Das Feindbild subsumiert die praktische Vernunft unter die transzendentale Logik, unter das System synthetischer Urteile apriori.
In Deutschland ist nun mal das das Recht funktional, ohne inhaltliche Beziehung zur Idee der Gerechtigkeit. Durch den Titel Staatsanwalt ist hier der öffentliche Ankläger eine bloße Funktion: Anwalt des Staates. Nicht er erhebt und vertritt die Anklage, sondern durch ihn hindurch der Staat, der ihn zugleich von der moralischen Verantwortung entlastet, exkulpiert (das Organisationsprinzip der Eigentumsgesellschaft).
Ist nicht die Kombination Petrus, Jakobus, Johannes wichtiger als die Kombination Petrus, Paulus, Johannes (die zur Konstruktion einer paulinischen Kirche führte, in der Reformation)? Blieb nicht auch der Protestantismus durch eine Art symbiotischer Feindschaft noch an die katholische Kirche gebunden? Etwas anderes ist die Kombination Rom, Jerusalem und Patmos.
Wenn Jakobus an die zwölf Stämme in der Diaspora schreibt, nimmt er da nicht ausdrücklich Bezug auf die Zerstörung Jerusalems?
Was haben die Träger gleicher Namen im Neuen Testament mit einander zu tun:
– Johannes der Evangelist mit dem Täufer, auch mit Johannes Markus;
– Jakobus der Sohn des Zebedäus mit dem „Herrenbruder“ (der ihm als Leiter der Gemeinde in Jerusalem folgte und dann zu den „drei Säulen“ gehörte);
– Simon Petrus mit Simon von Cyrene und dem Namensgeber der Simonie;
– der andere Judas (der Bruder des Jakobus, auch ein Herrenbruder?) mit dem Verräter?
Haben die sieben Köpfe und zehn Hörner des Drachens und des Tieres etwas mit den siebzig Völkern zu tun?
Zu dem Satz (auf der Rückseite des Buches von Pablo Richard): „Die Apokalypse entsteht in einer Zeit der Verfolgung“, bleibt zu fragen, ob nicht (und ggf. wie) die Verfolgungen mit dem Ereignis der Zerstörung Jerusalems zusammenhängen.
Wäre nicht besser als das Beispiel des Lustmörders, auf das Horst-Eberhard Richter hinweist, das der Nazis, deren Taten eine Dimension erreichten, in der es möglich war, jeden öffentlichen Hinweis (auf Dinge, die ohnehin alle wußten) als Greuelpropaganda zu dementieren.
Kann es sein, daß das Problem Birgit Hogefelds damit zusammenhängt, daß die eliminatorische Gewalt der Ächtung, der sie ausgesetzt ist, auf beiden Seiten aus der gleichen Quelle stammt: aus der „existentiellen“ Abwehr jeder Reflexion der deutschen Vergangenheit? Würde nicht diese Reflexion den symbiotischen Feindbild-Clinch, der für beide Seiten identitätsstiftend ist, von innen sprengen.
Unterscheidet sich nicht dieser Prozeß von anderen RAF-Prozessen dadurch, daß hier erstmals (allerdings nur auf der Seite der Angeklagten und ihrer VerteidigerInnen) Ansätze zu erkennen sind, den Bann der Logik der Empörung (den Feindbild-Clinch) zu brechen?
Wer blind und mechanisch den eigenen Rechtfertigungszwängen gehorcht, gleichsam sich selbst zu ihrem Objekt macht, betreibt, ohne es selbst zu merken, das Geschäft des Feindes: nicht nur, daß er unfähig wird, potentielle Verbündete vom wirklichen Feind (den er nicht mehr erkennt, da er ihn an seine reale Ohnmacht gemahnt, auf den er nur noch reagiert) zu unterscheiden. Er ernennt alle, die „gegen ihn“ sind, zu Feinden, um an ihnen dann (vor sich selbst und im Ghetto der Bekenntnisgemeinschaft, als deren Teil er sich begreift) gefahrlos seinen Mut unter Beweis stellen zu können. (Empörung macht blind. Der „Weltanschauungskrieg gegen den Bolschewismus“, der die Kirchen dem Faschismus als Verbündete zugeführt hat, war ein Vernichtungskrieg; er hat zugleich das Empörungs-Klima geschaffen, in dem die „Endlösung der Judenfrage“ in Angriff genommen werden konnte.)
Das Feindbild begründet den dämonischen Geheimbereich, die zweideutige Beziehung der Politik zur Öffentlichkeit. In diesem Kontext wird das angebliche Nichtwissen der Nachkriegs-Deutschen, die die Nazizeit mit erlebt haben, verständlich. Vor allem: Es läßt sich nicht mehr damit begründen, die Nazis hätten ihre Verbrechen ja selber geheim gehalten. Diese Geheimhaltung war, was die Judenpolitik und die Konzentrationslager betraf, in jeder Hinsicht durchlässig, ein bewußt erzeugtes Klima des Gerüchts, das den doppelten Zweck verfolgte (und erfüllte): ein allgemeines Klima der Bedrohung zu schaffen, in dem jeder wußte, auf welche Seite er sich zu schlagen hatte, und so zugleich den Antisemitismus zu fördern. Es gab Dinge, die alle wußten, von der sie aber auch wußten: darüber darf man öffentlich nicht reden. Das Klima der allgemeinen Bedrohung war zugleich ein Klima der erzwungenen Komplizenschaft. – Hat das nicht die Nazizeit überlebt? Gibt es nicht auch heute wieder Dinge, die alle wissen, über die man aber nicht reden darf?
Das Feindbild erfüllt diese entlastende Funktion: In den Feind braucht man sich nicht mehr hineinzuversetzen. Genau darin gründet seine identitäts- und gemeinschaftsstiftende Funktion. Es befreit von moralischen Hemmungen (von den Hemmungen des Gewissens), es begründet das pathologisch gute Gewissen, den gemeinsamen Wahn.
Das identitäts- und gemeinschaftsstiftende Element des Feindbildes ist zugleich Teil einer symbiotischen Bindung an den Feind.
Ist nicht die RAF zu sehr Ausdruck einer Krise, als daß sie schon als Teil ihrer Lösung sich begreifen ließe? Nur soviel ist wahr: Die Erkenntnis und Reflexion der Krise bedarf des Versuchs, die RAF zu verstehen, und das Feindbild RAF verschärft nur die Krise, anstatt zu ihrer Lösung beizutragen. Jedenfalls gehört der Versuch einer strafrechtlichen Lösung des RAF-Problems zu den Instrumenten der Krisen-Verschärfungs-Strategien.
Hat nicht die Linke seit der Besetzung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung immer wieder die Neigung bewiesen, an den schwächsten Stellen der „Front“ den eigenen Mut zu erproben? Ist sie nicht freiwillig (oder auch im Bann einer Verblendung durch Empörung, die sie nicht mehr zu reflektieren vermochte) in die Diskriminierungsfallen hineingerannt?
„Übervater“: Er hätte Freud lesen müssen („Totem und Tabu“): Der Vatermord vermag Brüderhorden zu begründen, Opfer- und Bekenntnisgemeinschaften, denen die blinde und bewußtlose Identifikation mit den verinnerlichten Vätern (Nationalismus als Sinnesimplikat jeder symbiotischen Feindbindung) als ihr Grundgesetz einbeschrieben ist, nicht aber den Akt der Befreiung.
Skinhead-Logik: Wer aus jeder Kritik „den Feind“ heraushört, macht sich selbst blind, ohnmächtig und dumm und braucht dann zur Selbsterbauung Mutproben.
„Es gibt nichts tierischeres als ein reines Gewissen“: Dieser Satz (der die Logik aller Opfer- und Bekenntnisgemeinschaften in ihrer Wurzel trifft) bezeugt die Sensibilität und Aktualität der Autorin, die ihn geschrieben hat: Er rechtfertigt nicht nur den Nobel-Preis, der ihr jetzt zuerkannt wurde; er ist ein Schlüssel zur Erkenntnis der Wurzeln des Faschismus.
War das nicht der Fehler der 68er: daß sie die Schrecken des Faschismus (die Schrecken, die der Versuch, Faschisten zu verstehen, auslöste) mit Hilfe der „unbedingten Verurteilung“ (der Empörung, die dann das „reine Gewissen“ erzeugte) geglaubt hat, verdrängen zu können?
Rührt nicht die Psychologie-Feindschaft daher, daß die hier geforderte Reflexion die geliebten Feindbilder zersetzt (Reflexion hat mit dem, was die Nazis „Wehrkraftzersetzung“ nannten, zu tun)?
Es gibt so etwas wie einen logischen Feind-Clinch: Sie kommen (wie das Subjekt vom Objekt) von einander nicht mehr los. (Ist nicht das Identitätsproblem ein Problem der Einheit des Objekts und der Welt wie auch ein Problem des Feindbildes, das diese Einheit garantiert; und lag darin, in seiner gemeinschafts- und identitätsstiftenden und zugleich moralisch enthemmenden Funktion, nicht die zentrale Bedeutung des Antisemitismus für den deutschen Nationalsozialismus?)
Wer bei H.-E. Richter nicht mehr hinhören kann – und da dürften sich in der Tat alle „Obrigkeiten“ mit den „Starrköpfen aus der RAF“ einig sein – will eigentlich garnicht wissen, was wirklich passiert ist, er wills nur entweder verurteilen oder rechtfertigen. Und genau diese Diskussion, die diese Alternative unterläuft, wäre notwendig. Dazu, scheint mir, liegen erste Ansätze sowohl in dem Beitrag von Birgit Hogefeld als auch in den Anmerkungen Horst-Eberhard Richters vor. Daß diese Diskussion vielleicht sogar zu allererst mit der Vergangenheit, die nicht vergehen will, zu tun hat, damit, daß Auschwitz, je weiter wir uns in der Zeit von ihm entfernen, uns immer näher rückt, …
Kann es sein, daß die symbiotische Feindbindung einen für beide Seiten gemeinsamen Grund hat: die Vergangenheit nicht an sich heranzulassen?
Hängt nicht die besondere Verführbarkeit des deutschen Volkes (zu der das Werk Daniel Jonah Goldhagens erneut einschlägiges Beweismaterial vorgelegt hat) mit einem auch hier in diesen Prozeß hineinwirkenden Staatsverständnis zusammen, ein Staatsverständnis, das unter anderem auch die Transformation einer Angeklagten zum Feind (und damit den Rückfall in die Logik des Vorurteils, die die Zumutung, in die Angeklagte sich hineinzuversetzen, apriori abwehrt und diesen grundhumanen Akt mit dem Stichwort Sympathisant grundsätzlich diskriminiert) zu erklären vermag?
Feind/Sklave/Ausländer/Ware? Ist nicht der Feind (das Objekt der reflexionslosen Verurteilung) das Grundmodell des Objektbegriffs?
Man muß begreifen, daß die „unbedingte Verurteilung“ (auch die des Faschismus) nicht nur ein Instrument gegen den Faschismus ist, sondern ebensosehr ein Erbe des Faschismus: Sie ist die Basis und der Kristallisationskern der deutschen Staatsmetaphysik.
Es gibt nicht nur eine Psychologie des Vorurteils, es gibt auch eine Logik des Vorurteils; und wäre deren Analyse nicht vielleicht sogar wichtiger?
Ein Luxus-Zug, der auf den Abgrund zurast:
– Die Rechten verriegeln und bewachen die Türen (daß ja niemand hereinkommt) und schmeißen alle raus, die nicht hineingehören,
– die Politiker und die Medien bemalen die Fenster und geben die Bilder als die Außenwelt aus, die sie unsichtbar machen,
– die Gerichte leugnen die Bewegung des Zuges, die Außenwelt und den Abgrund und verurteilen jeden, der daran erinnert.
Aber hat eigentlich wirklich jemand daran geglaubt, daß es helfen würde, in dem mit wachsender Geschwindigkeit dahinrasenden Kapitalismus-Express das Personal zu erschießen; käme es nicht vielmehr darauf an, seine Technik, die Beschleunigungsmechanismen (die nur als gemeinsame Mechanismen des Zuges und seiner Außenwelt sich begreifen lassen) zu studieren, um den Sturz in den Abgrund vielleicht doch im letzten Augenblick noch zu verhindern?
Weshalb die Paranoia die Welt falsch abbildet: Dient nicht das Feindbild auch dazu, das Handeln des Feindes zur Rechtfertigung des eigenen Handelns zu mißbrauchen, zugleich aber die Folgen dieses Mißbrauchs (ihre Reflexion) auszublenden?
Eine sprachlogische Anmerkung
Es fällt auf, daß die Vertreter der Bundesanwaltschaft im Hogefeld-Prozeß den Begriff Bekennerschreiben konsequent vermeiden und durch „Selbstbezichtigungsschreiben“ ersetzen; mittlerweile hat dieser Begriff auch in der Berichterstattung der Presse Eingang gefunden. Es dürfte nicht uninteressant sein, die etwas wirre Logik dieser Sprachkonstruktion ein wenig genauer zu betrachten:
– Im normalen Sprachgebrauch zeichnet sich der Begriff der Bezichtung durch seinen direkten, nach außen gerichteten Objektbezug aus: Bezichtigt wird immer ein anderer (im Falle der Verdächtigung, der Denunziation, der Anklage); hinzu kommt, daß bei einer bloßen Bezichtigung die Tatbeteiligung noch nicht feststeht, daß sie problematisch und noch nachzuweisen ist. Der reflexive Gebrauch des Begriffs findet sich eigentlich nur im Falle des begründeten Zweifels an der Wahrheit einer solchen „Selbstbezichtigung“ (z.B. wenn jemand sich selbst bezichtigt, um einen anderen zu decken): Bezichtigt wird einer, der die Tat leugnet, und das gilt auch für die „Selbstbezichtigung“, die stellvertretend für den wirklichen Täter dessen Tatbeteiligung leugnet.
– Sprachlogisch ist der Begriff der Selbstbezichtigung auf den Fall des Bekenntnisses nicht anwendbar, ein „Selbstbezichtigungsschreiben“ ist kein Bekennerschreiben. – Teil der staatsanwaltlichen Logik, eines strategischen, instrumentalisierten Gebrauchs der Logik, erzwungen durch den Kontext des politischen Prozesses (in der Nazizeit reichte die Denunziation, eines Beweises bedurfte es dann nicht mehr)?
– Adressat eines Bekennerschreibens ist die Öffentlichkeit, Adressat einer Selbstbezichtigung ist die Anklagebehörde; so wird die Tat durch die Sprache entpolitisiert und unter die Strafrechtslogik subsumiert (die Subsumtion unter die Strafrechtslogik wird mit Hilfe des Reflexionsverbots schon ins Vorfeld der Ermittlung und Anklage verlegt);
– wer sich zu einer Tat bekennt, will die Gründe der Tat öffentlich machen; durch den Begriff der Selbstbezichtigung werden diese Gründe (und d.h. in diesem Falle: der politische Hintergrund und die politischen Motive der Tat) schon im vorhinein ausgeblendet;
– Selbstbezichtigung ist so etwas wie eine Selbst-Denunziation, der Begriff bezieht den diskriminierenden Ton, der den kriminellen Charakter der Handlung ins Licht rückt, mit ein, er unterstellt als Absicht der Täter, was der Ankläger nur heraushört; die „Selbstbezichtigung“ macht die Tat noch verwerflicher, weil der sich selbst Bezichtigende sich zu etwas Verabscheuungswürdigem bekennt, damit aber sich selbst aus der Gemeinschaft der Verurteilenden ausschließt (nicht die Tat, sondern das Sich-Ausschließen aus dieser Gemeinschaft ist der zu sanktionierende Akt); oder auch: das Bekenntnis zu einer Tat greift die Rechtsordnung an, indem es intendiert, einer kriminellen Handlung den Schein des Normalen, des Erlaubten, einer ungestraft öffentlich zu machenden Handlung zu geben versucht (ein anderer, der nicht der Täter ist, würde dagegen durch die Denunziation ein öffentliches Interesse, deren Grenzen mittlerweile ohnehin die Staatsanwaltschaft definiert, wahrnehmen);
– liegt es nicht in der Konsequenz dieser Logik, daß am Ende das Konstrukt der „Nestbeschmutzung“ (als ein Akt kollektiver „Selbstbezichtigung“) zu einem Strafrechtstatbestand und damit kriminalisiert wird?
Ensteht hier nicht so etwas wie eine Schuldautomatik, die in der Logik der Verurteilung gründet? Es kommt nicht darauf an, daß man kein Unrecht tut, sondern allein darauf, daß man sich nicht dazu bekennt, sondern es unbedingt verurteilt und verabscheut; ob die, die es verurteilen, es möglicherweise selber tun, ist fast schon unerheblich.
Bekenntnislogik
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10.10.1996
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08.10.1996
Hogefeld-Prozeß: Es wäre sicher befriedigender, wenn es zu einem klaren, von beiden Seiten akzeptierten Urteil käme, entweder durch Feststellung einer zu sühnenden Schuld oder durch Feststellung der nachgewiesenen Unschuld, ein echter Freispruch. Aber muß es nicht in Kauf genommen werden, wenn weder eine Schuld noch die Unschuld nachgewiesen werden können, daß dann das in dubio pro reo Anwendung findet, zumal die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß ein Unschuldsnachweis, der objektiv möglich wäre, nur deshalb von der Angeklagten nicht in Anspruch genommen wird, weil sie andere nicht belasten (die Beziehung auch zu denen, die sie bereits abgebrochen haben, nicht abbrechen) will. Sind – außer für die verfolgungssüchtige Logik der Anklage – nicht Umstände denkbar, die diese Entscheidung moralisch geboten erscheinen lassen? (Vgl. hierzu den Hinweis Klaus Jünschkes auf RAF-Urteile, die im Bewußtsein, daß sie nicht zu halten sind, gleichwohl gefällt worden sind, auch die Bemerkung Birgit Hogefelds zu dem Urteil gegen Eva Haule.)
Ist nicht die Qualität und Intention der BILD-Zeitung logisch ableitbar aus dem Prinzip, in ihren Texten Nebensätze grundsätzlich auszuschließen?
„Der Himmel rollt sich zusammen wie eine Schriftrolle, und all sein Heer welkt ab, wie das Blatt am Weinstock abwelkt und wie welkes Laub am Feigenbaum. Denn trunken ward im Himmel das Schwert des Herrn …“ (Jes 344, vgl. Off 614, Mt 2429, 2 Pt 310) Beschreibt nicht der Himmel, der durch den kopernikanischen Seitenblick in ein reines mathematisches Konstrukt sich aufgelöst hat, aufs genaueste die Grenze zwischen Bild und Wort, Begriff und Name, Mathematik und Sprache, die Levinas’sche Asymmetrie, den Unterschied zwischen Indikativ und Imperativ (Wasser und Feuer: haschamajim))? Am zweiten Tag, mit der Erschaffung der Feste, wurde die im Anfang ersterschaffene Sache zum Namen.
Heute richtet sich das Weltgericht, das dahin tendiert, alle zu seinen Anwälten (zu Weltanwälten) zu machen, tendentiell gegen sich selbst: Es ist zu einem objektiven Instrument der Selbstverdammung geworden, in der die Philosophie endgültig untergeht. Nachdem die projektive Ableitung des Gerichts, die Abwälzung der Last auf Andere, kein Ausweg mehr ist (sie ist identisch mit dem Zustand, dem sie entgehen möchte), bleibt nur die Selbstreflexion, die allerdings, indem sie darauf verzichtet, von der Feindbildlogik Gebrauch zu machen, sich alle zu Feinden machen wird.
Bekenntnisgemeinschaften sind Empörungs- und Verurteilungsgemeinschaften. Deshalb brauchte der Faschismus den Antisemitismus, der zur Ursprungsgeschichte des Staates gehört, wie die „Endlösung der Judenfrage“ der Beginn der Selbstzerstörung des Staates war.
Wer sind Gog und Magog (Haman war ein Agagiter <Esth 31>, nach Ezechiel ist Gog der Fürst von Magog <382>, nach der Offenbarung sind Gog und Magog die Völker der Endzeit <208>)?
Der Staat: die Geburtsstätte der Geldwirtschaft und das Harmagedon (Off 1616) seiner Selbstvernichtung (ist nicht die Ware deren Instrument)?
Sabine Christiansen u.a.: Dem Bundeskanzler und dem Präsidenten der Arbeitgeberverbände widerspricht man nicht, und man fällt ihnen nicht ins Wort, während man bei SPD-Politikern und bei Gewerkschaftsvertretern es sich leisten kann und es auch tut. -
05.10.1996
Asymmetrie: Heute verwechseln alle Kritik und Widerlegung. Dabei ist kritikwürdig nur, was nicht widerlegungsfähig ist. Die Widerlegung ist ein Instrument der Eliminierung, ihr Ziel ist die Verurteilung. Ziel der Kritik hingegen ist die Rettung.
Abgestiegen zur Hölle: Erinnert das nicht an den Abstieg ins Private (waren es nicht der Caesar, das caesarische Imperium Romanum, die die Privatsphäre konstituierten, indem sie sie von der res publica trennten, sie gegen sie abschirmten und „schützten“ <Pax Augusta>; ähnlich schirmt der Teufel die Hölle, den Ort der Gemeinheit, gegen Barmherzigkeit und eingreifendes Handeln ab)?
Der Abstieg zur Hölle war zugleich auch der Einstieg in die Völkerwelt (in die Welt der Heiden, der Fremden, der Feinde), in die verurteilenden (zunächst durch den Mythos, am Ende durch politische Magie der Feindbildlogik geprägten) Sprachen?
Seit dem Kreuzestod Jesu haben vor allem die Verachteten (hat das Herz, in das nur Gott sieht) Anteil an der messianischen Kraft.
Confessor (Bekenntnislogik und Eliminierung der Frauen): Hat nicht Augustinus (in den Confessiones) über seine Mutter geschrieben, sie „glaubte wie ein Mann“?
Das Dogma und die subjektiven Formen der Anschauung: Die Sohn-Gottes-Theologie wird dämonisch, wenn das Nachfolge-Gebot aus diesem messianischen Titel eliminiert und verdrängt, der „Sohn Gottes“ zu einem Objekt des Anschauens wird. Das Dogma ist Theologie von außen (Theologie hinter dem Rücken Gottes, dessen Attribute Levinas zufolge nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen); es begründet in der Theologie das (hier schon von Grunde her verworfene) Reich der Erscheinungen (deren Trennung vom Ansich). Auch hierauf bezieht sich der Levinas’sche Begriff der Asymmetrie (seine Unterscheidung von Indikativ und Imperativ). Die Verwischung dieser Asymmetrie (durch den Weltbegriff) ist der Punkt, an dem die Logik umkippt: der Punkt der Verdinglichung und Instrumentalisierung der Wahrheit (der Vertauschung von Name und Begriff, des Ursprungs der Dunkelheit, in die Theologie Licht zu bringen hätte, anstatt dem Heroismus des Nichtsehens zu verfallen).
Wodurch unterscheidet sich das homologein vom confiteri (hängt confiteor, confessus sum, mit fateor, fassus sum <gestehen, bekennen; äußern, zeigen>, zusammen)? Bezeichnet nicht diese Differenz den Übergang von Logik der der Sprache zur Logik der Anschauung (Indiz des Übergangs vom Griechischen ins Lateinische)?
Hängt das fateor mit dem fatum zusammen: ist das Bekenntnis der Reflex des Schicksals im Subjekt, der Versuch, die Macht des Schicksals mit Hilfe der Logik des Schicksals zu brechen? War die Bekenntnislogik die Voraussetzung der Rezeption des Begriffs (der Philosophie) im Lateinischen – eine Fortentwicklung der stoischen Ataraxie; hat die Bekenntnislogik „die Welt (den Weltbegriff) gerettet“, und hat sie in der gleichen Bewegung die Bedeutung des Naturbegriffs aus dem Kontext der Zeugung in den der Geburt verschoben?
Venus-Katastrophe: Hat nicht die Venus etwas mit der Fortuna, dem „Glück“ und dem „blinden Zufall“, zu tun? Wurde in der Venus die Kontingenz der Welt, als es aus ihr – in der staatlich organisierten Eingentumsgesellschaft – keinen Ausweg mehr gab, verehrt? In welcher Beziehung steht diese Kontingenz zur Sexualität? Beschreibt der Begriff der Venus-Katastrophe die Ursprungsbedingungen der Sexualmoral (die vor dem Selbstverlust, der Verfallenheit an die Kontingenz, schützen sollte)?
In welcher Beziehung steht das pisteuo zum credo, und das credo zum confiteor (gibt es eine dem „Kredit“ vergleichbare Wortbildung zu pisteuo)?
Am Ende des Buches Jona wird des Königs nicht mehr gedacht. Aber ist diese Geschichte vom König, der Buße tut und sein Volk (und das Vieh) aufruft, Buße zu tun, nicht das Gegenstück zu dem paulinischen Satz, daß am Ende. wenn der Sohn Ihm alles unterworfen haben wird, Gott alles in allem sein wird? Und ist es nicht dann in der Tat gleichgültig, ob des Königs dann noch gedacht wird?
Ist St. Peter der Erbe des Kolosseums, und hallen im Meßopfer die mörderischen Spiele in der Arena nach?
Die Aufgabe des Daniel, den Traum Nebukadnezars zu deuten, den er selbst zuvor finden und rekonstruieren muß, gleicht der Aufgabe, einen Knoten zu lösen, der zuvor durchschlagen wurde. (Ist der traumlose Schlaf, den es nicht gibt, das Sich-nicht-Erinnern an den nächtlichen Traum, eine Spätfolge des „durchschlagenen Knoten“: Gilt es nicht deshalb, die Nächte, die die Schöpfungstage trennen, endlich in die Erinnerung zu rufen?)
Die Idee der Auferstehung hängt mit dem „Richtet nicht …“ und dem Gebot der Feindesliebe zusammen. Sie ist ebenso wie eine Hoffnung auch ein Erkenntnisprinzip: die Nichtanerkennung der Verurteilung, der abgeschlossenen Vergangenheit, der Macht des Todes; Erinnerung als Revision des gnadenlosen Weltgerichts.
Barmherzigkeit als Erkenntnisprinzip: Ohne die Fähigkeit, in einen andern sich hineinzuversetzen, wird Erkenntnis blind. Objektivierende Erkenntnis (die ihr Maß an den subjektiven Formen der Anschauung hat) ist richtende, gnadenlose Erkenntnis: Erkenntnis von oben, aus Herrensicht.
Die subjektiven Formen der Anschauung, die mit der Mathematik, insbesondere mit der Geometrie (mit der Orthogonalität und der Reversibilität aller Richtungen im Raum) sich entfalten, sind ein blinder Reflex dessen, wovon sie abstrahieren: der „Zweckmäßigkeit“ (vgl. Kr.d.U., S. 223 <271> ff). Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Instrument der Transformation der Teleologie in die Kausalität, sie destruieren die Logik des Grundes und machen die Kausalität zu einer universalen, zum Kern des synthetischen Urteils apriori.
Die Paranoia ist das Resultat der gelungenen Subsumtion der Teleologie unters Kausalitätsprinzip.
Kritik der Geschichte: Das An sich der vergangenen Dinge, ihr Innerstes, liegt in der Zukunft. -
04.10.1996
„Es gibt nichts tierischeres als ein reines Gewissen“: Dieser Satz (der die Bekenntnislogik in ihrer Wurzel trifft) rechtfertigt nicht nur den Nobel-Preis: Er bezeugt die Sensibilität und Aktualität, die prophetische Erkenntniskraft, seiner Trägerin. Er ist ein Schlüsselsatz zur Erkenntnis jeder Art von Faschismus.
Die Logik des apagogischen Beweises ist der Stachel im Herzen des Objekts (Grund des kontrafaktischen Urteils, der Urteilsethik, der Wertethik).
Die Bekenntnislogik versucht die Lücke zu schließen, die der apagogische Beweis aufreißt. Dazu bedarf sie der Idee des Absoluten (der gegenstandslosen Spiegelung des Subjekts im Unendlichen). Die Confessiones des Augustinus enden mit dem Selbst-Bekenntnis.
Sind nicht die Confessiones des Augustinus die Urgestalt der erbaulichen Literatur, die lateinischen Ursprungs ist? Zur erbaulichen Literatur gehört die „fromme Lüge“: Religion als Mittel der Verführung anderer? Die Idiosynkrasie gegen das Theater verweist auf eine Dramaturgie, dessen Bühne eine Sprache ist, die die Namenskraft der Sprache aus dem prosaischen Indikativ, an den sie gefesselt ist, nicht mehr zu entwickeln vermag (wodurch unterscheidet sich der lateinische vom griechischen Indikativ?). Die „Wörtlichkeit“ des Genesis-Kommentars des Augustinus (de genesi ad litteram) drückt das aufs genaueste aus. Es ist die Wörtlichkeit eines Indikativs, der im Bann der imperialen Logik der lateinischen Sprache die Herrschaftsreflexion verlernt hat. Der Bann der imperialen Logik ist der Bann der Objektivierung.
Zu den Elementen der erbaulichen Literatur gehören:
– die Legende (die, nachdem sie von der Herrschaft in den Dienst genommen wurde, zur Fälschung sich entwickelt hat),
– die Privatisierung der Idee der Vorsehung (und deren Erkennbarkeit durch den Frommen), die die stoische Ataraxia als Gleichgültigkeit gegen die Welt ins Objektive wendet: in die Dinge projiziert,
– die zentrale Funktion der Sexualmoral (und der zölibatären Lebensweise), in die die verdrängte Herrschaftskritik projiziert wird,
– daraus abgeleitet die merkwürdige Beziehung zu Frauen (die heilige Mutter und die namenlose und dann verstoßene Geliebte).
Die subjektiven Formen der Anschauung (zur Logik der Natur- und Geschichtserkenntnis): Der mitleidlose Blick strahlt als Kälte der Welt zurück.
Der Bruch zwischen E- und U-Musik (und die zunehmende Verrottung beider) ist ein Reflex der Entstehungs- und Vollendungsgeschichte der Beton-Welt: Die Rockmusik lehrt die Menschen, nach der Pfeife dieser Betonwelt zu tanzen, während die Schlager (und die Pop-Musik) ihnen helfen, vor dieser Welt die Augen zu verschließen, sich aus dieser Welt herauszuträumen. Nicht mehr die Musik, sondern die avancierteste Gestalt ihrer Reflexion erschüttert die Fundamente der Welt.
Die Beton-Welt ist ein ebenso realer wie sprachlicher Sachverhalt: An der Zeit wäre die Entfaltung einer politischen Grammatik (Ursprung des Neutrum, Geschichte der Deklination und Konjugation, Beziehung der Sprache zur Mathematik, zum Inertialsystem).
Die Apokalypse unterscheidet zwischen den Gebeten der Heiligen (Rauchopfer) und den Taten der Heiligen (weiße Kleider).
Sind Satan und Teufel Verkörperungen der imperialen Macht, symbolisieren sie den Caesar? Gibt es hierzu Hinweise in der Geschichte der Versuchungen Jesu (die in der konstantinischen Wende real werden: Teilhabe an der Macht, Steine statt Brot, Sturz von der Zinne des Tempels)? -
01.10.1996
Das Prinzip der Schuldumkehr (und somit ihre Beziehung zum Schuldbekenntnis) bindet die Bekenntnislogik an die Logik der Verurteilung und ans Feindbild. Die Bekenntnislogik ist das Produkt der Instrumentalisierung des Symbolums. Drückt die Differenz des Bekenntnisses zum Symbolum nicht in der des confiteri zum homologein sich aus? Und ist nicht der Kontext der confessio (ihre passive, auf den Blick und das Urteil der Andern bezogene Beziehung zur Sündenvergebung, zur Rechtfertigung) ein anderer als der des homologein (der aufs Handeln: auf die aktive Nachfolge, verweist)? Die confessio trennt die Sündenvergebung vom Sündenvergeben (das Gericht von der Barmherzigkeit), sie transformiert so das homologein in ein theologisches Inertialsystem (sie subsumiert das Bekenntnis unters Gesetz der Instrumentalisierung).
Die Trinitätslehre ist – insbesondere in ihrer lateinischen Fassung – ein logisches Konstrukt. Es ist nicht unerheblich, daß die bedeutendsten lateinischen Theologen (von Tertullian bis Augustinus) Rhetoren waren, die die Logik, indem sie sie wie eine Ingenieurswissenschaft betrieben (als Mittel für subjektive Zwecke), zu einem Instrument der gesellschaftlichen Naturbeherrschung gemacht haben. Hier ist der instrumentalisierende Grundzug in die Theologie hereingekommen, der seitdem nicht mehr aus ihr herauszubringen ist. Ist nicht das Modell der trinitas der Raum mit seinen drei Dimensionen (und das der Orthodoxie die Orthogonalität)? Die Trinitätslehre ist das embryonale Modell der universalen Verdinglichung (der Verhärtung des Herzens).
Rind und Esel: Im Strafrecht verfolgt der Staat seine Konkurrenten: die Anmaßung des „Verbrechers“, von einem Recht Gebrauch zu machen, das nur ihm, dem Staat, zusteht. Deshalb kennt das Strafrecht keine Versöhnung und keine Wiedergutmachung, aber auch keine Umkehr, sondern nur die Strafe: die Befriedigung des Rachetriebs. Das Strafrecht wird, wenn es das Element seiner Humanisierung (die Domestizierung des Rachetriebs) endgültig verwirft, zu einer projektiven Verfolgungsmaschine (die dann im deutschen Judenmord gegen das Strafrecht, aus dem sie hervorgegangen ist, sich verselbständigt hat), eine Maschine, mit deren Hilfe der Staat sein eigenes Verbrechen (das Verbrechen seines Bestehens) an anderen verfolgt, um so sich selbst zu exkulpieren. Ist nicht das Bekenntnis zum Staat, Grund und einziger Inhalt des Nationalismus, das verstockte Bekenntnis zu diesem Verbrechen (und ist nicht die Schuldumkehr, in der das Bekenntnis sich konstituiert, der Grund der Verhärtung des Herzens)?
Hängt die consubstantialitas mit der homousia auf ähnliche Weise zusammen wie die confessio mit dem homologein?
Ist nicht die confessio eine passivische Perfektbildung (abgeleitet aus dem Verb confiteri, confessus sum), und ist nicht der lateinische Substanzbegriff ein Produkt (das gegenständliche Pendant) der confessio? Das Substantiv ist das Produkt der logischen Verknüpfung beider.
Wie kommt es, daß fast alle grammatischen Bezeichnungen (wie Substantiv, Akkusativ, Nominativ etc.) auf -iv(um) enden; drückt sich darin nicht schon ihre Beziehung zur Ursprungsgeschichte des Trägheitsbegriffs, des Inertialsystems, aus? – Verweist das -ivum nicht auch auf einen Eingriff, auf eine gegenständliche, formende Tätigkeit: auf eine apriorische Sprachlogik, eine Herrschaftslogik der Sprache? Ist diese Sprachlogik nicht die Embryonalform der transzendentalen Logik (und ihr Subjekt die des transzendentalen Subjekts)?
Vor dem Erscheinen des Tiers aus dem Wasser wird der Drache (der „Ankläger unserer Brüder“) vom Himmel auf die Erde geworfen. „Darum frohlockt, ihr Himmel, und die ihr darin wohnt! Wehe der Erde und dem Meer! denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen …“ Auf die Erde herabgeworfen, verfolgt der Drache das Weib, das den Knaben geboren hat, und das in die Wüste flieht, „fern vom Angesicht der Schlange“. Es steckt eine ungeheure Dramatik in den Kapiteln 12/13 der Johannes-Offenbarung: Der Drache übergibt dem Tier seine Kraft, seinen Thron und große Macht … Der Drache und das Tier werden angebetet; dann macht das Tier vom Lande ein Bild des ersten Tieres, das große Zeichen tut, sogar Feuer vom Himmel auf die Erde herabfallen läßt, es verleiht dem Bild Lebensgeist, sodaß das Bild sogar redet und bewirkt, daß alle, die das Bild nicht anbeten, getötet werden.
Worauf bezieht sich das Bild von dem vom Himmel auf die Erde geschleuderten Drachen, hängt es mit dem Wort aus dem Johannes-Evangelium zusammen: „Jetzt ergeht ein Gericht über diese Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden …“ (Joh 1231, vgl. auch 1430 und 1611, sowie Lk 1018). Und hat diese Geschichte nicht etwas mit der Ursprungsgeschichte des „transzendentalen Subjekts“, der Konstruktion des Bewußtseins und dem Ursprung der Philosophie (in denen die Ursprungsgeschichte des Staates sich spiegelt) zu tun?
Erinnert nicht die Trennung von Information und Feuilleton in den Medien (die auf die sachliche von Politik/Ökonomie und „Kultur“ zurückweist) an die Unterscheidung des Tiers aus dem Meere vom Tier vom Lande?
Die kantische Antomienlehre enthält die Ansätze einer Kritik der Logik, sie eröffnet einen Blick in den Abgrund der Logik, den Hegel durch die erneute Einbindung in die Logik (durch Einbindung der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik) zu schließen versucht hat. -
30.09.1996
Feigenblatt: Die Bekenntnislogik gehorcht dem Prinzip der Exkulpation durch Verurteilung des Bösen, durch Abscheu vor dem Bösen.
Die Exkulpation durch Verurteilung verbindet die Bekenntnislogik mit der Form der äußeren Anschauung, dem mitleidlosen, richtenden Blick.
Was ist mit Gott geschehen, als er die Welt erschuf; und was bedeutet der Satz: Was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein?
Alle naturwissenschaftlichen Weltentstehungstheorien haben mehr mit dem Sündenfall als mit der Schöpfung zu tun.
Hat nicht der letzte Satz im Buch Jona etwas mit dem Satz am Kreuz zu tun: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“?
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland: Zur Meisterprüfung gehört das Kreidefressen; heute tragen die Wölfe nicht mehr nur Hörner wie ein Lamm, sie sprechen auch wie die Lämmer. -
29.09.1996
Das Verurteilen rührt an die Angel der Welt. Merkwürdiger Doppelsinn des Worts Angel: Es bezeichnet sowohl ein Instrument des Fischfangs, den Haken, als auch den Dreh- und Angelpunkt (das Triangel ist das Dreieck). Verweist dieser Doppelsinn nicht auf den Winkel und dessen Norm, die Orthogonalität (den logischen Kern der Verurteilung)? (Hat die Angel etwas mit dem angelus zu tun; vgl. auch Anker.)
Haben die Könige von Edom etwas mit den ägyptischen Plagen zu tun, und haben beide etwas mit der Beziehung des Königtums zum Opfer zu tun?
Austreibung der Dämonen: Ist nicht jede Objektivation dämonisch, und war nicht der Titel „Sohn Gottes“ das erste Produkt der Objektivation (der Logik des Seitenblicks, des Urteils, des Indikativs)? Die homousia affiziert weniger den Sohn als vielmehr den Vater, den sie (in der Trinitätslehre) in die Logik der Instrumentalisierung mit hereinzieht: Die homousia, die die Sohnschaft verfügbar macht, ist das Gericht des Sohnes über den Vater. Wenn Jesus Gott Vater nennt und der Vater ihn seinen geliebten Sohn, so ist das etwas anderes als wenn wir ihn Sohn Gottes nennen (und den Titel zu einem Prädikat in einem Urteil über Jesus machen: zu einem Begriff). So nennen ihn auch die Dämonen und zittern (und so nennt ihn der Hauptmann unterm Kreuz, aber auch Petrus).
Der Sohn-Gottes-Titel entstammt der gleichen Logik, aus der auch das Gravitationsgesetz stammt (das Gravitationsgesetz verhält sich zur Schwere wie der dogmatische Sohn-Gottes-Begriff zu den Selbstbezeichnungen Jesu). Beide instrumentalisieren die Beziehung von oben und unten, sie rühren an die Grundlage des Begriffs (an die Form der Beziehung des Begriffs zum Objekt, die eine irreversible Oben-Unten-Beziehung, eine Spiegelung des Gravitationsfeldes, ist). Der Sohn-Gottes-Begriff hat die Theologie (auf dem Weg über die Trinitätslehre) zu einem Modell, zu einer Vorform der Naturwissenschaften gemacht. Im Sohn-Gottes-Begriff spiegelt sich die Trennung von Natur und Welt, Objekt und Begriff; er begründet einen Universalismus, der die Asymmetrie zwischen mir und dem Andern unterdrückt, verdrängt und neutralisiert. Die Beziehung des Begriffs zum Objekt gründet in der Herrschaftsbeziehung, in der Beziehung des Herrn zum Beherrschten: sie verdrängt mit dem Bewußtsein der Asymmetrie die Fähigkeit zur Reflexion von Herrschaft, damit aber die Idee der Barmherzigkeit.
Rechts und Links nicht unterscheiden können ist die Unfähigkeit zur Reflexion von Herrschaft.
Die RAF-Prozesse, das Feindbild, die Verwaltungslogik, die Bekenntnislogik, das Geld und das Inertialsystem: sie alle gehen davon aus, daß es eine unendliche (die Barmherzigkeit lähmende) Schwere gibt. Diesen Sachverhalt hat Kafka in dem Satz reflektiert: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.
Wie hängt der Sohn-Gottes-Titel mit dem Satz zusammen, daß die Pforten der Hölle (der Unterwelt) sie (die Kirche) nicht überwältigen werden? Worauf bezieht sich hier der Name der Kirche?
Rosenzweigs Kritik des All schließt die Kritik der Äquivalenz aller Richtungen im Raum, ihrer Ununterscheidbarkeit, mit ein.
Ägyptische Finsternis: Die Fundamentalontologie Heideggers hat den blinden Fleck der Philosophie totalisiert.
Das Sein ist der Inbegriff des Präsens, aber unser Präsens ist ein durchs Perfekt (durch die „vollendete Vergangenheit“) vermitteltes Präsens: In ihm steckt das ganze, hier wirklich unendlich gewordene Gewicht der Vergangenheit.
Die Schwere, und zwar die physikalische (der Trägheit äquivalente) wie auch die moralische der Schuld, ist der Ausdruck der Herrschaft der Vergangenheit über die Gegenwart. Der Begriff der Schwere der Schuld gehört zum Feindbildsyndrom, er verwischt die Grenze zwischen einem Angeklagten und dem Feind und macht das Recht zu einem Instrument des Vorurteils. Das faschistische „gesunde Volksempfinden“ war immer schon ein Euphemismus für den völkischen Rachetrieb.
Gibt es in der hebräischen Bibel (außer dem Satan) auch Teufel oder Dämonen? Woher kommt der Teufel? Sind Satan, Teufel und Dämon drei Phasen oder drei Stufen der Sprachentwicklung?
Synthetische Urteile apriori sind Verwaltungs- (oder Staatsschutz-)urteile. Wäre Gemeinheit ein strafrechtlicher Tatbestand, würde es keine Staatsschutzsenate geben.
Das Inertialsystem spannt Rind und Esel gemeinsam vor den Pflug, sein Opfer ist das Lamm.
Die Instrumentalisierung ist eine Pluralisierung (jeder Begriff bezieht sich auf Objekte im Plural; es gibt keinen individuellen Hammer, sondern jedes Instrument ist logische Massenware: seit Kopernikus gibt es die Frage nach dem Leben auf anderen Sternen).
Modelle der Instrumentalisierung: Deutscher Gesang, deutsche Frauen und deutscher Wein. -
25.09.1996
Gibt es in Staatsschutz-Prozessen heute kein Mittel mehr dagegen, daß die falschen Zeugen gewinnen? Ist nicht die bundesanwaltschaftliche Dialektik das Instrument der Konstruktion synthetischer Urteile apriori (die forensische Dialektik findet ihren Grund in dem mit dem Problem des apagogischen Beweises logisch verknüpften Prinzip, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist)?
Das Präsens ist die Zeitform der zweiten Unmittelbarkeit. Diese Unmittelbarkeit verdankt sich dem „Seitenblick“, die jedes Handeln in ein gesetzlich determiniertes Geschehen transformiert (Ursprung des Naturbegriffs, der diesen Seitenblick festschreibt).
Gott ist weder der Herr der Geschichte noch der Schöpfer der Natur: Er ist keine Legitimationsinstanz der Objektivierung.
Der kirchliche Begriff der Sündenvergebung ist gnadenlos: Er trennt die Sündenvergebung vom Sündenvergeben, von der Versöhnung.
Die Theologie heute ist die ebenso hilflose wie verkrampfte Auseinandersetzung mit der transzendentalen Logik, in die sie durchs Bekenntnisprinzip verstrickt ist. Die transzendentale Logik ist der Inbegriff einer Immanenz, die in den Grenzen der Subjektivität eingeschlossen bleibt, sie nicht zu sprengen vermag.
Christliche Priester-Theologie hat den Heiligen Geist zum Gattungswesen und zum Agenten des Selbsterhaltungsinstinkts des Kirchentiers gemacht. Deshalb ist der Heilige Geist in den Kirchen verstummt.
Die differentia specifica der Nachkriegsgeschichte gegenüber dem Faschismus, aus dem sie hervorgegangen ist, liegt in dem Fortschritt der Vergesellschaftung von Herrschaft: Nach dem Ende des Faschismus ist fürs Bewußtsein Herrschaft irreversibel von den Menschen auf die Dinge übergegangen. Habermas‘ Verzicht auf Naturkritik war die Kapitulation vor dieser Herrschaft der Dinge. Der Sieg des Objektivationsprozesses drückt unmittelbar in der Historisierung der Gegenwart sich aus, die sich selbst nur als vergangene Gegenwart (aus der Perspektive des Futur II, der zukünftigen Vergangenheit, deren merkwürdiger Doppelsinn erhalten bleibt) noch zu begreifen vermag.
Hängt damit nicht die seit Jahren etablierte Redewendung, mit der der Redende sich selbst in den Konjunktiv setzt, zusammen: „Ich würde sagen, …“
Zur frühmittelalterlichen Engellehre: Sind nicht die hierarchischen Strukturen (im Kosmos wie in der Gesellschaft) im Bann von Herrschaft erstarrte Reflexionsformen der Verdinglichung (der Begriffshierarchien)? Der Satz, daß „jetzt der Fürst dieser Welt hinausgeworfen wird“ (Joh 1231), bezeichnet einen (für das Verständnis des Christentums zentralen) sprachgeschichtlichen Sachverhalt.
Gehört nicht zum Titel Menschensohn die ezechielische Konstellation der Individualisierung der Schuld (die Verwerfung der Erbschuld), die ohne die Übernahme der Sünde der Welt nicht zu halten ist. Der Menschensohn ist der Sohn dessen, durch den „die Sünde in die Welt gekommen ist“. -
23.09.1996
Die schlafenden Jünger, die nicht begriffen haben, was es mit dem Kelch in Getsemane auf sich hatte, und die drei Leugnungen Petri, gehört das nicht zusammen? Die Jünger, die im Garten Getsemane geschlafen haben, waren auch auf dem Berg Tabor und bei der Heilung der Schwiegermutter des Petrus dabei.
Ist die Zahl 666 das Symbol des Herrendenkens, der Verhärtung des Herzens und der Verblendung, das über die subjektiven Formen der Anschauung unser Bewußtsein beherrscht: das Symbol der transzendentalen Logik, der Urteilslogik?
Fürs Bekenntnis gilt, was für die Moral insgesamt gilt: Das Bekenntnis ist ein Gebot, es ist kein Gesetz. Läßt sich das nicht aus der Formel „Bekenntnis des Namens“ herleiten?
Die Bekenntnislogik ist die Logik der Gesetzesform des Bekenntnisses: des Bekenntnisses für andere, des instrumentalisierten Bekenntnisses. Die Bekenntnislogik ist die Logik des Andersseins des Bekenntnisses, seiner weltlichen Form, die Hegels Logik in dem Satz erinnert und reflektiert: Das Eine ist das Andere des Anderen. Aber ist das Eine für sich nicht mehr als nur das Andere, das es für Andere ist? Es ist diese Bekenntnislogik, die die Wahrheit neutralisiert, indem sie sie hinter den Rücken Gottes transformiert. Hat diese Bekenntnislogik etwas mit dem Rock aus Fellen zu tun, der den Schurz aus Feigenblättern ersetzt (oder auch mit Elohim, dem Anderssein Gottes)?
Ist der Vater das Angesicht Gottes, und der Geist das Leuchten Seines Angesichts?
Die Bezeichnung Sohn Gottes ist weder aus dem Gottesnamen Vater noch aus der Stimme, die ihn Mein geliebter Sohn nannte, ableitbar: Auch die Dämonen (wie auch der Hauptmann unter dem Kreuz) haben ihn Sohn Gottes genannt, aber sie haben Gott niemals Vater genannt. Der Name Sohn Gottes gehört zu jener Ordnung der Vergegenständlichung, in der auch das Dogma (als Sohn-Gottes-Theologie) sich konstituiert (die Verwaltung dieser Ordnung ist Petrus, der Kirche und den Priestern übertragen, die die Kirche zu einer Väterkirche gemacht haben).
Die Sohn-Gottes-Theologie (das Dogma) ist das logische Modell der kopernikanischen Wende. -
22.09.1996
Ägyptische Finsternis: Das Verdrängen des Bekenntnisses in der Gegenwart, in der keiner mehr glaubt, was er bekennt, ist eine Folge des in die Bekenntnislogik eingebauten Vergessensmechanismus.
Im Anfang: Die Schrift kennt nicht die Unterscheidung des zeitlichen und des logischen Anfangs; diese Unterscheidung setzt die Trennung von Natur und Welt (Objekt und Begriff, Schrecken und Urteil, zeitlicher und logischer Ordnung) voraus.
Das (auf den kaiserlichen Konzilien formulierte) Credo unterscheidet sich vom Apostolischen Glaubensbekenntnis u.a. in folgenden Punkten:
– Der auffälligste Unterschied dürfte die Ersetzung des creare durch das facere sein (Reflex des Banns der gesellschaftlichen Naturbeherrschung?),
hinzu kommen:
– die Unterdrückung der descensio ad inferos (eines Artikels, der dem Apostel Thomas zugeschrieben wird),
– das unum (vor: deum, dominum Jesum Christum, sanctam catholicam et apostolocam ecclesiam, baptisma),
– die Umstellung von „gelitten unter P.P., gekreuzigt, gestorben und begraben“ in das sehr merkwürdige „gekreuzigt unter P.P., gelitten und begraben“ (Staats unterstellt hier bloße Schlamperei).
Dem Credo zufolge ist Jesus weder gestorben, noch abgestiegen zur Unterwelt.
Zum lateinischen Credo gehört auch das genitum non factum und das ex patre natum ante omnia saecula. Im Griechischen wird genitum und natum nicht unterschieden, in beiden Fällen heißt es gennetenta. – Was bedeutet saeculum: wird es nicht je nach Bedarf mit Jahrhundert (Weltzeit) und Ewigkeit übersetzt?
Ist das Adjektiv katholisch (wie auch das unum) ein Reflex der Rezeption des Weltbegriffs (dessen zentrale Bestimmungen die Totalität und die Einheit sind)?
Es ist keineswegs sicher, daß die byzantinische Tradition die ältere ist, nur: sie ist die caesarische Tradition. Hat vielleicht das Apostolische Bekenntnis, das historisch durchaus später sein kann, dagegen bewußt auf die ältere Tradition sich berufen?
Gibt es eine griechische Fassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, oder anders: wenn es aus einer griechischen Vorform entstanden ist, hat es später eine griechische Version der lateinischen Endfassung gegeben (vgl. Kelly, S. 113ff)?
Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben: Ist das nicht die Aufforderung, das Urteil dadurch zu unterlaufen, daß man dem Schrecken sich stellt? – Eines wird nicht mehr möglich sein: aus der Faschismus-Erfahrung durch Historisierung den Schrecken zu bannen. Es wird immer wieder ein Goldhagen kommen, der den Historismus erschüttern wird: An ihren Reaktionen wird man die Historiker dann erkennen können.
Wenn Reinhart Staats „die säkulare Medienwelt mit ihren Publikationen und Propaganda-Institutionen … an das ursprüngliche Wesen des Christentums als einer bekennenden Religion erinnern“ (S. 306), weiß er dann wirklich, wovon er redet?
Sind nicht die innerkirchlichen Spaltungen Vorgänge, an denen man den Ursprung des Planetensystems studieren könnte (lassen sich nicht die abgespaltene jüdische Tradition als Sonne, die Kirche selbst als Mond, die abgespaltene Orthodoxie als Jupiter, der Islam als Mars, sowie Merkur und Venus als Aufklärung und Kultur („Kunst“) verstehen)?
Die Planetenwelt ist der Beweis, daß Newtons absoluter Raum ein siebenfacher (kein einfacher) Raum ist?
Ist es nicht ein ungeheurer Gedanke, daß die Metalle, aber auch die inneren Organe der Tiere und Menschen auf die Konstellation der Planeten verweisen (ist die Deszendenztheorie eine auf die Welt der Planeten begrenzte Kosmogonie?).
Kein Mitleid mit Jona: Wichtiger als die Frage, wie es mit Jona weitergegangen ist, ist, scheint mir, die Frage, was mit Ninive geschehen ist, nachdem es nicht zerstört wurde. Kann es sein, daß die „Zerstörung Ninives“ gerade darin bestand, daß alles einfach nur weitergegangen ist?
Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns: Gewinnt nicht der zweite Teil dieses Satzes ein umso größeres Gewicht, je mehr wir versuchen, ihn zu verdrängen?
Erinnerungsarbeit: Surfen im Internet der Logik.
Das Sparprogramm der Bundesregierungen überzeugt vor allem alle die Hausbesitzer: Auch sie haben sich einmal beim Hausbau übernommen und sind jetzt gezwungen zu sparen. -
20.09.1996
Das Credo kennt keinen Schöpfer (creatorem), nur den Macher des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge (factorem caeli et terrae, visibilium et invisibilium); auch der Sohn wird „erzeugt, nicht gemacht“ (genitum non factum). Die Schöpfung (das creare, das dem biblische bara entspricht) kommt im Credo nicht vor. War das der Preis für die Opfertheologie, für die „Funktion“ des Bekenntnisses und seiner Logik im historischen Objektivationsprozeß, der den Schöpfungsbegriff neutralisiert (sind das Verschweigen der Schöpfung und die Opfertheologie der Keim der „subjektiven Formen der Anschauung“ und des Inertialsystems in der Theologie, eines Naturbegriffs, der der Erinnerung, dem Eingedenken und schließlich der Idee der Auferstehung, den Weg verstellt)? Der mittelalterliche Lösungsversuch, die creatio mundi ex nihilo, der den Knoten nur durchschlagen, nicht gelöst hat, war ungeeignet, wie anhand der Analyse des nihil leicht sich nachweisen läßt: Die Ersetzung der Schöpfung durchs Machen (und Zeugen) zieht zwangsläufig die Frage nach dem Woraus nach sich, der das „ex nihilo“ den Mund verstopft.
Wenn der Sohn „gezeugt nicht gemacht“ ist, so ist damit die Schöpfung eigentlich nicht ausgeschlossen.
Das Verschweigen der Schöpfung und die Logik der Opfertheologie, die Konstituentien des Dogmas und der Bekenntnislogik, sind antisemitisch.
Das Nichts ist wie das Sein eine Reflexionskategorie: Es repräsentiert die Vorstellung einer ursprünglichen Vergangenheit (einer Vergangenheit, die jeder möglichen Gegenwart vorausgeht), die dann (wie im Inertialsystem) auch die Zukunft unter sich subsumiert. Dieses Nichts transformiert die Idee des Ewigen in die des Überzeitlichen, den Namen in den Begriff; es verdrängt die Erinnerung an den Zeitkern der Wahrheit: ans Wort.
In einer Welt, die aus dem Nichts erschaffen und durch das Sühneleiden des Gottessohns entsühnt ist, gibt es keine Erlösung, nur eine Rechtfertigung.
Hat das Dogma nicht recht: Der Vater suspendiert den Schöpfer, er ist in der Tat nur der Macher und Erzeuger. Der Richter aber ist der Sohn, der Geist der Verteidiger? Und was bedeutet es in diesem Zusammenhang, wenn der Sohn zur Rechten des Vaters sitzt?
Der Sturm und die Winde: Sind das nicht Abkömmlinge des Geistes, der weht, wo er will? – Haben nicht die Geschichten von Jesus auf dem Meere mit der Jonas-Geschichte zu tun?
Was hat die Buchung mit dem Buch und mit der Logik der Schrift zu tun? Waren nicht die ersten Schriftdokumente Buchungsdokumente?
Worauf bezieht sich der Begriff des Unsichtbaren in den Glaubensbekenntnissen? Das Bekenntnis gründet im Sehen, nicht (wie das Sch’ma Jisrael) im Hören. Israel ist das Subjekt des Hörens, nur die Kirche ist ins Sehen verstrickt.
Haben nicht die Engel (die Cherubim und Seraphim, die Engel und Erzengel, die Throne, Herrschaften und Mächte) in der dogmatischen Theologie herrschaftsgeschichtliche und kosmische Bedeutung?
Zu der frühchristlichen Engellehre vergleiche die Formeln in den Praefationen:
– Per quem maiestatem tuam laudant Angeli, adorant Dominationes, tremunt Potestates. Caeli caelorumque Virtutes ac beata Seraphim socia exsultatione concelebrant.
– Et ideo cum Angelis et Archangelis, cum Thronis et Dominationibus cumque omni militia caelestis exercitus hymnum gloriae tuae canimus, sine fine dicentes: …
– Quam laudant Angeli atque Archangeli, Cherubim quoque ac Seraphim: qui non cessant clamare quotidie, una voce dicentes: …
– Sed et supernae Virtutes atque angelicae Potestates hymnum gloriae tuae concinunt, sine fine dicentes: …
Wer waren die Emmaus-Jünger? Soll nicht einer von ihnen der (Johannes) Markus gewesen sein, der gleiche, der bei der Gefangennahme Jesu, um sich selbst zu retten, (wie Joseph bei der Frau des Potiphar) seinen Mantel zurückließ, und in dessen Haus der Raum war, in dem das Abendmahl begangen wurde und nach der Himmelfahrt die Jünger versammelt waren?
Schrecken und Urteil: Die Philosophie ist den Schrecken des Schicksals entronnen, indem sie über das Schicksal sich erhob und (mit Hilfe des Urteils, des Begriffs) den Schrecken von sich auf die Dinge ableitete. Hat nicht die Philosophie die Unterwelt geschaffen, in die Jesus nach dem Kreuzestod hinabgestiegen ist? Die Theologie hat diese Geschichte im Topos des Sündenfalls zu reflektieren versucht.
Wäre es nicht die Aufgabe der Theologie, die „Rücksichtslosigkeit“ des Systems, die in Hegels Idee des Weltgerichts sich vollendet, endlich zu reflektieren? Ist nicht eine Theologie im Angesicht Gottes die einzige Möglichkeit, den Imperativ in Jak 520 zu erfüllen (und alles andere nur gut gemeint)?
Hängt das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ mit dem Rechts und Links nicht unterscheiden können zusammen? Und war das nicht das Grundproblem des Dogmatisierungsprozesses: Sie haben nicht gewußt, was sie taten? Und ist nicht das „Rechts und Links nicht unterscheiden Können“ der Boden, auf dem die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos sich abspielt?
Rechts und Links nicht unterscheiden können, heißt das nicht: Sich und den Andern nicht unterscheiden können, die Asymmetrie nicht wahrnehmen; ist es nicht das Prinzip der Universalität?
So wie die Umkehr des Volkes und dann die Umkehr des Königs, der das Volk und das Vieh zur Umkehr aufruft, zwei getrennte Aktionen sind, beziehen sich auch die Fragen Gottes am Ende, ab Jona zu recht erzürnt sei, auf zwei (durch den Rizinus-Strauch) sich unterscheidende Sachverhalte. Das „nämlich“, mit dem Jürgen Ebach die zwei Situationen jeweils zu einer zusammenziehen möchte (Kassandra und Jona, S. 109 und 113), ist das nicht Ausdruck der Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden?
Beitrag zur Geschichte der Urteilslogik: Rührt die Kinderfeindschaft heute nicht aus dem Rechtfertigungszwang, der in den Kindern die eigenen Richter erkennt? Darauf bezieht sich der Satz von der Bekehrung der Väter zu ihren Kindern. -
18.09.1996
Wer bereschit, das erste Wort der Schrift, anstatt mit „im Anfang“ mit „im Prinzip“ übersetzt (Ton Veerkamp?), bringt zwar eine notwendige Korrektur, aber verschiebt er das Problem nicht doch nur von der zeitlichen (naturalen) auf die logische (weltliche) Ebene, transportiert er es nicht aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik, mit der Gefahr der Vergöttlichung des transzendentalen Subjekts?
Erfüllt der gegenwärtige Weltzustand nicht die Voraussetzungen, auf die das Wort sich bezieht, daß der Vater am Ende, wenn der Sohn ihm alles unterworfen hat, alles in allem sein wird?
Ist das Heideggersche „Dasein“ nicht ein Produkt der subjektiven Formen der Anschauung, das alte tode ti, nach seiner philosophie- und wissenschaftsgeschichtlichen Transformation und nach Verdrängung des Bewußtseins seiner Ursprungsbedingungen (vergleichbar der Geschichte des „Seins“ nach der Hypostasierung des Begriffs und der Abspaltung vom Possessivpronomen der dritten Person singular männlich)?
Ist nicht das Begreifen ein instrumentalisiertes Besitzergreifen (nach Abstraktion vom Besitzer)?
Wäre es nicht Aufgabe der Erinnerungsarbeit, die Abstraktions-und Verdrängungsschritte, die unser Bewußtsein konstituieren, zu rekonstruieren? Und ist nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos ein Spiegel der Ursprungsgeschichte dieses Bewußtseins?
Läßt sich das Johannes-Evangelium in Beziehung setzen zur Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos (und hat der Kreuzestod etwas mit dem Opfer zu tun, das den Ägyptern ein Greuel ist)? Entspricht nicht das erste Wunder Jesu (bei der Hochzeit zu Kana) der ersten der ägyptischen Plagen?
An welchen ägyptischen Plagen hat Aaron Anteil, sind es nicht fast die gleichen, in denen auch die ägyptischen Zauberer vorkommen (1 – 4 <!> u. 6; die Zauberer dagegen 1 – 3 u. 6)?
Welche Motive bleiben unerledigt: die Prophetenschaft Aarons, das Opfer (das den Ägyptern ein Greuel ist)?
Der Versuch, die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos zu entschlüsseln, gelingt nur als Selbstversuch. Und beschreibt nicht diese Geschichte aufs genaueste die Genesis des Irrwegs des Sünders, an dessen Bekehrung die Rettung der eigenen Seele gebunden ist? Allein an diesem Modell, nicht aber an der verkürzten und egozentrischen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, läßt sich das Problem der Gnade demonstrieren: die Bekehrung des Sünders ist nicht erzwingbar, sie liegt nicht in unserer Macht, aber gleichwohl können wir nicht davon lassen. Jede Zwangsbekehrung ist eine verzweifelt-hybride Leugnung der Gnade. Selbst, was in der Moderne Mission heißt, hat etwas von dieser Zwangsbekehrung an sich, gleichgültig, ob durch den Appell an die Übermacht der „westlichen Welt“, für die das Christentum heute steht, oder durch die Mittel, die von denen der Reklame allzu oft nicht zu unterscheiden sind (jede Reklame intendiert die Heiligung des Markennamens und die Bekehrung des Konsumenten zu dem im Markennamen gegenwärtigen Warengott – hat nicht Ludwig Ehrhard gelegentlich von der „Sünde wider den Geist der Marktwirtschaft“ gesprochen?).
Bekehrung: „ginosketo hoti ho epistrepsas hamartolon ek planes hodou autou …“ (Jak 520).
Reinhart Staats weist darauf hin, daß die Opfertheologie, die Lehre vom Sühnetod Jesu, westlichen Ursprungs ist, daß erst seit Tertullian das pro nobis an das crucifixus angehängt wurde (vgl. S. 160). Liegt hier nicht der sprach- und bekenntnislogische Kern der von Tertullian geprägten lateinischen Begrifflichkeit der Theologie (bis hin zum Gebrauch des Personbegriffs in der Trinitätslehre)? Diese Begrifflichkeit aber hat dann die Sprache und die Logik der westlichen Philosophie nach dem Ende des Mittelalters geprägt.
Das Subjekt ist zum erkenntnistheoretischen Subjekt in dem Augenblick geworden, in dem es sich selbst zum Objekt geworden ist (durch präventive Mimesis ans Objekt die Konstituierung des Objektbegriffs vorbereitet hat). Das aber ist allein über die subjektiven Formen der Anschauung, die nicht nur die Objektvorstellung, sondern mit ihr auch das Selbstverständnis des Subjekts determinieren, gelaufen. Mit der Vergesellschaftung von Herrschaft, und d.h. mit der Aufrichtung der Grenzen zwischen Subjekt und Objekt (mit den subjektiven Formen der Anschauung, die diese Grenzen definieren), wurden diese Grenzen zugleich aufgehoben, ist das Subjekt zu einem Teil der Objektwelt geworden.
Jürgen Ebach, dem zur Apokalypse nur die atomare Drohung, nicht aber die faschistische einfällt, wäre darauf hinzuweisen, daß er damit bereits von einer Entlastungslogik Gebrauch macht, die in Deutschland nie, auch nicht von der 68er Bewegung (die raf eingeschlossen), durchbrochen worden ist. Deshalb hat Daniel Goldhagen die deutsche Öffentlichkeit so unvorbereitet und so empfindlich getroffen.
Der kopernikanische Blick auf die Welt entspricht dem Blick des Historikers auf die Geschichte: Der vergegenständlichende Blick ist der Seitenblick, der Blick der Selbstobjektivierung, des Aus-sich-Heraustretens und Sich-von-außen-Sehens. Das Medium dieser Bewegung ist räumlich und zeitlich zugleich: Das Verhältnis der Äußerlichkeit, das der Raum herstellt, ist tingiert durch die Logik der Projektion ins Vergangene. Wenn der Historiker die Vergangenheit vergegenwärtigt, so projiziert der Naturwissenschaftler das Gegenwärtige in die Vergangenheit. Erst diesem Blick eröffnen Raum und Zeit sich ins Unermessliche, werden sie zum Maß der Dinge, das selber jedem Maß sich entzieht.
Alle Chronologie-Konstrukte (die historischen wie die naturwissenschaftlichen) sind Rechtfertigungskonstrukte, die dazu dienen, die Gegenwart gegen die Schuldreflexion zu immunisieren (sie gegen den Anblick Gottes abzuschirmen). Das Inertialsystem ist atheistisch.
Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist ein Konstrukt, das zunächst nur auf die mathematische Form des Raumes sich bezieht; hier liegt einer der Gründe Kants, den Raum als subjektive Form der Anschauung zu bestimmen. Realität hat die Reversibilität gewonnen
– in der Mechanik, in der Bestimmung der Stoßprozesse, bei denen Richtung und Gegenrichtung (in der zur Fallrichtung senkrechten Ebene) dynamisch nicht unterscheidbar sind, sodann
– im Gravitationsgesetz, die auch den Fall, die Beziehung von Oben und Unten unter dieses Gesetz subsumierte;
– mit der Elektrodynamik wurde diese Reversibilität auf die Zeit übertragen, die Zukunft endgültig unter die Vergangenheit subsumiert.
Erst zu den Maxwellschen Gleichungen gehört das Inertialsystem.
Die Vergegenständlichung der Vergangenheit läßt die Zukunft nicht unberührt: Durch Antizipation ihrer Vergangenheit macht sie die Zukunft für Herrschaft verfügbar. Der Satz aus der Dialektik der Aufklärung, daß die Distanz zum Objekt vermittelt sei durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, hat sowohl gesellschafts- als auch wissenschaftskritische (und in dem Sinne „naturwissenschaftliche“) Bedeutung.
Merkwürdig, daß wir für die Physik (im Kontext der Naturbeherrschung) den griechischen Naturbegriff verwenden, im Kontext der Ästhetik und der Theologie hingegen den lateinischen. Hätte ein Buch wie das des Johannes Scottus Eriugena (de divisione naturae) auch über die physis geschrieben werden können? Gehört nicht der Standardtitel der Vorsokratiker (peri physeos) in einen andern sprachlogischen Zusammenhang? Sind nicht der „natürliche Ort“ und „das Leichte“ des Aristoteles nur im Kontext der physis denkbar (während im Naturbegriff das ortlose Inertialsystem und die universale Schwere bereits mitgesetzt sind und in der lateinischen Theologie ihre sprachlogischen Entsprechungen haben)? Für die Griechen ist die Welt ein geschmückter Leib (kosmos), für die Römer ein gereinigtes All (mundus).
War die Arena das Konzil der Märtyrer, die real den wilden Tieren ausgesetzt wurden, in denen sie das Römische Imperium erkannten? Und waren die Konzilien domestizierte Arenen (in denen der physische Kampf durch den geistigen ersetzt wurde und die Märtyrer, nach Identifikation mit dem Aggressor und Partizipation an der Macht, zu Bekennern geworden sind)?
Wenn die „Einheit des Reiches“ zu den Charakteristika des Reiches des Beelzebub gehört (während das Reich des Vaters viele Wohnungen hat), hat dann die Kirche nicht in der Tat in den Konzilien (in der Geschichte des Glaubensbekenntnisses, in der sie immer wieder die Autorität der Kaiser in Anspruch genommen hat) versucht, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben?
Bezeichnet nicht das ex nihilo in der Schöpfungslehre den Akt der Verdrängung, und wäre nicht gerade dieses nihil endlich zu reflektieren? Was übrigens Kant als erster getan hat, als er eine begriffliche Differenzierung des nihil (in der Kritik der reinen Vernunft) vorlegte. Diese Differenzierung ist dann bei Hegel in der Einheit von Sein und Nichts untergegangen, die dem Begriff des Negativen diese unendlich schwere Bedeutung verliehen hat (es zur treibenden Kraft seiner Dialektik, der Logik, gemacht hat). Erst Franz Rosenzweig, der das Nichts als ein Nichts des Wissens (als seine innere Grenze, und damit als ein dreifaches Etwas) zu bestimmen versucht hat, hat das Problem einer Lösung nähergebracht. Erst Franz Rosenzweig hat die Grenze der Erkenntnis ins Wissen verlegt, das Nichtwissen als ein konstitutives Element des Wissens, das durch Erkenntnis aufzuheben wäre, begriffen.
Als die Deutschen nach dem Krieg unisono verkündeten, sie hätten „von nichts gewußt“, haben sie das Wissen selbst zu einem Instrument der unglaublichsten Verdrängung gemacht. Der Satz wird wahr, wenn man dieses Nichts substantivisch nimmt: davon nämlich haben sie (sehr wohl) gewußt.
Gibt es nicht drei Demonstrativpronomina zum Nichts: dieses, jenes und das andere Nichts, und haben diese drei etwas mit Rosenzweigs Gott Mensch Welt zu tun?
Ein „pflichtbewußter Hund“, der einen Ast im Maule schleppt (und so davon abgehalten wird, Spaziergänger anzufallen): Sind es nicht generell die Pflichtbewußten, die – unter dem Zwang ihrer Pflicht – nicht mehr wissen, was sie tun?
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