Dritte Person: Wer die „zwischenmenschlichen Beziehungen“ privatisiert, sie auf Beziehungen zwischen erster und zweiter Person reduziert (auf das Schema der „Begegnung“), macht Gott zur dritten Person, zu einem, über den man reden kann. Er macht die Theologie zur Theologie hinter dem Rücken Gottes. In dieser Konstellation sind die Menschen zwar „nett zueinander“, das aber nur, weil sie entschlossen die Folgen dieses Nettseins nicht mehr wahrnehmen. – Vgl. hierzu Walter Bindemann „… Gutes tun und leihen …“ (in Füssel, Segbers „… so lernen die Völker des Gerechtigkeit“, S. 259ff): Anstatt aus den Texten über das Leihen und Zinsnehmen die Verhältnisse, aus denen sie stammen, herauszulesen, werden sie unmittelbar auf die Gegenwart, auf die sie nicht passen, angewandt. Vergessen wird, daß zwischen den biblischen Texten und uns zweitausend Jahre Christentum liegen.
Macht nicht Walter Bindewald die Feindesliebe zu einer Gesinnungsfrage, weil er das Strukturproblem (das gesellschaftliche Problem), das in diesem Gebot steckt, und auf das dieses Gebot die Antwort ist, nicht sieht?
Der Glaube an die magische Macht der Verurteilung, der dem Satz „Alles verstehen heißt alles verzeihen“ zugrunde liegt, ist ein Teil der Bekenntnislogik (des Feigenblatt-Syndroms). Er verhindert heute das Begreifen dessen, was unterm Nationalsozialismus in Deutschland geschehen ist, und versperrt so den einzigen Weg, auf dem die Wiederholung des Grauens sich ausschließen läßt. – Die Diskriminierung des „Negativismus“ der kritischen Theorie steht unter dem Bann einer säkularisierten Bekenntnislogik; deshalb brauchte Habermas seinen „Verfassungspatriotismus“: um dem Bekenntnis einen Inhalt, der Bekenntnislogik ein Objekt zu geben.
Am Modell eines Naturschutzes, der heute der Verwaltung übertragen wird, lassen sich das Konstrukt und die Folgen der Ideologisierung des Unschuldstriebs demonstrieren: Die Wachteln, die Libellen und der Enzian werden ideologisiert, um den Allmachtsphantasien der Verwaltung das Alibi und den nötigen Freiraum zu verschaffen.
Mit dem Schwur wurden in der altorientalischen Welt Verträge besiegelt; deshalb waren die Tempel der Ort, an dem Verträge abgeschlossen wurden: im Angesicht der Götter, die als Zeugen angerufen wurden. Der Schwur besiegelte die wechselseitige Selbstbindung zweier Partner (war die hierbei zwangsläufige Instrumentalisierung der Götter nicht das Objekt des prophetischen Vorwurfs der Idolatrie und der Hurerei?). Mit der Anrufung des Gottes wurde sein Gericht auf den herabgerufen, der den Vertrag verletzte. Der Staat hat dieses Instrument der Sanktionierung der Vertragsverletzung in der Ausbildung des Rechts dann rationalisiert und selber instrumentalisiert.
Die subjektiven Formen der Anschauung, das Geld und die Bekenntnislogik konstituieren die private Welt. Ist nicht das Private der Spiegel des nationalistisch gewendeten Politischen?
Bekenntnislogik
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25.4.96
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17.4.96
Die Blüte und das Angesicht sind Widerlegungen der kopernikanischen Wende, der Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung; gäbe es den unendlich ausgedehnten Raum, so würde es die Blüte und das Antlitz des Andern nicht geben.
Das Angesicht Gottes finde ich im Antlitz des Andern (in Seinem Ebenbild), nicht in mir selbst (und nicht im Spiegel): Da stehe ich mir selbst im blinden Fleck.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Produkt der Verinnerlichung des Blicks des Andern. (Die Verwaltung ist das Produkt der gesellschaftlichen Institutionalisierung des Blicks des Andern. Insofern hängt die Geschichte der Verwaltung mit der Geschichte des Ursprungs der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, des Inertialsystems, zusammen.)
Läßt sich die Abstraktion vom Blick des Andern, Voraussetzung der Konstruktion der subjektiven Formen der Anschauung, nicht am Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit demonstrieren, mit seiner Hilfe nachweisen?
Die Bekenntnislogik gründet in der Umkehr und Instrumentalisierung der Schuld, das Geld in der Umkehr und Instrumentalisierung der Herrschaft, das Inertialsystem (die subjektiven Formen der Anschauung) in der Umkehr und Instrumentalisierung der Erkenntnis. – Wie hängen diese drei mit den drei Totalitätsbegriffen, mit Natur, Welt und Wissen, zusammen?
Verweist die Stelle im neuen Welt-Katechismus, in dem es heißt, daß Maria „mit liebender Zustimmung“ dem Kreuzestod ihres Sohnes beiwohnte, nicht auf eine Versuchung, die im Konstrukt des „stellvertretenden Leidens“ mit enthalten ist: daß nämlich die Theologie nur noch das instrumentalisierte Leiden kennt, den Ausdruck des unmittelbaren Leidens aber nicht mehr erträgt.
In der Mathematik und in seiner Beziehung zu den Medien ist jeder für sich; die Mathematik und die Medien begründen das Kollektiv der Einsamen, das stumme Kollektiv (Produkt der Trennung von Sprache und Realität).
Thomas von Aquin hat noch gewußt, daß die Seligen im Himmel an ihrer Trennung vom Leib leiden. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff des Leibes! -
16.4.96
Die Trinitätslehre neutralisiert das Angesicht, sie macht die Theologie zur Theologie hinter dem Rücken Gottes. Sie ist ein Produkt der Logik der Schrift, nicht des Worts.
Antizipiert der Geist, der über den Wassern schwebt, nicht schon das andere Element des Himmels, das Feuer: als Luft (als Hauch und Atem Gottes)?
„Fest soll mein Taufbund immer stehen“: So wird die Bekenntnislogik durch einen Schwur begründet. Ist nicht jedes Bekenntnis auch ein Stück Verschwörung, und ist deshalb die Bekenntnislogik so anfällig für Verschwörungstheorien?
Hängt nicht das „Du sollst nicht schwören“ (Mt 534ff, Jak 512) mit der Selbstbegründung des Glaubens zusammen, und trifft es nicht den Kern der Logik des Glaubens?
Gibt es eine Beziehung des Schwurs zur Konstituierung der Naturwissenschaften (der subjektiven Formen der Anschauung)?
Beerscheba: Der Name bezeichnet sowohl den Schwurbrunnen als auch den Siebenbrunnen. (Hat die Formel „von Dan bis Beerscheba“ etwas mit Orion und den Plejaden zu tun? – Vgl. Amos)
Jakobusbrief: Wie hängen Schwur und Irrtum (die Siebenzahl mit den „Planeten“, den Irrsternen) zusammen? Oder: Hängt die Auferstehung Jesu mit der Befreiung der Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern zusammen?
Gründet nicht auch die Ehe in einem Schwur? Aber ist dieser Schwur nicht das Abbild der Beziehung Gottes zu Israel (und zur Kirche)? Bezeichnet nicht der apokalyptische Begriff der Unzucht den Mißbrauch (die Instrumentalisierung) dieses Schwurs (ein Mißbrauch, der sowohl „naturphilosophische“ als auch „religiöse“ Bedeutung hat, in ihrer Beziehung zur Herrschaft gründet)?
Die Längenkontraktion und die Zeitdilatation wie auch die Äquivalenz von Materie und Energie sind keine universalen Bestimmungen, sondern richtungsbezogen. (Das Angesicht ist die Widerlegung der Unendlichkeit des Raumes; oder: die Unendlichkeit des Raumes leugnet das Angesicht.)
Der Fortschritt der Subjektivierungsgeschichte geht über die Verdrängung der sinnlichen Qualitäten, die Unterdrückung der Fähigkeit zur Herrschaftskritik bis hin zur Unfähigkeit zur Schuldreflexion, zur Verwandlung der Schuld in Schuldgefühle (die dann den Mechanismen des Schuldverschubsystems gehorchen).
Der Jakobusbrief bewegt sich diesseits der Christologie, der Opfertheologie und der Bekenntnislogik („auch die Dämonen glauben es und zittern“ 219).
Ist die concupiscentia, die die alte Theologie mit der Sexualität gleichgesetzt hat, nicht etwas Objektives; ist nicht das Geld ihre Verkörperung?
Die Selbstaufklärung der Astronomie wird erst zusammen mit der Selbstaufklärung der Banken möglich sein.
Woher kommt der Name der „Heiden“, wodurch unterscheiden sich die Heiden von den Völkern? Auch hier käme es darauf an, das Paradigma Innen/Außen durch das andere: Im Angesicht/Hinter dem Rücken zu ersetzen. Die Heiden sind ein Produkt des Hellenismus: Sie haben die Stelle der Barbaren eingenommen (und die Christen zu Hebräern gemacht).
War nicht jede dogmatische Ausgrenzung auch ein Instrument der Rechtfertigung?
Jak 119: Beitrag zur Kritik der transzendentalen Ästhetik und Logik. Das Objekt ist ein Produkt des schnellen Redens und des schnellen Zorns.
Jak 413 – 56: Ist heute nicht 413-17 zu einem Element von 51-6 (die Zirkulation zu einem Teil der Produktion) geworden? (Absicherung der Produktion durch Rationalisierung der Marktchancen; Marktforschung und PR als Instrumente der Stabilisierung des Absatzes). -
15.4.96
Als Urteilsmoral hat die christliche Sexualmoral die Gottesfurcht durch das schlechte Gewissen ersetzt, das die Menschen beherrschbar macht.
Die Bekenntnislogik ist die Logik der Objektivierung und Instrumentalisierung der Wahrheit. Deshalb gibt es kein Bekenntnis ohne Opfertheologie. Und der Götzendienst war bereits eine experimentelle Vorform der Bekenntnislogik.
Die Lohnarbeit war der Beginn eines Prozesses, der darauf abzielt, am Ende auch die Zirkulation in die Produktion mit einzubeziehen, (durch Marktanalyse und Reklame beherrschbar zu machen). Die Globalisierung des „freien Marktes“ hat die Logik des Kapitals (ähnlich wie die Staatsschutzjustiz die Logik des Rechts) zur transzendentalen Logik (zu einem Instrument der Konstruktion von synthetischen Urteilen apriori) gemacht.
Ist nicht das Wort über den Handel und an die Reichen (Latifundienbesitzer) bei Jakobus an Griechenland und an Rom adressiert?
Die Blinden und die Lahmen: Läßt sich diese Konstellation nicht an der Beziehung zum Faschismus demonstrieren? Werden nicht die, die den Faschismus durch Verurteilung (aus der Sicht der Nachgeborenen) bannen wollen, blind, und die, die ihn von innen (aus der Sicht seiner Opfer) begreifen wollen, lahm?
Die Menschen leben nicht (wie die Tiere) in der Natur, sondern in der Welt. Die Welten der Tiere, sind allesamt Teil der Natur (die Natur ist der Inbegriff aller Objekte von Urteilen: das Tier ist ein lebendiges Objekt eines Urteils).
Zum Symbol des Kreuzes: In der Mathematik sind wir die Opfer einer Logik, die uns beherrscht; die Beweislogik ist die Logik dieser Herrschaft, einer Logik, deren Ursprung wir nicht kennen, und an deren Ursprung wir nicht heranreichen.
Wenn der Staat die Organisationsform einer Gesellschaft von Privateigentümern ist, dann, so scheint mit, verweist das auch auf den Ursprung der Mathematik (des „Bogens in den Wolken“?).
Ist der Bogen in den Wolken das hebräische Gegenstück zum griechischen Gnomon?
War nicht die Darstellung der Praxis der Getreide-Spekulation und ihrer Folgen bei Frank Norris (in dem Roman, der Bert Brecht zum Marxisten gemacht hat), noch harmlos gegenüber der Funktion und Bedeutung, die die Spekulation (als reine Geldspekulation) heute gewinnt? Die Hypothese wäre zu prüfen, ob nicht das Geld-Spekulationsgeschäft, das nicht nur (wenn auch vor allem) Banken betreiben, mit der Explosion der Armut, die ganzen Bevölkerungen die Existenzgrundlage entzieht, zusammenhängt, und das nicht nur symbolisch, sondern real. -
6.4.96
Prophetie: So tief in die Realität eindringen, daß die Katastrophe, auf die sie hinausläuft, ablesbar wird.
Das Christentum hat, als es die Prophetie (um den Preis des Antijudaismus) historisierte, sie gegen sich selbst gekürzt.
Abenteuer: Die ritterliche Welt war die Wiederholung der heroischen Welt, aber als Farce.
Finsternis und Licht: Steckt in der Beziehung beider nicht ein Hinweis auf den Schöpfungsrhythmus, den Rhythmus von Katastrophe und Rettung? Das Licht ist die erhellte Finsternis.
Jonas: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört. – Vierzig Tage war Jesus in der Wüste, bevor ihn der Satan dreimal versuchte.
Das Zeichen des Jonas: Es ist nicht eingetreten. Jerusalem hat sich nicht bekehrt und wurde zerstört. Oder gilt das Zeichen des Jonas erst für die theologische Tradition vom Weltuntergang?
Jonas: Es gibt eine Form der Prophetie, die dadurch bestätigt wird, daß sie nicht eintritt.
Das Zeichen des Jonas: War nicht Simon Petrus der Sohn des Jonas oder auch des Johannes? Ist Johannes Jonas? Und ist die Johannes-Offenbarung der Spruch des Jonas in Ninive (wie groß war Ninive, und weit ist Jonas in Ninive hineingegangen)?
Das Fernsehen ist die Fata morgana in der Wüste.
Der aufgespannte Himmel ist der Grund des Zeitkontinuums.
Das Geld ist kein Naturprodukt, kein Teil der Schöpfung, ebensowenig ist es die Bekenntnislogik, die Religion. Aber wie verhält es sich mit dem Raum? Ist der Raum nicht von der „Feste des Himmels“ abstrahiert, und ist diese Abstraktion nicht der Grund, aus dem das Geld und die Bekenntnislogik, der Staat und die Religion, erwachsen sind?
Durch die historisierende Ausblendung der Prophetie, durch die Verdinglichung des Hörens zum Gehorsam, ist die Schrift für das Christentum zu einer Sammlung exemplarischer Geschichten geworden. Daß ein Großteil der „biblischen Geschichten“ in dieses Konstrukt nicht hineinpaßte und ausgeklammert werden mußte, hat dann zur Diskreditierung des „Alten Testaments“, das an das Niveau des „Neuen Testaments“ nicht heranreichte, beigetragen. War nicht das Alte Testament durch das Neue eigentlich hinfällig geworden? Erst wenn der Bann der Bekenntnislogik gesprengt wird, der Gehorsam zum Hören sich bekehrt, und d.h im Kontext der Gotteserkenntnis gewinnt die Schrift auch ihre praktische Relevanz zurück. -
1.4.96
Die Geldmenge, Grundlage des Reichtums des Staates, läßt sich durch Beschleunigung ihrer Umlaufgeschwindigkeit erhöhen (Bank als Beschleuniger, „Durchlauf-Erhitzer“).
Vermögen ist grundsätzlich immobil, es sei denn, man läßt das Geld „arbeiten“ (Bank als Energie-Erzeuger: Dampfmaschine, Stausee, Elektrizitätswerk, Atomkraftwerk).
Das Richter-Buch von Lillian R. Klein erinnert an eine fundamentalistische Fundamentalismus-Kritik. Auf welche Ursprungs-Situation verweist das Buch der Richter; erinnert es nicht gelegentlich an eine Makkabäer-Kritik?
Nur wer keine Ironie versteht, kann das Buch der Richter als „archaisch“ mißverstehen. Wer keine Ironie versteht, versteht die Prophetie nicht, zu der das Buch im jüdischen Kanon zählt.
Der Name der Hebräer kommt im Buch der Richter nicht vor, er kommt vor beim Abraham, in der Exodus-Geschichte (gegenüber Ägypten) und in den Philister-Kriegen, in der Ursprungsgeschichte des israelischen Königtums.
In welcher Beziehung steht der Begriff des Überzeitlichen zu dem des Ewigen. Es genügt nicht der Hinweis auf den Unterschied, die Nichtidentität, zu reflektieren wäre die logische Beziehung beider Begriffe, die an das Paradigma der Beziehung von Im Angesicht und Hinter dem Rücken erinnert.
Das Paradigma von Indikativ und Imperativ gilt auch für den Satz, Gott sei der „Herr der Geschichte“, der nicht nur empirisch sich widerlegen läßt, sondern nur als Imperativ im Levinasschen Sinne Sinn macht: als Begründung und Rechtfertigung des eigenen Herrschaftstriebs. Der Satz ist seit je als Imperativ verstanden worden, zugleich aber – und das war eine der Bedingungen seiner Geltung – mußte er der Reflexion entzogen werden.
„Innerhalb der vier Wände“: Nur die vier Seitenwände gelten als Wände eines Hauses, nicht das Dach (die Decke), der Boden. Genau dadurch unterscheidet sich der Würfel vom Haus (auch die Pyramide vom Tempel?), daß hier alle Seiten äquivalent sind.
Waren die Pyramiden, die Gräber der Pharaonen, ein Instrument zur Ausbildung der Raumanschauung?
Zum Begriff des Bekenntnisses: Name und Begriff (oder auch das Hören und Sehen, das Wort und die Schrift) unterscheiden sich durch ihre Beziehung zur Schuld. Die Neutralität des Begriffs ist seine Neutralität gegen Schuld (der Schein seiner exkulpatorischen Kraft: der Begriff – und als dessen Inbegriff die Welt – bezeichnet den Bereich, den Gott nicht sieht). -
22.3.96
Genealogie: Die Bekenntnislogik ist die Tochter des Tauschprinzips und die Mutter des Trägheitsgesetzes. Sie ist das Bindeglied zwischen der Geldwirtschaft und den mathematischen Naturwissenschaften.
Die Bekenntnislogik (vom Götzendienst über das trinitarischen Dogma bis zum Faschismus) ist das Laboratorium des Weltbegriffs.
Das Inertialsystem ist die instrumentalisierte Schicksalsidee (die instrumentalisierte Logik des Mythos). Die Schicksalsidee (und der Mythos) aber war der Preis für die Bildung des Neutrum und den Ursprung der indoeuropäischen Sprachen.
Der Islam, der das Schicksal monotheisiert hat, hat den Ausweg aus dem Mythos vesperrt.
Jeshajahu Leibowitz: Die Geschichte ist die Geschichte des Wahnsinns, des Verbrechens und des Unglücks. Und sie ist zugleich die Geschichte des Kampfes dagegen. Verweist nicht der Wahnsinn auf die Bekenntnislogik, das Verbrechen auf die Geldwirtschaft und das Unglück auf den Ursprung des Naturbegriffs? Wer die Geschichte auf Wahnsinn und Verbrechen reduziert, ist paranoid. Nur die Erinnerung ans Unglück bewahrt vor der Paranoia, vor der auch die Kapitalismus-Kritik nicht gefeit ist. Dem Faschismus ist es vorbehalten geblieben, auch das Unglück noch in die eigenen Regie zu nehmen, die Naturkatastrophe zu inszenieren.
Was die Reflexion von Auschwitz und den „christlich-jüdischen Dialog“ so unendlich belastet und fast unmöglich macht, ist das Erbe einer Logik, die zuerst in der Christologie sich manifestiert hat: die Logik der Vergöttlichung des Opfers, die ein Teil der Urteilslogik ist. Der Faschismus aber war eine Explosion der Gemeinheit; und diese Explosion ist nicht beendet, sie geht weiter. Damit hängt es zusammen, wenn der Schrecken und der Bann des Faschismus nicht durch Verurteilung aufzulösen ist, sondern allein durch Reflexion der Logik der Gemeinheit, die innerhalb der Urteilslogik nicht zu leisten ist, weil sie die Reflexion der Urteilslogik (die Kritik der in der Urteilslogik begründeten Totalitätsbegriffe, der Begriffe des Wissens, der Natur und der Welt) voraussetzt.
Ist nicht der Begriff der Bekenntnislogik ein Versuch, dem Problem der Gemeinheit auf die Spur zu kommen? Die Bekenntnislogik, die in der Schuldumkehr gründet, verdankt sich der Weiterbildung und Entfaltung des projektiven Moments im philosophischen Erkenntnisbegriff. Das Glaubensbekenntnis ist ein umgekehrtes Schuldbekenntnis: Bekannt (und damit zugleich festgeschrieben und fixiert) wird die Schuld des Objekts, die „Schuld der Welt“, die der Erlöser im Opfertod am Kreuz „hinweggenommen“ und gesühnt haben soll. Der christliche Erlösungsbegriff, die Idee der „Entsühnung der Welt“, war die konsequenteste Entfaltung der Bekenntnislogik; ihr wirkliches Ergebnis aber war die Freistellung des Weltbegriffs, die Legitimierung von Herrschaft, die Diskriminierung der Kritik. Die die Bekenntnislogik konstituierende Opfertheologie ist im Faschismus nochmals explodiert: Das war die Explosion der Gemeinheit. Ist die Bekenntnislogik der „Greuel am heiligen Ort“? Und ist das in die Bekenntnislogik verstrickte Christentum nicht die Bestätigung des Satzes, daß vor Gott tausend Jahre wie ein Tag sind: der Tag des Schreckens (mit der Bekenntnislogik als Mittel der moralischen Anästhesie), der Tag JHWHs (die Zeitdilatation der Bekenntnislogik: das Binden, zu dem das Lösen noch aussteht)? Nicht zufällig wollten die Nazis ein „Tausendjähriges Reich“ errichten. Hier findet das Bild vom Dogma als der Schockgefrierung einer Tradition, die nur so zweitausend Jahre Christentum überleben konnte, seine Begründung.
Die Theologie im Angesicht Gottes ist eine anarchische Theologie.
Gibt es nicht eine merkwürdige Beziehung der Schlange zum Kelch (des Neutrums zu den subjektiven Formen der Anschauung, zum Raum)? Und gibt es nicht eine symbolische Verknüpfung beider (etwa in der Gnosis)?
Die Linguistik läßt sich als Versuch begreifen, auch die Sprache noch zu neutralisieren. Sie macht die Sprache selber zu Schlange, die auf dem Bauche kriecht und Staub frißt: Indem sie die Sprache (im Kontext des Begriffs der Kommunikation) auf ihre Mitteilungsfunktion reduziert und fixiert, verdrängt und zerstört sie ihre erkennende Kraft, läßt sie sie (wie die BILD-Zeitung in ihren Texten, die mit den Mitteln der Linguistik nicht mehr sich würden kritisieren lassen) zusammenschnurren zu „propositionalen Sätzen“. Die Sprache, die zum Gegenstand der Linguistik geworden ist, verhält sich nur äußerlich zur Sache, sie bewegt sich nicht mehr in der Sache, beide werden dinglich getrennt. Eine Sprache aber, die in die Sache nicht mehr eingreift, der die Welt zur Dingwelt wird, an der die Sprache abprallt, bewegt nur noch die Vorstellungen ihrer Adressaten: sie wird zu einem Instrument der Manipulation.
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21.3.96
Schließen sich das „geisteswissenschaftliche“, objektivierende, vergleichende Lesen und das interlineare Lesen (z.B. die Lektüre von Adornos „Philosphie der Neuen Musik“ als „Philosophie der modernen Naturwissenschaften“) nicht aus: die „Philosophie der Neuen Musik“ geht über Schönberg und Strawinsky und nicht über Einstein und die Kopenhagener Schule? Aber ist das interlineare Lesen nicht das eigentliche lernende Lesen?
In der Natur gibt es keinen Kreis und keine Kugel; das aber heißt: die Orthogonalität ist eine Unterstellung, ein Instrument der projektiven Erkenntnis.
Die Vorstellung der unendlichen Ausdehnung des Raumes ist eine durch die Logik der Orthogonalität erzeugte Zwangsvorstellung.
Hängt nicht Joachim Ritters Bemerkung (in seinem Essay über die Subjektivität), daß das Subjekt im Kontext der Vergegenständlichung der Natur (und d.h. zusammen mit dem Ursprung des Naturbegriffs) sich konstituiert, mit dem Glauben an die magische Kraft des Urteils zusammen? Und wird die Rittersche Bemerkung nicht durch den Satz widerlegt, daß die Verurteilung des Faschismus den Bann nicht sprengt, sondern ihn verstärkt? Ritter hat übersehen, daß die Gegenständlichkeit der Natur im herrschaftsgeschichtlichen Prozeß, im Kontext der Klassenscheidung, sich konstituiert. Gegenständlich wird die Natur im Prozeß der gesellschaftlichen Naturbeherrschung, die auch die Herrschaft in der Gesellschaft (die Scheidung von oben und unten) unter sich begreift und mit einschließt. Erkenntnistheoretisches Pendant der Klassenscheidung sind die subjektiven Formen der Anschauung, ist insbesondere die Form des Raumes, die die Abstraktionsleistung gleichsam automatisch vollbringt, zugleich die Abstraktion selber verdrängt, ihr Produkt, das „Objekt“, als ein Stück Natur anschaut.
Die objektivierte Natur erzeugt nur den Schein der Freiheit. Die Freiheit selbst gründet in der Fähigkeit, den zugrunde liegenden Objektivationsprozeß als einen Herrschaftsprozeß zu reflektieren.
Der Rittersche Freiheitsbegriff gehört zu einer Geschichte, in der es Freiheit nur für die gibt, die oben sind.
Das göttliche Gebot ist nur eine Richtschnur des Handelns, kein Maßstab für das Urteil über das Handeln der andern. Vor diesem Urteil steht die Frage: „Hättest du anders gehandelt, wenn du in seiner Lage gewesen wärest?“ Hierzu gehört der Satz vom Ochs und Esel, die man nicht gemeinsam vor den Pflug spannen soll, Grund des Levinasschen Konzepts der Asymmetrie. Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr, nicht wer sie andern als Joch auferlegt. Genau das unterscheidet das Gebot vom Gesetz. Die Universalisierung, die aus dem an mich gerichteten Gebot ein Gesetz für alle macht, leugnet das Gebot. Das ist der utopische Grund von Jer 3134.
Das Bekenntnis „Du bist der Sohn Gottes“ ist das Bekenntnis Petri und zugleich der Dämonen. Kann, wer heute dieses Bekenntnis fordert, die Frage beantworten: Was hat er davon, wenn ich bekenne, daß er der Sohn Gottes ist? Die Unbeantwortbarkeit dieser Frage macht das Bekenntnis zum Opfer der Vernunft. Die Bekenntnislogik ist das Produkt der Verinnerlichung des Opfers, die der Dialektik der Aufklärung zufolge die Geschichte der Zivilisation begleitet. Und diese Verinnerlichung des Opfers ist der Preis für den historischen Objektivationsprozeß: für den Prozeß, in dem Vergegenständlichung und Instrumentalisierung zusammenfallen, und in dem die instrumentelle Vernunft sich gebildet hat.
Religion als Blasphemie, das ist die Religion unterm Bann der instrumentellen Vernunft; das ist die Religion, an die man selbst nicht mehr glaubt, die man braucht als Religion für andere: für die Kindererziehung, aber auch um die Gesellschaft in Schach zu halten; diese Religion ist Ausdruck der Angst, daß die Dämme brechen, das Chaos ausbricht, alles überflutet wird (Männerphantasien). – Bezeichnet nicht der Thalessche Satz „Alles ist Wasser“ den Ursprung der Männerphantasien und den Anteil der Männerphantasien am Ursprung und an der Geschichte der Philosophie, die nicht zufällig die Herrschaftsgeschichte aufs genaueste widerspiegelt?
Ist Andreas ein beschnittener Alexander (und gibt es den Namen Andreas auch außerhalb der Evangelien), und verkörpert der Name des Philippus die Erinnerung an den Vater des Alexander (der seinen Vater ermordet hat)? -
18.3.96
Die Vorstellung, daß die Dinge von außen in den Raum hineinkommen, gründet in der Form des Raumes selbst: er ist die Form der Äußerlichkeit; im Raum beziehen sich die Dinge nur äußerlich auf sich selbst. Das Inertialsystem ist das Formgesetz dieses Sich-auf-sich-selbst-als-ein-Anderes-Beziehens. Ist diese Äußerlichkeit nicht zugleich eine politische, steckt darin nicht die Urgeschichte der Warenform, an den Ursprung des Handels in Raub und Krieg? Der erste Handel ist Außenhandel, Fernhandel; die ersten Waren waren die gefangenen und erbeuteten Sklaven und Frauen. Ist nicht der Raum das Instrument, das die Dinge sowohl technisch als auch ökonomisch beherrschbar macht?
Rauben, Stehlen, Morden gehören zu den Gründungsakten des Staates (als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern). Das Geld ist der domestizierte Eroberungskrieg. Beschreibt und definiert das Strafrecht nicht genau jene Aktivitäten als Verbrechen, die einmal den Staat begründeten? Ist nicht die Bekenntnislogik das Produkt der ohnmächtigen und hilflosen Anpassung der Religion an die Logik des Staates? Der Staat bedarf deshalb des Schutzes vor der Verunglimpfung seiner Symbole, weil anders in diesen Symbolen die systematische Demütigung der Bürger durch den Staat zu leicht erkennbar wäre. Im Nationalismus vergessen die Bürger, wer sie sind.
Knäste sind exterritoriale, rechtsfreie Zonen im Innern der Staaten (Brutstätten der Gemeinheit, die selber kein strafrechtlicher Tatbestand ist). Gefangene sind vogelfrei.
Die bloße Verurteilung des Faschismus wirkt wie jede Verurteilung: sie begründet und legitimiert die Verdrängung, die Nicht-Wahrnehmung dessen, was man verurteilt, und damit seine Wiederkehr. Die Verurteilung des Faschismus macht blind für die Wahrnehmung des wirklichen Faschismus.
Alle Dinge sind Ausländer (darin ist ihre Fähigkeit begründet, Eigentum zu werden).
Bei Ferdinand Ebner gibt es den Begriff des Rads der Generationen; zitiert er hier das „Rad des Lebens“ im Jakobus-Brief? Bezeichnet dieses Rad des Lebens den Generationenwechsel, daß Eltern Kinder haben und Kinder zu Eltern werden? In welcher Beziehung steht die Welt zu diesem Rad des Lebens: ist die „Welt“, die die Eltern an ihre Kinder vererben, wirklich gleich bleibend? Johannes (der Täufer) sollte die Herzen der Väter zu ihren Kindern bekehren (Lk 116).
Gibt es einen inneren Zusammenhang innerhalb der nachpaulinischen Briefe (von Jakobus, über Petrus und Johannes zu Judas); und ist der Hebräerbrief die Feuerwand, die beide Gruppen von einander trennt? Sind nicht alle nachpaulinischen Briefe apokalyptische Briefe, Briefe, die sich nicht im Bestehenden einrichten? – Was haben Jakobus und Judas mit einander zu tun, und was 2 Pt mit dem Judasbrief?
Wie verhalten sich die Begriffe „Neues Testament“ (nur im Hebräerbrief?) und „Evangelium“ zueinander und zum Begriff des Bundes (Evangelium: „eine Literaturgattung, die im Zusammenhang mit dem jüdischen Krieg entstanden ist“, TuK Nr. 67, S. 3; vgl. auch die Aufschlüsselung des Begriffs, seine Aufteilung auf die Schriften des NT, ebd., S. 22)? Ist der Schlüsselbegriff der vom „Blut des Bundes“ (Mt 2628, Mk 1424, Hebr 920, 1029, vgl. Ex 248) bzw. vom „neuen Bund in meinem Blut“ (Lk 2229, 1 Kor 1125). – Kann es sein, daß die Beziehung von Kelch, Blut und Bund, zusammen mit dem rätselhaften Wort, daß er vom Gewächs dieses Weinstocks erst im Reiche seine Vaters trinken wird, verständlich wird vor dem Hintergrund der Lehre von der Wiederkunft: Das Christentum als offene Wunde, die erst mit seiner Wiederkunft sich schließen und heilen wird? Und gilt das Testament, das „den Tod des Erblassers voraussetzt“, mit seiner Auferstehung jedoch eigentlich schon hinfällig geworden ist, nur für diese leere Zwischenzeit des „Christentums“? -
16.3.96
Der „erbauliche Ton“ macht es sich in der Bibel gemütlich.
Der Raum, die Welt und die Logik der Säkularisation.
Definition der Ökonomie: Die, die oben sind, werden von denen, die unten sind, getragen, aber sie sind verblendet von dem Schein, daß die die unten sind, von ihrer Gnade leben. Das Geld stellt die realen Verhältnisse auf den Kopf.
Projektive Natur: Bei Rosenzweig gibt es den Begriff der Natur nur im Kontext der „Vorwelt“. Hier ist sie der logische Grund der Objekte des Nicht-Wissens, der aber in der Umkehr (im Kraftfeld der Schöpfung, Offenbarung, Erlösung) sich auflöst. Der Begriff der Umkehr bei Rosenzweig wäre ohne den Naturbegriff gegenstandslos.
Die ezechielische Individualisierung der Schuld ist nicht identisch mit der juristischen, mit dem Begriff der Person; sie schränkt den Begriff der Schuld nicht ein, sondern erweitert ihn: sie ist die messianische. Nach Ezechiel hat jeder die Verantwortung nicht nur für sein eigenes Tun und Lassen, sondern für das Ganze.
Erinnert nicht der Begriff der Zunge bei Jakobus an die Feuerzungen des Pfingsttages?
Ist nicht der Name des Petrus griechischen und der des Paulus lateinischen Ursprungs?
Die Nichtobjektivierbarkeit des Antlitzes des andern ist die Widerlegung der subjektiven Formen der Anschauung.
Haben Rechnen und Linken etwas mit rechts und links zu tun?
Heidegger, das war der katastrophische Einsturz der Philosophie, die Wahrheit des Urknalls, der am Ende sein wird und eigentlich eine Implosion beschreibt. Heidegger hat den Weg freigemacht zu jenem Mißbrauch der Naturwissenschaften, in dem die Theologie verbrannt ist. Ist die Fundamentalontologie nicht das Feuer, das Jesus vom Himmel holen wollte, und er wollte, es brennte schon; nur daß es zu diesem Feuer erst wird, sobald es das Bewußtsein seiner selbst gewinnt.
Das Angesicht, der Name und das Feuer: Beziehen sie sich nicht auf die Rettung des Sinnlichen, der Kritik und der Erlösung (Sündenvergebung und Befreiung durchs Auf-sich-Nehmen der Schuld)?
Ist das Angesicht Repräsentant der Kritik der Ästhetik (der Kritik der Urteilskraft), der Name Repräsentant der Kritik der Logik (der Kritik der reinen Vernunft) und das Feuer Repräsentant der Kritik der Ethik (der Kritik der praktischen Vernunft)?
Es gibt nicht nur eine transzendentale Logik, sondern es gibt drei Logiken, die in einander wie die drei Dimensionen des Raumes sich reflektieren. Zentren der drei Logiken sind der Raum, das Geld und das Bekenntnis (die „Weltanschauung“).
Wie hängen die drei Dimensionen des Raumes, das Vorne-Hinten, Rechts-Links, Oben-Unten, mit den drei Modi der Zeit: mit Dauer, Folge und Zugleichsein, und wie hängen beide mit den drei Totalitätsbegriffen der kantischen Philosophie, mit dem Wissen, der Natur und der Welt, zusammen? -
7.3.96
Wer den Terrorismus aufarbeiten will, muß den Schrecken aufarbeiten, aus dem er hervorgegangen ist. Auf keinen Fall aber sollte man die Urheber des Schreckens zu Richtern über ihre Opfer machen. Spielt hier nicht der Modernisierungsprozeß, der der Faschismus auch war, mit herein: Was im Faschismus naturwüchsig war (das „gesunde Volksempfinden“), ist zu einem technischen Instrument geworden: zum Rechtspositivismus.
Ist nicht die gegenwärtige ökonomische Entwicklung die höhnische Verwirklichung dessen, was Marx einmal intendiert hatte. Auch die Privatisierung ist eine Form der Vergesellschaftung. Der Staat ist längst abgestorben, er weiß es nur noch nicht: er verrottet und verfault.
Die Erfahrung, aus der der verzweifelte Genius der Kritischen Theorie hervorgegangen ist, daß nämlich das Proletariat nicht mehr das Subjekt der Revolution ist – eine Erfahrung, die bis zu Marcuse die Reflexion durchzieht und beherrscht -, gründet in diesem Sachverhalt. Sie hängt zusammen damit, daß die subjektlose Form der Vergesellschaftung der Produktionsmittel Teil einer allgemeinen Proletarisierung ist: Auch die, die an den Hebeln der Macht sitzen, sind Lohnabhängige. Die Ökonomie ist der Feuerofen, in dem die Barmherzigkeit verbrennt; und das Leiden daran wird solange der Grund des Faschismus bleiben, wie es sich nicht selbst begreift, wie es nur den Weg der projektiven Verarbeitung kennt.
Georg Büchners Frage: Was ist das, was in uns mordet, stiehlt, hurt und lügt, drückt das aufs genaueste aus. Gibt es noch eine Möglichkeit, dieses Marionettenspiel, in dem wir nur noch Puppen in den Händen und an den Fäden einer subjektlosen Regie sind, zu begreifen?
Der strafrechtliche Tatbestand des Mords läßt sich aus dem mosaischen Gebot „Du sollst nicht töten“ nicht ableiten. Der Mord ist kein Tat-, sondern ein Täterdelikt: Strafrechtlich verfolgt wird der Mörder, nicht der Mord, verfolgt wird die Person, die sich ein Recht anmaßt, das der Staat als sein eigenes begreift und um keinen Preis aufgeben kann, an dem er sein Monopol nicht aufgeben will und auch nicht kann: das Recht zu töten. Der biblische Gründungsakt des Staates ist der Brudermord Kains an Abel. Jürgen Ebach hat darauf hingewiesen, daß der Fluch „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden“ ein sprachliches Echo hat in der Jotham-Fabel, in der Charakterisierung der „wurzellosen“ Königsherrschaft „Soll ich … hingehen, über den Bäumen zu schweben?“ (J.Ebach: Ursprung und Ziel, S. 59) Kain ist der Gründer der ersten Stadt, der er den Namen seines Erstgeborenen (Henoch!) gibt (Gen 417), während zur Zeit, da der Erstgeborene Seths geboren wurde, erstmals der Name Gottes angerufen wird (Gen 426).
War das Ziel des historischen Objektivationsprozesses die Neutralisierung der Prophetie (die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die Neutralisierung der vergangenen Zukunft)? Ist der Historismus aufgrund seiner eigenen Logik antisemitisch?
Der Begriff der Gesinnung gehört zu Bekenntnislogik; jede Gesinnung ist nationalistisch (wohlgesonnen ist in allem das Gegenteil von national gesinnt).
Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang von Sonne und Sinn (gesonnen/gesinnt, Sinnlichkeit)? Ist die Feminisierung der Sonne im Deutschen in dieser sprachlichen Konstellation begründet (Reflex des männlich-heroischen Sinns)?
Ist nicht die Suche nach dem Sinn der Versuch, der zweiten Natur eine Sonne einzubilden? Der Sinn lebt (wie die Gesinnung) von der Bekenntnislogik, die ebenso zwangshaft wie vergeblich versucht, sich als Zentrum zu etablieren.
Hat das lateinische sol etwas mit solus zu tun; welche Wurzeln hat helios; steckt im hebräischen schemesch schem, der Name? Und gibt es neben Sonne/Sinn auch die Beziehung von Sonne und Sohn (vgl. im Englischen son und sun, aber auch sin, die Sünde)? -
5.3.96
Der Indikativ, das Wissen und die Gewalt: Gestern gab Birgit Hogefeld zu den Pressemeldungen über den suspendierten BKA-Beamten, der gegen das BKA den Verworf erhoben hat, Akten, die Klaus Steinmetz belastet und Birgit Hogefeld entlastet haben sollen, unterdrückt und vernichtet zu haben, eine Erklärung ab, die sehr deutlich von ihren bisherigen Prozeßerklärungen sich unterschied. Zum erstenmal war, so mein Eindruck, so etwas wie ein RAF-Ton zu vernehmen. Während ihre bisherigen Erklärungen vorrangig ihre eigenen Motive (weshalb sie sich der RAF angeschlossen hat) und Positionen (Verurteilung der Ermordung des GI’s Pimental) zum Gegenstand hatten und in der Sprache der Reflexion vorgetragen wurden, versuchte sie hier, die in den Pressemitteilungen bekanntgewordenen Fakten einzuordnen und zu interpretieren, das jedoch in der Sprache des Indikativs, in einem Ton, der nach außen „Wissen“ demonstrierte, in einer Sprache, die leicht als Echo der Sprache des Staatsanwalts sich identifizieren ließ. (Dieser staatsanwaltliche Indikativ ist reflexionslos, er bricht den Dialog ab, läßt nur noch den Weg der Gewalt offen, der „Bestrafung“.) Steht diese Änderung des Tons in Zusammenhang mit dem Besuch von Antje Vollmer, war sie die Reaktion auf den Senatsbeschluß zur Verlegung von Monika Haas in ein Gefängniskrankenhaus? Vgl. hierzu die Ankündigung eines Hungerstreiks, gemeinsam mit Eva Haule.
Staatsschutzprozesse, Verwaltungsentscheidungen, der Indikativ und die RAF: Sind die sprachlichen Formen, in denen sie sich ausdrücken, nicht allesamt Formen des „kurzen Prozesses“: des Verzichts auf Reflexion, des bestimmenden Urteils (des synthetischen Urteils apriori)? In jedem Falle ist der, über den das Urteil, die Entscheidung ergeht, bloßes Objekt. Das „Wissen“, das in diesen Sprachformen sich ausdrückt (und das den gleichen logischen Anspruch erhebt wie die wissenschaftliche Erkenntnis, in deren logischen Kontext auch das Dogma gehört), läßt grundsätzlich keinen Einspruch mehr zu.
Ist nicht das Konstrukt des stellvertretenden Opfers das logische Modell eines Staates, der seinen Bürgern (in den Kasernen, Knästen, Irrenhäusern und Schulen) die Drecksarbeit abnimmt? Wenn der Staat für Ordnung sorgt und durchgreift, kann der Bürger in seinem privaten Bereich verständnisvoll und voller Mitleid sein. Nur daß es auch wiederum Bürger sind, die für den Staat die Drecksarbeit tun, für die der Staat dann allerdings die Verantwortung übernimmt, wobei er zugleich diese Bürger vor dem Vorwurf in Schutz nimmt, ihre Arbeit sei Drecksarbeit. Dafür erwartet er dann ihren Dank. Der Staat ist das Instrument der Vergesellschaftung einer Sündenvergebung, die der Reue und der Umkehr nicht mehr bedarf (der apriorischen „Rechtfertigung“ der Sünde, die in seinem Namen getan wird).
Ist das Sklavenhaus Ägypten nicht auch der Eisenschmelzofen (Dt 420, 1 Kön 851, Jer 114, vgl. auch Ez 2220), und sind dem nicht die subjektiven Formen der Anschauung vergleichbar, die den Indikativ erzwingen?
Der RAF-Ton ist der verbitterte Indikativ, aber ist nicht die Verbitterung von der Erbitterung zu unterscheiden? Erbittert ist, wer am Ziel festhält und sich dabei nicht verbittern läßt. Der Verbitterte hat schon kapituliert.
Der „Glaube an das Gute im Menschen“ ist naiv, er wäre zu ersetzen durch die Lehre vom Feuer (vgl. den Eisenschmelzofen).
Ist nicht das Bekenntnis des Namens das christliche Äquivalent des Tempels: der das Haus des Namens Gottes war? Das reale Bekenntnis des Namens ist die Nachfolge, die in den Bereich hineinreicht, den die Theologie seit je ausgeblendet hat. Ist nicht das Dogma das Instrument dieser Ausblendung (der Feigenbaum, der nur Blätter, keine Früchte trägt)?
Die Theologie im Angesicht Gottes zielt ab auf die Heiligung des Namens, sie holt das Feuer vom Himmel, von dem er wollte, es brennte schon.
Es ist schlimm, aber der Indikativ der RAF ist die Fortsetzung des Stammtischs mit anderen Mitteln: die Anwendung des Vorurteils, das seit je terroristisch war, auf die Quelle des Vorurteils, den Staat.
Der Indikativ ist die Sprache der Verbitterung; verbittert aber wird, wer an dem Schmerz der Erbitterung verzweifelt.
Die Kopenhagener Schule hat die moderne Physik wieder in den Indikativ (in die Herrschaftsform des Inertialsystems) zurückübersetzt, sie braucht die Gewißheit, sie scheut das Feuer. War nicht Weizsäckers Theorie der Energieerzeugung in der Sonne das Werk eines Staatsanwalts? Und stehen nicht alle physikalischen Theorien mit kosmologischem Anspruch seitdem in dieser Tradition (der Urknall, die schwarzen Löcher, das „expandierende Weltall“)?
„Das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht runken ist“: Die dogmatische Tradition, die bis in die modernen Naturwissenschaften hineinreicht, verdrängt diesen Taumel, sie verdrängt ihn nach innen, sie verwirrt. Die Flucht vor dieser Verwirrung endete im Positivismus. So hängen der Indikativ des Anklägers und die diabolische Verwirrung (der Taumelkelch) mit einander zusammen.
Lassen sich Strafprozesse nicht danach unterscheiden, wem jeweils Narrenfreiheit gewährt wird? In RAF-Prozesse sind es die Ankläger, während im Auschwitzprozeß die Verteidiger dieses „Privileg“ hatten.
Die Unterscheidung der Narrenfreiheit des Anklägers (im RAF-Prozeß) von der des Verteidigers (im Auschwitz-Prozeß) hat etwas mit der Unterscheidung von Satan und Teufel zu tun. Und gründen nicht beide Formen der „Narrenfreiheit“ im logischen Problem des Beweises, sind nicht beide Instrumentalisierungen des Verfahrens der Beweisumkehr?
Läßt sich der Indikativ (und mit ihm die sprachlogische Form der indoeuropäischen Grammatik insgesamt, insbesondere das Neutrum und der Kernbestand der indoeuropäischen Formen der Konjugation, das Präsens und das Präteritum) nicht als Instrumentalisierung des Verfahrens der Beweisumkehr begreifen? Und ist das nicht die sprachlogische Wirkung der subjektiven Formen der Anschauung, die erstmals Kant in der Antinomie der reinen Vernunft ins Licht gehoben hat? Ist diese Beweisumkehr nicht der innere Motor des Taumels (das Gesetz der Beziehung von Begriff und Gegenstand unter der Herrschaft der subjektiven Formen der Anschauung, das sprachlogische Wertgesetz)?
Blut und Boden: Als Kant die Achtung vor dem Geld aus der Vorstellung, was man damit machen könnte, ableitete, war das Geld noch in erster Linie ein Produktionsmittel, aber nur in Ansätzen eines der Subsistenz; dazu ist es erst in unserer Zeit geworden. Heute ist aus dem Fundament, auf das die Menschen einmal ihr Haus gebaut haben, der Schlund geworden, der sie verschlingt. War der Faschismus, und war insbesondere Auschwitz nicht der Versuch der projektiven Verarbeitung dieser Erfahrung?
Steckt in der kantischen Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises (in dem Hinweis auf den Unterschied zwischen dem Geld in meinem Beutel und dem nur gedachten Geld) nicht schon eine Ahnung des ökonomischen Bruchs, der in seiner Philosophie bewußtlos (als Erkenntniskritik) sich ausdrückt?
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