Augustinus

  • 30.8.1994

    Kann Kohl sich noch darauf herausreden, daß auch er nicht weiß, was er tut? Wüßte er es wirklich nicht, weshalb begleitet er dann jede Gemeinheit der Tat mit einem Dementi des Worts? Er weiß, daß die Rede von Ossis und Wessis diskriminierend ist, zum politischen Sprengstoff zu werden droht; aber er redet so wie nur ein Wessi redet. Die Reflexion bleibt abstrakt, sie erreicht nicht mehr das praktische Gewissen (der Grund hierfür wurde gelegt, als der Logos zum Logos wurde). Liegt hier nicht der Grund der allgemeinen Überzeugung, daß Reden nichts hilft? Grund ist die Unfähigkeit zur Reflexion der Urteilsform (des Weltbegriffs).
    Rom hat den Logos gekreuzigt.
    Die Geschichte der drei Leugnungen ist die Geschichte der Selbstzerstörung der Sprache.
    Ist nicht Luthers sola scriptura eine Konsequenz aus dem augustinischen ad litteram, wird es nicht durch dieses Schriftverständnis verhext?
    Kranken nicht unsere Diskurs- und Kommunikationstheorien an der Unfähigkeit, die Urteilsform, die Urteilslogik, zu reflektieren? Sie haben den erkenntniskritischen Teil der kantischen Philosophie ad acta gelegt, verdrängt, damit aber die gesellschaftskritischen Konsequenzen aus der kantischen Erkenntniskritik entschärft. Liefert nicht der Jakobus-Brief den entscheidenden Hinweis auf den Schuldzusammenhang von Sprache und Welt, auf den gleichen Schuldzusammenhang, den die Philosophie und ihrer Folge die Wissenschaft seit je zu neutralisieren versucht, um sich zugleich umso tiefer in den Schuldzusammenhang zu verstricken? Adorno hat recht, wenn er darauf hinweist, daß es keine Position außerhalb der Welt gibt: die Vergegenständlichung der Welt steht selber unter dem Gesetz der Logik der Welt.
    Nur wer die Last (die Sünde der Welt) auf sich nimmt, anstatt sie durch Vergegenständlichung zu verdrängen, befreit sich von ihr.
    Wissenschaft heute: das in Angst vor der Schlange erstarrte Kaninchen.
    Hat das Christentum mit dem Begriff des Zeugens nicht die aufgedeckte Blöße ins Zentrum ihrer Theologie: in die Trinitätslehre mit hereingenommen? Die Barmherzigkeit des Vaters kommt im Dogma nicht vor. Ist das nicht ebenso eine Konsequenz der Bekenntnislogik wie die Opfertheologie?
    Liefert Heinsohns Geldtheorie nicht auch einen Beitrag zum Verständnis des Ursprungs des Bußsakraments (und des katholischen Mythos insgesamt)?
    Stimmt es daß das mit „klug“ übersetzte hebräische Wort in Gen 31 auch mit „nackt“ übersetzt werden kann, daß die Schlange nicht nur „klüger“, sondern auch „nackter“ war als die Tiere des Feldes? Aber stimmt dann der Komparativ? Ist diese Klugheit die Klugheit der Schamlosigkeit?
    Steckt nicht die Geschichte der Zeit in der Geschichte von der Sonnenuhr zur Quarzuhr? Und haben nicht Einstein und Planck den Schlüssel des Abgrunds verfügbar gemacht? Was hat der Schlüssel des Abgrunds mit der Pforte der Hölle zu tun?
    Die subjektiven Formen der Anschauung als Produkt der Abstraktion vom Gesehenwerden (von der Scham) sind das Instrument des Aufdeckens der Blöße und der Abstraktion vom Angesicht Gottes. Entspringt die Nacktheit erst mit der Logik der Schrift?
    Die Logik der Schrift ist der Quellpunkt der Wolfswelt, der Gemeinheit, die sich selbst nicht begreift.
    Die indogermanische Sprache als Produkt der Identifikation mit dem Aggressor.
    Sind die Winde nicht ein gemildertes Feuer, das dann in Gewittern als Blitz hervorbricht? Haben die vier apokalyptischen Reiter etwas mit den vier am Euphrat gebundenen Winden zu tun?

  • 29.8.1994

    Die Logik der Schrift ist die Logik der verandernden Kraft des Seins; sie ist die Grundlage sowohl der drei kantischen Totalitätsbegriffe als auch der daraus entfalteten idealistischen Systeme.
    Durch die Schrift verändert sich die Beziehung der Sprache zur Zeit und zum Objekt (zu dessen Konstituentien die Vergegenständlichung der Zeit gehört) sowie der Begriff des Subjekts.
    Die Logik der Schrift neutralisiert das Geschlecht der zweiten Person: die Sprache wird zölibatär (in der hebräischen Sprache behauptet sich die Sprache gegen die Logik der Schrift, während im Griechischen die Logik der Schrift als Sprachlogik sich entfaltet: in der Grammatik).
    Das subjektive Korrelat der Logik der Schrift ist die Bekenntnislogik (zu deren Vorgeschichte der Name der Barbaren gehört).
    Mit dem „Seid klug wie die Schlangen“ rechtfertigt und relativiert Jesus den Gebrauch der griechischen Sprache.
    Aus dem Bann der Urteilslogik heraustreten, heißt, als erstes begreifen, daß die Sprache der Welt nicht äußerlich ist, daß sie zu den Konstituentien des Weltbegriffs gehört, daß sie nicht nur Schriftsprache ist.
    Die Logik der Schrift ist ein Produkt der Herrschaftsgeschichte und in sie verflochten (verstrickt).
    Es ist die Logik der Schrift – und nicht erst die Philosophie -, die den Tod verdrängt, indem sie ihn in ihre Struktur mit aufnimmt und so neutralisiert (die Schrift – und hier gründet ihre Beziehung zum Inertialsystem – ist die Todesgrenze).
    Die Logik der Schrift begründet die Idee der Wissenschaft und trennt Natur und Welt. Sie ist der Grund, aus dem das Reich der Erscheinungen hervorgeht.
    Ist nicht Matthäus der apokalyptische Evangelist, während Johannes Evangelist und Apokalyptiker in getrennten Rollen ist?
    Die Logik der Schrift rührt an den Himmel, aber nur an die Seite des Wassers; die Seite des Feuers ist nur durch die Kritik der Logik der Schrift hindurch zu erkennen. Die getrennte Konstituierung der Logik der Schrift gründet im Sündenfall. Symbol der Logik der Schrift ist die Schlange, die auf dem Bauche kriechen und Staub fressen soll (und am Ende der Drache: was bedeuten dann die sieben Köpfe und zehn Hörner?).
    Die Logik der Schrift, das Opfer und die Idee der Stellvertretung: die Begründung der Hierarchie. Verantwortung wird durch Delegation zur Unkenntlichkeit neutralisiert. Im Bereich der delegierten Verantwortungen (der Kompetenzen- und Zuständigkeitsregelungen) weiß niemand mehr, was er tut. Die Gemeinheit hat delegierte Verantwortung, das Prinzip der Stellvertretung, als Existenzgrund.
    Das Fernsehen, oder über den Zusammenhang von Erwählung und Delegation.
    Wer das Transzendentale mit der Transzendenz verwechselt, macht Gott zur Exkulpationsmaschine und zum Garanten der Verdinglichung.
    Dimitte nos debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris: Ist das nicht ein Erkenntnisprinzip, die Warnung vor dem projektiven Anteil in jeder urteilenden Erkenntnis?
    Im Allerheiligsten wurde die Tafel mit den Geboten Gottes aufbewahrt: War darin nicht der Gottesname verschlüsselt gegenwärtig (und war deshalb der Tempel das Haus Seines Namens)?
    War auch der zweite Tempel das Haus Seines Namens?
    Adornos Texte unterscheiden sich von anderen philosophischen Texten, daß jeder Satz die Reflexion der Logik der Schrift in sich enthält.
    Sind nicht die Confessiones, die des Augustinus wie auch die Rousseaus, Versuche, aus dem Versteck, der die Schrift auch ist, herauszutreten?
    Die Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit liegt u.a. darin, daß es im Zentrum der Physik den Punkt bezeichnet, der die Grenze der Logik der Schrift markiert.
    Längenkontraktion und Zeitdilatation gründen in den Gleichungen der Lorentz-Transformation. Aber ist in der Struktur dieser Gleichungen – ähnlich wie in der Struktur der Exponentialfunktion im Planckschen Strahlungsgesetz – nicht ein Moment enthalten, das auf die Orthogonalitätsstruktur verweist, sie in die physikalische Dynamik mit einbezieht? Oder genauer: Ist nicht die Beziehung der elektrodynamischen zu den mechanischen Prozessen (der Strahlungsprozesse zu den kinetischen Vorgängen) eine orthogonale?
    Woher kommt das Suffix -ment (Parlament, Dokument), und was bedeutet es? Sind nicht die Prä- und Suffixe und das Gesamtsystem der Flexionen die Repräsentanten des Inertialsystems in der Logik der Schrift? Die Objektivation insgesamt verdankt sich der Logik der Schrift: Diese begründet die gleiche Distanz, die als Distanz zum Objekt durch die Distanz vermittelt ist, die – nach der Dialektik der Aufklärung – der Herr durch den Beherrschten gewinnt.

  • 13.8.1994

    Die Logik der Schrift begründet die Theorie, das Wort Gottes die Lehre. Das Dogma ist die Lehre in der Form der Theorie.
    Die Kritik der reinen Vernunft ist der Anfang der Kritik der Logik der Schrift.
    Gründen der Ursprung und die Geschichte der Sexualmoral darin, daß mit der Einführung des Neutrum (der dritten Person Neutrum, des Es) die zweite Person, das Du, geschlechtsneutral geworden ist: auf die abstrakte Person, auf die Eigenschaft, Eigentümer zu sein, reduziert worden ist?
    Über die grammatischen Strukturen sind die Herrschaftsbeziehungen in die Sprache mit eingegangen; das läßt sich sowohl an den Deklinationen nachweisen, als auch an den eingreifenden Veränderungen im Bereich der Konjugation. Das Neutrum ist ein Produkt der Logik der Schrift, und die flektierenden Sprachen sind ein Produkt der Anpassung der Sprache an diese Logik, die über die Flexionen in die Sprache eindringt, in ihr sich ausbreitet und entfaltet. Die erste Schriftsprache war eine agglutinierende Sprache. – Ist die Logik der Schrift die Logik des Eigentums?
    Die Erscheinungen und die Dinge, wie sie an sich selbst sind: Das Neutrum (die Quelle des Begriffs) ist das Zeichen an Stirn und Hand, das die Dinge in Eigentum verwandelt und dem Tauschprinzip unterwirft, sie in ein System verstrickt, in dem, was sie immer an sich selbst sein mögen, gegenstandslos geworden ist.
    Ist nicht das ad litteram bei Augustinus – Grund des fundamentalistischen Wortverständnisses – der Repräsentant der Logik der Schrift in der christlichen Theologie (und ist das homousia, das vorher da war, schon eine präventive Konsequenz aus diesem Schriftverständnis)? Nur auf der Grundlage dieses Schriftverständnisses war es möglich, die Prophetie zu neutralisieren, sich selbst aus dem Kreis der Adressaten der Prophetie herauszustehlen (und die sogenannte „Unheilsprophetie“ allein auf die Juden zu beziehen). Die Lehre, daß die Prophetie in Jesus sich erfüllt habe, schien es zu erlauben, sie insgesamt ins Vergangene (in das dann auch die Juden gehörten) abzudrängen. – Gibt es nicht ein Wörtlichnehmen der Schrift, das blasphemisch ist?
    Der Antisemitismus ist ein Blitzableiter, der am Ende den Blitz auf sich zieht.
    Gilt nicht das Verbot der Hexerei auch für die Logik der Schrift, die das reale Subjekt und Objekt zum Verschwinden bringt und beide durch ein Bildersystem ersetzt, durch eine Phantasmagorie, die durch den Weltbegriff sich ihren eigenen Grund erschaffen hat?
    Ist nicht die Geschichte von Sem, Japhet und Ham Symbol einer innersprachlichen Geschichte? Die aufgedeckte Blöße Noahs (des Trösters), in der das „und sie erkannten, daß sie nackt waren“ nachklingt und variiert wird, gehört zur Geschichte des Ursprungs des Urteils: des Ursprungs der von allen Attributen abgelösten Objektvorstellung. (Die Geschichte mit Sem, Japhet und Ham liegt vor der babylonischen Sprachverwirrung.)
    Was bedeutet beim Japhet der Hinweis auf den weiten Raum und die Zelte Sems?
    Steckt im Namen des Sem der Name des Namens (Sem – Nomen, Fama, Positus; Japhet – Dilatatus; Ham – Calidus, Calor: der Name, der Raum und die Hitze, die Wärme)? – Antisemitismus: Wer in diesem Lande die Dinge beim Namen nennt, setzt sich dem Vorwurf aus, ein Nestbeschmutzer zu sein.
    Das Licht ist ein Realsymbol der Prophetie.
    Durch das homousia ist die Verletzung des Bilderverbots zum Kern der christlichen Theologie gemacht worden.
    Ist die Unterscheidung von „Gottes Bild“ und „Seinem Bild“ (bei der Erschaffung des Menschen) nicht vorbezeichnet in der vorausgehenden Unterscheidung von „unserm Bild und Gleichnis“?
    Ist nicht die Idee der Allmacht Gottes ein islamisches Konstrukt, wie überhaupt die Bildungen mit All- (allmächtig, allwissend, allbarmherzig) auf den Koran verweisen? Durch das Konstrukt der creatio ex nihilo ist der Zusammenhang von Katastrophe im Begriff der Schöpfung verdrängt, die Schöpfung zu einem diktatorischen Akt geworden; darin ist der Gehorsamsbegriff angelegt, der das Hören halbiert, das dialogische Moment aus dem Hören (ähnlich wie die Theorie – die „Anschauung“ – das Gesehenwerden und mit ihm das Licht aus dem Sehen) austreibt.
    Das Ganze ist das Unwahre: Sind die Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt nicht schon deshalb unwahr, weil sie den Anspruch erheben, abschließende Begriffe zu sein? Und ist nicht das Abschlußhafte dieser Begriffe, ihr Totalitätscharakter, vermittelt durch den Objektbegriff, durch seine Beziehung zur neutralisierenden Gewalt des Raumes? (Ist nicht in der logischen Konstruktion des Schlusses der Weltuntergang enthalten?)
    Heute ist von der Theologie nur noch das Retten übriggeblieben.

  • 17.5.1994

    Die Logik der Scham, das Anderssein, der Weltbegriff und die Ausbildung und Entfaltung der Raumvorstellung (das Aufdecken der Blöße oder das Sklavenhaus Ägypten):
    – Sie waren nackt, aber sie schämten sich nicht; da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
    – (Sintflut, Arche) Noah, der Weinbau, die Trunkenheit und die aufgedeckte Blöße, Ham und die Knechtschaft (gehört die Ham/Kanaan-Geschichte zur Vorgeschichte der Kafkaschen Erzählung „Das Urteil“?).
    – Erkenntnis der Nacktheit und Ursprung des Weltbegriffs: Scham als verinnerlichter Blick des Andern; in diesem Blick und als Inbegriff der Logik seiner Objektivation konstituiert sich der Weltbegriff.
    – Der Raum als die zwangshafte Rekonstruktion des verinnerlichten Blicks des Andern; die kopernikanische Wende, die Vernichtung des Angesichts Gottes durch den „unendlichen Raum“ (Abwehr, Verdrängung des Angeblicktwerdens), Grund der kantischen Erkenntniskritik.
    – „Kollektivscham“ als kollektive Isolationshaft, die Unfähigkeit zu trauern und die zweite Schuld; Kollektivscham und Xenophobie, Ausländerfeindschaft und neue Rechte. Der Begriff der Kollektivscham hat die Erinnerung mit der Welt versöhnt und somit zur Folgenlosigkeit verdammt (und dieses Land zum „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ gemacht).
    – Das Fernsehen (die institutionelle Aufspaltung des Sehens durch Trennung des Sehens und Gesehenwerdens) oder die Blinden und die Lahmen (2 Sam 56ff, Mt 115).
    – Die Logik der Scham und die Ausbildung und Entfaltung der Logik des Raumes.
    – Ist die am zweiten Tag geschaffene Feste, die die oberen von den unteren Wassern (die Prophetie von der Philosophie) trennt, das kosmische Realsymbol der Scham?
    – Scham und Verdinglichung, Ursprung der Exkulpationsmechanismen, Scham und Gewalt: Ist die Scham die Materie des Absoluten?
    – Die Philosophie ist mit der Verinnerlichung des Schicksals entstanden (Ursprung des Begriffs), die mathematische Naturwissenschaft mit der der Scham (Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung, der Raumvorstellung).
    – Scham und Schuldverschubsystem (Exkulpation durch Projektion: Prinzip der Anklage, Grund des Objektivationsprozesses), Ursprung des katholischen Mythos (der traditionellen Höllenlehre: stammt der Satz, daß zum Glück der Seligen im Himmel die Anschauung des Leidens der Verdammten dazugehört, den Nietzsche auf Thomas von Aquin zurückführt, nicht schon von Augustinus? Vgl. das Nietzsche-Zitat bei Jürgen Ebach: Apokalypse, in: Einwürfe 2, S. 45).
    – Die Scham als gemeinsamer Grund des Mythos und der Kunst (der Ästhetik). Konstruktion der Farben (die Sintflut und der Bogen am Himmel).
    – Sind die sekundären Sinnesqualitäten nicht stellvertretende Opfer für das eigentliche Opfer: die benennende Kraft der Sprache (der Logos), und liegt dem nicht die Ersetzung des Hörens durch den Gehorsam (die säkularisierte Gestalt des Islam, mit der augustinischen „Wörtlichkeit“ als Vorstufe des Koran) zugrunde? – Wäre das Gehorsamsgebot nicht endlich beim richtigen Namen zu nennen: als Heiligung des Gottesnamens? Das Credo hat das Niederfahren Gottes beim Turmbau zu Babel zu einem Akt der Kirche gemacht: sie zieht ihn in ihre Verstrickungen (in die Verstrickungen der Bekenntnislogik, der Logik des Absoluten) mit herein. Ist nicht die Kirchengeschichte die endlose Ausdehnung der descensio ad inferos?
    – Scham, Sexualität und Urteil (Begriff der Erbsünde). Als Urteilslogik ist die transzendentale Logik eine Logik der Scham (und bedarf zu ihrer Begründung der transzendentalen Ästhetik: der Logik der Abstraktion vom Gesehenwerden).
    – Die Scham und die Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (oder die Heiligung des Gottesnamens).
    – Scham hat einen Adressaten, Scham ist Scham vor einem anderen: Mit dem Weltbegriff ist dieser Andere verinnerlicht worden. Gibt es Stufen der Scham (Entschlüsselung der sieben unreinen Geister)? Die Geschichte der drei Leugnungen ist in die Geschichte der Scham verstrickt.
    – Die Kollektivscham und die Pforten der Hölle (oder Kollektivscham und Naturbegriff).
    – Die Grenze zwischen Natur- und Weltbegriff ist eine Schamgrenze, starr und gleichsam orthogonal verbunden mit dem Ursprung und der Geschichte der Sexualmoral.
    – Der Weltbegriff unterläuft die Herrschaftskritik und begründet die Sexualmoral durch Herstellung von Komplizenschaft (er unterwirft die Herrschaftskritik dem Schuldverschubsystem; die Theologie hat dieses Schuldverschubsystem im Dogma kanonisiert: mit der Opfertheologie und dem Konstrukt der „Entsühnung der Welt“, begründet in der falschen Übersetzung von Joh 129).
    – Durch die Einbeziehung der Übernahme der Sünde der Welt ins Nachfolgegebot wird das „wörtliche“ Verständnis ins prophetische Verständnis transformiert (Wahrheit der Lehre von der Transsubstantiation), gewinnt die Sprache ihre benennende Kraft zurück (apokalyptische Enthüllung).
    – Scham und Sprache: Sollte mit der Heiligung des Gottesnamens die Anonymität des Angeblicktwerdens aufgehoben (der Mensch in den Anblick Gottes gerückt) werden? Die Anonymität gründet in der Abstraktion der Form des Raumes (Zusammenhang mit der Geschichte der drei Leugnungen).
    – Steckt im kantischen Begriff des Erhabenen die Erinnerung an den leeren Weltenraum, und gründet darin die Assoziation des „moralischen Gesetzes in mir“ mit dem „gestirnten Himmel über mir“?
    – Die Scham, das Feigenblatt und der Rock aus Fellen.
    – Wie hängt die Logik der Scham mit der des Feuers zusammen (auch die Scham brennt wie Feuer)? Gründet das Feuer im Namen des Himmels (und im brennenden Dornbusch: in der brennenden Innenerfahrung der Profangeschichte) in dem, was die Scham objektiv bezeichnet?
    – Der brennende Dornbusch als brennende Innenerfahrung der Profangeschichte setzt die Gotteserkenntnis (die Selbstoffenbarung Gottes) in Beziehung zur Bewegung der Profangeschichte (vgl. Walter Benjamin, Theologisch-politisches Fragement: „Das Profane ist zwar keine Kategorie des Reiches, aber eine Kategorie, und zwar der zutreffendsten eine, seines leisesten Nahens“). Der brennende Dornbusch ist
    – „Absolutum est prius relativo secundum esse, et est posterius secundum dici“ (Thomas von Aquin, S.Th. I 2, q. 16.4 ad 2). Der newtonsche „absolute Raum“ hat seine Wurzeln in der Scholastik; er findet seine Vollendung in der Hegelschen Idee des Absoluten.
    – Die Verstrickung der Theologie in die Dialektik der Aufklärung ist symbolisiert in der Geschichte von den drei Leugnungen. Leugnet nicht die aus der Philosophie rezipierte Idee der Anschauung Gottes das Angesicht Gottes?
    – Die subjektiven Formen der Anschauung entspringen in der (praktischen) Abstraktion vom Gesehenwerden, sie sind ein Produkt der Schamverarbeitung. Mit dem Ursprung der Naturwissenschaften wurde der Blick des andern tabuisiert, verdrängt, gelöscht; als Produkt projektiver Schuldverschiebung erscheint er dann wieder in dem bösen Blick, der den Hexen nachgesagt wurde: So gehört die Geschichte der Hexenverfolgung zur Geschichte des Ursprungs der Naturwissenschaften. Der wirkliche böse Blick aber ist der, den die Naturwissenschaften auf die Dinge werfen; dieser Blick hat eine eingebaute Exkulpationsautomatik: es ist der Blick des Herrn (des Absoluten).
    – Das „naturwissenschaftliche Weltbild“, die kopernikanische Wende als Katalysator des gesellschaftlichen Fortschritts, hat die (intellektuellen und moralischen) Hemmnisse beseitigt, die der „freien Entfaltung“ des Kapitalismus im Wege standen.
    – Der Herrenblick oder das verinnerlichte Babylon und die projektive Verschiebung des „Grauens um und um“ (Jeremias). Gehört heute nicht die descensio ad inferos zu den Prämissen theologischer Erkenntnis?
    – Ergänzung zum Stern der Erlösung: Die Philosophie verschweigt nicht nur den Tod, sondern seit ihrem Bündnis mit der Theologie hat sie ihn instrumentalisiert: War das nicht der Kelch (der Kelch der Opfertheologie), von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen? Mit der Instrumentalisierung des Kreuzestodes wurde die Strafe der Steinigung (zur subjektiven Form der äußeren Anschauung und zum Prinzip der Verdinglichung) vergeistigt (und der Feuertod zur Strafe für Juden, Ketzer und Hexen).
    – Es genügt nicht, daß die Christen sich irgendwo im Stern der Erlösung wiederfinden, es käme darauf an, den Stern der Erlösung ins Christliche zu übersetzen (nach Walter Benjamin: die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern, nur daß Christen sie überhaupt erst auf die eigenen Schultern heben müssen).
    – Merkwürdig, daß aus einem Buch, das die Lösung der sieben Siegel zum Gegenstand hat, ein „Buch mit sieben Siegeln“ geworden ist.
    – Der Name Gottes bildet sich in der Lösung der sieben Siegel, in der Lösung des Banns, den der Raum auf Mensch und Welt legt.
    – Der Prototyp der neuen Gestalt der Religionskriege war der Weltanschauungskrieg der Nazis gegen Rußland, und der war schon ein Vernichtungskrieg („Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“).
    – Leben wir nicht heute nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? Aber diese Kälte ist die des steinernen Herzens. Dagegen wäre der Satz zu setzen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“ (Lk 1249).
    – Zum letzten Satz des Buches Jona: Wer rechts und links nicht mehr unterscheiden kann, unterscheidet sich nicht mehr vom Vieh (sh. Behemoth), das deshalb in die Buße Ninives ebenso wie in die Barmherzigkeit Gottes mit hereinzunehmen ist.
    – Daß niemand das Licht unter den Scheffel stellt, stimmt nicht: Die moderne Aufklärung hat es getan, weil sie das Licht mit dem Scheffel verwechselte. So ist sie zum Scheffel über dem Licht geworden.
    – Das Lachen instrumentalisiert die Scham, macht sie zur Waffe.
    – Die Waffen der Schlange: ihr Blick und das Gift (gleicht sich die Sprache der Politiker nicht immer mehr dem Blick der Schlange an?).
    – Zu Jes 271: Ist der Leviatan, „die flüchtige Schlange, … die gewundene Schlange“, Produkt der Mimesis an den Grund der Raumvorstellung (die erste Gestalt des „Korpuskel-Welle-Dualismus“, Reflex dessen, daß jede Gerade im Raum sowohl Trägheitsbahn als auch Rotationsachse ist – daß beide Bewegungen die Zukunft mit der Vergangenheit kurzschließen, indem sie die Gegenwart ausschließen: „Das Tier, das du gesehen hast, war und ist nicht und wird (wieder) heraufkommen aus der Unterwelt und geht hin ins Verderben“, Off 178)?
    – Gibt es eine Beziehung der astrologischen Planetentheorie und der kirchlichen Sakramentenlehre zur Logik der Scham (Venus und Eucharistie)?
    – Schicksal und Scham: Die Verinnerlichung des Schicksals (und der Ursprung des Begriffs) mußte abgesichert und stabilisert werden durch den projektiven Namen der Barbaren; die Absicherung der Verinnerlichung der Scham (und des Ursprungs der Naturwissenschaften) erfolgte über den projektiven Namen der Wilden (war die kopernikanische Wende der Anfang eines kosmologischen Kolonialismus und die kantische Philosophie der Beginn des kritischen Selbstbewußtseins davon?).
    – Hat die Scham mit der Eitelkeit zu tun, mit dem Nichtigen?
    – Die gleiche Logik der Scham, die die Raumvorstellung konstituiert, liegt auch der Bekenntnislogik zugrunde (über die Logik der Scham hängt der Greuel der Verwüstung mit der Sünde Adams zusammen: der Greuel der Verwüstung ist aus der Sünde der Welt ableitbar).
    Woher kommt konkret der Name Palästina, welchen historischen Weg hat er genommen? Wie lange hat es die Philister gegeben, wer waren ihre Nachfahren, und haben nicht die Römer dann das Land Israel Palästina genannt?
    Wie wäre es mit dem schönen Titel: Ein Vorschlag zur Güte?

  • 7.5.1994

    Grundlage des Weltbegriffs ist das Schuldverschubsystem, dessen Logik diesen Begriff durchdringt und beherrscht. Damit hat der Weltbegriff eine gleichsam eingebaute Entsühnungsautomatik. Diese Automatik ist einmal durchs Christentum installiert und eingeübt worden, sie beginnt heute das Christentum überflüssig zu machen. Die Frage ist nicht, ob die Erbsündenlehre sich noch halten läßt, die unschuldigen Kinder den Makel der Schuld angeheftet hat, sondern ob die augustinische Interpretation (die selber aus der Problemlage am Ende des vierten Jahrhunderts abzuleiten wäre) mit der Unfähigkeit zur Reflexion des Weltbegriffs selber ans Schuldverschubsystem gebunden bleibt und deshalb der Erbsündenlehre (die im Kontext von Joh 129, im Lichte des Begriffs der „Sünde der Welt“ eine ganz andere Bedeutung gewinnt) diese terroristische Wendung gibt. Die Erbsünde ist die Sünde der Welt. Ein anderes Produkt dieses Schuldverschubsystems, das deshalb dann so wichtig geworden ist, weil es seine Instrumentalisierung ermöglichte, war die Sexualmoral. Sie war das Bindeglied, das die Erbsündenlehre mit der Sexuallust (anstatt mit der Urteilslust) verbunden, ihr damit die so verhängnisvolle und folgenreiche Wendung ins Biologistische und Rassistische gegeben hat. Frauenfeindschaft und Antisemitismus haben dann geholfen, diese Verbindung abzusichern. Damit wurde die Erbsündenlehre zu einem Konstrukt, das sich selber im blinden Fleck stand: sie ist selbst in den Bann der Erbsünde hineingerückt. Mit der dritten Leugnung wendet sich der zerstörerische Objektivationsprozeß nach innen und wird zum Prozeß der Selbstzerstörung. Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Sie lernten, sich und die Dinge im Blick der anderen wahrzunehmen. Die gesamte Geschichte der Aufklärung steht unter diesem Gesetz. Der Erkenntnisbegriff der Aufklärung enthält im Kern diesen Blick der anderen, den er zu seinem eigenen zu machen versucht. Der Weltbegriff konstituiert sich in diesem Blick. Zugleich entspringen der Name der Barbaren wie auch die Begriffe Natur und Materie, deren Logik seitdem den Erkenntnisbegriff an den der Welt bindet. Die Hereinnahme des Blicks der anderen in den Erkenntnisbegriff ist der Grund der Urteilsform; erst in diesem Blick trennen sich Objekt und Begriff, Leib und Seele. Die Logik dieses Blicks bestimmt seitdem die Struktur (und die Geschichte) der Sprachen, ihre Grammatik. Mit dem Neutrum entspringt und mit dem Ding vollendet sich die Identifikation mit dem Blick des andern. Das Zentrum dieses Blicks ist das Inertialsystem, sind die subjektiven Formen der Anschauung und die ihnen korrespondierenden Erscheinungen. Das kopernikanische System hat diesen Blick totalisiert (sein frühestes Symbol ist das kreisende Flammenschwert des Cherubs vorm Eingang des Paradieses), wie überhaupt die Astronomie in der Geschichte des Ursprungs des Weltbegriffs eine zentrale Bedeutung gewinnt. Sind nicht die Namen der Planeten Erinnerungsmale der Differenzierung der Verinnerlichung des Blicks der andern auf die Welt und auf die Dinge (Merkur und Venus, Jupiter und Mars, aber auch Sonne und Mond: diese als Hälften des Angesichts – das getrennte Sehen und Gesehenwerden -, sie alle sind Verkörperungen des Blicks der anderen, während der Saturn den nach innen gekehrten Blick der Melancholie repräsentiert). Der Merkur ist der Götterbote. Hat der Engel Elohims, der Abraham aufforderte, Isaak, seinen Sohn, zu opfern, das kanaanäische Kinderopfer an seinem Sohn zu vollstrecken, etwas mit diesem Merkur zu tun? Die Identifikation mit dem Blick des andern bedarf zu ihrer Absicherung (zur Überbrückung der Kluft der Asymmetrie) der Idee des Absoluten. Das Absolute ist der Schatten, den das Ich auf Gott wirft, die Wand, hinter der es sich dem Anblick Gottes zu entziehen versucht (die Bäume im Garten Eden); aber der Schatten des Absoluten ist der Antisemitismus (und niemand kann über seinen eigenen Schatten springen). Der Mechanismus der Identifikation mit dem Blick der anderen hat die Naturwissenschaft zur Grundwissenschaft macht. Das Hinter dem Rücken ist in den subjektiven Formen der Anschauung und im Inertialsystem institutionalisiert worden. Das Krähen des Hahns verkündet am Ende der Nacht den kommenden Morgen, den neuen Tag. Das Geld ist die Materie des Rechts (Begründung durch die Beziehung beider zum Eigentum); deshalb wäre eine Theorie der Banken ein Schlüssel zur Auflösung des Rätsels der Astronomie. Ist nicht alles, was von außen wie Bosheit aussieht, von innen Dummheit? Heute stehen sich alle selbst im blinden Fleck ihrer Dummheit, deren praktische Seite Gemeinheit heißt, die bekanntlich kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Problem der Übersetzung des Gottesnamens: Die traditionelle Übersetzung mit „Herr“ knüpfte an an den dem unaussprechlichen Gottesnamen unterlegten Namen Adonai. Jüdische Versuche sind die Übersetzung mit „der Ewige“ (Moses Mendelssohn, vgl. Rosenzweigs Aufsatz hierzu); Buber hat den Namen mit dem Personalpronomen „Er“ zu übersetzen versucht. Die schlechteste Übersetzung ist die Nichtübersetzung, die direkte Wiedergabe des Tetragrammaton. Der Gebrauch dieses Namens unterstellt, daß es das Ich, mit dem Gott nur sich selbst nennen kann, nicht gibt. Er ist ein sich als Atheismus bekennender Atheismus in der Theologie, der, indem er den Namen ausspricht, sagt, daß es dieses Ich nicht gibt. Darin drückt sich eine Beziehung zum Text aus, die ihn endgültig in die Vergangenheit setzt, der ich als Historiker glaube, entronnen zu sein. Er ist das verstockte Bekennntnis des Endes der Gottesfurcht. Dagegen läuft das Bubersche Er in die gleiche Patriarchatsfalle, in der das christliche Herr sich verfangen hat: Zum Er gehört das Sie und Es; es unterwirft Gott dem Geschlecht, das von der dritten Person nicht abzulösen ist, und dem in der christlichen Theologie das Attribut des Zeugens (und das Männliche in der gesamten Trinitätslehre) sich verdankt. Der theologische Gebrauch des Gottesnamens steht in der Tradition der Eucharistie-Verehrung; er unterliegt der gleichen entfremdenden und verdinglichenden Gewalt. Sind nicht die Namen der Schriftgelehrten, der Pharisäer und der Sadduzäer nur noch typologisch-prophetisch, und nicht mehr historisch-projektiv zu verstehen und verwendbar? Ist nicht das augustinische ad litteram, diese ans Vergangene fixierte „Wörtlichkeit“, endlich kritisch aufzulösen? In dieser Wörtlichkeit steckt das exkulpatorische Moment, das seitdem die Theologie verhext, und durch das der Freiraum geschaffen worden ist, in dem dann die christlichen Schriftgelehrten, Pharisäer und Sadduzäer sich geschützt fühlen durften (der gleiche Mechanismus verstellt heute auf entsetzliche Weise das Verständnis der Schrift insgesamt, insbesondere auch das der Propheten). Durch die Historisierung der Schriftgelehrten, Pharisäer und Sadduzäer ist die Projektionsfolie geschaffen worden, durch die der Objektivierungsprozeß, die Heuchelei und die Instrumentalisierung der Religion (die Theologie hinter dem Rücken Gottes) der Kritik entzogen worden sind. Zusammenhang mit Joh 129, dem Wort von der Sünde der Welt! Die Heuchelei ist die Außenseite der Exkulpationsautomatik. Wir sind die getünchten Gräber, die Heuchler und die Schlangenbrut (und liegt nicht die Logik des „korban“ auch der Kirchensteuer zugrunde?).

  • 6.5.1994

    … ut adnuntietur nomen meum in universa terra (Röm 917, vgl. Kurt Flasch: Logik des Schreckens): Das Universum war zunächst ein Adjektiv, auf den Namen der Erde bezogen. Ist die (matriarchale) universa terra (und erst in seiner Folge das patriarchale Universum, das den Himmel mit einbezieht und so das Universum zum All gemacht hat) eine Folge der Venus-Katastrophe? Ein zentraler Mangel der Analysen Flaschs ist selber christliches Erbteil, das in ihre Prämissen mit eingegangen ist, von dem sie nicht sich zu lösen vermochte: nämlich die Vorstellung, die Erlösung beziehe sich (als Rechtfertigung) nur auf die einzelnen Subjekte und lasse die Welt unberührt. Damit verbunden ist ein zweiter, ebenfalls aus der christlichen Tradition sich herleitender Mangel: daß die Kategorien, in denen er Gott vorstellt und begreift, politische Kategorien sind; er sieht Gott im Bilde des Monarchen. Beides sind Folgen des unreflektierten Weltbegriffs, unter dessen Herrschaft es zum Selbsterhaltungsprinzip keine Alternative mehr gibt, und dessen Ursprung auf den Monarchen und den Staat (die Verkörperungen des Absoluten) und nicht auf Gott (auf den Namen Gottes, der erst im Kontext der Weltkritik, der „Heiligung des Gottesnamens“, sich bildet) zurückweist. Kann es sein, daß der paulinisch-augustinische Begriff der justificatio erst nach der sprachgeschichtlichen Trennung von Ding und Sache und im Kontext der hier entsprungenen Bekenntnislogik zur Rechtfertigung geworden ist, daß er an Ort und Stelle mit „Gerechtmachung“ (ähnlich wie fides mit Treue, und nicht mit dem auf den Gegensatz zum Wissen fixierten „Glauben“) zu übersetzen wäre? Folgen des Weltbegriffs: – Ontologisierung des Selbsterhaltungsprinzips, des Staates und der Herrschaft, – Hermann Cohen, Franz Rosenzweig und Emanuel Levinas: . die Attribute Gottes sind Attribute des Handelns, nicht des Seins, . die Umkehr (als erkenntnistheoretische Kategorie), der Name (ist nicht Schall und Rauch) und das Angesicht (nicht die Seele und nicht die Person ist das Ebenbild Gottes), . Ethik als prima philosophia. – Ausschließung der Herrschaftskritik, Konstituierung der Sexualmoral (Trennung der Sexualmoral von der Herrschaftskritik), – Beziehung von Namen und Begriff, Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (Prophetie und Philosophie: Liquidierung des Aktualitätsbezugs der Prophetie durch das tode ti; vgl. hierzu Hegels Analyse des Hier und Jetzt), – Trennung von Natur und Welt, Konstituierung des Wissens, Subsumierung der Zukunft unter die Vergangenheit (Vorstellung einer homogenen Zeit), – Konstituierung der mathematischen Raumvorstellung, Ursprung des Naturbegriffs (von der Astronomie zum Inertialsystem), – zum Begriff der Erscheinungen: die Wahrheit liegt nicht „hinter“ den Erscheinungen, sondern bezieht sich durch Umkehr auf die Erscheinungen, – Inbegriff des Schuldverschubsystems (Ursprung des Neutrum, „indogermanische“ Rekonstruktion der flektierenden Sprache), – Ursprung des Weltbegriffs (Philosophie/Mythos, Staat/Recht, Zivilisationsschwelle, Barbaren/Hebräer): Tempel und Opfer, Privateigentum und Geldwirtschaft, Ursprung der Schrift, – Weltkritik als Herrschaftskritik und Erinnerungsarbeit: Sensibilisierung, – Apokalypse, die sieben Siegel (Maria Magdalena und sieben unreinen Geister), Welt und Tier (die zukünftige Vergangenheit und die vergangene Zukunft), der Menschensohn, – die drei Leugnungen, das Binden und das Lösen, – Kant, Hegel und der Weltbegriff (die subjektiven Formen der Anschauung und das Anderssein des Einen), – Theologie im Angesicht Gottes und hinter seinem Rücken, – der Deckel auf der Vergangenheit (Begründung des Wissens und der Natur) und die Idee der Auferstehung, – Welt und Sündenfall („die Welt ist alles, was der Fall ist“): Der Sündenfall ein Sprachproblem? – Joh 129 und Kants Definition des Weltbegriff, – Weltbegriff antisemitisch, paranoid und frauenfeindlich, oder der Weltbegriff und die Bekenntnislogik, – die Konstituierung der Bekenntnislogik als exkulpatorische Logik und die Begründung des Geschwätzes, – der Weltbegriff, das Weltgericht, oder das Jüngste Gericht als das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht, – der Haß der Welt und die Idee des Parakleten, oder die Sünde wider den Heiligen Geist, – Verdinglichung und Instrumentalisierung, oder der Kreuzestod und die Opfertheologie, – Trauer- und Erinnerungsarbeit, oder Theologie nach dem Weltuntergang (Theologie und das descendit ad inferos, oder Auschwitz und die Naturwissenschaften), – „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“? – 1905, die Weltkriege, oder die Katastrophe der Marktwirtschaft, – Gunnar Heinsohn oder die Geschichte der Banken, – die Eucharistie und das Ding, oder die Geschichte der Theologie als Geschichte der drei Leugnungen, – Kanaan und die Philister: . der Exodus und die Landnahme sind gegen Kanaan gerichtet (Eroberung Kanaans), . die Begründung des Königtums erfolgt im Kampf gegen die Philister; aber das Königtum erliegt dann der kanaanäischen Verführung, – mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist in den neuen Erkenntnisbegriff und in die Konstituentien des Wissens ein projektives Moment mit eingegangen (Barbaren, Natur und Materie), – der Weltbegriff, die Unfähigkeit zur Sprachreflexion und der Fundamentalismus (das augustinische „ad litteram“ – Augustinus hat den Genesis-Kommentar nach 397 geschrieben – durch dieses „ad litteram“ wurde der prophetische Teil des Schöpfungsberichts neutralisiert, gelöscht, storniert, wurde er in die fundamentalistische Beziehung zur Natur gerückt), – Welt und Computersprache: cancle (löschen, beenden) und quit („quittieren“, Quittung), – mit der Lösung der Theologie aus den Verstrickungen des Weltbegriffs (den Verstrickungen des Andersseins) gewinnen auch die evangelischen Räte ihre wirkliche Bedeutung zurück: . aus dem Gehorsam wird das Hören, . aus der Keuschheit die Herrschafts- und Vergewaltigungskritik. Die Inquisition und der Terror, die Kurt Flasch zu Recht auf die augustinische Gnadenlehre zurückführt, sind Folgen der Verstrickung der Theologie in den Weltbegriff. Mit der dritten Leugnung wendet sich dieser Terror selbstzerstörerisch nach innen (der Greuel der Verwüstung). Hier verfängt sich die Kirche in der Logik ihrer Sexualmoral (es war die gleiche Logik, die Augustinus dazu gebracht hat, die Erbsünde in die concupiscentia zu verlegen (Ursprung des Biologismus und des Rassismus), anstatt sie in der Urteilslogik und im Weltbegriff zu erkennen). – Wird nicht das Wahrheitsmoment an der Trennung von Ding und Sache durch die Unterscheidung von Zorn und Wut ins Licht gerückt (im Kontext der alten res waren sie nicht unterscheidbar)? Hier (in dem Unvermögen, zwischen Wut und Zorn zu unterscheiden) liegt der Grund der augustinischen Verwirrung. Ist nicht das „Alles ist Wasser“ im „Satz des Thales“ (in der Erkenntnis der Orthogonalität) begründet? In der Tat „brütet der Geist über den Wassern“, aber am zweiten Schöpfungstag wurden diese Wasser durch die Feste des Himmels in die oberen und unteren Wasser geschieden. Ist diese Scheidung die Scheidung von oben und unten, und das als eine Trennung in den Wassern? Ist nicht das Wasser der Name, in dem die Trennung von oben und unten gründet, und ist das Wasser nicht deshalb in der Taufe das Symbol der Umkehr (während die Trennung von Licht und Finsternis der Trennung von vorn und hinten, dem Quellpunkt des Angesichts, zugrunde liegt; nur geht hier die „Finsternis über dem Abgrund“ dem Licht voraus)? Ist die Trennung von rechts und links die letzte: das Gericht (die Feuer der Hölle) und die Barmherzigkeit – Gegenstand einer Theorie des Feuers: – vorn/hinten: das Angesicht, – oben/unten: der Name, – rechts/links: das Feuer? Der Weltbegriff oder die Identifikation mit dem Blick von außen (Selbst- und Objektwahrnehmung durch den Blick von außen hindurch). Führt nicht das Konzept der „Umwertung der Werte“ zwangsläufig in die Konstrukte der Verzweiflung: in die Lehre vom Übermenschen und die Idee der ewigen Wiederkehr des Gleichen?

  • 5.5.1994

    Die gesamte augustinische Philosophie, von der Erbsünden- und Gnadenlehre bis zum entfalteten katholischen Mythos, wird durchsichtig, wenn man das ohnmächtige Aufbegehren gegen die Verstrickung in den Weltbegriff darin erkennt. Ist nicht die „Kultur“ in der modernen Welt (in deren Licht die Kultur der alten Welt erst zur abgehobenen Kultur geworden ist) der Astrologie und dem Mythos (und ihrer Stellung in der Realität der alten Welt) vergleichbar. Logos wird ins Lateinische mit Verbum übersetzt (ins Deutsche mit Wort). Dem Lateinischen zufolge wäre der Logos das Substrat der Konjugationen, im Deutschen der Konjugationen und Deklinationen (Grund des Dingbegriffs, der Trennung von Ding und Sache). In welchen Kontext gehört der Logos-Begriff selber (der nicht mit dem Namen identisch ist)? Ist der Logos der „Sohn“ des göttlichen Namens? Ist die Differenz zwischen Logos und Verbum ein Reflex der Differenz zwischen den Flexionssystemen, den Grammatiken des Lateinischen und Griechischen, und zugleich der Grund der Differenz zwischen der lateinischen und griechischen Theologie (Bedeutung Tertullians)? Ist nicht das Lateinische überhaupt ein sehr viel tiefer und sehr viel mehr vom Zeitlichen (vom Verbalen) tingiertes Griechisch? Gibt es eine lateinische Entsprechung zur griechischen theoria, und gibt es ein griechisches Modell für die lateinische scientia? Wird die Gesamtgeschichte nicht durch zwei Totalitätsurteile bestimmt: durch die Trennung von Welt und Natur in der alten Welt, und durch die Trennung des Dings von der Sache in der modernen Welt? Die Geschichte der christlichen Theologie ist die Geschichte der Transformation von der ersten zur zweiten Trennung: Zwischen beiden liegen die Trinitätslehre, die Opfertheologie und die Vergöttlichung Jesu, und das Resultat dieser Transformationsgeschichte ist die Bekenntnislogik, die von der verdinglichten Welt nicht mehr zu trennen ist. Während alle Kosmologien sonst Reflexe und Rechtsfertigungsprodukte der Staatenbildung (des Ursprungs der Organisation einer vom Privateigentum beherrschten Gesellschaft) sind, ist nur der biblische Schöpfungsbericht herrschaftskritisch, prophetisch, messianisch (antikanaanäisch). Die Redundanz oder die Reflexivität der Systeme ist der Grund ihrer Verselbständigung gegen die Sache, der Grund und der Ausdruck der Lähmung und Blendung (der Verknüpfung von Trägheit und Finsternis, die ihre gemeinsame Wurzel im Inertialsystem haben, wie auch das Inertialsystem erst nach der Begründung des Gravitationsgesetzes und der physikalischen Optik sich konstituiert hat). Modell dieser Redundanz und Reflexivität ist die mathematisch entfaltete Raumvorstellung (die Konstituierung des Raumes als subjektiver Form der äußeren Anschauung). Zum Ursprung der Philosophie: Das Wasser ist „teuflisch“, der Begriff „satanisch“. Sind so nicht beide Symbole (wie in ihrer Folge die Begriffe Natur und Welt) aufeinander bezogen? Die durch die subjektiven Formen der Anschauung hindurch konstituierte und begriffene Welt ist die gerichtete Welt. Deshalb gehören die subjektiven Formen der Anschauung zu den Grundlagen der Urteilstheorie. Als Morgenstern und Abendstern ist die Venus die Einheit von Osten und Westen, von vorn und hinten: Hat das etwas mit der Venus-Katastrophe zu tun? Die Erkenntnis, daß Morgenstern und Abendstern identisch sind, hat die Erde zur Totalität (zum Vorbegriff der Welt) zusammengeschlossen. Hängt diese Erkenntnis mit der der Vaterschaft (und dem Ursprung des Patriarchats) zusammen?

  • 25.4.1994

    Eine Kritik der politischen Ökonomie heute müßte auch die Astronomie durchsichtig machen.
    Zur Geschichte des naturwissenschaftlichen Freiheitsbegriffs: Sie beginnt mit dem liberum arbitrium, Reflex der Freiheitsgrade des Raumes und Produkt der Neutralisierung der Richtungen im Raum, und sie endet mit dem Freiheitsbegriff der Quantenphysiker, der an die Unbestimmtheitsrelation und das Komplementaritätsprinzip sich anlehnt (als falsches Bewußtsein der Freiheit vom Zwang des Inertialsystems).
    Im Begriff der Weltanschauung enthüllt sich die Bekenntnislogik als (patriarchale und sexistische) eine subjektive Form der Anschauung: Der Krieg Hitlers gegen die Sowjet-Union war als Weltanschauungskrieg ein Vernichtungskrieg (wie jetzt wieder der Bürgerkrieg in Jugoslawien). Weltanschauungen gibt es nur unter der Voraussetzung des „naturwissenschaftlichen Weltbildes“; der Begriff der Weltanschauung rückt die logische Beziehung der Bekenntnislogik zur subjektiven Form der äußeren Anschauung, zum Raum, ins Licht.
    Daß die transzendentale Ästhetik in dreifacher Gestalt sich präsentiert: als Form des Raumes, in der Logik des Geldes und als Bekenntnislogik, ist selbst wieder in der Form des Raumes begründet, im Problem der „drei Abmessungen“ des Raumes, in seiner Dreidimensionalität, darin, daß diese drei Dimensionen entgegen der Form ihrer mathematischen Beziehung im Raum nicht gleichwertig, nicht äquivalent, sind. Ihre mathematische Äquivalenz ist selber bereits Produkt der dreifachen, selbstreferentiellen Abstraktion. Das „von allen Seiten hinter dem Rücken“ konstituiert sich in der Abstraktion
    – von der Umkehr,
    – vom Namen (von der benennenden Kraft der Sprache) und
    – vom Angesicht,
    wobei
    – der Raum primär die Differenz zwischen vorn und hinten,
    – das Geld die zwischen Rechts und Links und
    – das Bekenntnis die zwischen Oben und Unten
    neutralisiert und in dieser Neutralisierung sich konstituiert.
    – Das Bekenntnis ist der Quellpunkt des autoritären Charakters,
    – das Geld der Quellpunkt der verdinglichten Welt und
    – der Raum der Quellpunkt des Absoluten und der Verblendung.
    Sind die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Hölle; und ist nicht der Abstieg zur Hölle die Vorstufe der Auferstehung?
    Das Substantiv ist das durch die Kasus, die Formen der Deklination (der Veranderung) hindurch sich bestimmende Nomen; der Staub und die Asche in einer Welt, in der der Name zu Schall und Rauch geworden ist. Zu den Konstituentien des Substantivs gehört die Neutralisierung der differierenden Bestimmungen der Kasus (Akkusativ, Genitiv, Dativ, Ablativ, Instrumentalis, Lokativ): Indem das Substantiv die Objektbeziehung ins Nomen mit hereinnimmt, unterdrückt und verdrängt sie die Reflexion auf den Objektivationsprozeß, der in den Formen der Deklination sich entfaltet. Damit hängt es zusammen, wenn in dem Ausdruck „Wir Deutschen“ der Name der Deutschen zum reinen Ausdruck und zugleich zum Alibi der Gemeinheit und Brutalität geworden ist.
    Der Begriff des Substantiv ist Ausdruck der Trennung von Ding und Sache, Geburtsname der Verdinglichung, dem auf der Subjektseite der Personbegriff entspricht (Dinge gibt es, seit es juristische Personen gibt). Er ist der reinste Ausdruck einer Welt, in der alles nur noch das ist, was der Fall ist.
    Welche grammatische Bedeutung und welche logische Funktion hat das Suffix -iv in den grammatischen Begriffen (vom Substantiv bis zum Infinitiv)?
    Ist der griechisch-lateinische Gottesname Produkt einer Verschmelzung des -ivum mit dem deiktischen Affix d- (und damit der genaueste Ausdruck der Geburt des Absoluten)? Woher kommt dann der germanische Name „Gott“ (nach Ferdinand Ebner soll er aus einer Wurzel stammen, die das Anrufen, das Objekt der Anrufung, ausdrückt)?
    Hat die Venus-Katastrophe die Voraussetzungen für die Staatenbildung geschaffen:
    – Privateigentum und Geldwirtschaft,
    – Tempel, Opfer und Schrift,
    – Monogamie und Inzestverbot?
    Die Venus-Katastrophe hat das Planetensystem nicht nur ergänzt und vervollständigt, sondern es in Konstellationen eingerückt, die dann in die internen Voraussetzungen der Staatenbildung mit eingegangen sind.
    Gehört die chaldäische Astrologie zur Ursprungsgeschichte der indogermanischen Sprachen (insbesondere zur Ausgestaltung der Deklinationsformen, die selber vermittelt sind durch die Umgestaltung der Konjugationen)?
    Welcher Kasus und welcher Planet repräsentiert das Selbsterhaltungsprinzip? Die Logik des Selbsterhaltungsprinzips ist eine männliche Logik, es ist die Logik der vom Privateigentum beherrschten Welt. Klingt ihr Geheimnis nicht im Namen des Jupiter an (des Divus-Pater, des Erzeugers des Merkur, der Venus und des Mars, gleichsam seiner Emanationen, der aber der Macht des Kronos, des Saturn, auch wenn er ihn besiegt, nicht entgeht: der der Gefahr der Paranoia ausgesetzt bleibt)?
    Ist die Paranoia die patriarchalische Erscheinung der Melancholie (der messianischen Wehen)?
    Vgl. die Antwort Jesu auf die Frage der Pharisäer (der Schriftgelehrten, der Sadduzäer?) nach dem jenseitigen Schicksal der Frau und ihrer sieben Männer?
    Ist Heideggers Fundamentalontologie nicht gleichsam eine interne Erläuterung des Thalesschen Satzes: Alles ist Wasser? War nicht die Sintflut die Überschwemmung mit dem Was?
    Turmbau zu Babel: Der Turm, der bis zum Himmel reicht, und der herniederfahrende Gott bezeichnen präzise den Ursprung des Mythos.
    Die Bekenntnislogik ist eine reine Exkulpationslogik, Produkt der Weigerung, die Sünde der Welt auf sich zu nehmen; deshalb gehören die Opfertheologie und das Konzept der Entsühnung der Welt durchs Kreuzesopfer als deren innerster Kern zur Bekenntnislogik.
    Die Confessiones des Augustinus sind (als Dokument seiner Bekehrungsgeschichte) Sündenbekenntnisse (z.B. in den Kindheitsgeschichten, aber auch in der Geschichte der namenlosen Mutter seines Sohnes Adeodatus), aber Sündenbekenntnisse, die vom Instrumentarium des mythischen Schuldverschubsystems: von den Formen projektiver Schuldverschiebung, sich nicht lösen können: Darin stellt sich die Beziehung zum Glaubensbekenntnis her, die durchs Schuldverschubsystem (die Opfertheologie und das Konstrukt der Entsühnung der Welt) vermittelt ist. Vermutlich gehört die Geschichte über das mit der Erbsünde belasteten Kind Augustinus zu den geschichtlichen Ursachen der Einführung der Kindertaufe. Hier wurde der Trieb in die Seelen eingesenkt, der antstatt an der Herstellung gerechter Zustände nur noch an der eigenen Unschuld interessiert ist.

  • 02.03.94

    Ist die Kehrseite der Naturwissenschaften (und ähnlich die der Ökonomie und die des Dogmas und der Bekenntnislogik) elliptisch: Wo ist der zweite Brennpunkt?
    Das Interesse an der Erhaltung der Referenzsysteme der Natur, der Ökonomie und der Religion (Inertialsystem, Geld, Bekenntnislogik), die sich ohnehin gegenseitig stützen, der Widerstand gegen ihre Reflexion, ist heute stärker als das Interesse an der Wahrheit.
    Was entspricht dem Urknall und dem Schwarzen Loch in der Ökonomie und in der Religion?
    Die Rekonstruktion der Bekenntnislogik hat die Entschlüsselung der Sakramentenlehre zur Voraussetzung. Für Augustinus waren das Symbolum und das Herrengebet noch Sakramente, die bei der Taufe übergeben wurden. Wann ist die systematisierte Sakramentenlehre (die Lehre von den sieben Sakramenten) entstanden? Fällt sie nicht unter den gleichen Bedingungszusammenhang wie auch die Konsolidierung der Lehre von den letzten Dingen (Hölle, Himmel und Fegfeuer), die Durchsetzung des Zölibats, der Ursprung der Eucharistie-Verehrung (Fronleichnam) und der Ursprung der Ohrenbeichte; und wird dieser Bedingungszusammenhang nicht durch den neuen, islamisierten (d.h. durch das religiöse Trägheitsgesetz der Ergebung charakterisierten) Weltbegriff, der darin sich abzeichnet, definiert? Ist nicht die Lehre von den sieben Sakramenten (Symptom der Islamisierung des Christentums) bei Thomas von Aquin schon voll ausgebildet?
    Die Hegelsche Logik ist die Selbstreflexion des Dings, und ihre Beziehung zur Theologie wäre in dem gleichen Zusammenhang zu bestimmen, in dem der Dingbegriff als die Säkularisationsgestalt der Eucharistie sich erweist. Ist nicht die Philosophie in der Tat der corpus Christi mysticum, aber in der Gestalt des Fronleichnams (der Eucharistie als Symbol des am Kreuz gestorbenen Leibes des Herrn)?
    Wie verhält sich der Begriff der Totalität zu dem des Absoluten (oder: wie verhält sich der Faschismus zum Barock)?

  • 02.01.94

    Sein und Haben, der sprachliche Grund der Verdinglichung, die falsche Sündenvergebung oder die Äquivalenz von Exkulpation, Natur und Vergangenheit: Die Hilfszeitwörter, die Heidegger zur Vorhandenheit und Zuhandenheit ontologisiert, werden im Deutschen zur Perfektbildung (Grund des Naturbegriffs in den indogermanischen Sprachen) benutzt; in ihnen drückt sich eine Beziehung zur Vergangenheit aus, die die Schuldreflexion apriori unterdrückt. Entweder „habe“ ich meine Vergangenheit (als objektive und deshalb instrumentalisierbare, subjektiven Zwecken unterworfene Vergangenheit), oder ich „bin“, was ich gewesen oder geworden bin, so und nicht anders, Produkt eines Geschehens, das ich nicht ändern kann. Beidemale ist die Vergangenheit zu einem Stück Natur geworden, die ich nicht ändern, deren Last ich nur abwerfen kann. Gibt es Erinnerung ohne die Idee der Auferstehung der Toten, und gibt es die benennende Kraft der Sprache ohne Erinnerung? Was wäre, wenn in der Kirche auch nur einer wirklich an die Auferstehung der Toten glaubte?
    Ist die Gewalt der indogermanischen Sprachen nur durch die Idee der Auferstehung der Toten zu heilen?
    Das Hilfszeitwort „werden“ drückt sowohl das Passiv wie die Zukunft (das Werden im Gegensatz zum Sein, oder das Subjekt als Objekt von Vergangenheit und Zukunft, Natur und Schicksal) aus. Beachte die Hypostasierungen der Hilfszeitwörter: das Sein, das Haben, das Werden und die (unantastbare) Würde: Ist der Indikativ ein Neutrum (die Prosa ein Produkt der Neutralisierung), der Konjunktiv weiblich? – Der bestimmte Artikel oder die Vergewaltigung der Welt.
    Grammatiken werden heute nur noch wie ein System von Verkehrsregeln (in einer vergegenständlichten Welt) behandelt: der Geist wird ausgetrieben. Liegt der Ursprung dieses Sprachverständnisses nicht im augustinischen „ad litteram“?
    Was unterscheidet das Imperfekt vom Präteritum?
    Das Walten, die Gewalt und die Verwaltung: Beispiele für die Präfixe ge- und ver-. Was bedeutet das „sund“ in dem Wort gesund?
    Ursprung des Nominalismus: Ähnlich wie der Begriff des „Monotheismus“ die griechische und die jüdische Tradition gleichnamig gemacht hat, hat das Inertialsystem in Verbindung mit der Gravitationstheorie Himmel und Erde auf einen gemeinsamen Nenner gebracht: Beidemale war der Preis die Kürzung gegen den Namen.

  • 27.12.93

    Die Opfertheologie verweigert genau das, was sie leisten soll: die Befreiung. Eine Kritik der Opfertheologie, der Vergöttlichung des Opfers, ist schon deshalb notwendig, weil sie die Bindung an die Opferrolle sprengt.
    Die Christen haben das Christentum als Religion für andere (als Weltreligion) zu einem undurchdringlichen System gemacht, in dem man, wie man sich auch wendet, gefangen bleibt. Z.B. Drewermann bleibt gerade durch seine Opposition zur Kirche (und durch die damit verbundene Opferrolle) in dem Netz gefangen. Eine Schlüsselfunktion scheint bei ihm die Personalisierung der Probleme zu haben (die ihn konfliktunfähig macht, seiner Position aber zugleich den Schein des Absoluten verleiht). Es ist eine kirchlich produzierte Psychose, die ihn aus der Kirche heraustreibt.
    Ist Drewermann das letzte Opfer der kirchlichen Ketzerverfolgung, die seit je die Wahrheit aus Furcht vor den Wehen abgetrieben hat?
    Die Beziehung der Wissenschaft (des Positivismus) zur Wahrheit ließe sich am ehesten als Abtreibungsautomatik beschreiben (und die Alma Mater als Hure Babylon).
    Grund des Antijudaismus: In den Juden hat die Kirche immer schon sich selbst gehaßt. Enthält nicht Mt 523f das Gebot zur Beseitigung des Urschismas; und ist nicht vorher jede Eucharistie blasphemisch?
    Ist nicht jeder Fundamentalismus Produkt einer Anpassung der Religion an das steinerne Herz der Welt? Aber diese Gefahr gibt es nur für die Buchreligionen (sie ist im Christentum entstanden und eines ihrer ersten Symptome war das augustinische „ad litteram“).
    Daß der Himmel wie eine Buchrolle sich zusammenrollt (Jes 344): Gibt es eine bessere Beschreiung der Thora?

  • 31.08.93

    Die „moralisierende christliche Rezeptionsgeschichte“ (der biblischen Urgeschichte; Ebach, Ursprung und Ziel, S. 64) steht in direktem Zusammenhang mit dem augustinischen „ad litteram“. Sie steht in direktem Zusammenhang mit der Bindung der christlichen Theologie an den historischen Objektivationsprozeß, gegen den jede Moral äußerlich: „moralisierend“ bleibt. Diese Moral ändert nicht mehr, sie macht nur ein schlechtes Gewissen und damit ihre Objekte gefügig. In diesem Kontext gibt es kein eingreifendes Erkennen; erkannt wird nur was ist (und nicht zu ändern ist): islamische Erkenntnis. Es bleibt nur das nachträgliche (und das nachtragende) Urteil.
    Theologie ist das dogmatisch stillgestellte Organon eingreifenden Denkens.
    Die Weltbegriffe Natur, Materie und Barbaren lassen sich nicht widerlegen, sondern nur durch die Rücknahme des projektiven Moments, das zu ihren Konstituentien gehört, sich auflösen. Das ist gemeint mit dem Satz „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“: Die Arglosigkeit ist die Rücknahme des projektiven Moments in der Klugheit der Schlangen. Nur durch Paranoia unterscheidet sich die Schlange von der aufgeklärten Arglosigkeit der Tauben: vom Heiligen Geist.
    Nur wer die Sünde der Welt auf sich nimmt, trägt dazu bei, daß sich das Wort endlich erfüllt.
    Die Orthodoxie ist (wie das Bekenntnis, dem sie zugehört) männlich.
    Im deutschen Wort Welt (wereld) stecken die Begriffe Mann und alt: Der deutsche Weltbegriff ist vom Ursprung her unheilbar patriarchalisch.

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie