Astrologie

  • 20.9.1995

    Das Staatsschutzrecht versucht völkerrechtliche Probleme mit strafrechtlichen Mitteln zu lösen. Der Staat, der das Eigentum seiner Bürger begründet und schützt, ist selber der Eigentümer seiner Bürger. Fremde sind recht- und herrenloses Gut, und wer sich gegen den Staat stellt, macht sich selbst zum Fremden.
    Die Apokalypse ist das Korrelat der Prophetie unter den Bedingungen des Weltbegriffs. Die Sexualmoral, selber Nachfolger und Erbe des Astarte/Ischtar/Venus-Kults, ist das Produkt der Privatisierung des mit dem Weltbegriff entsprungenen Problems (Zusammenhang mit der „Venus-Katastrophe“, der Astrologie insgesamt?). Sie ist ein Symptom, keine Lösung des Weltproblems.
    BI-Plakat: „Alle reden vom Klima, wir machen es. Pro Platz in einem Flugzeug ruinieren sie die Atmosphäre bei einem Langstreckenflug wie durch 14 Jahre Autofahren.“
    Die Geschichte der drei Leugnungen steht genau an der Grenze (zwischen Synhedrium und Pilatus), an der das Christentum, indem es glaubte, den Staat für seine Zwecke instrumentalisieren zu können, selber zu einem Instrument des Staates geworden ist.
    Die Geschichte der Theologie steht unter einem Bann, der allein mit Hilfe der Geschichte von den drei Leugnungen zu lösen wäre. Die „drei Leugnungen“ sind nicht ganz sinnlos: sie gehören zur Klugheit der Schlange, die nur durch die Arglosigkeit der Tauben sich heilen läßt.
    Zum Begriff (und zur Grenze) des Beweises (oder zu den Antinomien der reinen Vernunft): Die Unmöglichkeit, einen Verdacht zu widerlegen, ist kein Beweis. Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die sich auf sich selbst beziehende Form des Verdachts, und ist nicht das Objekt Produkt der Unwiderlegbarkeit dieses Verdachts? Der apagogische Beweis ist keiner.
    Im Wort „Beweis“ steckt ein demonstratives Moment, das Weisen, das durch das Präfix be- die Reflexion auf den Andern in sich aufgenommen hat, in die Urteilslogik (und in die Logik des Weltbegriffs) integriert worden ist. Beweisen ist ein Weisen von außen, durch oder für einen Andern. Der wichtigste Beweis ist der Zeugenbeweis (die Berufung auf die Wahrnehmung eines andern), der durch die Formen der Anschauung (als Formen der Vergesellschaftung der Wahrnehmung, durch die meine Wahrnehmung mit der Wahrnehmung aller andern identifiziert wird) verinnerlicht und vergesellschaftet wird. Intersubjektivität (auch die des Urteilens) ist durch die Formen der Anschauung vermittelt, in den Formen der Anschauung sind Ankläger und Richter, Angeklagter und Zeugen systemisch vereinigt.
    Was bedeutet und worauf bezieht sich der juristische Begriff „Augenschein“? Im Zuge einer Ermittlung wird nicht gesehen, sondern „in Augenschein genommen“: das Sehen vergesellschaftet. Das Präsens, die Gegenwart, ist das Korrelat des Augenscheins, nicht des Sehens, der Augenschein ein Produkt des Indikativs, durch den das Sehen juristisch verwertbar wird, durch Subsumtion unter die Beweislogik. Der Indikativ ist eine Sprachform, die im Bannkreis des Wertgesetzes und der Beweislogik sich gebildet hat.
    Die ungeheure Bedeutung der kantischen Antinomien der reinen Vernunft liegt darin, daß aus ihnen die Prävalenz der Vergangenheit in der Beweislogik sich ablesen läßt. Durch die Subsumtion unter die Vergangenheit wird die Sache ästhetisiert, den subjektiven Formen der Anschauung und damit einer Logik unterworfen, in der auch das kontrafaktische Urteil gründet: Hier kann alles auch anders sein. Die Antinomien sind die Rache des kontrafaktischen Urteils an seinen Konstituentien. Kontrafaktische Urteile sind ein Hinweis darauf, daß es keinen absoluten Indikativ gibt.
    Der Verdacht ist der Grund der synthetischen Urteile apriori, sein gegenständliches Korrelat das Reich der Erscheinungen. Gegen ihn steht das verteidigende, parakletische Denken.
    Die Logik der Schrift und die Erfüllung des Wortes: „Nur Gott sieht ins Herz der Menschen.“ Auch dieser Indikativ ist eigentlich ein Imperativ, theologischer Grund des parakletischen, verteidigenden Denkens. Als Indikativ ist der Satz das Signum des steinernen Herzens, als Imperativ der Beginn der Umwandlung des steinernen in ein fleischernes Herz, der Beginn der Transformation des Opfers in Barmherzigkeit.

  • 12.9.1995

    Sehen und Hören: Der Kelch symbolisiert das ins Sehen übersetzte Hören (die „subjektiven Formen der Anschauung“), im Hinblick auf einen Text die Logik der Schrift, politisch-ökonomisch wie auch zivilisations- und wissenschaftsgeschichtlich das Herrendenken (Geschichte des Ursprungs der Naturwissenschaften als Teil der Herrschaftsgeschichte: „die Distanz zum Objekt ist vermittelt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt“, Dialektik der Aufklärung); mit dem Kelch-Symbol hängt es zusammen, wenn die Idee der Erfüllung der Schrift auf die Passion und den Kreuzestod Jesu sich bezieht (vgl. Getsemane und Emmaus), die der Erfüllung des Wortes hingegen auf die Parusie. Das Christentum hat nach Eingliederung in die Herrschaftsgeschichte mit der Opfertheologie und dem darin gründenen Erlösungsbegriff die Passion mit der Parusie gleichgesetzt: Ursprung der Bekenntnislogik und des Dogmas (Petrus und die Geschichte von den drei Leugnungen; Bekenntnislogik als Äquivalent der subjektiven Formen der Anschauung in der Theologie, Kirche als Kelch). Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Erweiterung des Kelch-Symbols – des Taumelkelchs und des Kelch des göttlichen Zorns – zum Unzuchtsbecher in der Johannes-Apokalypse?
    Genitiv und Dativ unterscheiden sich wie Indikativ und Imperativ bei Levinas. Auch der dem Genitiv korrespondierende Indikativ ist ein Imperativ, aber einer, der nicht mehr durch die Sprache, durchs Hören, vermittelt ist, sondern zum puren Vollzug des Gehorsams (zum mechanischen Kadaver-Gehorsam) regrediert: er ist ein instrumentalisierter Imperativ. Der auf Präsens und Zukunft (auf nicht Vergangenes) bezogene Indikativ ist ein Vollstreckungsurteil, er verwandelt das Handeln in ein subjektloses, naturhaftes Geschehen. Die Ontologie hypostasiert diesen Indikativ (und entlastet das Subjekt – ähnlich wie das Gesetz die Verwaltung – von der Last der Verantwortung und des Handelns).
    Wie hängt das symbiotische „wir“ (das ärztliche „wie geht es uns denn heute“, „haben wir gut geschlafen“) hiermit zusammen, in welcher Beziehung steht es zum „naturwissenschaftlichen“ Apriori der Medizin, zur Symptom-Medizin, zur konstitutiven Funktion des Fall-Begriffs in der Medizin?
    Gehört nicht auch dieses symbiotische „wir“ zu den Metastasen (oder auch zu den Ursprungsformen) der Bekenntnislogik, deren „gemeinschafts“-konstituierende Kraft in einer symbiotischen Konstellation gründet (die Bekenntnislogik instrumentalisiert – wie das Plancksche Wirkungsquantum? – den symbiotischen Grund, aus dem sie hervorgeht). Gemeinschaftsbegründend aber wird diese Beziehung von Bekenntnislogik und Symbiose nur in der Gestalt hierarchischer Strukturen (Hegels Philosophie kennt keine hierarchischen Strukturen, weil sie den Begriff hypostasiert; deshalb kann die Natur den Begriff nicht halten: Hat nicht die kopernikanische Wende mit dem astrologischen Verständnis der planetarischen Welt auch den kosmologischen Grund und die kosmologische Legitimation der Hierarchie: die frühmittelalterliche Engellehre, zerstört?).
    Doppelt asymmetrische Reflexion: Wie verhält sich das objektivierende Beobachten zum Begriff des Angesichts? Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang zwischen dem geschichtlichen Ursprung des Beobachtens und ihrer Vorgeschichte im Namen und Amt des episkopos?
    Drückt nicht in dem Psalm-Wort „Dixit Dominus ad Dominum meum: hodie genui te“ auch eine Kritik des Zeugungsbegriffs sich aus? Die beiden Herren sind weder gleichnamig noch gleichen Wesens. Im hebräischen Text stehen an dieser Stelle zwei Namen: JHWH und Adonai, die nicht gleichgesetzt werden dürfen. Die homousia, die in der Gleichsetzung beider Namen gründet, ist ein Produkt der LXX, des griechischen (und dann des lateinischen, deutschen, englischen etc.) Bibeltextes. Das homousios und die Vergöttlichung Jesu haben den Vater zum Objekt gemacht (und das ist in die Gesamtstruktur des christlichen Dogmas und in die kirchliche Erlösunglehre als eine ihrer verschwiegenen Voraussetzungen mit eingegangen).
    In der Geschichte von den drei Leugnungen Petri fällt das Krähen des Hahns mit der Überlieferung Jesu an den weltlichen Richter zusammen (die Verspottung durch die „Diener“ und das Verhör durch den „Hohen Rat“ liegt nur bei Lukas zwischen den Leugnungen und der Überlieferung an Pilatus, bei Johannes zwischen der ersten und zweiten Leugnung).

  • 10.9.1995

    Was hat die Spinne mit dem Inertialsystem zu tun, und wen repräsentiert das Inertialsystem?
    Wenn die Spinne etwas mit der Sexualität zu tun hat, dann als Instrument und Produkt ihrer Verdrängung (merkwürdige symbiotische Beziehung der Insekten zur Sexualität: Spinnenweibchen, die nach der Begattung die Männchen töten, Symbiose von Blumen und Insekten <Beziehung zum Licht, zur „Fortpflanzung“>, staatsähnliche Organisation der <materiellen und sexuellen> Reproduktion bei Ameisen, Bienen u.ä.).
    Verdrängung ist nicht nur ein psychologischer Sachverhalt, sondern ein Moment im Begriff der Objektivität selber. Mit dem Konstrukt der „sekundären Sinnesqualitäten“, mit der Subjektivierung der Empfindungen, ist der Sensibilität der Boden entzogen, die Wahrnehmung des Leidens, des Schmerzes verdrängt worden.
    Ist nicht die Mikrophysik der vollendetste Ausdruck von Verdrängung, und läßt sich nicht der Punkt, an dem diese Verdrängung sich vollendet, ihre objektivitätsbegründende Kraft beweist, benennen: im Planckschen Wirkungsquantum, der Verkörperung der Redundanz (die nicht zufällig zum Schlüssel der ganzen Mirkophysik geworden ist)?
    Spinnen: Während Fische, Vögel und Säugetiere als Verkörperungen von Instrumenten sich begreifen lassen, als Objekte im Inertialsystem, verkörpern Insekten das symbiotische Prinzip der Instrumentalisierung, das Inertialsystem.
    Wer ist Beelzebul (Baal Sebub, „Herr der Fliegen“, der Gott von Ekron, 2 Kön 12,3,6,16)? Nach den Evangelien war er der „Oberste der Dämonen“ (Mt 1025, 1224ff, Mk 322, Lk 1115ff)?
    Während die Zürcher Bibel Baal Sebub (den „Fliegengott“) für das Original hält und den Beelzebul (mit der unmöglichen Begründung: „weil man sich scheute, den Namen dieses heidnischen Gottes auszusprechen“!) als eine veränderte Fassung ansieht, ist nach Reclams Bibellexikon (S. 67, ähnlich Ton Veerkamp, Die Vernichtung des Baal, S. 144ff) der Baal Sebub (der Fliegenmeister) eine ironisierende Entstellung des Baal Zebul („Baal, der Erhabene“, des Gottes von Ekron), der so korrekt in den Evangelien zitiert wird (als „Oberster der Dämonen“). Liegt nicht die größte Gefahr der christlichen Theologie darin, den Indikativ für die grammatische Grundform der Theologie zu halten; so ist sie unfähig geworden, ironische Stellen in der Schrift überhaupt noch wahrzunehmen (vgl. auch das Buch der Richter und die Arbeit von Lillian Klein dazu: The Triumph of Irony in the Book of Judges).
    Wenn der Baal Sebul eigentlich der Baal Zebub ist, wer ist dann Sebul (der Statthalter Abimelechs in Sichem, Ri 928ff)?
    Bei Mt (1231) und Mk (329) schließen sich die Stellen über die Sünde wider den Heiligen Geist an, bei Lk (1124ff) die Stelle über die sieben unreinen Geister (vgl. auch Mt 1243 und 2 Pt 220).
    Der Herr der Fliegen und der Oberste der Dämonen: Ist nicht die Spinne der Herr der Fliegen? Was haben die Dämonen mit dem Inertialsystem zu tun (die Elektrodynamik ist die Physik des Inertialsystems, die Mechanik die der Objekte im Inertialsystem)?
    Sind Säugetiere mechanische, Insekten hingegen elektrodynamische Tiere (sind nicht Insekten resistent gegen radioaktive und atomare Strahlung)? Hängt die Fähigkeit der Insekten zur Staatenbildung, zur „organischen“ Funktionsverteilung in einer durchorganisierten Gemeinschaft, ihre gleichsam planetarische Gemeinschaftstruktur, damit zusammen? Gibt es einen Zusammenhang des Baal Sebub mit der Astrologie? War nicht die Baals-Religion, der Prototyp des „Götzendiensts“, als Herren-Religion eine Sternen-Religion?
    Genitiv (und der zugehörige Akkusativ) ist die dem Indikativ zugehörige Deklinationsform, der Dativ (und der Nominativ) korrespondiert dem Konjunktiv und dem Imperativ. Das Inertialsystem vollendet das Neutrum (es bringt Dativ und Nominativ als Repräsentanten des Adressaten in der Sprache zum Verschwinden). Der Indikativ verabsolutiert die Herrschafts- und Eigentumsordnung, in der Philosophie die Ontologie (und begründet so die dämonische Ordnung und ihr Korrelat: die Besessenheit), er destruiert die Idee des Heiligen (die Idee eines der Herrschafts- und Eigentumsordnung, der Objektwelt und dem Gesetz der Instrumentalisierung enthobenen Bereichs).
    Wird der Genitiv (der Sprachgrund der Herrschaft und des Eigentums) nicht vom Rachetrieb beherrscht?

  • 3.9.1995

    Leiden nicht alle christlichen Bibel-Übersetzungen daran, daß sie zwangshaft die Spuren der Herrschaftskritik verwischen müssen? Eines der Mittel dieser Spurenverwischung war die Übersetzung der Prophetie in den historischen Indikativ: die Transformation des „Alten Testaments“ ins Vergangene (das traditionelle christliche Verständnis der „Erfüllung der Prophetie“ in Christus war die Voraussetzung). So hat der „Gott der Liebe“, der die Herren exkulpiert, den „Gott der Rache“, der sich der Erniedrigten annahm, besiegt. Der Tag des Ewigen war nahe, aber er wurde vertagt.
    Der Begriff wendet die Schulderfahrung, die im Namen laut wird, nach außen, projiziert sie ins Objekt, das in dieser Projektion sich konstituiert. Natur und Welt sind die Repräsentanten der externalisierten Sünde und Schuld.
    Der Gott der Liebe ist nicht der Barmherzige: Die Barmherzigkeit ist nicht der Widerpart (die „abstrakte Negation“) der Rache, sondern Resultat ihrer Umkehr.
    Die Dinge beim Namen nennen, Roß und Reiter nennen: Heißt das nicht, den Schuldigen benennen? Ist die benennende Kraft der Sprache nicht ein Teil des Schuldverschubsystems? Und sind Roß und Reiter (die vier apokalyptischen Reiter) nicht das Gegenstück zum Wagen (Ez und Hoh)?
    Ist das gerade Bein des Cherubs (Ez 1) ein nicht gebeugtes Knie? Was hat das gebeugte Knie mit der Orthogonalität und mit der Orthodoxie zu tun?
    Schuldverschubsystem und Opferfalle: Heute wollen alle geliebt werden. Heißt das nicht, daß sie Herrschaftskritik nur solange bereit sind zu akzeptieren, wie sie selbst als Opfer von Herrschaft betroffen sind?
    Hat Jesus nicht das Feuer schon vom Himmel geholt, und brennt es nicht bereits: als Feuer der Hölle in der Phantasie der Gläubigen? War nicht die Hölle das Produkt projektiver Verarbeitung der Verdrängungsmechanismen, die dann in den Naturwissenschaften, die mit der Hölle auch den Himmel beseitigt haben, sich entfalteten: eine Vorstufe des Inertialsystems?
    Wenn die Sintflut die Materialisierung der Dinge (das gegenständliche Korrelat der Ich-Bildung) symbolisiert, ist dann nicht die Vorgeschichte mit den Adamstöchtern und den Gottessöhnen Symbol der Ich-Bildung? Ist hier die erste Stelle, an der das Attribut „schön“ erscheint? (Die Adamstöchter waren „schön von Aussehen“, während es von Rahel, Joseph und Esther heißt, sie seien „schön von Gestalt und schön von Aussehen“.) Wie verhält sich die Schönheit (des Geschaffenen) zur Herrlichkeit (Gottes)? Ist nicht das Bild des Gottesknechts das Gegenbild des Schönen („weder Gestalt noch Schönheit“, Jes 532)?
    Kultur für alle? Sollte nicht das dumme Staunen vor den „Kulturgütern“ endlich ein Ende haben?
    Von Kindern, die schlimme, nicht mehr verarbeitungsfähige Erfahrungen hinter sich haben, sagt man, sie sähen „wissend“ aus. Die tiefe Verzweiflung in diesem Wort hallt nach im indoeuropäischen Begriff des Wissens und in der Sprachlogik, die er begründete.
    Als Brecht das Ausrauben einer Bank mit dem Gründen einer Bank verglich und dieses für wirksamer hielt, war er der Sache näher als er wußte.
    Bierzeltmusik ist die Vorstufe des Gejohles auf dem Fußballplatz. (Fundamentalismus: Gibt es nicht auch das Gottgejohle, das seit je das Pogrom, den Terror, ankündigt?)
    Wichtiger als den Staat zu zwingen, sein faschistisches Gesicht zu zeigen, wäre es, der Kirche den Spiegel vorzuhalten, um dem Gottesgejohle, der Wurzel des Faschismus, die Möglichkeit zu geben, in der Selbsterkenntnis sich aufzulösen.
    War nicht die raf ein Harakiri-Unternehmen von Anfang an, das Verliebtsein in die Opferrolle (mit durchaus religiösen Wurzeln)?
    Die Parole des real existierenden Sozialismus: „Von der Sowjet-Union lernen heißt siegen lernen“, war die Parole des Staates, nicht die des Sozialismus. Sie bezeichnete genau den faschistischen Kern dieses Staates. Nicht mehr an der Spitze des Weltgeistes, sondern bei den Verlierern sind die Kräfte freizumachen, die das Ganze zu ändern vermöchten.
    Von der raf lernen heißt, es anders machen, heißt verlieren lernen.
    Walter Benjamins Satz, Gott sei der Ernährer der Menschen, der Staat ihr Unterernährer, wird wahr erst, wenn Gott aus den Verstrickungen des Staates sich befreit: Auch für Gott ist der Staat der Unterernährer.
    Ein Christentum, das begreift, daß der Prozeß der Aufklärung sein Werk ist, das darin sich wiedererkennt, vermöchte den Prozeß der Aufklärung über sich selbst hinauszutreiben. Adornos Konzept einer vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte ist als ein selber theologisches Konzept zu begreifen: Theologie im Angesicht Gottes ist die Auflösung der Religion durch Selbstaufklärung, ihre vollständige Säkularisierung. Die Säkularisierung aller theologischen Gehalte beginnt damit, daß die Theologie aus dem Bann des Weltbegriffs heraustritt, sich von ihm durch Reflexion des Weltbegriffs befreit.
    Den kritischen Naturbegriff Kants durch die Kritik des Weltbegriffs (durch die Reflexion der Vorgeschichte) ergänzen und fundieren.
    In Auseinandersetzungen mit meinem Vater habe ich gelernt, daß ich gegen ihn nur eine Chance hatte, wenn ich in seiner Sprache mit ihm sprach: in der Sprache der Religion. Hieraus habe ich meine ersten theologischen Erfahrungen und Einsichten gewonnen.
    Zur Kritik der Astrologie, des Planetensystems: Zentral wäre die Einsicht, daß das Inertialsystem in der Sonne (im Sonnensystem) sich verkörpert. Die Sonne ist das „anschauende“ (und deshalb in sich selbst blendende) Licht, der Mond die Abstraktion vom Gegenblick. Die verschiedenen Gestalten des verdrängten Gegenblicks sind der König (Jupiter), der Feind (Mars), die Frau (Venus) und das Geld (Merkur). Hat die Stelle im Hohenlied, an der es heißt „schön wie der Mond, rein wie die Sonne, furchtbar wie Heerscharen“ (610, vgl. auch 64: „Schön bist du, meine Freundin, wie Thirza, lieblich wie Jerusalem, furchtbar wie Heerscharen“) etwas mit dieser Konstellation zu tun?
    Thirza war nach der Reichsteilung zunächst Hauptstadt des Reiches Israel (Vorläufer von Samaria, das von Omri als neue Residenz erbaut wurde). Was haben Thirza und Jerusalem mit Mond und Sonne zu tun?
    Adidas oder die Instrumentalisierung der transzendentalen Logik in der Reklame: Das Ende des Geschmacks, der ästhetischen Urteilsfähigkeit, das in dem Satz „Über Geschmack läßt sich nicht streiten“ sich ankündigte, wird durch die Markenbindung ratifiziert: Die Markenbindung enthebt von der Last des eigenen Urteils, macht über den Markennamen auch den Geschmack zu einem Teil der Bekenntnislogik, zu einer durchs Wertgesetz determinierten Anschauungssache. Die objektive Wertphilosophie Schelers gehörte zu den Wegbereitern der Markenbindung.

  • 7.8.1995

    Die Heiligung des Gottesnamens ist das Korrelat des Leuchtens Seines Angesichts.
    Wir haben die ganze Schrift zu einer jenseitigen, schicksalhaften Sache gemacht, während die Schrift insgesamt, einschließlich der Apokalypse, in Wahrheit unters Nachfolgegebot fällt.
    Die Bildung des Neutrum hängt mit der Vergegenständlichung des Vergangenheit (der Bildung der Vergangenheit, die dann die Bildung von Futur und Präsens nach sich zieht) zusammen. Hier entspringt zusammen mit dem Begriff des Wissens der Objektbegriff (und in seiner Folge das Substantiv).
    In den Medien breitet ein grammatischer Fehler sich aus, dessen sprachlogische Analyse ein Licht wirft auf das journalistische Weltverständnis (und auf einen anderen „Strukturwandel der Öffentlichkeit“): die epidemische Ausbreitung der Verwechslung von Genitiv und Dativ. In einem Fernsehbericht am 6.8.95 zum 50. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima wurde „den“ Toten der Katastrophe (anstatt der Toten) gedacht. Das Objekt des Gedenkens erscheint im Dativ anstatt im Genitiv. Es gibt ähnliche (auch umgekehrte) Fälle insbesondere bei der Verwendung von Präpositionen wie trotz, wegen u.ä. Auffällig ist der wie es scheint systematische Effekt: Der Genitiv wird durch einen Dativ, der Dativ durch einen Genitiv ersetzt. Die Verwechslung betrifft generell den Adressaten einer Handlung. Sie scheint mit einer veränderten Beziehung von Schenken und Eigentum zusammenzuhängen: Der Genitiv drückt eine Eigentumsbeziehung, ein Besitzverhältnis, aus, der Dativ nennt den Adressaten einer Gabe, eines Geschenks. Gegenüber Unmündigen wird aber die Gabe, das Geschenk gern als Verpflichtung, als Symbol eines Besitztitels gegen den Beschenkten gebraucht. Bezeichnet dieser Sachverhalt vielleicht eine Grundstruktur des medialen, kommunikativen Umgangs mit der Wirklichkeit? Verweist diese Verwechslung nicht auf einen Defekt in den Grundlagen der Kommunikationstheorie, die die Abstraktion, der die „subjektiven Formen der Anschauung“ sich verdanken, auf die Sprache überträgt? So wie im Begriff der Anschauung vom Gegenblick abstrahiert wird, so abstrahiert der kommunikative Sprachbegriff vom Dialog. Leben nicht die Medien von der Zerstörung des dialogischen Elements in der Sprache: Die Zeitung, das Radio, das Fernsehen sind Medien der Information, der „Nachricht“. Sie schließen die dialogische Beziehung zum Leser, zum Hörer, zum Zuschauer aus. Hier wird der Adressat in kollektive Isolationshaft genommen. Zur gleichen sprachlogischen Situation, der die Verwechslung von Genitiv und Dativ sich verdankt, gehört das fernsehübliche „In der nächsten Sendung sehen wir uns wieder …“, bei dem allen Beteiligten klar ist, daß der Moderator, der Sprecher, der „Ansager“ die Zuschauer niemals sehen wird (außer in der peinlichen einseitigen „Bekanntheit“ der Bildschirmperson auf der Straße, im Geschäft, im Restaurant). Der Film war die astrologische Vorstufe der kopernikanischen Wende der Medienwelt: des Fernsehens. Heute sind die „Stars“ aus den Himmeln des Films herabgestiegen und zu alltäglichen intimen Bekannten aller geworden, in deren Vorstellungswelt sie anfangen, die wirklichen Verwandten und Bekannten zu ersetzen.
    In der monologisch gewordenen Sprache der Medien kehrt sich die Beziehung von Dativ und Genitiv um. Grund ist das Werden der Substanz zum Subjekt: die allgegenwärtige, alles durchdringende und alles beherrschende Gewalt des Neutrum.
    Hier findet der wirkliche „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ statt, der mit den Kategorien der Habermasschen Kommunkationstheorie nicht mehr zu fassen ist. – Paßt dazu nicht der Ausdruck „Wir Deutschen“ (in dem ein ganzes Volk sich selbst zum Objekt wird: und sie erkannten, daß sie nackt waren)?
    Ist nicht das Fernsehen Kanaan, der weil Ham die Blöße seines Vaters schaute, zum Knecht seiner Brüder wurde?
    Die Vertauschung von Genitiv und Dativ in der medialen Sprachlogik ist ein Ausdruck davon, daß Information, Unterhaltung und Manipulation und Beherrschung der Öffentlichkeit sich nicht mehr unterscheiden lassen (das Fernsehen kann kann Kriege an- und abstellen). Damit hängt es zusammen, daß die Medien immer mehr zur „Hofberichterstattung“ tendieren, offizielle Versionen nachbeten. Die Medien machen die Information zum Drachenfutter: Sie stellen den Staub her, den die Schlange frißt.
    Die Vertauschung von Genitiv und Dativ ist eine Konsequenz aus der neutralisierenden Gewalt der Logik der Schrift (die Logik der Schrift und der Ursprung des Neutrum).
    Die Abstraktion vom Gegenblick im Begriff der Anschauung, vom dialogischen Grund der Sprache, oder die Abstraktion von der Selbstreflexion im Andern: Zur medialen Sprachlogik paßt eine Theologie, die sich als „Rede von Gott“ versteht und das Evangelium zur „Guten Nachricht“ gemacht hat: Hier gibt es zum Reich der Erscheinungen keine Alternative mehr; hier ist der Name Gottes vergessen. Max Horkheimer hat einmal unter Hinweis auf Hegels „Phänomenologie des Geistes“ gesagt: Wenn das die Wahrheit ist, ist dies (sc. dieses Buch) der liebe Gott; hätte er nicht korrekterweise sagen müssen: so ist dies der Name Gottes?
    Licht und Finsternis, oder das sprachliche Wesen des Lichts: Ist der Gegenblick, von dem die subjektiven Formen der Anschauung ebenso wie vom Licht abstrahieren, die Sprache? Und gründet darin nicht das „Leuchten Seines Angesichts“, die Heiligung des Gottesnamens? Ist der Gottesname der Grund der Sprache (und deshalb unnennbar)? – Vgl. Ezechiel, das Hören und Sehen und den Begriff der Vision.
    Beitrag zum Weltbegriff, zur Passionsgeschichte und zur Opfertheologie: In der Sprachlogik der Medien erfüllt sich die Logik der Schrift.
    Kritik der Schöpfungstheologie: Gibt es nicht eine Querverbindung zwischen der Sprachlogik der Medien und den Allmachtsphantasien der Verwaltung? Schafft nicht diese Sprachlogik (die Ausscheidung der Kritik aus der Sprache durch die Verabsolutierung des Indikativs, die zur Vertauschung von Genitiv und Dativ führt) den Freiraum für die Allmachtsphantasien der Verwaltung, ihre tatsachenschaffende, sprachzerstörerische Definitionsgewalt?
    Identifikation mit dem Aggressor: Die Sprachlogik der Medien ist ein Indiz für ihre Selbsteinbindung in die verwaltete Welt. Die gleiche Kapitulation vor der Sprache hat in der Philosophie dazu geführt, daß der erkenntniskritische Impetus der kantischen Philosophie verdrängt worden und nur der affirmative Wissenschaftsbegriff, der durchs Interesse der Selbsterhaltung gestützt wird und zur Automatik der Selbstrechfertigung des Bestehenden gehört, übrig geblieben ist. Die Kräfte der Verdrängung waren stärker als der argumentative Gehalt der kantischen Texte.
    Hängt die Vertauschung von Dativ und Genitiv mit der Beziehung von Feststellung und Begründung, Information und Meinung, mit der indikativischen Trennung von Sprache und Realität zusammen?

  • 5.7.1995

    Völker, Stämme, Sprachen und Nationen: Hängen diese Namen mit den vier Richtungen zusammen: Vorn und hinten (im Angesicht und hinter dem Rücken): Sprachen und Stämme (JHWH und Elohim), rechts und links: Nationen und Völker (Innen- und Außensicht, wie Israeliten und Hebräer)? Wem entspricht das „Haus“ (Haus Israel, Haus Juda, Haus Joseph: teils eine Volks-, teils eine Stammesbezeichnung, wobei Jakob/Israel den Stammesbildungen Judas und Joseph vorausgeht)?
    Der Pharao (das „große Haus“) ist der Herr über Mizraim, „die beiden Ägypten“, ein Dualis: Ist der Pharao eine personalisierte Vorform des Neutrum, und muß das Neutrum (die Schlange) die babylonische Reichsgründung durchlaufen (zum Drachen werden), ehe es über die die grammatische Form des Neutrum (zur Substanz des Weltbegriffs, die das Tier ist) vergesellschaftet wird?
    Gibt es nicht in Schellings „Weltalter“ einen Versuch, den Ursprung des Raumes zu konstruieren?
    In welcher Beziehung steht die Abfolge der vier Reiche bei Daniel zur Konstellation der Stämme, Völker, Sprachen und Nationen? Und wie spiegelt sich das in dem Bild der drei Tiere (Drache, Tier aus dem Meer, Tier vom Lande und deren Attribute, die Kombination von Hörnern und Köpfen, Kronen und „gotteslästerlichen Namen“)? Sind die Attribute der Tiere neu in der Johannes-Apokalypse (zu den Hörnern und Köpfen vgl. Dan 76ff)?
    Zum Begriff der Verwaltung gehört das Bild der „Verwaltungsebenen“, wobei diese Ebenen in ihrer Beziehung zur Schwerkraft sich definieren und als Grundlage der hierarchischen Stufungen zu verstehen sind, auf die Oben/unten-Beziehung (die Herrschaftsbeziehung, die im Fall gründet) sich beziehen. In der verwalteten Welt ist die Macht in die Horizontale gerutscht und so – im logischen Bild ihrer Vergesellschaftung – zu einem Problem der Religion geworden.
    Zur kopernikanischen Wende: Ist nicht das Inertialsystem ein Hierarchiegenerator? Das Problem der Astrologie liegt weniger in ihrem inhaltlichen Widerspruch zum kopernikanischen System, als in ihrem formalen Apriori, in dem sie mit dem kopernikanischen System konform geht: in ihrer Beziehung zur Selbsterhaltung. Unverständlich ist der Wunsch, dessen Erfüllung die Astrologie geben zu können vorgibt.
    Zum Namen des Petrus (Fels): Ist nicht der Objektbegriff, dessen sinnliche Verkörperung der Stein ist, das Symbol der dritten Leugnung? Und hängt damit – auch mit dem Namen des Petrus – das Problem des steinernen Herzens zusammen? Nachdem der Hahn krähte, ging er hinaus und weinte bitterlich: Mit diesem Weinen wird das steinerne durch ein fleischernes Herz ersetzt.
    „Der Weise hat den Verstand zu seiner Rechten, der Tor hat den Verstand zu seiner Linken“ (Koh 102): Barmherzigkeit macht sehend. Der Gnadenlose wird dumm. Die Schlange war nur das klügste der Tiere.
    Die Bekenntnislogik und der leere Kopf: Die Bekenntnislogik macht die Wahrheit zur Ware: austauschbar. Der Trieb, die Welt zu begreifen, wird ersetzt durch die Mechanik des Liebesentzugs; Kriterium der Wahrheit ist nicht die Einsicht, sondern der Wunsch geliebt zu werden, keinen Agressionen sich auszusetzen, Schuldgefühle zu vermeiden, die Anpassung an das, was alle denken. Keiner scheint die Abweichung von den Anschauungen des Kollektivs, durch das er sich definiert, mehr zu ertragen, auszuhalten. Das Vakuum an der Stelle, die einmal der Name des Geistes bezeichnete, erzeugt den horror, der alle zur Identifikation mit dem Aggressor treibt. Die Rekonstruktion dieses Vakuums fällt mit dem Begreifen des Ursprungs und der Funktion der subjektiven Formen der Anschauung zusammen. Homo homini lupus gilt mehr denn je, nur das Bewußtsein davon darf nicht mehr hochkommen: Das Abblenden dieses Bewußtseins leisten die subjektiven Formen der Anschauung, die Vorstellungen des ins Unendliche sich ausdehnenden Raumes und des Zeitkontinuums zusammen mit den ihnen korrespondierenden (und sie legitimierenden) Objekten: Natur und Geschichte.
    Blochs Bemerkung, das Schlimme sei, daß heute niemand mehr wie Gott sein will, stimmt erst, wenn man sie genauer faßt. Daß niemand mehr sein will wie Gott, ist nämlich nur die halbe Wahrheit. Heute nämlich fühlen sich alle als Verkörperungen des Weltgerichts, aber niemand will mehr barmherzig sein wie der Vater im Himmel barmherzig ist. – Deshalb sind die Köpfe so leer, aber auch so empfindlich und rachsüchtig (Empfindlichkeit und Rachsucht gehören zur Bekenntnislogik).

  • 24.5.1995

    Das Angesicht leuchtet im Licht der Sprache.
    Das Licht, das den Tag hell macht, und dessen Gegenteil das Dunkel, die Finsternis, die Nacht, ist, ist eine Erkenntniskategorie, aber keine naturwissenschaftliche: Ist nicht das Licht der „Aufklärung“ (wie das der Bühne, des Films, des Fernsehens) das des Mondes, der nicht selbst leuchtet, sondern das Licht der Sonne nur reflektiert? Und sind nicht die Lichter der Wandelsterne die getrennten, durch definierte Aspekte determinierten Lichter (des Herrendenkens, des Feinddenkens, des Geliebtwerdenwollens, des Handels: Eigentum und Tausch); sie allesamt sind Lichter der Nacht. Sie sind der Grund der ihnen korrespondierenden „Erscheinungen“, die hervortreten, wenn die anderen Aspekte ausgeblendet werden.
    Der Tierkreis: Inbegriff der Totalitätssymbole?
    Das moderne Drama unterscheidet sich von der antiken Tragödie u.a. durch seine Beziehung zum Licht: Das Drama findet im geschlossenen Raume auf der Bühne statt (vor dem Publikum, das im Dunklen sitzt), die Tragödie im Amphitheater am hellen Tag unter freiem Himmel.
    Das Inertialsystem verletzt das achte Gebot: Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten.
    Der Zeuge muß die Wahrheit sagen, nichts als die Wahrheit, während der Angeklagte lügen darf. In der Regel wird vor Gericht davon ausgegangen, daß der Angeklagte lügt. Darin gründet der Indizienprozeß (das rechtliche Korrelat der transzendentalen Logik, des synthetischen Urteils apriori).
    Die transzendentale Logik wäre anhand der Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit den Terroristenprozessen zu demonstrieren: Alle gesetzlichen Vorkehrungen dieser Prozesse waren Maßnahmen zur Begründung und Absicherung synthetischer Urteile apriori. Prämisse war, daß der Angeklagte nicht nur lügen darf, sondern daß er grundsätzlich lügt (die vorgeblich politischen Motive der terroristischen Handlungen waren nur Vorwände zur Befriedigung der Mordlust, zum Ausleben krimineller Triebe). Nach Auffassung von Staat und Gerichten waren selbst die „Selbstmorde“ in Stammheim noch Teil einer Aktion, die nach draußen die „Lüge“ transportieren sollte, der Staat habe die Gefangenen ermordet. Unter der Voraussetzung, daß die Wahrheit nicht zu ermitteln ist, weil Sprache keine Wahrheit mehr auszudrücken vermag, sondern nur noch hinterhältig-mörderische Absichten, die es rechtzeitig zu durchschauen gilt, gibt es zur Gewalt (zur terroristischen Aktion wie zu Hochsicherheitstrakt und Isolationshaft) keine Alternative mehr.
    Das Grundurteil, das jedem synthetischen Urteil apriori zugrundeliegt, ist das Urteil: Der Angeklagte lügt. Damit aber ist der paranoische Zirkel geschlossen, aus dem beide Seiten nicht mehr herauskommen. (Bestätigt nicht Gisela Dutzis Wort vom „Rechtsstaatsgetöse“, das das synthetische Urteil apriori nur umkehrt, nicht aufhebt, nachträglich den Faschismus? Ist die Vermutung so unbegründet, daß diese Generation die Geschichte revidieren möchte, indem sie den Ermordeten, die keine Chance hatten, auch nicht die eines Rechtsstaats, im Nachhinein zeigt, was sie hätten tun können, ohne zu bemerken, daß sie in die Logik der Täter sich verstrickt?)
    Die Lust der Philosophie, der Wissenschaft und des Rechts, die Lust des argumentativen Streits, ist die Lust des Rechtbehaltens, während es die Lust der Theologie ist, zu retten, zu ändern.
    Das Schwert des Richters ist das Schwert Alexanders, das den gordischen Knoten durchschlagen, nicht aufgelöst hat. Das Bild dieses durchschlagenen Knotens ist die Waage der blinden Justitia, die erst, wenn sie die Binde von den Augen nimmt, in der Lage sein wird, den Knoten zu lösen.
    Anti, contra, gegen: Was drückt in diesen Kategorien sich aus?
    Die Verkörperung der Logik der symbolischen Erkenntnis ist der Engel. Darin gründet ihre Beziehung zu den Himmelsheeren (zu den paulinischen Elementarmächten, den Archonten, den „Thronen und Mächten, Herrschaften und Gewalten“).
    Die Hellenisierung der Theologie, nach Harnack der Grund des Dogmatisierungsprozesses, hat dem Glauben, der das Zukünftige zu erkennen versucht, die Form des Wissens aufgeprägt und die Kirche dann zur Hüterin dieses Wissens gemacht. Kein Wunder, daß den Kirchen heute dieser Schatz unter den Händen sich auflöst.
    Aus alten Notizen:
    Eine der Ursachen weitreichender Mißverständnisse und Verwirrungen in der Theologie ist die Verwechslung von Schöpfung und Sündenfall. (24.06.83)
    Über Gott kann man nicht sprechen? – In der Tat, über Anwesende kann man nicht, ohne sie zu beleidigen, sprechen. (11.09.83)
    Religion hat keine reale Bedeutung mehr, sondern nur noch eine sozialisationstechnische (als Erziehungsmittel): Kommt daher die wachsende Zahl von Singles?
    Langer Atem: Keiner hält die Spannung zwischen den erkenntniskritischen Einwänden gegen die Naturwissenschaft und dem realen Erkenntnisfortschritt mehr aus.
    Physik heute: Entspannte (spannungslose) Erkenntnis; Erkenntnis, die sich selbst zu tragen scheint, in Wahrheit aber auf den Grund zurückgesunken, zugrunde gegangen ist. Physik geht nicht mehr der Sache auf den Grund, sondern ist das Zugrunde-Gehen der Sache, ihre Vernichtung, und das im wörtlichen Sinne: Ihre Projektion ins Vergangene. (04.11.84)
    Jede Theodizee heute wäre blasphemisch, die Entfaltung des Begriffs der Blasphemie hingegen die einzig noch mögliche Theodizee. (28.03.85)
    Das Grauen des Faschismus bildet das Chaos vor der Schöpfung ab. Die Leugnung dieses Grauens hat mit der Gottesleugnung zu tun. (06.06.85)
    Helmut Kohl verkörpert ein irrationales Harmoniebedürfnis, dessen aggressive Gewalt der Gradmesser einer zugrunde liegenden Katastrophenstimmung ist. (02.01.86)

  • 9.5.1995

    Steckt nicht in dem Satz aus der Dialektik der Aufklärung: „Die Distanz des Subjekts zum Objekt, Voraussetzung der Abstraktion, gründet in der Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt“ (Neupublikation 1969, S. 19), die ganze Kritik des Inertialsystems und der Raumvorstellung? Die Distanz zum Objekt und die Beziehung des Herrn zum Beherrschten gründen in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit. Ist nicht, was bei Kant Erinnerung heißt, eine in die Vergangenheit zurückprojizierte Planung?
    Sind die Planeten Instrumente zur Austarierung des Zeitkontinuums (und damit auch des Inertialsystems: des dreidimensionalen Raumes)?
    Das Menetekel: Gezählt, gewogen und zu leicht befunden, ist ein frühes Symbol des Inertialsystems (und jeder Ästhetik): der Abstraktion von der Schwerkraft.
    Was haben Rind und Esel mit der Gravitation zu tun? Gibt es nicht auch eine astronomische Anwendung des Satzes vom Rind und Esel (auch ihrer Beziehung zum Opfer, zur Auslösung der Erstgeburt)? Sind nicht Sünde und Schuld die moralischen Äquivalente der Gravitation (und Objekt und Begriff Reflexe der Abstraktion von der Gravitation)?
    Ist die Technik der Esel und die Ökonomie das Rind? Und ist nicht die Beziehung von Technik und Ökonomie (von äußerer und innergesellschaftlicher Naturbeherrschung) ein Schlüssel zur Lösung des Rätsels der Beziehung von Astronomie und Banken? Verweist nicht die Unterscheidung der Zentralbanken von den Geschäftsbanken und innerhalb der Geschäftsbanken die Unterscheidung von Depositen- und Kreditbanken auf den Grund der Dreidimensionalität des Raumes?
    Was bedeutet eigentlich der Spruch „quod licet Jovi non licet bovi“?
    War nicht die Astrologie so etwas wie das frühe Modell einer Regierung: mit Jupiter (Baal?) als Regierungschef, Mars (Nebu?) als Verteidigungsminister, Venus (Ischtar?) als Familienminister und Merkur als Handels- und Wirtschaftsminister; Saturn wäre dann der Finanzminister? Von den klassischen Ressorts fehlen (aus rekonstruierbaren Gründen) insbesondere der Außen- und der Justizminister.
    Und ist nicht die Musik das Echo des Seufzens der Kreatur, das am Ende seinen Wiederhall in den Posaunen des Gerichts und den sieben Donnern finden wird? (Haben die sieben Donner etwas mit dem Brüllen JHWHs zu tun, oder auch damit, daß der Himmel am Ende wie eine Buchrolle sich aufrollen wird, und hängt es damit zusammen, daß ihre Botschaft nicht niedergeschrieben werden durfte?)
    Der übermächtige Rachetrieb im Nachkriegsdeutschland, der die Politik, das Recht, aber auch die privaten Verhältnisse durchsetzt, gründet in den Racheängsten nach Auschwitz. Die Kollektivscham hat die Kollektivschuld nicht aufgelöst, sondern stabilisiert und zugleich verdrängt. Durch Transformation in die Kollektivscham ist die Kollektivschuld unauflösbar geworden.
    Läßt sich nicht an dem Thalesschen „Alles ist Wasser“ die Beziehung von Selbstreflektion und Vergegenständlichung sich demonstrieren. Was bei Aristoteles aus diesem Satz geworden ist, ist bereits ein Produkt der Veranderung der Thalesschen Intention.
    Den Positivismus aus dem Gesetz der doppelten Negation ableiten.
    Im Begriff des Notwendigen bezeichnet die Not eher das Subjekt als das Objekt des Wendens.
    Drückt nicht das Moment der Abwehr in der Habermasschen Philosophie aufs deutlichste in der Irrationalisierung der Mimesis (im Nachwort zur Neupublikation der Dialektik der Aufklärung) sich aus (hier prallt der Habermassche Gedanke von der Härte des unreflektierbar gewordenen Raumes ab)?
    Newtons Theorie des absoluten Raumes war darin begründet, daß die Drehung des Raumes um eine seiner Achsen zwar die Form des Raumes, nicht aber die Bewegungen in ihm, unberührt läßt. Das Relativitätsprinzip gilt nur für Translationsbewegungen (für geradlinig gleichförmige Bewegungen), nicht für Rotationen. Ein ruhender Körper in einem um eine seiner Achse rotierenden Raum läßt sich von der Kreisbewegung eines Objekts in einem ruhenden Raum durch das Auftreten von Zentrifugalkräften (in denen die Inertialkräfte sich manifestieren) unterscheiden. Reale kreisförmige Bewegung (wie die Planetenbewegungen im kopernikanischen System) sind in einem Inertialsystem nur möglich, wenn die Zentrifugalkräfte durch Gegenkräfte aufgehoben werden, die nicht auf Inertialkräfte sich zurückführen lassen (wie z.B. die Gravitationskräfte). Noch verwickelter werden die Probleme im Falle der Anwendung des Inertialsystems auf das Licht: Die Erscheinung der Fortpflanzung des Lichts im Raume zieht zwangsläufig (und keineswegs nur empirisch) den ganzen Formalismus der Elektrodynamik und der Mikrophysik (einschließlich des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Paradoxien der Mikrophysik) nach sich: Das Inertialsystem verwandelt die Welt in die Totalität dessen, was der Fall ist.

  • 2.5.1995

    Babylonischer Turm: Verweisen der Turm, der „bis an den Himmel reicht“, das „Herniederfahren“ Gottes und die Verwirrung der Sprache auf den astrologischen Ursprung der indoeuropäischen Sprache (ihrer Grammatik: ihrer durchs Neutrum definierten Sprachlogik)? Hängt die Verwirrung der Sprachen mit dem Ursprung des Prinzips der kollektiven Organisation der Selbsterhaltung durch den Staat zusammen (einem Akt, der die Völker im Innern zivilisiert, ihre Außenbeziehungen in Naturbeziehungen transformiert und zugleich den „Götzendienst“ als Rechtfertigungsinstitut begründet)? War nicht schon der babylonische Turm ein religionsbegründendes Symbol des Nationalismus? Waren die „Chaldäer“ die Ersten, die in der Sternenreligion ihre nationale Identität fanden, mit dem Ursprung und der Legitimation des Feinddenkens und dem Krieg als Quelle des Bewußtseins nationaler Identität. Dieses Bewußtsein hat am Sternenhimmel (vgl. den Kampf der Sterne im Debora-Lied) seine objektive Entsprechung gefunden: um den Preis der Verwirrung der Sprachen. Seitdem ist Babylon das zentrale Symbol apokalyptischer Macht und der Nationalismus das Zeichen, an dem der Götzendienst sich erkennen läßt. Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von Stämmen, Völkern, Sprachen und Nationen? Die Völker (deren Name auf die durch Opfer und Königtum organisierte Schicksalsgemeinschaft verweist) sind der Ursprungsname und das Synonym der „Heiden“; die Stämme konstituieren sich in genealogischem (später totemistischem), die Sprachen in astrologisch-grammatischem Zusammenhang. Worauf bezieht sich der Name der „Nationen“?
    Durch die Institutionen des Rechts (und durch die Religion) hat der Staat die Dinge eigentums- und tauschfähig gemacht.
    Politische Sprachlogik: Der lateinische Name der Nation leitet sich aus der gleichen Wurzel her wie der der Natur. Im Griechischen ist es die phylä, die aus der gleichen Wurzel sich herleitet wie die physis: Aber bezieht sich das nicht den genealogischen Zusammenhang des Stamms?
    Ist nicht die Paranoia ein Abkömmling der Barmherzigkeit (die unterm Bann des Rechtfertigungszwangs dazu geworden ist)? Und sind die subjektiven Formen der Anschauung (und ihre Abkömmlinge) die Transformatoren (die instrumentalisierten Formen des Rechtfertigungszwangs)?
    Mit der griechischen Sprache, in der das Evangelium seinen Weg in die Welt angetreten hat, wurden Rind und Esel gemeinsam vor den Pflug gespannt: Mit dem Acker ist auch die Sprache seit dem Ursprung und durch die Organisation des Staates zum Privateigentum geworden, dessen Bearbeitung den Sklaven (den graeculi, den clercs) überlassen wurde.
    War nicht das Christentum die Prolongation der babylonischen Gefangenschaft? Dann aber gilt das Jeremias-Wort „Betet für das Wohl der Stadt“ auch für die Kirche.
    Gott ist der Ernährer der Menschen, der Staat ihr Unterernährer (Walter Benjamin). Die Konsequenz daraus: Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist.
    Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt: Ist nicht die Kirche heute der organisierte Mundraub?
    Hat Ludwig Erhard mit dem Wort von der „Sünde wider den Geist der Marktwirtschaft“ nicht der Kirche mit gleicher Münze heimgezahlt, was sie zuvor der Schrift angetan hat: Die willkürliche Verwendung von Sprachfragmenten aus einer anderen, unbegriffenen Tradition zum Zweck der Selbstlegitimation?
    Die Sprengsätze der Instrumentalisierung, die die katholische wie auch die evangelische Kirche in die Schrift hineingetrieben haben, stammen aus dem Arsenal der Selbst-Verteidigung, nur daß im katholischen Falle das Objekt der Verteidung die Kirche ist (Apologetik), im evangelischen Falle das Einzelsubjekt (Rechtfertigung). Wenn man den Heiligen Geist als Inbegriff des verteidigenden Denkens (der Barmherzigkeit, nicht des Selbstmitleids) begreift, handelt es sich in beiden Fällen um Formen der Sünde wider den Heiligen Geist.

  • 6.3.1995

    Die Sünde Hitlers: Das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt („die Welt entsühnt“), ist das nicht der Wolf?
    Zur Logik der Schrift: Dem Autor geht es wie dem Fernsehmoderator: Er sieht und hört seine Leser nicht, aber sie sehen und hören ihn.
    Jede Wand hat eine Rückseite: Darin liegt der Grund der Mathematik. Und wenn in modernen Kirchen die Rückseite nach innen gekehrt wird, so ist das ein Indiz für den Grad der Versteinerung des Herzens.
    Setzt die Verdrängung der Vergangenheit nicht an dem Punkt ein, an dem das Bewußtsein, daß diese Vergangenheit (und zwar nicht nur, aber vor allem das prophetische Wort) uns richten wird, unerträglich wird? Jetzt richtet uns die verdrängte Vergangenheit (die „Sünde der Welt“). Das Produkt dieser verdrängten Vergangenheit ist die verinnerlichte Scham, und deren kosmisches Korrelat die Feste des Himmels.
    Der Begriff einer historischen Naturkatastrophe ist real und paradox zugleich: Wenn es so etwas gibt, ist es eben keine Naturkatastrophe.
    Gewinnen die neutestamentlichen Texte, die auf die Hölle sich beziehen, nicht einen ganz anderen Sinn, wenn man den Namen der Hölle durch der Unterwelt, des Grabs (Scheol), ersetzt? Hier werden auch die Verweise auf das Feuer, das nicht erlischt, und den Wurm, der nicht stirbt, konkret.
    Die Bedeutung und Funktion der Astronomie für die Herrschaftsgeschichte (für die Geschichte des Ursprungs des Staates) gründet darin und verweist darauf, daß die Grenze, die uns von den Sternen trennt, der Grenze zur Vergangenheit korrespondiert. Kann es sein, daß die Wahrheit des Gravitationsgersetzes (der Zusammenhang der physikalischen Bedeutung des Falls mit seiner grammatischen und theologischen Bedeutung) in diesem Sachverhalt begründet ist? Und verweist nicht Wittgensteins Satz, daß die Welt alles ist, was der Fall ist, daß sie alles ist, was sich unter die Vergangenheit subsumieren läßt?
    In der Äußerlichkeit, die in der Form des Raumes begründet ist, drückt die Gewalt der Vergangenheit sich aus. Die gleiche Form der Äußerlichkeit beherrscht über das Geld die durchs Privateigentum definierten materiellen, gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Banken verwalten das vergangene Unrecht.
    Das Paradies liegt nicht in der Vergangenheit, es hat vielmehr Teil an der zeitlichen Struktur des Ewigen, das nicht als vergangen gedacht werden kann.
    Die Feste des Himmels: Sind die „Leuchten“ und „Sterne“ nur an diese Feste „geheftet“, oder sind sie nicht die Instrumente, die den Himmel aufspannen und die Feste begründen? Das aber würde bedeuten, daß die „Planeten“ (im Sinne der Astrologie, nicht des heliozentrischen Systems) in der gleichen Sphäre gründen, in der auch die Sprache gründet: daß sie eine Konstellation repräsentieren, die der Grammatik entspricht. Frage: Was hat die Venus mit dem Ursprung des Neutrum zu tun? Sie ist der Morgen- und der Abendstern, die astrologische Entsprechung des A und O. Berührt sich hier das Signum des Tieres, das war, nicht ist und wieder sein wird, mit dem Luzifer?
    Hat nicht der Versuch, den Ursprung des Weltbegriffs zu begreifen, etwas mit dem Lösen zu tun?
    Die Mathematik ist eine Emanation der Logik der Schrift: Sie ist das Schwert, das den Knoten durchschlagen hat, den es zu lösen gilt. Die Ursprungsgestalt dieses Schwertes: das kreisende Flammenschwert des Kerubs vorm Eingang des Paradieses.
    Gott hat am ersten Tag das Licht von der Finsternis geschieden, und er nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Am zweiten Tag hat er durch die Feste die oberen von den unteren Wassern geschieden; während die Wasser namenlos geblieben sind, nannte er die Feste Himmel. In die dritte Scheidung war Adam verstrickt: Nachdem er die Tiere benannt hatte, scheidet Gott selbst ihn von seiner Seite: Eva. Zu dieser Scheidung, die dann die ganze Schöpfung ergreift, gehört dann die Geschichte vom Sündenfall. Das Symbol dieser dritten Scheidung ist das kreisende Flammenschwert, Symbol der Trennung der Welt vom Paradies.
    Der Sündenfall ist der Grund der Trennung von Welt und Natur, der Grund der Urteilsform, die mit dieser Trennung sich konstituiert, in ihr sich ausdrückt. Mit dem Sündenfall (und durch die Urteilsform) ist dem Menschen sein Anteil an der richtenden Gewalt in die Hand gegeben. Seitdem wissen sie nicht mehr, was sie tun.
    Haben die Menschen im Kreuzestod nicht die Folgen des Nichtwissens vor Augen? Und hat das Wort „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ nicht den Toten, der am Kreuz hängt, als Objekt? Ist Sein Kreuzestod nicht das stellvertretende Objekt unseres Richtens, und dadurch der Anfang des Gerichts über uns (der Anfang des Gerichts der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht, dessen Subjekt wir sind)? Die opfertheologische Instrumentalisierung des Kreuzestodes verletzt das Verbot zu richten. Ist nicht das Dogma die gegenständliche Repräsentation dieses Richtens, der Kelch, von dem er wollte, er ginge an ihm vorüber, Ursprung und Produkt der Bekenntnislogik und seiner drei Emanationen: Antijudaismus, Ketzerfurcht und Frauenfeindschaft?
    Das entsetzliche theologische Konstrukt, daß Jesus die Sünden Welt hingweggenommen habe, hat das Lamm zum Wolf gemacht und macht uns selbst zu dem Esel, für den kein Lamm mehr eintritt, und dem das Genick gebrochen wird (hat dieses Brechen des Genicks etwas mit der „Halsstarrigkeit“ zu tun: mit der Starrheit der Orthogonalität, mit der Erstarrung der Rechten – vgl. Ps 1375)?
    Kann es sein, daß die Erklärung von Birgit Hogefeld im Prozeß am vergangenen Donnerstag als Hinweis verstanden werden muß, daß der Anschlag am Flughafen, der auch ihr mit angelastet werden soll, nicht die raf als Urheber hat?

  • 4.3.1995

    Wenn Marx den Ursprung des Geldes aus dem Tauschverhältnis herleitet, stellt er seine Analyse dann nicht doch auf die im kantischen Sinne „weltliche“ Seite des Verhältnisses ab, und verdrängt er nicht die naturale Seite, die in der Schuldknechtschaft gründet?
    „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“: Enthält der Ausdruck, ein Kind sehe „wissend“ aus, nicht auch die Wahrnehmung, daß es sein Vertrauen in die Eltern verloren hat? Und hat diese Wahrnehmung nicht weitreichende Implikationen und Konsequenzen; gründet nicht die gesamte Wissenschaft (und der Totalitätsbegriff des Wissens selbst) in der Abstraktion von diesem „Vertrauen“? Aber ist nicht umgekehrt diese Abstraktion vom Vertrauen, die eine Kindheit (durchs Wissen) zu zerstören vermag, auch wiederum notwendig und unvermeidbar: Alle Initiationsriten beziehen sich hierauf, wie auch das Erwachsenwerden ohne diese Abstraktion nicht gelingt; und ist nicht die Schule die formalisierte Einübung in diese Abstraktionsfähigkeit? Hinzuzufügen wäre nur, daß es eigentlich nur der Reflexionsfähigkeit bedarf, um den Eingriff dieser Abstraktion zu humanisieren. Das „Ja und Amen“, das J.B.Metz auf die „Welt“ bezieht (deren Begriff in der Abstraktion vom kindlichen Vertrauen gründet), bezieht sich an Ort und Stelle (im Korintherbrief) auf die göttlichen Verheißungen, heißt das aber nicht: auf ein durch die Abstraktion vermitteltes, wiederhergestelltes Vertrauen? Aber dieses „Ja und Amen“ ist ein aktives, gleichsam autonom gewordenes Ja und Amen; es erfüllt sich im Tun des Gebotes „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist“. Die Welt nämlich ist unbarmherzig.
    Das Rind kennt seinen Eigner, der Esel die Krippe seines Meisters. (Jes 13, Buber-Übersetzung)
    Zum Begriff der Versöhnung: Das Opfer kann sie gewähren, der Täter aber nicht einfordern. War es nicht der Konstruktionsfehler im Sakrament der Beichte, daß es das Opfer seiner Kompetenz zu vergeben beraubt und diese Kompetenz der kirchlichen Sakraments- und Gnaden-Verwaltung zugeeignet hat? Die Kirche hat mit Rind und Esel gemeinsam gepflügt. So wurde die Sünde zu einem Problem zwischen der isolierten Seele und Gott (mit der Kirche als vermittelnder Instanz); das Opfer und die Welt werden ausgeblendet, sie bleiben unversöhnt draußen. Das hat den Weg zur Bekenntnistheologie und zur Rechtfertigungslehre freigemacht.
    In theologos: Auschwitz muß in jeder Hinsicht davor geschützt werden, als stellvertretendes Opferleiden mißbraucht zu werden. Aber galt das nicht auch schon seit je für den Kreuzestod Jesu, dessen opfertheologischer Mißbrauch jetzt, nach Auschwitz, vollends blasphemisch geworden ist? Heute wird Getsemane wichtiger als der Kreuzestod: mit dem Schlaf der drei „Säulen“, dem „Wachet und betet“ und dem Kelch.
    Bezeichnet der Begriff der Schöpfung eigentlich den selben Sachverhalt wie das hebräische bara? Und ist das Konzept einer creatio mundi ex nihilo nicht eine Kompromißbildung?
    Wenn die Wissenschaften ihrem eigenen Entwicklungsgesetz sich überlassen, verlieren sie sich im leeren Unendlichen (vgl. neben Astronomie und Mikrophysik die Biologie und die historische Grammatik).
    Sind nicht Einsteins spezielle und allgemeine Relativitätstheorie Hinweise darauf, daß je nach Kontext das Inertialsystem in sich selbst noch zu differenzieren ist. Verhalten sich nicht Gravitationstheorie und Elektrodynamik wie Esel und Rind, Last und Joch?
    Die Materie bezeichnet das Schuldmoment an den Dingen, durch das sie dem Naturgesetz unterworfen sind.
    Greuel am heiligen Ort: Heute wollen alle bloß frei sein von Schuldgefühlen, das aber heißt: frei sein von der Gottesfurcht, und dazu mißbrauchen sie die so blasphemisch gewordene Religion. Diese Religion ist nur noch ein Exkulpationsautomat, mit hochexplosiven gesellschaftlichen Folgen.
    Am Ende des ersten Stücks im „Geist der Utopie“ heißt es: „Diesen (sc. den utopisch prinzipiellen Begriff, H.H.) zu finden, das Rechte zu finden, um dessenwillen es sich ziemt zu leben, organisiert zu sein, Zeit zu haben, dazu gehen wir, hauen wir die metaphysisch konstitutiven Wege, rufen was nicht ist, bauen ins Blaue hinein, bauen uns ins Blaue hinein und suchen dort das Wahre, Wirkliche, wo das Tatsächliche verschwindet – incipit vita nova.“ Zu den handschriftlich unterstrichenen Worten „bauen ins Blaue hinein“ findet sich in dem mir vorliegenden Exemplar aus dem Nachlaß von Heinrich Scholz die ebenfalls handschriftliche Randbemerkung: „scheint so“ (der nur wenige Seiten später dann eine ins Antisemitische eskalierende Bemerkung folgt: „Selbstgespräche eines Irren, besser Meschuggenen. Vielleicht muß man Hebräer sein, um derlei Zeug zu verstehen“).
    Die Tempelreinigung: Sind die Geldwechsler und die Taubenhändler nicht die Banken und die Kirchen? Markus ergänzt die Geschichte noch durch den Satz „und ließ es nicht zu, daß jemand ein Gefäß durch den Tempel trug“, während Johannes, die Stelle an den Anfang des öffentlichen Auftretens Jesu rückt (nach der Hochzeit in Kana), zu den Taubenhändlern noch die Verkäufer von Ochsen und Schafen nennt.
    Die kantische Erkenntniskritik ist der Beginn der Selbstreflexion der richtenden Gewalt, die den historischen Erkenntnisprozeß durchherrscht (hierzu Reinhold Schneider: „Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unsern Häupten aufzuhalten und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen“).
    Bietet der Satz von Rind und Esel nicht auf eine Hilfe zur Lösung des Problems der Fälschungen im Mittelalter? Das moralische Urteil (zu dessen Grundlagen die Historisierung des Vergangenen gehört) verstellt der Erkenntnis nur den Weg, während es darauf ankäme, die Zwangslogik, die den Vorgang beherrscht, endlich zu durchschauen: Auch diese Zwangslogik (die Logik des Rechtfertigungszwangs) gehört nämlich zu den nicht vergangenen Vergangenheiten, zu den Fundamenten der Gegenwart, in denen die Vergangenheit überlebt. Ist nicht die Logik der Fälschungsgeschichte zu einem Strukturelement der Aufklärung selber geworden, in die Strukturen der projektiven Erkenntnis und der modernen gesellschaftlichen Institutionen mit eingegangen (unterscheiden sie sich nicht gerade hierdurch von der Form der antiken Institutionen)? Und steckt nicht in der moralischen Empörung über diese „Fälschungen“ selber ein projektives, vom Rechtfertigungszwang erzeugtes Moment, das seine Erkenntnis verhindert? Gehören nicht die Fälschungen zusammen mit der Sage und der Legende zur Vorgeschichte der historischen Aufklärung wie die Astrologie zur Vorgeschichte der Astronomie gehört und die Alchimie zur Vorgeschichte der Chemie? Wie verhalten sich die Fälschungen zum vorausgehenden symbolischen Erkenntnisbegriff der Theologie? Gibt es einen inhaltlich bestimmbaren abgegrenzten Bereich (institutionelle Legitimation von Eigentumsrechten und Herrschaftsansprüchen), auf den die Fälschungspraxis sich bezieht (ihr Ort waren wohl die Schreibwerkstätten in den Klöstern und kirchlich-politischen Kanzleien)? Gehören nicht die Inquisition (die projektive Paranoia, die die Juden-, Ketzer- und Hexenverfolgung begleitet) und die Geschichte der Eucharistie-Verehrung (opfertheologischer Ursprung des Dingbegriffs als Teil der Ursprungsgeschichte des Inertialsystems; vgl. hierzu die Jericho-Geschichte, das Verbot, die zerstörte Stadt wieder aufzubauen und der mit dem Aufbau verbundene Fluch über die Erstgeburt und den jüngsten Sohn des Wiedererbauers) zu den Folgen der Fälschungsgeschichte und die Ausformung des katholischen Mythos, das Fegefeuer, die Ohrenbeichte, das Zölibat zu ihren Voraussetzungen (Zusammenhang mit der Geschichte der Legitimation der Gewalt, die ihre „naturwüchsige“ Qualität verliert, und der Verinnerlichung der Scham, beides Momente der institutionellen Selbstlegitimation, die im Inertialsystem in den Naturbereich sich ausdehnt)?
    Hängen nicht die Fälschungen des Mittelalters mit einer frühen Phase der nominalistischen Aufklärung (den Anfängen einer aufgeklärten, historisierenden Bibel-Kritik, zu deren Vorläufern die Historisierung der Bibel seit Flavius Josephus gehört) zusammen? Die in die Ursprungsgeschichte des Antisemitismus und zur Vorgeschichte Hitlers gehörenden projektiven Rekonstruktionen der altorientalischen Geschichte sind späten Folgen der Historisierung der Bibel.
    Das Barock hat die Bibel endgültig ins Erbauliche transformiert. Die Allegorie war das Instrument dieser Transformation (und nach Walter Benjamin der Totenkopf die Urallegorie). Gibt es einen Zusammenhang der Allegorie mit dem Nominalismus und der Eucharistie-Verehrung? Und war nicht die Transformation ins Erbauliche die Grundlage (der Hintergrund) für die historische Bibelkritik? (Hier wird das Daniel-Motiv – den Traum, den Daniel erklären soll, muß er zuvor erst finden – durch die Erfindungen des Traums, durch Fälschung, auf den Kopf gestellt.)
    Wie hängt Kafkas Schauspieldirektor („er wechselt die Windeln des künftigen Hauptdarstellers“) mit dem Problem des Hahns zusammen?
    Ist die Trennung von Wer und Was (von Feuer und Wasser) in der Konstruktion des Inertialsystems mit enthalten? Nicht zufällig führt die newtonsche Begründung des kopernikanischen Systems zum Deismus. Mit der Subsumtion des Falls unters Inertialsystem, mit seiner Neutralisierung im Gravitationsgesetz (mit der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen), ist die qualitative Unterscheidung von Oben und Unten auch neutralisiert: eigentlich das Inertialsystem als ein objektives System überhaupt erst begründet (oder aus seiner Vorstufe, dem Neutrum, erzeugt) worden. Gehört das Wasser zur Beziehung von Rechts und Links und das Feuer zu der von Oben und Unten (wie das Angesicht zu der von Vorn und Hinten)? Das aber heißt: Steckt im Wasser die verdrängte Kraft des Namens, wird die Urteilsform (der „Grund“ der Welt), werden Objekt und Begriff aus dem Wasser „geschöpft“, und ist das Nichts der Schöpfungslehre das Wasser (das Nichts des Begriffs)?
    Hängt das hebräische esch/Feuer mit dem isch/Mann zusammen (wie das majim/Wasser mit dem ma/was)? Gibt es ähnliche etymologische Beziehungen bei dem griechischen und lateinischen Namen des Feuers (… und ignis)?
    Hängen der griechische Pan (der Gott des mittäglichen Schreckens) mit dem lateinischen panis (Brot) zusammen? Hat der Pan etwas mit dem Schrecken Isaaks zu tun? Steckt im Pan der Schrecken des neutralisierten Angesichts (die Erfahrung des Angesichts in einer vom Neutrum beherrschten Sprache: das Angesicht des Hundes)?
    Zwischen dem Brot und dem Korn steht die Mühle: Simson muß als Gefangener der Philister die Mühle drehen. In der Apokalypse ist die Rede von einer Stadt, in der der Gesang, das Geräusch der Mühle und die Stimme von Bräutigams und Braut nicht mehr gehört werden.

  • 27.2.1995

    Die Vision des Ezechiel hängt zweifellos nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell mit der Situation in der babylonischen Gefangenschaft zusammen, mit einer bestimmten Phase in der Geschichte der Prophetie. Mit dieser Vision gründet (und entspringt) auch die Apokalypse in der durch Babylon bezeichneten neuen Geschichtssituation, im Zeitalter der Weltreiche als Teil der Ursprungsgeschichte des Staats (und der Astronomie).
    Die Sünde der Welt auf sich nehmen, heißt: den Staat und die Welt reflexionsfähig halten.
    Das Inertialsystem ist die Materie, aus der das kreisende Flammenschwert geschmiedet ist. Es ist Produkt der Neutralisierung des Feuers, des Namens und des Angesichts.
    Haben die „Gleichnisse“ Jesu mit dem „Bild und Gleichnis Gottes“ in der Schöpfungsgeschichte zu tun?
    Sind nicht die Armut am brennenden Dornbusch (Ziehe deine Schuhe aus, …), der Gehorsam (das Hören) am Sinai und nur das Keuschheitsgebot apokalyptisch: in der Hure Babylon vorbezeichnet?
    Haben Armut, Gehorsam und Keuschheit etwas mit Gottesfurcht, Umkehr und Nachfolge zu tun? Und ist nicht Nachfolge die Wahrheit des Bekenntnisses (von dem es nur durch die Umkehr getrennt ist), und insofern das Neue, das als Antwort auf den Ursprung des Weltbegriffs mit dem Christentum in die Welt gekommen ist? Und hängen nicht die drei Gestalten des Kelches: Zornesbecher, Taumelbecher und Unzuchtsbecher hiermit zusammen? Wie das Keuschheitsgebot auf den Unzuchtsbecher, so bezieht sich das Armutsgebot auf den Kelch des göttlichen Zorns und der Gehorsam auf den Taumelbecher.
    Die Stämme, Völker, Nationen und Sprachen, sind das nicht die vier Formen der kollektiven Vergangenheit, die uns beherrschen?
    Auch die entzauberte Welt steht noch unter einem Bann, aber es gibt keinen Weg zurück. Zu ergänzen ist: Mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist auch das Nach-vorne-Denken zur Regression geworden. Deshalb erinnert Hegels Idee des Absoluten an den Swinegel, an das „Ich bün all do“.
    In Rosenzweigs „deus fortior me“ ist das me sehr wörtlich zu nehmen: als Ich, mit Vor- und Zuname.
    Das Christentum hat aus Angst vor dem Feuer den Namen und das Angesicht geleugnet, sie durch den Begriff und die Person ersetzt. Wenn die Person zum Träger des Namens geworden ist, so ist darin das Vergessen des Namens schon mit eingebaut.
    Das mystische Nu ist die Erinnerungspur des Zeitkerns der Wahrheit, des Mediums der Prophetie. Im kirchlichen Gebet erinnert nur noch das per saecula saeculorum an diesen Zeitkern der Wahrheit.
    Aus dem Gefängnis der apologetischen Selbstbezogenheit und des theologischen Autismus ausbrechen (nach Rosenzweig hat Gott nicht die Religion, sondern die Welt erschaffen): Das geht nur unter dem Signum des Parakleten, des verteidigenden Denkens.
    Im letzten Wahlkampf wurde man insbesondere aus Kreisen der christlichen Partei mit dem unverschämten Ansinnen behelligt, daß man von einer bestimmten Einkommenshöhe an eigentlich nur noch diese „christliche“ Partei wählen dürfe. Dieser Appell ans unmittelbare Eigeninteresse (an die Solidarität des Klassenkampfs von oben), der im übrigen im deutschen Recht seine Stütze findet, ist er nicht die reale Verführung zur Sünde wider den heiligen Geist: Das verteidigende Denken wird als Verrat an den Zielen dieser Partei erfahren?
    Droht nicht die Apologetik zum Greuel am heiligen Ort zu werden? Unterm Rechtfertigungszwang wird das Verteidigen vom Objekt aufs Subjekt (und auf die Gemeinschaft, durch die das Subjekt sich definiert) umgelenkt.
    No pity for the poor: So heißt ein Kapitel in Adornos Untersuchung über die autoritäre Persönlichkeit. Gewinnt dieser Satz im Zeitalter der Schuldenkrise in der Dritten Welt nicht kosmischen Dimensionen?
    Die mathematischen Naturwissenschaften sind die Erben des Dogmas geworden. Ihre legitimatorische Funktion für das Bestehende hat ihre Wurzeln im Dogmatisierungsprozeß, mit dem die Säkularisation in der Theologie begonnen hat (mit der opfertheologischen Objektivation und Instrumentalisierung des Kreuzestodes). Steht nicht dagegen das Wort: Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon?
    Wie hängt die Kritik der Naturwissenschaften, der politischen Ökonomie und der Bekenntnislogik mit den drei evangelischen Räten zusammen? Ist nicht die Abstraktionsgeschichte, der die Raumvorstellung sich verdankt, die Wurzel von allem; die Raumvorstellung als Verletzung des von Jesaia übermittelten Gebots zu Rind und Esel?
    Schwachsinnige Frage, ob die Tiere in den Himmel kommen (so der Titel einer Sendung im Fernsehen gestern): Sie sind schon im Tierkreis und in den Sternbildern am Himmel.
    Kann es sein, daß die Arche, mit der auch die Tiere vor der Sintflut gerettet wurden, etwas mit dem Tierkreis zu tun hat? Ist die Arche Noahs der symbolische Inbegriff der „Häuser“ des Tierkreises?
    Welche Sternzeichennamen gibt es, und welche Tiere sind darunter enthalten (Stier und Widder, die Schlange, die Fische, der Löwe, der große und der kleine Bär)? Gibt es nicht eine Beziehung zwischen den Heroen des Mythos (die an den Sternenhimmel versetzt wurden) und den Tieren der Sternzeichen? Hat das heroische Zeitalter nicht etwas mit dem apokalyptischen (und geschichtsphilosophischen) Tierbegriff zu tun? „Das steinerne Herz des Unendlichen erweichen“: Bezieht sich darauf nicht das Wort vom Lösen (vom Orion über den gordischen Knoten bis zum Wort an Petrus und die Kirche)?
    Ist das Verhältnis des Autors zum Leser, dieses asymmetrische Verhältnis von Nähe und Fremdheit (ein Strukturelement der Logik der Schrift), nicht ein realsymbolischer Hinweis auf die Astronomie?

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