Ist nicht der unbewegte Beweger der Inbegriff aller Gewalt, die alles bewegt, aber sich selbst durch nichts bewegen läßt: die Imago der mitleidslosen Herrschaft? Der unbewegte Beweger ist der Prototyp des Faschismus, das theologische Trägheitsprinzip, in dessen Licht die ganze Welterfahrung neu organisiert werden mußte. Die erste vollendete Gestalt dieser Neuorganisation war die aristotelische Philosophie.
Der Gott, den etwas gereut, ist kein unbewegter Beweger.
Gewalt ist ein Ausdruck der Ohnmacht, die selber ein Reflex der versteinerten Welt ist.
Um die Theologie zu retten, um sicherzustellen, daß die Natur nicht das letzte Wort behielt, brauchte Thomas von Aquin die Übernatur (ein Produkt der gleichen Kompromißbildung, der auch schon die Vergöttlichung Jesu sich verdankte). Das Reich der Freiheit war (und blieb) eines Sinnesimplikat der oberen Welt.
Wenn die Inkarnation ein theologischer Begriff ist, dann steht auch sie im Imperativ, nicht im Indikativ (hängt der johanneische Fleischbegriff mit dem der Inkarnation zusammen?).
Das Portrait hat das Angesicht gebannt und dem Raum die freie Entfaltung ermöglicht. In diesen Kontext gehört das „Haupt voll Blut und Wunden“. Spiegelt sich nicht in der Unterscheidung von Haupt und Angesicht die von Fleisch und Leib (und gibt es deshalb die Enthauptung als Todesstrafe)?
Was bedeutet es, wenn man in China „sein Gesicht verlieren“ kann?
Wie kann einer Christ sein, der das Scheitern als diskriminierend erfährt? Wer so vom Scheitern redet, erträgt nicht die Distanz zwischen Karfreitag und Ostern.
Wer an die göttliche Gerechtigkeit glaubt, der muß auch daran glauben, daß es eine Erlösung ohne Eingriff in die Vergangenheit und in die Natur nicht gibt.
Hegels Satz, daß die Natur den Begriff nicht halten kann, ist ein indirekter Hinweis darauf, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden.
Fichtes Wissenschaftslehre und der ganze nachfolgende Deutsche Idealismus haben die Leugnung der Differenz zwischen der Kritik der Urteilskraft und der Kritik der reinen Vernunft, zwischen reflektierenden und bestimmenden Urteilen, zum Ziel. Die Ideen sollen nicht nur regulative, sondern konstitutive Bedeutung haben. So enden sie in der Idee des Absoluten, in dem Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft. Hegels Wort, er sei „von Gott verdammt, ein Philosoph zu sein“, reflektiert den ersten Teil des prophetischen Satzes „der ich schaffe die Finsternis und bilde das Licht“.
Baader zufolge ist Hegels Philosophie das Autodafé der bisherigen Philosophie. Ist sie nicht zugleich die descensio ad inferos?
Gehören nicht die Ansätze zur Reflexion in der kantischen Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung, in den Ansätzen zur Wissenschaftskritik in der Begründung der Naturwissenschaften, zu den Motiven, die Kant dann in seiner Kritik der Urteilskraft zu entfalten versucht, während der Deutsche Idealismus alle Kraft darauf verwendet hat, die sprengende Kraft des reflektierenden Urteils wie in den Bann des bestimmenden Urteils einzubinden? Ausdruck des Gewaltakts in diesen Bemühungen ist die Idee des Absoluten. Theologie beginnt dort, wo die Idee des Absoluten aufhört, seine Absolutheit zu behaupten, und reflexionsfähig wird. Die Idee des Absoluten ist das telos der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos: die Finsternis und in ihr die Tötung der Erstgeburt. – Ist nicht Israel diese Erstgeburt?
Ist der Trieb, gut zu sein, nicht der Trieb des Lebendigen überhaupt, und sind die Pflanzen und die Tiere nicht unterschiedliche Phasen und Ausprägungen seiner gehemmten Manifestation?
Barmherzigkeit ist die Fähigkeit, das Gut-sein-Wollen auch in seinen entstelltesten Manifestationen (auf seinen Irrtumswegen) noch zu erkennen. Hat der biblische Begriff des Blutes etwas hiermit zu tun? Steckt nicht in dem Ruf „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ noch der bewußtlose Wunsch nach der Reinigung durch dieses Blut? Erst das Christentum hat aus diesem Satz die Rechtfertigung des Mords abgeleitet (und aus der Opfertheologie, die eine Barmherzigkeitstheologie ist, eine Metzgertheologie gemacht).
Barmherzigkeit ist die Kraft zur Auflösung des Rachetriebs durch Reflexion.
Die Geschichte der Staaten ist die Gattungsgeschichte der Menschheit. Deshalb ist die Sexualmoral im Ursprung politische Moral, und deshalb wird der Taumelbecher, der Kelch des göttlichen Zorns und Grimms, am Ende zum Unzuchtsbecher.
Weil der Eckstein verworfen wurde, wird kein Stein auf dem andern bleiben.