Auschwitz

  • 26.8.1994

    Der christliche Liebesbegriff hängt mit dem Selbstmitleid, dem Exkulpationstrieb, zusammen: Geliebt werden möchte, wer sich schuldig fühlt.
    Liberum arbitrium und Inertialsystem: Mit dem liberum arbitrium wurde die Idee der Freiheit der Kinder Gottes durch den Begriff der Wahlfreiheit ersetzt, der Name durch den Begriff. (Wahlfreiheit ist Freiheit im Schuldzusammenhang, nicht die Lösung aus seinen Verstrickungen oder gar dessen Auflösung).
    Es ist ein Unterschied ums Ganze, ob Gesellschaftskritik als Instrument der Exkulpationsstrategien genutzt wird oder als Mittel der Selbst-, der Schuldreflexion . Wie hängt das Selbst mit der Erbschuld zusammen (ist nicht das Subjekt das der Schuld)? Auch hier gilt: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr.
    Verweist die Beziehung des Drachen in der Apokalypse zu den beiden Tieren (aus dem Meere und vom Lande) auf die Trinitätslehre (auf das, was aus der Trinitätslehre im Kontext des verdinglichten Bewußtseins geworden ist)? Ist nicht das Tier aus dem Meere „gleichen Wesens“ wie der Drache (es hat zehn Hörner und sieben Köpfe; nur daß das Tier Kronen auf seinen Hörnern, und auf seinen Köpfen, auf denen der Drache Kronen hat, gotteslästerliche Namen hat); das Tier vom Lande hingegen spricht „wie ein Drache“?
    War nicht der Faschismus der Modernisierungsschub, der die Moderne in die Postmoderne befördert hat? Kann man die Todesstrafe abschaffen, wenn sie in den Metastasen von Auschwitz ungeregelt und wildwachsend, fast schon nicht mehr kontrollierbar, fortlebt? Man hat die Todesstrafe abgeschafft, begeht aber zugleich aus Angst vor dem Tode Selbstmord (ähnlich wie heute aus Angst vor dem Fundamentalismus die religiöse Tradition verdrängt wird).
    Hat die Geschichte von dem einen und den sieben unreinen Geistern etwas mit dem Zeitbegriff zu tun, dessen Einheit heute zu Protest geht? Kann es sein, daß Erinnerungsarbeit statt auf die eine auf sieben Vergangenheiten sich bezieht (Prinzip der Hegel-Kritik)?
    In der Geschichte von dem einen und den sieben unreinen Geistern steckt auch die Geschichte der Beziehung von Bekehrung und Umkehr (vgl. das Verhältnis von Petrus und Maria Magdalena).
    Das Inertialsystem (und sein sprachliches Korrelat: die indogermanische Sprachlogik/Grammatik) steht unter dem Diktat des linearen Zeitverständnisses (der homogenen Zeitvorstellung), sie ist das Produkt der Selbstentfaltung der Logik der Schrift (was für mich vergangen ist, ist an sich vergangen). Ist nicht das Dogma und die Bekenntnislogik auch ein Teil des Inertialsystems?
    Die Beziehung der Geschichte der „Verweltlichung der Welt“ zur Theologie drückt sich nicht in dem „Ja und Amen“, sondern in dem „Seid klug wie die Schlangen“ aus, allerdings mit der Ergänzung: „und arglos wie die Tauben“. Es genügt nicht, daß heute – nach einer Bemerkung Adornos – jeder Katholik schon so schlau ist wie früher bloß ein Kardinal; es käme darauf an, daß die Kirche sich selbst von der Paranoia, der sie zu verfallen droht, befreit.
    Haben die Deutschen den Völkern den Namen geraubt, indem sie sie zu Heiden machten, um dahinter ihr eigenes Heidnisches: ihr Völkisches, ihr Deutsches, verstecken zu können.
    Die Rache der Virgo am Confessor: Spielt das nicht auch in die Beziehung von Luise Rinser zu Karl Rahner mit herein? Stammt nicht der Stoff zu „Mirjam“ aus dieser Beziehung? Erinnert das Ansinnen Luise Rinsers an Karl Rahner, sie gegen Kritik zu verteidigen, nicht auch an die ungeheure Last, die den Frauen mit dem Symbol der Virgo aufgebürdet worden ist? Die Männer, die Confessores, hatten auch als Heilige noch das Recht, schuldig werden zu dürfen; die Frauen waren dazu verurteilt, unschuldig bleiben zu müssen. Und wenn Frauen – anders als die einzige Maria nach dem Dogma – als Mütter keine Virgines bleiben konnten, so sollten doch wenigstens stellvertretend ihre zölibatären Söhne, die Priester, es sein. Wurde nicht in der Dreiecks-Geschichte zwischen Luise Rinser, Karl Rahner und dem Benediktiner-Abt unbewußt und hilflos ein symbolisches Drama aus dem Fundus der katholischen Sexual-Theologie ausagiert?
    Sexualmoral und Heuchelei: In einer Konstellation, in der der Grundsatz gilt, daß man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen – und das ist die Konstellation, in der die Bekenntnislogik gründet -, sind die Männer „fein heraus“: Sie können „es“ tun, weil sie keine Gefahr laufen, erwischt zu werden, während die Frauen gleichsam von Natur dazu verurteilt sind, daß die Folgen ihres Tuns öffentlich werden. Hat die Verschiebung des Naturbegriffs von der physis zur natura, von der Zeugung zur Geburt (von der Philosophie zum Recht), etwas mit dieser Konstellation zu tun?
    Haben die Christen nicht seit je den Kreuzestod mit dem hakeldama verwechselt? (Die schrecklichen Folgen des Worts „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“, das infam und zur Mordparole geworden ist, als Christen wider die Logik der Moral davon glaubten Gebrauch machen zu dürfen.)
    Die Schicksalsidee ist das Echo des Himmels auf das Blut, das vom Acker nach Rache schreit. Die der Schicksalsidee zugrunde liegende Rachelogik ist durch den Weltbegriff neutralisiert und universalisiert worden (vgl. die griechische Deklinations-Logik). Die logischen Zwischenglieder sind an der Urgeschichte der Philosophie abzulesen (insbesondere an den Begriffen Natur, Ursache, Materie). Diese Logik war mit dem Weltbegriff mitgesetzt; es war das Verhängnis der christlichen Theologie, daß sie unfähig war, diese Logik zu begreifen, zu durchschauen, als sie mit der Rezeption des Weltbegriffs ihr Opfer geworden ist. In diesem Kontext ist die Opfertheologie zum projektiven Kern der dogmatischen Theologie geworden.
    Lassen sich nicht die drei Phasen der Geschichte der Theologie, die den drei Leugnungen entsprechen, als Rechtfertigungsphasen begreifen, die nacheinander am Staat (Vätertheologie), an der Welt (Scholastik, die die Kirche als Weltkirche begründet hat) und am Subjekt (in der Trennung der Religion von der Aufklärung und der Konfessionalisierung der Religion) sich abarbeiteten? Die letzte Phase ist die der Selbstverfluchung der Kirche.
    Zu den Voraussetzungen der Bekenntnislogik gehört der Rechtfertigungszwang (der geschichtlich sich vom Staat auf den Weltbegriff und schließlich aufs Subjekt verlagert).
    Die Theologie der Kirchenväter ist politische Theologie auch dort, wie sie kein Bewußtsein darüber hat.

  • 11.8.1994

    Wie verhalten sich das Beschaffen und die Beschaffenheit zum Erschaffen?
    Wer hat eigentlich aus der kantischen Erkenntnis, daß das An sich der Dinge unerkennbar ist, die Dinge-an-sich gemacht? Diese Bezeichnung aus der Hegelschen Logik kommt so bei Kant nicht vor.
    Ist die Eucharistie-Verehrung, ihr Öffentlichkeitscharakter, die Quelle des Barock, und das Barock der Ursprung der Reklame? Hängt es damit zusammen, wenn – Adorno zufolge – die Reklame den Tod verschweigt?
    Fronleichnam, oder über das Verhältnis der Dinge an sich zu den Formen der Anschauung (Transsubstantiation; praestet fides supplementum, sensuum defectui).
    Ist nicht Kants Philosophie eine Fronleichnams-Philosophie: Im Kontext der Anschauung sind die Dinge an sich selbst nicht erkennbar.
    Was drückt sich in für die Portrait-Malerei konstitutiven Unterscheidung des en face vom Profil aus? – Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung finden beide Sichtweisen Anwendung. Hat die Seitenansicht, das Profil, mit dem Charakter und der Individualität zu tun, während das „Angesicht“ (der Anblick von vorn) auf das Verhältnis von Strenge und Güte verweist.
    Die diskriminierende Judentracht (der Judenhut und der gelbe Fleck) ist in der gleichen Phase eingeführt worden, in der die Lehre vom Fegefeuer feste Strukturen gewann (1180/1190). War nicht das Fegefeuer in der Realität eines für die Juden? Und ist nicht auch in dieser Hinsicht die Lehre vom Fegefeuer durch Auschwitz, das die Hölle war, widerlegt worden?
    Nach Einstein ist die Vorstellung eines unendlichen Raumes nicht mehr zu halten. Und die kantischen Antinomien der reinen Vernunft, gegen die Hegel alle List der Vernunft aufbringen muß, um diese Spur zu tilgen: sind sie nicht der erste Hinweis in der Philosophie auf die sieben Siegel?
    Ist mit der Vorstellung der Tiefenzeit nicht eigentlich die Zukunft (und nicht die Vergangenheit) gemeint? Sie soll die Nähe des Himmelreichs aus dem Blickfeld rücken. Die Vorstellung der Tiefenzeit ist ein Konstituens der Vorstellung des unendlichen Raumes: des Kelches, dessen Inhalt das All geworden ist (endet nicht die Phänomenologie des Geistes mit dem Hinweis auf den Kelch?).
    Mit der kopernikanischen Wende haben wir den Kelch wirklich getrunken.
    Beim Abendmahl waren nur seine Jünger und keine Frauen anwesend. Kann das damit zusammenhängen, daß der Kelch nur für den männlichen Teil der Jüngerschaft bestimmt war, während den Frauen die Salbung zugesprochen wurde?
    Kann man heute noch an einen Gott glauben, der uns freispricht, der uns rechtfertigt, ohne daß die Welt sich ändert?
    Sind nicht alle logischen und metaphysischen Kategorien, ist nicht die ganze Hegelsche Logik determiniert durch die Logik der Schrift?
    Wie hängt der Ursprung des Neutrum mit der Neutralisierung der Geschlechtsbezogenheit der zweiten Person zusammen? Liegt hier nicht der grammatische Ursprung der Hysterie?
    „Spruch des Herrn“: In diesem Wort benennt sich Gott: das Wort Gottes. Und dieses Wort ist der Blitz in den Wolken der Logik der Schrift.
    Die Logik der Schrift zerstört den Namen durch Neutralisierung. Grund dieser Neutralisierung ist die veränderte Beziehung der Schrift zu Zeit: das Verschwinden der Gegenwart. Darauf bezieht sich das Bilderverbot und das Gebot der Heiligung des Gottesnamens.
    Liegt der paulinischen Theologie nicht die Saulus-Geschichte zugrunde, wird sie nicht in dem Namenswechsel Saulus/Paulus so zitiert, als ob Rom (Paulus) das Erbe des Saulus antritt?

  • 10.8.1994

    Zur Begründung der Lehre vom Fegefeuer gehört es, daß aus dem Satz über die Sünde wider den Heiligen Geist (daß diese Sünde weder in dieser noch in der künftigen Welt vergeben werde) der Schluß gezogen wird: also gibt es eine „Vergebung in der künftigen Welt“. Ist dieser Schluß eigentlich zulässig? Und welche Rückwirkungen hat er auf das Verständnis des Satzes, aus dem er geschlossen wird? Kann es sein, daß der Nebeneffekt, das Wort über die Sünde wider den Heiligen Geist zu verwirren, gar nicht so unerwünscht war? Gehört nicht diese Verwirrung zu den Geschäftsgrundlagen der Kirchen?
    Nach Auschwitz scheint der katholische Mythos, dessen Ausgestaltung (von der Ohrenbeichte über die Eucharistie-Verehrung bis hin zum Zölibat) zu den Bedingungen der Geburt des Fegefeuers gehörten, insgesamt obsolet geworden zu sein.
    Im Krieg haben die Katholiken in dem Judenmord der Nazis nicht die eigene Verstrickung in diese Tat, sondern nur das empirische Modell dessen, was ihnen selbst nach dem Kriege drohte, wahrgenommen. Nicht das Entsetzen über die Tat, sondern die Angst vor einem vergleichbaren eigenen Schicksal und das Gefühl, noch einmal davongekommen zu sein, bestimmte das katholische Nachkriegs-Bewußtsein in Deutschland.
    Und Auschwitz wirkte nach: Die Unfähigkeit, die Toten von Auschwitz in das durch die Lehre vom Fegefeuer (und durch Allerseelen) definierte Verhältnis zu den Verstorbenen mit hereinzunehmen, hat der Lehre vom Fegefeuer den Garaus gemacht; sie hat damit zugleich den gesamten Mythos implodieren lassen: Er ist in einem schwarzen Loch verschwunden. Der verzweifelte Versuch, die letzten Bastionen (das Zölibat und die verfaulenden Reste der kirchlichen Sexualmoral) noch zu halten, scheint nur dann noch gelingen zu können, wenn das, woran der Mythos einmal erinnerte, der Grund, aus dem er hervorgegangen ist, endgültig preisgegeben wird.
    Zu Hegels Logik: – In welcher Beziehung steht die Begriffspaare Form und Materie, Form und Inhalt, zum Symbol des Kelchs? Ist nicht die erste Form die kantische „subjektive Form der äußeren Anschauung“, die des Raumes, die alles andere zum „Inhalt“ macht (und für den Raum ist alles, was nicht Raum ist, das Andere des Raumes: sein Inhalt)? – Was ist der Inhalt des Kelches: die Trunkenheit (der Inhalt des Taumelbechers), der göttliche Zorn, der Wein und das Blut (die Todesangst in Getsemane), die Unzucht. – Und in welcher Beziehung stehen sie zur Logik der Schrift? Jedes Buch hat einen Inhalt, ähnlich dem Behälter, dem Krug, dem Kelch, dem Raum (dem Lager, Magazin, aber auch dem Tempel, der sowohl den Tempelschatz, die Vorräte, als auch in seinem Zentrum, im Allerheiligsten, den Namen Gottes oder sein Bild enthielt: im Tempel wurde die Schrift er-/gefunden). Die Logik der Schrift konstituiert sich in einer Konstellation von – Tempelreligion (Opferdienst und Vergegenständlichung Gottes, Ursprung des Geldes und der Schrift), – Ästhetisierung, – Vergegenständlichung (das Objekt gründet im Seitenblick, ebenso die Reversibilität der Richtungen im Raum, die Äquivalenz des Positiven und Negativen, die Vorstellung eines linearen Zeikontinuums, Konstituierung der Geschichte durch Vergegenständlichung des Vergangenen), – Abstraktion (die Unterscheidung von Nomen und Verb, Subjekt und Prädikat), – Neutralisierung der Dinge, Trennung von Natur und Welt (Ursprung des Weltbegriffs), – Privateigentum, Recht und Staat. Der Raum als die Form der Gleichzeitigkeit (der Synchronie) enthält in seinen Richtungen das Bild der Zeit, das (in der Reversibilität der Richtungen im Raum und in der Unendlichkeit ihrer Ausdehnung) die Totalität der Vergangenheit und der Zukunft mathematisch abbildet. Jeder Punkt im Raum ist das Denkmal einer unendlichen Vergangenheit und Zukunft.
    Was ist der Unterschied zwischen Tafel, Rolle und Buch?

  • 9.8.1994

    Die Trennung von Natur und Welt ist die Folge (das Ergebnis) des Durchschlagens des gordischen Knotens (des Knotens, der Joch und Deichsel des Ochsenkarrens verband). Durch diese Trennung wurde der Knoten festgezurrt, nicht gelöst. Ist Natur das Joch, die Welt die Deichsel? Nachdem der Knoten durchschlagen wurde, ist er nicht mehr einfach, sondern nur noch siebenfach zu lösen (Lösung der sieben Siegel, Befreiung von den sieben unreinen Geistern).
    Das Feuer ist die Grenze zwischen dem Inertialsystem und dem Wort (der Erfüllung des Worts), während das Wasser die Grenze zwischen dem mythischen Wort und der philosophischen Aufklärung (zwischen Mythos und Philosophie) war. Nach dem Licht des ersten Tags schuf Gott am zweiten Tag die Feste, die die oberen von den unteren Wassern trennt, und nannte sie Himmel. An dieser Feste befestigte er am vierten Tag die Leuchten.
    Zur Logik der Schrift: Das Problem des Autors ist ein Eigentumsproblem (das Prioritätsproblem und das Problem des Plagiats). Schrift gibt es erst in einer Privateigentumsgesellschaft (und die Prophetie rührt von innen, die Apokalypse von außen an die Grenze der Logik der Schrift; deshalb gehört zur Prophetie die Schöpfungslehre und zur Apokalypse die Vorstellung des Weltuntergangs).
    Zur Kritik des Naturbegriffs: Die Orthodoxie spricht das innere Geheimnis des Naturbegriffs aus. Das deus sive natura ist eine innere Konsequenz aus einer von der Bekenntnislogik beherrschten Theologie. Der Ursprung der Herz-Jesu-Verehrung fällt in die gleiche Phase wie die Einführung der Ohrenbeichte, des Zölibats, die Geburt des Fegefeuers, der Ursprung der Eucharistie-Verehrung.
    Hängt die Geburt des Fegefeuers zusammen mit dem neuen Bild der Maria Magdalena (der Büßerin)? Ist das Fegefeuer nicht ein Beleg dafür, was aus der Umkehr wird, wenn sie zur Buße verfälscht wird (wenn die Umkehr selber aus dem Blickfeld gerät)? Ist das Fegefeuer nicht nach Auschwitz obsolet geworden (wie es tatsächlich aus der kirchlichen Frömmigkeit verschwunden ist)? Wenn in der Apokalypse Paulus das Tier vom Lande ist, wer ist dann Petrus?
    In der Passionsgeschichte sind die Jünger geflohen, hat Petrus den Herrn dreimal verleugnet, nur die Frauen haben standgehalten.
    Geht nicht dem „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“ ein Verschließen der Augen (ein Verschließen des „Gesichts“) voraus? Orion und die Plejaden: das Siebengestirn wird gebunden, die Fesseln des Orion werden gelöst (Hiob 3831)?
    Die Unterscheidung Seines Bildes von dem Bilde Gottes bei der Erschaffung des Menschen: Ist das nicht schon die Unterscheidung der Juden und der Heiden (die Trennung der Prophetie von der Philosophie), und hängt das nicht mit der Trennung der Wasser unterhalb und oberhalb der Feste zusammen? Aber wäre dann nicht die Philosophie in der Tat der mystische Leib Christi?
    Hat die Kirche in der Eucharistie nicht die Barmherzigkeit wieder zurückgestaut ins Opfer? Ist nicht der christliche Begriff der Liebe ein blasphemischer Versuch, die Barmherzigkeit von der Gerechtigkeit zu trennen: eine Religion ohne Gottesfurcht zu etablieren? Und liegt das nicht in der Konsequenz des Konzepts von der Entsühnung der Welt?
    Die Ambivalenz der christlichen Tradition rührt daher, daß sie sowohl als Instrument der fortschreitenden Naturbeherrschung sich erwiesen hat als auch als Mittel ihrer Reflexion.

  • 2.8.1994

    Hitler war nicht der Antichrist, vielleicht die Generalprobe, das aber nicht als Person, sondern als Repräsentant und Vollstrecker des Weltgeistes, denn der ist der Drache. Die Orthogonalität transponiert die Linearität der Zeit von der Vergangenheit in die Zukunft. Das Relativitätsprinzip stellt die Äquivalenz her zwischen Objektbewegungen und Bewegungen des Raumes in sich selber. Das Sein, die Kopula, ist der Repräsentant der Orthogonalität (des Andersseins) in der Sprache. Vergewaltigung: Ist das Inertialsystem nicht obszön, und ist es nicht zugleich ein Produkt neutralisierter und verdrängter Mordphantasien (das Inertialsystem ist in der gleichen Zeit „entdeckt“ worden wie die nackten Wilden, die „Kannibalen“: Projektion der Eucharistie-Verehrung)? Zum Moment der Frauenfeindschaft in der Bekenntnislogik: Hängt das nicht zusammen damit, daß die Umkehr von den Verheißungen getrennt und so zur Buße gemacht worden ist? Und war es nicht dieser Begriff der Buße, der die Barmherzigkeit zur Hysterie und die Umkehr zur Vergewaltigung gemacht hat? Kritik des Dogmas: Gilt das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ auch im Hinblick auf Auschwitz? Die Frage nach der (allgemeinen) Geltung dieses Satzes ist unsinnig, da nur die Opfer ihn sagen könnten, die Täter aber keinen Anspruch darauf, daß ihnen die Opfer vergeben, geltend machen können; sie scheitert an der Asymmetrie des ihm zugrunde liegenden Sachverhalts. Aber ist dieser logische Schnitzer nicht die Geschäftsgrundlage einer Theologie, die glaubt, die Wahrheit zum Gegenstand von Urteilen machen (sie in Dogmen fassen) zu können; ist er nicht die Geschäftsgrundlage einer Theologie hinter dem Rücken Gottes? Und ist nicht die Asymmetrie in der Sache der Grund dafür, daß heute jede Alternative zu einer Theologie im Angesicht Gottes versperrt ist?

  • 6.7.1994

    Sind die „Wolken des Himmels“, auf denen der Menschensohn kommen wird, der Beginn der Trennung von Wasser und Feuer, und ist das Bild von dem wie eine Buchrolle sich aufrollenden Himmel ein anderes Bild für diese Trennung?
    Das „es werde“ und das „es ward“ des ersten Schöpfungstages wird im Text durch das gleiche Wort (und die gleiche grammatische Form dieses Wortes) bezeichnet. Es kann demnach auch heißen: Gott sprach: es ward Licht, und: es werde Licht. Während die übliche Übersetzung mit der (auch zeitlichen) Abfolge von Befehl und Vollzug, Ausdruck absoluter Souveränität ist, bleibt die Möglichkeit offen, ob der Schöpfungsbericht (nicht nur in seinem Anfang: wüst und leer, Finsternis über dem Abgrund, der Geist Gottes über den Wassern) genauer als eine Abfolge von Katastrophe und Rettung zu begreifen wäre.
    Die Lehre von der Auferstehung ist in der Schöpfung im Namen des Himmels symbolisiert.
    Hat nicht die Kollektivscham Auschwitz in die Vergangenheit verbannt, an die Stelle der Gegenwart von Auschwitz die Gegenwart der „Welt“ (der Siegermächte), vor denen die Deutschen sich zu schämen haben, gerückt? Ist Kohls „Versöhnung über Gräbern“ nicht eine Konsequenz aus der Logik der Kollektivscham?
    Jede Scham bezieht sich auf ein vergangenes Ereignis und verhindert (im Gegensatz zur Schuld) geradezu seine Erinnerung und produktive Verarbeitung. Sie unterliegt darüber hinaus sogar der Gefahr der Instrumentalisierung im Schuldverschubsystem: der Erpressung des Täters, auf dessen „Vergebung“ der sich Schämende Ansprüche geltend zu machen sich ermächtigt glaubt: er hat mit der Scham doch seine Vorleistung erbracht. Die Scham ist einerseits peinlich, andererseits aber auch wieder nützlich: Man will gar nicht mehr über die Scham hinaus, da sie als Mittel der Stabilisierung der exkulpierenden Logik des Weltbegriffs (der endgültigen Säkularisierung des theologischen Erbes im Säkularisationsprozeß) sich erweist.
    Sie waren nackt, aber sie schämten sich nicht. Das heißt: sie waren frei.
    Takt ist die Fähigkeit, dem andern die Wahrheit zu sagen, ohne ihn zu beschämen. Insofern ist die gesamte Dogmengeschichte zwar nicht scham-, wohl aber taktlos: Sie verletzt das Keuschheitsgebot.
    Hat Taktik etwas mit Takt zu tun (als die List der Instrumentalisierung des Takts, durch die er zur Gemeinheit wird)? Und ist nicht die Gemeinheit die idealistisch (oder zum Selbstzweck, zum Absoluten) gewordene Taktik?
    Es gibt ein Besehen, Betasten, Befühlen, aber es gibt kein Behören (wohl eine Behörde). Was hat das Sich verhören mit dem Verhör (jemanden verhören) zu tun?
    Hegel, oder der falsche Prophet: Die Prophetie ist ihre Zeit in Gedanken gefaßt, aber im Gegensatz zur Philosophie ist dieser Gedanke bis heute uneingelöst.
    Fußball ist ein Zuschauerspiel: Der Zuschauer braucht (aufgrund seiner konstitutionellen Ohnmacht und Nichtexistenz) die Realimagination des Sieges. Etwas von der Qualität des Siegers geht (durch den magischen Mechanismus des Schuldverschubsystems) vom Spiel auf den Zuschauer über. Wer nicht zu den Gewinnern gehört, ist „weg vom Fenster“: Dieses Fenster ist das Schaufenster oder die Mattscheibe des Fernsehers, jedenfalls die absolute Trennwand, die den Zuschauenden vom Handelnden, oder – ihrem eigenen Bewußtsein nach – heute alle vom „wirklichen Leben“ (das im Fernsehen wie in den unzugänglichen und unerreichbaren Bereichen der Gesellschaft stattfindet) trennt. Dieses Fenster entscheidet darüber, auf welcher Seite einer steht. Sport als Liturgie: Steht der Zuschauersport nicht in der Tradition des Meßopfers und der öffentlichen Hinrichtungen, den traditionellen Herrschaftsliturgien?

  • 27.6.1994

    Gründet der sprachlogische Unterschied zwischen den indogermanischen und den semitischen Sprachen (der Ursprung des Neutrum, der in der biblischen Tradition im Bild der Schlange vorgestellt wird) in der Logik der Schrift? Und wie hängt die „Erfindung der Schrift“ mit dem Turmbau zu Babel zusammen? Hat die babylonische Sprachverwirrung – etwas mit dem Namen des Teufels (des diabolos, des Verwirrers) zu tun und – bezeichnet sie nicht eher eine neue logische Struktur der Sprache als die Ablösung der Sprachen von einer gemeinsamen Ursprache und ihre endgültige Trennung in verschiedene Sprachen? Bezieht sie sich damit nicht auf den Ursprungsakt des Indogermanischen: den Ursprung des Neutrum? Und ist die „Verwirrung“ nicht der Ursprungsort des Schuldverschubsystems im Kern der Srpachlogik: symbolisiert im Kelchsymbol, in der Trunkenheit, im Taumelbecher (Geld, Bekenntnis, Inertialsystem)? Der Staat, die Familie und das Privateigentum gründen in der Logik der Schrift (und darauf beziehen sich die drei evangelischen Räte). Hat der Satz, daß die Gotteserkenntnis am Ende die Erde erfüllen wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken, etwas mit dem Thalesschen „Alles ist Wasser“ zu tun? Auch beim Exodus aus dem Sklavenhaus des Begriffs werden die Erstgeburten der Ägypter getötet und die Schätze der Ägypter geraubt. Die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft ist der Grund, aus dem die drei Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt hervorgehen. Repräsentiert nicht das Präfix be- das „hinter dem Rücken“ (bekehren, bekennen, bearbeiten), und gehört es damit nicht zur Ursprungsgeschichte des Neutrums? Und liegt hier nicht der Grund für seine Verwendung als Infinitiv von Sein im Englischen (vgl. Rosenzweigs Hinweis auf die „verandernde Kraft“ des Seins)? Das Hinter dem Rücken ist eine Emanation der Finsternis. Dieser Satz hängt zusammen mit der Objektdefinition (Inbegriff der Nächte, der Finsternisse, die die Schöpfungstage von einander trennen). Was bedeutet im Judas-Brief (wer ist sein Verfasser?) die merkwürdige Stelle, wonach Michael und Luzifer sich um den Leichnam des Moses streiten, und ist diese Stelle eigentlich wirklich damit erledigt, daß man ihre Herkunft angeben kann (nach Origenes aus dem apokryphen Buch „Die Himmelfahrt des Mose“)? Werden nicht durch die Judas-Zitate auch diese „Himmelfahrt des Mose“ und die Henoch-Apokalypse wichtig? Vor allem: Wen repräsentieren hier Michael und Luzifer? Die Dogmengeschichte ist die Geschichte der fortschreitenden Abstraktion vom Zeitkern der Wahrheit (ihrer fortschreitenden „Ent-Prophetisierung“). Diese Geschichte fällt unter das Wort „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“. Das im wörtlichen Sinne „Verrückte“ an der Hegelschen Philosophie liegt darin, daß er in dieser Geschichte der Abstraktion vom Zeitkern der Wahrheit selber wiederum einen Zeitkern entdeckt hat. Das Fernsehen als Säkularisation von Platos Höhlengleichnis. Zu den Summenzahlen: 153 liegt 3×6-1 zugrunde, 276: 4×6-1, und 666: 6×6. Sind Merkur und Venus Sonnenplaneten, Mars, Jupiter und Saturn Mondplaneten? Philosophie als „Eingedenken der Natur“: Läuft das nicht auf den Versuch hinaus, den Wahnsinn, dem die Bewußtseinsgeschichte zusteuert, von innen aufzusprengen? Die Anwendung des Wortes vom Binden und Lösen auf die kirchliche Bußpraxis, auf das Sakrament der Beichte, hat die Logik des Rechts zur Grundlage der Sündenvergebung gemacht, wobei das Grundproblem des Rechts (Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: das Problem der Heuchelei, das Beweisbarkeitsproblem in jeder Urteilslogik) das theologische Verständnis des Bußsakraments nicht unberührt gelassen hat. Hier liegt der Grund für die Probleme, die heute so viele Katholiken mit der Beichte haben (daß das Schuldproblem, das im Namen von Auschwitz sich anzeigt, im Bußsakrament nicht faßbar ist und nicht gelöst wird).

  • 20.5.1994

    Die Systemkonstrukte der Philosophie (Neuscholastik: Metaphysik, Erkenntnistheorie, Ethik; Kant/Cohen: Logik, Ästhetik, Ethik; Hegel: Logik, Naturphilosophie, Philosophie des Geistes) lassen aus den Varianten der Urteilsform, aus einem logischen Grundmodell, sich herleiten. Die Neuscholastik geht aus von einer verdinglichten, dem Urteil äußerlichen Dingwelt; Kant verwandelt sich die Welt in eine durch die apriorische, verdinglichte Urteilsform vermittelte Welt der Erscheinungen; Hegels Philosophie ist das Resultat der Selbstreflexion des Dingbegriffs und der Urteilsform.
    Das Problem liegt in der kantischen „transzendentalen Ästhetik“; deren Reflexion wird gehemmt, wenn nicht verhindert, durch ihre exkulpatorische Funktion: Sie schirmt das Subjekt ab gegen den Abgrund des Mythos.
    Das Rosenzweigsche „und“ schließt die Idee des Absoluten aus (widerlegt die Idee des Absoluten).
    Zu den drei Grundstückskäufen:
    – Abraham kauft das Grundstück/die Höhle Makpela von dem Hethiter Ephron (Gen 23),
    – Jakob kauft ein Grundstück bei Sichem von den von den Söhnen Hamors (Gen 3319),
    – David kauft die Tenne des Jebusiters Arauna (2 Sam 2418).
    Der Kauf erfolgte
    – als Erbgrundstück für das Begräbnis Saras,
    – für die Errichtung eines „Malsteins“ und den Bau eines Altars („El, Gott Israels“),
    – für den Bau eines Altars, um der Seuche im Volke Einhalt zu gebieten (an der gleichen Stelle, an der auch die „Bindung Isaaks stattgefunden hatte, erbaute dann Salomon dem Herrn einen Tempel – Gen 222, 2 Chr 31).
    Ist nicht die Philosophie, die sich in der Prophetie wiedererkennt, die Erfüllung sowohl der Philosophie wie auch der Prophetie?
    Nach Auschwitz sind gesellschaftliche Naturkatastrophen nicht mehr undenkbar, aber auch die Vorstellung, daß Rechtfertigungszwänge und Legitimationsbedürfnisse die Fälschung der Erinnerung (auch der historischen Erinnerung) begründen können (Problem der Chronologie, der Fälschungen im Mittelalter, aber auch des logisch überdeterminierten Versuchs, synchrone Ereignisse in diachrone umzuformen: entspricht nicht die Logik der Evolution und der Tiefenzeit der Logik der Selbstbegründung des Inertialsystems)? Ist der Verdacht so unbegründet, daß die heute herrschenden wissenschaftliche Anschauungen zur Astronomie und zur Vorgeschichte (Orientalistik, Evolutionstheorie, Geologie) eines Tages als projektive Konstrukte eines universalen Exkulpationstriebs sich erweisen werden (gleichsam als Parodie auf die Umformung einer symbolischen in eine zeitliche Folge in der Bibel: Abraham, Moses, David)? Vgl. hierzu Rosenzweigs Konstrukt einer prophetischen Beziehung der „Vorwelt“ (des Mythos, der Philosophie) zu ihrer Erfüllung in der „allzeit erneuerten Welt“ der Theologie, der Schöpfung/ Offenbarung/ Erlösung (die Philosophie als Prophetie der Prophetie).
    Die Offenbarung ist die Kontraposition zur Verdrängungsgeschichte, während die Philosophie zu ihren Stabilisatoren gehört (Begriff der Barbaren, der Natur und der Materie).
    Das Feuer, die Scham, die Gattung und der Tod. Aber: „Stark wie der Tod ist die Liebe“.
    Empfindung und Selbstmitleid: Produkte der verinnerlichten Scham (der Trennung von Ding und Sache). Die Empfindung ist der Tod der Sensibilität.
    Die Kritik der Naturwissenschaften müßte in einer Theorie des Feuers sich erfüllen, und das in einem sehr physikalischen Sinne: Sie müßte einschließen die Lösung des Rätsels der Planckschen Strahlungsformel (die diese Theorie des Feuers bereits enthält), und in der Folge daraus der Mikrophysik und ihrer Konstanten insgesamt. Sie müßte auch mit einschließen die Auflösung des „Himmels“-Problems (im hebräischen Namen des Himmels ist der des Feuers enthalten), das auf die Logik der Scham (der Erkenntnis der Nackheit, der Selbsterfahrung im Blick der Andern, der Konstituierung der farbigen Außenseite der Dinge, der Beziehung des Begriffs der Barbaren zum Namen der Hebräer, des brennenden Dornbuschs als „brennende Innenerfahrung“ des Profanen) zurückweist. Auf die gleiche Logik der Scham, die die subjektive Form der äußeren Anschauung, die Selbstbegründung der Raumvorstellung, als Verdrängungs- und Exkulpationslogik determiniert (der Raum tabuisiert die Scham durch Abstraktion vom Gesehenwerden). Die im naturwissenschaftlichen Objektbegriff (dem Grund und Modell des wissenschaftlichen Objektbegriffs überhaupt) institutionalisierte aufgedeckte Blöße tabuisiert die Scham: zurück bleibt nur das Brennen. Das Feuer der Hölle ist der mythische Ausdruck der brennenden Scham; der Anblick dieses Leidens, der nach theologischer Tradition zur seligen Anschauung Gottes dazugehört, ist in der Tat durch den Begriff der Anschauung Gottes determiniert (der die Abstraktion vom Gesehenwerden mit einschließt: und die Scham, die Gottesfurcht, als ein unlöschbares Feuer in die Hölle projiziert; mit der Gottesfurcht wurden die Juden in die Hölle projiziert; so wurde in den Juden die Gottesfurcht, in den Hexen die göttliche Barmherzigkeit verbrannt). Wie hängt das Lukacs’sche „Grand Hotel Abgrund“ (Theorie des Romans, S. 17) mit der augustinisch-thomistischen Tradition der kirchlichen Seligkeitslehre (vgl. Thomas von Aquin, S.Th., Suppl. q. 94) zusammen?
    Sind Kafkas Tiergeschichten Produkte der Schamreflexion (der säkularisierten Gottesfurcht: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns)?
    Ist die Astrologie eine Verkörperung und erste Entfaltung der Logik der Scham: der verschlossene und vom Cherub bewachte Eingang zum Paradies, auf den sich per Umkehrung dann das Wort bezieht, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden?

  • 9.5.1994

    Es ist das Anschauen, das das Angesicht verdrängt und es durch Vorstellungen ersetzt. Das Anschauen als die reine Abstraktion vom Blick des andern, vom Gesehenwerden (der Ursache der Scham), ist zugleich die vollständige Identifikation mit dem Blick der anderen; darin gründen die Formen der Anschauung, die das Anschauen endgültig taktlos und voyeuristisch machen: zum Anblick der Blöße, die die Selbstverdammung zur Knechtschaft nach sich zieht. Die Idee einer „Anschauung Gottes“ ist die Kurzform der Theologie hinter dem Rücken Gottes, Grund der Idee des Absoluten, der Logik des autistischen Gottes. Die Neutralisierung und Verdrängung der Asymmetrie zwischen mir und den andern (die Subsumtion des Ich unter das Alle) geht nur über die Identifikation mit dem Anderssein (den Ursprung des Weltbegriffs) und die Leugnung des Selbst. Die Selbstverleugnung ist keine theologische Kategorie. Die Funktion und Bedeutung des Begriffs des Falls („die Welt ist alles, was der Fall ist“) läßt sich an dem ärztlichen „Wir“, das dem Patienten die Ehre des Subjektseins verweigert, das Ich des Patienten auslöscht („wie geht es uns denn heute“), ablesen. Emanationen der subjektiven Formen der Anschauung sind das Geld und die Bekenntnislogik. Die Bekenntnislogik (die Logik der „Weltanschauungen“) ist gleichsam die Innenseite der transzendentalen Logik: der entfaltete logische Sinn der Formen der Anschauung (die Logik des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs, als welche die Form des Raumes wie auch die Zeit am Ende sich enthüllt). Ist das Verhältnis des Geldes zu den Waren das Modell der Beziehung des Dings zu seinen Eigenschaften: das Geld das wahre hypokeimenon, oder auch die Wasser, die den Meeresboden bedecken? Die Idee der Seligkeit wird durch die Unsterblichkeitslehre nur abgelenkt und verwirrt, nicht erfüllt. Ist der grasfressende Behemoth (der Erstling der göttlichen Schöpfung) ein Monster (Hiob nachlesen)? Haben nicht die Kirchen den Teufel mit dem Satan ausgetrieben (war das die Verführung, der sie erlegen sind)? Und haben die Kirchen etwas mit dem Widersacher im Buch Hiob zu tun? Haben die sieben Köpfe des Drachen und des Tieres in der Apokalypse etwas mit den Planeten (mit der Astrologie) zu tun? Aber was bedeuten dann die zehn Hörner (und die sieben/ zehn Diademe des Drachen/ des Tieres)? Ist das archaische Lächeln (und das Lächeln der Seligen in Bamberg) ein Lächeln im Angesicht der Katastrophe; hat es nicht etwas mit dem Lächeln der Auguren zu tun? Und ist die Isaak-Geschichte die Ursprungsgeschichte dieses Lächelns? Die meisten Faschismus-Theorien tragen die Züge der Abwehr; deshalb erreichen sie ihren Gegenstand nicht. Gibt es überhaupt eine Chance, die Erfahrung, aus der der Faschismus erstanden ist, an sich herankommen zu lassen? Aber gründet darin nicht die Gefahr einer Transformation des Faschismus, der mit Sicherheit nicht in der gleichen Gestalt wiederkommen wird, in der er einmal da gewesen ist. Kontrafaktische Urteile haben eine Ähnlichkeit mit der Frage, ob es Leben auf anderen Planeten gibt. Sie lenken ab von den realen Problemen dieser Geschichte (dieses Planeten). Sie sind ein Element ideologischer Geschichtsschreibung; eine ihrer Brutstätten war der Marxismus, eine andere die nationalistische Geschichtsschreibung. Liegen nicht Auschwitz, aber auch die „Auschwitzlüge“ und die Friedhofschändungen von heute in der Konsequenz kontrafaktischer Urteile, sind sie nicht zu verstehen als der Versuch, die Geschichte zu korrigieren, ein einmal Versäumtes nachträglich doch noch in die Tat umzusetzen? Gehört nicht zum Schuldverschubsystem (dem Relativitätsprinzip wissenschaftlicher Erkenntnis) die Exkulpations- und Verteufelungslogik? Theologie im Angesicht Gottes ist der Versuch, in die Theologie die Idee der Auferstehung und das Bewußtsein des Jüngsten Gerichts mit hereinzunehmen. Die, die da sagen, daß die Deutschen nicht ewig im Büßerhemd herumlaufen können, wissen nicht, wovon sie reden: Was sie das Büßerhemd nennen, ist das weiße Kleid der Umkehr. Was sind das eigentlich für Christen, die das Wort Buße nur noch mit einem pejorativen Klang hören und aussprechen können (wie bei der „Büßerin“ Maria Magdalena, von der man sich nur noch hat vorstellen können, sie müsse es aber schlimm getrieben haben)? Ist der Menschensohn (der bar enasch) der Sohn des Enosch, in dessen Lebenszeit man anfing, den Namen des Herrn anzurufen? Mit der Sprengung des All hat Rosenzweig die Form des Raumes gesprengt, die drei „Freiheitsgrade“ des Raumes aus ihrer orthogonalen Verklammerung (aus ihrer Beziehung zum All, zum totalisierenden Weltbegriff) gelöst und als Freiheitsgrade in einen neuen Zusammenhang gerückt, in dem sie als Umkehr, als Name und am Ende als Angesicht sich enthüllen? Problem des Schreibens: Das Ganze ist durchsichtig und klar, aber immer, wenn ich es niederschreiben will, wird es chaotisch und undurchsichtig. Kann es sein, daß das Schreiben die Sache der gleichen Logik unterwirft, deren Destruktion die Voraussetzung dafür ist, daß sie klar und durchsichtig wird? Dann wäre der Knoten gelöst, wenn es gelänge, die Logik des Schreibens mit in die Reflexion und Kritik einzubeziehen (dem Bücherschreiben ein Ende zu machen)? Wie hängt die Logik der Schrift mit der Logik der Welt zusammen? Ist die Logik der Schrift die Logik der Veranderung (das Äquivalent des Inertialsystems in der Sprache): der Objektbindung? Ist die Schrift die das finstere Geheimnis abschirmende Außenseite des Dings? (Liegt hier der Grund der Pseudepigraphie im apokalyptischen Schrifttum, in der mittelalterlichen Philosophie und Mystik und der geschichtswirksamen Fälschungen im Mittelalter, sowie nicht zuletzt die Lösung der Rätsel der Chronologie – der „Sumerer“ und Karls des Großen, aber auch der chronologischen Beziehungen zwischen der Abraham-, Moses-/Exodus-/Landnahme- und der Königsgeschichte Israels, der Zuordnung zu der Geschichte Chaldäas, Kanaans, Ägyptens, der Philister, Assurs und Babylons?)

  • 6.5.1994

    … ut adnuntietur nomen meum in universa terra (Röm 917, vgl. Kurt Flasch: Logik des Schreckens): Das Universum war zunächst ein Adjektiv, auf den Namen der Erde bezogen. Ist die (matriarchale) universa terra (und erst in seiner Folge das patriarchale Universum, das den Himmel mit einbezieht und so das Universum zum All gemacht hat) eine Folge der Venus-Katastrophe? Ein zentraler Mangel der Analysen Flaschs ist selber christliches Erbteil, das in ihre Prämissen mit eingegangen ist, von dem sie nicht sich zu lösen vermochte: nämlich die Vorstellung, die Erlösung beziehe sich (als Rechtfertigung) nur auf die einzelnen Subjekte und lasse die Welt unberührt. Damit verbunden ist ein zweiter, ebenfalls aus der christlichen Tradition sich herleitender Mangel: daß die Kategorien, in denen er Gott vorstellt und begreift, politische Kategorien sind; er sieht Gott im Bilde des Monarchen. Beides sind Folgen des unreflektierten Weltbegriffs, unter dessen Herrschaft es zum Selbsterhaltungsprinzip keine Alternative mehr gibt, und dessen Ursprung auf den Monarchen und den Staat (die Verkörperungen des Absoluten) und nicht auf Gott (auf den Namen Gottes, der erst im Kontext der Weltkritik, der „Heiligung des Gottesnamens“, sich bildet) zurückweist. Kann es sein, daß der paulinisch-augustinische Begriff der justificatio erst nach der sprachgeschichtlichen Trennung von Ding und Sache und im Kontext der hier entsprungenen Bekenntnislogik zur Rechtfertigung geworden ist, daß er an Ort und Stelle mit „Gerechtmachung“ (ähnlich wie fides mit Treue, und nicht mit dem auf den Gegensatz zum Wissen fixierten „Glauben“) zu übersetzen wäre? Folgen des Weltbegriffs: – Ontologisierung des Selbsterhaltungsprinzips, des Staates und der Herrschaft, – Hermann Cohen, Franz Rosenzweig und Emanuel Levinas: . die Attribute Gottes sind Attribute des Handelns, nicht des Seins, . die Umkehr (als erkenntnistheoretische Kategorie), der Name (ist nicht Schall und Rauch) und das Angesicht (nicht die Seele und nicht die Person ist das Ebenbild Gottes), . Ethik als prima philosophia. – Ausschließung der Herrschaftskritik, Konstituierung der Sexualmoral (Trennung der Sexualmoral von der Herrschaftskritik), – Beziehung von Namen und Begriff, Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (Prophetie und Philosophie: Liquidierung des Aktualitätsbezugs der Prophetie durch das tode ti; vgl. hierzu Hegels Analyse des Hier und Jetzt), – Trennung von Natur und Welt, Konstituierung des Wissens, Subsumierung der Zukunft unter die Vergangenheit (Vorstellung einer homogenen Zeit), – Konstituierung der mathematischen Raumvorstellung, Ursprung des Naturbegriffs (von der Astronomie zum Inertialsystem), – zum Begriff der Erscheinungen: die Wahrheit liegt nicht „hinter“ den Erscheinungen, sondern bezieht sich durch Umkehr auf die Erscheinungen, – Inbegriff des Schuldverschubsystems (Ursprung des Neutrum, „indogermanische“ Rekonstruktion der flektierenden Sprache), – Ursprung des Weltbegriffs (Philosophie/Mythos, Staat/Recht, Zivilisationsschwelle, Barbaren/Hebräer): Tempel und Opfer, Privateigentum und Geldwirtschaft, Ursprung der Schrift, – Weltkritik als Herrschaftskritik und Erinnerungsarbeit: Sensibilisierung, – Apokalypse, die sieben Siegel (Maria Magdalena und sieben unreinen Geister), Welt und Tier (die zukünftige Vergangenheit und die vergangene Zukunft), der Menschensohn, – die drei Leugnungen, das Binden und das Lösen, – Kant, Hegel und der Weltbegriff (die subjektiven Formen der Anschauung und das Anderssein des Einen), – Theologie im Angesicht Gottes und hinter seinem Rücken, – der Deckel auf der Vergangenheit (Begründung des Wissens und der Natur) und die Idee der Auferstehung, – Welt und Sündenfall („die Welt ist alles, was der Fall ist“): Der Sündenfall ein Sprachproblem? – Joh 129 und Kants Definition des Weltbegriff, – Weltbegriff antisemitisch, paranoid und frauenfeindlich, oder der Weltbegriff und die Bekenntnislogik, – die Konstituierung der Bekenntnislogik als exkulpatorische Logik und die Begründung des Geschwätzes, – der Weltbegriff, das Weltgericht, oder das Jüngste Gericht als das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht, – der Haß der Welt und die Idee des Parakleten, oder die Sünde wider den Heiligen Geist, – Verdinglichung und Instrumentalisierung, oder der Kreuzestod und die Opfertheologie, – Trauer- und Erinnerungsarbeit, oder Theologie nach dem Weltuntergang (Theologie und das descendit ad inferos, oder Auschwitz und die Naturwissenschaften), – „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“? – 1905, die Weltkriege, oder die Katastrophe der Marktwirtschaft, – Gunnar Heinsohn oder die Geschichte der Banken, – die Eucharistie und das Ding, oder die Geschichte der Theologie als Geschichte der drei Leugnungen, – Kanaan und die Philister: . der Exodus und die Landnahme sind gegen Kanaan gerichtet (Eroberung Kanaans), . die Begründung des Königtums erfolgt im Kampf gegen die Philister; aber das Königtum erliegt dann der kanaanäischen Verführung, – mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist in den neuen Erkenntnisbegriff und in die Konstituentien des Wissens ein projektives Moment mit eingegangen (Barbaren, Natur und Materie), – der Weltbegriff, die Unfähigkeit zur Sprachreflexion und der Fundamentalismus (das augustinische „ad litteram“ – Augustinus hat den Genesis-Kommentar nach 397 geschrieben – durch dieses „ad litteram“ wurde der prophetische Teil des Schöpfungsberichts neutralisiert, gelöscht, storniert, wurde er in die fundamentalistische Beziehung zur Natur gerückt), – Welt und Computersprache: cancle (löschen, beenden) und quit („quittieren“, Quittung), – mit der Lösung der Theologie aus den Verstrickungen des Weltbegriffs (den Verstrickungen des Andersseins) gewinnen auch die evangelischen Räte ihre wirkliche Bedeutung zurück: . aus dem Gehorsam wird das Hören, . aus der Keuschheit die Herrschafts- und Vergewaltigungskritik. Die Inquisition und der Terror, die Kurt Flasch zu Recht auf die augustinische Gnadenlehre zurückführt, sind Folgen der Verstrickung der Theologie in den Weltbegriff. Mit der dritten Leugnung wendet sich dieser Terror selbstzerstörerisch nach innen (der Greuel der Verwüstung). Hier verfängt sich die Kirche in der Logik ihrer Sexualmoral (es war die gleiche Logik, die Augustinus dazu gebracht hat, die Erbsünde in die concupiscentia zu verlegen (Ursprung des Biologismus und des Rassismus), anstatt sie in der Urteilslogik und im Weltbegriff zu erkennen). – Wird nicht das Wahrheitsmoment an der Trennung von Ding und Sache durch die Unterscheidung von Zorn und Wut ins Licht gerückt (im Kontext der alten res waren sie nicht unterscheidbar)? Hier (in dem Unvermögen, zwischen Wut und Zorn zu unterscheiden) liegt der Grund der augustinischen Verwirrung. Ist nicht das „Alles ist Wasser“ im „Satz des Thales“ (in der Erkenntnis der Orthogonalität) begründet? In der Tat „brütet der Geist über den Wassern“, aber am zweiten Schöpfungstag wurden diese Wasser durch die Feste des Himmels in die oberen und unteren Wasser geschieden. Ist diese Scheidung die Scheidung von oben und unten, und das als eine Trennung in den Wassern? Ist nicht das Wasser der Name, in dem die Trennung von oben und unten gründet, und ist das Wasser nicht deshalb in der Taufe das Symbol der Umkehr (während die Trennung von Licht und Finsternis der Trennung von vorn und hinten, dem Quellpunkt des Angesichts, zugrunde liegt; nur geht hier die „Finsternis über dem Abgrund“ dem Licht voraus)? Ist die Trennung von rechts und links die letzte: das Gericht (die Feuer der Hölle) und die Barmherzigkeit – Gegenstand einer Theorie des Feuers: – vorn/hinten: das Angesicht, – oben/unten: der Name, – rechts/links: das Feuer? Der Weltbegriff oder die Identifikation mit dem Blick von außen (Selbst- und Objektwahrnehmung durch den Blick von außen hindurch). Führt nicht das Konzept der „Umwertung der Werte“ zwangsläufig in die Konstrukte der Verzweiflung: in die Lehre vom Übermenschen und die Idee der ewigen Wiederkehr des Gleichen?

  • 21.4.1994

    Der Indikativ ist in allen seinen temporalen Formen eigentlich ein präsentisches Perfekt; mit ihm konstituiert sich die Grundstruktur der indogermanischen Sprache. Er bildet sich dort, wo die Asymmetrie zwischen mir und den Andern überbrückt und neutralisiert, die Reflexion auf den Andern (der „Haß der Welt“) in den Weltbegriff und in die Struktur des Subjekts mit hereingenommen wird (Indikator: Verinnerlichung der Scham). Philosophische Absicherung des Indikativs: die Ontologie (als logisch-strukturelle Absicherung des gegenständlichen Korrelats des Selbsterhaltungsprinzips, der Privateigentumsgesellschaft: des Staats).
    Der Indikativ bezieht sich auf Tatsachen: Die die Tatsachen begründende Tat ist die Sünde Adams, die Sünde der Welt (Joh 129): das Absolute. In jeder Tatsache steckt das Gewaltmonopol des Staates.
    Zu Rosenzweig: Grundlage des All ist die Identität des Subjekts, die, indem sie gegen die Welt sich konstituiert, ihr zugleich verfällt: sich selbst zum Absoluten wird.
    Nach Auschwitz (das in seiner bewußtseinsgeschichtlichen Wirkung dem Erdbeben von Lissabon vergleichbar ist) ist der Gedanke an gesellschaftliche Naturkatastrophen nicht mehr undenkbar. Aber ist es denkbar, daß gesellschaftliche und reale Naturkatastrophen ineinander sich verschränken, in einer noch unerkennbaren, noch nicht aufgedeckten Korrespondenz sich wechselseitig bedingen? Gibt es heute nicht gute Gründe zu vermuten, daß Velikovskys Venuskatastrophe nicht nur auf eine „reale“ Naturkatastrophe sich bezieht, sondern auch (wenn nicht sogar vorrangig) auf eine gesellschaftliche: Hat nicht die Sintflut etwas mit dem Satz des Thales „Alles ist Wasser“, mit der Ursprungsgeschichte der Philosophie und des Staates, zu tun? Merkwürdig, daß Gunnar Heinsohn, der hierzu (mit seinem Konzept der Ursprungsgeschichte des Geldes, des Privateigentums und des Staates, mit dem Hinweis auf die Bedeutung und die Funktion der Schuldknechtschaft in dieser Geschichte) einen der wichtigsten Hinweise geliefert hat, sich durch den velikovskyschen Konkretismus selbst den Blick versperrt.
    Ist die Schuldknechtschaft das Geheimnis der Orthogonalität?

  • 14.4.1994

    Drei Dinge stehen der Theologie heute im Wege:
    – Auschwitz und die antijudaistische Tradition,
    – die Naturwissenschaften und der Stand der Aufklärung und
    – in der Theologie selber der parvus error in principio: die Rezeption des Weltbegriffs, das Dogma und die Opfertheologie.
    Weltlose Welt: Mit der Rezeption des Weltbegriffs hat sich die Theologie selber liquidiert.
    Wenn die Sprache die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung ist, und der Weltbegriff die Leugnung der Sprache mit einschließt, dann bezeichnet der Naturbegriff, der den Weltbegriff begründet, die aktive Leugnung der Sprache (Ursprung des Begriffs): Der Naturbegriff als Leugnung der Auferstehung ist die Leugnung der Sprache: macht den Namen zu Schall und Rauch.
    Der iranisch-zoroastrische Aspekt der Astrologie ist dem babylonisch-chaldäischen genau entgegengesetzt: Hat das sprachliche Gründe (Turmbau zu Babel, Ursprung der indogermanischen Sprache)?
    Die drei Umkehrbeziehungen:
    – im Angesicht und hinter dem Rücken,
    – rechts und links,
    – oben und unten,
    (die drei Dimensionen des Raumes) sind drei verschiedene Formen der Beziehung zur Vergangenheit. Darin gründet Rosenzweigs Konstruktion des Stern der Erlösung: die Sprengung des All durch die Todesfurcht und die Konstituierung der drei Elemente des Stern der Erlösung.
    Zur Kritik der Ästhetik: Hängen nicht die transzendentale Ästhetik, die Kunst und der Staat ineinander wie die drei Dimensionen des Raumes (der blinde Fleck der politischen Theologie). Kant brauchte die Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung, um die Subjektivität des Objektbegriffs begründen und so das Objekt in die apriorische Form des Urteils mit hereinnehmen zu können?
    Wie hängen der Ursprung des Geldes, die Astrologie, die Erfindung der Schrift (durch die Sprachen sich verändert haben) und die Schicksalsidee mit einander und mit der Ursprungsgeschichte des Staates und des Weltbegriffs zusammen?
    Dareios I. hat erstmals mit Einführung einer reichseinheitlichen Münze die Währungseinheit hergestellt (Donner, S. 398): Damit hat er den Schuldzusammenhang, für den das Geld einsteht, in die Struktur des Staates mit hereingenommen und die Grundlage für Rechtseinheit geschaffen, die Dareios II. (der Hammurabi der Orientalisten) als Gesetzgeber dann realisiert hat.
    Die Geschichte mit den sieben unreinen Geistern steht (im wesentlichen textgleich) bei Mt (1243ff) und bei Lk (1124ff); nur bei Mt wird sie ergänzt durch den Hinweis: So wird es auch mit diesem bösen Geschlecht sein.
    Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben: Steckt darin nicht der Hinweis, daß die Wahrheit nicht absolut ist, sondern nur eine Zwischenstufe zum Leben?
    Die Orthodoxie wie die Orthogonalität fixiert eine Beziehung zur Zeit, die in der Vorstellung einer homogenen Zeit sich niederschlägt. War das der Zweck von Orthodoxie und Orthogonalität?
    Durch die Orthogonalität ist der Raum zur Form der Gleichzeitigkeit geworden, was er nicht an sich ist.
    Historisch gründet die (Entdeckung der) Orthogonalität in der Geldwirtschaft; sie hat dann in der Bekenntnislogik Macht übers Christentum gewonnen.
    Die Christen, für die Jesus zur Rechten des Vaters sitzt, können seitdem rechts und links nicht mehr unterscheiden (ist das Buch Jona postapokalyptisch und prächristlich zugleich?).
    Eine Theologie im Angesicht Gottes setzt die Kritik der Naturwissenschaften voraus; der Naturwissenschaften, deren Geschichte in die Geschichte der Herrschaft und des Staates verflochten ist. Das Gewaltmonopol des Staates ist ein Konstituens der Naturwissenschaften; es gründet in der Opfertheologie und verweist auf den Realitätsgrund jeglicher Abstraktion.
    Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bezeichnet den Grund des Idealismus der Physik: Wurde nicht die Nabelschnur längst durchschnitten, die die Physik einmal an die gegenständliche Natur gebunden hat? Ist die Physik nicht zu einem monströsen, tief in die Natur hinein getriebenen Herrschaftsapparat geworden, der die Objektivität nicht mehr abbildet, sondern nur noch unterminiert und aushöhlt? Die Mikrophysik ist die am tiefsten in Feindesland vorgetriebene Bastion, vergleichbar nur dem Eindringen der Strukturen des Marktes in alle Lebensverhältnisse.
    Ist nicht der in kirchlichen Kreisen derzeit so beliebte Slogan „Erhaltung der Schöpfung“ antiapokalyptisch?
    Der Weg der Kirche war seit je der Weg der Bekehrung, nicht der der Umkehr.
    Was hat es mit Magdala auf sich; hat Magdala etwas mit Migdol, Grenzfestung im östlichen Nildelta, Zufluchtsort der z.Z. des Jeremias nach Ägypten ausgewanderten Judäer, zu tun (vgl. auch Ex 142)?
    Zitieren nicht alle Mariennamen (die gehäuft in der Passionsgeschichte erscheinen) den Namen der Prophetin Mirjam (welche Marien gibt es, und hat die Befreiung der Maria aus Magdala von den sieben unreinen Geistern etwas mit dem Aussatz der Mirjam zu tun)?
    Das etablierte Christentum hat den prophetischen Satz „Barmherzigkeit, nicht Opfer“ (und damit den Namen sowie die Idee der Auferstehung) widerrufen.

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