Welche Organe des Fisches befreien die Sara vom Asmodei, und welche Organe heilen den Tobias von seiner Blindheit? Und welche Bedeutung haben diese Organe nach dem Sohar?
Jannes und Jambres (2 Tim 38) hießen nach einer apokryphen jüdischen Überlieferung die ägyptischen Zauberer, die die ersten Wunder von Moses und Aaron vor dem Pharao ebenfalls vollbrachten (Ex 711.22, 87).
Das transzendentale Subjekt, das „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, ist der Repräsentant des Begriffs im Subjekt: der Repräsentant der Herrschaftslogik. Die Trennung des Denkens von meinen Vorstellungen reflektiert die Trennung von Begriff und Objekt, von Welt und Natur. Durch diese Trennung verselbständigen sich auch „meine Vorstellungen“ gegen mein Denken, werde ich manipulierbar (transzendentallogischer Grund des Fernsehens). Herr über meine Vorstellungen werde ich nur durch die Kraft der Reflexion (durch die Kritik der intentio recta).
Die Objektivierung des Vergangenen ist ein Gradmesser der Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft, die nur durch Erinnerungsarbeit aufzulösen ist.
Bemerkenswert die unterschiedliche Funktion, der unterschiedliche sprachlogische Stellenwert der Affixe in den klassischen europäischen Sprachen im Verhältnis zu den modernen Sprachen, insbesondere zur deutschen Sprache: Während in den alten Sprachen Präpositionen als Präfixe den Verben vorgesetzt werden (prae-, ad-, de-, cum- u.ä.) und Suffixe in erster Linie Mittel der Flexion sind (der Bestimmung des Geschlechts sowie zur Deklination beim Nomen und zur Bestimmung der Person und zur Konjugation beim Verb), kommen in den modernen Sprachen zusammen mit der Verselbständigung der Personalpronomina objektkonstituierende Präfixe (be-, er-, ver-, zer- u.ä., primär bei Verben) und substantivierende, begriffkonstituierende Suffixe (-heit, -keit, -ung u.ä.) hinzu (nach Vorbereitung dieser Formen im Lateinischen: in den Formen des Supinum, Gerundium, Gerundivum u.ä.?). In den modernen Sprachen ist die Trennung von Natur und Welt bereits in die Struktur der Sprachen und in die Grundlagen der Wortbildung mit eingegangen (Ursprung des Nominalismus).
Ist nicht das „Ungetüm“ (eines der Substantive, die nur aus Prä- und Suffixen gebildet sind) ein Schlüsselwort der deutschen Sprache (gleichsam der Repräsentant des Seeungeheuers: Ist die deutsche Sprache der Bauch des Walfisches, der den Jonas verschlingt, und war die Reise nach Tarschisch die Flucht der griechischen Sprache vor der Wahrheit, die dann im „Bauche des großen Fisches“ endete)?
Die descensio ad inferos (Jonas im Bauche des Fisches) ist der Beginn der Bearbeitung der Finsternis über dem Abgrund.
Ist die Etymologie von Leviatan bekannt (Behemoth ist das Getier)? Das Namensregister meiner Vulgata-Ausgabe (von 1824) notiert „Copulatio, Societas sua“ (?).
Zu Bubers „Geziefer“: Er hat vom Ungeziefer die Negation hinweggenommen. Nach Kluge verweist aber das Stammwort (Geziefer) auf ein ahd. „zebar“, ae. „tiber“, anord. „tivurr“, Worte die allesamt auf das Opfer zurückzuweisen scheinen. Demnach wäre Ungeziefer ein Name für „unreine“, nicht zum Opfer geeignete Tiere? Hat Buber vielleicht vom Ungewitter, in dem das Un- als Verstärker, nicht als Negation erscheint, sich verleiten lassen und Geziefer als eine nur harmlosere Form des Ungeziefer aufgefaßt (vielleicht auch den antisemitischen Gebrauch des Wortes „Ungeziefer“ ausschließen wollen)? – Vgl. auch Unkosten, Unwetter, in denen das Un- keine Negation, sondern eine Steigerung einer bereits gegebenen negativen Konnotation des Stammworts ausdrückt.
Läßt nicht an Hegels Bemerkung, wonach die Natur, nachdem die Idee sie frei aus sich entlassen hat, den Begriff nicht halten kann, die Logik des Naturbegriffs (Natur als Inbegriff aller Objekte: Inbegriff des Begriffslosen) sich demonstrieren? Vgl. hierzu insbesondere die Hegelsche Begründung: sein Hinweis auf die unterschiedlichen Gattungen und Arten der Tiere, die es nach der Logik des Begriffs nicht geben dürfte. Ist nicht der Begriff der Ganzheit ein spätes Echo dieser Logik, und richtet sich dagegen nicht Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“?
Das Inertialsystem ist der dogmatische Kern der Urteilsmagie. Das weist zurück auf den Schuldzusammenhang, den das Inertialsystem (zusammen mit dem Geld und der Bekenntnislogik) verkörpert.
Wer glaubt, die Abstraktion verwerfen und sich der Unmittelbarkeit des Konkreten versichern zu können, verfällt der Abstraktion.
Ist nicht Spenglers „zweite Religiosität“, die heute die Religionen durchherrscht, die die Agonie begleitende Euphorie?
Spätestens im Barock ist die Religion zum Trost der Herrschenden geworden.
Sind nicht Wendungen wie „Ich glaube zu wissen“ und „Ich würde sagen“ Symptome des gegenwärtigen Zustandes des kosmos noetos?
Zu den Vätern im NT vgl. Eph 64 und Kol 321: Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht.
Gehört nicht zu dem Satz „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ auch der andere: „Gott ist kein Gott der Toten, sondern der Lebenden“?
Die Jakobus-Wendung „nicht schnell zum Zürnen“ verweist darauf, daß
– das Zürnen ein Urteilen ist und
– vor dem Urteil die Hemmung des Sich-Hineinversetzens in den, über den das Urteil ergeht, steht.
Sind die Tefillin (die Zeichen an Hand und Stirn) ein Symbol der Bekenntnislogik?
Sch’ma Jisrael: Das Leuchten des Angesichts ist das Licht des Hörens. Das Dunkel des gelebten Augenblicks ist der blinde Fleck im Kern der Philosophie: das tode ti.
Ist der Satz, daß man Herr seiner eigenen Phantasien sein soll, nicht der schärfste Einwand gegen das Fernsehen?
Haben die beiden apokalyptischen Tiere etwas mit der Beziehung des „Ich denke“ zu „meinen Vorstellungen“ (mit der Beziehung von Politik und Ökonomie) zu tun?
Bekenntnislogik
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23.6.96
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17.6.96
Spital begründet die kirchliche Ablehnung des Priestertums von Frauen mit dem Hinweis auf die Einsetzung des Priestertums beim letzte Abendmahl, bei dem auch nur Männer zugegen gewesen seien. Hierzu einige Hinweise:
– zweimal verweisen die Evangelien auf das Gedenken: bei der „Einsetzung der Eucharistie“ und bei der Salbung Jesu;
– war die Teilnahme der Jünger nicht stumm und passiv, und waren es nicht die gleichen Jünger, die in Getsemane geschlafen haben und bei der Kreuzigung geflohen sind, während nur die Frauen Zeugen der Kreuzigung waren?
– Unter diesen Jüngern war der eine, der ihn verraten hat, und der andere, der ihn dreimal verleugnet hat.
– Ist nicht die Eucharistie zum Anfang der Instrumentalisierung des Kreuzestodes, zum Kristallisationskern der Opfertheologie geworden?
Am Verständnis des Abendmahls entscheidet sich, ob Joh 129 in die Opfertheologie hineingehört, oder ob es ein Teil des Nachfolgegebots ist. (Johannes berichtet nicht über das Abendmahl, bei ihm steht an der Stelle die Geschichte von Fußwaschung. Im Johannes-Evangelium wird nicht Wein in Blut, sondern Wasser in Wein verwandelt. Ist nicht das Johannes-Evangelium das Auferstehungs-Evangelium?)
Wenn das Jüngste Gericht das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht ist, heißt das dann auch, daß es gnadenlos gegen die Gnadenlosen sein wird, daß es die Richtenden richten wird?
Hat Lillian Klein nicht ein für allemal klargemacht, weshalb das Buch der Richter ein prophetisches und kein historisches Buch ist?
Der real existierende Sozialismus war ein auf Verwaltung sich gründendes Herrschaftssystem, während der Faschismus als „naturwüchsige“ Volksbewegung sich konstituierte, die die „natürlichen“ Vorurteile aller mobilisiert und ausgebeutet hat. Der Faschismus lebte von der Symbiose („alle hatten das Gefühl, daß Hitler jeden persönlich angeblickt hat“).
Grundlage dieser Symbiose ist eine Emanation der Urteilsform, der Mechanismus der Verurteilung, ein Mechanismus, von dem die Theologie in der Geschichte der Dogmenentwicklung erstmals Gebrauch gemacht hat, und der in diesem Gebrauch sich konstituiert hat, und zwar sowohl im Urschismus (im kirchlichen Antijudaismus) als auch im „Kampf“ gegen die Häresien. Erkauft war diese Symbiose mit dem Ausschluß der Frauen aus der Theologie (und aus der Bekenntnisgemeinschaft, die ein Männerbund war).
Der Mechanismus der Verurteilung war das erste Produkt einer Vergesellschaftung der Philosophie, der Anfang einer Säkularisationsbewegung, an deren Ende die naturwissenschaftliche Aufklärung steht, die den Verurteilungsmechanismus im Inertialsystem (und schon in seiner erkenntnispraktischen Voraussetzung, in den „subjektiven Formen der Anschauung“) selber instrumentalisiert hat. Stabilisatoren dieses Verurteilungsmechanismus waren die Totalitätsbegriffe der Aufklärung: Wissen, Natur und Welt, die in diesem Prozeß erst entsprungen sind (war nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens des Pharao in der Geschichte der zehn ägyptischen Plagen der erste prophetische Begriff dieses Prozesses? – Sind die drei Frösche der Apokalypse, die auf die ägyptische Froschplage zurückweisen, Symbole der Totalitätsbegriffe?).
Das theologische Konstrukt der creatio mundi ex nihilo war nicht nur eine Fortentwicklung des philosophischen Weltbegriffs. In Wahrheit war der Weltbegriff nur über dieses Konstrukt (über seine theologische Verarbeitung mit den Mitteln der Verurteilungsmechanik) zu halten. Der Preis dieser Fortentwicklung war zugleich sein Gewinn, der Mehrwert, der auf diesem Wege produziert worden ist und abgeschöpft werden konnte: die Verinnerlichung der vergöttlichten Herrschaft (die Verinnerlichung des Opfers). Das schlimme Wort aus dem katholischen Weltkatechismus, daß der erste Satz der Bibel, der von Himmel und Erde spricht, damit eigentlich die Welt meine, belegt, daß die Kirche nicht mehr weiß, wovon sie redet (oder weiß sie es nur zu genau?).
Zu den nachkatholischen christlichen Denominationen: Man kann nicht die Orthodoxie rezipieren und gleichzeitig die Philosophie, aus der sie hervorgegangen ist, verwerfen. Hier liegt der Grund, weshalb ich vom Katholizismus nicht lassen kann.
Zur Genese des pathologisch guten Gewissens (und der Verhärtung des Herzens): Die Fatalitäten des Schuldverschubsystems liegen darin, daß sie die Schuld selber unsichtbar machen, sie der Reflexion entziehen; dem verdanken sich die „Schuldgefühle“, die als Materie des Schuldverschubsystems leicht als „irrational“ sich denunzieren lassen, damit aber dem Herrendenken (das der Schuldgefühle der anderen sich bedient, dazu, nämlich zur Reproduktion dieser Schuldgefühle, der Religion und ihrer Institutionen bedarf) die Bahn freimachen, ihm die Widerstände aus dem Weg räumen. Die Befreiung von der Last wird zum Instrument der Unterjochung aller.
Heute beginnen die Dinge sich in eine Normalität zurückzuentwickeln, die es nach Auschwitz eigentlich nicht mehr hätte geben dürfen. Führt diese Normalität nicht aufgrund ihrer eigenen Logik zu dem Punkt, der in der Geschichte der drei Leugnungen als Selbstverfluchung sich enthüllt?
Hegel hat (in der Folge Kants) die Wahrheit zu einer Qualität des Urteils gemacht. Eben dadurch ist ihm das Wahre zum bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist, geworden.
Wenn Drewermann den Begriff der Lehre, zu dem er nur das Dogma assoziieren kann (und dessen jüdische Tradition er offensichtlich nicht kennt), verwirft, so bleibt in der Tat nur die Personalisierung übrig. Die Konfliktunfähigkeit Drewermanns gründet in der Unfähigkeit, im Licht des theologischen Begriffs der Lehre die Urteilsform zu reflektieren. Er bleibt dem Glauben an die Magie des Urteils, der im dogmatischen Theologieverständnis (und d.h. in der katholischen Tradition) begründet ist, verhaftet; deshalb kennt er zur therapeutischen Bearbeitung von Schuldgefühlen keine Alternative. Ebenso wie es einmal einen jüdischen Antisemisemitismus gegeben hat, scheint es heute einen katholischen (klerikalen) Antiklerikalismus zu geben.
Zum Verständnis des Rosenzweigschen Begriffs des „hintertückischen, verandernden Wissen des Denkens“ gehört die Einsicht, daß das Wissen auch im Denken gründet (nicht allein im Objekt). Diese Einsicht verdankt sich der kantischen Vernunftkritik, der Transzendentalphilosophie.
Mit der Sexualmoral hat die Kirche das Jesus-Wort „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ verletzt (und die Welt von jeder Kritik freigestellt).
Die Empörungslust, die hier ihren Ursprung hat, und die jedes Geschwätz und jedes Gerede nährt, ist die Lust, über die die Erbsünde sich fortpflanzt, nicht die Sexuallust. Sie pflanzt sich über die Zunge fort, nicht über den Phallus. Die Empörungslust ist identisch mit der Urteilslust und der Augenlust (mit der Lust an dem Aufdecken der Blöße). Ist das Keuschheitsgebot nicht auch ein die Gotteserkenntnis leitendes Gebot?
Die Empörungslust gründet im Schuldverschubsystem, das mit ihr sich entfaltet und stabilisiert. Wäre die Reflexion dieses Schuldverschubsystem nicht heute der Schlüssel zur Theologie?
Die Empörungslust verhindert die Schuldreflexion; sie verhindert die Reflexion jener Mechanismen, von denen sie bewußtlos Gebrauch macht und deren Objekt sie selber ist.
Die Empörungslust ist Urteilslust, ein Ableger der in die Bekenntnislogik transformierten und zugleich verdrängten Sexuallust. Sie nährt sich vom Rachetrieb, den sie selber zugleich mit nährt. Dagegen steht das Wort „Mein ist die Rache, spricht der Herr“.
Gibt es ein griechisches Wort für den Ankläger, den Satan (wie heißt der Akkusativ im Griechischen?)? Und wie hängt der daimon (der böse oder auch der unreine Geist der Evangelien) mit dem Ankläger zusammen? Gibt es den daimon (auch den sokratischen) erst, seit es den Weltbegriff gibt? Hat die Austreibung der Dämonen (und der daraus abgeleitete kirchliche Exorzismus, auch der Hexenwahn) etwas mit der Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs zu tun (ebenso wie die Krankenheilungen, die Totenerweckungen und die Sündenvergebung)?
Hat nicht Franz von Assissi diesen Zusammenhang noch gekannt, als er dem Mitbruder, der für die Einführung der Studien sich einsetzte, entgegenhielt: Unus daimon plus scit quam tu?
Ankläger ist der kategoros, kategor; Anklage die kategoria, und anklagen kategoreo. Also ist die Kategorienlehre eine Theorie der Anklage.
In ihrem Lexikon der Sprachwissenschaft (Stuttgart 19902) nennt Hadumod Bußmann den grammatischen Begriff Akkusativ (lat. casus accusativus) eine „Fehlübersetzung von griech. ptosis autiatike, Kasus des Bewirkten“ (S. 57). Sind im Griechischen nicht Ursache und Grund (aitia) und die Schuld noch ungeschieden; und verweist nicht der Name der Kategorie (des Begriffs) über die Anklage an die Schicksalsidee, aus der der Begriff hervorgegangen ist? Der Akkusativ ist der eigentlich Objekt-Kasus, der durch diesen Namen in den Kontext des Gerichts (der Anklage und des Richtens) gerückt wird. Gründet nicht die kantische Lehre von den synthetischen Urteilen apriori, die Deduktion der Kategorien, in der Apriorisierung des Objekts durch die subjektiven Formen der Anschauung (durch die transzendentale Ästhetik)?
Im Griechischem gibt es den Parakleten, den Beistand, den Verteidiger.
Das „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ ist der Stachel im Fleisch der griechischen, insgesamt der indoeuropäischen Sprachen.
Das Dogma entspringt mit der Verschiebung der Urteilslust auf die Sexuallust (mit dem Ursprung der Sexualmoral); die Freigabe der Urteilslust durch die Sexualmoral (die aufs engste mit der Geschichte des Zölibats zusammenhängt) ist der apokalyptische Unzuchtsbecher.
mit der Bekenntnislogik, die den Namen leugnet, indem sie ihn bekennt, ist der unreine Geist in die Theologie eingedrungen.
Mizrajim:
– Steckt darin mi und sara? Und gehört zum Namen Mizrajim nicht die Geschichte von Abraham und Sara in Ägypten (taucht hier vielleicht der Name Ägyptens zum erstenmal auf)?
– Hängen die Namen Mizrajim und Israel mit einander zusammen (Mizrajim wird mit Sade, Israel mit Sin geschrieben, ebenso Sara)?
Mit dem „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, hat Kant den Grund der Idolatrie und seiner modernen Denomination, des Nationalismus (der Nationalismus ist der durch den Weltbegriff modifizierte Götzendienst), benannt.
Als Jesus am Kreuz starb, hat die Erde gebebt, ist der Vorhang des Tempels entzweigerissen. Als er auferstand, da gab es keine Pauken und Trompeten, nur das leere Grab, und die ersten, die ihn sahen, erkannten ihn nicht.
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10.6.96
Im „Neuen Denken“ spricht Franz Rosenzweig vom „hintertückischen, verandernden Wissen des Denkens“ (Franz Rosenzweig, Die Schrift, hrsg. Karl Thieme, S. 193). Ist nicht die Bekenntnislogik ein Produkt der Anwendung der Logik des Wissens auf den Glauben? Nur fürs Wissen gilt, daß zwei einander widersprechende Sätze nebeneinander nicht bestehen können. Vgl. hierzu das Wort vom Beelzebub.
Das Wort „Ihr sollt nicht schwören, eure Rede sei ja, ja, nein, nein“ richtet sich auch gegen die Logik des Wissens, die (in den zugrundeliegenden Formen der Anschauung) auf einen Schwur sich gründet, der das All (die Welt) als Zeugen anruft. Jeder Beweis gründet in einem Schwur (in einer Zeugenschaft).
Sind die Emanationen der transzendentalen Ästhetik, neben den subjektiven Formen der Anschauung insbesondere das Geld und die Bekenntnislogik, die allesamt Instrumente der Instrumentalisierung sind, nicht apriorische, institutionalisierte Formen des falschen Zeugnisses?
Das allen hierarchischen Strukturen zugrundeliegende Verhältnis von Delegation, Verantwortung und Exkulpierung läßt sich am Beispiel der Hundehalter demonstrieren: Wenn der Hundehalter das Handeln, das er sich selber verbieten muß (die Aggression gegen einen Fremden) an den Hund delegiert, sind beide exkulpiert: der Hund, der seine Pflicht tut, aber nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, weil er nicht weiß, was er tut, und der Hundehalter, der es ja nicht selbst getan hat.
Die 68er Bewegung, der Antifaschismus als Kirche, oder die vollständige Verwirrung der Bekenntnislogik: Gibt es nicht heute einen philosemitischen Antisemitismus, eine Orthodoxie des Verrats und einen sexistischen Feminismus. Hat der Greuel am heiligen Ort etwas mit dem Glauben an die magische Kraft des Urteils zu tun?
Ist nicht die Furcht vor dem Tod, mit der der Stern der Erlösung anhebt, eine stellvertretende Furcht, ein Produkt des verdrängten Bewußtseins, daß die Geschichte die Produktionsstätte eines riesigen Leichenberges ist, eines Leichenberges, in dessen Anblick alle Unsterblichkeitshoffnungen verdampfen? Die Todesangst (und seine christliche Verarbeitung in der Opfertheologie) war der Motor der Identifikation mit der Welt, der Identifikation mit dem Aggressor, der diesen Leichenberg produziert hat, während der Leichenberg selber als Repräsentant dessen zu begreifen wäre, was seit dem Ursprung der Zivilisation Natur heißt (Natur ist der Name des Knotens, der zu lösen ist).
Franz Rosenzweig hat einmal auf die Komik hingewiesen, die in der Geschichte der ägyptischen Froschplage steckt, bei der die Frösche in die Betten und in die Backtröge eindringen (Ex 8). Haben diese Frösche etwas mit den Fröschen in der Apokalypse zu tun (den drei Fröschen, die aus dem Munde des Drachen, des Tieres und des falschen Propheten kommen – Off 1613)?
Die Reversibilität aller Richtungen im Raum (die Neutralisierung der Unterschiede von vorn und hinten, rechts und links, oben und unten) gehört zu den Konstituentien sowohl der Orthogonalität als auch des Objektbegriffs. Beide, die Orthogonalität und der Objektbegriff, gehören zusammen. Die Orthodoxie hat mit der objektkonstituierenden Logik, mit der Logik des Wissens, diese Orthogonalität in die Lehre hineingebracht (sie „hintertückisch verandert“). Eine Orthodoxie in diesem Sinne kennt nur das Christentum.
Gott hat die Finsternis erschaffen und dann das Licht gebildet. Steckt nicht in dem Slogan „Bewahrung der Schöpfung“ ein Stück der Intention, die die Finsternis, in der es sich eigentlich ganz gut leben läßt, vor diesem Licht bewahren möchte? Die Finsternis war die letzte der ägyptischen Plagen, vor der Tötung der Erstgeburt.
Hat nicht das Christentum immer wieder die Bibel nur zur Illustration der Gegenwart benutzt – so ist die Schrift erbaulich geworden -, während es darauf ankäme, die Gegenwart im Licht der Schrift zu begreifen? Nur so wird aus dem Instrument der Rechtfertigung eins der Befreiung. Wurzelt nicht der Glaube an die Magie des Urteils im Rechtfertigungszwang (der die 68er Generation so überfallen hat, daß sie keinen andern Ausweg mehr sah). Blasphemischer Text eines HJ-Liedes: „Unsere Fahne flattert uns voran, unsere Fahne ist die neue Zeit, unsere Fahne führt uns in die Ewigkeit, ja, die Fahne ist mehr als der Tod.“ -
9.6.96
Das Inertialsystem ist der exzentrische logische Kern einer Sprache, die das dialogische Element verdrängt hat, die nur noch die stumme Gemeinschaft der Gattung herstellt und repräsentiert. Theologie als „Rede von Gott“: Erinnert die Rede nicht an das stumme Volk und den durch die Predigt zum Monologisieren verurteilten Pfarrer? Die Verwaltung verhält sich zu den Subjekten wie das Inertialsystem zu den Objekten. Der Reflex des Inertialsystems im Subjekt ist die Bekenntnislogik. War nicht Konstantin in der Tat ein Kirchenvater, wobei er (wie andere Väter auch) nicht wußte, was er tat, als er sein Votum für die homousia abgab (ist der Kern der homousia, der Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater, nicht das prophetische Wort <„Spruch des Herrn“>, als dessen Verkörperung und Erfüllung der „Logos“ sich begreift)? Der „Negativismus“ der kritischen Theorie, den übrigens weder Horkheimer noch Adorno streng durchgehalten hat, in den vielmehr beide etwas von der Tradition der Lehre mit eingeschmuggelt haben, ist nur in theologischem Zusammenhang, und d.h. nur außerhalb der monologischen Logik des Wissens, wenn nicht zu widerlegen, so doch so einzugrenzen, daß sich der Blick auf einen Bereich, der dem Begriff der Theorie sich entzieht, dem Namen der Lehre dagegen aufs genaueste entspricht, neu eröffnet. Nur in theologischem Zusammenhang ist der objektive Anspruch der Kritik, der dem Konzept der kritischen Theorie zugrundeliegt, noch zu begründen. Zu gewinnen ist dieser Begriff der Kritik, der zuerst als Kritik der politischen Ökonomie sich entfaltete, in der Kritik der Naturwissenschaften. Deshalb war und ist Kant in diesem Zusammenhang wichtiger als Hegel.
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2.6.96
Zum Problem der Gattung: Der mittelalterliche Begriffsrealismus (das logische Pendant des kirchlichen Antijudaismus) ist die logische und historische Wurzel des Rassismus. Er gründet in der Verwerfung des Namens, der niemals auf eine Gesamtheit von Objekten, auf die Subsumtionsbeziehung von Allgemeinem und Besonderen, und d.h. als Begriff, sich anwenden läßt.
Das katholische Verständnis des Namens, das in der Feier des Namenstages, in der Beziehung des Namens zum Heiligen, einmal sich ausdrückte, war Teil einer Theologie, die den Begriffsrealismus in der Logik des Namens zu begründen versuchte.
Das Problem des Bekenntnisses ist das Problem der öffentlichen Erkennbarkeit der Religion, einer Religionsgemeinschaft. Es ist in die Geschichte der „Öffentlichkeit“ verstrickt. Frage: Sind Kirchen, die wie Großbetriebe geführt werden, noch als Kirchen erkennbar?
Merkwürdige Bildung der den Summenzahlen 153 (die Zahl der gefangenen Fische – Joh 2111), 276 (die Zahl der beim Schiffbruch vor Malta Geretteten – Apg 2737) und 666 (die Zahl des Tieres vom Lande Off 1318) zugrundeliegenden Basiszahlen: 17 = 1 x 10 + 7, 23 = 2 x 10 + 3, und 36 = 3 x 10 + 6?
Grundlage der raf-Prozesse: Das Inertialsystem macht den Verteidiger zu einem Hilfsorgan des Rechts.
Der Glaube an die magische Kraft des Urteils gründet in der Beziehung des Urteils zum Schuldzusammenhang, dessen kritische Entschlüsselung noch aussteht. Dieser Schuldzusammenhang, durch dessen Kritik die theologische Idee der Wahrheit, die die Versöhnung mit einschließt, überhaupt erst sich konstituiert, drückt in erster Linie in der logischen Gewalt der Totalitätsbegriffe, des Wissens, des Natur- und des Weltbegriffs sich aus. In diesem Kontext wäre der Begriff der Umkehr, ohne den die Wahrheit der Theologie nicht gedacht werden kann, neu zu bestimmen, wäre er aus seiner Einbindung in den Schuldzusammenhang, in den ihn der christliche Begriff der Buße gebracht hat, endlich zu befreien (Maria Magdalena, die „Büßerin“).
Hat unsere Theologie nicht ihren Beitrag dazu geleistet, das Magnificat auf den Kopf zu stellen: das Erbarmen umzulenken von den Armen und Ohnmächtigen auf die Reichen und Mächtigen? -
27.5.96
Verdinglichung hat einen magischen Kern. Deshalb konvergiert in Adornos Kritik der Verdinglichung der aufklärerische mit dem theologischen Impuls.
Alle Magie ist Urteilsmagie, die Urteilsform die Wurzel der Magie, ihr Wurzelgrund, der Boden, aus dem sie erwächst: die subjektiven Formen der Anschauung, deren Reflexion das dringendste Desiderat des gegenwärtigen Standes der Aufklärung ist.
Die Sprache unterscheidet sich von der naturwissenschaftlichen Erkenntnis durch die Fähigkeit zur Schuldreflexion; in dieser Fähigkeit gründet die erkennende Kraft des Namens.
Die „Wertfreiheit“ der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, die Trennung von Wert und Sein, wird erkauft mit der Instrumentalisierung der Schuld (mit der Herrschaft des Schuldverschubsystems). Die Urteilsmagie ist die Kehrseite dieser Instrumentalisierung der Schuld.
Das Schuldverschubsystem begründet die entlastende Logik des Weltbegriffs.
Ist nicht Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns ein Produkt des undurchschauten Glaubens an die magische Kraft des Urteils?
Wie hängen die zehn ägyptischen Plagen mit der Konstituierung des Inertialsystems zusammen?
Gibt es nicht bei Marx eine Stelle, an der es heißt, daß die Gesellschaft sich keine Probleme stellt, die sie nicht auch zu lösen vermag? Wie hängt das mit dem von Hinkelammert in seiner „Kritik der utopischen Vernunft“ zitierten Topos zusammen, daß das Bestehende in sich selbst die Kraft der Selbstrechtfertigung hat? Trifft dieser Satz nicht die Realität genauer (aber auch erschreckender)?
Das Urteil eines Gerichts wird durch Beschluß gefällt. Drückt in dem Präfix be- (das im Englischen an die Stelle des Infinitivs „Sein“ tritt), in Worten wie Bekenntnis, Bekehrung, Beschluß, die Gewalt des Inertialsystems (der subjektiven Formen der Anschauung) über die Sprache sich aus? – Was unterscheidet den Beschluß vom logischen Schluß, das Bekenntnis vom Glauben und die Bekehrung von der Umkehr?
Der Satz Hamlets „To be or not to be, that’s the question“ ist eigentlich nicht übersetzbar. Das mag man an dem späten Echo in Heideggers Satz, der etwas ganz anderes ausdrückt: „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts“, ermessen. In diesem Satz gründet jene Hypostasierung der „Frage“, die in Begriffen wie „Seinsfrage“, „Kostenfrage“, „Judenfrage“, die keine Antwort, nur noch Maßnahmen erwarten, sich aus. Hängt dieser Begriff der Frage nicht mit Miskottes Titel „Wenn die Götter schweigen“ zusammen, und widerlegt er ihn nicht?
Ursprung des pathologisch guten Gewissens: Heideggers Fundamentalontologie hat der Logik des Inertialsystems, die die benennende Kraft der Sprache storniert, auslöscht, auch darin sich gleichgemacht und unterworfen, daß sie die Differenz zwischen Täter und Opfer verwischt, den Tätern die Möglichkeit eröffnet, sich vor sich selbst als Opfer zu fühlen. Sie entspricht damit dem Stand der Aufklärung.
Im Paradies waren die Menschen nackt, aber sie schämten sich nicht. Erst nach dem Sündenfall „gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“. Ob sie sich dann schämten, wird nicht mehr gesagt, nur noch durch ihr Handeln stumm demonstriert: Sie machten sich Schurze aus Feigenblättern, die Gott dann durch Röcke aus Fellen ersetzte. Anmerkungen hierzu:
– „Da gingen ihnen die Augen auf“: Sie lernten, sich in den Augen der andern zu sehen; war das nicht die Folge der Erkenntnis des Guten und Bösen und zugleich die Basis der Objekterkenntnis, der Ursprung der objektivierenden Kraft des Denkens?
– Sind die „Röcke aus Fellen“ Symbol der Trennung von Vernunft und Physis, von Ich und Es, Hinweis auf den Ursprung sowohl des Unterbewußten als auch der unabhängig von der subjektiven Willkür und Kontrolle ablaufenden animalischen Funktionen in der eigenen Physis, auf den Ursprung des Triebs, der Begierde?
Bezieht sich der gesamte Vorgang nicht auf einen sprachlichen Sachverhalt? Nur wer gelernt hat, sich in den Augen anderer zu sehen, steht unter dem Zwang, über andere als Objekte zu reden.
Goethe hat die Farben die „Taten und Leiden des Lichts“ genannt. Ist nicht die gesamte Grammatik der corpus der Taten und Leiden der Sprache?
Kommt der Titel Pharao so nur in der Bibel vor, oder ist er auch durch andere Quellen belegt? Der Kleine Pauly nennt die Bedeutung des altägyptischen Titels (das „Große Haus“), der „so auch im AT benutzt“ worden sei (Bd. 4, Sp. 711). Adelheid Schott schreibt in „Schrift und Schreiber im Alten Ägypten“, daß „schon griechische Autoren … uns das Wort als `Pharao`“ überliefert hätten (?), allerdings ohne Quellenangabe (S. 47); später verweist sie auf den etymologischen Zusammenhang des Wortes Papier (papyros) mit dem Wort Pharao („das des Hauses“, „das der Verwaltung“, S. 67). -
26.5.96
Zum Gesicht gehören zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher und ein Mund: Warum sind die aufnehmenden, empfangenden Sinnesorgane doppelt, das aktive (der sprechende Mund) hingegen nur einfach?
Sind nicht auch die ersten Manifestationen der Schöpfung doppelt: das Tohu und das Bohu, die Finsternis und der Abgrund, der Geist Gottes und die Wasser?
Sch’ma Jisrael: Angesprochen ist nicht der einzelne Israelit, sondern Israel (im einzelnen Israeliten Israel?).
Die Welt: das subjektlose Kollektivsubjekt, die subjektlose Gemeinschaft aller. Der Raum, das Geld und die Bekenntnislogik sind die Elemente der versteinerten Gattung (des versteinerten Herzens).
Die Eucharistie: Das Brot, das zum Wort wird, ist das gebrochene und mit den Armen geteilte Brot. Vergleiche die Geschichte in der Apostelgeschichte, die der Einsetzung der sieben Diakone vorausgeht, mit der Stelle in 1 Kor, die mit dem Hinweis endet, daß, wer das Brot und den Kelch unwürdig genießt, sich das Gericht ißt und trinkt.
Die Pforten der Hölle, das ist das Tor des Nordens (der Linken), das Tor aber ist der Ort der Versammlung, der ekklesia, der Kirche.
Die Urteilsmagie schirmt das Vorurteil gegen die Reflexion ab. Es ist kein Zufall, daß zu den Topoi des Antijudaismus der Hostienfrevel (die Phantasmagorie der Verletzung der Urteilsmagie) gehört.
Heute darf die Standesehre bestimter Berufe (Ärzte, Soldaten, Polizei) nicht angegriffen, dürfen Staatssymbole nicht verunglimpft werden.
(Die theologischen Wurzeln der raf:) Im Zentrum der thomistischen Theologie steht die Eucharistieverehrung, in dem der Hegelschen Philosophie der Dingbegriff. Das sensuum defectui aus dem Tantum ergo hat im Inertialsystem (der säkularisierten Gestalt der Orthodoxie, der verdinglichten Bekenntnislogik und der instrumentalisierten Urteilsmagie) sich vollendet.
Nur wer begreift, daß die Urteilsmagie dem Faschismus nicht nur nichts anhaben kann, sondern im Gegenteil ihn reproduziert, daß alles verstehen nicht alles verzeihen heißt, daß das Verstehen und Verzeihen (ebenso wie das Studium und die Berufsausbildung) vielmehr endlich zu entkoppeln sind, die Vernunft aus den Verstrickungen des Rechtfertigungszwangs zu lösen ist, wird fähig, die Gegenwart zu begreifen.
Allein die Sprache macht die Welt erfahrbar. Lassen die Kräfte sich bestimmen, die die Sprache (und mit ihr die Erfahrungsfähigkeit) zerstören? (das Urteil, die Mathematik, die intentio recta, die subjektiven Formen der Anschauung <die Unfähigkeit, das Hintere vom Vorderen, Rechts und Links, und das Obere vom Unteren zu unterscheiden>, die Medien, der Positivismus, das Schuldverschubsystem, das Gerede, die Reklame)
Ohne Sprache gibt es keine Wahrnehmung des Leidens, keine Schulderfahrung (werden Unglück und Verbrechen zu objektiven, wertfreien Vorgängen), lassen Tun und Leiden, Aktiv und Passiv, Täter und Opfer, Ursache und Wirkung, nicht mehr sich unterscheiden (die transzendentale Logik zieht ihre logische Kraft aus der Sprache, ihre „Apriorität“ aus den subjektiven Formen der Anschauung: aus der Neutralisierung des Leidens und der Schuld). -
22.5.96
Die Verwüstung, die der Faschismus im Bekenntnisbereich angerichtet hat, vollendet die Ökonomie heute in der Realität.
Der Faschismus hat die Feste zerstört, allen voran Weihnachten: Er hat aus dem Fest des Schenkens das Fest der unerfüllten Wünsche und Erwartungen gemacht, und in diese Lücke konnte dann machtvoll und unverschämt über das zur Reklame verkommene Fest das Weihnachtsgeschäft eindringen (konnte die Ökonomie ihr Werk der Verwüstung vollbringen).
Mauerbau und „Asylkompromiß“, Beispiel einer asymmetrischen Reflexion: Eine realsozialistische Planwirtschaft und ein freier Warenmarkt sind nur möglich, wenn der freie Personenverkehr unterbunden wird.
Mit Hilfe der „terms of trade“ und der Schuldendienste rauben wir die Dritte Welt aus und sperren die Beraubten in die zum KZ der Metropolen umfunktionierten „Entwicklungsländer“ ein.
„Wenn die Götter schweigen“: Sind nicht stumme Kommandos (Kommandos, die über die instrumentalisierte Selbsterhaltung sich die Gewalt des Eigeninteresses geben) wirksamer und unwiderstehlicher als verbalisierte, denen man noch widersprechen kann (Aufgabe der Folter ist es, politische Kommandos durch Bindung ans Selbsterhaltungsprinzip von der Last der Sprache und des Widerspruchs zu befreien; Reklame ist das marktwirtschaftliche Äquivalent der Folter; ihre Opfer sind die Arbeitslosen, die Sozialhilfeempfänger, die Armen)? Was heute stumm und mit eingebauter Exkulpationsautomatik abläuft, wäre anhand seiner Folgen am Faschismus zu studieren.
Existenzdenken: Für das am Prinzip der Selbsterhaltung geschulte Bewußtsein sind die Armen (die Verlierer) apriori schuldig und nur die Reichen (die Sieger) gerechtfertigt. (Dazu Jak 51: „Nun zu euch, ihr Reichen: Heult, schreit über das Elend, das auf euch zukommt.“) -
15.5.96
Die Bekenntnislogik trennt das Erbauliche von der Wahrheit. Das Erbauliche ist das (leere, gereinigte und dann) geschmückte Haus, das offensteht für die Rückkehr der Dämonen. Erkennbar ist das Erbauliche an der Psychologisierung objektiver Vorgänge (an der Vorstellung, die Psalmen ließen sich unreflektiert auf private Erfahrungen und Konstellationen anwenden), an der Neigung zu kontrafaktischen Urteilen, an einem Textverständnis, daß von der Intention des Autors ausgeht („was will uns der Autor damit sagen“) anstatt von der Objektivität sprachlicher Gebilde: von einem Sprachverständnis, das vom Begriff der Information und von der Mitteilungsfunktion der Sprache ausgeht.
Das Subjekt der Psalmen (und das Objekt der Prophetie) ist nicht eine individuelle Privatperson, sondern Israel (die private „Einfühlung“ in biblische Texte ist erbaulich). Die Austreibung Israels aus der Sprache und aus den Texten kehrt als subjektives Bedürfnis nach der „Gemeinde“ wieder.
Die Jonas-Texte bei Miskotte sind ein Opfer dieser Erbaulichkeit. Erschreckend, mit welcher Verachtung Miskotte von Jonas spricht; trägt sie nicht allzudeutlich projektive Züge? Ist nicht seine Theologie eine Theologie im Bauch des Fisches, eine Theologie, die vor dem Handgemenge, in das sie sich hätte bei Erfüllung des prophetischen Auftrags einlassen müssen, zurückschrickt und nach Tarschisch flieht? Ist es nicht diese Theologie, der die „Gemeinde“ zur Zuflucht, und d.h. zum Bauch des Fisches, geworden ist? Ist nicht die „Verstockung“ des Jonas ein prophetisches Wort an die Kirche (die Gemeinde)?
Weshalb erinnert mich das Wort Gemeinde an Behörde?
Ist nicht das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ ein Jonas-Wort? Sind nicht die, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, auch die, die nicht wissen, was sie tun? Und führt dieses Wort nicht ins „Handgemenge“ mit der Welt?
Zur Geschichte der Verstockung des Herzens: Wenn der Infinitiv Sein mit dem (im Deutschen gleichlautenden) Possessivpronomen der 3. Pers. sing. m. zu tun hat, dann ist die Ontologie die philosophische Grunddisziplin des Patriarchats, aber zugleich auch eine, die nicht mehr weiß, daß sie es ist. Ist nicht Heideggers „Sein zum Tode“ und das „Vorlaufen in den Tod“ die Erfüllung des Worts „Laßt die Toten ihre Toten begraben“, das an einen erging, der, bevor er nachfolgte, erst seinen Vater begraben wollte?
Das Sein, die Kopula des Urteils, an der schon Franz Rosenzweig die „verandernde Kraft“ erkannt hat, ist ein Instrument des Patriarchats: Das Urteil ist nicht zu retten.
Die Selbsterhaltung bedarf nicht der Rechtfertigung, wohl aber der Reflexion: Die unreflektierte Selbsterhaltung betreibt das Geschäft des Feindes.
Das Prinzip, daß man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen, läßt sich aus dem Stand der Aufklärung ableiten. Dem entspricht es, wenn das Recht nicht mehr die Tat, sondern das Erwischtwerden diskriminiert, wenn alle Straftatbestände aus Prinzipien der Beweislogik sich ableiten lassen. Ist diese Logik nicht im Prinzip des Strafens begründet? Die Strafe aber setzt an die Stelle der Versöhnung die Sühne, mit der der Staat sich an die Stelle des Opfers setzt: Nicht das Opfer ist das Objekt des Verbrechens, sondern der Staat, und dessen Recht wird nicht durch die Tat, sondern dadurch, daß sie öffentlich wird, verletzt. -
12.5.96
Das Glaubensbekenntnis gleicht logisch dem Schuldbekenntnis, das der Ankläger vom Angeklagten fordert. Beide sind durch Umkehr aufeinander bezogen, sie bilden ein System der Reversibilität: Das juristische Schuldbekenntnis und das darauf gründende Urteil machen die Schuld zu einer dinglichen Eigenschaft des Angeklagten und spricht die Welt frei, während das Glaubensbekenntnis den Bekennenden freispricht und die Welt der verdinglichenden Gewalt des Schuldzusammenhangs unterwirft; es macht dem Schuldverschubsystem (dem Objektivierungsgesetz und der Instrumentalisierung) den Weg frei. Das gemeinsame Referenzsystem beider ist der Weltbegriff, das Herrendenken. Es gibt keinen Weltbegriff ohne Opfertheologie, ohne die Logik der „Entsühnung der Welt“.
Der Bekenntnisbegriff begründet den Glauben an die magische Kraft des Urteils, der dem Naturbegriff, der Historisierung der Gegenwart und dem Herrendenken zugrundeliegt. Seine Grundlage ist die Gegenständlichkeit des Vergangenen (die in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit sich vollendet). Gegen den Bekenntnisbegriff steht die Erinnerungsarbeit, die Fähigkeit zur Schuldreflexion.
Verhalten sich nicht Glaubens- und Schuldbekenntnis zueinander wie Natur und Welt? Und ist nicht die Rechtfertigung eine Art Orthogonalisierung? -
7.5.96
Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag: oder zweitausend Jahre Christentum wie Auschwitz? Nur die Bekenntnislogik hindert uns daran, die Wahrheit und das Gewicht dieses Satzes zu begreifen.
Auch Miskotte steht unter dem Bann der Bekenntnislogik.
Der „Rechtsstaat“ wird durch den Satz widerlegt, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht.
Die dogmatische Rezeption des Weltbegriffs war ebenso provientiell wie verhängnisvoll. Sie hat das Dogma zur Geburtsstätte der Aufklärung gemacht, die christliche Theologie aber zugleich daran gehindert, das zu erkennen (sich in der Aufklärung wiederzuerkennen).
Die subjektiven Formen der Anschauung und das Inertialsystem sind Produkte der Instrumentalisierung des Dogmas, des „Glaubensbekenntnisses“. – Hat das Inertialsystem nicht, was das Dogma auf Erden gebunden hat, auch im Himmel gebunden, und arbeitet nicht in beiden die Kraft des logisch-theologischen Konstrukts von Opfertheologie und Entsühnung der Welt?
Die Opfertheologie und das Konzept von der Entsühnung der Welt fundieren die Verwaltung und legen den logischen Grund für die hierarchische Struktur der Gesellschaft.
Im Englischen ist der clergy der Geistliche, der clerk der Büroangestellte: und die Kirche ist Staatskirche, die queen sowohl Staatsoberhaupt als auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche (im Amerikanischen ist der clerk nicht der Verwaltungsangestellte, sondern der Verkäufer/die Verkäuferin: was bedeutet es für die gesellschaftliche Funktion und das Selbstverständnis der Religion, wenn sie am Markt sich orientiert und auf dem Markt sich behaupten muß?).
Die intentio recta macht die Erkenntnis zu einem Instrument und damit beherrschbar.
Erinnert das Wort von der Verwirrung der Sprache nicht an den Namen des diabolos? Und hat der Turm von Babel etwas mit dem Neutrum (und mit der Schlange) zu tun?
Unser Bewußtsein ist ein Bewußtsein der Welt, und die logische Struktur der Welt bestimmt die logische Struktur unseres Bewußtseins. Das aber heißt, daß die Geschichte unseres Bewußtseins in die Geschichte der Welt verflochten ist.
Im griechischen Mythos ist das Schicksal als logischer Kern der Götterwelt hervorgetreten und erkennbar geworden. Das war die historische Voraussetzung des Ursprungs der Philosophie. In der Philosophie hat sich das Subjekt mit der Welt gemein gemacht (hat das Subjekt die Gemeinheit der Welt sich zu eigen gemacht).
Die Geschichte der drei Leugnungen: das Urschisma, der Islam und die Aufklärung, oder die Orthodoxie, der lateinische Katholizismus und die Konfessionalisierung.
Haben die drei Leugnungen Petri nicht auch etwas mit den drei Versuchungen Jesu zu tun: Das Urschisma mit der Verwandlung von Steinen in Brot, die Islamisierung mit der Herrschaftsverführung und die Aufklärung mit dem Sturz von der Zinne des Tempels: einem Ende der Religion, das von keinem Engel aufgefangen wird?
Wenn es einen Fortschritt, eine logische Stufenfolge in der Geschichte gibt, dann war die „Theologie hinter dem Rücken Gottes“, das Dogma und die Orthodoxie (mit der Opfertheologie im Kern) eine Vorstufe der modernen Aufklärung (mit der mathematisch-wissenschaftlichen Naturerkenntnis im Kern), dann hat sie in der wissenschaftlichen Naturerkenntnis „sich erfüllt“.
Anhand des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit läßt sich nachweisen, daß die Reversibilität aller Richtungen im Raum nur für den mathematischen, nicht für den realen Raum gilt: Deshalb ist eine Logik, die sich des Mittels der Beweisumkehr bedient, gemein.
Im Raum ist kein Unterschied zwischen vorn und hinten, rechts und links, oben und unten, wohl aber in der Sprache.
Hat das „voller Augen“ in der Merkaba-Vision (in Ez 118 nur „die Felgen“ <der Räder>, in 1012 „ihr ganzer Leib, ihr Rücken, ihre Hände, ihre Flügel, auch die Räder“ <der Wesen>) etwas mit den subjektiven Formen der Anschauung zu tun? -
27.4.96
Was bedeutet eigentlich das „visibilium omnium et invisibilium“ im Credo, wie hängt es mit dem „factorem caeli et terrae“ zusammen: Ist das Gemachte (auf das das Credo die Schöpfung reduziert) aufs Sehen und das Geschaffene aufs Hören bezogen? Das Wort und der Name kommen im Credo nicht vor. Läßt sich das Credo definieren als Besiegelung der Zerstörung der Prophetie durch Verdinglichung? Hier läßt sich die Differenz von Schrift und Wort, Begriff und Name, mit Händen greifen.
Gemeinheit ist nicht mehr nur kein strafrechtlicher, sondern darüber hinaus auch kein diskriminierungsfähiger Tatbestand mehr. Es gibt Gemeinheiten, gegen die man sich nicht einmal mehr wehren darf. Gemeinheit ist (als Kern aller Empfindlichkeiten) heute zu einem schützenswerten Rechtsgut geworden. Bezeichnet nicht die Gemeinheit den Empfindlichkeitskern der Person?
Ende der Metzgertheologie: Verweisen nicht der Kelch von Getsemane, der Wein und das Blut des Neuen Bundes, die Opfertheologie auf eine gemeinsames Zentrum, dessen Bedeutung erst sich enthüllt, wenn es dem Bannkreis der Instrumentalisierung entronnen ist? Ist dies nicht der zentrale Satz: Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde …? Ist nicht der Tod erfahrbar nur als Tod der anderen; und ist der eigene Tod im Kern nicht auch ein Tod für andere (aber kein „stellvertretender“)? Welche Bewandnis hat es hier mit dem Inertialsystem, mit dem Geld und mit der Bekenntnislogik, und was bedeutet in diesem Kontext der letzte Satz des Jakobus-Briefes? Hat das Christentum nicht mit der Rezeption der Lehre von der unsterblichen Seele, von einer Unsterblichkeit, die jeder nur für sich selbst erhofft, sich selbst den Zugang zur Eschatologie versperrt? Eschatologisch ist die Lehre von der Auferstehung, die sich aber zunächst auf die der anderen bezieht. „Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns“ (Kafka).
„Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Nackt ist man im Blick der anderen; nackt ist man als anderer für andere: Kündigt sich in der Erfahrung, nackt zu sein, nicht zum erstenmal der Tod an (und gründet darin nicht die Affinität der Nacktheit zur Photographie)? Was hat es dann zu bedeuten, wenn Gott den ersten Menschen anstelle des Rocks aus Feigenblättern, mit dem sie ihre Blöße zu bedecken versuchen, einen Rock aus Fellen gibt?
Während Heidegger die Unlösbarkeit des Todesproblems in der Philosophie mit der Identifikation mit dem Aggressor (mit dem „Vorlaufen in den Tod“) beantwortet, ist sie für Rosenzweig zum Kernstück seiner Lehre von der Umkehr geworden.
Die drei evangelischen Räte sind die drei Antworten auf die Gewalten des Todes (sind nicht die „sieben unreinen Geister“ diese Gewalten des Todes: die Irrsterne).
Aber hat nicht das Christentum durch die Subsumtion der Eschatologie unters Selbsterhaltungsprinzip (durch den katholischen Mythos) eine Situation geschaffen, die die Nekrophilie und die Mordlust fördert (und das einzige, was aus dem Bann herausführt: das „Stark wie der Tod ist die Liebe“, verdrängt)?
„Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“: Muß es nicht heißen: Die Pforten der Unterwelt, des Totenreichs?
Inertialsystem (Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit): Wer das Vergangene in die Vergangenheit einsperrt, sperrt sich selbst mit ein.
Licht und Finsternis beziehen sich beide aufs Sehen und Gesehenwerden zugleich: Im Licht sehe ich und werde gesehen, in der Finsternis sehe ich nichts und werde nicht gesehen. Die Unterscheidung von Licht und Finsternis, auch die von Tag und Nacht, ist physikalisch nicht nachvollziehbar, weil der den physikalischen Erscheinungen zugrunde liegende (mathematisch definierte) Raum, der Raum der Anschauung, vom Blick des Andern (vom Angesicht) und damit von der Möglichkeit gesehen zu werden abstrahiert. (Die Definition des seligen Lebens als „selige Anschauung Gottes“ ist falsch, weil sie von Gottes Angesicht, das kein Gegenstand der Anschauung ist, abstrahiert.)
Der Zeuge ist einer, der gesehen hat und deshalb weiß. Sein Wissen ist beweislogisch verwertbar.
Ist nicht das Wort, daß niemand eine größere Liebe hat als wer sein Leben hingibt für seine Freunde, wenn es für „Heldendenkmäler“ mißbraucht wird, zur Blasphemie entstellt?
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