Der Weltbegriff hat die Schicksalsidee durch Identifikation mit dem Aggressor besiegt und konserviert zugleich.
Ist nicht der gesamte Mythos „Sprachphilosophie“ im Bann der Herrschaft?
Die klassischen Sprachen des Altertums lassen als in sich konsistente Ausgestaltungen der Logik der Schrift sich begreifen. Das heißt jedoch nicht, daß sie Folgen der Erfindung der Schrift sind, es wäre ebenso plausibel anzunehmen, daß in diesen Sprachen die sich entfaltende Herrschaftslogik der Logik der Schrift soweit entgegengearbeitet hat, daß ein bruchloser Übergang dann möglich war.
Die Schicksalsidee war der genaueste Ausdruck des Zusammenhangs von Sprachentfaltung und Herrschaftslogik. Der Islam hat diese Schicksalsidee nur personalisiert, damit ihrer Reflexion aber den Weg verstellt.
Prophetie und Apokalypse unterscheiden sich durch das Dazwischentreten des Weltbegriffs: Erst die Apokalypse thematisiert die theologische Relevanz der Weltreiche.
War nicht das Winterhilfswerk der Nazis der erste (gelungene) Versuch der Instrumentalisierung der Hilfsbereitschaft der Menschen? Daß die Sammlungen dann anderen Zwecken zugeführt wurden, verdeutlicht nur die Problematik des Spendenwesens seitdem. Stehen die Hilfsorganisationen heute nicht auch in dieser Tradition? Das aber heißt: Sind sie nicht in erster Linie ein Ausdruck der wachsenden Ohnmacht, in die Verhältnisse ändernd einzugreifen? Befestigen sie nicht diese Ohnmacht, indem sie sie instrumentalisieren und nur abschöpfen?
Der Druck, unter dem der Positivismus sich konstituiert (und der ihn zugleich zu legitimieren scheint), gründet in den Problemen, die der kritischen Reflexion der intentio recta im Wege stehen. Es gibt so etwas wie eine Selbstlegitimation der intentio recta im Kontext ihrer Beziehung zur Herrschaftsgeschichte: Die intentio recta ist selber eine Funktion der Herrschaftsgeschichte und nur durch Reflexion der Herrschaftslogik, die sie begründet, aufzulösen. (Im privaten Bereich entspricht dem das Gerede, das unterm Bann der Rechtfertigungszwänge steht und unfähig ist, sich in den, über den geredet wird, hineinzuversetzen.)
Merkwürdige Tradition, die den Kreis oder die Kugel als Bilder der Vollkommenheit auffaßt, während sie in Wahrheit Symbole des Schicksals und dessen, was Jeremias das „Grauen um und um“ genannt hat, sind.
Bosnien-Konflikt: Die Untaten des andern mögen vielleicht die eigenen Untaten erklären, aber sie entschuldigen sie nicht.
War nicht schon das Benennen der Tiere die Sünde Adams?
Jesus hat dreimal benannt: Zunächst die Pharisäer (als Heuchler), dann die Händler und Geldwechsler im Tempel, dann aber auch den Petrus. Hierbei ist der Kontext zu beachten: Nur die Pharisäer und Schriftgelehrten benennt er direkt (ihr seid …), die Händler und Wechsler indirekt, durch die Vertreibung aus dem Tempel, mit der er ihr Tun benennt, während er Petrus von sich weist (weiche von mir …).
Hängt es nicht mit der Geschichte des Opfers zusammen, wenn das Fleischessen auf die hierarchische Organisation der Gesellschaft, auf die Ursprungsgeschichte des Staates, verweist? Und wird in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Opfertiere verständlich (Stier, Widder/Bock/Lamm, Taube)?
Heldenfriedhof/Hakeldama: Der Mythos von Blut und Boden scheint mit der Vorstellung zusammenzuhängen, daß das Blut der Helden den Eigentumsanspruch auf den Boden, für den es geflossen ist, begründet. Ist diese Vorstellung nicht durch das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs, durch die Niederlage der Nazis, widerlegt worden? Oder ist dadurch das Bewußtsein in Deutschland auf das Paradigma Sieg oder Niederlage fixiert worden, ein Paradigma, das sowohl die Ökonomie des Wirtschaftswunders als auch die Bedeutung des Sports in der Nachkriegsgesellschaft (der Ersatz der Filmstars durch die Sieger-Idole des Sports von der Nationalmannschaft beim Fußball – die es wahrscheinlich war, als sie mit der „Weltmeisterschaft“ 1954 den Anfang machte – bis hin zu Boris Becker und Steffi Graf) erklären würde? Sind nicht Siegerehrungen bei internationalen Sportwettkämpfen und Länderspiele beim Fußball die einzigen Veranstaltungen, bei denen heute noch die Nationalhymne gespielt wird?
Was ist das für ein Bewußtsein, daß zur eigenen Stabilisierung insbesondere des Sports und der Krimis bedarf? Gibt es einen Zusammenhang mit der Verlagerung des imperialistischen Grundtriebs aus der Politik in die Ökonomie (Wirtschaftswunder, Standort Deutschland, Stabilität der DM)? Und wird nicht die Logik dieses Vorgangs gründlich verkannt, wenn in diesen Imperialismus noch eine politische Intention hineinprojiziert wird? Dieser Imperialismus hat jeden Schein von Souveränität (den Carl Schmitt noch an Hitler zu erkennen glaubte) endgültig abgeworfen.
Steht nicht der Terrorismus unter dem gleichen symbolischen Zwang wie der Sport: als Versuch, die Niederlage ungeschehen zu machen? Das würde u.a. auch die Bedeutung, die der Identitätsbegriff in diesem Bereich gewonnen hat, erklären. Steht dieser Identitätsbegriff nicht an der Stelle, an der im Christentum nach der Enttäuschung der Parusie-Erwartung das Dogma sich gebildet hat?
Die kopernikanische Wende fällt zusammen mit der Umformung von Boden, Arbeit und Geld in Handelsware in der Ursprungsgeschichte des modernen Kapitalismus. Kann es sein, daß, während (schon in der Astrologie) das Planentensystem, in das Kopernikus die Erde mit aufgenommen hat, die Organisation der Arbeit abbildet, der Fixsternhimmel (der Tierkreis), der seine Bedeutung als Grenze des Kosmos mit der Öffnung des Raumes ins Unendliche verliert, auf die Konstellation der Elemente, die den Naturgrund der Herrschaft (und damit die Sphäre des Geldes) abbilden, verweist? Ist vielleicht die Bedeutung und die Funktion der „schwarzen Löcher“ nur noch im Kontext einer Theorie der Banken aufzuklären?
Banken
-
17.11.95
-
25.10.95
Die Verluste, die den spekulativen Gewinnen gegenüberstehen, werden nicht von denen getragen, die sie eigentlich verantworten müßten. Die wirklichen Verlierer sind die, die in der Folge solcher Spekulationen den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten müssen, ihn im Ernstfall verlieren (Metallgesellschaft, AEG, Volkswagen).
Der Vorstellung des leeren Raumes korrespondieren in der Ökonomie die Schulden, im Ernstfall die Besitzlosigkeit, die Armut. Der Begriff des horror vacui gründet in dieser Beziehung. Wenn Kant den ontologischen Gottesbeweises durch den Hinweis widerlegt, daß 100 gedachte Gulden den Beutel nicht füllen, so trifft das genau diesen Sachverhalt. Der Begriff des Nichts in der Lehre von der creatio mundi ex nihilo gewinnt Bedeutung nur, wenn er auf diesen Zusammenhang der Vorstellung des leeren Raumes (die bei Kant als subjektive Form der Anschauung sich erweist) mit dem Begriff der Armut sich bezieht (vgl. die „Geldschöpfung“ der Banken). Der Satz aus Hegels Rechtsphilosophie, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug sei, der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, drückt diesen Zusammenhang aufs genaueste aus. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beziehung der kopernikanisch-newtonschen Wende in der Astronomie, zur ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und zum politischen Absolutismus als Ausdruck einer gemeinsamen Logik.
Das Vakuum, die Vorstellung des leeren Raumes (die subjektive Form der äußeren Anschauung), und deren gesellschaftliches Korrelat, die Schulden und die Armut, sind das genaue Korrelat des Kelch-Symbols.
Zur gesellschaftlichen Funktion des Raumes, der subjektiven Form der äußeren Anschauung, gehört es, alle Dinge eigentums- und tauschfähig zu machen. Die subjektiven Formen der Anschauung sind die Statthalter des Staates im Subjekt.
Verhält sich nicht die schwere zur trägen Masse wie das Geld zur Ware? Und in welcher Beziehung stehen das Ätherproblem und seine Konkretisierung: der Korpuskel-Welle-Dualismus und dessen statistische Interpretation, zum Problem der Tätigkeit der Banken und des Buchgelds?
Wenn Dirk Baecker die Risiken zum eigentlichen Objekt des „Handels“ der Banken, zur Ware, mit der die Banken handeln, macht, so verweist das genau auf das Schuldenverschubsystem, die Fähigkeit, diese Risiken so zu handeln, daß sie die Banken selbst nicht treffen, nicht an ihnen hängen bleiben. Die Tätigkeit der Banken gehört zum Apparat der Umverteilung des „Reichtums“ und der Erzeugung der Armut.
Ist nicht die der katholische Heiligen-Mythos ein Produkt der Verdinglichung und Personalisierung des Gebots der Heiligung des Gottesnamens?
Der Weltbegriff, der alles, was er begreift, eigentumsfähig macht („säkularisiert“), gehört zum Staat, weil der Staat als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern sich konstituiert. Dagegen ist das Heilige das Nicht-Eigentumsfähige: Ziehe deine Schuhe aus, denn hier ist heiliger Boden.
Hat die Erbsünde nicht etwas mit der Sünde der Welt zu tun: Was mit der Erbsünde sich vererbt, ist die instrumentalisierende Gewalt und sind die darin gründenden logischen Verstrickungen des Weltbegriffs (unter dessen Bann das Tier steht).
Die Gemeinschaft der Heiligen ist eine Gemeinschaft, deren Mitglieder aus den realen und logischen Verstrickungen des Eigentums sich gelöst haben. Deshalb gehört das Armutsgebot zu den evangelischen Räten. -
10.10.1995
Jörg Huffschmid weist in einem Beitrag für den Informationsdienst Weltwirtschaft und Entwicklung (Sonderdienst Nr. 8/95) darauf hin, daß der Handel mit Waren und Dienstleistungen nur etwa 1 – 5 % der Devisenmarktumsätze (Termin-, Zins- und Währungsspekulationen) ausmacht. Der Umfang des Devisenmarktgeschäfts steigt relativ und absolut ständig. Das Geschäft ist zentriert in den Banken und den Börsen, greift aber inzwischen über auf Großunternehmen, die ihre eigenen Devisengeschäftabteilungen eingerichtet haben (AEG: Bank mit Elektroabteilung; Genossenschaften: Bank und Warengeschäft; Spezialfall Getreidehandel: Becher, Bremen). Hat die Beziehung von Geld- und Warenbewegung etwas mit der speziellen Relativitätstheorie Einsteins zu tun, mit der dem Relativitätsprinzip zugrundeliegenden Vorstellung der Äquivalenz von Objekt- und Systembewegung (Definition des Trägheitsbegriffs)? Ist die Vorstellung, man könne das („unmoralische“) Devisengeschäft zugunsten des („moralischen“) realen Geschäfts (der verwendungs-, nicht gewinnorientierten Ausrichtung des Kapitalverkehrs am Güter- und Arbeitsmarkt) durch fiskalische Maßnahmen („Tobin-Tax“) eindämmen, nicht insoweit naiv, als das „moralische“ Problem des Kapitalismus nicht im Gewinn, sondern in der unvermeidlichen Verknüpfung des Reichtums mit der Erzeugung von Armut liegt? Liefert nicht erst dieser Zusammenhang einen Hinweis auf die Logik dieser Verknüpfung, die nicht technisch, nur politisch auflösbar ist?
Jörg H. vermutet den Hauptwiderstand gegen eine Regulierung der Finanzmärkte mit Hilfe von Steuern in den „Gewinninteressen des Bankensektors“. Das ist nur die halbe Wahrheit. Ist nicht viel wichtiger ein wirtschaftliches Interesse der Nation, für das das Schlagwort „Standort Deutschland“ steht; gehen die Kosten des liberalisierten Devisenmarktes nicht zu Lasten der währungsschwachen Länder; und sind nicht die währungsstarken Länder (G 7!) existentiell daran interessiert, auf diesem Wege ihre Außenhandelsbilanz (und damit ihre Währung) zu stabilisieren? Nur: die Stabilisierung der Außenhandelsbilanz auf diesem Wege stürzt die Außenwelt in die Schuldenabhängigkeit, sie bereitet draußen das Terrain für Billigproduktionsbedingungen, und sie eröffnet damit die Wege für den Reimport der Armut (für Massenarbeitslosigkeit, Lohndruck, Kürzung der Sozialleistungen): für einen Armutskrise, die die ganze Welt ergreift.
Hat die Bank (deren Name sowohl den Ort des Geldgeschäfts als auch ein zum Sitzen geeignetes Möbelstück bezeichnet) etwas mit dem Himmel zu tun: „Der Himmel ist Sein Thron, die Erde der Schemel Seiner Füße“? Die Bank ist der Thron des Mammon, der die Kinder seiner Diener frißt.
Modell der Projektion: Wie gehen Banken, die doch selber die Schuldner ihrer Einleger sind, mit ihren Schuldnern um?
Ist nicht die Beziehung des Rechts zu den Sanktionen, die ihm Realität verleihen (zur Strafe), das gesellschaftliche Äquivalent der Orthogonalität, die die Keimform der naturwissenschaftlichen Gesetze ist? In welcher Beziehung steht das Opfer zur Strafe?
Der Beschluß des 5. Senats des OLG Frankfurt zum Antrag Hubertus Janssens (zu seiner Bitte um Genehmigung eines von Birgit Hogefeld gewünschten seelsorglichen Gesprächs) behandelt den Antragsteller nur noch als Objekt: Der Beschluß ist nicht an ihn, sondern über ihn ergangen. Nur so vermag sich das mit diesem Beschluß auch dem ganzen Prozeß zugrundeliegende Freund-Feind-Denken selbst zu begründen. Aber auch nur so ließ sich die argumentative Kraft des Antrags außer Kraft setzen (das macht die „Gründe“ des Beschlusses zugleich so hilflos). -
21.9.1995
Die griechische verhält sich zur hebräischen Sprache wie die Logik der Schrift zum Wort (oder wie das Überzeitliche zum Ewigen: wie der Begriff zum Namen).
Banken und Kredite (das Medium des spekulativen Geldgeschäfts) sind das ökonomische Korrelat des Relativitätsprinzips. Die Mechanik ist eine durch den Kapitalismus (durchs Wertgesetz) vermittelte Gestalt der Naturerkenntnis.
Ist die elektromagnetische Masse kreditierte Masse?
Das Bewußtsein der Konsumenten (der von der aktiven Teilnahme an der Produktion Ausgeschlossenen) verharrt auf dem Stand der Mechanik. Durch den Kauf beweist sich der Konsument seine Bewegungsfreiheit in dem durchs Tauschprinzip definierten Raum (die Bewegungsfreiheit des Autos im Straßenverkehr).
Öffentlichkeit ist ein Reflex des Außen im Innern des Staates; deshalb hätte der Staat gern eine domestizierte Presse. (Wenn der Staat das Tier aus dem Meere ist, dann ist die „Öffentlichkeit“ das Tier vom Lande: der falsche Prophet. Verweist nicht das Genitiv/Dativ-Problem auf den Ursprung dieses Tieres? Und sind nicht Philosophie und Wissenschaften Teil der Vor- und Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit, des Tieres vom Lande? Und ist nicht die Kritik der reinen Vernunft eine der ersten Gestalten der Selbstreflektion dieses Tieres?)
Ist nicht das Wort Jesu gegen das Schwören (Mt 534ff) auch gegen die Kirche gerichtet? Der Zusatz „… vielmehr sei eure Rede: Ja, ja – nein, nein, und was darüber ist, ist vom Bösen“ wäre genauer zu prüfen. Nicht gemeint sein kann das positivistische Verständnis des Satzes, seine Anwendung in den Fangfragen, mit denen die Differenzierung abgewehrt und diskriminiert werden soll. Beachte, daß es nicht heißt: Eure Rede sei Ja oder Nein; die Verdoppelung (Ja, ja – nein, nein) und das fehlende „oder“ sind ein Hinweis.
Die Orthogonalität ist das Resultat des Durchschlagens des gordischen Knotens; aber genau dieser Knoten wäre zu lösen.
Zum Problem des Ursprungs des Objektbegriffs gehört der Hinweis, daß der Handel (und mit ihm der Begriff der Ware, der zu den Modellen des Objektbegriffs gehört) seinen Ursprung im (zunächst auch räuberischen) Außenhandel hat. Und zur Ursprungsgeschichte des Handels gehört mit einer ersten Waren, dem Sklaven, auch der Krieg, die Beute, der Tribut und, als deren Reflex im Innern, die Schuldknechtschaft und das Geld (das nicht im Tausch entspringt, sondern ihn begründet). Hängen nicht auch das Inzestverbot und die Exogamie mit dieser Ursprungsgeschichte des Objektbegriffs zusammen?
Die Bekenntnislogik gründet in dem Schein, man könne durch die Verurteilung einer Sache (einer Häresie wie auch einer unmoralischen Handlung) sich selbst freisprechen.
Ist nicht das Licht der Erlösung, von dem Adorno am Ende der Minima Moralia spricht, das Licht der Welt, das man nicht unter den Scheffel stellen soll? Der Scheffel über dem Licht aber hat den Vorteil, daß er erlaubt, ihn als Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen Licht und Finsternis, zu nutzen (das Licht zu instrumentalisieren). Dann ist alles, was drinnen ist, Licht, und alles, was draußen ist, Finsternis. Ist nicht die Kirche („extra ecclesiam nulla salus“) durch die Bekenntnislogik zum Scheffel über dem Licht geworden? -
29.8.1995
Rührt nicht die Trennung der Zeugung von den Toledot und ihre Hereinnahme in die Trinitätslehre an den Grund der Sexualmoral und der kirchlichen Frauenverachtung zugleich? Wie hängt das „Zeugen“ in der Trinitätslehre mit deren desensibilierenden Wirkung zusammen, mit der Zerstörung der Barmherzigkeit?
Ist Tamar, die sich von Juda den Siegel, die Schnur und den Stab geben läßt (und deren Name in einer Spiegelgeschichte bei David wiederkehrt), die Kirche? (Was bedeutet die Schnur?) Vgl. hierzu, die Vorgeschichte (Einschub in die Josephs-Geschichte: Juda zieht, nachdem seine Brüder den Joseph an die Ismaeliter verkauft haben, von seinen Brüdern weg, heiratet eine Kanaaniterin …; erst danach beginnt die Geschichte Josephs in Ägypten). Wer ist der dritte Sohn Judas (Sela)? Rahab (deren Name auch der des Meeresungeheuers ist) kommt in der nachfolgenden fünften Generation in die Geschichte herein, Ruth in der sechsten. Alle vier Frauen haben mit der Juda/David-Geschichte zu tun. – Haben Jakob/Alphäus und Judas/Thaddäus etwas mit dieser Geschichte zu tun?
Theologie im Angesicht Gottes hat nicht mehr Gott zum Gegenstand, sondern die Welt, die sie im Lichte seines Angesichts erkennt.
Klara Butting vergleicht den Harem des Königs, das Frauenhaus, in dem die Mädchen „eingesammelt“ werden, mit den Getreidelagern, in denen Josef das Getreide einsammeln läßt (vgl. Est 23 und Gen 4134-37, Die Buchstaben …, S. 67).
Sexismus und Antisemitismus: Waschti weigerte sich, sich vor den Augen aller ausstellen zu lassen; Mordechai weigerte sich, vor Haman das Knie zu beugen (Est 112 und 32).
Glaube ohne Hoffnung und Liebe: Der Vertrauens-Slogan der Deutschen Bank ist einseitig; er gilt als Aufforderung an potentielle Kunden, der Bank Vertrauen zu schenken, er gilt nicht für die Beziehung der Bank zu potentiellen Kunden (hier gibt es die Schufa). Sein Modell sind die das Vertrauen ihrer Kinder einfordernde Autorität der Eltern oder das Vertrauen des Bürgers in den Staat. Der Begriff des Vertrauens ist theologischen Ursprungs: begründet wäre er allein als Ausdruck der Beziehung des Menschen zu Gott. So liegt er dem Begriff des Glaubens zugrunde, der ihn durch Universalisierung ins Eindimensionale verfälscht und für Autoritäts- und Reklamezwecke verfügbar macht, z.B. für die Werbung der Deutschen Bank, die, wenn sie Vertrauen sagt, eigentlich Glauben meint. Es ist die gleiche Einseitigkeit, die den Monolog, die Predigt, die Vorlesung, die Medien, das Radio, das Fernsehen, das Gesetz, die Verwaltung, die Wissenschaft und das Gerede: die m.e.W. jegliche Form der intentio recta und mit ihr jede Objektbeziehung charakterisiert (die deshalb als Grundform der Herrschaftsbeziehung sich erweist). Diese Einseitigkeit trennt den Objektivierungsprozeß (und das Reich der Erscheinungen, das er begründet und in dem er sich bewegt) von der Wahrheit. Sie selber gründet in den subjektiven Formen der Anschauung (auf die das biblische Kelchsymbol sich bezieht). -
28.8.1995
Die Herrschaftsgeschichte löst die Menschen nicht nur aus der Dumpfheit, den Ängsten und der Not der Natur, sie verstrickt sie auch wieder in Natur, als deren Kern Herrschaft sich erweist. Als zweite Natur ist Herrschaft eine neue Quelle der Dumpfheit, der Ängste und der Not.
Himmel und Sprache: In diesen Kontext gehören Wasser und Feuer, die Feste des Himmels und die Trennung der oberen von den unteren Wassern, der Bogen in den Wolken, der Menschensohn auf den Wolken des Himmels, das sich aufrollende Buch, die Heiligung des Gottesnamens. Ist der Indikativ (seine Beziehung zur Logik der Schrift und zum Wort, zu den beiden Bedeutungen des Perfekts) die Feste des Himmels (ist der Perfekt, die Beziehung von Vergangenheit und Utopie, die Feste des Himmels)? Wie verhält sich die Scham zum Himmel? Ist der Himmel die Schamgrenze, die die beiden Indikative von einander trennt (und verweist das Wort vom „aufgespannten Himmel“ auf die Spannung, die die Beziehung der Logik der Schrift zum Wort – die Beziehung dieser zur zukünftigen Welt – kennzeichnet: auf den prophetischen Erkenntnisbegriff und den Begriff der Lehre)?
Scham ist die Fähigkeit, sich in den Augen der Andern zu sehen. Nur im Kontext der Scham gibt es die Nackheit (die zum Begriff der Tatsachen gehört). Nur im Kontext der Scham gibt es das Aufdecken der Blöße, das die Aufklärung seit ihrem Ursprung mit der Erkenntnis verwechselt. Der Radikalisierung dieses Erkenntnisbegriffs durch die Medien verdankt sich die endgültige Trennung von Realität und Sprache im Begriff der Information, der Nachricht, der Kommunikation, des Diskurses, und in diesem Kontext die Verschiebung von Genitiv und Dativ.
Zur politischen Ökonomie der Medien (und der Banken?): Wenn Informationen zur Ware werden, werden sie zu einer paradoxen Ware, deren Produktion ihre Reproduktion, ihre Verwandlung in Masse, voraussetzt, einer ab ovo flüssigen Ware, deren Tauschwert, deren Masse, im Massenkonsum (wie der Kredit in der Kreditschöpfung) erst sich bildet. Wenn sie nach der Logik von Tausch- und Gebrauchswert sich konstruieren lassen, verhält sich diese Logik zu der der materiellen Produktion nicht ähnlich wie das Glaubens- zum Schuldbekenntnis: stehen beide nicht in der gleichen Beziehung der asymmetrischen Spiegelung? Die Extreme der Medien, die Propaganda und die Reklame, sind ein Teil ihrer Definition. Anders als in der materiellen Technologie setzt hier die Anwendung der Gesetze ihre Erkenntnis nicht voraus, sondern ihre Gesetze entspringen erst in ihrer Anwendung. So wie sie die Bedürfnisse, die sie zu befriedigen vorgeben, erst schaffen (aus einem Nichts, das zu bestimmen wäre), rechtfertigen sie sich durch einen „Erfolg“, den sie nicht mehr wahrnehmen dürfen (weil er sich selbst denunziert). Medien gehorchen einer Logik, die ausschließt, daß sie wissen, was sie tun. Die Subsumtion der Information unters Tauschprinzip (durch die sie zur Information überhaupt erst wird) ist kein leichtzunehmender Sachverhalt. Jede Propaganda ist eine propaganda fidei (einer „Philosophie“), und auch die Reklame ist Propaganda. Und jede „seriöse Presse“ ist eine, die weiß, daß sie propaganda fidei ist, die dem Gesetz einer eigenen Orthodoxie gehorcht.
Stehen nicht die Medien und die Banken (ähnlich wie Glaubens- und Schuldbekenntnis) in einem Spiegelungsverhältnis, das sein asymmetrisches Pendant in der technischen und ökonomischen Naturbeherrschung hat?
Ist die Sexualmoral der apokalyptische Unzuchtsbecher (Inbegriff der der Bekenntnislogik zugrunde liegenden Formen der Anschauung)? Welchen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang der der Sexualmoral zugeordnete Begriff der Unschuld (die Beziehung confessio/virginitas), die kirchengeschichtlichen Phasen der Pornokratie und der Pornographie, die Institution des Zölibats (im Kontext von Ohrenbeichte, Fegfeuer und Ablaßhandel)?
Dann aber gehört Adornos erstes Gebot der Sexualethik zur Kritik der Naturwissenschaften: Die Sexualmoral war seit je der Schatten der Geschichte der Naturbeherrschung.
Gründet die Taufe in der Trennung der oberen von den unteren Wassern, und ist die Taufe das Symbol der Aufhebung dieser Trennung? Der Fehler des Christentums war es, daß es anstatt mit den oberen mit den unteren Wassern getauft hat: es hat immer nur bekehrt, nie die Umkehr vollzogen, es hat die Umkehr durch die Bekehrungswut ersetzt.
Hegels Kritik des Sollens hat ihr fundamentum in re darin, daß das Gebot sich nicht ins Universale transformieren läßt. Hegel aber konnte vom Begriff des Universalen sich nicht befreien; so ist ihm die Menschheit zur massa damnata geworden, zum Kelch, aus dem „ihm seine Unendlichkeit“ schäumt.
Ist nicht jeder Stern, unter dem einer steht, ein Jüngstes Gericht? Und gehört nicht zum Stern von Bethlehem der bethlehemitische Kindermord? Es käme darauf an, in dieser Geschichte nicht das Glück, entronnen zu sein, zu erkennen, sondern das Entsetzliche dieses Schuldzusammenhangs, in den das Kind von Bethlehem seit seiner Geburt verstrickt ist. Hat dieser Kindermord den Entronnenen nicht auch am Kreuz noch eingeholt?
Ist nicht das Matthäus-Evangelium eine Rekapitulation oder eine Relektüre der Schrift insgesamt (oder nur eines Teils der Schrift, und wenn, dann welchen Teils)?
Toledot: Die Trennung des Zeugens vom Schaffen und seine Hereinnahme in die Trinitätslehre („gezeugt, nicht geschaffen“) haben die Theologie insgesamt verhext.
Zu Gen 24: Handelt es sich bei den „Zeugungen des Himmels und der Erde“ um einen genitivus subjectivus oder objectivus, sind Himmel und Erde die Erzeugenden oder die Erzeugten? In welcher Beziehung stehen die Toledot, die Zeugungen Adams und der ihm Folgenden, zum Erschaffen? Sind sie gleichbedeutend, gehen sie ihm (wie in der christlichen Theologie, in der Trinitätslehre: als ewige Zeugung des Sohnes) voraus oder folgen sie ihm (als zeitliches, selber geschaffenes Bild und Echo des Erschaffens) nach?
Zu Mt 11ff und Lk 323ff: Zeugungen sind keine Stammbäume (Stammbäume sind umgekehrte Zeugungen).
Der Objektivationsprozeß als Vergangenheitsproduktion. Wie verhalten sich das Objektivieren und die Objektivität, die Verweltlichung und die Welt?
Politische Ökonomie der Naturwissenschaften: Verhalten sich die Banken zu Produktion und Zirkulation wie das Inertialsystem zu Physik und Astronomie? -
4.8.1995
Kelch des göttlichen Zorns, das Inertialsystem oder der Ursprung der indogermanischen Sprachen: Wer sich zum Herrn des Raumes macht, wird zum Objekt der Zeit. Das Perfekt ist keine Qualität des Handelns mehr, sondern eine der Zeit: die „vollendete Vergangenheit“.
Transzendentale Ästhetik: Das Reich der Erscheinungen ist der Inhalt des Kelchs.
Wie der Begriff des Ewigen die Vergangenheit von sich ausschließt, so der des Heiligen die Eigentumsfähigkeit, die Verfügbarkeit, die Beherrschbarkeit. Die Idee des Ewigen konstituiert sich in ihrer Beziehung zur Zeit, die des Heiligen in ihrer Beziehung zum Raum. Deshalb gehört zur Heiligkeit die Umkehr. Heiligkeit hat mit den drei evangelischen Räten, mit Armut, Hören und Keuschheit, zu tun.
Die Heiligung des Gottesnamens ist das Abarbeiten der Ontologie in der Theologie. Die Ontologie bezeichnet das Moment der Selbstreferenz in der Philosophie.
Der Säkularisationsprozeß ist die Geschichte der Entfaltung des Eigentumsprinzips, er ist zugleich die Geschichte der Selbstlegitimation des Bestehenden.
Im Modernisiserungsschub des Faschismus ist der beschränkte Untertanenverstand zum Verwaltungsverstand geworden.
Heidegger hat mit seinem Begriff des „In-der-Welt-Seins“ die Distanz, die Kant mit dem Imperativ, daß der Mensch niemals nur als Mittel, sondern zugleich auch als Zweck zu behandeln sei, bezeichnet hat, endgültig aufgehoben, nivelliert, neutralisiert. Dann aber bleibt in der Tat nur das Vorlaufen in den Tod (das die Eigentlichkeit begründet: den verzweifelten Nachhall dessen, was einmal Würde hieß).
Die Paranoia gründet im Eigentumsprinzip.
Gotteserkenntnis, die Erkenntnis, daß Gott den Himmel aufgespannt und die Erde gegründet hat, schließt die Kritik eines Schöpfungsbegriffs, der den Staat und die Welt an einander bindet, mit ein.
Handel, Banken, Verkehr: Das Trägheitsgesetz wird durchsichtig am Modell der Zirkulation, das Gravitationsgesetz an dem des Kredits.
Wo kommt der Name des „Neuen Testaments“ erstmals vor? Wahrscheinlich (zusammen mit dem Begriff des Erben, der Erbschaft) bei Paulus? Wenn nach Paulus die Christen (als „Kinder Gottes“) „Erben des Reiches“ sind, so werden sie hier in die Passivität der Erwartung gebannt, dem Wort vom Binden und Lösen wird die Grundlage entzogen, das Lösen (oder genauer: jede Alternative zum Binden) wird ausgeschlossen. Das „Neue Testament“ steht unter dem Bann der Vergangenheit. Gründet nicht der Name des „Neuen Testaments“ in der Rezeption des Weltbegriffs?
Was bedeutet Hebr 916f: „Denn wo ein Testament ist, da muß der Tod dessen erfolgen, der es errichtet hat; denn ein Testament ist für den Todesfall fest, weil es keine Kraft hat, solange der lebt, der es errichtet hat“? Heißt das, daß Gott tot ist, oder daß Gott von uns durch eine Todesgrenze getrennt ist?
Die List der Vernunft bezeichnet den projektiven Anteil am Begriff der Erkenntnis und des Wissens: die List der Schuldverschiebung, die die Erkenntnis neutralisiert, sie „objektiv“, „für alle gültig“ macht. Die Idee der Wahrheit aber schließt die Fähigkeit zur Schuldreflexion mit ein (und so, im asymmetrischen Kontext der „Sündenvergebung“, auch das des Bekenntnisses).
Bekenntnis und Sündenvergebung: Nur wer zur Kirche (zur Nation etc.) sich bekennt, wird von der Sünde, nicht dazu zu gehören: von der Sünde der Trennung befreit. In dieser logischen Konstellation (die mit der Entstehung der Großreiche – mit dem Ursprung des Staates – sich bildet und in der Prophetie erstmals reflektiert wird) konstituiert sich der Glaube.
Herrendenken: Das Inertialsystem (Repräsentant des Staats in der Natur) trennt Täter und Opfer in der Katastrophengeschichte, trennt die Verursacher von den Objekten (vgl. die sprachlogische Diffenrenz von Sehen und Hören bei Ezechiel). -
20.7.1995
Allmachtsphantasien und Bekenntnislogik. Die Allmachtsphantasien sind ein Instrument der Verblendung, sie machen den Kopf leer. Sie gründen in dem sich auf sich selbst beziehenden Rechtfertigungszwang: Sie rühren an den Grund der Beziehungen der Dimensionen im Raum. Die Geschichte der Kirchen- und der Dogmenbildung gehören zur Ursprungsgeschichte der Verwaltung, die frühgeschichtliche Tempelwirtschaft zu ihrer Vorgeschichte.
Der theologische Gebrauch der Begriffe Allmacht und Allwissenheit ist blasphemisch; die Begriffe Macht und Wissen sind endliche Totalitätsbegriffe (idolatrische Begriffe) und auf Gott nicht anwendbar, im Gegensatz zu den Begriffen der Gewalt und der Einsicht. Die Macht verhält sich zur Gewalt und das Wissen zur Einsicht wie die Wut zum Zorn.
Die Finanzhoheit des Staates ist der paradoxe Grund seiner demokratischen Verfassung: Durch ihr geldwertes Eigentum und durch ihr Einkommen, ihr durch Arbeit erworbenes Geld, partizipieren die Bürger an der Gewalt-(sprich Finanz-)quelle des Staates. Deshalb erwartet der Staat, daß die Bürger in Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte nicht ihre eigenen Interessen, sondern die ihres Eigentums wahrnehmen: Nur dann gibt es eine „funktionierende Demokratie“.
Mit den Struktur-(sprich Schuld-)verschiebungen in der „inneren Zusammensetzung des Kapitals“ verschieben sich auch die Einkommens- und Gewaltquellen des Staates. Nachdem Wirtschaft und Staat in zunehmendem Maße sich kurzschließen, kommt es auf die Löhne und Gehälter der abhängig Arbeitenden fast schon nicht mehr an. Deshalb entartet die Wirtschaft immer mehr zu einer spekulativen Gewinnmaschine, deren Mechanik spiegelbildlich im Bankengeschäft sich abbildet (wenn Banken Kredite gewähren, produzieren sie Schulden, die zur Quelle aller Gewinne geworden sind).
Die creatio mundi ex nihilo, auf die sich der Allmachtsbegriff bezieht, bezeichnet eigentlich die Konstituierung des Weltbegriffs, die in der Tat in einer „Tathandlung“ des Subjekts gründet, die mit den Allmachtsphantasien zusammenhängen, die dem Herrendenken zugrunde liegen: im Ursprung des Objektivationsprozesses. Die Welt als Inbegriff des Objektivierungsprozesses ist eine „Schöpfung“ des Subjekts, das mit der Welt zugleich sich selbst (als Subjekt) erzeugt. Gott aber hat Himmel und Erde, und kein Universum und nicht die Welt, erschaffen.
Naturschutz: Die Vorstellung einer Natur, in der die Menschen nicht mehr vorkommen, ist eine menschliche Vorstellung, genauer: sie ist eine Zwangsvorstellung, die ihren Grund hat in dem Bilde einer kapitalistisch durchorganisierten Ökonomie, in der die Menschen ebenfalls nicht mehr vorkommen.
Totalisierung oder Sein und Bewußtsein: Wie hängt die Transformation von Regierungs- in Verwaltungsfunktionen und die Privatisierung staatlicher Aufgaben mit der Einschränkung der sozialen Leistungen und der Erweiterung und Steigerung seiner Ordnungs-Aufgaben (Rüstung, Militär, Polizei, Strafrecht und Knast) zusammen? Ist das nicht insgesamt ein Prozeß, der sich zugleich in der „Realität“ und in der Sphäre des Begriffs vollzieht? Und liegt nicht die crux der Linken darin, daß sie glaubt, von der Seite dieses Prozesses, die allein der Erkenntniskritik zugänglich ist, abstrahieren und auf die Kritik seines objektiven, realen Anteils sich beschränken zu können? Verfällt sie nicht damit dem gleichen Herrendenken, das sie bekämpfen glaubt, dem Konkretismus und der Personalisierung? Die Gesteinsverschiebungen in der Struktur der politisch-ökonomischen Realität sind ebensosehr Transformationen in der Sphäre des Begriffs, des Bewußtseins, und diese sind mit zu reflektieren, wenn man jene erreichen will.
Nicht zufällig war die Schwachstelle des real existierenden Sozialismus die Verwaltung, die, indem sie glaubte, sich als Verwaltung von Sachen zu begreifen, den Mangel und das Elend, das sie verwaltete, nicht mehr wahrzunehmen brauchte.
Das Substantiv ist nicht nur der Greuel am heiligen Ort (am Ort des Namens), sondern zugleich die Selbstverfluchung Petri und die dritte Leugnung.
Zur Logik der Schrift: Das tode ti, das hic et nunc, Hier und Jetzt, kann ich eigentlich nur sagen, nicht schreiben. Wenn ich es niederschreibe, ist es, wie Hegel nachgewiesen hat, gelogen. Erst im Kontext der Schrift wird das tode ti zum Präsens oder zum Objekt, und hierauf bezieht sich der Indikativ, der – wie die indoeuropäischen Sprachen insgesamt – der Schriftsprache entstammt und angehört.
Die Idee der Wahrheit schließt die Idee der Versöhnung und die Fähigkeit zur Schuldreflexion mit ein. Die Unwahrheit des indikativischen Wahrheitsbegriffs liegt in einem Erkenntnisbegriff, der glaubt, von der Beziehung der Erkenntnis zur Schuld <und der Wahrheit zur Idee der Versöhnung> abstrahieren, m.e.W.: die Sünde Adams leugnen zu können. Diese Abstraktion oder diese Leugnung wird gleichsam automatisiert durch die Beziehung des Erkenntnisbegriffs auf die subjektiven Formen der Anschauung: durch die transzendentale Ästhetik. Die Unfähigkeit zur Schuldreflexion gründet in der Unfähigkeit zur Reflexion der subjektiven Formen der Anschauung.
Worauf bezieht sich das „Gott sah, daß es gut war“ <nur am ersten Tag wird das Objekt benannt: das Licht>? Wenn Gott das Licht sah, was war dann das Medium des Sehens: das Wort, die Sprache, der Name? Und wie verhält sich dieses Licht zu den durch die subjektiven Formen der Anschauung vermittelten Objektivationen des Lichts, deren Geschichte die der Naturwissenschaften begleitet?
Die List der Vernunft ist die List der Schuldverschiebung (die dem Indikativ zugrunde liegt).
Die subjektiven Formen der Anschauung sind nicht „falsch“, falsch ist nur, daß sie durch ihre Formalisierung, die durch ihre Erkenntnisfunktion erzwungen wird, der Reflexion entzogen werden. -
12.7.1995
Zu den schlimmsten Folgen der raf gehört es, daß es seit einigen Jahren keine kritische Begleitung der Rechtssprechung mehr gibt. Die Medien haben vor der Aufgabe, das Recht an der Idee der Gerechtigkeit zu messen, kapituliert. Das Recht ist zu einer Partei- und Gewaltfrage geworden. Kann es sein, daß das von der raf (in der Absicht, „Fronten“ zu klären und in grotesker Verkennung der Beziehung von Recht und Politik) gewollt war?
Zur Geschichte und zum Begriff der Bekenntnislogik: Anhand einer Theorie und Geschichte der Banken wäre zu begreifen, daß die Armut schon in den Anfängen der Weltgeschichte zur Ware geworden ist. In der Geschichte des Kolonialismus ist sie dann erstmals zum Exportgut geworden; jetzt schlägt diese Logik auf den Binnenmarkt zurück. (Das Bankengeschäft ist das Modell der logischen Beziehung der Bekenntnislogik zum Schuldbekenntnis.)
Kommt es nicht in der Tat darauf an, Gesellschaftskritik aus dem Bann des Neidsyndroms herauszuführen? Nicht der Profit ist das Grundübel des Kapitalismus, sondern der Preis der dafür zu zahlen ist.
Kriege sind Katalysatoren und Mobilisatoren des Nationalismus: Sie schweißen ein Volk zusammen.
Die zoologischen Gärten waren immer schon Einrichtungen des kolonialistischen Imperialismus; auch dieser Trend schlägt jetzt unter dem Titel Naturschutz ins Innere der imperialistischen Staaten zurück: Naturschutz nimmt die Natur in Verwaltungsregie.
Die Verwaltungslogik hat den Grundsatz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, verinnerlicht. Die Gemeinheit der Verwaltung gründet nicht in Bosheit, sonden nur in Phantasielosigkeit (die Verwaltungslogik sperrt das Nichtbeweisbare schon apriori aus der Vorstellungskraft aus).
Wie hängt die Bekenntnislogik mit dem projektiven Erkenntnisbegriff der Philosophie zusammen (mit dem Namen der Barbaren und den Begriffen Natur und Materie)? Der Glaubensbegriff, den das Christentum in die Welt gebracht hat, gründet in dieser Konstellation. Das Moment der Reversibilität im Bekenntnisbegriff, das das Schuldbekenntnis mit dem Glaubensbekenntnis verknüpft, gründet in dem projektiven Moment im Erkenntnisbegriff, das den Begriff des Wissens begründet (das Wissen macht das Vergangene vergangen).
Die Trennung des „dimitte nobis debita nostra“ vom „sicut et nos dimittimus debitoribus nostris“ (die Sündenvergebung ohne Versöhnung), der Begriff des Glaubens und die Bekenntnislogik fundieren sich wechselseitig. Das Glaubensbekenntnis trennt die Erlösung von der Versöhnung, in direktem Widerspruch zu den Worten Jesu über die Beziehung des Opfers und des Gebets zur Versöhnung. Diese Einsicht (in die Unmöglichkeit des Opfers heute) hat Camilo Torres zum Guerillero gemacht. Vorher ist der Misthaufen abzuräumen, der das Opfer von der Versöhnung trennt (steht der Hahn auf diesem Misthaufen?).
Die Bekenntnislogik trennt den Glauben von der Gotteserkenntnis und vom Gebet (die Bekenntnislogik ist ein Nebenprodukt der verinnerlichten Blutrache).
Waren nicht der Begriff und die Kritik der Bekenntnislogik (Umkehr des Schuldbekenntnisses) schon angelegt in den Problemen, die mir einmal der philosophische Gebrauch des Wertbegriffs (Schelers „Wertethik“) bereiteten, und finden diese Probleme nicht ihre Lösung in einer Theorie der Banken (Armut als Ware)?
Was bedeuten eigentlich die ägyptischen Plagen (die z.T. als apokalyptische Plagen wiederkehren):
1. Verwandlung des Wassers des Nil in Blut (die ägyptischen Zauberer taten dasselbe),
2. der Nil soll von Fröschen wimmeln, sie sollen aufsteigen, in das Schlafgemach des Pharao, die Häuser, die Backöfen und Backtröge,
3. aus dem Staub die Mücken, sie kommen über Mensch und Vieh (die Zauberer taten dasselbe, aber konnten es nicht),
4. die Häuser und der Boden, auf dem die Ägypter stehen, sollen voll werden mit Bremsen, im Lande Gosen, wo „mein Volk wohnt“, sollen keine Bremsen sein (Scheidewand zwischen meinem und deinem Volk),
5. auf alles Vieh der Ägypter (Pferde, Esel, Kamele, Rinder und Schafe) soll die Pest kommen, das Vieh der Ägypter starb, das der Israeliten blieb verschont,
6. Ofenruß wird zu Staub, bei den Ägyptern wird Mensch und Vieh von Geschwürbeulen befallen (die ägyptischen Zauberer vermögen nichts dagegen),
7. Donner, Hagel und Feuer geht auf Ägypten nieder, alles, was auf dem Felde ist, Mensch und Vieh, auch alles Feldgewächs und alle Bäume werden zerschlagen,
8. Heuschrecken fallen ein, bedecken den Boden, daß man die Erde nicht mehr sieht, fressen alles, was der Hagel noch verschonte,
9. Finsternis kommt über Ägypten, keiner konnte den andern sehen, keiner stand auf von seinem Platze, drei Tage lang, aber die Israeliten alle hatten hellen Tag an ihren Wohnsitzen,
10. alle Erstgeburt in Ägypten, vom Pharao auf dem Thron bis zur
Sklavin hinter der Handmühle, auch vom Vieh wird sterben, es wird großes Wehklagen sein, gegen Israel aber soll nicht ein Hund mucken, der Herr macht einen Unterschied zwischen Ägypten und Israel. -
19.6.1995
Logik der Schrift: Die Schrift erzwingt die Vergegenständlichung der Einsicht zur Erkenntnis (der Sprache zum Instrument der Mitteilung).
Leserbrief zu Metz „Religion und Politik …“ in der FR von heute (Prof.Dr.Thomas Feuerstein, FH Wiesbaden):
– „‚Die Autorität der Leidenden‘ ist nicht unmittelbar gegeben. Stellvertreter dieser Autorität stehen unter prinzipiellem Ideologieverdacht ‚im Lichte‘ diskursiver Vernunft“. Dieser Satz stellt verteidigendes Denken unter Ideologieverdacht („Ihr laßt die Armen schuldig werden“), macht Barmherzigkeit gegenstandslos, verwirft apriori jede Alternative zu der (bis in unsere Naturvorstellungen hinein) vom Selbsterhaltungsprinzip beherrschten Welt. Sie verschiebt den Begriff der Ideologie von der Bezeichnung des Verblendungszusammenhangs auf alles, was diesen Verblendungszusammenhang durchbrechen könnte. Ist nicht schon der Begriff der diskursiven Vernunft ein Instrument des Verblendungszusammenhangs: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, weil sie durch diskursive Vernunft nicht bestimmbar ist, weil sie der Beweislogik sich entzieht. (Zu den Grenzen der Beweislogik vgl. Kants Aporien der reinen Vernunft.)
– Es sollte nicht geleugnet werden, daß auch die memoria passionis instrumentalisierbar ist; nachzuweisen am Christentum, an der Opfertheologie und der damit systematisch verbundenen Orthodoxie (am Dogma und seiner Logik).
– Der prinzipielle Ideologieverdacht bleibt abstrakt, er verfällt der gleichen Logik, gegen die er sich wendet: Indem er das Problem von der sachlichen auf die Bekenntnisebene verschiebt, macht er aus einer Frage der Einsicht eine Bekenntnisfrage und gehorcht so der gleichen Bekenntnislogik, deren Folgen er kritisiert. So werden das reale Leiden, die Armut wie auch Unterdrückung und Verfolgung durch einen logischen Trick zum Verschwinden gebracht. Der prinzipielle Ideologieverdacht gründet in einem logischen Trick, der die Differenz zwischen der Realität des Leidens und ihrer Instrumentalisierbarkeit selber nochmal instrumentalisiert; dieser Logik zufolge wäre jedem Bettler zunächst einmal zu unterstellen, er habe hinter der nächsten Straßenecke seinen Mercedes stehen (soll er doch das Gegenteil beweisen).
– Zu reflektieren wäre die Instrumentalisierung des Leidens (liegt hier nicht der Kern der christlichen Opfertheologie und eine der christlichen Wurzeln des Antisemitismus?), und das wäre allerdings in der Tat die Aufgabe einer Theologie nach Auschwitz (wie auch Johann Baptist Metz sie fordert).
– Ein alltäglicher Ausdruck des „prinzipiellen Ideologieverdachts“ ist der Elternspruch: „Stell dich nicht so an“ (er unterstellt, der Schmerz sei nicht real, sondern nur ein Mittel, damit ein anderes Ziel zu erreichen).
– Der „prinzipielle Ideologieverdacht“ wird gleichsam zur Schufa der Philosophie; er verringert das Risiko, selber zum Opfer eines Betrugs zu werden, das aber zu dem Preis, daß er das reale Leiden ins Dunkel rückt, es unsichtbar macht. Hier wäre ein Beleg für Metz‘ Hinweis auf die Gewalt des Markt-Apriori auch in der Philosophie.
– Was hier ins Dunkel gerückt wird, ist schon in den Anfängen der Moderne an einer realprojektiven Verschiebung nachzuweisen: am Begriff des Wilden.
– Die Diskurslogik hat die Erinnerung an die Theologie bloß abgeschafft, anstatt, wie Adorno einmal die Intention Benjamins zu umschreiben versucht hat, alle theologischen Gehalte restlos zu säkularisieren.
– Der prinzipielle Ideologieverdacht vermittelt das erhebende Gefühl, über der Sache zu stehen, ohne zu bemerken, daß er damit aus der Sache heraus ist. Er ist in Wahrheit ein Instrument des mitleidlosen Herrendenkens. Im sicheren Bewußtsein, daß dieser Beweis nicht zu führen ist, legt er den Opfern die Pflicht auf zu beweisen, daß sie Opfer sind. Auch so schafft man, wenn nicht eine reale heile Welt, so doch ihren allgegenwärtigen Schein.
– Gehörte nicht die Sympathisantenjagd im Kontext des Terrorismus zu den manifesten Folgen des prinzipielle Ideologieverdachts: der Unfähigkeit, zwischen dem humanen Impuls der Empathie und ihrer politischen Instrumentalisierung zu unterscheiden? Ist nicht die Geschichte der (auf ihre juristischen Aspekte reduzierten) Auseinandersetzung mit der raf so unendlich mit den verhängnisvollen Folgen dieser Logik belastet (und hat nicht die raf selbst durch ihre Wendung zum Terrorismus diese Folgen mit zu verantworten)?
Der Metz’sche Versuch, das Konzept einer anamnetischen Vernunft zu entfalten, ist – weiß Gott – nicht schon „gelungen“; er ist weiterhin entfaltungsfähig und -bedürftig. Es ist überhaupt keine Hilfe, diesen Versuch gleichsam apriori abzuwehren. Der prinzipielle Ideologieverdacht (der heute aus sehr tiefen gesellschaftlichen Gründen so nahe liegt, daß er fast durch Reflexion nicht mehr aufzulösen ist) wird zur Quelle der Paranoia, deren erstes Opfer – zusammen mit dem Antijudaismus, der innerkirchlichen Quelle des Antisemitismus – die kirchliche Theologie selber einmal geworden ist.
In welcher Beziehung stehen die aufbrechenden Nationalismen und die Wendung zu fundamentalistischen Instrumentalisierungen der Religionen (auch dies ein Gegenstand einer politischen Theologie) zum derzeitigen Stand der Geschichte der politischen Ökonomie? (Ursprung der Einen Welt in der Geschichte des Marktes; Zerfall der Souveränität; Übergang von Regierung in Verwaltung, Abgabe von Regierungsaufgaben an die Verwaltung: Übergang der Souveränität an Institutionen wie Bundesverfassungsgericht, Bundesbank, EG, UNO, Weltbank und IWF.)
Wiederkehr der kantischen Antinomien der reinen Vernunft in der Politik:
– Die Verwaltung sprengt die Gewaltenteilung (durch Implosion): sie übernimmt zu den ihr obliegenden Aufgaben der Exekutive inzwischen auch die der Legislative und der Jurisdiktion – Angleichung von Rechtsprechung und Verwaltung; Verwaltung als Selbstorganisation des gesellschaftlichen Gewaltpotentials.
– Verwischung der Grenzen von Innen- und Außenpolitik: Folgen für den Begriff der Gewalt (der nach innen anders definiert ist als nach außen): Läßt sich das Gewaltmonopol des (nationalen) Staates auf internationale Organe übertragen (vgl. den Golfkrieg und die Probleme der UN-Blauhelm-Truppen im Jugoslawienkonflikt).
– Sonderstellung der Bundesbank und der Weltbank: Dekonstruktion des Prinzips der Gewaltenteilung; Teilhabe eines in der reinen Lehre nicht vorgesehenen Instituts an der Gewalt (an einer Quelle des Gewaltbegriffs: im Falle der Bundesbank im Bereich der Währungshoheit des Staates, der „Subjekt“-Länder; im Falle der Weltbank Eingriff in die Souveränität der „Objekt“-Staaten, der „Entwicklungsländer“).
– Neonationalismen gründen in dieser Krise des Gewaltbegriffs; sie sind rational und irrational zugleich: Nation als transzendentales Subjekt in einer Welt, die zur Selbsterhaltung keine Alternative mehr kennt.
– Fortschreitende „Privatisierung“ staatlicher Aufgaben; Folge der Expansion der Marktlogik in den Bereich der Souveränität; Begriff des Neofeudalismus zu harmlos. Ausdruck der Strukturänderungen im Gewaltbegriff (im „Begriff“: in der Herrschaftslogik des Ganzen wie in der Depotenzierung des Bewußtseins).
Sprache und Mathematik: Kant hat die Welt als mathematischen, die Natur als dynamischen Totalitätsbegriff definiert; spiegelt sich darin das Verhältnis von Mathematik und Sprache?
Auffallend, daß Habermas Horkheimers Skrupel hinsichtlich der Neuauflage der Dialektik der Aufklärung als Ausdruck eines offenen Problems verdrängt, sie statt dessen als „Beweis“ dafür nimmt, daß die Dialektik der Aufklärung überholt sei. Er nutzt Horkheimers Skrupel als Mittel der Neutralisierung der Dialektik der Aufklärung anstatt als Impuls ihrer Weiterentwicklung. -
11.6.1995
Creatio mundi ex nihilo: Hat das nicht mehr mit einer Theorie der Banken, mit dem Problem der Kreditschöpfung, zu tun als mit der Theologie?
Daß Gott den Himmel aufgespannt und die Erde gegründet hat, steht uns das nicht in den Planetenbewegungen am Himmel vor Augen? Drückt in den Planetenbewegungen nicht dieses Aufspannen und Gründen als Tätigkeit sich aus (haben wir darin nicht die Schöpfung als Tätigkeit vor Augen)?
Walter Benjamin hat Kafkas Satz „Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns“ ergänzt: „Hoffnung ist uns nur um der Hoffnungslosen willen gegeben“. Aber wer sind die Hoffnungslosen? Sind es nicht in erster Linie die Toten? Das aber heißt, daß wir die Lehre von der Auferstehung nicht auf uns, sondern nur auf sie noch beziehen können.
Konsequenz aus Peter Brown (Macht und Rhetorik): Ist nicht die Konfessionalisierung des Symbolums eine Folge seines Ursprungs in der Rhetorik?
Die Logik der Schrift verdinglicht das Wort, sie immunisiert die Dinge gegen ihren Namen.
Hodie, si vocem eius audieritis: Wie das Sehen aufs Vergangene, so verweist das Hören aufs Zukünftige (der Begriff subsumiert das Hören unters Sehen).
Die Lateiner haben physis mit natura übersetzt, aber beide Begriffe bezeichnen nicht das Gleiche. Die Differenz ist herrschaftsgeschichtlich vermittelt.
Alle Religionen sind verweltlichte und vergesellschaftete Formen der Gotteserkenntnis. Darum ist jede Religion, der man angehört, die falsche.
Wäre Gemeinheit ein strafrechtlicher Tatbestand, würde es keine Verwaltung mehr geben können. (Ein von Verbotsschildern durchsetzter Wald ist kein Wald mehr, sondern ein Verwaltungsobjekt.) Muß man nicht ähnlich wie man sagt, daß die Roten mit dem Geld nicht umgehen können, von den Grünen sagen: Sie können mit der Verwaltung nicht umgehen?
Ist der Jugoslawienkonflikt nicht ein weiteres Indiz dafür, daß Politik generell in Verwaltung überzugehen scheint? Die supranationalen Einrichtungen wie EG und UNO sind reine Verwaltungseinrichtungen, an die die Staaten ihre Souveränität abgegeben haben, denen aber selber jegliche Souveränität abgeht. In einer verwalteten Welt gibt es eigentlich keine Kriege mehr, sondern nur noch Bürgerkriege und Polizeiaktionen. Aber ist es nicht genau diese Konstellation, in der nur Terrorismus noch eine Chance zu haben scheint (u.a. deshalb, weil es zum Terrorismus keine Friedensalternative gibt, sondern nur noch Endlösungen)? Die Ohnmacht der Militärs angesichts der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien hängt damit zusammen. Und was bedeuten diese Vorgänge für das Problem des Verfassungsstaats und der Gewaltenteilung?
Ist es nicht der Verwaltungs- und Polizeistaat, und sind es nicht seine unsauberen Folgeeinrichtungen, die (erstmals im alten Rußland) den Terrorismus, der durch Gesetz und Moral sich nicht mehr gebunden fühlt, gegen sich wachrufen? Terrorismus, die Machtquelle derer, die in den repräsentativen Systemen sich nicht mehr vertreten fühlen, ist Symptom eines herrschafts- und begriffsgeschichtlichen Problems. Das Problem des Terrorismus entspringt den gleichen logischen Gründen, aus denen auch das Problem der „zivilen Nutzung der Atomenergie“ hervorgeht, und es ist ebenso lange wie dieses nicht lösbar.
Das Engelssche Konzept der „Verwaltung von Sachen“ als Grundlage einer befreiten Gesellschaft, an dem der „real existierende Sozialismus“ gescheitert ist, ist ebenso antisemitisch, paranoid und frauenfeindlich wie die Trinitätslehre.
Was bedeutet die in der Theologie üblich gewordene Verletzung des Verbots, den Gottesnamen auszusprechen, (das „Jahwe“) für die Geschichte der Trinitätslehre? Steht nicht der Gottesname „Vater“ im Christentum in der Adonai-Tradition (als Versuch der „Humanisierung“ des Namens „Herr“)?
Die kirchliche Tradition kennt keine Patriarchen, nur „Kirchenväter“. Und niemand würde auf die Idee kommen, in Analogie zum Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs vom Gott des Johannes Chrysostomus, des Gregor von Nazianz oder des hl. Augustinus zu sprechen.
Das Problem der Kirche ist, daß sie mit der Anwendung des Objektivationsprozesses auf die Theologie, mit der Instrumentalisierung des Dogmas und mit der Errichtung des kirchlichen Lehramts den Heiligen Geist unters Herrendenken subsumiert hat.
Hat Habermas, als er die Naturspekulation aus der Philosophie ausgeschieden hat, das prophetische Element aus der Frankfurter Schule vertrieben? Mit der Ausscheidung der Reflexion der Natur hat er der Kapitalismus-Kritik den Boden entzogen. -
26.5.1995
Der Gegensatz von Sehen und Hören drückt in der Sprache in der Beziehung von Schrift und Wort sich aus. Worauf bezieht sich das Wort von den „sichtbaren und unsichtbaren Dingen“ im Credo? Ist nicht das Dogma der Versuch, das Unsichbare in Sichtbares: den Glauben in Wissen zu transformieren? Und war nicht genau das der parvus error in principio? Wer das Unsichtbare in Sichtbares zu transformieren versucht, setzt an die Stelle des Hörens den Gehorsam.
Das Dogma und die Logik der Schrift: Quod non est in actis, non est in mundo.
Das Dogma hat die Ohren verstopft.
Die Prophetie hat in der Tat in der Geschichte Jesu sich erfüllt; aber erfüllt heißt nicht abgeschlossen, heißt nicht, daß das Erfüllte damit zu etwas Vergangenem geworden ist: Es ist vielmehr auf eine neue Weise gegenwärtig geworden. Hat nicht erst die Kirche, durch ihre Art der Verarbeitung (durch theologische Objektivierung), es zu etwas Vergangenem, Erledigten, gemacht?
Stephanus sah den Himmel offen. Hat nicht Paulus, der in den dritten Himmel entrückt war, die Feste des Himmels wieder verschlossen und durch die Archonten versiegelt? Und hat nicht Paulus (ein „V-Mann“ der Sadduzäer, nicht der Pharisäer) das sadduzäische Prinzip, das er vertrat, ins Christentum mit herübergenommen und so dazu beigetragen, daß die jüdische Tradition aus dieser Fessel sich befreien konnte?
Der Gottesname „Vater“ gewinnt Sinn nur, wenn ich ihn auf andere beziehe: Nur dann werden die Sätze verständlich „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist“ oder „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben …“ oder auch „Was ihr den Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“.
War die Kopenhagener Schule nicht der Vorläufer der Postmoderne in der Physik? Beide haben die Logik des Sehens bis an die Grenze vorgetrieben, an der sie hätte ins Hören umschlagen müssen, aber dann wieder ins Sehen zurückgebogen.
In einen Prozeß hineingezogen werden kann ich auf dreifache Weise: als Ankläger, als Angeklagter oder als Verteidiger.
Sind Perfekt und Imperfekt die konjunktivischen Verkörperungen von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit? Die indoeuropäischen Sprachen haben aus dem Imperfekt das Praeteritum gemacht: Sie ist die Welt zu einer durch die Vergangenheitsform (durchs Perfekt) abgeschlossenen Welt geworden (zum Präsens), die seitdem instrumental verfügbar ist. Das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden, revoziert das Praeteritum (und die Gewalt des Perfekt). Das Perfekt, das für uns zur abgeschlossenen Vergangenheit geworden ist, war in der Bibel inhaltlich erfüllt: Er starb alt und lebenssatt. Das indoeuropäische Perfekt ist der Sprachgrund der Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt.
Auschwitz ist die reinste Verkörperung des vom Perfekt vergewaltigten Imperfekt.
Theodor Haeckers Bemerkung über den „echten Hebräer“ gehorcht der Logik der bloß erbaulichen Bibellektüre, die seit je projektiv und antisemitisch war.
War der Himmelfahrtstag nicht seit je ein Männertag („Ihr Männer von Galiläa …“)? Waren nicht hier und beim letzten Abendmahl die Frauen ausgeschlossen?
Die Trinitätslehre hat die Attribute Gottes durch Objektivierung aus dem Imperativ in den Indikativ zurückübersetzt, sie für Herrschaftszwecke brauchbar gemacht. Hat sie damit nicht das Wort Jesu zu Petrus „Weiche von mir Satan! Du bist mir ein Fallstrick, denn du sinnst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist“ (Mt 1623) als Imperativ genommen?
Das Allgemeine ist, bezogen auf das Einzelne, das Gemeine.
Die Postmoderne vollstreckt den Bann des begrifflichen Denkens: den Verzicht auf Ziele und Resultate. Die Dekonstruktion ist die Entfaltung des Widerspruchs, der mit ihrer Objektivierung auch die Ziele und Resultate ergreift.
Mit dem Satz „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ ist die Offenbarung fähig geworden, in die Völkerwelt hinauszugehen.
Der Vertrauens-Slogan der Deutschen Bank bezieht sich auf das Vertrauen, daß die Kunden in die Deutsche Bank setzen sollen, nicht auf das Vertrauen, das die Deutsche Bank in die Kunden setzt. Es ist ein durchaus einseitiges Vertrauen und meint eigentlich: Ihr könnt uns vertrauen, wir werden euch die Drecksarbeit abnehmen. Geldwäsche ist eine der wichtigsten Aufgaben der Banken: Man sieht dem Geld auf dem Konto nicht mehr an, auf welche Weise es gewonnen, erhalten und vermehrt wurde.
Wie wäre es mit der These, daß der Antisemitismus heute nicht aufgehoben, sondern nur neutralisiert, gleichsam in eine Latenzphase gebracht wurde?
Gibt es zu der Unterscheidung von gegen und wider (Gegner und Feind, Gegenstand und Widerstand) eine Entsprechung im Lateinischen oder Griechischen? Gehört diese Unterscheidung (zusammen mit dem naturwissenschaftlichen Begriff der Trägheit) zu den Ursprungsbedingungen des Dingbegriffs? Und hat diese Unterscheidung etwas mit der des Andern vom Fremden zu tun (ist der Andere der neutralisierte Fremde, der Gegner der neutralisierte Feind)?
Nach einem Hinweis von Jürgen Ebach bezieht sich das biblische „im Angesicht“ sowohl auf Gott wie auch auf den Feind. So hängt das Leuchten des Angesichts mit der Feindesliebe zusammen. Im Feind hasse ich die eigene Verblendung (das nach draußen projizierte verdrängte Innere, das ich in mir selbst nicht wahrhaben will, die projektiv ins Objekt verschobene Manifestation des Verdrängten, die die Welt verdunkelt).
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie