte nicht an zwei andere Geschichten: an die der Sara und des Dämon Asmodai im Buche Tobit, wie auch an die der Maria Magdalena, die von den sieben unreinen Geistern befreit wurde <überhaupt an die „sieben unreinen Geister“, die in das „leere, gereinigte und geschmückte Haus“ zurückkehren>; wie wurde übrigens die Sara von ihrem Dämon befreit)? Bei Mk wird an die Befreiung der Maria aus Magdala von den sieben Dämonen anläßlich des Gangs zum Grabe (am „ersten Tag“) und der Auferstehung erinnert (169), bei Lk im Zusammenhang mit der ersten Nennung der Frauen aus Galiläa, die Jesus begleiteten (82). -
16.7.96
Wer andere nur verurteilt, findet sich in einer Objektwelt wieder; wer aber fähig ist, in Andere sich hineinzuversetzen, entdeckt eine menschliche Welt. Das Verurteilen reproduziert den Schrecken, den es zu bannen versucht. Die subjektiven Formen der Anschauung haben das Verurteilen instrumentalisiert; und die transzendentale Logik ist die Logik der Objektwelt (die Logik der Welt der Erscheinungen).
Nicht „Warum ist es am Rhein so schön“ ist die Rätselfrage der Nation, sondern: Warum mögen uns die Andern nicht. Diese Frage, die der Spiegel alle Jahre wieder ergebnislos zu beantworten versucht hat, wird sich in das Nichts auflösen, das in ihr sich ausdrückt, wenn dieses Land endlich einmal ernsthaft versucht, mit sich selbst ins Reine zu kommen.
Schlimm an den Angriffen auf Asylantenheime war nicht, was wohl das Ausland über uns denken mag, sondern schlimm waren die Taten selbst.
Leidet nicht die Kosmologie heute daran, daß sie nicht nur das Ungleichnamige gleichnamig macht, sondern daß sie den Zwang nicht zu brechen vermag, der daher rührt, daß sie die Zeitverhältnisse vertauscht. Es ist das Irreversibilitätsprinzip, das die gesamten Naturwissenschaften verhext: Die Vorstellung der Reversibilität aller Richtungen im Raum begründet die Irreversibilität der Zeit. Wenn die mittelalterlichen Kosmologien den Mond als Grenze zwischen der himmlischen und der irdischen (der trans- und sublunarischen) Welt verstanden haben, haben sie dann nicht die Planetenbewegungen (die „Wege des Irrtums“) zu den himmlischen Erscheinungen gerechnet, damit aber das Irreversibilitätsprinzip selber an den Himmel projiziert (und so – als Vorstufe des heliozentrischen Systems – die Logik hierarchischer Herrschaftsstrukturen legitimiert)?
Ist der Feudalismus die Gestalt, in der sich die chaldäische Astrologie unter den Bedingungen des Christentums reproduziert hat? Geblieben ist von der Astrologie das hierarchische Prinzip, am Ende zusammengeschrumpft zur „Rangordnung“ der Werte.
Macht nicht der geisteswissenschaftliche Kausalbegriff, die Vorstellung, der eine habe eine Theorie entwickelt, die andere dann übernommen haben, ein sehr reales Problem bloß unkenntlich: Ist ein Text, der mehr als tausend Jahre, nachdem er geschrieben wurde, rezipiert wird, wirklich noch der gleiche Text? Ist die mittelalterliche Kosmologie die ptolemäische, ist der mittelalterliche „Geozentrismus“ eins mit dem antiken? Hätte Aristoteles in seiner scholastischen Rezeption sich wiedererkannt (war nicht Aristoteles der Lehrer des Alexander, während die mittelalterliche Rezeption durch die Geschichte des Reichs, das Alexander einmal begründet hatte, bereits geprägt und bestimmt ist, wobei das Lehrer-Schüler-Verhältnis sich gleichsam umgekehrt hat)?
Liegt nicht zwischen der antiken und der mittelalterlichen Kosmologie ein entscheidender Bruch: Der von der Theoria (dem Sehen, das von der Schuld wie von der Schwere abstrahiert) zur Reflexion der verschuldeten Natur. Führt nicht die Entwicklung von der noesis noeseos, dem Denken des Denkens, über die Theologie zur Hegelschen Logik, in deren Kern das Ding steht?
Die mittelalterliche Kosmologie (wie im übrigen jede Kosmologie vor ihr) war dem damaligen Erkenntnisstand angemessen und zugleich ein Stück Herrschaftsmetaphorik, die in den modernen Naturwissenschaften dann in unmittelbares Herrschaftswissen transformiert worden ist.
Das Realitätsprinzip (die Vorstellung, daß am Objekt selber der Zustand der Ruhe von dem einer geradlinig gleichförmigen Bewegung sich nicht unterscheiden läßt) ist eine Folge und ebensosehr ein Konstituens der mathematischen Raumvorstellung (des Raums als „subjektiver Form der Anschauung“). Aber wird dieses Relativitätsprinzip nicht durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, das aus ihr folgt, wenn es auf bestimmte Erscheinungen angewandt wird, zugleich widerlegt? Ist das Relativitätsprinzip die Wasserseite der subjektiven Formen der Anschauung (der „Feste des Himmels“), deren Feuerseite im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich manifestiert?
Sind nicht die Namen des schwarzen Körpers, des schwarzen Lochs und des Urknalls hochsymbolisch? Der schwarze Körper (genauer die Wände des schwarzen Hohlraums) und das schwarze Loch definieren sich durch ihr Verhältnis zum Licht: Der schwarze Körper ist ein Körper, der alles Licht abweist, zurückwirft, während das schwarze Loch alles Licht in sich aufnimmt und nicht mehr abgibt. Beide beschreiben Grenzbedingungen des Inertialsystems, das Abbrechen der Äquivalenzbeziehungen, durch die das Inertialsystem sich definiert.
Wider die Personalisierung: Die Erwartung, daß das Ende des Faschismus durchs Aussterben der Nazis (der „Rassisten“) kommen werde (oder auch nur kommen könnte), ist irreal: Die Maschine, die „Nazis“ produziert, läuft weiter. Mehr noch, wird diese Maschine nicht zur Zeit einer Generalüberholung unterzogen, die sie nur noch effektiver zu machen verspricht?
Hat nicht, wer Adorno nur gelesen hat, anders und auch Anderes von ihm gelernt, als wer sein unmittelbarer Schüler gewesen ist? Neigen nicht in der Regel die unmittelbaren Schüler mehr dazu, auch die privaten Marotten ihres Lehrers zu adaptieren, und ist nicht das Lesen ein zugleich öffentlicherer und intimerer Vorgang als der unittelbare Umgang mit dem Lehrer in Vorlesung und Gespräch?
Wie hängt das Kelch-Symbol, wie hängt überhaupt das Realsymbolische und die Metaphorik mit dem Problem der Zeitumkehr zusammen? Gründet nicht in diesem Problem der Umkehr die gesamte Sprache und in ihrem Kern der Name?
Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht: Die Irreversibilität der Zeit (zusammen mit der Logik der Reversibilität aller Richtungen im Raum) ist das Gesetz der Verhärtung der Herzen. Liegt hierin nicht das Organisationsprinzip verborgen, das der Geschichte von der Verhärtung des Herzens Pharaos zugrunde liegt, und gründet darin nicht sogar der Name des Pharao? So wie am brennenden Dornbusch der Name Gottes sich offenbart, so enthüllt sich der Titel des Pharao in der Geschichte der Verhärtung seines Herzens: zusammen mit dem Namen Mizrajim als Name des Sklavenhauses und des Eisenschmelzofen (ist nicht der Name Mizrajim der einzige Name der Schrift, den Buber durch den griechischen ersetzt: Ägypten?).
Wölfe heulen den Mond an: Ist das nicht der Irrtum der Wölfe? (Gibt es auch einen Irrtum der Schlangen, und worin zeigt er sich?)
Der Gott, der die Welt erschaffen hat, ist der Gott, der im Staat sich verkörpert, im Staat als dem Organisationsprinzip der Eigentumsgesellschaft. Dieser Gott legitimiert das Recht und begründet die Ordnung der Objektwelt, in der die Barmherzigkeit am Ende keine Stelle mehr findet.
War nicht Borgentreich (mein Ferienaufenthalt dort in den dreißiger Jahren) ein Ort der Verwirrung? Der (angeheiratete) Vetter Alois, der ein Nazi war und merkwürdige Sprüche über Hitler, die Juden und Judenhäuser in Borgentreich und einige Bürger, die mit trinitarischen Spekulationen sich befaßten, von sich gab, und die Cousine Agnes, eine „vornehme“, aber auch etwas verwirrte Frau, und ihre Kinder Hermann und Walburga?
Kindertaufe: In den Bekenntnissen des Augustinus findet man die Begründung, die bei der Einführung der Kindertaufe eine Rolle gespielt haben mag. Augustinus erinnert sich an die Gier des Säuglings, in der er die Folgen der Erbsünde erkannte, die mit der Kindertaufe getilgt werden sollte. Heute gelten Kinder als unschuldig, und wer die Gründe für diese Anschauung sucht, wird sie in der Tatsache finden, daß Kinder noch nicht „hintertückisch“ sind, daß all ihre Lebensäußerungen als unmittelbare und direkte, frei von Hintergedanken und Täuschungsabsichten wahrgenommen werden. Augustinus legte die Schuld in die Tat, die er an einem Begriff des Handelns (an dem des Gerechten) maß, vor dem die Kinder objektiv als Sünder sich erwiesen. Wir messen die Schuld an der Absicht, die einem Kind nicht unterstellt werden kann (jedenfalls nicht vor der „Trotzphase“), weshalb wir sie als unschuldige und deshalb „glückliche“ Wesen (die sie nun wirklich nicht sind) erfahren. Das aber heißt, daß wir das Glück nicht am Zustand der Welt (der uns objektiv belastet, auch wenn wir es verdrängen), sondern an unserer Schuldlosigkeit messen. Uns interessiert nicht der Lauf der Dinge, sondern nur, daß wir nicht dran schuld sind. Heißt das nicht, daß glücklich nur der Dumme ist?
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß: Der Staat, in dem die Ankläger Staatsanwälte heißen, stellt seine Bürger unter Dauerverdacht und unter das Gesetz der Beweisumkehr. Unschuldig ist nur, wer es auch beweisen kann. Gibt es eine bessere Methode, die Bürger davon abzuhalten, sich um Dinge zu kümmern, die „sie nichts angehen“, und sind das nicht alle Dinge, die nicht ihr unmittelbares Eigeninteresse berühren (z.B. die Probleme der Arbeitslosen, der Sozialhilfeempfänger, der Obdachlosen, der Asylanten, der Ausländer, der Frauen und Kinder)?
Der Leiter des BGS am Flughafen (ein Leitender Polizeidirektor) heute in bei einem Interview in der Hessenschau: Seine Aufgabe sei die Verbrechensbekämpfung, z.B. des organisierten Verbrechens, insbesondere der Schlepperbanden. Die schleppen Menschen herein, die hier nur ein besseres Leben wollen. Und das sei schlimmer als der Schmuggel von Waffen. -
8.7.96
Worauf Heinsohn/Steiger überhaupt nicht eingehen, das ist die staatliche Begründung und Organisation des Eigentums, der Zusammenhang des Ursprungs des Eigentums mit dem des Staats.
Der Eigentümer, der nur noch an der „Verteidigung des Eigentums“ interessiert ist, instrumentalisiert die Welt, die nur so zur „Welt“ wird. In diesem Kontext der entspringt der Naturbegriff: als Inbegriff der Objektseite der Welt, des besiegten und unterworfenen Feindes.
Ist die Miete nicht die Umkehrung des im Schuldverhältnis gründenden Zinses: Der Eigentümer verzichtet nicht auf seine Eigentumsrechte (wie bei der Beleihung im Falle eines Kredits), sondern auf seine Nutzungsrechte. Befristet übertragen wird nicht ein Eigentumsanrecht, sondern werden die Besitzrechte. Die Miete (wie auch die Pacht) ist der Zins für die Nutzung fremden Eigentums.
Sind Eigentum und Besitz nicht Begriffe, die sich nicht abstrakt nur trennen lassen, die sich vielmehr in einander reflektieren (wie Zins und Miete)?
Wie harmlos, oder wie idyllisch und katastrophisch zugleich wird es, wenn Heinsohn und Steiger auf das Problem der Beziehung von Tausch- und Gebrauchswert zu sprechen kommen. Hier bleibt der Gebrauchswert im Bann des Tauschwerts, alles andere wird ausgeblendet. Der Markt (die in Geld sich definierende Nachfrage, nicht die Lebensbedürfnisse der Menschen) entscheidet darüber, ob ein Gebrauchswert ein Tauschwert ist. Die Verteidiger des Eigentums sind an den Nebenwirkungen des Eigentums nicht interessiert.
Heinsohn hat insoweit recht, als das Tauschparadigma in Herrschaftskritik terminiert; und indem er das Tauschparadigma „widerlegt“, glaubt er auch das Herrschaftsproblem (zwar nicht gelöst, wohl aber) beseitigt, aus dem Blick gerückt zu haben. Man sieht’s nicht mehr. Ist hier nicht der Punkt, an dem der Objektivierungsprozeß umschlägt in den Prozeß der Subjektivierung von Kritik zur bloßen Meinung? – Implizit ist damit auch (wie vorher schon für die Naturwissenschaft, so in ihrer Folge auch für die Philosophie) Kant erledigt, die Erinnerung an seine Vernunftkritik gelöscht.
Das Problem der Herrschaftskritik ist durchs Eigentumsparadigma nicht erledigt, nur auf seine Wurzel zurückgeführt: Eigentum ist der Naturgrund der Herrschaft.
Wodurch unterscheidet sich im Kontext der Eigentumslogik die Geschäftsführung von der Lohnarbeit? Gründet die Geschäftsführung, das Management, in einem Mietverhältnis (in dem Nutzungsrechte an Sachen delegiert, und nicht – wie im Fall der Lohnarbeit – Nutzungsrechte an der eigenen Person übertragen werden)? (noch nicht klar)
Hängt die Unterscheidung von Eigentum und Besitz mit der von Welt und Natur (Begriff und Objekt, Tausch- und Gebrauchswert) zusammen? Ist die Ursprungsstunde des Eigentums die des Begriffs (des „Seins“)? Ist die Ontologie der „innere Begriff“ des Eigentums, die Idee einer „Eigentumswirtschaft“ gleichsam die Fundamentalontologie der politischen Ökonomie: wird hier nicht das Possessivpronomen der männlichen dritten Person („sein“) zur Kopula (die Unterscheidung von Eigentum und Besitz spiegelt sich bei Heidegger in der von Vorhandenem und Zuhandenem, aber auch in der von Eigentlichem und Uneigentlichem)?
Ist nicht der letzte Satz in dem letzten der „idealtypischen Kernsätze“ zur Eigentumswirtschaft ebenso dunkel wie erschreckend, wonach es „eine Politik (braucht), deren Radikalität den historischen Sternstunden (sic!) der Schaffung von Eigentum nicht nachsteht“ (Heinsohn/Steiger, S. 445)? Wenn Heinsohn von „Sternstunden“ spricht, liegt die Assoziation der „Venuskatastrophe“ nahe. Paßt nicht überhaupt der Konkretismus seiner Theorie der altorientalischen Geschichte zu seiner „Eigentumstheorie“? Auch diese Theorie ist zwar nicht dunkel, sondern außerordentlich stringent, darum aber in der Sache nicht weniger erschreckend; nur scheint er nicht zu realisieren, auf was das, was er beschreibt, hinausläuft. In seiner Rekonstruktion der alten Geschichte projiziert er eine gesellschaftliche Naturkatastrophe an den Himmel.
Will Heinsohn mit dem oben zitierten Satz andeuten, daß die Radikalität der Politik, die notwendig wäre, Opfer fordern wird, die den Opfern der Ursprungsgeschichte des Eigentums nicht nachstehen? Hat das nicht etwas mit dem Glück des Wissens, des Rechtbehaltens zu tun, das seinen Bestand am Untergang derer, die dieses Wissen nicht teilen wollen, findet? Und ist das nicht heute eine der gefährlichsten Verführungen? Wenn das Buch Jona nur diese Verführung kenntlich gemacht hat, so ist damit seine Aufnahme in den Kanon der prophetischen Bücher gerechtfertigt.
Die sieben unreinen Geister sind gegenüber dem einen Geist die sieben anderen Geister (in dem letzten Satz S. 445 sucht der eine unreine Geist die sieben anderen: hier wird’s astrologisch).
Bezeichnend die Neigung Heinsohns zu monokausalen Ableitungen, zur Eindimensionalität, die zwar den Nerv trifft, nicht aber die Wahrheit. Das gilt sowohl für die „Venus-Katastrophe“, wie auch für seine Antisemitismus- und Auschwitz-Theorie und nicht zuletzt für diese Eigentumstheorie. Manche Passagen bei Heinsohn erinnern an das Halali nach einer erfolgreichen Jagd; ähnlich führt er die erlegte Beute vor, die als dunkler Hintergrund sein eigenes, siegendes Konzept nur umso strahlender aufleuchten läßt. Nur: Ist er sicher, daß er nicht gelegentlich auch Treiber und harmlose Spaziergänger mit erlegt? Auch Nimrod, der Erbauer der „großen Stadt“ war ein „gewaltiger Jäger vor dem Herrn“.
Gibt es nicht neben dem „monetären“ und den „realen Schocks“ (vgl. S. 387f) noch den Theorie-Schock, vor dem er selbst zurückschreckt? Ist der Fehler Heinsohns (und nicht nur Heinsohns) nicht ein ausgesprochener Theorie-Fehler, nämlich der des Zuschauers, der vergißt, daß er selber in die Vorgänge, denen er glaubt entspannt zuschauen zu können, verstrickt ist?
Wäre nicht Kants Begriff der Aufklärung, das Heraustreten aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, heute zu verschärfen: nämlich in das Ziel der Selbstbefreiung aus dem selbstverschuldeten Wahn? Und liefert dazu nicht die Heinsohnsche „Eigentumsgesellschaft“ wichtiges Anschauungsmaterial? Bezeichnet nicht der Eigentumsbegriff die Wurzel (wie der Herrschaft, so auch) des Wahns, aber eine objektive, existierende, nicht eine, die durch einen Gesinnungswechsel oder einen Wechsel der Anschauungen zu eliminieren wäre? Ein Beleg für den Satz, daß, wer das Unkraut vor der Zeit ausreißt, den Weizen mit ausreißt? Ist das Eigentum ein Oberbegriff für Weizen und Unkraut zugleich?
Ist der Eigentumsbegriff nicht eine Erläuterung zu jener Definition der Welt, die Wittgenstein zufolge alles ist, was der Fall ist? Und verweist auf die Eigentumsverführung vielleicht die eine der Verführungen Jesu in der Wüste, sich von der Zinne des Tempels zu stürzen?
Verkörpert der Prophet Hananja, der sich Jeremias entgegenstellte, nicht das hellenistische Element in der jüdischen Tradition, wenn er gegen Jeremias glaubte, das babylonische Joch, das ein eisernes war, kein hölzernes, zerbrechen zu können? Dieses Zerbrechen des Jochs war das Werk der Philosophie, Symbol der individuellen Befreiung in einer unbefreiten Welt, es war Schein.
Sind die Propheten nicht auch nach ihrem Namen zu unterscheiden: die, deren Name auf -ja endet (wie Jeremia, Sacharja u.ä.), von denen, deren Name auf -el endet (wie Ezechiel, Daniel und Joel)? Hat diese Unterscheidung etwas mit Babylon, mit dem Ursprung des Weltbegriffs, mit der Ursprungsgeschichte der Apokalypse zu tun?
Übertragen auf die Naturwissenschaften würde das Heinsohnsche Eigentums-Konzept auf die Forderung hinauslaufen, das Trägheitsgesetz (die Mechanik) aus der Gravitation abzuleiten, während genau hier der Akt der Umkehr sich bestimmen ließe: Abzuleiten wäre die Mikrophysik aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.
Das Eigentumsprinzip benennt das Prinzip, aus dem in der Ökonomie der Vorrang der Vergangenheit herrührt; das Eigentum ist ebenso unaufhebbar wie die Vergangenheit (und wie die Natur). Das Konzept der Venus-Katastrophe ersetzt und verhindert die Suche nach dem gemeinsamen Ursprung von Astronomie und Staat und nach der gemeinsamen Logik beider, es setzt sie nur voraus. An die Stelle historischer Konkretion tritt der Konkretismus einer Naturkatastrophe, der den geschichtlichen Schuldzusammenhang ausblendet, ins Irrationale verschiebt.
Griechenland und Rom: Alexander war ein Schüler des Aristoteles. In Rom waren die Philosophen Schüler der Caesaren. In dieser Konstellation gründet das christliche Dogma, so ist es zu einer Station (oder auch Durchgangsphase) in der Geschichte der Philosophie geworden. Der letzte Philosoph der römischen Geschichte war Augustinus, der in seinem Namen als Kaiser-Schüler sich bekannte.
Eigentum, das aus dem Verwertungsprozeß, dem ökonomischen Prozeß herausfällt, ist Abfall oder herrenloses Gut. Ist das nicht eine reale Erfahrung in weiten Teilen der heute nachwachsenden Generation? Und sind nicht zentrale Erscheinungsformen in der Jugendszene, von der Musik über die Frisur bis zur Kleidung, Ausdruck dieser Erfahrung (zur Punk-Szene gehört die obligatorische Ratte, das Abfall-Tier).
Die Eigentumstheorie ist eine Exkulpationstheorie, die Materialisierung der Befreiung vom Rechtfertigungszwang, in den sie zugleich alle verstrickt. Die Schuld wird unsichtbar, wenn sie zum Absoluten wird. -
5.7.96
Der Eigentumskonkretismus, dem Heinsohn verfallen ist, ist ein Trick, mit dem Heinsohn den Begründungszusammenhang, der das Eigentum mit dem Staat verbindet, ausblendet. Wenn er Eigentümer von Nichteigentümern unterscheidet, macht er den Staat zu einem Appendix der Eigentümer (und den Eigentumsbegriff zu einem Teil der Hausbesitzerideologie). Das Geld ist durch eine Eigenschaft definiert, die es von den „Gütern“ ähnlich unterscheidet wie den Raum von den Dingen in ihm (oder wie das Instrument von der Materie, die es bearbeitet): durch die logische (nicht empirische) Eigenschaft der Unvergänglichkeit, die als Folie der Vergänglichkeit die Dinge wie die Waren dem Untergang (der Verarbeitung, dem Verbrauch, dem Verzehr) zueignet. Wenn der Schuldknecht ein Eigentümer ist (S. 180), dann ist der Proletarier ein Schuldknecht seiner selbst. Gezeugt, nicht geschaffen: Güter werden produziert, Geld ist die Voraussetzung einer Produktion, in der es eigentlich nur sich selbst reproduziert (wie auch der Raum, der durch die subjektive Form der äußeren Anschauung hindurch sich konstituiert). Der philosophische Substanzbegriff ist ein Reflex des Eigentumsbegriffs: auf den Substanzbegriff und seine immanente Logik bezieht sich der trinitarische Begriff der homousia. War nicht die mittelalterliche Eucharistielehre eine sakrale Geldtheorie? Heinsohn abstrahiert von der Tatsache, daß Eigentum überhaupt erst im Prozeß des Ursprungs des Staates, mit dem Staat zusammen, sich konstituiert. Im Eigentumsbegriff steckt das, was heute Staatsgewalt heißt (und jeder Eigentümer hat Anteil an dieser Staatsgewalt; darin gründet der Nationalismus). Eigentumsbildung erfolgt nicht allein durch Revolution (der Schuldknechte gegen die Feudalherrn), sondern auch durch Eroberung, die das Eigentum der Eroberer an der unterworfenen Bevölkerung wie an ihrem Besitz begründet (vgl. die archaischen, regressiven Züge des Jugoslawien-Konflikts). Zur Logik jeder Revolution gehört es, daß sie nicht einfach nur den Staat, sondern ihn zugleich als Eroberungsstaat begründet. Gründet nicht der Missionsauftrag der Kirche in der gleichen Logik (ist nicht das Zeugen in der Trinitätslehre das Movens des Missionsauftrags der Kirche: Gehet hin in alle Welt …)? Hegels Satz, daß eine Grenze bestimmen sie überschreiten heißt, gründet in dieser Eigentumslogik. Es ist die gleiche Logik, die das Anschauen mit der Nacktheit verbindet (und den Ursprung des Staats mit dem Ursprung der Sexualmoral). Die Trinitätslehre hat das Problem, das der Philosophie im Römischen Staat sich stellte, gelöst, aber nur das logische, nicht das herrschaftsgeschichtliche Problem, das in dem logischen sich verbirgt. So ist diese Lösung zur neuen Grundlage einer imperialistische Ideologie geworden. Der Preis für die Hellenisierung war das proton pseudos der Theologie: die Opfertheologie. Steckt nicht in dem polemischen Teil der Heinsohnschen Theorie, in seiner Lust an der Entdeckung der Dummheit der Anderen, genau das tabuisierende Element, ein religiöses Erbe? Tempelwirtschaft: War nicht die „Religion“ ein Instrument der Legitimierung des Kontrakts und damit des „Eigentums“ und der mit ihm sich entfaltenden Logik? Die Tempel-, Priester- und Opferreligion wäre selber zu begreifen als gleichsam embryonale Frühform der Eigentumslogik. Am Astralkult und an der daraus hervorgegangenen Astrologie läßt der Zusammenhang mit der Eigentumslogik, mit der altorientalischen Gestalt der politischen Ökonomie, mit Händen sich greifen. Darin gründet die Vermutung, daß die „Venus-Katastrophe“ weniger auf eine astronomische, als vielmehr auf eine politisch-ökonomische Katastrophe sich bezieht. Sind Jupiter, Mars, Merkur und Venus, aber auch Sonne, Mond und Saturn, Verkörperungen einer an den Himmel projizierten Gesellschaftstheorie? Die „Wege des Irrtums“ (Jakobusbrief) oder die sieben unreinen Geister: Es gibt nicht mehr nur eine Dummheit, sondern eine (abzählbare) Vielheit an Gestalten der Dummheit, die alle durch Unbelehrbarkeit (und jede für sich durch Unwiderlegbarkeit) sich auszeichnen (vgl. die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos). „Was ist Wahrheit“ (Pilatus): Heute ist der Wahrheit gegenüber jeder im Vorteil, der sich dumm stellt. Kehren nicht die „theologischen Mucken der Waren“ heute in den wirren Phantasien über die Beziehungen der modernen Naturwissenschaften zur Religion wieder? „Ihr laßt die Armen schuldig werden“ (Goethe): Heinsohn/Steiger weisen „die Hauptlast bei der Verteidigung der Preisstabilität nicht … der Zinspolitik, sondern … der Einkommenspolitik in Gestalt der Nominallohnpolitik“ zu (S. 273). In einer Wirtschaft, in der die Unternehmensleitung nicht mehr Sache der „Eigentümer“, sondern die eines selber „lohnabhängigen“ (besitzverwaltenden) Managements ist, das nach „objektiven“ Grundsätzen einer „betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ handelt, erweist sich die Einkommenspolitik als die letzte weiche Stelle in einem ansonsten von lauter „harten Fakten“ bestimmten Kostengerüst. Die letzten „Eigentümer“, die mit ihrem Eigentum (mit ihrer nackten Existenz) für die Schuld, ohne belastbares, pfändbares, jedenfalls in Geld ausdrückbares Eigentum geboren zu sein, haften, sind die Arbeiter und Angestellten. Die Eigentümer haben sich aus der Verantwortung gestohlen, an der sie einmal ihre Würde hatten; die, die die Verantwortung haben, tun nur ihre Pflicht, wissen aber nicht mehr was sie tun (und die Wissenschaft, die ihnen dabei behilflich ist, verkörpert genau dieses Nichtwissen); nur die, die als Eigentumsledige jeder Einwirkungsmöglichkeit beraubt und aller Verantwortung enthoben sind, tragen die ganze Last des Risikos.
Gibt es eigentlich eine Abhängigkeit des außer jeder Relation zur Gesamtentwicklung des Preisniveaus sich vollziehenden Steigens der Grundstückpreise zur Entwicklung des die Logik der Geldwirtschaft beherrschenden Eigentums insgesamt? Ich vermute, die These ist nicht nur begründbar, sondern auch beweisbar, daß die Preissteigerungen am Grundstückmarkt (die als Folge der durch keine Leistung fundierten, sondern allein die Eigentumsmacht reflektierenden Mieterhöhungen sich begreifen lassen) als Index und als Spiegelbild der Gesteinsverschiebung in der gesamtwirtschaftlichen Eigentumsverteilung sich erweisen. Ist die jeder äußeren Einwirkung sich entziehende (gegen jeden moralischen Appell immun gewordene) Eigentumsmacht nicht die Perfektionierung der gleichen Strukturen und Mechanismen, die in anderen Zeiten im Phänomen der Majestätsbeleidigung sich manifestierte: Ist das Eigentum die unverletzbar gemachte (gegen das Ansinnen der Moral immunisierte) Verletzlichkeit der Herrschaft (die Stelle des Lindenblatts beim Siegfried)? Polanyi hat darauf hingewiesen, daß die Subsumtion des Grund und Bodens, der Arbeit und des Geldes unters Tauschprinzip dem Kapitalismus den Weg freigemacht hat. Welche Konsequenzen lassen sich aus dieser Konstellation angesichts der gegenwärtigen Globalisierung der Ökonomie für die Objekte dieser Subsumtion im einzelnen (für Grund und Boden, für die Lohnarbeit, für die Geldentwicklung) ableiten; rücken diese Konsequenzen nicht auch die Beziehungen dieser Elemente in ein neues Licht (ähnlich wie die Beziehungen der drei Richtungen im Raum)? Die Eigentums- und Geldtheorie Heinsohns und Steigers ist das Produkt einer genauesten Entfaltung der Logik der Ökonomie; aber ist diese Logik nicht eine Harakiri-Logik, ein Instrument der Selbstzerstörung der ökonomischen Theorie: das Opfer der Ökonomie an den Absolutheitskern ihrer eigenen Idee (das Gegenstück des newtonschen „absoluten Raums“)? -
2.7.96
„Selbstverständlich jedoch ist die historische Entstehung des Eigentums für seine wirtschaftstheoretische Auslotung vollkomen bedeutungslos“ (Heinsohn/Steiger, S. 129). Damit blockieren die Autoren die Reflexion der Eigentumsgesellschaft ab, die in der Tat auf eine gesellschaftliche Naturkatastrophe (die Heinsohn in seinem früheren Buch benennt: die Schuldknechtschaft, die vor dem Ursprung der „Eigentumsgesellschaft“ liegt, nicht danach) zurückweist, nicht auf eine kosmische Katatrophe. War nicht die altorientalische Religion, der Tempelkult, das Opferwesen, die Astrologie (Ischtar/Astarte-Kult) der verzweifelte Ausdruck dieser (gesellschaftlichen) Naturkatastrophe, nicht die fundamentalistisch verstandene „Venus-Katastrophe“?
Die Frage des Richters Klein an Birgit Hogefeld, ob sie nicht eine Erklärung abgeben wolle, daß es die raf nicht mehr gibt, verdiente eine präzise Antwort:
– Herr Klein muß wissen, daß Birgit Hogefeld keine verbindliche Erklärung für die „raf“ abgeben kann (ebenso wie er wissen mußte, daß Hubertus Janssen Pfarrer ist und nicht nur sich selbst so bezeichnet);
– in der Sache liegt die Erklärung der raf (vom April 92) vor, in der sie öffentlich ihren Verzicht auf terroristische Aktionen kundtut; und schließlich:
– nicht zuletzt die Vorgehensweise des Gerichts begründet die Vermutung: Bad Kleinen war keine Sache der raf, sondern eine der BAW, des BKA und der GSG 9; bei vernünftiger, von rationalen Motiven geleiteten Planung hätte es zu der Katastrophe nicht zu kommen brauchen, deren Aufklärung der Senat durch seine Ablehnung der entsprechenden Anträge der Verteidigung blockiert; der Verdacht liegt auf der Hand, und er wird durch die Umstände, durch die Art des Vorgehens und die Wahl des Orts der Festnahme erhärtet, daß – aus welchen Gründen auch immer – Tote wenn nicht geplant, so doch billigend in Kauf genommen worden sind. Es ist absolut unverständlich, wie dieses Gericht den angeblichen Mord des GSG 9-Beamten Newrzella durch Wolfgang Grams aus der Beweiserhebung konsequent ausschließt, den gleichen (gerichtlich somit nicht erwiesenen) „Mord“ unter Hinzuziehung fadenscheiniger Konstruktionen dann aber der Angeklagten anlasten will. -
3.6.96
Zu Lk 117: Worauf bezieht sich das Wort von der Bekehrung der Herzen der Väter? Heißt es im Dekalog: Du sollst Vater und Mutter lieben, auf daß du lange lebest auf Erden (so der Sohn von Martin Heidegger in der FR von heute), oder: Du sollst Vater und Mutter ehren, …? Erlaubt diese Formulierung nicht die Frage, ob man seine Eltern überhaupt lieben kann, und ob nicht die Beziehung, die Kinder zu ihren Eltern herzustellen haben, auf einer anderen Ebene liegt als beispielsweise die Nächsten- oder auch die Feindesliebe? Und hat diese Frage nicht auch etwas mit der der Sündenvergebung zu tun, die (gegen die Auslassungen des Bormann-Sohnes) ohne die Versöhnung mit den Opfern nicht zu erlangen ist, und die – auch nach einem Jesus-Wort – nicht auf die Beziehung von Seele und Gott (auf den Bereich der Innerlichkeit) sich eingrenzen läßt. Gehört es nicht zur Würde des vierten Gebots, daß es die Beziehung zu den Eltern mit dem Wort „ehren“ benennt, das den Blick auf Öffentlichkeit und aufs Handeln mit einschließt, damit aber über die Privatsphäre hinaus aufs Politische verweist?
Das vierte Gebot gebietet nicht die Elternliebe, vor deren Gefahren: der symbiotischen Beziehung und der Verstrickung in Rechtfertigungszwänge, es vielmehr durch des Wort „ehren“ schützt. Das vierte Gebot macht das Über-Ich reflexionsfähig. Die Reflexion des Über-Ich entzieht dem Glauben an die Magie des Urteils den Boden.
Du sollst Vater und Mutter ehren: In welchem Kontext kommt dieses „ehren“ sonst noch vor?
Nur die Eltern, die es mit sich selbst nicht aushalten, wollen von ihren Kindern geliebt werden.
Steht das Wort „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ nicht in der Tradition des vierten Gebots: „Du sollst Vater und Mutter ehren“? Lieben sollst du nur Gott und den Nächsten.
Der Weltbegriff bezeichnet eine kollektive symbiotische Beziehung, deshalb ist er der logische Grund des Nationalismus. Die Form dieser symbiotischen Beziehung ist die Bekenntnislogik (die in der Schuldumkehr gründet).
Auch der universale Weltbegriff (die Universalität des Weltbegriffs) gründet in Voraussetzungen, die erst mit dem Staat entspringen (und d.h. nicht universal sind). Zur Universalität dieses Weltbegriffs gehört der Ausschluß der Barbaren, der Fremden, der Wilden, auch der Juden.
Ist die Trinitätslehre nicht ein Produkt der Überhöhung des dynastischen Prinzips: der Hypostasierung des Erbens (das zu den die Identität des Weltbegriffs stiftenden Kräften gehört).
Nach jesuitischen Wahrheitsverständnis sind Notlügen erlaubt. Ist dieses Wahrheitsverständnis nicht ein politisches: Werden nicht sämtliche Wahlkämpfe, wird nicht die Selbstdarstellung der Politik insgesamt mit Notlügen bestritten?
Die Kirche ist längst zur Versammlung der 99 Gerechten geworden.
Ursprung der Opfertheologie: Die Männer, die bei der Kreuzigung Jesu davongelaufen sind, haben post festum das Kreuz zum Symbol der Erlösung gemacht.
Haben der Baal und die Ascherim (und im Hintergrund der hieros gamos) nicht auch astrologische Bedeutung?
Ist das Denken des Denkens des Aristoteles (die Selbstobjektivierung des Denkens, die Hereinnahme des Denkens des Andern ins eigene Denken: die Reflexion) selber ein Reflex der Orthogonalität, die die Unterschiede zwischen den Richtungen im Raum neutralisiert, „aufhebt“; und hängt über die noesis noeseos, die dann in der „Trinitätslehre“ sich entfaltet, die Orthodoxie mit der Orthogonalität zusammen (rühren das „Zeugen“ und das „Hervorgehen“, die das Verhältnis der Personen im trinitarischen Dogma definieren, an die in der „subjektiven Form der Anschauung“ verdrängten inneren Differenzen der Richtungen im Raum)?
Kann es sein, daß die Kabbala und das christliche Dogma als zwei Seiten ein und derselben Sache sich begreifen lassen? Daß das En-soph (und die Sefiroth) und die Trinitätslehre auf einen gemeinsamen Ursprung in der noesis noeseos, im Denken des Denkens, genauer: in dem damit bezeichneten objektiven begriffs- und herrschaftsgeschichtlichen Problem, zurückweisen (vgl. hierzu Gershom Scholem, „Über einige Grundbegriffe des Judentums“, 1970, S. 28ff)? -
24.5.96
Hatte Thales, als er den Satz formulierte „Alles ist Wasser“, etwa schon Heidegger gelesen? (Ist Wasser das Element, aus dem die Frage <die Seinsfrage, die Judenfrage> auftaucht?)
Haben Aufspannen und Gründen, die Tätigkeiten Gottes, aus denen die Himmel und die Erde hervorgehen, etwas mit der Trennung von Zukunft und Vergangenheit (mit der Konstituierung der Zeit) zu tun?
„Das Vergangene ist nicht mehr“: Ist nicht die Aufhebung der Vergangenheit des Vergangenen das Jüngste Gericht (während das irdische Gericht in der Magie des Urteils gründet: es verurteilt zur Vergangenheit, sperrt den Verurteilten in seine eigene Vergangenheit ein)? Im Jüngsten Gericht sind die Opfer die Ankläger, ist Gott der Richter (Mein ist die Rache, spricht der Herr). Freigesprochen wird nur, wer vorher schon Verteidiger (Paraklet) war.
Das Gewaltmonopol des Staates ist der Quell der Dummheit, die die Polizei den Bürgern einbläut.
Die Sünde der Welt auf sich nehmen: Ist das Ich die Sünde der Welt?
Verweist der Anfang des Schöpfungsberichts (wüst und leer, Finsternis über dem Abgrund, der Geist brütend über den Wassern) auf die messianischen Wehen, und bezeichnet er nicht den Mutterschoß (den Ort der Barmherzigkeit), aus dem Gott seine Propheten beruft? Erblickt der Prophet (wie das Kind) nicht auch im wörtlichen Sinne des Schöpfungsberichts das „Licht der Welt“? Und hängen nicht die Verhärtungen des Herzens Pharaos (im Kontext der zehn „ägyptischen Plagen“), wie auch ihre Vorgeschichte in den zehn Königen von Edom (Gen 36) real mit den zehn Worten der Schöpfung und der Offenbarung zusammen?
Der deutsche Name der Barmherzigkeit wurde analog zu den Begriffen Gerechtigkeit und Seligkeit gebildet. Gibt es noch andere Begriffe, die auf „-igkeit“ enden, und was ist das Gemeinsame, das in dieser Bildung sich ausdrückt? (Das -ig ist Ausdruck der Adjektivierung, das -keit der der Bildung eines Abstraktums. Wodurch unterscheiden sich -lich und -ig oder -heit und -keit?)
Als Martin Buber die Bibel übersetzte, hat er diese Abstrakta vermeiden wollen, damit aber den sprachgeschichtlichen Prozeß, in den die theologische Sprache im Deutschen verstrickt ist, bloß verdrängt, während es darauf ankäme, ihn zu reflektieren. Nur: Weshalb hat er auch die Namen des Armen und des Fremden beschwiegen (vgl. die Bemerkungen Walter Benjamins zu dem zugrunde liegenden Sprachproblem in der Einleitung zum Ursprung des deutschen Trauerspiels)?
Zum Begriff des Rassismus: Gehört nicht die Sprache der gleichen logischen Sphäre an, zu der auch die Gattung (die Instinktbindung der Tiere) gehört (und ist nicht die Verwaltung das logische und gesellschaftliche Äquivalent der Gattung)? Sind die Menschen nur deshalb „frei“, weil sie sprechen, und d.h. ihre „Instinktbindungen“ reflektieren können? Was bedeutete es, wenn Adam im Paradies die Tiere benannte? Fällt der Rassismus nicht in dieses benannte Tierwesen (in die Entlastung von Schuld, die in der „natürlichen“ Instinktbindung der Tiere vorgestellt wird) zurück? Hängt nicht der Wunsch nach „religiösen Bindungen“ ebenso wie die astrologische Mode mit dem schrecklichen Wunsch zusammen, als Tier benannt und von der Last der Freiheit befreit zu werden? -
23.5.96
Theologie im Angesicht Gottes ist die Lösung des Problems der Verbindung von Theologie und Gebet: der Versuch, die Welt so zu begreifen, wie sie im Licht Seines Angesichts erscheint. Das Licht in dem Satz „Ihr seid das Licht der Welt“ hat seine Quelle im Leuchten Seines Angesichts. Die Kritik des Anthropomorphismus ist der Weg der falschen Befreiung vom Mythos (der „Weg des Irrtums“). Hilfsmittel dieser falschen Befreiung (und Quellpunkte des Irrtums) sind die Totalitätsbegriffe (Wissen, Welt und Natur), mit denen das Subjekt gegen die Gotteserkenntnis sich abschirmt. Erinnerungsarbeit geht davon aus, daß die vorwissenschaftlichen „Weltbilder“, der Mythos wie auch die Astrologie, keine Lösungen sind, wohl aber Erinnerungen an ein Problem, das wir verdrängt haben, und dessen Verdrängung unser Bewußtsein verhext. Wenn heute keiner mehr an die Auferstehung glaubt, dann hängt das mit Auschwitz zusammen. Sehen Verwaltungen ihre Klientel nicht als ein Stück anorganischer Materie, als ein lästiges Anhängsel der Gesetze und Verordnungen, die die „Lebenswelt“ der Verwaltungen definieren? Der real existierende Sozialismus ist nicht zuletzt daran gescheitert, daß er glaubte, Gerechtigkeit mit Hilfe der Verwaltung durchsetzen zu können (diesem Aberglauben sind alle verfallen, die glauben, daß die Dinge besser werden, wenn nur die „richtigen Leute“ an die Macht kommen: an die Macht, das heißt über das Instrument der Verwaltung verfügen zu können, während in Wahrheit die alte Scheiße mit den Verwaltungen sich reproduziert). Zur Aufklärung und Sensibilisierung, denen die Startbahn-Katastrophe gemeinsam mit allen mit Polizeigewalt durchgesetzten Großprojekten den Boden unter den Füßen weggezogen hat, gibt es keine Alternative. Der Verwaltungsblick ist begrenzt durch die verwaltungsinternen „subjektiven Formen der Anschauung“: die Logik der selbstgesetzten Regelungen und Zwänge des Verwaltungshandelns. Der Sozialhilfeempfänger ist dann nur ein Anwendungsfall der Sozialgesetze. (Die Wittgensteinsche „Welt“ gleicht der Welt der Verwaltung: sie „ist alles, was der Fall ist“.) Hängt nicht das Problem der Beziehung von Kapitalismus und Faschismus mit dem der Funktion der Verwaltung im Kapitalismus zusammen? Horkheimers Wort, daß, wer vom Faschismus redet, vom Kapitalismus nicht schweigen darf, wird heute wahr, wenn man es umdreht: Wer vom Kapitalismus redet, darf vom Faschismus nicht schweigen. Der Faschismus (das Tier aus dem Meere) war eine naturwüchsige und zugleich hybride Form des Verwaltungsdenkens (von hierarchisch organisierter Verantwortungslosigkeit, blindem Gehorsam, Intrige, Zynismus, Empfindlichkeit und Gemeinheit). Er hat die Voraussetzungen geschaffen für eine Welt, in der die von ökonomischen Zwängen determinierte Verwaltung am Ende die Politik abschafft und ersetzt und die Staaten zu Kolonien der alles beherrschenden Ökonomie (des Tieres vom Lande) werden. Ist nicht das Bild der sieben unreinen Geister das biblische Symbol der Verwaltung (und war nicht die Astrologie, die ihr Zentrum im „chaldäischen“ Babylon hatte, eine idolatrische Vorform des Verwaltungsdenkens)? Sind nicht die imperialen Strukturen der Verwaltung über kirchliche Institutionen tradiert worden, insbesondere über das Amt des episkopus (des „Aufsehers“)? Die Verwaltung ist das politische Pendant der subjektiven Formen der Anschauung (der Abstraktion vom Blick des andern): Die kirchliche Verwaltungsorganisation war der gesellschaftliche Grund der Theologie hinter dem Rücken Gottes. Mit der Polizei wurde die vorher nur nach außen gewandte Gewalt des Militärs (die Gewalt der Eroberung und Beherrschung fremder Völker, der Unterwerfung anderer Staaten) nach innen gekehrt. Sind nicht Polizei, Steuerpflicht und Finanzwesen gemeinsamen Ursprungs, und sind sie nicht im kirchlichen Bereich ausgebildet worden (vgl. insbesondere die religions- und herrschaftsgeschichtliche Bedeutung der Inquisition)? Die Kolonisierung des Staates durch die Globalisierung der Ökonomie verändert auch die innere Struktur der privaten Welt: Sie ist das Modell (und das Pendant) der „Kolonisierung der Lebenswelt“, des privaten Bereichs, zu deren Ursprungsgeschichte die Geschichte der Privatisierung der Sexualmoral gehört. Die Medienwelt heute ist die institutionalisierte Leugnung des Namens, eine Einrichtung zur Fütterung des Drachens: Die Einübung des Auf-dem-Bauche-Kriechens und des Staubfressens. Erscheint der Name der Kirche, der ekklesia, nur in der Apokalypse im Plural (in den sieben „ekklesiai“ in Asien)? Zur Verhärtung des Herzens Pharaos: – Bei welchen Plagen treten die Zauberer und Wahrsager Ägyptens auf, wann werden sie in die Plagen mit hereingezogen, wann verschwinden sie? – Wann weist Moses den Pharao darauf hin, daß am dritten Tag in der Wüste das „Scheusal Ägyptens“ geopfert werden soll, und wann ist es wirklich geopfert worden? – Bei welchen Verstockungen ist Gott (JHWH) der Urheber, bei welchen der Pharao, und bei welchen Plagen „bleibt“ das Herz des Pharao verstockt (wie lauten die entsprechenden Übersetzungen von Buber oder Zunz)? Die Prophetie hat einen Aktualitätskern. Im Ernst (zumal im Anblick der fortschreitenden Vergesellschaftung von Herrschaft) gibt es eigentlich nur zwei Haltungen zur Prophetie: Entweder man ist selber Prophet, oder man ist Objekt der Prophetie. Die Historisierung der Prophetie, ihre Neutralisierung durch Objektivierung ist eigentlich unerlaubt, aber ist sie nicht gleichwohl unvermeidbar und notwendig? Und das ist das Modell der Gegenwart, des Aktualitätskerns heute, Grund des Adorno-Worts: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Das Leben, in das wir heute verstrickt sind, ist eigentlich unerlaubt; und die Tatsache, daß es dazu keine Alternative gibt, rechtfertigt es nicht. Notwendig ist seine Reflexion, auch wenn sich keine „praktischen Konsequenzen“ daraus ableiten lassen: Liegt hier nicht der Wahrheitskern dessen, was einmal Gottesfurcht hieß?
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19.5.96
An der pharaonischen Verhärtung des Herzens läßt sich demonstrieren, daß die Personalisierung das Instrument eines Schuldverschubsystems ist, das heute den Geschichtsbegriff vollständig durchherrscht.
Licht und Finsternis sind keine physikalischen, sondern sinnlich-sprachliche Qualitäten.
Wer sich wundert, daß im biblischen Schöpfungsbericht das Licht vor den Leuchten erschaffen wurde, der glaubt nicht an Gott, sondern ans Elektrizitätswerk.
Physis und natura: Mit der Geburt sind die Schmerzen der Wehen, die, als Schmerzen der Frau, dem männlichen Bewußtsein ohnehin nur von außen zugänglich sind, vergessen und verdrängt, während im Begriff der Zeugung die Lust des Zeugens mit erinnert wird (hat die christliche Theologie mit der Einführung der Zeugung in die Trinitätslehre nicht die Idee des seligen Lebens mit dieser Lust verwechselt?).
Das Gewaltmonopol des Staates ist in dem Augenblick ins Zentrum des politischen Bewußtseins gerückt, als es durch die Ökonomie gebrochen und (dadurch, daß es in den Dienst der Ökonomie gestellt worden ist) instrumentalisiert wurde. Waren Idolatrie und Götzendienst nicht eine Vorstufe dieses Vorgangs, der moderne Nationalismus ihr immanentes telos?
Die kopernikanische Wende und der Ursprung der Philosophie: Hat die kopernikanische Wende die Verinnerlichung der Schicksalsidee nicht auf neuer Stufe (als Verinnerlichung der Astrologie) reproduziert?
Ursprung des Nominalismus: Was mit der kopernikanischen Wende verdrängt wurde, läßt an der Subjektivierungsgeschichte sich ablesen: Nach der Subjektivierung der sinnlichen Qualitäten die Leugnung der objektiven Kraft der Kritik und schließlich die Verwerfung der Objektivität der Schuld (die fortschreitende Destruktion der benennenden Kraft der Sprache).
Die kopernikanische Wende hat das Schuldverschubsystem (auf der Grundlage von Personalisierung und Konkretismus) instrumentalisiert. Hier ist der Punkt erreicht, an dem es keinen Ausweg mehr gibt außer dem einzigen (dem Nadelöhr der Theologie), Joh 129 ins Nachfolgegebot mit aufzunehmen.
Drei Stufen der Hoffnung:
– Kafka: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.
– Benjamin: Hoffnung ist uns nur um der Hoffnungslosen willen gegeben.
– Jakobus: Wer einen Sünder (einen Hoffnungslosen) von seinem Irrweg bekehrt (von seiner Hoffnungslosigkeit befreit), der wird seine Seele vom Tode retten und eine Menge Sünden zudecken. (Jak 520)
Hat dieser „Irrweg“ (ho planäs hodos, der Weg des Irrtums) etwas mit dem Sternendienst, mit Astrologie und Astronomie (und diese mit der Geschichte der Bearbeitung der Schicksalsidee) zu tun?
Wiederholt nicht die Astronomie den gleichen Prozeß, den zuvor die Philosophie gegen den Mythos angestrengt hat, indem sie den Eindruck erweckt, daß wir, durch die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit der Sternenbewegungen, Anteil gewinnen an der Gesetzgebung, Herrschaft erringen über den Himmel? Ist nicht die Astronomie die zweite Stufe der Verinnerlichung des Schicksals, das der Astrologie zufolge in den Bewegungen und Konstellationen der Sterne sich verkörperte und ablesbar schien? Sind nicht Raum und Zeit, die subjektiven Formen der Anschauung, Radikalisierungen der objektivierenden Gewalt des Begriffs?
Nach der Lehre des Islam erschafft Gott die Welt in jedem Augenblick neu (die Schöpfung ist eine reine Demonstration der göttlichen Schöpfermacht), nach jüdischer Tradition erneuert Gott mit jedem neuen Tag die Schöpfung, während nach christlichem Verständnis Gott der Erhalter der Welt ist (die – auch im zeitlichen Sinne – „im Anfang“ erschaffen wurde).
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie