Primo Levi beschreibt das Leben in Auschwitz: Erschreckend, wie leicht Strukturen und Lebensbedingungen von heute darin sich wiedererkennen lassen. – „… jene Scham, die die Deutschen nicht kannten, die der Gerechte empfindet vor einer Schuld, die ein anderer auf sich nimmt und die ihn quält, …“ (Primo Levi: Ist das ein Mensch. München, 1988, S. 182).
Auschwitz
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6.5.1997
Der Übergang von den subjektiven Formen der Anschauung zum Inertialsystem entspricht dem Akt der Verurteilung, in dem die Natur der Naturwissenschaften sich konstituiert, er entspricht zugleich dem Prozeß, über den der Faschismus sich reproduziert, in dem er aus einer bloßen „Weltanschauung“ zu einem Strukturelement der Realität und damit unkenntlich wird.
Gen-Forschung: Wenn der Begriff der Rasse heute aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden ist, dann nicht, ohne durch Metastasenbildung auf neue Weise in der Realität selber sich auszubreiten. Vgl. auch die Metaphern, die heute an den Stellen erscheinen, an denen früher einmal der Name des Geistes seine Sprachheimat hatte.
Im Übergang des Faschismus von der Seite des Begriffs auf die des Objekts drückt ein sehr tiefreichender Sachverhalt sich aus: Er ist nicht mehr als isolierte Erscheinung dingfest zu machen und verliert (mit Unterstützung der politischen Öffentlichkeitsarbeit) seinen Namen.
Theologie heute: Natur, den Inbegriff des Stummen, Namenlosen, zum Sprechen bringen. Verurteilung (insbesondere die des Faschismus) ist die Verführung zur Stummheit. Deshalb sind Tiere stumm. An dieser sprachlogischen Stelle hat der Begriff der Kollektivscham einen sehr präzisen politischen Auftrag.
Zur Urgeschichte der transzendentalen Logik: In der Astrologie drückt erstmals die herrschaftsgeschichtliche und sprachlogische Konstellation der Objektbildung, der Urteilsform, der subjektiven Formen der Anschauung und des Objektbegriffs, sich aus.
Ursprungsgeschichte des Substantivs (vgl. auch Etymologisches Wörterbuch, dtv, S. 1391f): Mit dem Ursprung des Neutrum wurden Nominativ und Akkusativ, in der Konsequenz des Übergangs von den subjektiven Formen der Anschauung zum Inertialsystem, die in der Sprache der Medien sich manifestiert, wird die sprachlogische Funktion und Bedeutung von Dativ und Genitiv vertauscht. – Haben die Schlange (der Drache), das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande etwas mit diesen sprachlogischen Veränderungen zu tun?
Es ist die zweite Vertauschung (die von Dativ und Genitiv), in der die transzendentale Logik ins Vorurteil abstürzt, hier liegt die Wurzel der Logik, die die Geschichte der Naturwissenschaften mit der Hexenverfolgung und mit Auschwitz verbindet.
Negative Engellehre: Mit der Vertauschung von Dativ und Genitiv, die (wie die Elektrodynamik und in ihrer Konsequenz die Mikrophysik in der Physik) das Kausalitätsprinzip affiziert, verwandeln sich die Medien in unschuldige Boten, die nur informieren, die fähig und verpflichtet sind, Information und Meinung zu trennen und wertfrei über Ereignisse in der Welt zu berichten, die deshalb alles meiden, was sie zum Eingreifen nötigen könnte.
Die Angleichung von Akkusativ und Nominativ im Neutrum (die das Neutrum begründet und die Sprachlogik insgesamt verändert hat) war ein Mittel der Konstituierung des Objekts, der sprachlogischen Begründung von Herrschaft; die Verwechslung von Genitiv und Dativ ist Ausdruck der Verwirrung der herrschaftslogischen Strukturen der Sprache, der Verlagerung der Herrschaft in die Dingwelt, das Tor der moralischen Enthemmung der Sprache.
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25.4.1997
Der Staat verkörpert den „Seitenblick“, das Prinzip der Vergesellschaftung, das dem Begriff der Wissenschaft und den Totalitätsbegriffen Wissen, Natur und Welt zugrundeliegt. Der Staat trennt das Erkennen vom Wissen.
Gestapo: Die apriorische Feindbeziehung der Aufklärung und die ihr immanente Tendenz zur Paranoia läßt sich am polizeilichen Gebrauch dieses Begriffs in den staatlichen Ermittlungs- und Verfolgungsbehörenden ebenso demonstrieren wie an der Affinität der wissenschaftlichen Bibelkritik zum Antisemitismus.
Ist der Zettelkasten des Wissenschaftlers das Äquivalent der Asservatenkammer der Kriminalpolizei?
Wissenschaftliche Kritik: Ist nicht Wissenschaft ein „großer Jäger vor dem Herrn“, der sich dadurch beweist, daß er jemanden zur Strecke bringt? Und jedes Gericht über eine vergangene Gestalt des Wissens muß den Schein erzeugen, es sei das Jüngste.
Die subjektiven Formen der Anschauung sind die Insignien der Naturbeherrschung, sie verletzen das Bilderverbot in seiner Wurzel.
Heute geht es nicht mehr um die Rettung der Kirche(n), heute geht es um die Selbstreflexion des steinernen Herzens.
Das „Kennen“ in der Buber’schen Übersetzung von Jer 3134 ist ein Indiz für den strategischen Grundzug der Buber’schen Bibel-Übersetzung. Es verwischt das „Erkennen“, ähnlich wie Buber die Substanz des Wortes verdrängt, wenn er die Namen der Armen, der Fremden, der Barmherzigkeit, auch der Gnade, aus der Schrift tilgt.
Zu Huld und Gnade: Hierzu ist zu erinnern an den letzten Satz des Jakobusbriefs, der den Begriff der Gnade im Bilde der Bekehrung des Sünders aufs genaueste vor Augen stellt. Er macht das Nicht-Gelingen der Bekehrung zur Schuld, aber das Gelingen nicht zum Verdienst, sondern zur Gnade. Es bleibt ein Rest, der nicht in meiner Hand liegt. Dieser Sachverhalt wird durch den Begriff der Huld, der an einen durch den Feudalismus geprägten christlichen Sprachgebrauch erinnert, verwischt; dieser Begriff bindet die theologische Sprache ans Herrendenken. Huld ist ein Attribut des gnädigen Herrn, das auf andere Weise und aus anderem Grunde als die göttliche Gnade unverfügbar ist.
Dieses Mißverständnis hat seinen sprachlichen Grund in der gleichen Logik, die die indoeuropäischen Sprachen von der hebräischen trennt: die Verzeitlichung der Verben, der Formen ihrer Konjugation. Das hebräische Perfekt ist aufs Gelingen einer Handlung bezogen, das griechische (wie das lateinische, auch das deutsche) auf ihren zeitlichen Abschluß: auf die „vollendete Vergangenheit“.
Zum Verständnis des Bilderverbots: Die Erkenntnis des Namens ist nicht durch „Einbildungskraft“ (durch Subsumtion unter die subjektiven Formen der Anschauung) vermittelt. Der Leitfaden dessen, was Adorno die „exakte Phantasie“ nannte, ist die Sprache, nicht das Anschauen, ist die benennende Kraft der Sprache.
Der Begriff des Ewigen bezeichnet nicht das Überzeitliche, sondern den Zeitkern der Wahrheit.
Wird der „Missionsauftrag“, der am Ende des Matthäus-Evangeliums an die elf Jünger ergeht, nicht erst verständlich im Kontext des letzten Satzes des Jakobusbriefes, der an die „zwölf Stämme in der Zerstreuung“ adressiert ist? Kann es sein, daß „wir“, die „Kirche aus den Heiden“ gar nicht gemeint sind? Ist das Christentum nicht immer noch der „eine Sünder“, über dessen Bekehrung im Himmel größere Freude sein wird als über 99 Gerechte? Und ist Israel, das wir verworfen glauben, nicht der Adressat, an den der Bekehrungsauftrag gerichtet ist?
Gehört zum Traum des Nebukadnezar – wie zur Apokalypse überhaupt – die Konstellation „Völker, Nationen und Sprachen“? Und beziehen sich die „Stämme“, die die Johannes-Apokalypse hinzufügt, auf die zwölf Stämme Israels (die zwölf Stämme in der Zerstreuung)? Zitiert Johannes hier den Jakobusbrief?
Verhalten sich die „zwölf Stämme in der Zerstreuuung“ zu den „Wegen des Irrtums“ wie der Tierkreis zu den Planeten, der Dominus Deus Sabaoth zum heliozentrischen System (zu den „Sternendienern“ des Talmud)?
Zum letzten Satz des Jakobusbriefs: Ist die Umkehr der Christen die Rettung Israels vorm Tod? Aber müßte diese Umkehr und diese Rettung nicht die Toten in Auschwitz mit einschließen? Liegt hierin nicht das Problem des „Kleiner- und Unsichtbarwerdens der Theologie“?
Das Planetensystem ist der Inbegriff der Instrumentalisierung der Ziele, einer Welt, in der es kein Wohin, aus der es keinen Ausweg mehr gibt, der Welt, die „alles (ist), was der Fall ist“. Das Realsymbol dieser Welt ist Auschwitz.
Die kopernikanische Wende und das heliozentrische System haben für die Naturerkenntnis die gleiche logische Funktion und Bedeutung wie der Staat für die Ökonomie. Ist die Astrophysik das naturwissenschaftliche Pendant des Neoliberalismus, der Einheit von Globalisierung und Privatisierung (und die Mikrophysik das Pendant der Betriebswirtschaftslehre)?
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22.4.1997
Die Ursprungsgeschichte der Philosophie ist die Ursprungsgeschichte einer theoretischen Beziehung zur Objektivität, die in Alexander praktisch geworden ist (die Ursprungsgeschichte der stoischen Ataraxia – die Keimzelle des „eliminatorischen Antisemitismus“ – ist im Kollosseum in Rom als Kulturdenkmal der Erinnerung präsent und sinnlich erfahrbar).
Die Geschichte der Häresien ist ein Indikator der inneren Geschichte des Christentums. Die Häresien waren ein projektiv entstellter Ausdruck der historisch-moralischen Probleme des Christentums. Mit der Verurteilung der Häresien sind diese Probleme nicht gelöst, sondern verdrängt – und eben damit perpetuiert – worden. Die Kirche hat ihre eigene Tradition zunächst in Isolationshaft, dann in Geiselhaft genommen: Das Dogma sind die Steine, die Bekenntnislogik der Mörtel und die Orthodoxie die Mauern des Gefängnisses, in die die Tradition eingesperrt worden ist. Der Schlüssel zu diesem Gefängnis ist die logische Figur von Schrecken und Verurteilung.
Die drei Leugnungen Petri, Maria Magdalena und die sieben unreinen Geister, der Kelch (Taumelkelch und Unzuchtsbecher, die Zebedäussöhne und Getsemane), der Weltbegriff und das Tier, Ankläger und Verteidiger (Satan und Paraklet).
Zum Kelch: Hegel ist nur bis zum Taumelbecher gekommen, seine Philosophie ist die Grenze und der Übergang zum Unzuchtsbecher.
Daß Jesus zur Rechten Gottes sitzt, heißt das nicht, daß Gott seitdem keine Rückseite mehr hat?
Gegen den Gebrauch des antisemitischen Begriffs Judenfrage (Marquardt) ist der Einwand durchschlagend, daß der Antisemitismus nichts mehr mit den Juden, sondern nur noch etwas mit den Antisemiten zu tun hat. Der Holocaust, die „Endlösung der Judenfrage“, war die Eröffnung in eine Sphäre, die sich seitdem nicht mehr schließen läßt. Nicht als ob es Vergleichbares nicht auch schon vorher gegeben hätte, nur hier ist der Durchbruch in die logisch-politische Sphäre der Öffentlichkeit gelungen, der irreversibel ist. Seitdem sind Menschenrechtsverletzungen, sind politische Unterdrückung und Verfolgung, Repression und Folter Objekte der „Weltöffentlichkeit“. Vor diesem Hintergrund sind die Habermas’sche Wendung zur Theorie des kommunikativen Handelns, ist das Motto „Dressur des inneren Schweinehunds“ so tief problematisch.
Die Welt ist die Gebärmutter des apokalyptischen Tiers. Wer ist die „Frau am Himmel“?
Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein: Wenn das Inertialsystem etwas mit der Feste des Himmels (mit der Scheidung der unteren von den oberen Wassern) zu tun hat, ist dann das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Hinweis auf die Identität von träger und schwerer Masse der Beginn der Lösung? Ist der zweite Schöpfungstag die Prophetie der Apokalypse?
Wie hängen der Ursprung der Schrift und die Astronomie, die Sternenkunde, zusammen? Wie wird der Himmel von den Naturvölkern, den schriftlosen Völkern, erfahren? Im Islam ist Gott ein schreibender, kein sprechender Gott: ein Gott ohne Angesicht (ist das nicht die Widerlegung des Islam?).
Läßt sich die Konstruktion der aristotelischen Philosophie nicht daraus ableiten, daß sie (wie dann wieder Hegel) das tode ti, das hic et nunc, unter dem Apriori der Logik der Schrift erfährt? Wird dadurch nicht zwangsläufig die noesis noeseos zum Ersten Beweger (und Alexander seine historische Verkörperung)? Und ist nicht die noesis noeseos zum Inbegriff der Logik der Schrift?
Die Aufklärung verdankt sich der Rückprojektion der Logik der Schrift in die Dinge (die so zu Dingen werden).
In der adäquatio intellectus ad rem ist die res der Reflex der Dinge in der Schrift, in der Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand ist der Gegenstand, das Objekt, der Statthalter des Subjekts in den Dingen.
Es gibt heute einen vulgärmaterialistischen Begriff des Idealismus, der schon das Begreifenwollen als idealistischen Trieb denunziert.
Man erkennt einen Menschen daran, was er erkennt, wie er die Dinge sieht. Was bedeutet dann der Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht, genauer: was bedeutet dieser Satz für die Gotteserkenntnis?
Das Bilderverbot und das Verbot, den Namen Gottes auszusprechen, sind drastische Hinweise darauf, daß Gott keine Rückseite hat (daß die Idee des Ewigen die Vergangenheit von sich ausschließt). Ist der Anfang des Sterns der Erlösung nicht nicht eine deutliche Erinnerung daran, daß das – allerdings auf sehr unterschiedliche Weise – auch für Welt und Mensch gilt? Ist nicht darin das Nichtwissen von Gott Welt Mensch begründet?
Theologie ist der Versuch, im Imperativ den Indikativ zu entdecken, während der Aufklärung (der Kosmologie) gleichsam unter den Händen der Indikativ zum Imperativ wird.
Der am Objektbegriff gewonnene Begriff des Allgemeinen bezeichnet nicht das Allgemeine schlechthin, sondern das der Gattung. Deshalb konnte Hegel aus dem Begriff die Tatsache unterschiedlicher Arten und Gattungen der Tiere nicht ableiten. Deshalb kann Hegel zufolge „die Natur den Begriff nicht halten“. Hier ist er gezwungen einzubekennen, daß es die eine Welt nicht gibt. Die Idee der einen Welt ist im Angesicht der Geschichte nur zu halten, wenn die Weltgeschichte zum Weltgericht wird.
Das Theologumenon, daß Gott die Welt erschaffen hat, die creatio mundi ex nihilo, ist der Grund jeglichen Fundamentalismus. Eine Theologie, die vom Begriff der Weltschöpfung ausgeht, macht Gott zum Absoluten, in dem am Ende nur der Staat sich spiegelt.
Gibt es nicht einen Kirchen- und Gemeindebegriff, in dem die Kirche selber die Ghettomauern errichtet, in denen sie verrottet?
Was die Nazis Humanitätsduselei und Ludwig Erhard die „Sünde wider die Marktwirtschaft“ nannten, trägt den theologischen Namen Barmherzigkeit.
In den Worten Leib und Fleisch drückt die Differenz zwischen dem An sich und dem, was für andere ist, seiner Instrumentalisierung, sich aus (das Angesicht gehört zum Leib, wie die Person zur soma, niemals zum Fleisch). Das Blut hat nur diesen einen Namen, mit der Folge, daß wir allein das instrumentalisierte Blut darunter verstehen, während das An sich (die „Seele des Fleisches“) gegenstandslos geworden ist. Endgültig instrumentalisiert wurde das Blut – über die religiöse Vorgeschichte der Märtyrer- und Reliquienverehrung – in dem gleichen Säkularisationsprozeß, der diese religiöse Vorgeschichte beendete, in der Objektivierung des Blutkreislaufs, in dem gleichen Prozeß, in dem auch – im heliozentrischen System – die Objektivierung der Planetenbahnen sich vollendete. Das heliozentrische System ist das System der Subjektivierung und Instrumentalisierung der Zwecke. Es ist der gleiche Prozeß, in dem – in der Ursprungsgeschichte des Kapitalismus – die Zwecke zu Mitteln geworden sind, der transzendentalen Logik und dem Kausalitätsprinzip unterworfen wurden.
Im Kontext des heliozentrischen Systems wird die biblische Blutsymbolik nicht nur unverständlich: Das heliozentrische System rückt die Blutsymbolik in eine Logik, in der sie zu den Voraussetzungen des Faschismus, des Rassismus und des Antisemitismus gehört (die gleiche Logik hat die Barmherzigkeit endgültig in Hysterie transformiert und die Barbaren durch die Wilden ersetzt).
Das kopernikanische System hat mit der Teleologie die Idee des seligen Lebens, die Vorstellung des Endzwecks, in der Wurzel zerstört. Es hat sie durch die Rechtfertigungslehre ersetzt. Entscheidend war nicht mehr die Tat (und das göttliche Gericht über die Tat), sondern das Urteil über die Person („wie bekomme ich einen gnädigen Gott“), nicht mehr die Sünde, die ich zu meiden hatte, sondern die Schuld, der ich entgehen wollte.
Jesus hat die Welt nicht entsühnt, er hat nicht die Schuld der Welt hinweggenommen, sondern die Sünde der Welt auf sich genommen. Hierfür ist die Kirchengeschichte der Beweis, und hierzu gehört die Geschichte von den drei Leugnungen Petri, von Maria Magdalena und den sieben unreinen Geistern, aber auch die ganze Kelchsymbolik sowie Hegels Wort, er sei „von Gott dazu verdammt, ein Philosoph zu sein“.
Hat die fliegende Schriftrolle, „der Fluch, der über das ganze Land ausgeht“ (Sach 51) etwas mit dem Himmel, der wie eine Buchrolle sich aufrollt (Jes 344, Off 614), zu tun?
Die Zentralbanken haben Himmel und Erde ehern und eisern gemacht (Lev 2619, Dt 2823). Zu ihrer Vorgeschichte gehören das Dogma und die Bekenntnislogik, zu ihrer Begleitgeschichte die kopernikanische Wende und die Naturwissenschaften. Die Geschichte der Banken ist die Ursprungsgeschichte des Inertialsystems.
Das Urschisma und die Urhäresie (die Gnosis) gehören zu den Konstituentien der Bekenntnislogik, die Ausgrenzung der Frauen gehört zu ihren Folgen.
Wenn es stimmt, daß der deutsche Name des Himmels etymologisch mit dem des Hammers zusammenhängt, hat das etwas mit Lev 2619 und Dt 2823 zu tun?
Sind nicht das Inertialsystem, die subjektiven Formen der Anschauung und die Totalitätsbegriffe Natur und Welt Verkörperungen des „ehern“ und „eisern“ in Lev 2619 und Dt 2823? Spiegelt sich in der Differenz zwischen Lev und Dt die Differenz zwischen Kosmologie und Politik?
Der Wertbegriff stammt aus der Ökonomie. Er gehört zu den synthetischen Urteilen apriori, die der Neutralisierung der Teleologie, der Subsumtion der Zwecke unter die Mittel (der Zukunft unter die Vergangenheit) sich verdankt. Er gehört in den Bereich der reflektierenden Urteile, die unterm Apriori der Gewalt (des Rechts und des in ihm sich verkörpernden Gewaltmonopol des Staates) zu bestimmenden Urteilen werden. Wertordnungen sind politische Ordnungen. Reflex dieses Aprioris der Gewalt sind die subjektiven Formen der Anschauung, ist die transzendentale Ästhetik.
In der Kritik der Urteilskraft, in seiner Theorie der reflektierenden Urteile, die auf Ideen sich beziehen, die regulative, nicht konstitutive Bedeutung haben, steckt die kantische Kritik der Gewalt. Diese kantische Kritik der Gewalt ist durch den Faschismus in eine Engführung gebracht worden, aus der es nur dann einen Ausweg gibt, wenn es gelingt, den Bann zu brechen.
Wer Gott zum Herrn der Geschichte macht, rechtfertigt nur das transzendentale Subjekt und leugnet Auschwitz.
Wie hängt der Satz aus der Dialektik der Aufklärung über die Distanz zum Objekt (die vermittelt sei durch die Distanz die der Herr durch den Beherrschten gewinnt) mit dem Problem der Subsumtion der Zwecke unter die Mittel zusammen?
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9.4.1997
Heute wird auch die Philosophie zum Markenartikel: Es gibt weder die Kritische Theorie noch die Theologie.
Adornos Programm der „vollständigen Säkularisierung aller theologischen Gehalte“ ist zweideutig: Die christliche Theologie, die orthodoxe dogmatische Theologie, ist bereits – als Theologie hinter dem Rücken Gottes (als „Rede von Gott“) – das Produkt ihrer vollständigen Säkularisierung, während Adornos Konzept auf das genaue Gegenteil: auf das Ende der verdinglichten Theologie und die Realisierung der Theologie als eine Gestalt eingreifender Erkenntnis abzielte, auf eine Theologie im Angesicht Gottes.
Die Orthodoxie ist der Inbegriff der 99 Gerechten, die Geschichte der Häresien der des einen Sünders und seiner Wege des Irrtums. Über die Bekehrung dieses einen Sünders herrscht mehr Freude im Himmel als über die 99 Gerechten.
Die Kritik der Metaphysik, wenn sie nicht im Mythos enden soll, ist nur möglich durch Kritik der Ontologie, an deren Stelle die Ethik zu treten hätte, im Kontext einer Theologie, die den Satz zur Richtschnur der Erkenntnis macht, daß die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ stehen. Dem entspricht der Benjamin’sche Begriff der Lehre.
In dem die Geschichte der Dogmenbildung begleitenden Prozeß der Auseinandersetzung des Christentums mit den Häresien ist dieser Imperativ externalisiert, zum Instrument der Verurteilung und zum logischen Kern eines Schuldverschubsystems gemacht worden, mit den bekannten fürchterlichen Folgen fürs Christentum.
Modell war die Internalisierung des Mythos, des Schicksalsbegriffs, in der Ursprungsgeschichte der Philosophie (des Begriffs). Anhand der Ursprungsgeschichte der Philosophie wäre der Zusammenhang des Ursprungs des Schuldverschubsystems mit der Konstituierung der Begriffe des Wissens, der Natur und der Welt zu demonstrieren.
Der Begriff der Größe hängt mit dem des Erhabenen zusammen. Deshalb ist bei Kant der Sternenhimmel über mir ebenso „erhaben“ wie das moralische Gesetz in mir. Das Erhabene ist das über alles, was der Fall ist, Erhabene, das über die Welt Erhabene. Aus der gleichen Logik stammt das historische Attribut der Größe, das den historischen Prozeß der Konstituierung der Welt (von Alexander bis zum preußischen Friedrich) begleitet.
Der Begriff des Erhabenen erinnert ans Erhobene und ans Haben.
Ist das Erhabene der selber nicht säkularisationsfähige Grund des Säkularisationsprozesses, ein Moment der inneren Logik des Eigentums?
Wird die „irre Fahrt zu den Sternen“ heute nicht im Ernst zum Menetekel?
Der biblische Fluch ist ein Instrument der Verurteilung, der Inbegriff seiner Logik (der biblische Reflex des Schicksals). Hat er nicht in der Tat etwas mit der Idee des Himmels zu tun?
Wie hängt der zweite Schöpfungstag mit Lev 26 und Dt 28 zusammen?
Das Problem der Theologie heute ist von dem der Apologie irgend einer der kirchlichen Denominationen streng zu trennen. Eine andere Frage ist, ob, was heute noch Theologie heißen darf, überhaupt an einer der akademischen Einrichtungen, seien sie kirchlich oder seien sie staatlich, noch seinen Ort finden kann. Theologie heute wäre
– prophetische, und d.h. sowohl staats- als auch kirchenkritische Theologie,
– messianische, auf Realisierung, Erfüllung zielende Theologie und
– parakletische Theologie, das Organ des verteidigenden, das Gericht überwindenden, ihm enthobenen Denkens, das Organ des aufrechten Gangs.
Das Buch der Richter ist ein prophetisches Buch, und als solches hat Lillian Klein es erstmals wieder begriffen (über der Prophetie steht der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ stehen).
Zur Begründung des Kausalitätsprinzips: Die gemeinsame Logik der modernen Naturwissenschaft und des Kapitalismus ist die Logik der „List der Vernunft“, sie ist im genauesten Sinne hinterhältig (sie konstituiert sich hinter dem Rücken der Dinge). Der Listige spannt den Andern, ohne daß er es merkt, für seine Zwecke ein. Das biblische Symbol des Subjekts dieser Vernunft ist die Schlange, ihr grammatisches, sprachlogisches Korrelat das Neutrum.
Wie hängt die List mit dem Unschuldssyndrom und dem Schuldverschubsystem zusammen?
Die Fähigkeit zur Schuldreflexion entgründet den Universalismus, destruiert das Überzeitliche und bindet die Erkenntnis an die Aktualität, an ihren Zeitkern. Das Unum ist nicht die Grundlage, sondern – in dem Gebot der Einigung des Gottesnamens – das Ziel.
Was geschieht, wenn der westliche Antizionismus und die antiislamischen Tendenzen sich vereinigen?
Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet: Der „Hinterkopf“, die Fähigkeit, mit offenen Fragen zu leben und das Urteil zurückzustellen, ist das Organ der Gottesfurcht.
Zu einer Theorie des Feuers: Sind die Objekte der Mikrophysik gemeinsame Abkömmlinge des „Wärmestoffs“ und des „Äthers“?
Die Bundesanwaltschaft: das suizidale Experiment der gnadenlosen Anklage.
Die kleine Veränderung, die der Messias an der Welt vornehmen wird, ist die Selbstreflexion des Hinter dem Rücken und die Selbstbegründung des Angesichts. Das wäre die endgültige Umkehr und die Befreiung von den sieben unreinen Geistern. Diesen Vorgang beschreibt die Apokalypse.
Die Siebenzahl bezeichnet keine Fülle, sondern die Gesamtheit der Wege des Irrtums.
Teufel und arme Seele: Wer den Begriff der Schöpfung auf die Welt bezieht, hält die Frage offen, ob die Menschen zur Welt oder auf die Seite des Schöpfers gehört. Das ist der Preis für die Vorstellung der Einheit der Welt.
Der Historismus ergreift die Partei des Todes.
Reflektierende Urteile – und die sind das Element, in dem die Theologie sich bewegt – sind nicht konstitutive, sondern regulative Urteile.
Wäre es nicht notwendig, nachträglich noch einmal die Diskussion zwischen Benjamin und Horkheimer über die Vergangenheit des Vergangenen aufzunehmen? – Vgl. hierzu Horkheimers Frage, ob auf dem riesigen Leichenberg, auf dem wir stehen, die Idee einer richtigen Gesellschaft überhaupt noch sich denken läßt.
Hat der Satz, daß Auschwitz uns umso näher zu rücken scheint, je weiter wir uns historisch von ihm entfernen, nicht etwas mit dem Satz Karl Thiemes, daß Hitler nicht der Antichrist, sondern nur die Generalprobe war, zu tun?
Der letzte Satz des Jakobusbriefs ist das christliche Äquivalent zu Jer 3134. Zwischen beiden Worten liegt der Ursprung des Weltbergriffs.
Die kopernikanische Wende hat die Differenz zwischen Himmel und Erde zwar nicht aufgehoben, aber so verwirrt, daß davon auch die Theologie nicht unberührt geblieben ist. Als die Erde unter die Planeten, und damit an den Himmel, versetzt wurde, ist auch der Himmel und mit ihm die Theologie endgültig entgegenständlicht worden. Seitdem sind wir selbst zum Gegenstand der Theologie, ist das zentrale Thema der Theologie, die Beziehung von Gericht und Barmherzigkeit, zu einem inneren Problem der Erkenntnis geworden.
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9.3.1997
Die Nachkriegsgeneration: Kinder der Dingwelt.
Selbstverdinglichung, der Versuch, die Last, die auf uns liegt, durch Abwälzung auf andere (durchs Schuldverschubsystem) zu reduzieren, potenziert die Last.
Rechts und Links nicht unterscheiden können: Die Umkehr wird in der Regel auf die Beziehung zwischen vorn und hinten (im Angesicht und hinter dem Rücken) oder oben und unten (Gott und Kreatur) bezogen, nicht auf die von rechts und links (über die ich, wie es scheint, nichts vermag). Rechts und Links: Diese Umkehr wäre die Bekehrung des Andern, ein Motiv, das die Kirchen – über das Verfahren der Mission – zu willigen Helfern des Imperialismus gemacht hat. Aber gibt es nicht auch das andere Motiv, daß, wer einen Sünder vom Weg des Irrtums bekehrt, seine eigene Seele rettet, und daß über die Bekehrung des einen Sünders größere Freude in den Himmeln herrscht als über 99 Gerechte?
Hängt die Blut-Symbolik (das Abwaschen der Sünde, das Reinwaschen der Kleider durchs Blut des Lammes, aber auch die Blut-Symbolik in der Thora und bei den Propheten) mit diesem Rechts-Links-Paradigma zu tun? Ist sie vielleicht nur so vom Schein der Metzgertheologie zu befreien? Liegt hier die Lösung des Rätsels des Rassismus (das selbst bei Rosenzweig in einer Weise anklingt, die nach Auschwitz unerträglich geworden ist)? Liegt an der Frage der Unterscheidung von Rechts und Links die Umkehr Gottes (die Möglichkeit einer Theologie im Angesicht Gottes)? Unsere eigene Seele ist in den Wegen des Irrtums des Sünders (in den subjektiven Formen der Anschauung, in der Logik des Geldes und in der Bekenntnislogik) mit gefangen.
Oh wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß: Enthält das Gespräch, das Heisenberg im Krieg mit Nils Bohr geführt hat, den Schlüssel zum Verständnis des Versuchs, nach dem Krieg eine „einheitliche Weltformel“ zu entwickeln? Hat sich das nationalistische Erbe in diesen hilflosen Versuch, Einstein zu übertrumpfen, zurückgezogen, verkapselt und in einen Objektivismus entstellt, der seitdem endgültig nicht nur die Naturwissenschaften, sondern die Welt verhext?
Stand der Aufklärung: Heute reden alle übereinander, weil sie die allgemeine pathologische Empfindlichkeit daran hindert, mit einander zu sprechen. Selbst die Theologie ist zur „Rede von Gott“ verkommen.
Am Beispiel des Begriffs der Empfindung wäre nachzuweisen, daß der historische Subjektivierungsprozeß (die Rückseite des Objektivierungsprozesses) ein Vergiftungsprozeß ist. Der Begriff der Empfindung verweist auf die pathologisierende Gewalt der Aufklärung, die zu reflektieren wäre. Statt dessen haben die Nachfolger der kritischen Theorie die Dialektik der Aufklärung liquidiert.
Hängen nicht die Objekte der Subjektivierung: Empfindung, Kritik und Schuld, wie der Verblendungs-, Schuld- und Herrschaftszusammenhang mit einander zusammen?
Gesellschaftskritik als Waffe ist ein Instrument der Potenzierung des Kritisierten, Gesellschaftskritik hat nur ein Recht als Mittel der Reflexion.
Die Subjektivierung der Empfindungen, der Meinungen und der Schuldgefühle sind Attribute der Feindbildlogik.
Hat nicht Paul Watzlawik zum Gespräch zwischen Heisenberg und Bohr ein aufhellendes Beispiel geliefert, das nur den einen Mangel hat, das es nur die Psychologie, nicht die Logik dieses Gesprächs beleuchtet?
Verstricken sich nicht die „Alternativen“, die außerhalb des Systems (in der Natur oder in der Religion) die Nischen einer „heilen Welt“ suchen, eben damit in den Netzen des Systems? Sie möchten dem Schuldzusammenhang nur entrinnen, anstatt der Mühe sich zu unterziehen, ihn durch Reflexion zu sprengen.
„In vierzig Tagen wird Ninive zerstört“: Liegt der Unterschied zwischen Jonas und Tobias vielleicht nur in dieser Frist?
Ersetzt nicht der Begriff der Buße, und zwar schon im Namen der lateinischen paenitentia, die Umkehr durch die Selbstbestrafung, durch die Verinnerlichung von Herrschaft? Buße ist gnadenlos.
Drückt nicht in der Darstellung der Buße im Buch Jona in der Tat die Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, sich aus?
Haben Rechts und Links mit Tod und Auferstehung zu tun, und die Unterscheidung von Rechts und Links mit der Umkehr Gottes?
Es gehört zur Logik der Unsterblichkeitslehre, daß sie mit dem eigenen Tod den der Anderen verharmlost, in Kauf nimmt, daß sie hilft, den Verdrängungsprozeß gegen die Vergangenheit zu legitimieren: die Finsternis zu befördern. Ist die Finsternis das Licht der Aufklärung (der Begriff der Klarheit erinnert an die klaren Verhältnisse, die das Feindbild hervorbringt)?
Zur Geschichte der Aufklärung gehört das Bild der Wilden wie zum Ursprung der Philosophie das der Barbaren. Sind die Wilden das Produkt der Hellenisierung der Barbaren, die nur durchs Christentum möglich war?
Ist der Streit in der Prozeßgruppe ein nachträglicher Sieg Hembergers und Schiefersteins, eine Folge der Unfähigkeit, das, was im Prozeß passiert ist, zu reflektieren? Und macht uns nicht unsere Empfindlichkeit zu Marionetten des Systems, zu willigen Vollstreckern der BANK, DIE IMMER GEWINNT? -
24.2.1997
Was unterscheidet eigentlich den Günter Grass (sh. FR von heute) von Heinrich Böll? – Was bei Heinrich Böll Melancholie und Erbitterung war, ist bei ihm Resignation, böse Nachrede. Auch Günter Grass scheint auf sein eigenes Handeln nicht mehr zu setzen, sondern darauf zu warten, daß es einer für ihn tut. Heinrich Böll war moralisch involviert, Günter Grass ist bloß Zuschauer. Auf Günter Grass scheint das Bild vom Hotel Abgrund zuzutreffen; der Abgrund, in den er schaut, das ist die Bühne, auf die er die Gegenwart transponiert, um ihr als Zuschauer beiwohnen zu können.
Hängt es nicht mit der kantischen Illusion zusammen, wenn Günter Grass auf den ungeheuren Reichtum verweist, dem nur die im Grundgesetz vorgesehene soziale Verpflichtung implantiert werden müßte, um eine heile Welt zu schaffen? Ist nicht die Vorstellung, was man mit Geld alles machen kann, die Vorstellung derer, die es nicht haben? Und ist nicht der Reichtum heute nur noch um den Preis des Bewußtseins des Ertrinkens, der Panik, zu haben? Sind nicht die Reichen unter dem notwendigen Schein ihres Reichtums heute die Armen, sind sie nicht die wahren Opfer in einer ihnen mißgünstigen, feindlichen Welt (so die Innensicht des Reichtums – und hat diese „Innensicht“ nicht etwas mit den subjektiven Formen der Anschauung zu tun, mit den in diese Formen eingebauten Mechanismen der Verblendung)?
Es gibt keinen Trost mehr, sondern nur noch den Ausweg, den niemand mehr sieht.
Die Kritik der subjektiven Formen der Anschauung ist der Beginn der Sprengung der Feindbildlogik; und der kantische Erkenntnisbegriff, demzufolge wir nur das an den Dingen erkennen, was wir in sie hineinlegen, bezeichnet genau das Moment der Projektion, das von der Feindbildlogik nicht zu trennen ist. Es sind die Totalitätsbegriffe Kants, die die Feindbildlogik fundieren und absichern. Hierauf bezieht sich das Wort: Emitte spiritum tuum, et renovabis faciem terrae.
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist eine Theologie im Bann der Feindbildlogik, die dann zwangsläufig apologetisch ist.
Zu Luzia Sutter Rehmann: Gibt es beim Daniel das apokalyptische Motiv der Geburtswehen?
Ist nicht die Opferlogik eine die Geburtswehen verhindernde und verlängernde Logik? Bezieht sich nicht auch hierauf das Wort: Barmherzigkeit, nicht Opfer?
Der Menschensohn: Ist das nicht das Kind der Geburt, die die messianischen Wehen ankündigen? Was bedeuten in diesem Zusammenhang die Wolken des Himmels?
Luthers Satz: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“ war der Beginn der Flucht nach Tarschisch, der im Bauche des großen Fischs endete.
Wenn die Kirche begreift, daß Auschwitz das Ende der Lehre vom stellvertretenden Sühneleiden ist, hat sie den ersten Schritt zu ihrer eigenen Bekehrung getan.
Goldhagen und die Castor-Transporte: Ist nicht auch Goldhagen ein Angriff auf einen Entsorgungsvorgang?
Gibt es eigentlich einen deutlicheren Hinweis als den, daß das Wort Gottes ein Name ist, den niemand kennt als der, der ihn trägt? – Hat das nicht etwas mit dem zweiten Schöpfungstag zu tun, an dem der im Anfang erschaffene Himmel zum Namen der Feste des Himmels wird?
Ein Hinweis, den Heinrich Böll einmal gegeben hat, läßt sich noch präzisieren: Während das Kapital von Marx in Ideen gründet, die den Einsatz des eigenen Lebens rechtfertigen, rechtfertigt das Hitlersche Machwerk „Mein Kampf“ nur den Judenmord: das Opfer des Lebens der Anderen. Hiermit hängt es zusammen, wenn der Satz sich begründen läßt, daß im Nachkriegs-Atheismus Hitler nachträglich noch siegt (und der marxistische Atheismus bewußtlos diesen Sieg antizipiert, den Sozialismus in den Faschismus überleitet). Haben nicht die stalinistischen Prozesse das Opfer für die Idee, das dem Sozialismus zugrundeliegt, durch Universalisierung instrumentalisiert?
Sind nicht die Einsteinsche Denkmodelle vom fahrenden Zug und vom frei fallenden Fahrstuhl Weiterbildungen der kantischen subjektiven Formen der Anschauung? Aber was drückt sich in dieser Transformation aus?
Ist nicht das Relativitätsprinzip der Grund jeder Ästhetik (die Wurzel des Bildes)? -
23.2.1997
Wenn es die logische Affinität der Naturwissenschaft zur politischen Ökonomie gibt, müßte sich dann nicht aus der mimetischen Rekonstruktion der Erfahrung aus ihren politisch-ökonomischen Bedingungen (aus der Fähigkeit, in die Erfahrung des andern unter Reflexion der politisch-ökonomischen Bedingungen seiner Erfahrung sich hineinzuversetzen) so etwas wie ein symbolisch-metaphorischer Zugang zur Kosmologie ergeben?
Das Relativitätsprinzip begründet das Verfahren der Konstituierung des Raumes als subjektive Form der Anschauung, den Raum dadurch zu neutralisieren, daß der eine Raum über den anderen gezogen wird. Ist nicht dieser Raum das logische Kontinuum, in dem die Ökonomie sich entfaltet (und der im Entfaltungsprozeß der Ökonomie sich bildet): das Geld? Bezeichnet das Relativitätsprinzip am „Unzuchtsbecher“ das Moment der Unzucht?
Gestern ein Bericht in der FR über Haie. Danach sind Haie zwar keine Säugetiere, aber die kleinen Haie schlüpfen im Bauch ihrer Mutter aus ihren Eiern und fressen dort z.T. sich gegenseitig, so daß z.B. von 70 – 80 ausgeschlüpften Haien nur zwei im Bauch der Mutter überleben und dann ins Freie gelangen.
Die Tiere des fünften Tags sind die eierlegenden Tiere (Fische und Vögel). Die Säugetiere sind (mit den Menschen) die Tiere des sechsten Tags.
Sind nicht die Säugetiere nach der Evolutionstheorie gleichzeitig mit den blütentragenden Pflanzen entstanden?
Das Atheismus-Problem im Marxismus ist zu lösen allein über die Reflexion des Faschismus. Auch im Sozialismus bezeichnet der Atheismus den Sieg Hitlers.
… et dimitte nos debita nostra sicut et nos dimittimus debitoribus nostris, et ne nos inducas in tentationem, sed libera nos a malo.
Hat nicht der Traum des Nebukadnezar etwas mit dem Ursprung des Bekenntnisses zu tun?
Das Richtige ist nicht das Wahre, das Richtige ist das Unwiderlegbare.
Wie hängt das salomonische Urteil (über die beiden Frauen, die sich um das eine Kind stritten) mit dem danielischen (über die beiden Alten, die sich an der Susanna rächen wollten) zusammen? Salomo apelliert an den Mutterschoß, das Organ der Barmherzigkeit, Daniel enthüllt die Verwundbarkeit des ungerechten Urteils?
Tratsch und Gewitter; Tratsch als Instrument der Demoralisierung, Demoralisierung als Herrschaftsmittel. Aus dem Tratsch kann man nur eines lernen: Gegen die darin installierte mythische Gewalt, kommt keiner an; zur Identifikation mit dem mythischen Aggressor gibt es keine Alternative. Wen’s trifft, den trifft’s.
Das Licht ist der Naturgrund aller Zwecke (die Grenze des Kausalitätsprinzips).
Gestern in der Sendung über die Höhlenbilder von Lascaux der Hinweis, daß Tiergruppen nicht verschiedene Tiere, sondern möglicherweise verschiedene Bewegungsphasen der Bewegung eines Tieres abbilden. Ist die Höhlenmalerei ein Vorläufer des Kinos? Ist die Höhle (auch das Kino ist eine Höhle) eine Variante des Mutterschoßes (und das Fernsehen der Greuel am heiligen Ort: die endgültig instrumentalisierte Barmherzigkeit)?
Zur Genese des Vorurteils: Welche Rolle spielt hier das Verbot der Neugier? Wird nicht mit der Neugier die Erfahrungs- und Lernfähigkeit, eine nicht restlos ins „Wissen“ übersetzte Beziehung zur Welt, verboten? Ist nicht die Rückübersetzung jeder Erfahrung ins schon Bekannte das Ziel des ganzen Objektivierungsprozesses (und wird damit nicht die Erfahrung der ganzen vergangenen Menschheit verraten)? Ist die Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis auch die Geschichte der Selbstzerstörung der Lernfähigkeit?
Kopernikus und Newton haben das Ungleichnamige (Oben und Unten) gleichnamig gemacht, was haben Maxwell und Einstein getan?
Zum Begriff der Öffentlichkeit: War nicht das Kollosseum die öffentliche Löwengrube, und wurde nicht, als die Scheiterhaufen öffentlich gemacht wurden, die Öffentlichkeit selber verbrannt? Auch Auschwitz war öffentlich, allerdings in der fürchterlichsten Gestalt: als Gerücht. Darauf wäre der von Habermas mißbrauchte Titel vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ zu beziehen: In der kollektiven Verdrängungsleistung der Deutschen, die die Kollektivscham dann besiegelt hat, ist die Öffentlichkeit selber verbrannt worden. Seitdem gibt es keine mehr.
Der Begriff der Information bezeichnet den Pfropf, der heute die Erfahrungsfähigkeit verstopft.
Das Feindbild, die Urteilslust und der Unzuchtsbecher.
Das Perfekt, das vom Handeln ins Sein (in die Vergangenheit) transformiert wird, spaltet sich auf in Sein und Haben (in Politik und Ökonomie). Hier liegt der Ursprung der Auxiliarien, der Hilfesverben, in denen die Gewalt der politischen Ökonomie sich ausdrückt. Das Problem Namens (des Symbolischen, des Metaphorischen) gründet in der Beziehung dieser beiden Formen des Perfekts.
Name und Begriff sind nicht vergleichbar. Ihr Verhältnis ist das der Umkehr.
Der Historismus, der die Vergangenheit des Perfekt ratifiziert, ist das Prinzip der Zerstörung des Symbolischen (der Zerstörung der Prophetie). Sind nicht alle Motive der Apokalypse aus dieser Transformation des Perfekt ableitbar? Die Idee der Auferstehung drückt den Widerspruch zwischen der Kraft des Namens und der „historischen Realität“ (der Ratifizierung der Vergangenheit der Geschichte) aus. Das Subjekt der symbolischen Erfahrung ist die Barmherzigkeit. -
5.2.1997
Wenn ich weiß, wie etwas geht, beherrsche ich die Sache. Das Wie eröffnet die Herrschaftsfrage. So paßt die Frage Leopold von Rankes, wie es denn eigentlich gewesen sei, zu seiner These, daß alle Geschichte unmittelbar zu Gott ist: Sie macht den Historiker zum lieben Gott, zum ohnmächtigen Herrn der Geschichte.
Sind Seraphim und Cherubim die Verkörperungen von Wasser und Feuer? Daniel hatte das Gesicht vom Widder und vom Ziegenbock in der Burg Susa, die in der Landschaft Elam liegt, am Flusse Ulai (Ezechiel hatte seine Merkaba-Vision am Flusse Kebar). Hat der Strom im Paradies, der sich „von da aus“ in vier Arme teilt, etwas mit den vier Himmelsrichtungen und der Sündenfall etwas mit der Norm auf der Ebene, die durch die vier Richtungen sich konstituiert, zu tun?
Die kirchliche Unsterblichkeitslehre, die Vorstellung, ich könnte selig werden, auch wenn die Welt im Argen liegt, begründet eine autoritäre, ins Private gebannte Weltsicht: Die Welt und die Andern gehen dich nichts an, aber du sei brav! Eine Weltsicht, in deren Kontext es „Erlösung“ nur durch die Reproduktion des autoritären Charakters gibt.
Bezieht sich das apokalyptische Motiv des Erdbebens auf die ruhende Gegenständlichkeit, die Rosenzweig als das Bild der Vergangenheit erkannte? Und ist diese ruhende Gegenständlichkeit des Vergangenen (in die die Historisierung, die objektivierende Erforschung des Nationalsozialismus auch Auschwitz zu transformieren versucht) nicht sprachlogisch vermittelt, gründet sie nicht im indoeuropäischen Perfekt, in der Sprachform der „vollendeten Vergangenheit“? Und ist nicht die Trennung von Natur und Welt (zusammen mit der merkwürdigen Beziehung der Ursprungsgeschichte des Staates zur Objektivierung des Planetensystems) eine logische Hilfskonstruktion zur Stabilisierung dieser vollendeten Vergangenheit? Die Verdrängung und „Vollendung“ der Vergangenheit und die Erzeugung des Scheins der Reversibilität von Oben und Unten hängen zusammen. Hat die Verdrängung der Vergangenheit etwas mit dem Ursprung der Allmachtsphantasien der Verwaltung zu tun?
Die Vertreibung aus dem Paradies ist das Symbol des Ursprungs der Aufklärung, die Benennung der Tiere durch Adam das Symbol des Ursprungs der Sprache und der Gotteserkenntnis (der Sprache, in der der Name Gottes sich bildet und mitteilt). Gibt es einen Zusammenhang des messianischen Titels des Menschensohns mit dem Namen des Tieres und der Zahl seines Namens, die die Zahl eines Menschen ist? Ist der Menschensohn der Sohn dieses Menschen? Und ist dieser Mensch einer der Väter, an die die Forderung ergeht, zu ihren Kindern sich zu bekehren, und von denen es heißt: Laßt die Toten ihre Toten begraben? Hat nicht die Pseudonymität, der pseudepigraphische Charakter der Apokalypsen, etwas mit der Idee der Auferstehung der Toten zu tun?
Die Frage der Philosophie war die nach dem Was, die der Naturwissenschaften (und der Historiker) die nach dem Wie. Während die Naturwissenschaftler ihren realen Beitrag zu Naturbeherrschung leisten, sind die Historiker nur die Erben derer, die je geherrscht haben. Der Historiker ist der Feind des Propheten, er beraubt die Prophetie ihres Objekts, für ihn wird die Prophetie gegenstandslos. Hat nicht die kopernikanische Wende dem Historismus vorgearbeitet, hat sie nicht den Himmel gegenstandslos gemacht, indem sie mit dem Was auch das Wer aus dem Himmel ausgetrieben hat? Seit Kopernikus ist die Welt zu allem geworden, was der Fall ist, der Himmel zur reinen Verkörperung des Falls. Das Universum hat die Unterscheidung von Himmel und Erde gelöscht, Wasser und Feuer aus dem Himmel ausgetrieben: Stimmt es, daß der deutsche Name des Himmels mit dem des Hammers zusammenhängt (und das englische heaven mit heavy)?
Zum Wie: Das Hebräische kennt keinen Komparativ, keine Steigerungsformen (die die Adjektive zu einem sprachlogischen Instrument des Vergleichs machen). So gründet der Sündenfall in der Erkenntnis des Guten und Bösen (den gemeinsam mit dem Ja und Nein entsprungenen Uradjektiven). Ist das Wie der Turm, der bis zum Himmel reicht? Und ist Michael die apokalyptische Antwort auf die Intention des Sündenfalls (die im Turmbau ihr Echo findet), das Werden-wie-Gott (ist Michael nicht der deutlichste Hinweis auf den sprachlogischen Hintergrund der Apokalypse)?
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Ist die Nacktheit, das erste Objekt der Anschauung, nachdem sie vom „Angesicht“ sich löst, nachdem sie sich abwendet, die erste Antwort auf das Wie und damit der Ursprung dieser Frage? Gibt es deshalb „nackte Tatsachen“? -
4.2.1997
Dies dominica: Wer dieses Fleisch unwürdig ißt und dieses Blut unwürdig trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht.
Unterscheidet sich nicht der Feuerofen (des Nebukadnezar) von der Löwengrube (des Darius) dadurch, daß, während die Knechte schon während der Tat im Feuerofen verbrennen, die Hierarchen post festum in die Löwengrube geworfen werden?
Das Römische Reich hat die Löwengrube öffentlich gemacht, während das andere Rom, die Kirche, den Feuerofen als Scheiterhaufen in ihre Tradition mit aufgenommen hat. War nicht Auschwitz Löwengrube und Feuerofen zugleich?
Wir sind gewohnt, die Geschichten der Bibel immer im Hinblick auf eine Lehre, die wir daraus ziehen, zu lesen, auf eine moralische Nutzanwendung, während es in Wahrheit darauf ankommt, die Dramaturgie der Erzählung zu begreifen, die Erzählung aus der Perspektive des Produzenten, nicht des Konsumenten zu verstehen. Nur für den Konsumenten ist die Bibel „erbaulich“, nur dem Konsumenten (dem Zuschauer) rückt sie zwangsläufig in die Logik des Rechtfertigungszwangs, in den Bann der Objektivität des Trägheitsgesetzes, dem der Zuschauer unterliegt (unter diesem Bann wird Gnade zur Ideologie, sein Apriori ist das Nicht-Vergeben: die Verhärtung des Herzens). Der „Autor“ eines biblischen Textes – und das drückt im Begriff der „Inspiration“ sich aus – hat seinen Text nicht geschrieben, um „anderen etwas zu sagen“, sondern weil er selbst glaubte, etwas begriffen zu haben; von diesem Begreifen hoffte er, daß es vielleicht auch für andere wichtig sein könnte. Information und Unterhaltung sind der Tod der Offenbarung. Theologie als „Rede von Gott“ ist eine trübe Mischung aus Information und Unterhaltung, ist Blasphemie.
Erbauliche Erzählungen sind Erzählungen, in die man nicht mehr selber hineingeht, in denen man sich nicht mehr selbst erkennt. Erbauliche Erzählungen sind Erzählungen für andere. Das drückt dann in der „Moral der Geschichte“ sich aus. Die Bibel ist erbaulich geworden, als sie zum Objekt der Naturbeherrschung geworden ist. Was ist dann ein Roman, und was ist ein Film (welche Phase der Naturbeherrschung drückt in ihnen sich aus)?
Dem Erbaulichen liegt die Leugnung der Auferstehung zugrunde (die Rezeption der sadduzäischen Tradition).
Weshalb spricht Jesus, wenn er von sich als Menschensohn spricht, in der dritten Person? Und weshalb kommt dieser Titel nur in den Evangelien (und – anders als die Titel „Sohn Gottes“ oder „Sohn Davids“ – nur im Munde Jesu) vor?
Welches sind die Flüsse Babylons, und welche Bedeutung haben sie? Sind sie nicht die Orte der prophetisch-apokalyptischen Visionen?
Steckt im Namen Haman, der ein Agagiter war, der Name Hams? Und wer sind die Amalekiter? Wird nicht das Königtum in Israel (insbesondere das Davids) durch den Sieg über Amalek legitimiert?
Die RAF scheint in eine Entwicklungsphase zu kommen, in der sie beginnt, autistisch zu werden.
Eingedenken der Natur im Subjekt: Ist die Natur im Subjekt das Es (das Traumsubjekt) des Nebukadnezar und Adorno der moderne Daniel? -
13.1.1997
Die Existenz von Feinden ist ebensowenig zu leugnen wie die Irreversibilität der Beziehung von Oben und Unten (Begriff und Objekt), mit der sie zusammenhängt, aber man sollte durch Feinde nicht zur Feindbildlogik sich verführen lassen. Es ist diese Logik, auf deren Grundlage die Bank immer gewinnt.
Der Hellenismus war eigentlich ein Makedonismus, der aristotelische Gott, das Denken des Denkens, war das Modell der Herrschaft Alexanders.
Haben der Sündenfall und der Cherub mit dem kreisenden Flammenschwert etwas mit dem Problem des apagogischen Beweises zu tun?
Im Namen der Behörde ist die Logik des Lauschangriffs schon vorbezeichnet.
Ist vielleicht der Begriff der Privatwirtschaft erfunden worden, um sicherzustellen, daß auch wirtschaftliche Einrichtungen den Schutz der Privatsphäre für sich in Anspruch nehmen können?
Wenn „von Geburt“ genei und „von Natur“ physei heißt, heißt dann „von Natur“ nicht eigentlich „durch Zeugung“, und bezeichnet dann nicht beides einen gesellschaftlichen (einen herrschaftsgeschichtlichen, politischen, begrifflichen), nicht einen „natürlichen“ Sachverhalt (bei Paulus gibt es Unbeschnittene „von Natur“, Männer haben „von Natur“ keine langen Haare, Joseph/Barnabas, ein Levit, war „von Geburt“ ein Zyprer und Paulus war „von Geburt“ ein Römer)?
Das Konzept der Verurteilung des Faschismus wird nicht mehr lange zu halten sein (vgl. Goldhagen): Auschwitz rückt uns immer näher.
Der Jakobusbrief ist die Nabelschnur, die das Christentum mit seinem jüdischen Mutterschoß verbindet: Sie darf nicht durchschnitten werden vor dem Ende der messianischen Wehen.
Die Hegel’sche Logik ist die vollständige Entfaltung der subjektiven Formen der Anschauung, die vollständige Durchdringung der durch die subjektiven Formen der Anschauung konstituierten Objektivität. An ihrer wechselseitigen Beziehung ließe das Verhältnis der Arbeit des Begriffs zum reinen Zuschauen sich demonstrieren.
Wie unterscheidet sich das Geschehen vom Werden? Hegels Philosophie ist eine Philosophie des Werdens, während im Lichte der Fundamentalontologie sich alles ins Geschehen verwandelt. Liegt der Grund dieser Differenz in der Beziehung zur Zeit? Was bei Hegel als Werk der teleologischen Praxis, in der ich mich als der Urheber wiedererkenne, erinnert wird, ist bei Heidegger zum vergangenen Geschehen, dem ich post festum als ohnmächtiger Zuschauer beiwohne, vergegenständlicht und erstarrt. Der Begriff des Geschehens gehört zu einem Begriff der Objektivität, in dem das Subjekt nur Zuschauer und Objekt ist, nicht mehr Handelnder. Der Begriff des Geschehens erzeugt das Bild einer Welt, in der Sprache die Dinge nur noch von außen trifft (als Information und Kommunikation sich zu den Dingen draußen verhält), ihre eingreifende und ihre benennende Kraft (die miteinander zusammenhängen) verloren hat. In Heideggers Begriff des Daseins verschränkt sich das Moment des ohnmächtigen Zuschauens mit der Ohnmacht des Objekts (die Eigentlichkeit mit der Uneigentlichkeit, von der sie sich ohnehin nicht unterscheiden läßt): das Subjekt wird zum Ding und das Sein zur subjektlosen Herrschaft dessen, was ist, zum reinen Geschehen.
Im Werden werden die subjektiven Formen der Anschauung noch als subjektive Formen reflektiert, während sie im Geschehen zu einer die Objektwelt insgesamt beherrschenden, durch Reflexion nicht mehr aufzulösenden gegenständlichen Macht geworden sind. Geschehen ist vergangenes Werden, die Weltgeschichte ist das Weltgericht.
Die Feindbildlogik braucht die Schlechtigkeit der Welt, das herrschende Unrecht, zur Rechtfertigung des eigenen Böseseins, stattet sie mit dem zusätzlichen Komfort des guten Gewissens, der Unschuld aus.
Gott ist nicht der Herr der Geschichte, sondern der Erwecker der Toten. Und die Väter sind die Toten, die die Toten begraben (hier findet Tobit seine Stelle, zu dessen Geschichte der Untergang Ninives gehört). -
8.1.1997
Beitrag zur Erkenntnistheorie: Was hat der Beobachter mit dem episkopos (dem Aufseher) zu tun?
Der Beobachter blendet (durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf einen Punkt) die Wahrnehmung aus, der Aufseher (durch Abstraktion von der Gemeinschaft mit den seiner Aufsicht Unterworfenen) die Erfahrung. Die Beobachtung steht im Dienste der Selbsterhaltung, die Aufsicht in dem der Herrschaft (die Beobachtung im Dienste der Herrschaft obliegt den Geheimdiensten: wenn staatliche Institutionen in die Privatsphäre ihrer Bürger eindringen, konstituieren sie einen eigenen Privat-/Geheimbereich des Staates).
Wie verhalten sich Beobachtung und Aufsicht zur Anschauung (hat die Beobachtung <als Erfolgskontrolle des Naturforschers im Experiment oder des Unternehmers am Markt> etwas mit dem „teleologischen“, die Aufsicht <die Normenüberwachung in der verwalteten Welt> mit dem „normenregulierten“ und die Anschauung <die die moralische Gemeinschaft mit der Welt aufkündigt, sie durch die ästhetische des Anschauens ersetzt> mit dem „dramaturgischen Handeln“ zu tun)?
Auf dem Bauche sollst du kriechen, Staub sollst du fressen: Was ist das für eine Welt, die in Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns sich widerspiegelt (eine Welt, in der die Reflexion stillgestellt ist, und mit ihr die Idee eingreifender Kritik)? Und was wird aus dem, der keine andere Welt mehr kennt?
Der Name Gottes ist in den Trümmern des Himmels begraben.
Was verleiht dem Schuldverschubsystem: den Rechtfertigungszwängen und den Abwehrmechanismen, heute diese alles durchdringende Gewalt?
Gibt es nicht bei Ezechiel eine Stelle, an der von der Wahrheit des Nordens und vom Licht des Südens die Rede ist (oder war es bei Paul Celan)?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Hölle (von denen es heißt, daß sie die Kirche nicht überwältigen werden)? Sie machen die Umkehr gegenstandslos, in ihrem Kontext gibt es zur Selbsterhaltung keine Alternative mehr.
Telefonat mit B.: Wäre es möglich, die Essenz meines Textes in Thesen zu präzisieren?
– Mißverständnisse lassen sich nicht vermeiden ohne Selbstblockade,
– reflektierende Urteile sind keine dogmatischen Urteile, sie sind das Korrelat der Praxis (der Freiheit, des „Wunders in der Erscheinungswelt“) in der Theorie (eingreifende Erkenntnis);
– die abrufbare richtige Gesinnung, das verdinglichte Bekenntnis zur richtigen Theorie, schließt Gemeinheit nicht aus; Gemeinheit hat es sowohl bei den Nazis wie auch im real existierenden Sozialismus gegeben: das ist mein Thema; reflektierende Urteile sind kritisch (sie müssen es sein), aber sie sind niemals gemein: sie verurteilen nicht.
– 68er Marxismus ist zur Ideologie geworden, als er mit der Lehre vom falschen Bewußtsein die Reflexion aus der kritischen Theorie eliminierte (als er diese Lehre in eine Waffe gegen den Feind, in ein Instrument der Verurteilung verwandelte).
– Ein Begriff der Klarheit, der sich am Modell der klaren Fronten (am Innen/Außenparadigma) orientiert, ist kein Begriff der kritischen Theorie;
– nicht die Stellung im Produktionsprozeß, sondern allein das Bewußtsein davon, die Fähigkeit zur Reflexion, ist entscheidend im Hinblick auf die Wahrheit (Marx und Engels waren Großbürger, keine Proletarier; und ein Proletariat, das nicht auch die Fähigkeit der Reflexion sich zueignet, hört auf, ein revolutionäres Subjekt zu sein);
– in der gegenwärtigen Phase der politischen Ökonomie, die gekennzeichnet ist durch eine Selbstauflösung des Staates, der nach innen nur noch abstirbt, verwest, verrottet, während er nach außen zum Instrument der Verwüstung wird, ist der Staat kein „Feind“ mehr (weil er subjektlos, und damit – mit der Ablösung der Regierung durch Verwaltung – zur Brutstätte der Gemeinheit geworden ist <das ist der in den Abgrund rasende Zug>):
. Das Frontkonstrukt erzeugt den Nebel, in dem der Feind als Feind erscheint, aber dieser Feind ist auch eine Phantasmagorie, eine Projektion, ein paranoides Konstrukt.
. Durch bloße Machtübernahme ist ein Zustand, in dem die Menschheit ihrer Geschichte mächtig wird, in der sie lernt zu wissen, was sie tut, nicht mehr herbeizuführen.
– Es hilft nicht mehr, nur auf der richtigen Seite zu sein; was nottut ist: seine eigene Würde darin erkennen, selber den Kopf oben zu halten, nicht mehr Objekt zu sein (die Feindbildlogik verdrängt nur das Bewußtsein, Objekt zu sein, sie löst das Objektsein nicht nur nicht auf, sie fördert es; sie gehört zu den Beschleunigungskräfte des Zuges und zu den Mächten, die die Wahrnehmungsfähigkeit verhindern).
– Auch die Verführung durch das „gute Gewissen“, die die Feindbildlogik aus dem Feindbild bezieht, sollte nicht verharmlost werden; sie ist eine der gefährlichsten faschistischen Verführungen (die Rechtfertigung des eigenen Handelns durch das des Feindes, die Nutzung der Feindbildlogik als Mittel der moralischen Enthemmung).
Den Weltgeist begreifen, der dieses Marionettentheater inszeniert, an dessen Fäden wir agieren.
Die Weltkriege und Auschwitz waren die ersten Crash-Tests des in den Abgrund rasenden Zuges.
Die Väter sind die Repräsentanten der Außenwelt in der Familie, und sie werden zu Recht für den Zustand dieses Welt haftbar gemacht.
„Laßt die Toten ihre Toten begraben“: Ist das nicht auch ein Imperativ an die Väter? Ist nicht auch das ein Werk der Barmherzigkeit (das Werk des Tobit, der darüber blind geworden ist)?
Drei Dinge haben mich von Anfang an an der RAF irritiert:
– Sie hat dem öffentlichen kritischen Diskurs den Boden entzogen (und es gibt keine linke Theorie ohne Öffentlichkeit: das scheinen die Vertreter des Staatsschutzes besser zu wissen als die, die sich heute für Linke halten, während sie gleichzeitig den öffentlichen Diskurs fürchten);
– der grob fahrlässige Versuch, den Staat zu zwingen, sein wahres Gesicht zu zeigen; mein Eindruck war: Sie wissen nicht, wovon sie reden. Das „wahre Gesicht des Staates“ ist das faschistische, und dem vermochte auch die RAF (die den Faschismus nie begriffen hat) nichts mehr entgegenzusetzen;
– durch ihre Aktionen hat die RAF mit dazu beigetragen, dem Staat das Alibi für den Ausbau des Repressionsapparats, der heute für andere Zwecke nutzbar ist, zu liefern, die Widerstände dagegen, die unter anderen Bedingungen vielleicht doch noch mobilisierbar gewesen wären, abzubauen. Das kritische Potential, das aufgrund der Erinnerung an den Faschismus vorhanden war und mobilisierbar gewesen wäre, wurde verdrängt, neutralisiert und auf ungefährlichere Objekte verschoben: von der ökonomischen Reflexion auf die Ökologie und auf die Friedensbewegung (Konkretismus, Flucht ins gute Gewissen).
Urteilsmagie: Daß einer für oder gegen etwas ist, ist noch keine Garantie dafür, daß er dazu beiträgt, daß die Dinge in die Richtung bewegt werden, in die er sie gerne bringen möchte. Es kommt nicht darauf an, daß auf Worte Taten folgen, sondern daß die Worte selber zu Taten werden, und die Theorie zur eingreifenden Gewalt.
Ist nicht die RAF in den Wiederholungszwang geraten, der sie dazu bringt, die Argumente ihrer Väter, gegen die sie einmal aufbegehrt hat, zu reproduzieren, wenn sie ihren Kritikern entgegenhält, daß sie die Risiken des Handelns gescheut und sich nur herausgehalten hätten; so hätten sie das Recht zur Kritik verspielt. Ähnlich haben ihre Väter auf die Faschismuskritik reagiert: Ihr habt’s nicht miterlebt, ihr könnt nicht mitreden. (Es gibt noch andere Beispiele: so erinnert das Wort vom Verrat der eigenen Geschichte an das Argument der Nestbeschmutzung, der Hinweis auf die schlimmeren Taten der Herrschenden an den Vergleich von Auschwitz mit Hiroshima und Dresden. Hierher gehört auch der Antizionismus und die weithin unreflektierte, die geschichtlichen Voraussetzungen ausblendende Parteinahme für den palästinensischen Widerstand.)
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie