Bekenntnislogik

  • 23.2.1997

    Wenn es die logische Affinität der Naturwissenschaft zur politischen Ökonomie gibt, müßte sich dann nicht aus der mimetischen Rekonstruktion der Erfahrung aus ihren politisch-ökonomischen Bedingungen (aus der Fähigkeit, in die Erfahrung des andern unter Reflexion der politisch-ökonomischen Bedingungen seiner Erfahrung sich hineinzuversetzen) so etwas wie ein symbolisch-metaphorischer Zugang zur Kosmologie ergeben?
    Das Relativitätsprinzip begründet das Verfahren der Konstituierung des Raumes als subjektive Form der Anschauung, den Raum dadurch zu neutralisieren, daß der eine Raum über den anderen gezogen wird. Ist nicht dieser Raum das logische Kontinuum, in dem die Ökonomie sich entfaltet (und der im Entfaltungsprozeß der Ökonomie sich bildet): das Geld? Bezeichnet das Relativitätsprinzip am „Unzuchtsbecher“ das Moment der Unzucht?
    Gestern ein Bericht in der FR über Haie. Danach sind Haie zwar keine Säugetiere, aber die kleinen Haie schlüpfen im Bauch ihrer Mutter aus ihren Eiern und fressen dort z.T. sich gegenseitig, so daß z.B. von 70 – 80 ausgeschlüpften Haien nur zwei im Bauch der Mutter überleben und dann ins Freie gelangen.
    Die Tiere des fünften Tags sind die eierlegenden Tiere (Fische und Vögel). Die Säugetiere sind (mit den Menschen) die Tiere des sechsten Tags.
    Sind nicht die Säugetiere nach der Evolutionstheorie gleichzeitig mit den blütentragenden Pflanzen entstanden?
    Das Atheismus-Problem im Marxismus ist zu lösen allein über die Reflexion des Faschismus. Auch im Sozialismus bezeichnet der Atheismus den Sieg Hitlers.
    … et dimitte nos debita nostra sicut et nos dimittimus debitoribus nostris, et ne nos inducas in tentationem, sed libera nos a malo.
    Hat nicht der Traum des Nebukadnezar etwas mit dem Ursprung des Bekenntnisses zu tun?
    Das Richtige ist nicht das Wahre, das Richtige ist das Unwiderlegbare.
    Wie hängt das salomonische Urteil (über die beiden Frauen, die sich um das eine Kind stritten) mit dem danielischen (über die beiden Alten, die sich an der Susanna rächen wollten) zusammen? Salomo apelliert an den Mutterschoß, das Organ der Barmherzigkeit, Daniel enthüllt die Verwundbarkeit des ungerechten Urteils?
    Tratsch und Gewitter; Tratsch als Instrument der Demoralisierung, Demoralisierung als Herrschaftsmittel. Aus dem Tratsch kann man nur eines lernen: Gegen die darin installierte mythische Gewalt, kommt keiner an; zur Identifikation mit dem mythischen Aggressor gibt es keine Alternative. Wen’s trifft, den trifft’s.
    Das Licht ist der Naturgrund aller Zwecke (die Grenze des Kausalitätsprinzips).
    Gestern in der Sendung über die Höhlenbilder von Lascaux der Hinweis, daß Tiergruppen nicht verschiedene Tiere, sondern möglicherweise verschiedene Bewegungsphasen der Bewegung eines Tieres abbilden. Ist die Höhlenmalerei ein Vorläufer des Kinos? Ist die Höhle (auch das Kino ist eine Höhle) eine Variante des Mutterschoßes (und das Fernsehen der Greuel am heiligen Ort: die endgültig instrumentalisierte Barmherzigkeit)?
    Zur Genese des Vorurteils: Welche Rolle spielt hier das Verbot der Neugier? Wird nicht mit der Neugier die Erfahrungs- und Lernfähigkeit, eine nicht restlos ins „Wissen“ übersetzte Beziehung zur Welt, verboten? Ist nicht die Rückübersetzung jeder Erfahrung ins schon Bekannte das Ziel des ganzen Objektivierungsprozesses (und wird damit nicht die Erfahrung der ganzen vergangenen Menschheit verraten)? Ist die Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis auch die Geschichte der Selbstzerstörung der Lernfähigkeit?
    Kopernikus und Newton haben das Ungleichnamige (Oben und Unten) gleichnamig gemacht, was haben Maxwell und Einstein getan?
    Zum Begriff der Öffentlichkeit: War nicht das Kollosseum die öffentliche Löwengrube, und wurde nicht, als die Scheiterhaufen öffentlich gemacht wurden, die Öffentlichkeit selber verbrannt? Auch Auschwitz war öffentlich, allerdings in der fürchterlichsten Gestalt: als Gerücht. Darauf wäre der von Habermas mißbrauchte Titel vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ zu beziehen: In der kollektiven Verdrängungsleistung der Deutschen, die die Kollektivscham dann besiegelt hat, ist die Öffentlichkeit selber verbrannt worden. Seitdem gibt es keine mehr.
    Der Begriff der Information bezeichnet den Pfropf, der heute die Erfahrungsfähigkeit verstopft.
    Das Feindbild, die Urteilslust und der Unzuchtsbecher.
    Das Perfekt, das vom Handeln ins Sein (in die Vergangenheit) transformiert wird, spaltet sich auf in Sein und Haben (in Politik und Ökonomie). Hier liegt der Ursprung der Auxiliarien, der Hilfesverben, in denen die Gewalt der politischen Ökonomie sich ausdrückt. Das Problem Namens (des Symbolischen, des Metaphorischen) gründet in der Beziehung dieser beiden Formen des Perfekts.
    Name und Begriff sind nicht vergleichbar. Ihr Verhältnis ist das der Umkehr.
    Der Historismus, der die Vergangenheit des Perfekt ratifiziert, ist das Prinzip der Zerstörung des Symbolischen (der Zerstörung der Prophetie). Sind nicht alle Motive der Apokalypse aus dieser Transformation des Perfekt ableitbar? Die Idee der Auferstehung drückt den Widerspruch zwischen der Kraft des Namens und der „historischen Realität“ (der Ratifizierung der Vergangenheit der Geschichte) aus. Das Subjekt der symbolischen Erfahrung ist die Barmherzigkeit.

  • 15.2.1997

    Gemessen an der Apokalypse ist das offizielle Christentum der Durchbruch des Heidentums im Christentum.
    Die Sünde der Welt: Ist die Orthogonalität, der Realgrund jeder Abstraktion, der Realgrund der Sünde, und ist der subjektive Ausdruck der Orthogonalität die Person (bei Paulus das Fleisch)?
    Im Begriff des Bekenntnisses steckt das ganze theologische Problem der Öffentlichkeit.
    Jedes Bild ist ein Feindbild, und die Feindbildlogik ist das Erbe der Idolatrie.
    Es gibt keine Gesellschaftskritik ohne Naturkritik. Nur: An der Natur wäre ein Kritikbegriff zu demonstriereen und zu erlernen, der nicht mehr auf Widerlegung zielt.
    Die Idee der Auferstehung, und mit ihr die Engel- und Dämonenlehre, ist zusammen mit dem Weltbegriff entstanden.
    Hat die Schriftrolle bei Sacharja (Sach 51ff) etwas mit dem Himmel, der am Ende wie eine Buchrolle sich aufrollt, zu tun?
    „Und er sprach zu mir: Das ist der Fluch, der über das ganze Land ausgeht; denn alle Diebe sind – wie lange schon! – straflos geblieben, und alle, die in meinem Namen falsch schwören, sind – wie lange nun schon! – straflos geblieben. Ich habe ihn ausgehen lassen, spricht der Herr der Heerscharen, daß er eindringe in das Haus des Diebes und in das Haus dessen, der in meinem Namen falsch schwört, und in seinem Haus sich festsetze und es verzehre samt seinem Holz und seinen Steinen.“ – Ähnlich die Elberfelder Übersetzung.
    Buber: „Er sprach zu mir: Dies ist der Eidfluch, der ausfährt übers Antlitz all des Landes. Denn alles, was stiehlt, ihm nach wirds von hier weggeräumt, und alles, was schwört, ihm nach wirds von hier weggeräumt. Ausfahren lasse ich ihn, Erlauten ists von Ihm dem Umscharten, daß er komme ins Haus des Stehlers und ins Haus dessen, der schwört bei meinem Namen zum Lug, inmitten seines Hauses nachte und samt seinen Holzbalken und seinen Steinen es vernichte.“ – Vgl. auch Zunz (hier repräsentieren das Stehlen und der Schwur die beiden Seiten der Schriftrolle).

  • 3.2.1997

    Der Einwand der Naturwissenschaftler gegen den biblischen Schöpfungsbericht, daß das Licht nicht vor der Sonne da gewesen sein könne, setzt das Dasein des Raumes vor der Schöpfung voraus.
    Ist nicht der Turm die Verkörperung der Norm des Raumes (des Gesetzes, der Individualisierung, des Ursprungs der Geschichte der Naturbeherrschung und des Staates)?
    Unterm Vorzeichen des Atheismus wird der Kampf um die Öffentlichkeit zum Machtkampf (zum Kampf um die Herrschaft über die Instrumente der Öffentlichkeit).
    Wissenschaftskritik ist notwendig, nicht um dem Glauben Platz zu machen, sondern um der Gotteserkenntnis Raum zu schaffen.
    Zum Stichwort „Dressur des inneren Schweinehundes“ vgl. den heute in der FR veröffentlichten Brief des persischen Schriftstellers Faradsch Sarkuhi: In einer Öffentlichkeit, in der jede Information dem Verdacht der Instrumentalisierung unterliegt, gerät die Wahrheit in Gefahr, nach den Kriterien der Feindbildlogik entschieden zu werden. Ebenso, wie der Brief echt sein kann, kann er auch von Institutionen oder Gruppen, die ein Interesse daran haben, gefälscht worden sein. Mit diesem logischen Apriori jeglicher Information, die grundsätzlich instrumentalisierbar ist, hängt es zusammen, daß heute mit Hilfe des Fernsehens Kriege an- und abgestellt werden können. Die Frage, ob die Toten in Stammheim umgebracht wurden oder ob sie Selbstmord begangen haben, wird heute in der Regel nicht mehr nach dem Kenntnisstand, sondern durch Parteinahme „für oder gegen den Staat“ entschieden (wobei das Verhalten der staatlichen Stellen, die die Aufklärung behindert und die Frage durch Kriminalisierung zu lösen versucht, eher gegen ihn spricht, damit aber einen nachgerade kriminellen Nationalismus fördert). Beide Versionen sind in gleichem Maße real vorstellbar wie sie zugleich moralisch unvorstellbar sind.
    Die Instrumentalisierung des Wissens (der Information) macht die Wahrheit zu einer Frage der Zweckmäßigkeit, des Eigeninteresses, der Bequemlichkeit, auch des „persönlichen Bekenntnisses“. Aber reicht diese Instrumentalisierung nicht zurück in die Grundlagen des Wissens überhaupt: in das Problem der transzendentalen Ästhetik, des apagogischen Beweises, der Naturbeherrschung und in dessen Beziehung zur Feindbildlogik?
    Im Kontext der Bekenntnis- und der Feindbildlogik ist die Öffentlichkeit ein Schlachtfeld. Und auf diesem Schlachtfeld „gewinnt immer die Bank“.
    Der Nationalismus war seit je ein Indikator der instrumentellen Vernunft.
    Wenn zwischen dem An sich und dem Für andere nicht mehr zu unterscheiden ist, wird der Staat zum Absoluten. Das aber heißt, daß es so viele Verkörperungen des Absoluten gibt, wie es Staaten gibt (und es gibt so viele Welten, wie es Tiergattungen gibt: jede Gattung ist eine Verkörperung des Absoluten der Welt, zu der sie gehört).
    Der Säkularisationsprozeß beginnt mit dem Ursprung und der Entfaltung der Bekenntnislogik (des Feigenbaums, der am Ende keine Früchte mehr trägt, aber viele Blätter).
    Daß nichts Vergangenes nur vergangen ist, heißt auch, daß es keine abgeschlossene Vergangenheit (die uns nichts mehr angeht) gibt. Die Vorstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit läßt sich u.a. pragmatisch begründen, durch das Interesse der Vergegenständlichung, die ihren Grund im Herrschaftsinteresse hat. Die Vorstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit gehört zu den Voraussetzungen der Naturbeherrschung; sie ist das Modell der Verfassung des Objekts der Naturbeherrschung, das nur insoweit, wie es tot ist, beherrschbar und verfügbar ist.

  • 2.2.1997

    Ist die dies dominica der Tag JHWHs: der Tag des Gerichts? Und hat nicht der Säkularisationsprozeß, in den die Geschichte des Christentums verflochten ist, dieses Gericht mit dem Tod gleichgesetzt – mit der vergegenständlichenden Gewalt des Todes in der Ausbildung der Bekenntnislogik und dann der subjektiven Formen der Anschauungen. Die Welt der Naturwissenschaften ist die gerichtete Welt.
    Nachts sind die Sterne eine Orientierungshilfe in der Fremde und auf dem Meer.
    Säkularisation: Durch die subjektiven Formen der Anschauung haben wir den Schrecken in die Dingwelt verschoben, das aber heißt: in der Gesellschaft an jene, die in ihr die Dingwelt repräsentieren.
    Die Grenze der Reversibilität, die das Relativitätsprinzip determiniert, läßt sich an zwei Dingen demonstrieren: am allgemeinen Relativitätsprinzip (an seiner Anwendung auf die Fallbewegung) und an der Beziehung von Objekt und Begriff: die Fallbewegung ist immer nach unten gerichtet und der Begriff ist immer oben. Die Feindbildlogik wird mißverstanden, wenn man glaubt, sie mache die Beziehung von Oben und Unten reversibel (sie mache Oben und Unten gleich). Die Feindbildlogik ist die Waffe der Herrschenden; wer glaubt, sie gegen sie wenden zu können, ist schon in der Falle drin. Die Kritik der Feindbildlogik ist ein Teil der Herrschaftskritik.
    Wittgensteins Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist, ist ein Produkt der Selbstanwendung des Weltgerichts auf die Welt.
    Ich weiß nicht, ob es eine Auferstehung der Toten geben wird; ich weiß nur das eine, daß, wer sie leugnet, sich mit den Herrschenden gemein macht.
    Nur im Johannes-Evangelium ist an der Gefangennahme Jesu auch ein römische Kohorte beteiligt.
    Ist es nicht merkwürdig, daß die Christen erstmals in Antiochien so genannt wurden? Hat Antiochien etwas mit Antiochus IV. Epiphanes zu tun?
    Strukturwandel der Öffentlichkeit: Wann gab es die Löwengruben, von denen beim Daniel berichtet wird? Und haben nicht die Römer in den Arenen die Löwengruben öffentlich gemacht?
    Gehören nicht die Tempel zur Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit? Und ist nicht der Kampf gegen die Idolatrie ein Teil dieser Geschichte, die zur Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs gehört?
    Die Fläche ist das Medium der geometrischen Rationalität (der Linearität und der Orthogonalität). Diese Rationalität wird stabilisiert durch die Norm: durch die „dritte Dimension“. Erst die Norm zieht die Beziehung zu den Dingen und zur Zeit in die Form des Raumes mit herein (sie fundiert die Anwendbarkeit der Raumvorstellung, ihre Beziehung zur Naturbeherrschung). Die Norm begründet die Beziehung des Raums zur Anschauung: Für die Anschauung (die die intentio recta zur Norm macht) wird die Fläche gegenständlich; die Anschauung rückt die Dinge in den Seitenblick.
    Das Anschauen abstrahiert vom Gegenblick, vom Angesicht; der Anschauende wird angeschaut vom leeren, toten, gesichtslosen Blick der Dinge.
    Der Begriff der Anschauung Gottes ist ein theologisches Konstrukt, kein biblischer Begriff; er gehört zum Kontext der creatio mundi ex nihilo. Die Frage Luthers: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“ gründet in diesem Kontext, ist durch ihn determiniert. Die Anschauung Gottes ist die Anschauung des anschauenden, das aber heißt: des richtenden, nicht des barmherzigen Gottes. Im Kontext der Anschauung wird die Gnade, die objektlos wird, zur Rechtfertigung, die Anschauung begründet den Rechtfertigungszwang.
    Vor Gott gibt es keine Rechtfertigung, nur die Gerechtigkeit; die Rechtfertigung gründet (wie der Schein) im Anblick der Welt.

  • 21.1.1997

    Ist das Inertialsystem das versiegelte Buch, dessen Siegel zu lösen sind: die Außenseite, auf dessen unsichtbarer Innenseite die ganze Geschichte verzeichnet ist? Dann sind die sieben Siegel die Bleigewichte der durch ihre Objektivierung verdrängten Vergangenheit.
    Nur durch die Kritik des Inertialsystems hindurch, der inneren Mechanik des Objektivierungsprozesses, läßt sich rekonstruieren, was Geist einmal hieß.
    Haben die Griechen den Punkt erfunden, den Ort, der kein Ort mehr ist?
    Ist nicht der Satz „Wer sein Leben bewahren will, wird es verlieren“ der deutlichste Hinweis auf den Stellenwert und die Bedeutung der Barmherzigkeit?
    Steckt nicht in dem „Was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein“ schon der erste Hinweis auf die kopernikanische Wendung?
    Die Verurteilung löst den Schrecken nicht: Ist nicht die Kirche durch die Verurteilung der Häresien zum Inbegriff aller Häresien geworden, der sich von den Häresien selber nur durch das gute Gewissen unterscheidet?
    Mit der Unterscheidung zwischen den Sprachen der Völker und der Schrift der Juden enthält das Buch Esther den Schlüssel zur Apokalyptik. Esra war der erste Schriftgelehrte, und im Buch Kohelet wird beklagt: Des Bücherschreibens ist kein Ende.
    Die Bekehrung ist die ins Universalistische gewendete und verfremdete Umkehr: Umkehren kann nur ich, nur bekehren kann ich die Anderen. Und wenn ich mich bekehre, bekehre ich mich als anderer für andere (bekehre ich mich zu etwas). Zur Bekehrung gehört das Bekenntnis (zu dem ich mich bekenne), zur Umkehr das Tun.
    Die Widersprüche in der Schrift, die den Historikern die Haare zu Berge stehen lassen, nehmen den Theologen die Mühe ab, den Historismus gegen den Strich zu bürsten.
    Die kantische Wendung von der „Menschheit in mir“ wird erst begriffen, wenn sie auch die Vergangenheit der Menschheit mit einschließt und nicht mehr nur auf einen politischen, durch die Bedingungen des Handelns definierten (und die Erinnerung und Reflexion ausschließenden) Begriff der Menschheit eingeschränkt wird.
    Max Horkheimer, der Walter Benjamin einmal entgegengehalten hat, daß die Toten tot sind, ist selber dann von dieser Frage nicht mehr losgekommen, daß, wenn es denn zu einer richtigen Gesellschaft einmal kommen sollte, auch die Vergangenheit davon nicht unberührt bleiben dürfte.
    Arbeit macht frei: Hat nicht die Arbeit der Anderen immer schon die frei gemacht, die die Früchte dieser Arbeit genießen?
    Reflektiert nicht das Verhältnis von Immobilien und Möbeln das Relativitätsprinzip: die Beziehung von Ruhe und Bewegung im Inertialsystem?
    Nach dem Fall Babylons: Und ein Ton von Harfenspielern und Musikern und Flötenspielern und Trompetenbläsern wird nicht mehr in dir gehört werden, und kein Künstler in irgendeiner Kunst wird mehr in dir gefunden werden, und das Geräusch der Mühle wird nicht mehr in dir gehört werden, und das Licht der Lampe wird nicht mehr in dir scheinen, und die Stimme des Bäutigams und der Braut wird nicht mehr in dir vernommen werden … (Off 1822f).
    Ist nicht das Buch Daniel auch eine Variante zur Exodus-Geschichte (Daniel und Joseph deuten Träume, sind am Hof des Herrschers; Feuerofen: Mizrajim war der Eisenschmelzofen)?

  • 20.1.1997

    Apokalypse:
    – Pseudepigraphie als Versuch, die Welt durch die Augen des Andern zu sehen; säkularisiert als Fälschung (Pseudo-Dionysius, isidorische Fälschung, das Problem Karl d.Gr. etc.), schließlich als Roman.
    – Modell: Der Traum des Nebukadnezar.
    – Ist das Namensproblem der Evangelien (und in ihm das Problem der Väter) ein apokalyptisches (mit Saulus/Paulus als doppelte Epigraphie: Simon von Kyrene und Sergius Paulus)?
    – Kontext: Ursprung des Weltbegriffs (des Staates und der Zivilisation: Bedeutung Babylons).
    – Naturbegriff: Vätertheologie und Neukonstituierung des Christentums (irisches Christentum: die Flucht nach Tarschisch), das Problem des Johannes Scottus Eriugena.
    – Satan, Schlange und Dämonologie: Das grammatische Problem und der Ursprung der Bekenntnislogik.
    – Apokalypse und Sprache: Gibt es eine hebräische Apokalypse, sind nicht alle Apokalypsen griechische, syrische, äthiopische etc. (selbst Daniel ist im Kern aramäisch)?
    – Verweist das Chronologie-Problem (die Verfälschung/Korrektur der altorientalischen Geschichte: „Die Sumerer gab es nicht“, die historische Bibelkritik und der Antisemitismus) auf eine Apokalypse-Vermeidungsstragie?
    – Scholastischer Universalismus, die Irrwege der Theologie; Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.
    Wer die Apokalypse als ein sprachlogisches und sprachhistorisches Problem begreift, begreift das Problem des Namens.
    Sind nicht die Namen in den Evangelien Zitate, angefangen von Joschua, über Joseph und Mirjam, Sacharja und Jochanan, Schimon, Juda, aber auch Andreas, Philippus?
    Zum Namen:
    – Wann (und weshalb) spricht Jesus von sich in der dritten Person („der Menschensohn“ – vgl. auch die Antwort an den Täufer)?
    – Was hat es mit dem „Namen, den niemand kennt als der ihn empfängt (als er selbst)“ (Off 217, 1912) auf sich?
    – Daniel und die anderen jungen Männer erhalten in Babylon andere Namen.
    Die Einladung der Vögel des Himmels zum großen Gottesmahl, die Aufforderung, das Fleisch der Könige, das Fleisch der Kriegsobersten, das Fleisch der Starken, das Fleisch der Pferde und derer, die darauf sitzen, und das Fleisch aller Freien und Sklaven und Kleinen und Großen zu fressen, drückt aufs deutlichste die Beziehung von Fleischessen und Hierarchie aus. Zugleich bezeichnet es einen sprachlogischen Sachverhalt: das Ende des Komparativs (ist nicht der Raum, alles mathematisch Meßbare und dann dessen Inbegriff: das Inertialsystem, ein Produkt des hypostasierten Komparativs, des Wie, das den Himmel verzehrt?).
    Hat nicht die Scholastik über das Verfahren der Analogie den Superlativ in die Theologie mit aufgenommen, damit den Grund aller Hierarchien in die Theologie verlegt, und war das nicht die Grundlage der Sakramentenlehre?
    Der Satz „Gott ist barmherzig“ ist eins mit dem Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht. Und das hat etwas zu tun mit dem Stellenwert der Unerkennbarkeit der Dinge an sich in der kantischen Philosophie. Nur die Barmherzigkeit rührt ans An sich der Dinge. Hierin gründet der schärfste Einwand gegen die Geheimdienste (deren Ziel die Feinderkenntnis, das Gegenteil der Barmherzigkeit, ist).
    Läßt nicht die Astrologie als die vollständige Versammlung der Objekte sich begreifen, in denen der Faschismus sich selbst überlebt? Und lassen sich nicht alle diese Objekte an ihrer Feindbildlogik, an dem Gemisch von Rechtfertigungszwängen, Abwehrmechanismen und Projektionen erkennen? Und sind nicht alle Objekte Zwillingsgestalten, Produkte eines Feindbild-Clinchs?
    Ist nicht das Feindbild das wirksamste Instrument der Rechtfertigung?
    Summa contra gentiles: Die Scholastik hat das Barbaren-Paradigma in der Theologie rekonstruiert: im Namen der Heiden, aus denen dann die Wilden hervorgegangen sind.
    Ist nicht die Sexualmoral ein Produkt der Metaphorik, das dann im Herrschaftsinteresse (und im Kontext des Ursprungs des Weltbegriffs, in dem das Herrschaftsinteresse sich objektivierte) fundamentalistisch mißverstanden worden ist?
    Dummheit und Projektion: In den „überwundenen“ Stufen der Vergangenheit spiegelt sich nur die Dummheit der Gegenwart.
    Ist das Neutrum die verdinglichte Außenseite der Projektion (die cartesische „Ausdehnung“)?
    Hat nicht die Allgemeine Relativitätstheorie etwas mit Heinsohns Geldtheorie zu tun, mit dem Paradigma der Schuldknechtschaft, und die spezielle Relativitätstheorie etwas mit dem des Tauschparadigmas?

  • 16.1.1997

    Nachfaschismus: die Stabilisierung des Abgrunds.
    Die 144000, die sich „mit Weibern nicht befleckt“ haben, sind das nicht die, die sich mit Gewalt nicht befleckt haben? Steckt darin nicht eine Tradition, die das Weibliche mit der linken Seite, mit dem strengen Gericht, zusammen sah? Und wie verhält sich das zu dem Wort über die Väter: Laß die Toten ihre Toten begraben?
    Die Zahl Sieben bezeichnet die Totalität, aber eine, die in eine ungeheure Bewegung hineingezogen wird; eine Totalität, die nicht statisch ist, und deren Bewegung in den „Erdbeben“ bezeichnet wird.
    Gibt es nicht einen ersten Schlüssel für die Bedeutung der Zahl Sieben in dem kantischen Konstrukt der „subjektiven Formen der Anschauung“?
    Sind nicht die kosmischen Konnotationen der Apokalypse real und symbolisch zugleich? Auf keinen Fall aber sind sie fundamentalistisch, als naturwissenschaftlich identifizierbare Sachverhalte zu verstehen.
    Ist der Name Philadelphia nicht in sich selber zweideutig: Ist die Bruderliebe die gemeinschaftsstiftende Kraft der Brüderhorde? Einzig beim Jakobus wird die Brüderhorde einmal aufgebrochen, als er die Brüder zusammen mit den Schwestern nennt. Ist nicht die Brüderhorde das Subjekt der durch die Zahl Sieben bezeichneten Totalität (Natur und Welt sind Begriffe der Brüderhorde)? Gehört hierzu nicht auch die Frage nach den sieben Brüdern und der einen Frau im Falle der Auferstehung, oder auch die Geschichte von der Sarah und dem Dämon Asmodai im Buch Tobit?
    Die mystische Zeitlosigkeit ist „ein Luxus der Reichen die sich von der Zeit distanzieren“ (Kroon, S. 102), nicht aber die Idee der Ewigkeit, die mit dem „Überzeitlichen“ nicht verwechselt werden darf.
    Rührt nicht das jeweils siebte, die siebte Gemeinde, das siebte Siegel, die siebte Posaune und die siebte Schale, an das Problem der Beziehung des Ewigen zum Überzeitlichen, an die letzte der messianischen Wehen und an den Durchbruch der Geburt?
    Haben die drei Rippen, die der Bär, der nur auf einer Seite aufgerichtet war, im Maul und zwischen den Zähnen hat (Dan 75), etwas mit der „Rippe“, aus der Eva gemacht wurde, zu tun? Die Füße des Tieres aus dem Meere waren „wie die eines Bären“ (Off 132).
    Zu den sieben Gemeinden: Bileam und Isebel sind nicht dasselbe. Bileam bezieht sich auf die Verführung des Volkes (zum Götzendienst und zur Unzucht mit den Töchter Moabs), Isebel auf die der Könige zur Baals-Religion. Was hat es mit den Nikolaiten auf sich, und was mit denen, „die sich Apostel (bzw. Juden) nennen und es nicht sind“?
    Wie verhält sich das Bekenntnis zum Zeugnis (das homologein zum martyrion)?

  • 14.1.1997

    Heute verbraucht die RAF alle Energien zur Abgrenzung, durch die sie sich seit je definiert hat.
    Berliner Prozeßgruppe: Werden nicht inzwischen die Gefangenen der RAF zu Geiseln ihrer Unterstützer? Und haben nicht seit je (erstmals in der christlichen Orthodoxie, in der gemeinsamen Ursprungsgeschichte der Bekenntnislogik und der Opfertheologie) die Ideologen die Opfer für ihre Zwecke instrumentalisiert?
    Öffentlichkeit gehört zu den Kriterien der Realitätsprüfung der linken Theorie.
    Religion heute: Die Menschen wollen dafür, daß sie nicht mehr gut sein können, getröstet werden.
    Ist die Buchrolle, zu der der Himmel sich aufrollt, die Gott in seiner Rechten hält und die der Engel dem Johannes zu essen gibt (im Munde süß, im Magen bitter), die bis zum Ende aufgesparte und bis dahin siebenfach versiegelte göttliche Barmherzigkeit?

  • 12.1.1997

    Die „feministische Kritik … hat auch gezeigt, daß Neutralität an sich ein Merkmal von Maskulinität ist, ein Zeichen ihres Bündnisses mit Rationalität und Objektivität“. (Jessica Benjamin, S. 182) Die indoeuropäische Sprachlogik ist die Sprachlogik des Patriarchats (und das Symbol der Schlange – das Symbol des Neutrums – sein Symbol). Die subjektiven Formen der Anschauung (die Abstraktion vom Gegenblick, vom Angesicht) sind die Verkörperung der neutralisierenden Gewalt.
    Das „Leuchten seines Angesichts“ lebt von der Erinnerung an das Gesicht der Mutter. Im Gesicht der Mutter erblickt das Kind das Licht der Welt. – „Ihr seid das Licht der Welt“. Lebt davon nicht die Erinnerung ans Paradies, und ist dann der Cherub mit dem kreisenden Flammenschwert nicht das Patriarchat?
    Kai ho logos sarx egeneto/et verbum caro factum est – und das Wort ist Fleisch geworden: So wurde im Kern der Theologie die Geburt ins Machen und das Machen ins Werden übersetzt: die Frau durch den Vater und der Vater duchs subjektlose Werden ersetzt.
    Im Schöpfungsbericht ist das Werden das Tun des Worts: Gott sprach „es werde Licht“, und es ward Licht. Die subjektiven Formen der Anschauung trennen das Licht vom Wort (den Blick vom Gegenblick).
    „Laßt die Toten ihre Toten begraben“: Joseph von Arimathia hat den toten Jesus begraben.
    Der Salbung des Toten durch Maria Magdalena ist der Engel, der den Stein vom Grab gewälzt und den Toten erweckt hat, zuvorgekommen.
    Im Johannes-Evangelium kommt der Name des Apostels Johannes nicht vor (nur der „Jünger, den der Herr liebhatte“), auch nicht in den Briefen des Johannes. Der Autor des zweiten und dritten Briefes nennt sich den Ältesten, er benutzt den gleichen Namen, der in der Johannes-Offenbarung den immer gemeinsam mit den vier Wesen genannten 24 Ältesten vorbehalten ist. Hier, in der Johannes-Offenbarung, nennt sich der Autor, der sich mit „ich“ einführt, „ich, Johannes“.
    Gibt es nicht ein Problem des Namens im Neuen Testament, zeugt nicht die Notwendigkeit zusätzlicher Attribute (Beinamen wie Alphäus, Thaddäus, vielleicht auch Matthäus und Markus, Simon Kananäus; Name des Vaters <Barjona, Bartholomäus, Zebedäussöhne, Sohn des Zimmermanns, Sohn Davids, Sohn Gottes>; Name der Herkunft, des Ortes <Joseph von Arimathia, Simon von Kyrene, auch Jesus von Nazareth, der Nazoräer, Nathanael aus Kana>; griechische Namen <Andreas, Philippus, Stephanus>; Namenswechsel: Simon -> Petrus, Saulus -> Paulus) vom Zerfall des Namens, der dann im Begriff des Bekenntnisses sich ausdrückt (homologein, confiteri: in dieser Übersetzung steckt die ganze Differenz zwischen griechischem und lateinischem Christentum)? Was bedeutet Iskarioth (eine feminine Pluralbildung wie Sabaoth)? Sh. auch den Hinweis auf den Ursprung des Namens „Christen“ in der Apostelgeschichte.

  • 5.1.1997

    „Weltbilder erfüllen eine identitätsbildende und -sichernde Funktion, indem sie die Individuen mit einem Kernbestand von Grundbegriffen und Grundannahmen versorgen, die nicht revidiert werden können, ohne die Identität der Einzelnen wie der sozialen Gruppen zu affizieren.“ (Habermas I, S. 100) In diesem Satz kann man den Begriff „Weltbilder“ durch den Begriff „Feindbilder“ ersetzen, ohne daß sich an der Einsicht, die in diesem Satz sich ausdrückt, etwas ändert. Im Gegenteil: Es wäre eine Präzisierung und Verdeutlichung. Es gibt kein Weltbild ohne Feindbild; und das verbindet das Weltbild mit der Bekenntnislogik, zu der ebenfalls die kollektive Absicherung der „Grundbegriffe und Grundannahmen“ durch einen gemeinsamen Feind gehört.
    Der Ursprung der Philosophie wurde abgesichert durch den Gegenbegriff der Barbaren, der der Naturwissenschaften, und damit der modernen Aufklärung überhaupt, durch den der Wilden. Auch die Klarheit der Aufklärung (die Reinheit der „reinen Vernunft“) steht unter dem Bann des Feindbildes, einem Bann, der nur durch die Kraft des reflektierenden Urteils zu brechen ist.
    Antisemitismus und Bekenntnislogik: Beide sind Schuldverschubsysteme, beide wecken und instrumentalisieren die Kräfte der Projektion, um die Schuldreflexion zu vermeiden. Ist nicht der Antisemitismus das A und O der Bekenntnislogik, ihr Anfang und ihr Ende?
    Steckt nicht in jedem Beifall etwas von dem frenetischen Gebrüll, das Hitler entgegenschlug, als er zu Beginn des zweiten Weltkriegs als dessen Ergebnis den „Untergang der jüdischen Rasse“ ankündigte?
    Stephanus sah den Himmel offen und Jesus zur Rechten Gottes sitzen; die Mutter der Zebedäus-Söhne hat Jesus gebeten, er möge doch ihre Söhne zu seiner Rechten und zu seiner Linken sitzen lassen; zusammen mit Jesus wurden zwei Schächer gekreuzigt, einer zu seiner Rechten, einer zu seiner Linken (Mt 2738,44, Mk 1527,32, Lk 2333, Joh 1918); einem dieser beiden (es wird nicht gesagt, welchem) versicherte Jesus: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein (Lk 2343).
    Gegen das „Berliner Prozeßbüro“ (Nachwort zum Hogefeld-Buch): Es kommt nicht aufs Rechtbehalten, sondern nur noch auf eine Politik der Befreiung an.

  • 3.1.1997

    Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht. Dieser Satz eröffnet den Weg zur Kritik der Naturwissenschaften, die nur durch die Reflexion des Andern, dessen Statthalter im Subjekt die subjektiven Formen der Anschauung sind: durch Barmherzigkeit, verteidigendes Denken, selber reflexionsfähig werden. Die subjektiven Formen der Anschauung werden reflexionsfähig, wenn man sie als Produkt der Formalisierung der Feindbildlogik begreift. Das biblische Symbol der subjektiven Formen der Anschauung ist der Kelch; dieses Symbol bezeichnet aufs genaueste die Beziehung der subjektiven Formen der Anschauung zur Sprache, die Verwirrung und Zerstörung der erkennenden Kraft des Namens durch die richtende Gewalt.
    Es gibt keine Klarheit ohne Fronten: Aber das ist kein Argument für Fronten, sondern die Widerlegung der Klarheit und der entscheidende Einwand gegen die Aufklärung, der Grund ihrer Reflexionsbedürftigkeit.
    Wo es Fronten gibt, da gibt es auch Bekenntnisse.
    Das Objekt ist der Schatten, den der Begriff auf die Dinge wirft. Aber ebenso ist der Begriff der Schatten des Objekts.
    Kommt die Hegel’sche Interpretation der Kepler’schen Planetenformel nicht einer Bedeutung der Planeten nahe, die sie der Theologie wieder nahebringt: Sie konstituieren den Raum.
    Hängt die Geschichte von den drei Magiern, die „seinen Stern im Orient (im Osten, im Aufgang?) gesehen“ hatten, bei Matthäus mit seinem Begriff des Himmelreichs zusammen? Und hat das Himmelreich etwas mit den Himmelsheeren (den Sabaoth), und haben die etwas mit einer Front zu tun? Ist die Feste des Himmels, die die unteren von den oberen Wassern scheidet, eine Front, und der Bogen in den Wolken eine Waffe?
    Die Opfertheologie als Einstiegsdroge in die Feindbildlogik, als Verführung zur Komplizenschaft? Sind die drei Leugnungen Petri drei Stufen der Entfaltung der Feindbildlogik und der Adaptation, des Sich-gemein-Machens mit dieser Logik?

  • 31.12.1996

    Die Scham ist ein Instrument der Externalisierung der Schuld: Der Sich-Schämende stiehlt sich fort aus dem Blick der Urteilenden, aus dem Gesichtsfeld der Sprache der Andern, er verbirgt sich „unter den Bäumen“. Die Verurteilung des Andern, die in ihm die Scham hervorruft, ist selber eine Äußerung der Scham: Die Kollektivscham war der Anfang der kollektiven Verurteilung des Faschismus, die die Voraussetzung für seine Reproduktion geschaffen hat. Der Begriff der Kollektivscham hat die Faschismus-Kritik ins Herrendenken zurückgeführt (ähnlich wie die Kopenhagener Schule das erkenntniskritische Potential der Einstein’schen Theorie in ein neues Konstrukt der Naturbeherrschung).
    Scham ist der Quellpunkt des Inertialsystems, der Geldwirtschaft und der Bekenntnislogik. Die Scham versucht, das Innere, in das nur Gott sieht, unsichtbar zu machen (ist das Präfix be- die schamerzeugende Gewalt in der Sprache?).
    Scham ist der Versuch, sich dem Blick der Sprache (der erkennenden Kraft des Namens) zu entziehen: Die Scham bezeichnet den blinden Fleck der Sprache, der sie zu einem Instrument der Information und Kommunikation macht. Die Scham bezeichnet die (durch den Begriff produzierte) Grenze des Objekts zum Begriff: Sie ist der Statthalter des Begriffs im Objekt.
    Die „heile Welt“ ist eine Emanation der Scham, der Versuch, sich komfortabel im Objektsein einzurichten: sie ist der Innenraum des in den Abgrund rasenden Zuges. Die Lokomotive, die diesen Zug vorwärtstreibt, wird angetrieben durch den Verurteilungsmechanismus, der der Erinnerung den Weg verstellt (die Feindbildlogik). Die Schiene, auf der dieser Zug sich bewegt, ist die Zeitschiene (das „Überzeitliche“, die Vorstellung des Zeitkontinuums). Der Abgrund, auf den er sich zubewegt, ist die Vergangenheit, vor der er flieht, und die in dieser Flucht als vor ihm sich öffnender Abgrund sich reproduziert (horror vacui: Produkt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit; Natur ist die in die Vergangenheit projizierte Schöpfung).
    Daß die Kommunikationstheorie ihre wichtigsten Ergebnisse in der Schizophrenieforschung gewonnen hat, hätte eigentlich vor ihrem affirmativen Gebrauch, den Luhmann und Habermas glaubten begründen zu können, warnen müssen.
    Habermas: Second-Hand-Philosophie.

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