Bekenntnislogik

  • 14.09.1996

    Die subjektiven Formen der Anschauung, das Geld und die Bekenntnislogik begründen drei getrennte Reiche der Erscheinungen.
    Rosemary Radford Ruether und Erich Fromm kommen in der Untersuchung von Reinhart Staats über das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel nicht vor.
    Doppelte Konsequenzen:
    – Unmöglichkeit der Harmonisierung der Theologie mit Auschwitz und mit den Naturwissenschaften;
    – Franz Rosenzweig: Konversion zum Judentum nach Auschwitz nicht möglich; seine Theologie vermag die Idee der Auferstehung zu begründen, nicht aber die Unsterblichkeit der Seele;
    – Karl Thieme: Hitler war nicht der Antichrist, nur die Generalprobe; Rosenzweig wichtiger als Buber.
    Läßt sich die These, daß Auschwitz, je mehr es in die Vergangenheit zurücksinkt, umso mehr uns auf den Leib rückt, nicht aus der logischen Beziehung von Bekehrung und Umkehr (Maria Magdalena und die sieben unreinen Geister) begründen?
    Zu den Bedingungen des Holocaust gehört ganz wesentlich die Rolle des Staates. Nur die im Staat installierten Exkulpationskräfte haben den Tätern das gute, zugleich mit Rachsucht und Infamie aufgeladene Gewissen gegeben (die Befreiung von Schuldgefühlen durch die Erniedrigung, das Quälen und das Töten der Juden), ohne das Auschwitz nicht möglich gewesen wäre. Spielt hier nicht in der Tat eine sehr protestantische Tradition mit herein, die über die Rechtfertigungslehre den Staat zur Quelle des Gewissens gemacht (und dem Gewissen die Möglichkeit der Orientierung an der Idee der Barmherzigkeit genommen) hat?
    Die Trinitätslehre, deren dogmatische Entfaltung zusammenfällt mit der konstantinischen Wende, hat die Logik dieses Exkulpationsmechanismus begründet. Durch die lutherische Neudefinition des Glaubens ist sie (und mit ihr die damit verbundene Staatsmetaphysik) ins einzelne Subjekt übertragen worden. Die „Rechtfertigung durch den Glauben“ gründet in dieser Konstellation.
    Die konstantinische Wende hat die Tradition der Barmherzigkeit aus der theologischen Spekulation verdrängt; die Rechtfertigungslehre hat die Tradition der Barmherzigkeit (den theologischen Grund der Herrschaftskritik) aus dem Handeln verdrängt und durch die Gnadenlehre ersetzt.
    Das Symbolum bezieht sich weniger auf das Zeichen, an dem die Christen sich erkennen, als vielmehr auf einen Sachverhalt, der in dem Satz Jesu sich ausdrückt: Wer mich vor den Menschen bekennt, den werde ich vor dem Vater bekennen. Und ist das nicht in der Tat der logische Kern des Symbolbegriffs? Dieses Bekennen ist eigentlich ein Bezeugen, und hierauf bezieht sich der Satz: Das Zeugnis Jesu ist der Geist der Weissagung. Und hierzu gehört auch der andere Satz, daß keiner zum Vater kommt außer durch den Sohn.
    Die blasphemische Wendung der Orthodoxie beginnt mit jenem Akt, mit dem Theodosius die Glaubensformel zur Grundlage des römischen Bürgerrechts gemacht hat.
    Verschweigt Reinhart Staats nicht den Grund des Konflikts zwischen Ambrosius und Theodosius, in dem Ambrosius gegen den Kaiser die Rechtmäßigkeit eines Pogroms, einer antisemitischen Aktion der Gläubigen, behauptet und durchsetzt? Das endet in Carl Schmitts Rechtfertigung der Nacht der langen Messer durch Berufung auf die Souveränität des Führers. Carl Schmitt war der Autor einer politischen Theologie, die das Freund-Feind-Verhältnis als Grundlage sich erwählte.
    War es nicht Reinhart Staats (Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel), der an einer Stelle anstatt vom Geist vom Gerhirn sprach?
    Der logische Grund des Staates ist in der Tat das Feinddenken, für das der Staat die Verantwortung übernimmt. Nur der Staat hat das Recht zu töten, das er an seine Bürger delegieren kann, ohne daß diese „schuldig“ werden. So richtet sich auch die strafrechtliche Verfolgung des Mörders nicht gegen die Tat, sondern allein gegen den Täter, in dem der Staat seinen Widersacher erkennt: einen, der für sich ein Recht in Anspruch nimmt, das nur dem Staat zukommt. Deshalb sind Soldaten keine Mörder. Und der Mörder im Sinne des Strafrechts zieht die Rachsucht aller auf sich, weil er die Exkulpationsgewalt des Staates, die den, der in seinem Auftrag tötet, rechtfertigt, und damit ein zentrales Element der Ich-Bildung in Frage stellt.
    Daß die Philosophie den Tod verdrängt, hängt mit ihrer logischen Beziehung zum Staat, zur Herrschaftslogik, zusammen. Diese Beziehung des Staats zum Tod drückt in dem jesuanischen Gebrauch des Kelch-Symbols (in dem „Karriere“-Dialog mit den Zebedäus-Söhnen und in Getsemane) sich aus, der genau dadurch von dem vorhergehenden prophetischen Gebrauch sich unterscheidet. So wird
    – die Bekenntnislogik (das Produkt der Rezeption der Philosophie und des Weltbegriffs in der Theologie) zur Bekenntnislogik durch die Opfertheologie (durch die Lehre vom Opfertod Jesu),
    – das Inertialsystem zum Inertialsystem durch die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (durch die Säkularisation der eucharistischen Vergegenwärtigung des Kreuzestodes, durch die Konstituierung des Totenreichs): es bezieht sich essentiell auf tote (anorganische) Materie,
    – das Geld zum Geld durch seine Beziehung zum Opfer.
    Hängt mit dieser Geschichte und mit dieser Logik nicht das merkwürdige Verhältnis der Evangelien zu den Vätern („laßt die Toten ihre Toten begraben“) zusammen?

  • 11.09.1996

    Bekenntnisgemeinschaften sind Gemeinschaften der Verurteilung: Damit ist die Bekenntnislogik (das Programm der Eliminierung: das gemeinsame Feindbild, die Ausgrenzung der Häretiker und die Bekenntnisunfähigkeit der Frauen, die zu Objekten der Sexualmoral werden) mit gesetzt. Abgeleitete Formen der Bekenntnisgemeinschaft sind der Nationalismus, die Weltanschauungsgemeinschaften; seit ihrer Installierung im Erkenntnisapparat in der Gestalt der subjektiven Formen der Anschauung gibt es zur Bekenntnislogik keine Alternative mehr.
    Die Bekenntnislogik konstituiert sich im Schuldzusammenhang, zu ihren Konstituentien gehört der Rechtfertigungszwang; das Symbol der Bekenntnislogik ist der verdorrte Feigenbaum.
    Der Raum kennt keinen Ort, die Zeit kennt keinen Anfang und kein Ende. – In welcher Beziehung steht die Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung zur Sprachentwicklung und zum Ursprung und zur Entfaltung der Gemeinheit?
    Jeder Punkt im Raum ist Zentrum des ganzen Raumes; jeder Zeitpunkt trennt die Vergangenheit von der Zukunft. Es gibt keine Zeit, die sich nicht (im Hinblick auf eine nachfolgende Zeit) als vergangen, und keine, die sich nicht (im Hinblick auf eine vorausgegangene Zeit) als zukünftig bestimmen ließe. Aber unterscheidet sich nicht doch die vergangene Zukunft (die wirklich vergangen ist) von der zukünftigen Vergangenheit (die nur für unser Vorstellungsvermögen, unser Denken, vergangen ist)?
    Zur Geschichte des Urteils: Das subjectum ist das Unterworfene, das Objekt ist der Feind. Als das subjectum zum Objekt (und damit das nomen zum Substantiv und das Prädikat zum Begriff) geworden ist, ist das Subjekt von der Objekt- auf die Subjektseite verschoben worden. Das Vehikel dieser Verschiebung waren die subjektiven Formen der Anschauung.
    Sünde und Schuld sind vererbungsfähig, darin gründet ihre Beziehung zum Rassismus. Die Versöhnung ist nicht vererbungsfähig. Der Schuldzusammenhang ist ein Erbschaftszusammenhang; deshalb ist die Schicksalsidee der logische Kern des Mythos. Durchs Dogma ist auch die Versöhnung in die Erbschaftslogik hereingezogen worden.
    Gilt nicht die Geschichte vom Sündenfall auch für die Eucharistie? Wer die Frucht pflückt und genießt, braucht den Schurz aus Feigenblättern (das Glaubensbekenntnis), um seine Scham zu bedecken.
    Das Wort Schlangenbrut, das Jesus auf die Pharisäer anwendet, erinnert an die Schlange beim Sündenfall; es hängt mit dem andern Wort zusammen, in dem er den Teufel als ihren Vater (und als Vater der Lüge) bezeichnet. Die Schlangenbrut, das ist die Neutrumsbrut: Auf dem Bauche sollst du kriechen, Staub wirst du fressen.

  • 09.09.1996

    „Rede von Gott“: Der Begriff der Rede gehorcht der Logik des Monologs, der Selbstgettoisierung des Geistes, des kollektiven Autismus. Zur Rede gehört eine Sprache, die den Dialog ausschließt, die nur von den „Anhängern“ noch verstanden wird und alle andern ausgrenzt; geredet wird nicht mit anderen, sondern über andere. Es gibt keine Rede ohne Feindbild, das als gemeinschaftsbildendes Element den Raum erzeugt (und qualifiziert), in dem die Rede sich entfaltet (das technische Medium, in dem die Rede sich vollendete, war das Radio). Das der Rede zugrundeliegende Denk- und Erkenntnismodell ist ebenso paranoid wie eliminatorisch; die Rede lebt von den Ängsten der Hörer, die sie selbst in ihnen erzeugt, indem sie sie zur Stummheit verurteilt. Ihre Logik ist die Bekenntnislogik, die im Antisemitismus sich erfüllt. Die Rede ist der sprachliche Reflex des Inertialsystems (die Innenseite der Verdinglichung, zu deren komfortabler Ausstattung die Rede beitragen möchte). Zur inneren Logik der Rede gehört es, daß es Namen nur außerhalb dieses Raumes gibt: deshalb kennt sie Namen nur als Feindnamen; sie vergeht sich am Gebot der Heiligung des Gottesnamens. Theologie wird durch die Logik der Rede zur Theologie hinter dem Rücken Gottes; nur eine Theologie im Angesicht Gottes vermag den Bann dieser Logik zu lösen (Vorsicht: Sprengen kann diesen Bann nur Gott. Unsere Aufgabe wäre es, ihn zu lösen. – „Was ihr auf Erden lösen werdet, …“). Theologie als Rede von Gott ist im wörtlichen Sinne verantwortungslos. Ist nicht das -burg in der Bezeichnung teutoburgensis ein Indiz dafür, daß die Germania des Tacitus eine mittelalterliche Fälschung ist (Kluge verweist zur Begründung der ahd. Herkunft des Wortes „burg“ auf Tacitus)? Die aufgeregte Diskussion um das Buch von Daniel Jonah Goldhagen beweist nicht nur, daß Goldhagen recht hat; sie beweist zugleich, daß die empfindlichste Stelle der Deutschen ihr Deutschtum, ihr Nationalbewußtsein, ist. Diese Empfindlichkeit aber verweist auf den Grund des eliminatorischen Triebs der deutschen Ideologie, die den Faschismus überlebt hat.

  • 06.09.1996

    Zur Kritik der Ästhetik: Der Begriff der Wahrheit wird unbestimmbar, wenn er nicht die Schuldreflexion in sich mit aufnimmt, die die subjektiven Formen der Anschauung gerade ausblenden. Das Bilderverbot trifft auf deren subjektives Korrelat: das Anschauen. Im Kontext der Schuldreflexion wird die Vorstellung einer „überzeitlichen Wahrheit“ gegenstandslos (während im Kontext einer „überzeitlichen Wahrheit“ Schuld zu einer dinglichen Eigenschaft wird und das moralische Urteil zum logischen Grund des Rassismus); Schuldreflexion unterläuft das Schuldurteil; sie macht die Wahrheit konkret: prophetisch, messianisch und am Ende parakletisch, sie bindet die Wahrheit an ihren Zeitkern: die Gegenwart.
    Die prophetische, messianische und parakletische Stufenfolge der Wahrheit ist der Realgrund des trinitarischen Symbols.
    Wenn der Heilige Geist die Barmherzigkeit verkörpert (die rechte Seite), ist dann nicht die Trinitätslehre insgesamt die Verkörperung dessen, was mit der Bildung der Raumvorstellung, mit der Ausbildung der subjektiven Formen der Anschauung (mit denen der ästhetische Grund des Mythos erkenntnisbestimmend wird), verdrängt wird?
    „Getünchte Gräber“: Ist das nicht die genaueste Beschreibung des gegenwärtigen Weltzustandes („leer, gereinigt und geschmückt“)?
    Glaube, Hoffnung und Liebe: Die Geschichte der Privatisierung der drei theologischen Tugenden ist die Geschichte eines Verrottungsprozesses. So wurde
    – der Glaube zum privaten Glauben an Gott durch seine Trennung vom prophetischen (und d.h. öffentlichen und politischen) Vertrauen in die göttlichen Verheißungen,
    – die Hoffnung zur privaten Hoffnung aufs eigene Seelenheil durch Trennung von der messianischen Idee einer Realisierung, die auch die Welt mit ergreift, sie verändert und umwandelt,
    – die Liebe zum folgenlosen Gefühl durch Trennung von ihrem Barmherzigkeitsgrund: durch Trennung von der parakletischen Herrschaftskritik.
    War nicht die Gnosis die Geburtsstunde des Christentums, und die Dogmenbildung die Entfaltung der Gnosis bei gleichzeitiger Verdrängung des Bewußtseins, Gnosis zu sein?
    Gründete das eliminatorische Element im Antisemitismus nicht in dem Prinzip der Selbstabsolution der Verurteilung des Andern? So war dessen (moralische und physische) Vernichtung die eigene Befreiung.
    Diese Selbstabsolution durch Verurteilung wird instrumentalisiert und generalisiert durch die „subjektiven Formen der Anschauung“ (in denen auch die Bekenntnislogik gründet: deshalb war der „Weltanschauungskrieg“ der Nazis gegen die Sowjetunion, der von den Kirchen unterstützt wurde, ein Vernichtungskrieg). Die Gemeinschaft der Anschauenden ist die Gemeinschaft der Verurteilenden. Sie wird legitimiert durch den Weltbegriff. Dieser Konstellation liegt die Levinassche Asymmetrie und ihre Logik zugrunde (der Satz von Rind und Esel: das Verbot, Joch und Last in eins zu setzen). Die Selbstabsolution durch Verurteilung ist die genaue Umkehrung der Levinasschen Asymmetrie: Sie macht die Last, von der nur sich befreit, wer sie auf sich nimmt, zum Joch für andere.
    Ist nicht die Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, die Unfähigkeit, die Asymmetrie zwischen mir und dem Andern zu begreifen?
    Die Unterscheidung von Rechts und Links wurde in der biblischen Tradition als Unterscheidung von Gericht und Barmherzigkeit begriffen. Die Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, gründet in der Unfähigkeit, die Unterscheidung von Im Angesicht und Hinter dem Rücken auch auf andere zu übertragen. Und ist Gott am Ende nicht reines Angesicht, ohne ein Hinter dem Rücken (der Himmel hat keine Grenze, die der Raum „nach oben“ überschreiten könnte)?
    Gotteserkenntnis ist eins mit der Heiligung Seines Namens.

  • 31.08.1996

    Sprachlogik: Die griechische Sprache hat links und rechts vertauscht (und die Barmherzigkeit verdrängt), die lateinische oben und unten (den Namen gegenstanslos gemacht), die deutsche vorn und hinten (das Angesicht durchs Inertialsystem ersetzt). Die griechische Sprache begründet den Dogmatisierungsprozeß (die Politisierung der Religion), die lateinische die Instrumentalisierung des Dogmas (die Privatisierung der Religion), die deutsche die Bekenntnislogik als Rechtfertigungslogik (der verdorrte Feigenbaum).
    Die Orthogonalität (das Korrelat der Projektion in der Mathematik, das im Inertialsystem als Schuldverschubsystem sich konstituiert) neutralisiert die Qualitäten der Richtungen im Raum; sie begründet eine Logik, die die Zivilisation mit der gleichen Barbarei (und ihren modernen Ableitungen und Denominationen) verbindet, die sie mit dem Instrumentarium des Schuldverschubsystems (der Verurteilung, der Verdinglichung, der Feindbildlogik und des Rassismus) zugleich nach draußen projiziert.
    Die Orthogonalität (die Norm) begründet das Maß als Maß für andere: sie macht die Last zum Joch.
    Die griechische Sprache ist die Sprache des Nomens und der (Winkel-)Geometrie (wobei die orthos-begründende, den Namen in den Begriff transformierende Abstraktion projektiv abgeleitet wurde im Namen der Barbaren); die lateinische Sprache ist die des Rechts (und der Kreuzigung Jesu); die deutsche Sprache (die durchs Christentum nur „bekehrt“ wurde und auf ihre Umkehr noch wartet) ist die Substantivs: des Rechtfertigungszwangs, der Bekenntnislogik und des Inertialsystems (mit der dreifachen Abfuhr in den Namen der Fremden, der Wilden und der Juden). Die christliche Unterscheidung der Heiden von den Völkern ist biblisch nicht zu begründen.
    Der eliminatorische Antisemitismus ist ein Produkt der Bekenntnislogik.
    Wenn Buber die Namen der Armen, der Fremden und der Barmherzigkeit beschweigt und zugleich Mizrajim mit Ägypten übersetzt, waren das nicht Kompromißbildungen, die an eine herrschaftstheologische Tradition im Christentum erinnern, die die Theologie von ihrer prophetischen Wurzeln getrennt hat? In den gleichen Zusammenhang gehört die Bubersche Zuordnung der Bücher Josue und Richter, sowie Samuel und Könige zu den historischen anstatt zu den prophetischen Büchern.
    Ein beschnittenes Christentum (das sich dann gern auf Buber beruft) ist noch nicht jüdisch (allerdings auch nicht mehr christlich).
    Es geht nicht um die „Konservierung des Entsetzens“, sondern darum, den Schrecken an sich heranzulassen, es geht um die Fähigkeit, den Schrecken zu reflektieren anstatt sich dem Kollektiv derer anzuschließen, die, indem sie das Entsetzliche bloß verurteilen, den Schrecken verdrängen und damit den Boden für seine Wiederkehr bereiten.
    Ist das nicht auch ein Teil der Eucharistie-Tradition, daß in dem Brot sein Schmerz und in dem Wein sein Tod erinnert werden?
    Joseph und Moses (und vor ihnen auch Sara) waren am Hofe (im Hause) Pharaos, Daniel und seine Genossen am Hofe des babylonischen Herrschers, Esther am Hofe des Ahaschweros. Der Pharao bedrohte das Volk Israel, der Herrscher Babylons Daniel und seine Genossen, und Haman (am Hofe des Ahaschweros) das jüdische Volk.
    Ist nicht Hegels Weltgeist der ins Fleisch übersetzte Geist?
    Die RAF war ein schrecklicher Irrtum; aber war dieser Irrtum in einem Land, das seine eigene schreckliche Vergangenheit nie wirklich aufgearbeitet hat, nicht hoch determiniert?
    Hätte ein „Heide“ den Stern der Erlösung geschrieben, er wäre, weil er die Umkehr nicht kennt, in der Vorwelt stecken geblieben. Und hätte er nicht Heidegger geheißen? Wenn ein Christ den Stern der Erlösung schreiben würde, so würde es ein apokalyptisches Buch. Den Stern ins Christliche übersetzen: Das wäre der Hahnenschrei.
    Levinas‘ Satz, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, trennt die Theologie vom Fundamentalismus, ohne sie zu verraten.
    Vor der ersten Brotvermehrung hatte Jesus Mitleid mit dem Volk, bei der zweiten erbarmte er sich des Volkes (Mt 1414 und 1532). Beim Tod des Lazarus war er erschüttert (Joh 133ff).
    Im Körper der Sprache ist die Barmherzigkeit die Gebärmutter, sind die Juden der Augapfel.
    Das Lamm löst die Erstgeburt des Esels aus, die Taube die der Armen. Das Lamm ist das Symbol des Gottesknechts, die Taube das des Heiligen Geistes.
    Die Betriebswirtschaftslehre frißt die Nationalökonomie (und den Staat, ohne dessen Ordnung es keine rentabilitätsorientierte Ökonomie gäbe). Das hat die Bahn freigemacht für den Globalisierungsprozeß, der eigentlich ein Prozeß der Verwüstung ist. Ist der real existierende Sozialismus nicht an der Übermacht der betriebswirtschaftlichen Gesetze (der Rentabilitätsgesetze) gescheitert? Der Neoliberalismus ist der genaueste Ausdruck für die wachsende Ohnmacht der Nationalökonomie und für die fortschreitende Verrottung des Staates.

  • 19.08.1996

    19.08.1996
    kabod: die „Herrlichkeit“ (Gottes), die Buber gelegentlich mit „Wucht“ übersetzt, hängt der Wortbedeutung nach mit der Schwere (dem Belastenden, der Last?) zusammen. Steckt darin nicht ein Hinweis auf den Satz vom Rind und Esel, die nicht zusammen vor einen Pflug gespannt werden sollen: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr? Du sollst die Herrlichkeit Gottes nicht zum Joch (zur Last für andere) machen, die Attribute Gottes (die Elemente seiner Herrlichkeit) stehen im Imperativ, nicht im Indikativ. – Wer ist der Dominus Deus Sabaoth?
    Wenn der Stier, das Rind, (und mit ihm das Tieropfer überhaupt) in der christlichen Symbolik entfällt, hängt das nicht damit zusammen, daß, wäre das Christentum realisiert, es kein Joch (keine Aufbürdung der Last auf andere) mehr geben dürfte? Aber sind nicht das Inertialsystem, die Geldwirtschaft und die Bekenntnislogik (die Verkörperungen der transzendentalen Ästhetik, die den kantischen Totalitätsbegriffen zugrunde liegen) Reflexionsformen des Selbsterhaltungsprinzips und Formen der Entlastung durch Schuldverschiebung? Hat der Naturbegriff das Symbol des Rindes absorbiert, aus dem Blickfeld gerückt?
    Hängen die Hörner der apokalyptischen Tiere (die Attribute, durch die der Drache und das Tier aus dem Meere sich unterscheiden) mit dem Joch zusammen?
    – Der Drache hat sieben Köpfe und zehn Kronen, und auf seinen Köpfen sieben Kronen (Off 123),
    – das Tier aus dem Meere hatte zehn Hörner und sieben Köpfe und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Köpfen gotteslästerliche Namen (ebd. 131), während
    – das Tier vom Lande (der falsche Prophet) zwei Hörner hat wie das Lamm und redet wie ein Drache (1311).
    Machen wir heute nicht zu leichtfertig unseren Geschmack (anstelle des Worts) zu einem Kriterium unseres Religionsverständnisses, in dem „Gott“ dann nur noch als ein dekoratives Element vorkommt? Hier bleibt eigentlich nur noch übrig, allen Theologen die Lektüre der Kritik der Urteilskraft (insbesondere die logische Ableitung des Geschmacks) ans Herz zu legen.

  • 18.08.1996

    Natur ist ein Exkulpationsbegriff, der von der „Last“ des richtigen Lebens (der Barmherzigkeit) befreit. Mit dem Begriff der Natur (und hinter seinem Rücken: dem Bewußtsein nur durch Reflexion zugänglich) konstituieren und entfalten sich die im Weltbegriff zusammengefaßten Herrschaftsstrukturen. Deshalb ist die Geschichte der Naturerkenntnis ein Teil der Herrschaftsgeschichte, deren Erkenntnis sie zugleich ausblendet.
    Jede historische Gestalt der Naturerkenntnis war ein Mittel der Rechtfertigung des jeweils Bestehenden; mit dessen Änderung veraltet auch die ihm jeweils korrespondierende Gestalt der Naturerkenntnis. Der große Fisch und das Vieh im Buch Jona: sind das Leviatan und Behemot? Mit dem Begriff der Buße wurde das herrschaftskritische Element im Begriff der Umkehr ins Autoritäre zurückgebogen. Symbol und Typos konstituieren sich als Erkenntnisbegriffe nur durch die Kritik von Natur und Welt (durch die Kritik der historisierenden Vergegenständlichung) hindurch. Exemplarisch für diese kritische Beziehung zur Objektivität ist die symbolische Beziehung der Schlange zum Neutrum und die logische Beziehung des Namens der Hebräer zu dem der Barbaren. Verhält sich der Stier zum Naturbegriff wie die Schlange zum Neutrum?
    Indogermanisches: Die christianisierten Neutrum-Sprachen sind Sprachen im Bauch des Fisches (Jonas bekennt sich, bevor er ins Meer geworfen und vom Fisch verschlungen wird, als Hebräer). Haben die Christen den Namen der Hebräer nicht seit je als eine spezielle Anwendung (und antijüdische Radikalisierung) des Namens der Barbaren mißbraucht? Der Symbolbegriff bezieht sich auf die Natur, der des Typos auf Welt und Geschichte, und zwar beide als Mittel der kritischen Reflexion. Der Bekennende gibt sich zu erkennen, dieses Bekenntnis (dessen Paradigma das Schuldbekenntnis ist: Ausdruck der Wehrlosigkeit) wird durch die Bekenntnislogik ins Gegenteil verkehrt: die Bekenntnislogik macht das Bekenntnis zur Maske, den Bekennenden zur Person: sie macht die Welt zum Subjekt des Bekenntnisses (und wird so zu einem Instrument der Welt- und Objekt-Erkenntnis). Jesus hat die Bekenntnislogik in der Gestalt des Pharisäers zum Objekt der Kritik gemacht. Durch Historisierung der Pharisäer (wie auch der Propheten) hat das Christentum diese Kritik externalisiert und zu einem Instrument des Antijudaismus gemacht. Für die Christen waren die biblischen Pharisäer gleichsam Pharisäer von Natur, ihr Pharisäertum eine Natureigenschaft (hier liegt eine der Wurzeln des Rassismus), die Christen sind durch diese projektive Verschiebung nicht mehr nur zu Pharisäern, sondern zu Rassisten geworden. Die Logik des Satzes „Rich-tet nicht …“ läßt an dieser Konstellation sich demonstrieren; die Bekenntnislogik ist die Logik der Verurteilung. Sind die Wolken der Zeugen die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn kommen wird? Das Herrengebet hat die Christen ins Leere, in die Wüste geschickt: Wie können sie den Namen heiligen, wenn sie ihn nicht kennen? So wurde aus der Heiligung des Gottesnamens das Verbot des Fluchens (das wahr wird, wenn man es moralisch, als Norm des Handelns, und nicht verbal versteht: als Herrschaftskritik und nicht als Verbot der Majestätsbeleidigung, der „Verunglimpfung“ von Herrschaftssymbolen). Jedes Verurteilen ist ein Fluchen; und dieses Fluchen konstituiert die Wege des Irrtums (den bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist). Hat die Erfindung der Schrift etwas mit dem Versuch der Rekonstruktion der Planetenbewegungen zu tun? Und verweist nicht das Planetensystem (wie auch der hebräische Name des Himmels) auf die Beziehung von Schrift und Wort? Am Ende wird sich der Himmel wie eine Buchrolle aufrollen. Die folgenreichste Wirkung der kopernikanischen Wende war, daß sie die Schrift dieses Buches gelöscht hat. Kohelet: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Deshalb ist des Bücherschreibens kein Ende. Ist nicht Kants Wort über den Sternenhimmel über mir und das moralische Gesetz in mir der Beweis, daß er mehr wußte als er sagen konnte? Kant = Jona: Die Kritik der reinen Vernunft ist der Bauch des Fisches, die Kritik der praktischen Vernunft das Gebet im Bauch des Fisches, und mit der Kritik der Urteilskraft hat der Fisch Jona an Land gespien (dort aber reichte sein Sprachvermögen nur bis zu dem Satz: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört). Hitler war nicht der Antichrist, wohl aber die Generalprobe. Dazu eine Warnung: Der Messias wird in der gleichen Gestalt wiederkommen, nicht aber der Antichrist. Verhalten sich die hebräischen und die griechischen (indoeuropäischen) Deklinations- und Konjugationsformen zueinander wie die Wasser über und die Wasser unterhalb der Feste des Himmels (wie Name und Begriff, Wort und Schrift)? Ist nicht der Himmel das erste Geschöpf, dazu das einzige, das dann als Name Verwendung findet? Der Pharao, der Joseph nicht mehr kannte: Heißt das, daß, wer Joseph nicht mehr kennt, wie Pharao wird? Wenn der Herr sich als Urheber der Verstockung bekennt, ist das nicht der Herr, den Pharao nicht kennt (und ist das die Ursache der Verstockung)? Auch wenn Gott das Herz des Pharao verhärtet, verstockt Pharao sich selbst. Und ist nicht das Gottsuchen der einzige Weg, der aus der Verstockung herausführt? Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: In der objektivierenden Anschauung des Andern erkenne ich meine eigene Nacktheit. Nur Gott sieht ins Herz der Menschen.
    Der „eliminatorische Antisemitismus“ war die Einübung ins Herrendenken, das nach dem Krieg (auf der Grundlage der kollektiven Verdrängung und im Prozeß der Metamorphosen des Feindbilds) als ausgesprochen karrierefördend sich erwiesen hat. Auschwitz steckt in den Fundamenten der Nachkriegsgesellschaft (nicht nur in Deutschland), diese Vergangenheit ist nicht nur vergangen.
    Adornos Bemerkung, daß heute jeder Katholik schon so schlau sei wie früher nur ein Kardinal, gehört in den gleichen Zusammenhang. Dem Antisemiten (ähnlich wie dem Folterer) beweist jede Lebensäußerung des Opfers (jeder Ausdruck der Qual, die der Folterer ihm zufügt) das Recht und die Notwendigkeit, es zu quälen. Das verleiht dem Antisemitismus (aber auch seinen Nachfolgekonstrukten) eine Beharrungskraft, eine inertiale Gewalt, die inzwischen die gesellschaftliche Bewegung insgesamt durchdringt, sie dem mechanischen Prozeß, mit dessen Logik sie seit ihrem Ursprung aufs engste verbunden ist, endgültig angleicht. Der apagogische Beweis (dessen Analyse noch aussteht) ist der Beweis durch Verdrängung. Und die Vorstellung des unendlichen Raumes, die keine ist (der unendliche Raum läßt sich nicht „vorstellen“), gewinnt ihre Überzeugungskraft und ihre logische Gewalt allein aus den Verdrängungsprozessen, die die Anpassung an die Welt (das Selbsterhaltungsprinzip) heute erzwingt. Hegels Kritik des apagogischen Beweises (Logik I, Ausgabe Meiner 1951, S. 231ff, insbesondere S. 236), die ihn nicht auflöst, sondern instrumentalisiert, ergreift (obwohl sein Text das Gegenteil suggerieren will) die Partei der Welt gegen das Subjekt. Verweisen nicht die Aporien des kopernikanischen Systems, in dem bei gleichmäßiger Verteilung der Materie im Universum nicht sich erklären läßt, – weshalb es nachts dunkel ist und – weshalb die Gravitationskräfte, die sich eigentlich akkumulieren müßten, nicht unendlich und chaotisch sind, auf einen inneren Zusammenhang von Gravitation und Licht, und ist es nicht in der Tat merkwürdig, daß Newton, der das allgemeine Gravitationsgesetz entdeckt hat, auch die Grundlagen für die physikalische Optik gelegt hat, und daß Einsteins Relativitätstheorien durch ihre Beziehung zum Licht und zur Gravitation sich unterscheiden? Ist das Inertialsystem die Feste des Himmels, die im Namen des Himmels die Einheit von Wasser und Feuer repräsentiert, und hat nicht Einsteins spezielle Relativitätstheorie den Zusammenhang beider erstmals notiert: das Wasser im Relativitätsprinzip und das Feuer im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (das konkret nur auf thermische <oder allgemein: mikrophysikalische>, nicht auf makrophysikalische Objekte und Prozesse sich bezieht; die Beziehung der speziellen Relativitätstheorie (des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) zur Planckschen Strahlungsformel ist nicht nur eine zufällige, historische, sondern beide beziehen sich, in unterschiedlicher Perspektive, auf den gleichen logischen und empirischen Sachverhalt: auf die Wechselwirkung kinetischer und elektrodynamischer Prozesse)? Sintflut: War der Thalessche Satz „Alles ist Wasser“, der die Geschichte der Philosophie eröffnete, die erste Formulierung des Relativitätsprinzips?

  • 17.08.1996

    Autoritätshörigkeit hat ihre Wurzeln im Rechtfertigungszwang: Führer ist, wer die Verantwortung für das, was einer tut, auf sich nimmt, den Handelnden vom Druck der Verantwortung entlastet, wer ihm die Schuld abnimmt. Daß das im Ernst nicht gelingt, läßt am „eliminatorischen Antisemitismus“ sich demonstrieren. (Übernimmt heute, nach der kollektiven Verdrängung des Schreckens und auf der Grundlage dieser Verdrängung <der Verdrängung durch kollektive Verurteilung>, nicht das Recht genau diese Funktion, insbesondere in den Bereichen, in denen es dazu dient, Gemeinheit zu decken: bei der Polizei, in Staatsschutzprozessen und in Knästen?) Instrumentalisiertes Feindbild oder der logische Kern der Verhärtung des Herzens: Ist nicht das durch die transzendentale Ästhetik, durch die subjektiven Formen der Anschauung, vermittelte apriorische Objekt, die Grundlage der transzendentalen Logik, das Produkt einer apriorischen Verurteilung und Verdrängung, ist nicht die transzendentale Logik, die Konstruktion synthetischer Urteile apriori, das (aus der Bekenntnislogik hervorgegangene) Modell des Vorurteils? Wenn Aufmerksamkeit das natürliche Gebet der Seele ist, dann ist der eliminatorische Antisemitismus die reinste Form des Atheismus. Was hat die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos mit den Versuchungen Jesu in der Wüste zu tun? War Hiob der erste, der die Plagen als Versuchungen erfahren hat? Was haben die zehn ägyptischen Plagen, und was hat die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos mit der Ursprungsgeschichte der subjektiven Formen der Anschauung zu tun? Sollte es nicht ein essentieller Teil der rechtsstaatlichen Grundsätze sein, daß Verwaltungsentscheidungen ebenso wie Gerichtsurteile für die, die davon betroffen sind, verständlich sein müssen? Das aber würde bedeuten, daß fast alle raf-Urteile dieser Forderung nicht genügen. Müßte nicht der Buchtitel „Versuche, die raf zu verstehen“ ein wenig variiert werden: „Versuche, die raf-Prozesse zu verstehen“? Denn auch diesen Versuch scheint die Öffentlichkeit längst aufgegeben zu haben; deshalb nimmt sie sie nicht mehr wahr. Es gibt zwei Begriffe der Reinheit: Der eine würde dem der Reinheit der Lehre entsprechen, der die Umkehr voraussetzt und in der Heiligung des Gottesnamens, der Einigung von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, sich erfüllt. Der andere steht unterm Rechtfertigungszwang und agiert ihn aus; dieser Begriff der Reinheit, den man den hygienischen nennen könnte, manifestiert sich in Reinheitszwängen, die von der Ansprechbarkeit durch die Waschmittelreklame über den Begriff der klinischen oder auch chemischen Reinheit bis hin zum eliminatorischen Antisemitismus reichen. Ist nicht der Prozeß der Dogmenentwicklung der Versuch, den ersten Reinheitsbegriff unter den Bedingungen des zweiten zu realisieren? Dieser Begriff der Reinheit der Lehre kommt ohne Antijudaismus, ohne Verurteilung der Häresien und Verfolgung der Ketzer, aber auch ohne Hexenverfolgung nicht aus. Er hat in der Theologie sich etabliert, nachdem an die Stelle des Märtyrers der Confessor trat. Die Bekenntnislogik ist ein Instrument der Abwehr: ein Präventivverfahren gegen Schuldgefühle und Schuldreflexion zugleich. Läßt sich die Geschichte der Theologie im Bann der Bekenntnislogik nicht als die Umkehrung und Radikalisierung der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos begreifen, mit der Taufe als Wiederholung des Untergangs im Schilfmeer als Anfang, über die Tötung der Erstgeburt und die allgemeine Finsternis bis hin zu den Fröschen (den unreinen Geistern) und zur Verwandlung des Wassers in Blut (der Verwandlung, die Taufe blutig an denen vollstreckt, die sich nicht wollen bekehren lassen)? Durch die Bekehrung ist die Umkehr zu einem Instrument der Herrschaft geworden. „Ein Wind weht vom Paradies her“ (Walter Benjamin): Ist das kreisende Flammenschwert ein Ventilator? Die Enden der Erde: Sind das nicht die Pforten der Hölle und des Paradieses zugleich? Zu den Flüssen des Paradieses gehört auch der Euphrat. An dem „großen Strom Euphrat“ – sind auch die vier Engel gebunden, die beim Schall der sechsten Posaune losgebunden werden, um, nachdem sie für die Stunde, den Tag, den Monat und das Jahr sich bereitgemacht hatten, den dritten Teil der Menschheit zu töten (Off 914); – auf den gleichen Strom wird die sechste Zornesschale ausgegossen, da vertrockneten seine Wasser, damit den Königen vom Aufgang der Sonne der Weg bereitet würde. „Und ich sah aus dem Munde des Drachen und aus dem Munde des Tieres und aus dem Munde des falschen Propheten drei unreine Geister wie Frösche <herauskommen>. Sie sind nämlich Dämonengeister, die Zeichen tun, die zu den Königen des ganzen Erdkreises ausziehen, um sie zum Krieg am Tag des allmächtigen Gottes zu versammeln.“ (Off 1612ff)

  • 16.08.1996

    Zum Milgram-Experiment verweist Goldhagen auf eine Studie, die nachweist, daß es in diesem Experiment nicht um Gehorsam, sondern um „Vertrauen“ ging (Hitlers willige Vollstrecker, S. 665, Anm. 19). Heißt das gleiche Vertrauen in der christlichen Tradition nicht „Glaube“?
    Gründet die Logik dieses Glaubens nicht in der gleichen Konstellation, zu der auch der individualisierende Akt des Ursprungs des Charakters gehört (vgl. hierzu Rosenzweigs „Stern der Erlösung“), und verweist diese Konstellation nicht auf die Geschichte des Ursprungs des Weltbegriffs? Korrespondiert der Charakter nicht dem Gattungsbegriff im Tierreich und dessen Beziehung zum Weltbegriff, und ist er nicht (wie auch der Glaube) eine der Reflexbildungen des Weltbegriffs im Subjekt? Gibt es noch andere (wie es scheint, genau bestimmbare und abzählbare) Reflexbildungen des Weltbegriffs im Subjekt, und ist der Kern dieser Reflexbildungen in den subjektiven Formen der Anschauung verborgen, die durch ihre neutralisierende Gewalt zugleich als Instrument der Verblendung in ihnen sich erweisen? Gründet hierin das Problem der sieben unreinen Geister, von denen Maria Magdalena befreit wurde?
    Ist nicht jeder Götzendienst Sternendienst?
    Sh. die ungeheure Geschichte im Buch Jonas: Erst das Volk, dann der König, und der König ruft mit dem Volk dann auch das Vieh, „Rinder und Schafe“, zur Buße auf. Rinder und Schafe sind Opfertiere; Esel wurden nicht aufgerufen.
    Ist es nicht ein gemeinsamer Hang zum Populismus, der, indem er in vorauseilendem Gehorsam den kollektiven Rechtfertigungszwängen folgt, taz und Publik Forum immer mehr aus ihren kritischen Anfängen heraus- und in immer gefährlichere Zonen hineintreibt? Symbolfigur dieses Trends in Publik Forum ist mittlerweile wohl Eugen Drewermann, der sich seinen Mut an der heute ohnehin ohnmächtigen Kirche beweist, während er zugleich jede wirkliche Herrschaftskritik denunziert.
    In den dreißiger Jahren gab es eine Schallplatten-Reklame, die mit einem Bild warb, auf dem ein Hund aufmerksam einer Schallplatte lauscht; dazu der Slogan „die Stimme seines Herrn“. So hat das ganze Volk bei „Führer-Reden“ vorm Lautsprecher gesessen.
    Hat der Nationalsozialismus nicht das Instrumentarium gleich mitgeliefert, das den kollektiven Verdrängungsakt am Ende des Kriege ermöglichte? Die Verbrechen der Nazis waren mit ihrer „Weltanschauung“ nicht rational (durch Begründung), sondern nur durch die Bekenntnislogik (durch ein Verurteilungs- und Rechtfertigungssystem) verbunden, die es ermöglichte, die Verbrechen durch den kollektiven Bekenntniswechsel (durch ein anderes Verurteilungs- und Rechtfertigungssystem) gleich mit zu verdrängen. Seitdem hat – bis in die Theologie hinein – das Bewußtsein sich ausgebreitet, daß es auf den Inhalt einer Religion (eines „Bekenntnisses“) garnicht so sehr ankommt, sondern nur darauf, eine zu haben. Die Instrumentalisierung der Bekenntnislogik durch Nazis, die der Kern des „eliminatorischen Antisemitismus“ war, ist offensichtlich nicht mehr rückgängig zu machen.
    Naturwissenschaft: Selbstverblendung durch Erkenntnis.
    Gründen die drei evangelischen Räte in ihrer Beziehung zu den drei transzendentalen Formen der Logik:
    – die Armut in der Beziehung auf die durchs Tauschprinzip (durchs Geld) beherrschte Welt,
    – das Hören in der Beziehung auf die durchs Inertialsystem (durch die „subjektiven Formen der Anschauung“) beherrschte Natur und
    – die Keuschheit auf die Beziehung zu den durch die Bekenntnislogik von Selbstreflexion und Herrschaftskritik „befreiten“ Formen der Erkenntnis und des Wissens? – Ist die Bekenntnislogik der „Unzuchtsbecher“?
    Hat der „Dieb in der Nacht“ etwas mit der Tötung der Erstgeburt, die um Mitternacht erfolgte, zu tun?
    Jesus wußte sich zu den verlorenen Kindern Israels gesandt; Paulus hat begriffen, daß die Rettung Israels nur über die Völker (die „Heiden“) möglich ist; die Kirche hat daraus die Verwerfung Israels abgeleitet, anstatt in der Rettung Israels die eigene zu begreifen. Auschwitz ist der Greuel am heiligen Ort.
    Die Ängste, die während des Krieges insbesondere in der katholischen Kirche verbreitet waren: Heute die Juden, morgen sind wir dran, waren nur insoweit unbegründet, als sie nach der Niederlage der Nazis ihren Urheber verloren zu haben schienen. Aber hatten sie ihn wirklich verloren, hatte die Kirche, als sie vergaß, daß sie selbst mit zur Ursprungsgeschichte dieser „Urheberschaft“ gehörte, diese nicht schon so sehr verinnerlicht, daß sie für sie nur nicht mehr sichtbar (dafür aber umso gefährlicher geworden) war? Mit dem Verrat der Juden, deren Leiden sie nicht wahrzunehmen fähig war, hat die Kirche sich selbst verraten. Ausdruck dieses Verrats ist nicht zuletzt der Zustand der Theologie heute.
    Die Deutschen mögen Hitlers willige Vollstrecker gewesen sein (und sie waren es), aber war Hitler nicht der „willige Vollstrecker“ des Selbstverrats der Kirche? Der Antisemitismus hat kirchliche Wurzeln, Deutschland war nur das Treibhaus, in dem diese Pflanze zu ihrer vollen Pracht sich entfalten konnte.
    Kann es sein, daß das Hethitische, in dem das Neutrum durch den Verzicht auf die grammatische Geschlechtertrennung erkauft war, zur Ursprungsgeschichte der indoeuropäischen Sprachen gehört? Ist der Ursprung des Neutrum durch die sprachliche Verdrängung des Weiblichen vermittelt (das in der Folge dann nur in dritten Person wieder erscheint, während im Hebräischen die Geschlechtertrennung auch in der zweiten Person noch gilt)?
    Wenn Hitler in der „Masse“ eine weibliche Komponente erkannte, steckt darin nicht die merkwürdige sprachlogische Beziehung des Feminimum zum Plural im Deutschen? Beim bestimmten Artikel, wo das Femininum zur Grundlage des Plural geworden ist, erscheint im Genitiv und Dativ des femininen Artikels die Nominativform, beim Plural im Genitiv die Nominativ-, im Dativ die Akkusativform (!) des singularen maskulinen Artikels, in beiden Fällen sind Eigentum und Herrschaft sowie das Geben, Gewähren, auf einen männlichen Adressaten bezogen. Es ist davon auszugehen, daß diese sprachlichen Beziehungen nicht zufällig sind, daß es sich nicht nur um äquivoke Beziehungen handelt, sondern (wie auch im „Sein“, das sowohl den Infinitiv des Hilfsverbs wie auch das Possessivpronomen der dritten Person singular bezeichnet) sprachlogische Beziehung, die zu entschlüsseln wäre. Nicht auszuschließen, daß die Ontologisierung einer männlichen Possessivbeziehung im Namen des Seins den Schlüssel hierzu liefert.
    Der Rassismus blendet die Herrschaftskritik aus, er erspart sich die Reflexion dadurch, daß er einem sprachgeschichtlichen Sachverhalt einen biologischen substituiert. Die Logik dieser Substitution ist im Weltbegriff vorgebildet, durch den Weltbegriff determiniert. Im Grunde ist jede Sprachforschung, die die Geschichte der Sprache vom herrschaftsgeschichtlichen Prozeß trennt und an die Geschichte von Völkern und Stämmen bindet, immer noch rassistisch.
    Hat nicht die lateinische Sprache, und zwar unter einem großen sprachlogischen Zwang, das Evangelium durchs Dogma ersetzt?
    Der Satz, daß der Menschensohn Herr des Sabbath ist, hat etwas mit der Befreiung Maria Magdalenas von den sieben unreinen Geistern (die ebenso wie der Sabbath auf das antike moralisch-kosmologische Verständnis des Planetensystems, auf die Astrologie, verweist) zu tun.
    Wachet und betet: Ist das nicht die Aufforderung zur Erinnerungsarbeit? Der Nazi-Slogan „Deutschland erwache“, der eigentlich auf das vollständige Vergessen, auf die Unterdrückung des Eingedenkens, zielte, ist das Produkt einer schrecklichen Verschiebung. Dieses „Deutschland“, das seiner nicht spotten läßt, ist der Kern und der Inbegriff einer pathologischen Empfindlichkeit, der Energielieferant der antisemitischen Wut und Aggression. Im Kern dieses Namens steckt eine, wie es scheint, unheilbare Paranoia.
    Mit der Begründung seiner Entscheidung, Jude zu bleiben, hat Franz Rosenwzeig gleichzeitig Vorkehrungen getroffen gegen ein Mißverständnis des Sterns der Erlösung. Er hat jedes missionarische Verständnis dieses Buches im Vorhinein ausgeschlossen, er hat der Proselytenmacherei, aber auch einem etwaigen Wunsch eines Christen, nach der Lektüre dieses Buches zum Judentum zu konvertieren, einen Riegel vorgesetzt, der nicht mehr zu lösen ist. Aber war der Preis dieser Abgrenzung, die Bindung des Jüdischen ans Blut, nicht zu hoch?
    Das griechische physis ist männlich, das lateinische natura (wie die daraus abgeleitete Natur) feminin; darin spiegelt sich die unterschiedliche Sprachwurzel, die im Griechischen auf die Zeugung, im Lateinischen auf die Geburt verweist. kosmos und mundus sind beide männlich, die deutsche Welt ist feminin. Kann es sein (und hängt das hiermit zusammen), daß die Namen der Nationen im Deutschen (wie der Name mizrajim im Hebräischen – heißt deshalb der ägyptische König Pharao?) Kollektivnamen sind, während sie in den alten (und in den anderen europäischen) Sprachen sonst durch ein grammatisches Geschlecht bestimmte individuelle Begriffe sind? Liegt nicht die Schwierigkeit (und der Wendepunkt) darin, daß der logische Status der Namen der Nationen zusammen mit dem mittelalterlichen „Realismus“, der den Begriffen objektive Realität zuerkannte, in der Ursprungsgeschichte des den Nominalismus begründenden Inertialsystems obsolet geworden und untergegangen ist?
    Im Deutschen sind die Namen der Nationen Kollektivbegriffe und Totalitätsbegriffe zugleich, die wie die Gattungsnamen durch Gebrauch des (bestimmten oder unbestimmten) Artikels auf die „Exemplare“ der Nation (oder der Gattung) sich beziehen. Sie sind eigentlich hypostasierte Adjektive: sie drücken eine gemeinsame Eigenschaft unterschiedlicher Individuen aus. Nationen stehen wie Gattungen in Konkurrenz zum Weltbegriff …
    In welcher Beziehung stehen Nationennamen zu den Abstrakta, zur Hypostasierung von Eigenschaften, die in der Regel mit Suffixen wie -heit oder -keit gebildet werden? Welche sprachlogische Bedeutung haben die Bildungen auf -tum (wie Deutschtum, Judentum, Heidentum, aber auch Reichtum, Eigentum u.ä.)?
    Sind nicht das Gerundium, auch das Supinum (die nicht auf Ei-genschaften, sondern auf Tätigkeiten sich beziehen), lateinische Vorläufer dieser Abstrakta? In imperialen Zusammenhang werden die Abstrakta durch ihre Beziehung auf Eigenschaften (die zusammen mit dem Dingbegriff sich konstituieren) gerückt, die die Dinge beherrschbar machen (Zusammenhang mit dem Ursprung des Trägheitsprinzips).
    Sind die philosophischen Akzidentien nicht die ersten hypostasierten Adjektive?
    Der Unterschied zwischen physis und natura drückt in der Frage sich aus, ob Eigenschaften durch Zeugung oder durch Geburt vererbt werden. (Hat nicht die Trinitätslehre diese beiden Aspekte getrennt: der innertrinitarischen Zeugung ohne Geburt entsprach die homousia, der irdischen Geburt ohne Zeugung die Inkarnation, die Menschlichkeit des Gottessohns. Und wenn Paulus „Römer von Geburt“ war, war er dann nicht Römer „von Natur“, und konnte die Geburt nicht durch eine Adoption ersetzt werden?)
    Die Ware, die nur noch Exemplar eines Kollektivs ist, so daß die Exemplare nicht mehr von einander sich unterscheiden lassen (eines Kollektivs von Dingen mit identischen Eigenschaften, in denen das Wesen und die Qualität der Ware begründet ist), ist weiblich! Waren nicht Sklavinnen die ersten Waren? – Wie hängt der Name einer Nation mit dem eines Markenartikels zusammen, der ihn heute zu beerben scheint?
    Hängt die Ware mit dem Imperfekt von Sein („war“) zusammen wie das Possessivpronomen der dritten Person männlich mit dem Infinitiv Sein?
    War nicht der Name Edom („Roter“) der erste auf eine Eigenschaft gegründete Name (und Edom war der Name der ersten Königtümer, später der Deckname für Rom)? Im Lateinischen entspricht ihm der Name Rufus! (Simon von Cyrene war der Vater des Alexander und des Rufus: Klingen darin der Hellenismus und das Römische Reich an? – Paulus hatte mit Rufus eine gemeinsame Mutter?)
    Gehören das Symbol und der Typos zum Begriff einer Erkenntnis, die an der Idee der Auferstehung sich orientiert (die Idee der Auferstehung verändert die Erfahrung von Natur und Geschichte)? Die Idee der Auferstehung gilt nur den Andern, niemals dem, der sie hegt: Sie ist Teil der Hoffnung, die uns nur um der Hoffnungslosen willen gegeben ist.
    Das Harmloseste, das man von den Angriff auf Adorno, den Schmid-Noerr mit völlig unzureichenden Kategorien beschreibt, sagen kann, ist, daß hier zwei Welten auf einander geprallt sind. Aber sind nicht auch in Auschwitz zwei Welten auf einander geprallt? Ich befürchte, daß man nicht ausschließen kann, daß das Bewußtsein, daß Adorno Jude war, mit hereingespielt hat. Ich würde gerne wissen, was aus den jungen Frauen geworden ist.
    Das Konstrukt der Venus-Katastrophe war ein Mittel, historische Prozesse reflexionsfähig zu machen; es hat dann allerdings zugleich die so reflektierte Geschichte wieder historisiert (und zwar dadurch, daß man, nach dem gleichen Prinzip, das bereits den mythischen Kosmologien zugrundelag, einem Prozeß der zweiten Natur einen der ersten substituiert hat).
    Kann es sein, daß das Wort der drei Weisen aus dem Morgenland: Wir haben seinen Stern gesehen, auf ein politisches und nicht auf ein astronomisches Ereignis sich bezog?

  • 14.08.1996

    Erst durch Historisierung (durch deren musealisierende, verfremdende Wirkung) wird Religion zur Religion: zum Götzendienst.
    Historisierung und die ausgrenzende Beziehung zu Fremden (die in den Namen der „Barbaren“ oder „Heiden“ sich ausdrückt) gründen in einer gemeinsamen Logik, die der ethnologische Blick (dessen apriorisches Objekt im Namen der „Wilden“ sich anzeigt) dann radikalisiert.
    Ist diese Historisierung nicht der Motor der Dynamik, die die Geschichte der Philosophie beherrscht? Erst als vergangener wird der philosophische Gedanke, der in seinem Ursprung einer unmittelbaren Einsicht sich verdankt, gegenständlich, wird er zum Gegenstand der Reflexion eines andern. Ist es nicht die gleiche Vergegenständlichung, die das Licht zu einer elektromagnetischen Wellenbewegung macht, die mit Lichtgeschwindigkeit sich fortpflanzt? Wird diese Beziehung zu Vergangenem nicht durch den Raum (als Form der Äußerlichkeit) zu einer präsentischen Gewalt (zum indoeurpäischen Präsens), und ist diese Gewalt nicht die Grundlage der naturwissenschaftlichen Erkenntnis?
    Feuer und Wasser, die im hebräischen Namen des Himmels eins werden, bezeichnen die beiden Seiten der einen Grenze, die die Zukunft von der Vergangenheit trennt: das Wasser aus der Sicht der Vergangenheit, das Feuer aus der der Zukunft.
    Überschätzt Goldhagen nicht doch das Gewicht von „Anschauungen“, die Bedeutung ideologischer Schulung? Der Antisemitismus wird durch die Praxis gelernt, als deren Rechtfertigung er dann dient. Der Antisemitismus kommt gleichsam post festum; es gibt eine vorausgehende Grundentscheidung zur Gemeinheit, die dann des Antisemitismus, an dessen Wahrheit ohnehin niemand glaubt, zur eigenen Entlastung und Rechtfertigung sich bedient. Adressat dieser Entlastung und Rechtfertigung sind die Anderen, ist die Öffentlichkeit, deren Zustimmung das Wissen um die Unwahrheit der Ideologie verdrängen hilft. Die Verdrängung nährt und steigert die Wut, die in den Handlungen der Antisemiten sich entlädt. Und das Vorurteil hilft dann, die letzten Hemmungen zu beseitigen. Damit hängt es zusammen, wenn der Antisemit (wie auch der Sexist) von seinem Objekt nicht mehr loskommt. Es wäre eine interessante Aufgabe zu untersuchen, was es ist, was Angehörige der Polizei so anfällig fürs Vorurteil macht, ob und auf welche Weise diese Anfälligkeit mit ihrem „Auftrag“, mit den Zwängen, in die ihre beruflichen Pflichten und ihre Tätigkeit sie verstricken, zusammenhängt.
    Es ist eine gemeinsame Logik, die die kirchliche Folterpraxis im Mittelalter mit der Brutalität und Gemeinheit der Nazis verbindet. Schon die mittelalterlichen Pogrome, Ketzer- und Hexenverfolgungen waren „Säuberungsaktionen“, deren Ziel es war, die Reinheit der Lehre und die Einheit der christlichen Welt wiederherzustellen und zu erhalten. Die Logik, die dem zugrundelag, war die Bekenntnislogik, zu deren Konstituentien seit je das einheitsstiftende Feindbild, die Ausgrenzung der Verräter und der Sexismus, die Frauenfeindschaft, gehörten.
    Auf S. 624 (Anm 68) bemerkt Goldhagen, daß hinsichtlich der subjektiven Reaktionen der an den Mordaktionen Beteiligten nur „von ‚Ekel‘ … die Rede sein (kann), nicht aber von ‚Scham’“. Vgl. hierzu Kants urteilslogische Bemerkung zum „Ekel“ in seiner Kritik der Urteilskraft (ist nicht Kants Bemerkung über den Ekel in der Kritik der Urteilskraft eine notwendige Konsequenz aus seinem Begriff der Lust und des Geschmacks?).
    Waren die insbesondere bei Aktionen gegen Juden auftretenden Grausamkeiten und Brutalitäten (die spezifische Gemeinheit) nicht Mittel zur Gewöhnung an das Unfaßbare? So machte man die Taten auch für sich selbst, vor dem eigenen Bewußtsein, irreversibel. Das, was man ihnen antat, war der Beweis, daß es zu Recht geschah.
    Akten konstituieren das Inertialsystem der gesellschaftlichen Welt; zu ihrer Erstellung und Bearbeitung bedarf es der Verwaltung, deren Handeln an das gleiche Recht gebunden ist, das den Akten praktische Relevanz verleiht.
    Die Urteilsmagie gründet im Strafrecht, das das Urteil über die Strafe zu einem Instrument staatlicher Gewalt macht, seine Folgen aber zugleich ins gesellschaftliche Unbewußtsein der Knäste verdrängt (die Gefängnismauern sind Hilfsmittel der gesellschaftlichen Verdrängung), in denen die Gemeinheit herrscht, die kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Das Urteil löst den Schrecken nicht auf, es verdrängt und reproduziert ihn.
    Entspringt nicht das „Restrisiko“ der Atomkraftwerke, das jederzeit zur Katastrophe sich ausweiten kann, dem gleichen Sicherheitsdenken, das auch dem Strafrecht und dem militärischen Kalkül zugrunde liegt? Zu diesem Sicherheitsdenken gehört seit je das Wegsehen, die selektive Wahrnehmung der Realität, das dem Handeln der Polizeibattaillone im letzten Krieg, auch den Exzessen der Judenverfolgung, zugrunde lag.
    Von der Verurteilung der Häresien, die dem Prozeß der Dogmenbildung zugrunde lag, ist nach ihrer vollständigen Säkularisierung die Urteilsmagie zurückgeblieben. Das Urteil ist von der Bekenntnislogik (von den „subjektiven Formen der Anschauung“) nicht abzulösen. Hier liegt die christliche Wurzel des Faschismus sowie jeder Art von Staatsterrorismus. Die Globalisierung des technischen und ökonomischen Instrumentariums der europäischen Zivilisation ist durch die Einforderung der Menschenrechte allein nicht zu humanisieren, notwendig wäre, diesen Prozeß durch Erinnerungsarbeit reflexionsfähig zu machen. Das Medium dieser Erinnerungsarbeit aber ist die Theologie.
    Zum „Scheusal Ägypten“: Ist nicht das gesellschaftliche Subjekt, dem das Opfer der Israeliten ein Greuel ist, das „Scheusal“? Und das Wort des Moses: „Den Ägyptern ist ein Greuel, was wir dem Herrn, unserm Gott opfern, wie es der Herr befohlen hat; wenn wir vor den Augen der Ägypter opfern, was ihnen ein Greuel ist, so steinigen sie uns“ (Ex 826), ist das nicht der zentrale, das Verständnis der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos insgesamt eröffnende Satz?
    Steckt nicht das methodische Problem des symbolischen Schriftverständnisses im Problem der Beziehung der hebräischen zur griechischen (indoeuropäischen) Sprachlogik: im Problem des Ursprungs und der sprachlogischen Entfaltung des Neutrums? Hier geht es nicht darum, welches die „wahre Sprache“ ist. Vielleicht könnte man den Sachverhalt so umschreiben: Sind nicht die „Symbole“ der Schrift (wie die Schlange, die Dornen und Disteln oder der Kelch) Ausdruck eben jener sprachlogischen Elemente, durch die indoeuropäischen Sprachen von der hebräischen sich unterscheiden (wie das Neutrum, die grammatischen Grundlagen der Vergegenständlichung und Verdinglichung, schließlich die in den indoeuropäischen Formen der Konjugation vorgebildeten „subjektiven Formen der Anschauung“)? Paradigma dieser Symbolik ist der Name der Hebräer selbst: die bis in die Struktur der Sprache hineinreichende Selbstwahrnehmung als Fremde für andere; ein Name, dem im Griechischen der Name der Barbaren (die projektive Vergegenständlichung der Fremden als Grundlage des eigenen „hellenistischen“ Selbstverständnisses) gegenüber steht.
    Ist nicht die Herrlichkeit Gottes das Leuchten Seines Angesichts? Und wenn es heißt, daß der Menschensohn „auf den Wolken des Himmels“, „in großer Macht und Herrlichkeit“ wiederkommen wird, hat das nicht etwas mit diesem Leuchten Seines Angesichts zu tun?
    Haben nicht die gleichen Dinge, die Paulus ausblendet, während die Evangelien davon berichtetn, auch sprachlogische Bedeutung. Liegt nicht in den Wundergeschichten eine sprachlogische Sprengkraft, die nur dem Fundamentalismus und der selbstzufriedenen Erbaulichkeit verborgen bleibt? Oder auch: Wie verhalten sich die „symbolischen“ Wundergeschichten zu den „typologischen“ Personengeschichten (Maria Magdalen und die sieben unreinen Geister; die gesamte Petrus-Geschichte, vom Messias-Bekenntnis über das „Weiche von mir, Satan“ bis zu den drei Leugnungen; die Petrus/Jakobus/Johannes-Geschichten; die beiden Lazarus-Geschichten)?
    Hat die Bitte der Zebedäus-Söhne: „Verleihe uns, daß wir einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken sitzen dürfen in deiner Herrlichkeit“ (Mk 1037, bei Mt 2020ff ist es die Mutter der Zebedäus-Söhne, die ihn für ihre Söhne fragt) etwas mit dem andern Satz zu tun: „Und mit ihm kreuzigten sie zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken“ (1527, vgl. Mt 2738, Lk 2332ff, Joh 1918)?
    Ist das Wort Jesu am Kreuz an seine Mutter und an Johannes nicht auch ein Adoptionsakt (wie die Gottessohnschaft bei der Johannes-Taufe und auf dem Berg der Verklärung, oder auch die Saulus-Paulus-Geschichte, der möglicherweise eine Alexander-Saulus-Geschichte vorausgeht)? Ist nicht die Adoption das Modell der „Wiedergeburt“ (die auch das Paulus-Wort, er sei „Römer von Geburt“ anders verständlich machen könnte)?
    Ist Joseph von Arimathäa der Adoptivvater des gekreuzigten Jesus?
    Was bedeutet es, wenn es heißt, daß Simon von Cyrene „vom Felde“ kam (Mk 1521, Lk 2326, vgl. Mt 2732; nach Joh 1917 trug Jesus sein Kreuz selber)? Ist hier ein Feld im agrarischen Sinne gemeint (das Feld von Bauern oder Hirten), gab es in der Nähe Jerusalems solche Felder? War Simon ein Tagelöhner?
    Mit der Rezeption des Weltbegriffs werden auch Theologie und Religion dem Gesetz der Instrumentalisierung unterworfen, das sich dann in der Bekenntnislogik ausdrückt. Ist nicht die Bekenntnislogik die Gewalt, die beide, die Theologie und die Religion, von innen her angreift und aufzehrt (ein Prozeß, den sie im Innern beider gegen beide anstrengt und führt), sie, ohne daß die Betroffenen es merken, in ihr Anderssein transformiert: sie bewußtlos säkularisiert? Notwendig wäre es, diesen Prozeß endlich zu begreifen (durch Erinnerungsarbeit und Reflexion).
    Liegt Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ nicht an der Schwelle des Umschlags zur Prophetie, auf den Joh 129 sich bezieht: des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt; ist nicht das Eingedenken der Natur im Subjekt selber schon das „Auf-sich-Nehmen der Sünde der Welt“? Adorno zitiert in diesem Satz die Kritik der Urteilskraft, in der Kant mit dem Begriff einer „Natur im Subjekt“ die ästhetische Produktivkraft des „Genies“ bezeichnet; der Adornosche Satz erinnert zugleich an die Intention Georg Lukacs‘, der erstmals die Kunst anstatt aus der Sicht des Konsumenten aus der des Produzenten zu begreifen unternommen hatte.
    Haben die drei Weisen aus dem Morgenland etwas mit den „Zauberern“ in der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos zu tun?
    „… der ich bilde das Licht und schaffe die Finsternis“: Das Erste ist nicht das Bessere. Ist das nicht die biblische Grundlage der Kritik des Ersten (und der Väter)?
    Neuer Kannibalismus: Sind wir nicht dabei, im Leib der Sprache die Gebärmutter durch den Bauch zu ersetzen: die Barmherzigkeit durchs Fressen (die Schlange frißt den Staub, den Adam produziert)?
    Das eine verlorene Schaf und die verlorene Drachme (Lk 154ff): Der eine Sünder, über den, wenn er umkehrt, im Himmel mehr Freude sein wird als über 99 Gerechte, sind das der Staat (das verlorene Schaf) und die Kirche (die verlorene Drachme)?

  • 13.08.1996

    Turmbau zu Babel: Die Entwicklung des Apple MacIntosh ist erschreckend. Das „Power-Notebook“ ist zum reinen Spielzeug degeneriert, Produkt einer technischen Phantasie, die sich um die Probleme der Anwender nicht mehr kümmert, ein reiner technischer Autismus, der die Mauern der ästhetischen Selbstbespiegelung nicht mehr zu überspringen vermag, mit der „Außenwelt“ nicht mehr kommuniziert. Alles ist technisch perfekt und schön, aber man kann nichts damit anfangen. Dem entsprechen die „Gebrauchsanweisungen“ (die übrigens nicht mehr so heißen, weil sie keine mehr sind): „High-brow“-Texte in einer Insider-Sprache, die reiner McIntosh-Jargon ist, möglicherweise selbst über die Firmengrenzen des Herstellers hinaus nicht mehr verständlich (läuft das Ganze nicht immer deutlicher auf eine IBM-, eine ATARI- und eine McIntosh-Sprache hinaus, auf Sprachen, die untereinander ebenso wie die Betriebssysteme nicht mehr kompatibel sind, am Ende nur über Emulgationen noch kommunizieren können?): Verstummendes Geschwätz über immer unnützer werdende Produkte. Nehmen die technischen Standards nicht mittlerweile Konfessionsrang ein, und gibt es nicht in der Tat Korrespondenzen der technischen Phantasien mit den durch die Bekenntnislogik determinierten religiösen Vorstellungswelten? War der Ursprung der Bekenntnislogik (im Kontext der Tempelwirtschaft und im Kern der sie legitimierenden Idolatrie, des Sternen- und Götzendienstes) der Grund der babylonischen Sprachverwirrung? Aus den Fortschritten der politischen Ökonomie wäre abzuleiten, daß Markennamen heute die logischen Funktionen übernehmen, die früher einmal die Religionen und dann die Nationalismen bereitzustellen und zu garantieren hatten.

  • 11.8.1996

    Ist nicht die Nachkriegsgeneration in der verqueren Situation, daß sie eine Reflexion, die wir versäumt haben, nachholen müßte und es nicht kann, – weil sie den Gegenstand der Reflexion nicht kennt, und – weil wir sie zugleich der Mittel beraubt haben, mit deren Hilfe es vielleicht möglich gewesen wäre? Die Bedeutung von Sätzen hängt nicht nur von der Bedeutung der Worte ab, aus denen sie gebildet sind, sondern ebenso sehr auch von der Situation, zu der die Sätze gehören. Deshalb gibt keine Dogmen, und deshalb gibt es keine in Urteilen ausdrückbare Wahrheit. Zum Angesicht: Der Blick ist ein Teil der Kommunikation. Blick ein Kind an, und achte darauf, wie es zurückblickt: Dieser Blick spricht. (Gibt es nicht Situationen, in denen die Sprache zu einer unzulängnlichen Ausdrucksform wird?) Resurrectio naturae: Die Natur ist kein Objekt der Barmherzigkeit; sie ist kein Subjekt, darin gleicht sie den Toten. Das Eingedenken der Natur im Subjekt gilt dem Toten, das zum Leben zu erwecken wäre (und nicht der „gequälten Natur“). „Nur Gott sieht ins Herz der Menschen“, und „Wer euch angreift, greift meinen Augapfel an“: Sind diese beiden Sätze nicht durch den Antisemitismus, der mit der Vernichtung der Juden dem Angesicht Gottes sich entziehen zu können glaubt, bewiesen? Wenn der Antisemitismus darauf abzielt, den Augapfel Gottes zu vernichten, dann war Auschwitz der Versuch eines absoluten Verbrechens (vgl. Lyotard). Sind nicht die Planeten zu Planeten geworden, als sie sich die Sonne zum Feind machten? Sind die Planeten Feinde der Sonne, ist der Mond der Erde Feind, und wie steht es mit Erde und Sonne, wer kreist hier um wen (wo ist die Sonne still gestanden)? Zur Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos: Nach Kopernikus war die Erde Feind der Sonne (so hat das heliozentrische System zur Begründung und Legitimierung des Absolutismus beigetragen). Kopernikus war (als Astronom) Monarchist. Müßte die Demokratie nicht wieder davon ausgehen, daß die Sonne um die Erde kreist? Oder müßte sie, wenn sie endlich sich selbst begreift, nicht dieses Feindsystem ingesamt auflösen: die Klassengesellschaft? Steht der Tod der Erstgeburt unterm Zeichen des Saturn, die Finsternis und das Blut unter denen der Sonne und des Mondes? Sind die ägyptischen Plagen die Negative der Sefirot? Feindbindung und Sucht: Wie der Sexist so kommt auch der Antisemit von seinem Feind nicht mehr los. Wer in den Menschen Feindbilder erzeugt, macht sie zu Objekten der Mechanik (des Seitenblicks, der der Kommunikation ausweicht und sich entzieht) und damit beherrschbar. Die sublimste Art der Feindbild-Erzeugung ist es, sie zu anschauenden und urteilenden Wesen zu machen. Deshalb ist die kantische Unterscheidung zwischen bestimmenden und reflektierenden Urteilen so wichtig. Der Glaube, man könne den Faschismus durch Verurteilung unschädlich machen, hat seine Wurzel in dem ungeheuren Verdrängungsakt, mit dem die Deutschen am Ende des Krieges ihr Wissen von den Verbrechen der Nazis und ihre Beteiligung an ihnen glaubten loswerden zu können. Die Verurteilung als Instrument der Selbstexkulpation gehört zur Bekenntnislogik, die hier erst endgültig von ihren christlichen Ursprüngen sich abgelöst (und sie zugleich instrumentalisiert) hat. So fanden sich Täter und Opfer in der Gemeinschaft der Verurteilenden wieder. Was (im Hinblick auf Filbinger) einmal das „pathologisch gute Gewissen“ genannt worden ist, gründet in dieser Verurteilungsstrategie. Aber war diese Problemlösungsstrategie nicht doch nur auf der high-brow-Ebene (vor allem in der Politik und an den Universitäten) anwendbar, während unten der Antisemitismus teils im Anblick von Auschwitz wirklich sich aufgelöst hat, teils allerdings nur in die Potentialität zurückgedrängt wurde (und das insbesondere bei denen, die aktiven Anteil an den Verbrechen, die sie nie als Verbrechen wahrgenommen haben, gehabt hatten, bei denen die Verdrängung ein Teil, mehr noch: die Voraussetzung der Tat war)? Diese Problemlösungsstrategie aber hat die Probleme nicht wirklich gelöst, sondern nur auf die folgenden Generationen verschoben. Ich hätte mir gewünscht, daß dieser Sachverhalt, zumal Birgit Hogefeld ihn selbst angesprochen hat, in dem Bändchen „Versuche, die RAF zu verstehen“ thematisiert worden wäre. Die wütenden Reaktionen auf die Untersuchungen von Daniel Goldhagen sind ein weiteres Indiz für die Unwirksamkeit aller Problemlösungsstrategien, die, auf der Grundlage und unter dem Bann der Bekenntnislogik, sich allein des Instruments der Verurteilung bedienen. Die dritte Leugung oder der verdorrte Feigenbaum: Ist nicht der kollektive Verdrängungsakt am Ende des Krieges in Deutschland durch eine Logik (durch die „pharisäische“ Logik der kollektiven Verurteilung) abgesichert worden, die die Bekenntnislogik von der Theologie getrennt, damit der Theologie endgültig den Boden entzogen und den Nachgeborenen jede Chance genommen hat, an die Sache überhaupt noch heranzukommen (die die Bekenntnislogik zum Instrument der Selbstverfluchung gemacht hat)? Als Heidegger die Angst (zur Unterscheidung von der Furcht) als objektlos definierte, hat er ihrer Reflexion (und damit der Reflexion der Schuld und der Herrschaft, die den Zeitkern der Wahrheit ins Licht rückt) den Weg verstellt. Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung Produkt und Instrument der Abstraktion von dieser dreifachen Reflexion? Stammheim oder das Haus des Seins: Die „Fundamentalontologie“ ist die Selbstreflexion der Isolationshaft des Denkens im Hochsicherheitstrakt der subjektiven Formen der Anschauung (die Kritik der reinen Vernunft war der erste Ausbruchsversuch).

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie