Blut

  • 17.12.93

    Was versteht Manfred Pohl unter der „relativ autoritären staatlichen Geld- und Kreditpolitik“ im 19. Jahrhundert (S. 218)? Ist eine „nichtautoritäre“ Geld- und Kreditpolitik (die dann wohl nur den Marktgesetzen zu gehorchen hätte und auf alle Schutzregelungen für den Teil der Bankkundschaft, der auf die Dienstleistungen der Banken angewiesen sind, ihrem Machtmonopol aber nichts mehr entgegenzusetzen hat, verzichten sollte) im Ernst denkbar?
    Ebd.: Die neugegründeten Aktien- und Kreditbanken „(nahmen) sich vor allem der Finanzierung der Industrie und des Eisenbahnbaus an“, während die alten Privatbanken weiterhin „bedeutsam (waren) bei der Handelsfinanzierung und bei der Plazierung öffentlicher Anleihen“. Die Nazis unterschieden später zwischen „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital?
    Was drückt sich in den Bezeichnungen der Währungseinheiten (Lire, Franc, Mark, Schilling, Gulden, Dollar, Pfund) aus? Ist nicht u.a. der Franc (der 1795 einführt wurde, vgl. S. 220) ein Nationalbegriff, die Mark ein Machtbegriff, das Pfund ein Gewichts- (Materie-, Masse-)begriff?
    S. 222: „Nationalinteressen waren europaweit agierenden Familienunternehmen wie Rothschild, Warburg oder Lazard (d.h. den Privatbanken, H.H.) fremd.“ Erst die Aktien- und Kreditbanken (die u.a. als Depositenbanken Einlagen entgegennahmen und als kurzfristige Kredite weiterverleihen) waren demnach nationalistisch, imperialistisch orientiert, Vorläufer und Agenten jenes Modernisierungsschubs, der in den Weltkriegen sich entlud?
    S. 229: Hinweis, daß „in den kontinentaleuropäischen Ländern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts benötigter Wohnraum zunehmend gemietet wurde“, während „in Großbritannien ein Großteil der Bevölkerung vorwiegend in eigenen Häusern (lebte)“.
    Blut und Boden:
    – Der Zusammenhang von Blut und Sprache (wenn von semitischen oder indogermanischen Rassen und Völkern geredet wird) ist eine der keineswegs nur irrationalen (aufgrund ihrer christlichen Wurzeln nur bis heute unaufgearbeiteten) Ursachen des Rassismus: Er gründet in der christlichen Opfertheologie.
    – Ist nicht der „Boden“ (den man unter den Füßen verlieren kann) der der Herrschaft des Eigentumsprinzips unterworfene Acker? In der Bibel gibt es eine Beziehung der Schuhe (der Fußbekleidung) zur Inbesitznahme: Mußte nicht deshalb Moses vor dem brennenden Dornbusch seine Schuhe ausziehen? Ist nicht das Heilige das, was nicht zum Eigentum werden, nicht instrumentalisiert werden darf?
    Weist nicht der biblische „Staub“ ebenso auf den Begriff des Bodens (den instrumentalisierten Acker) und damit auf den Namen Adams zurück? Wann „schüttelt (man) den den Staub von seinen Füßen“ (Mt 1014)?
    Person, Schicksal und Charakter:
    – Person ist die innerweltliche Erscheinung des Subjekts (im Zeitalter des Imperialismus neutralisiert zur Existenz);
    – verhält sich nicht das Schicksal zum Charakter wie das Geld zum Bekenntnis?

  • 10.12.93

    Astronomie und Medizin entspringen gleichzeitig und zusammen mit der sich etablierenden Geldwirtschaft (mit der Überschwemmung der Dinge durch Eigentum und Begriff), mit dem Staat und dem (die Erkenntnis dieser Zusammenhänge ausblendenden) Weltbegriff: Die Objektivation des Planetensystems hängt außer mit der durch Gewalt, Hierarchie und Herrschaft bestimmten Organisation der Gesellschaft auch mit der Objektivation der unabhängig von bewußter Steuerung und Kontrolle ablaufenden organischen Prozesse zusammen: sie hat das Objekt der Medizin beim Tier und bei den Menschen überhaupt erst produziert und organisiert. (Zusammenhang von Fleisch und Blut mit den paulinischen Elementarmächten)?
    Wurden die Tieropfer durch das „Kreuzesopfer“, das keins mehr war: die „Übernahme der Sünde der Welt“, abgelöst?

  • 30.11.93

    Der Ursprung des Objektbegriffs verdankt sich der theologischen Verdrängung des Kreuzestodes. Hierzu der Hinweis von Leonhard Ragaz, Bd. 4, S. 23: Die Eucharistie als Mahl des „heiligen Egoismus“. War nicht die eucharistische Frömmigkeit (zusammen mit dem antisemitischen Bild der „Hostienschändung“) ein Beleg der Gewalt, die nötig war, um den Objektbegriff in den Köpfen zu verankern?
    Gibt es außerbiblische Belege für den Namen des Pharao?
    Ist Adornos „Erpreßte Versöhnung“ die Antwort auf Lukacs‘ „Hotel Abgrund“?
    Gehören nicht die Posaunen von Jericho und Jeremias‘ „Betet für das Wohl der Stadt“ zusammen? Und drückt sich in den Posaunen von Jericho nicht etwas von der Beziehung der Musik zur Prophetie aus?
    Gibt es im Hebräischen (wie im Deutschen) auch eine sprachliche Beziehung zwischen den Hörnern des Drachens (des Tieres) und dem Schofarhorn (und den Posaunen vor Jericho)? Vgl. auch den „gehörnten Moses“ und den bemerkenswerten Tatbestand, daß alle Opfertiere (mit Ausnahme der Taube) gehörnte Tiere waren.
    Hat der Geist über den Wassern etwas mit den Wolken des Himmels zu tun?
    Es blitzt und donnert, und es regnet, aber JHWH brüllt (Jer 2530, Joel 4(3)16, Am 12): Das Problem des Neutrum und des „es gibt“.
    Ist nicht das Sein das reine Es (das nichtige Substrat des „Geschehens“, Produkt der Ontologisierung)?
    Zum Bilderverbot: Hängt der Ursprung des Neutrum (und die „in-dogermanische“ Grammatik) mit der Geschichte des Opfers und dem Bilderdienst (den Statuen) zusammen?
    – „Selig bis du, Simon, Barjona; denn nicht Fleisch und Blut hat dir das offenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“ (Mt 1617, zum Zeichen des Jona sh. 164)
    – „… daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nich ererben kann“ (1 Kor 1550),
    – „… ging ich nicht mit Fleisch und Blut zu Rate“ (Gal 116),
    – „Denn unser Ringkampf geht nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Gewalten, wider die Mächte, wider die Beherrscher dieser Welt der Finsternis, wider die Geisterwesen der Bosheit in den himmlischen Regionen.“ (Eph 613)
    Haben diese Stellen etwas mit der Eucharistie zu tun?
    Das Kirchenproblem spitzt sich heute in einer Weise zu, die nach der Geschichte von den drei Leugnungen geradezu schreit.
    Joh 2115ff:
    – Liebst du mich mehr als diese – agapas me pleon touton
    – Herr, du weißt, daß ich dich liebhabe – kyrie, su oidas hoti philo se
    – Weide meine Lämmer – boske ta arnia mou,
    – Liebst du mich – agapas me
    – Herr, du weißt, daß ich dich liebhabe – kyrie, su oidas hoti philo se
    – Hüte meine Schafe – poimaine ta probata mou,
    – Hast du mich lieb – phileis me
    – Herr, du weißt alles, du siehst auch, daß ich dich liebhabe – kyrie, panta su oidas, su ginoskeis hoti philo se
    – Weide meine Schafe – boske ta probata mou.
    Merkwürdiger Wechsel von
    – lieben und liebhaben: agapas und phileis, während Petrus beim philo bleibt,
    – weiden und hüten: boske und poimaine,
    – Lämmer und Schafe: arnia und probata.
    Beachte auch den Unterschied zwischen arnion und amnos (amnos tou theou, 129).

  • 27.11.93

    Wirtschaftsstandort Deutschland: Appell an die nationale Selbsterhaltung als imperialistische Kampfparole.
    Ist nicht jede Ökonomie (aufgrund der Währungs- und der Rechtshoheit des Staates und ihrer Verflechtung mit der Infrastruktur des Landes und den gesellschaftlichen Institutionen) National-Ökonomie; und bedarf es nicht deshalb endlich einer Geschichte der Banken (die auch Kopernikus und Newton, deren nationale Geldtheorien zu den Grundlagen ihrer Astronomie gehört, enthalten sollte)? Gehört die Kritik des heliozentrischen Systems zur Imperialismus-Kritik?
    Gibt es nicht eine Korrespondenz zwischen den Unterdrückten und Beleidigten, den Ausgebeuteten und Erniedrigten (den Armen und den Fremden) und der verdrängten Vergangenheit? Repräsentieren nicht die Herren (die „Sadduzäer“) die unversöhnte Vergangenheit (den Unterdrückungs- und Verdrängungsapparat als Verkörperung der Macht der Vergangenheit und die Leugnung der Auferstehung)?
    Das tode ti, das hic et nunc (bei Hegel Kern der Begründung des Objektbegriffs, dessen Subjektivität Grundlage der transzendentalen wie auch der Hegelschen Logik ist): Ist das nicht in der Tat der Umkehrpunkt, der Knoten, der zu lösen ist? Das wahre tode ti ist die Aktualität der Prophetie: die aktuelle Realität des Hungers, der Folter, der Unterdrückung, des Krieges (der Armen und der Fremden).
    Die Trennung der oberen von den unteren Wassern und dann des Flüssigen vom Festen (das Werk des zweiten Tages): Hat das nicht mit der Trennung von Zukunft und Vergangenheit zu tun (und mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: der Begründung des Wissens)? Und hängt das Wunder von Kana nicht mit der Sintflut und Noe zusammen (sind Wasser, Wein und Blut drei Dimensionen des Zukünftigen; Zusammenhang mit der Erde, der Blöße und dem Fleisch)?
    Der Urknall oder die Sprache als schwarzes Loch: Gehört nicht zur deutschen Staatsmetaphysik ebenso wie der Staatsanwalt auch der Volkstrauertag (das „Heldengedenken“): wie das Opfer zum Götzendienst? Der Staat als Moloch, der seine Opfer frißt. Der Volkstrauertag als Versuch der Sinngebung des Sinnlosen benötigt den Nationalismus als sinngebende Instanz: Ursprung der hohlen Sprache, Kern der Zerstörung ihrer benennenden Kraft.
    Die Schrift (die Bibel) ist ein multidimensionaler, von allen Seiten durchsichtiger Körper; hat sie nicht siebzig Dimensionen?
    Zum Anfang der Genesis:
    – Sie enthält die vier Elemente (Erde Himmel Geist);
    – ist der Geist über den Wassern eine Emanation des Feuers?
    Dann wäre:
    – die Erde wüst und leer,
    – Finsternis über dem Abgrund, und dann
    – der Geist Gottes über den Wassern: die erste Tätigkeit der Himmel (des Feuers).
    Zur Dynamik dieser Geschichte gehört es, daß der gleiche Himmel dann verwandt wird zur Benennung der Feste, die die oberen von den unteren Wassern scheidet.
    Ist es nicht ein großartiger Gedanke, daß die Jotam-Fabel die Idee des Königtums an die Bäume (und nicht an die Tiere) bindet: an den Dornstrauch?
    Die Summenzahlen im Neuen Testament haben die Basis 17 (153, Joh 2111), 23 (276, Apg 2737) und 36 (666, Offb 1318):
    – 17 ist die Summe aller Zahlen von 1 bis 5, plus 2;
    – 23 die Summe der Zahlen von 1 bis 6, plus 2;
    – 36 die reine Summe von 1 bis 8.
    Woher stammt die Geschichte vom Schachbrett und den Reiskörnern?
    Gibt es außer der Zahl „etwa 84“ (7 x 12, Alter der Prophetin Anna, Lk 237) noch andere, die keine Summenzahlen sind?
    Bezieht sich die Wendung: eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit (Dan und Offb), auf die Formel der Summenbildung: (n + n2)/2 ?

  • 22.11.93

    Sind Empfindungen nicht zuerst Schmerzempfindungen, und sind diese nicht der Kern aller anderen Empfindungen? Grundlage des Begriffs der Empfindung ist die Mechanik, die den Stoß, die Stoßprozesse, ins Zentrum der Naturerkenntnis gerückt hat. Und ist nicht das Problem der Gewalt, bis zu ihren gegenwärtigen Manifestationen, eine Folge dieses Konstrukts, demzufolge jeder Existenzbeweis nur noch durch den Stoß und seine logischen Entsprechungen zu führen ist. In den gleichen logischen Zusammenhang gehört der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, der beweislogisch (durch sein Verhältnis zur Nachweisbarkeit) zwingend zu begründen ist. Heute erweist sich die Macht als eine der Wurzeln der Beweislogik. Der Staat, wenn er keine moralischen Rücksichten mehr zu nehmen braucht, ist aufgrund des Gewaltmonopols nicht mehr zu widerlegen. Daß Auschwitz nicht zu einem perfekten Verbrechen geworden ist, lag einzig an der Dummheit der Nazis.
    Die Paranoia ist selbst Opfer der Logik der Instrumentalisierung. Es gilt aber, diese Logik zu durchschauen.
    Habermas hat sich mit seiner Entscheidung, die Rationalität der Naturwissenschaften nicht mehr zu hinterfragen, selber dumm gemacht. Und er sollte sich eigentlich nicht über die „neue Unübersichtlichkeit“ beklagen, die er mit dieser Entscheidung selber herbeigeführt, verschuldet hat.
    Die spezielle Relativitätstheorie hat das Inertialsystem gesprengt, die Kopenhagener Schule hat es notdürftig wieder repariert.
    Ist nicht mizrajim (Ägypten, das Sklavenhaus) eine geschichtliche Vorstufe des Neutrum, der Dualis der Bezugspunkt des „ne-utrum“? Was bedeutet der Name mizrajim? Und ist nicht Pharao, das „große Haus“, eine Personalisierung des Turms von Babel?
    Die neutralisierende Gewalt erscheint in der Schlange, in Ägypten und in Babel (Astronomie)?
    Hängt die Beziehung Israels zum Saturn mit den Kronos-Geschichten in der griechischen Mythologie zusammen?
    Ist nicht die Beschneidung eine zurückgenommene Entmannung (vgl. die Sichem-Geschichte und den „Blutbräutigam“ Moses): Teil einer Kritik der Zeus/Jupiter-Religion, des Patriarchats?
    Wenn die Welt durchs Wort erschaffen worden ist, ist es dann so abwegig, die Geschichte auch als einen Prozeß in der Sprache zu begreifen?
    Et descendit ad inferos: Wir erfahren den Tod nur als den Tod der anderen, den eigenen Tod nur im Spiegel der Erfahrung der anderen: im Kontext unserer eigenen Fremdwahrnehmung, im Kontext der Schamerfahrung. Wie hängen Tod und Scham mit einander zusammen, was bedeutet in diesem Zusammenhang die Blut-Symbolik, und wozu gehört die Geschichte der Eucharistie?
    Wenn der Tod (der mit dem Sündenfall und der Scham in die Welt gekommen ist) nicht mehr sein wird, wird auch die Materie, die Natur, nicht mehr sein? Wie hängt das mit der Idee der Auferstehung zusammen? Ist die Lehre von der Auferstehung das gegenständliche Korrelat der Umkehr, wird nicht mit der Auferstehung auch die Umkehr geleugnet?
    Ist die Josephs-Geschichte mit den sieben fetten und den sieben mageren Jahren (und der „Geschichte der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals“ in den sieben mageren Jahren) nicht die Geschichte Israels und des Christentums? Muß das Christentum nicht von den in der Geschichte Israels gesammelten Schätzen (der Thora, der Prophetie) leben und hierbei sich von allem eigenen Besitz entblößen, der vom Geld, über das Vieh bis zum Land an den Pharao übergeht?

  • 01.11.93

    Sind Brot und Wein Symbole für Nomen und Verb (sind Wein – und die Trunkenheit -, sowie Wasser und Blut gemeinsame Symbole des Verbs; und ist das Nomen nicht das abgestorbene – gemordete -und wieder auferstandene Verb)?
    Die Nomina werden bestimmt durch Kasus (die „Fälle“), Geschlecht und Numerus, die Verben durch Modus, Tempus und Person.
    Hermann Cohen (Religion der Vernunft, S. 89, vgl. auch S. 120) weist zu 4 Mos 208: „… und redete vor ihren Augen mit dem Felsen, daß er sein Wasser spendete“, darauf hin, daß Moses nach rabbinischer Tradition sich verfehlte („Gott als Geist verleugnete“), weil er auf den Felsen geschlagen hat, anstatt ihm durch das Wort das Wasser zu entlocken.
    Adam, die Schlange und der Staub: Begriff und Vorstellung der Materie repräsentieren die zurückgestaute Kraft des Namens (und den Grund der Trunkenheit). Sie gründen in der selbstreferenziellen Struktur des Systems und konstituieren das projektive Moment in jeder begrifflichen Erkenntnis (keine Projektion ohne Mordlust).
    Der Grund repräsentiert die benennende Kraft in der Erkenntnis: So hängt er mit dem Begriff der Materie, der ihn zugleich neutralisiert, zusammen.
    Die Orthogonalität begründet die Negativität (das mathematische Element: die Ununterscheidbarkeit von Positivem und Negativem, von Richtung und Gegenrichtung) im Begriff der Dimension.
    Beziehen sich die „Attribute des Seins“ (Cohen, S. 109): die Einheit, die Allmacht und die Allwissenheit, nicht auf die transzendentalen Totalitätsbegriffe: Welt, Natur und Wissen?
    Das Opfer: eine Vorform des Tauschprinzips?
    Ist der Löwe der Typos der Geldwirtschaft (und das Lamm Typos des Schuldenopfers)?
    War das Opfer der Söhne und Töchter, die „durchs Feuer geschickt“ wurden, ein Opfer an den Drachen, und hängt es zusammen mit dem Staub, zu dem Adam wird und den die Schlange frißt?
    Ist der Adressat des Erstgeburtsopfers (siehe die Exodusgeschichte) nicht der gleiche Dämon, dem der Ursprung des Staates und der Philosophie sich verdankt?
    Die Ambivalenz des Lachens rührt her von seiner Beziehung zum Schmerz. Ist nicht heute alles Lachen projektives Lachen (der verdrängte, nicht der aufgehobene Schmerz): Schadenfreude (nach dem deutschen Sprichwort die „beste Freude“) ist das Gegenteil der Freude, ein Instrument der Selbsterhaltung der Ichschwäche. Setzt sich, wer sich das Lachen der Verzweiflung verbietet, nicht dem Irrsinn aus?
    Das wirkliche Objekt des Darwinismus ist nicht die Naturgeschichte, sondern die Wirtschafts- und Geistesgeschichte.
    Die Anwendung des Schiller-/Hegelschen Satzes „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ auf den Darwinismus führt zu dem Resultat, daß alle Tiere verurteilt sind und nur als Verurteilte (als Gattung) überleben.
    Hat das Joch des Jeremias etwas mit dem Gordischen Knoten (und mit Alexander) zu tun?
    Ist die Beziehung des ersten Teils des Stern der Erlösung zum Mythos in der Funktion des Naturbegriffs, seiner Bedeutung für die Konstruktion des Ganzen, begründet? Und ist deshalb der „Übergang“ zur Offenbarung nur mit Hilfe des Erkenntnisgebrauchs der Umkehr, die allein das projektive Moment im Anfang tilgen kann, möglich?
    Der Naturbegriff ist das Produkt der verweigerten Umkehr. Deshalb bezeichnet er aufs genaueste die „Pforten der Hölle“.

  • 13.09.93

    Ist der Nationalsozialismus die Explosion des in der (Herrschafts-)Geschichte des Christentums Verdrängten (der Geschichte der Häresien)?
    Der Stand der Theologie läßt sich am Stand des Verständnisses, der Interpretation der Blutsymbolik erkennen.
    Die Trinitätslehre gehorcht einer Logik, die ihren Ursprung in der Trennung des Natur- und Weltbegriffs hat (Ursprung des Neutrums).
    Das Inertialsystem entzieht der Forderung der Umkehr durch die Vorstellung der homogenen Zeit die damit verbundene Vorstellung der Reversibilität aller Richtungen im Raum den Grund.
    Bezeichnen nicht die Dornen und Disteln, die Schlange und der Kelch den gleichen Sachverhalt, nur aus verschiedenen Perspektiven, und hängen sie nicht zusammen mit den drei Aprioris des Objektivationsprozesses: Raum, Geld und Bekenntnis?
    Das Glaubensbekenntnis ist das Schuldbekenntnis der Natur; ihm liegt die Sünde der Welt zugrunde, die das Lamm (der Gottesknecht) auf sich nimmt. Ist nicht das Lamm die Naturalisierung des Gottesknechts? Und wird das Lamm nicht erst durch den Geist zum Gottesknecht?
    Hat Erich Zenger nicht insofern Unrecht, als der unvermittelte Übergang von der Finsternis über dem Abgrund zum Sechstagewerk (zum „Gott sprach: es werde Licht, und es ward Licht“) eigentlich undenkbar ist. Dazu gehört der über den Wassern brütende Geist. Aber bezeichnet Erich Zenger mit dem Ausschluß von Gen 12b aus Pg (Gottes Bogen, S. 81, Anm. 97) aufs genaueste den parvus error in principio des Christentums, das diesen „brütenden“ Geist seit je durch einen „schwebenden“ Geist ersetzt hat (nur Franz Rosenzweig hat diese Berichtigung im „Stern“, Martin Buber hat in seiner Bibelübersetzung zwar die Alliteration „Braus“ beibehalten, dann aber doch das Brüten wieder in ein Schweben zurückgenommen)?
    Der Weltbegriff ist der im Erkenntnisprozeß sich ausbreitende blinde Fleck (oder die aus den unteren Quellen einströmenden Wasser der Sintflut).
    „Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt: es ist nicht wieder gutzumachen.“ – Ist nicht die Musik das Läuten aller Nachtglocken?
    Das „Wenn die Welt euch haßt“ klingt schon bei Jeremias an im „Grauen um und um“, bei Thales in dem Satz „Alles ist Wasser“ (mit dem Thales das mythische Grauen bannt und die Philosophie begründet).
    Die spezielle Realtivitätstheorie Einsteins ist insoweit ein Schritt über die kantische Erkenntniskritik hinaus, als sie im Erstarrungsprinzip des Inertialsystems erstmals das Moment der Subjektivität, seine verandernde Kraft, kenntlich macht. Es steht in der Tradition der Geschichten vom Baum der Erkenntnis, des Sündenfalls, der Erkenntnis des Guten und Bösen, der Nacktheit und der Scham, der Schlange und der Vertreibung aus dem Paradies, des Kerubs mit dem kreisenden Flammenschwert, der Sintflut mit der Noe-Geschichte und ihren herrschaftsgeschichtlichen Konnotationen, des Turmbaus zu Babel und der Verwirrung der Sprache, die alle zur Geschichte dieses Erstarrungsprozesses gehören. Deren letzte Phase wurde eingeleitet durch die Theologisierung (Hellenisierung) des Christentums, durchs Dogma und die Begründung der Bekenntnislogik, die Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie (die theologische Begründung und Absicherung des Weltbegriffs, mit Hilfe der Fehlübersetzung von Joh 129).
    Müßte Joh 129 nicht so übersetzt werden: Seht den Knecht Gottes, der die Sünde der Welt auf sich nimmt? Jesus hat denen, die ihm nachfolgen, nicht die Last abgenommen, er hat sie ihnen aufgehalst (und sie genau dadurch von der Last befreit).
    In Publik-Forum gab es einmal einen Sonderteil mit dem Titel: Gott will keine Knechte. Abgesehen davon, daß dieser Titel aus der Geschichte des deutschen Nationalismus stammt (der Gott, der Eisen wachsen ließ …), würde in der Linie seiner Konsequenz nicht die Streichung von Deuterojesaia, des Gotteslammes und der Apokalypse liegen? Wer aber den Gottesknecht im Gotteslamm verschweigt, will nur noch Lämmer.
    Prophetie und Aktualität:
    – Korrespondenz der Gegenwart (des Weltuntergangs) mit der altorientalischen Geschichte (Ursprung des Weltbegriffs);
    – Ursprung des Staates (Privateigentum), des Geldes (Schuld-knechtschaft, Tempelwirtschaft, Idolatrie), der Schrift (Astronomie);
    – babylonischer Turm: Sprachverwirrung (hebräische und indogermanische Sprache, Hebräer und Barbaren, Philosophie und Prophetie)
    – Welt- und Naturbegriff (Ursprung und Ende der Naturwissenschaft; Dogma: Theologie als Naturwissenschaft; Weltbegriff als blinder Fleck: abzuarbeiten über den Begriff der prophetischen Erkenntnis);
    – im Kern Jeremias:
    Im Bereich der Verwandtschaft meiner Eltern wurden in jedem Dorf die Diphtonge anders ausgesprochen (in Erkeln: Mäuse = Miuse). Läßt nicht auch die Aussprache des Niederländischen sich aus dem Trieb ableiten, das eu = oi zu vermeiden? Kann es sein, daß der Erfolg der Nazis daher rührt, daß der Name Deutscher zunächst als fremd, dann aber als Nobilitierung erfahren wurde? Sich als Deutscher fühlen zu dürfen, war wie die Verleihung eines Adelstitels. Dieser Name war ein Kollektivum: Vergesellschaftung eines Plural majestatis. Zu den Konstituentien des Namens der Deutschen gehörte das „Im Felde unbesiegt“, nach der realen Niederlage gleichsam ein geheimer, esoterischer, jedenfalls öffentlich nicht anerkannter Ehrentitel, der heute wieder aus dem kollektiven Unbewußten hochkommt (im Zeigen der Reichskriegsflagge sich manifestiert) und in den Exzessen der Neonazis sich auskotzt. Die Niederlagen in den großen Kriegen waren das größte Unrecht, das den Deutschen angetan worden ist. Denn „eigentlich sind wir die Herren der Welt“, gleichgültig ob die andern uns anerkennen oder nicht (an der Anmaßung der Ausländer, die etwas davon zu ahnen scheinen und deshalb hier in Massen einströmen, um an unseren mystischen Privilegien teilzuhaben, rächt sich die verdrängte Wut). Beweisen nicht der Reichtum hier und die Asylantenflut, die daran Anteil gewinnen möchte, die metaphysische Auszeichnung der Deutschen? Darin steckt das finstere Geheimnis der (heideggerschen) „Eigentlichkeit“.
    Steckt nicht auch in der Rechten ein Erbe der vulgärmarxistischen Tradition. Liegt hier nicht ein ebenso ironischer wie fataler Beweis der Nolteschen These von bolschewistischen Abkunft des Nationalsozialismus? Vom dialektischen Materialismus ist nur der Neid übriggeblieben, der die Idee der richtigen Gesellschaft von innen zerstört.

  • 08.09.93

    Dialektik der Aufklärung: Die Aufklärung (die die Dinge in den blendenden Schein des Lichts der Subjektivität gerückt, nicht die Welt hell gemacht hat) hat unterm Zwang der subjektiven Formen der Anschauung in der Tat einen neuen Mythos produziert.
    Kritik des Schuldverschubsystems (oder Erinnerung an die Idee der Gottesfurcht): Die Unerträglichkeit von Schuldgefühlen kann nicht das Maß für den Gebrauch und die Anwendung des Schuldbegriffs sein.
    Dämonenaustreibung und Sündenvergebung gehören zusammen (Sün-denvergebung ohne Austreibung der Dämonen ist selber dämonisch).
    Physik, Reklame, die Banken und der Tod:
    – Die Reklame verschweigt den Tod. (Adorno/Sonnemann?)
    – Die tote Materie der Physik ist kein empirischer, sondern ein apriorischer Tatbestand.
    – Die Banken reduzieren das Leben auf das des Kapitals (und seine Zeugungskraft). Wer daran nicht teil hat, fällt aus der Welt heraus.
    War der babylonische Turm nicht eine Tempelbank (und sind die Bankentürme heute nicht babylonische Tempel)?
    Hat der moderne Begriff des Lebens (im Leben des Kapitals, seiner organischen Zusammensetzung) etwas mit dem apokalyptischen Tier zu tun? Und ist das nicht aufs genaueste beschrieben in der Staub-Metapher nach dem Sündenfall (wo die Schlange von dem Staub sich nährt, den Adam produziert)?
    Ist nicht der Lebensprozeß der Gesellschaft, dessen Blut durch die Adern der Banken fließt (und der durch die Geld-Souveränität des Staates apriori nationalistisch sich definiert), das Substrat des Marxschen Naturbegriffs, der „Naturgeschichte“ im Gegensatz zur Hegelschen „Weltgeschichte“ (und das Geld das Blut-Korrelat des Hegelschen Weltgeistes)? Der Marxsche Versuch, die Hegelsche Philosophie vom Kopf auf die Füße zu stellen, mußte mißlingen, nachdem Oben und Unten (wie Rechts und Links) sich nicht mehr unterscheiden ließen. War die Marxsche Theorie nicht ebenso, wie sie als Kapitalismus-Kritik sich verstand, objektiv ein Moment im Modernisierungsprozeß (Instrumentalisierung der Umkehr)?
    Analyse der drei Schuldverschubsysteme: der Theologie, der Physik und der Ökonomie.
    Niemand kann über seinen eigenen Schatten springen (die Wahrheit der speziellen Relativitätstheorie): Aber der Schatten kann begriffen werden.

  • 04.09.93

    Ist nicht der Protestantismus eine Subjekt-Eucharistie (Produkt der Selbstanbetung)?
    Bezieht sich der Staub, zu dem Adam wird (und den dann die Schlange frißt), auf den Lehm, aus dem er gemacht ist (Hi 108)?
    Gen 503: Vierzig Tage währt die Zeit des Einbalsamierens. Und die Ägypter beweinten ihn (Israel) siebzig Tage. Nach Gen 74 regnete es (bei der Sintflut) vierzig Tage und vierzig Nächte. Waren es nicht auch vierzig Tage von der Auferstehung bis zur Himmelfahrt?
    Die Umkehr ist keine bloße Gesinnungsänderung, oder gar ein Bekenntniswechsel, sondern schließt Trauer- und Erinnerungsarbeit mit ein.
    Wenn das noachidische Nahrungsgebot zusammenhängt mit Ursprung hierarchischer Strukturen (mit dem Einbau der Gewalt in den Begriff der Objektivität, mit der Geschichte der Verinnerlichung von Gewalt), was bedeutet es dann, wenn „das Wort Fleisch geworden“ ist? Werden nicht mit dem dazugehörigen „Kannibalismus“ (wenn in der Eucharistie nicht nur Fleisch, sondern auch Blut genossen wird) die noachidischen Gebote im Kern verletzt? Wie verhält sich das zum biblischen Blutverständnis generell? Und in welche Konstellation rückt das Blut mit dem (wiederum an Noach gemahnenden) Wasser und dem Wein? Ist nicht die Philosophie als Theologie trunken geworden („Wunder“ von Kana)?
    Mit der Installation des Weltbegriffs in der Theologie wurde der Himmel verdrängt (nach dem neuen Weltkatechismus der katholischen Kirche bezeichnen Himmel und Erde nur „alles was ist“): Das Aufspannen von Raum und Zeit im Inertialsystem ist eine Parodie auf den Satz, daß Gott (die Erde gegründet und) den Himmel aufgespannt hat.
    Ist nicht das Hegelsche Absolute der Wettlauf zwischen Hase und Igel als perpetuum mobile? Und hat Heidegger nicht die Hegelsche Logik mit dem die Eigentlichkeit begründenden „Vorlaufen in den Tod“ auf ihren kürzesten Begriff gebracht?
    Hat die Verwerfung des Symbols bei Augustinus (sein Verständnis von ad litteram) nicht doch schon politische Gründe? Hat er nicht instinktiv das Subversive in der Schöpfungsgeschichte erkannt und verdrängt?
    War der Turm von Babel als Bild der Orthogonalität das erste Erektionssymbol?
    Die Orthogonalität besiegelt die Vergängnis: so hängen Raum und Zeit, die kantischen subjektiven Formen der Anschauung, zusammen; Ursprung des Naturbegriffs. Orthogonalität ist die Form der Beziehung von Natur und Welt, der babylonische Turm die erste Gestalt des Naturbegriffs, während die Verwirrung der Sprachen auf den Ursprung des Weltbegriffs zu beziehen wäre (die Trennung des Natur- und Weltbegriffs gründet in der Logik der indogermanischen Sprachen, in der gleichen Logik, die seine christologische Struktur fundiert). Hierin ist der Vergleich der Hegelschen Philosophie mit der Klugheit der Schlangen begründet.
    Wenn man die kantische Analyse der subjektiven Formen der Anschauung, wie es bereits der deutsche Idealismus getan hat, affirmativ anstatt kritisch begreift, ist das Problem nicht zu lösen. Der affirmative Gebrauch der kantischen Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung (oder der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs) bringt den Gegenstand der Prophetie: die Gegenwart, die reine Aktualität, zum Verschwinden und „vollendet“ die Philosophie. Aus dem dreifachen „Nichts“ der Gegenwart rekonstruiert Franz Rosenzweig den Stern der Erlösung.

  • 20.08.93

    Der Himmel ist die Einheit der Extreme, hat er etwas mit dem Blutsymbol zu tun, und mit der (prophetischen) Erfüllung des Wortes: dem Namen? Ist der Himmel nicht das in den oberen Wassern gebundene Feuer, der darin verschlossene Name? Und ist der gesellschaftliche und erkenntnistheoretische Begründungszusammenhang des Nominalismus nicht das Wasser (die Sintflut), in dem der Name erloschen ist? Ist der Nominalismus das Wasser, das den Meeresboden bedeckt, auf das die Gotteserkenntnis die Antwort ist?
    Steckt nicht im Kern des Naturbegriffs der Tod, drückt darin nicht seine konstitutive Beziehung zur Herrschaft sich aus? Und wurde nicht die Todesstrafe abgeschafft, nachdem im Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft die Todesfurcht als Grund der Herrenfurcht in anderen („existentiellen“) Tatbeständen begründet werden konnte? Ist nicht seit Getsemane der Schweiß des Angesichts, der seit dem Sündenfall zur Arbeit gehört, mit Blut vermischt? Und ist nicht der im Sündenfall gründende Tod der Herr der Welt; aber ist dieser Herr nicht einer, der seine Macht aus unsern Händen empfängt, und ist nicht das die Sünde der Welt? Gründet nicht jede Herrschaft in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: in der Todesinfektion?
    Stark wie der Tod ist die Liebe. (Hl 86) Aber nur stark wie, nicht stärker als der Tod.
    Ist die kantische Erkenntnis, wonach die Vernunftideen nur regulative, nicht konstitutive Bedeutung haben, nicht ein anderer Ausdruck für das, was Levinas die Asymmetrie in der Ich-Du-Beziehung genannt hat, oder für das Benjamin-Wort „Überzeugen ist unfruchtbar“? Ist sie nicht zugleich eine Begründung der Notwendigkeit von Erinnerungsarbeit, und enthält sie nicht den genauesten Einspruch gegen die Instrumentalisierung der Marxschen Theorie aus Herrschaftsgründen? Widerlegt sie nicht die Wertphilosophie? Die kantischen Vernunftideen respektieren die Grenze zwischen mir und dem anderen, sie verhindern die Xenophobie schon dem Grunde nach.
    Die Unterscheidung zwischen der (erlaubten) regulativen und der (verbotenen) konstitutiven Bedeutung der Ideen ist eine Anwendung und Präzisierung des jesuanischen Satzes „Richtet nicht …“.
    Ist die Xenophobie nicht ein Ausfluß der inneren Logik des Herrendenkens? Gründet sie nicht in dem vom Objektivierungsprozeß unablösbaren projektiven Element?
    Sind nicht die Empfindungen, die mit der Trennung der primären und sekundären Sinnesqualitäten erst sich konstituieren und entspringen, Produkte der Selbstobjektivierung; verweist darauf nicht der Regenbogen in der Sintflut-Geschichte?
    Gibt das johanneische Komma nicht auch mit seiner trinitarischen Ergänzung Sinn?
    Gegen die Kollektivscham: Hängen Scham, Blut und Feuer zusammen? Ist die Scham die Pforte der Hölle?
    Wie verhalten sich die Scham und der Zorn: Beide treiben die Röte ins Gesicht, aber während die Scham sich nach innen richtet, geht der Zorn nach Außen? Wie verhalten sich Scham und Wut (ist nicht die Wut ein Zorn, der in Scham verstrickt bleibt)?
    Rühe, Seiters, Bohl und Schäuble: die Metastasen des Aussitzens. Aber ist Kohl dem Kanther gewachsen?
    Sind nicht die Beziehungen von Engels zu Marx, von C.G. Jung zu Freud und die der Kopenhagener Schule zu Einstein vergleichbar? Aber sind dann nicht doch auch die Differenzen zu beachten:
    – das Verhältnis von Engels zu Marx war von großer menschlicher und theoretischer Solidarität geprägt,
    – das C.G. Jungs zu Freud hingegen war bestimmt durch das intri-gantische Renegatentum die Ranküne Jungs und
    – das der Kopenhagener Schule zu Einstein durch einen von der Verachtung des „Spinners“ durchsetzten Respekt vor der moralischen und theoretischen Integrität Einsteins.
    Der Hilfloseste von allen war offensichtlich Einstein.

  • 19.08.93

    Es läßt sich stringent aus der Logik des Weltbegriffs (der verandernden Gewalt dieser Logik) herleiten, wenn die Deutschen sich als Opfer des gleichen Schicksals begreifen, dessen Urheber sie doch zugleich sind.
    Hat die Geschichte mit Noe und seinen Söhnen, die in der Verfluchung Kanaans endet, etwas mit der Geschichte vom Sündenfall zu tun? Und zu Japhet heißt es:
    Raum schaffe Gott dem Japhet, daß er wohne in den Zelten Sems, Kanaan aber sei ihm Knecht! (Gen 927)
    Übrigens: Paulus war ein Zeltmacher!
    Ist nicht Mizrajim ein Sohn Hams, und Heth ein Sohn Japhets?
    Ist nicht das Licht ein Einspruch gegen die Vergangenheit (gegen die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit)?
    Wie wird das Himmelblau erklärt? Und wäre die Frage, warum es nachts dunkel ist, nicht zu ergänzen durch die andere: Warum das Himmelblau am Tage die Grenze des Sichtbaren anzeigt (und wo liegt diese Grenze)?
    Sind nicht das Feuer und das Angesicht die Antipoden des Lichts?
    Die Entfaltung einer philosophischen Sprachlogik ist ohne eine Theorie des Feuers nicht mehr möglich.
    Zu der Vorstellung, daß der Menschensohn auf den Wolken des Himmels wiederkehren wird: Führt nicht auch hier das naturwissenschaftliche bestimmte Bild der Wolken in die Irre? Und ist dahinter nicht die metaphorische Bedeutung der Wolken (die in der „Wolke der Zeugen“ – Hebr 121 – anklingt) verdrängt und untergegangen?
    Daß der Menschensohn bei seiner Wiederkunft in den Wolken erscheinen wird, verweist das nicht, ebenso die Wolke der Zeugen im Hebräerbrief, zurück auf den Noe-Bund (auf den Bogen in den Wolken, vgl. Erich Zenger)?
    Als Athalya Brenner auf die diffamatorische Nebenwirkung des prophetischen Gebrauchs der Worte Hure, Unzucht u.ä., auf die Nutzung der Frauen als Projektionsfolie für Verfehlungen des Volkes Israel, aufmerksam machte, hat sie zugleich auf eine logische Beziehung zur durchaus vergleichbaren Gebrauch des Namens der Juden im Neuen Testament und dann im christlichen Antijudaismus hingewiesen. Liegt hier nicht der Nachweis für den strukturellen Zusammenhang von Antisemitismus und Frauenfeindschaft (sowie Antisemitismus und Sexualmoral)? Gehört zur Entschärfung des Vorurteils nicht auch die Erkenntnis des Zusammenhangs der Form des Symbols mit seinem projektiven Inhalt? Wird nicht beidemale, mit der Unzucht bei den Propheten und mit den Juden im Johannes-Evangelium, eindeutig Herrschaftskritik gemeint, die projektive Züge erst dann annimmt, wenn die Worte aus ihrem wirklichen Kontext herausgelöst und (im augustinischen Sinne) „ad litteram“ gebraucht werden?
    Liegt hier nicht die Lösung des Problems der Beziehung von Symbol, Name, Instrumentalisierung, Begriff, Schuld, Herrschaft, Verdinglichung: nämlich im Zusammenhang einer Theorie des Feuers? Bezeichnet nicht das Feuer die Grenze zwischen Reflexion und Verdrängung: zwischen Begriff und Name? Indem ich das Verdrängte durch Reflexion verbrenne, lösche ich die Fluten der Sintflut? Hängen Wasser und Feuer nicht so im Namen des Himmels zusammen?
    Wasser und Feuer, Schwert und Kelch: Verweist nicht die Verwandlung von Wasser in Wein beim ersten Wudner in Kana auf diesen Zusammenhang (vgl. hierzu das johanneische Komma: Drei nämlich sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist und das Wasser und das Blut, und diese drei gehen auf eins. – 1 Joh 57)?
    Der Thalessche Satz: Alles ist Wasser, ist als empirischer Satz, der die mythische Ära beendet und das philosophische Zeitalter eröffnet, zugleich ein prophetischer Satz: Hilft er nicht zum Verständnis des Wunders von Kana? Zum Satz Jesu: Ich werde von jetzt an von diesem Gewächs des Weinstocks nicht trinken bis zu jenem Tage, wo ich es mit euch neu trinken werde im Reiche meines Vaters (Mt 2629): Ist nicht der Taumelbecher und der Kelch des Zorns Produkt der Instrumentalisierung („der trinkt sich das Gericht“)? Beschwert sich nicht der Küchenmeister in Kana, daß andere Gastgeber den guten Wein am Anfang bringen, warum hier am Ende (sh. auch das „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen“, und den Hinweis Marias an die Diener: „Was er euch sagt, das tut“; und es waren die Reinigungskrüge, die sie dann mit Wasser füllen sollten)?
    Zu Jutta Voß: In ihrer Geschichte vom heiligen Franziskus würde ich auch die Partei des Lammes ergreifen.
    Theologie nach Auschwitz kann sich nicht darauf berufen, daß auch in Auschwitz gebetet wurde: Zwischen diesen Gebeten und uns steht Auschwitz. Und es wurde sicherlich auch geflucht. Theologie nach Auschwitz ist notwendig, weil anders die Opfer von Auschwitz nochmal verraten werden (eine andere Frage ist es, ob sie noch möglich ist). Aus dieser Formulierung ergeben sich Konsequenzen, wie diese Theologie beschaffen sein müßte.
    Die Corpus-Christi-mysticum-Lehre scheint irgendwann nach dem Kriege aus dem Bewußtsein der Kirche (und der Theologie) entschwunden zu sein, möglicherweise im Zusammenhang mit dem II. Vatikanischen Konzil? Kann es sein, daß sie genau zu dem Zeitpunkt „vergessen“ wurde, als man sie von der Erinnerung an Auschwitz nicht mehr trennen konnte (Auschwitz als Folge des durch die Instrumentalisierung des Kreuzestodes initiierten Wiederholungszwangs)? Steht die Theologie nicht heute unter dem Symbol: Abgestiegen zur Unterwelt (zur Hölle)?
    Die Wahrheit hat einen Zeitkern, und kann es nicht sein, daß dieser Zeitkern die Positionen des Glaubensbekenntnisses durchwandert?
    Kritik der reinen Vernunft, S. 508: Ein Hinweis auf die Unterscheidung der dynamischen von den mathematischen Grundsätzen des reinen Verstandes (auf Genesis und Bedeutung des Welt- und Naturbegriffs).

  • 01.07.93

    Bezeichnet nicht das liberum arbitrium die Freiheit von Privateigentümern (die freie Verfügbarkeit über das Eigentum und die freie Wahl der Ziele und der Mittel), und gründet diese Freiheitsvorstellung nicht in den (drei) „Freiheits“-graden des Raumes?
    Waren die alten Schriftsprachen Alltagssprachen, gesprochene Sprachen? Unverkennbar ist im Hebräischen wie im Griechischen und Latein das konstruktive, systematische Element, etwas, das eher an die Rationalität der Technik als an das, was die Moderne Empfindung, Gefühl, Emotion nennt, erinnert und in erheblichem Umfange als künstlich erfahren wird. Die Flexionen (Konjugation und Deklination), die je nach Kontext unterschiedlich sich auskristallisieren, sind gleichsam Formen der technischen Durchorganisation, und deren Medium waren die Elemente der Artikulation (die in der Schrift sich vergegenständlichenden Konsonanten und später auch Vokale) und dann die Prä- und Suffixe (die Nachfolger der sumerischen „Determinanten“: War insbesondere die sumerische außer in Verwaltung und Religion je eine gesprochene Sprache?). Je nach Kontext: Kann es sein, daß in der strukturell (und nicht biologisch-genetisch, gar rassisch) begründeten Unterscheidung der semitischen von den indogermanischen Sprachen unterschiedliche Stellungen zur Objektivität sich ausdrücken, die in der frühgeschichtlichen Gesellschaftsgeschichte (Ursprung der Städte, der Religion und des Opferwesens, des Königtums und der Geldwirtschaft) ihre Wurzeln haben und insbesondere in der Differenz von Philosophie und Prophetie erkennbar werden? Sind die Geschichten von der Sintflut und vom Turmbau von Babel nicht Hinweise hierauf?
    Ist nicht die Stadt die Keimzelle sowohl des Privateigentums und der Geldwirtschaft als auch der Sprachentwicklung, und ist beides nicht zusammengefaßt in dem Symbol des Turmbaus zu Babel?
    Bezeichnet im bereschit bara elohim et haschamajim we’et ha’arez das schamajim den Konstruktionsraum der Sprache (nicht zufällig ist mit dem Verschwinden des Himmels auch die benennende Kraft der Sprache erloschen)? Und gewinnt nicht vor diesem Hintergrund das Wort am Ende des Buches Jona von den Menschen, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, eine ungeheure Bedeutung; verleiht sie nicht dem „Raumproblem“ überhaupt erst sein metaphysisches Gewicht?
    schamajim oder die Sintflut und der brennende Dornbusch: das Desiderat einer Theorie des Feuers (Dornen und Disteln, das Jesus-Wort „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen“, die indogermanischen und die semitischen Sprachen).
    Im Namen des Himmels verbinden sich nach kabbalistsicher Tradition das Wasser und das Feuer. Nach der Sintflut: next time fire. Gibt es eine Beziehung des Feuers zum Blut und zur Scham? Sind nicht die Übernahme der Sünde der Welt und die Aufopferung der Sünde andere Bezeichnungen für das Feuer (daß Jesus vom Himmel bringen wollte, und er wollte, es brennte schon)?
    Ist nicht die Sintflut die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, und das Feuer die Erinnerung an die vergangene Zukunft? Im Feuer verbrennt die Sünde der Welt, wird die vergangene Zukunft befreit. So steht das Feuer in Beziehung zur Idee der Auferstehung der Toten (nur unter dem Bild des Wassers sind die Toten tot). Welche Bedeutung hat der Regenbogen nach der Sintflut?
    Gibt es einen Zusammenhang der deutschen Namen Himmel und Gott mit den hebräischen Namen der Himmel und Gottes (schamjim, Elohim und JHWH)?
    Wenn die Sprache die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung ist, ist dann darin nicht die Idee der Auferstehung bereits mit einbegriffen?
    Hodie, si vocem ejus audieritis: Hat nicht das Hören etwas mit dem Feuer zu tun? – So wie das Sehen mit dem Licht: Im Licht durchdringt das Feuer die Vergangenheit und ihre Finsternis. Im Bogen erscheint der farbige Rand der Grenze von Licht und Finsternis. (Sind nicht die schwarzen Objekte der Physik allesamt realsymbolische Objekte: von der Materie über die die Strahlung des „schwarzen Hohlraums“ bis zu den „Schwarzen Löchern“ der Astronomie, beides Reflexionsbestimmungen des Dunkels im Begriff der Materie, Stufen des projektiven Elements in der Physik, vergleichbar den „Stufen“ in der Entwicklung der drei Leugnungen Petri?)
    Kann es sein, daß die von Weizsäckersche Formel für die Energiebilanz der Sonne die richtige Frage ans falsche Objekt stellt: Geht es nicht eigentlich um die „Energiebilanz“ der schwarzen Strahlung und der Schwarzen Löcher?
    Im Unterschied zur christlichen war mit der jüdischen und dann der rabbinischen Tradition kein Staat zu machen (mit dem empirischen Beweis durch Sabbatai Zwi).
    Erst mit der „Überwindung des Mythos“, mit der Verinnerlichung der Schicksalsidee und des Opfers wurde das technische Konzept, das Konzept der Instrumentalisierung, (von der Philosophie und dem Recht über das Dogma bis zu den Naturwissenschaften) nach draußen verlagert. Den Opfern darußen entsprach die technische Durchorganisation der Sprache, der Verinnerlichung des Opfers die Instrumentalisierung der Welt.
    Die arrogante Bescheidenheit der katholischen Theologie (vgl. den neuen Katechismus).
    Hat das Rosenzweigsche dreifache Nichts etwas mit der Form des Raumes, mit der Form der Beziehungen der Dimensionen im Raum, zu tun, und gründet die Beziehung des Nichts zum Tode im Konstrukt des Inertialsystems als Todesgrenze? Ist nicht die tote Materie die von uns „fertiggemachte“ Materie (fertiggemacht in dem Sinne, wie ein Ausbilder beim Kommiß einen Rekruten, der sich herausnimmt, selber zu denken, „fertigmacht“: aber ist dieses „Fertigmachen“ nicht der Kristallisationskern aller hierarchischen System, vom Kommiß über die Verwaltungen bis hin zu den Kirchen)?
    Die Theologie unterscheidet sich von den Wissenschaft (wie die Prophetie von der Philosophie) dadurch, daß für sie die Vergangenheit nicht nur vergangen ist; Voraussetzung der Wissenschaft ist hingegen die verewigte Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft oder der Weltbegriff. Deshalb kann es eine Theologie, die diesen Namen verdient, ohne Erinnerungsarbeit nicht geben. Sie beantwortet die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit mit der Erinnerung der vergangenen Zukunft (Kritik des Raumes und des Weltbegriffs). Schon für Kant war die Frage, „if the future will be like the past“ (die heute jeden Theologen ins Grübeln, wenn nicht in Melancholie versetzen müßte), keine nur empirische Frage. Im Kontext eines Begriffs der Vergangenheit, der deren Unveränderlichkeit mit einschließt, und d.h. im Kontext des modernen Naturbegriffs gibt es keine Entsprechung mehr für die Idee der göttlichen Gerechtigkeit.
    Der Weltbegriff macht das Prinzip, wonach die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird, zum Apriori der Erkenntnis: Ist das Gesehenwerden der Statthalter der Zukunft im Raum (der Blick der Schlange und der Blick des Hundes)?

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie