Berlin

  • 28.9.1996

    Steckt in der kantischen Unterscheidung eines feminenen und eines neutrischen Erkenntnisbegriffs (die bzw. das Erkenntnis) ein bei seinen Nachfolgern schon verdrängtes Bewußtsein davon, daß die transzendentale Logik eine neutralisierte Erkenntnisform begründet? Und liegt hier nicht der Grund für die „romantische Revolution“, die Isaiah Berlin (in Lettre 34, S. 76ff) zu beschreiben versucht? Im Bann der Logik dieser neutralisierten Erkenntnis wird das Wahre (nicht die Wahrheit) zum „bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“ (Hegel, Vorrede/Einleitung zur Ph.d.G.).
    Kant begründet seine Vernunftkritik mit dem Hinweis auf die kopernikanische Wende, in der er das Modell seiner philosophischen Revolution erkennt. Ist die transzendentale Logik nicht in der Tat das philosophische Äquivalent der newtonschen Gravitationstheorie, beschreiben nicht beide gemeinsam den Grund und die Grenzen des Begriffs der Erscheinung (und im Begriff der Erscheinung das Korrelat des Begriffs, den Inbegriff aller Objekte von Urteilen)?
    Ist die Fähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, der Anfang der Gotteserkenntnis? Und war es nicht der Pharao, der, weil er Joseph nicht mehr kannte, auch den Namen Gottes nicht mehr kannte? Deshalb mußte Moses auf den „Gott der Hebräer“ sich berufen, wenn er zum Pharao ging.
    Israeliten heißen die, die Gott fürchten; Hebräer heißen die Gottesfürchtigen von außen: in den Augen der Völker. Vereinigt nicht der Name des Gottessohns beide Aspekte in sich (mit der Folge, daß durch die Dogmatisierung dieses Namens seine Wahrheit verdrängt wird, nur der Blick von außen, der dämonische Gebrauch des Namens zurückbleibt: der Gott der Hebräer)?
    Backstreet boys: Gibt es dieses Gekreische nicht auch in der Religion?
    Das „geboren aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria“, das in einigen frühen Bekenntnistexten sich findet, enthält die Erinnerung an den Mutterschoß, aus dem die Propheten berufen wurden, während das „natum de spiritu sancto ex Maria virgine“ den Heiligen Geist in den zeugenden Gott mit hereinnimmt (und die Prophetie storniert).
    Die Erstgeburt ist dem Moloch zubestimmt, seine Auslösung durchs Opfer (des Lammes, auch der Taube) gehört zur Ursprungsgeschichte der Offenbarung. Bei der Bindung Isaaks war der erste Engel, der das Opfer forderte, der Engel Gottes, der zweite, der es verhinderte, der Engel des Herrn. Auch dem Zacharias und der Maria ist der Engel des Herrn erschienen: er nannte sich Gabriel.
    Nach Emmanuel Levinas stehen die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ: Ist nicht der Indikativ die Sprache des Selbstbewußtseins, das sprachliche Korrelat des Weltbegriffs und des Objektivationsprozesses, den der Weltbegriff begründet und legitimiert? Aber gibt es nicht doch auch einen theologischen Indikativ: den der Lehre?

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