Christentum

  • 10.4.1994

    Das Absolute ist der Gott für andere.
    Sind nicht die drei „großen Weltreligionen“ in der Tat die einzigen, die an den Grund der Welt rühren, und gründet ihre Trennung nicht im Bann des Absoluten?
    Muß nicht der Satz, daß wir uns selbst im blinden Fleck stehen, ergänzt werden durch den Hinweis, daß die genaueste Bestimmung dieses blinden Flecks die Idee des Absoluten ist.
    Antlitz und Gestalt: Gehört nicht das Antlitz zur Theologie, die Gestalt aber zur Welt (Tiere unterscheiden sich durch ihre Gestalt)?
    Der Raum ist nicht die Form der Gleichzeitigkeit (das ist ein Redundanz-, ein Rückkoppelungseffekt), sondern der Stabilisator der Vorstellung einer homogenen Zeit. Er neutralisiert die Differenzen und macht das Ungleichnamige gleichnamig.
    Die falsche Übersetzung von Joh 129 ist der Quellpunkt aller „unbegrenzten Zumutbarkeiten“.
    Wo die transzendentale Logik beginnt, hat die transzendentale Ästhetik ihr Werk schon getan. Und ist nicht die Bekenntnislogik ein Ableger der transzendentalen Logik? Daß die transzendentale Logik außer dem wissenschaftskritischen auch einen gesellschaftskritischen Aspekt hat, ist schon länger bekannt, während die Anwendung auf Erkenntnis im emphatischen Sinne auf die Kritik der Bekenntnislogik führt: Hier reicht sie in den Kern der Theologie hinein.
    Aus Petrus, der die Vollmacht hat, den Himmel aufzuschließen, ist durch den Nichtgebrauch dieser Vollmacht ein Kerkermeister geworden.
    Bezieht sich die Dewekut auf die Einigung des göttlichen Namens (die Heiligung des Namens) oder auf die unio mystica (die Vergöttlichung des Mystikers)? Durch die Antwort auf diese Frage unterscheidet sich die Prophetie von der Philosophie.

  • 27.3.1995

    Fällt nicht die „Postmoderne“ selber unter den Begriff der Moderne, der nicht so leicht zu rechtfertigen ist, wie seine Apologeten heute möchten, die als modern alles verstehen, was die Theologie hinter sich gelassen hat, während ihnen selbst unter der Hand die „Moderne“ zu einem quasitheologischen Bekenntnis geworden ist. So rächt sich der Verzicht auf die kritische Reflexion der Theologie. Und war nicht die Moderne selbst schon die Postmoderne der via moderna der Theologie? Die Verführung jeder Moderne: die Vorstellung, mit ihr sei das Vergangene erledigt. Genau das macht die Postmoderne paradox und die Moderne (wie die Form des Raumes, durch die der Begriff der Moderne vermittelt ist) unwiderlegbar.
    Und so viel Vieh (der Drache, das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande; Hörner, Köpfe und Kronen): Die Mechanik neutralisiert die Unterscheidung von Vorn und Hinten, die Gravitationstheorie die von Oben und Unten, und der Bereich der Naturwissenschaften, auf den das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich bezieht (von der Elektrodynamik über die Mikrophysik bis hin zur Chemie), die Unterscheidung von Rechts und Links.
    Der Begriff eines „innertrinitarischen Prozesses“ ist blasphemisch: Aus dem Begriff des Prozesses ist die Assoziation beherrschbarer Naturprozesse oder auch des strafrechtlichen Verfahrens, mit einem Wort: das Herrendenken, nicht herauszulösen. Er ist Teil und Produkt des historischen Objektivationsprozesses, dessen innertheologische Spiegelung. Wenn die Voraussetzung jeder Vergegenständlichung die Subsumtion unter die Vergangenheit ist, dann entzieht sich Gott jeder Vergegenständlichung (das war der Sinn des Verbots, den Gottesnamen, der unseren Theologen heute so leicht von den Lippen geht, auszusprechen). Das „Objekt“, auf das der Begriff des innertrinitarischen Prozesses sich bezieht, ist die Idee des Absoluten: der Schatten, den die Subjektivität auf Gott wirft.
    Ohne den Himmel (und seine Parodie: den Staat) gibt es keine Verkörperung. Diese Verkörperung ist der Grund des Namens: den hat die kopernikanischen Wende mit dem Erinnerung an den Himmel neutralisiert.
    Das Himmelreich ist das Reich der Namen, mit denen die Dinge am Ende gerufen werden, und in denen sie am Ende sich selbst erkennen.
    Mit dem Urschisma hat das Christentum den Bruch mit seiner eigenen Vergangenheit vollzogen und den Grund für die moderne naturwissenschaftliche Aufklärung gelegt.
    Der historische Objektiviationsprozeß hat Geschichte als Herrschaftsgeschichte freigelegt. Und war Jesus nicht, als er den Jüngern in Emmaus erklärte, daß alles so habe kommen müssen, damit die Schrift erfüllt werde, der erste Hegelianer?

  • 18.03.94

    Auch das Lippenbekenntnis ist ein (projektives) Schuldbekenntnis: logisches Zentrum des Schuldverschubsystems. Im Bekenntnis (im Kontext mit seiner „gemeinschaftsbegründen“: politischen, ökonomischen und religiösen Gewalt) gewinnt das projektive Moment in der begrifflichen Erkenntnis seine gegenständliche Kraft. Erkenntnistheoretisch gründet das Bekenntnis in der Form der äußeren Anschauung: in der Form des Raumes, praktisch bildet es sich am Modell der Logik des Tauschprinzips.
    Die genetische Beziehung der Trennung von Ding und Sache zur mittelalterlichen Eucharistie-Verehrung gründet in der Bekenntnislogik: Durch diese Beziehung rückt die Eucharistie (und mit ihr die Opfertheologie, eigentlich das gesamte Dogma) in den Kern des gesellschaftlichen Schuldzusammenhangs, wird sie zur Verkörperung der „Sünde der Welt“ („Denn wer ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht, wenn er den Leib nicht unterscheidet“).
    Wenn das Bekenntnis der unreine Geist ist, der in die Wüste geht, welches sind dann die sieben unreinen Geister, die mit ihm zurückkehren?
    Mit dem Bekenntnis (das als Produkt der Verinnerlichung der Scham sich begreifen läßt) ist die Fixierung auf die Sexualmoral mitgesetzt: So ist die Kirche in die Fundamenten des Weltbegriffs mit eingegangen und seitdem darin enthalten (und verhext auch die jüdische Tradition und den Islam, Grund des Fundamentalismus).
    Das Bekenntnis als Produkt der Verinnerlichung der Scham kehrt die Richtung der Scham um; die Blöße soll nicht mehr nur vor dem Blick der andern, sondern – nach Verinnerlichung des des Blicks von außen: des Gesehenwerdens, nach Verinnerlichung der Welt – präventiv schon vor der eigenen Wahrnehmung geschützt werden: Konstituierung des Verdrängungapparats, Ursprung des steinernen Herzens und des pathologisch guten Gewissens; dagegen hilft nur noch Umkehr als Erinnerungsarbeit.
    Durch ihre Beziehung zur Verdrängung unterscheidet sich die Bekenntnislogik von der bloßen Heuchelei: Der Begriff der Heuchelei unterstellt ein bewußtes Verbergen (gegen den Blick von außen), während die Verdrängung gegen den eigenen Blick nach innen schützen soll; dieses Verfahren funktioniert nur auf der Basis der Bekenntnislogik (die eine Form der Urteilslogik ist).
    Die „verandernde Kraft“, die Rosenzweig der Kopula „ist“ zuspricht, beherrscht die Urteilsform insgesamt: auch die Bekenntnislogik.
    Als die Deutschen nach dem Krieg den Gedanken an eine Kollektivschuld verwarfen, statt dessen (nach einem Vorschlag von Theodor Heuß) die Kollektivscham als ein der Einnerung an das Grauen angemessenes Verhalten akzeptierten, haben sie mit der Bekenntnislogik die alte Welt (den Weltbegriff und die damit verknüpften Verdrängungsmechanismen) gerettet. – „Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt – es ist niemals gutzumachen.“ So endet die Erzählung „Ein Landarzt“ von Kafka.
    Trifft es zu, daß es Sprachen gibt, die die Unterscheidung von Maskulinum und Femininum nicht kennen, sondern nur die von Belebtem und Unbelebtem? Welches Weltverständnis liegt diesen Sprachen zugrunde, sind sie nicht schon unter der Gewalt des Neutrums entstanden (denn die Unterscheidung von Belebtem und Unbelebtem, Organischem und Anorganischem, mißt das Belebte am Unbelebtem; dieses ist das Hypokeimenon)? Haben diese Sprachen mit den hamitischen Sprachen zu tun, sind sie „Sklavensprachen“ (Produkt der aufgedeckten Blöße des Vaters)? Und haben sie etwas mit den Geschichten von den Göttersöhnen und den Menschentöchtern zu tun?
    Ist der Name des Vaters ein Name JHWHs oder ein Name Elohims?
    Der Ursprung der Philosophie, das Verstummen der Sprache und die Barbarisierung der Welt (durch Zurichtung zur Natur).
    Die Kirche hat das parakletische, das verteidigende Denken durch das apologetische Denken ersetzt: Sünde wider den heiligen Geist.
    Steckt die Lösung der Hegelschen Philosophie in dem Satz „Schuld ist die Ehre des großen Charakters“ (der sich übrigens im Hegel-Register der stw-Ausgabe nicht findet)? Aber klingt dieser Satz nicht ein wenig wie der Satz Heideggers „Wer groß denkt, muß groß irren“?
    Schuld, Ehre und Charakter bezeichnen die Einheit des Schuld-, Verblendungs- und Herrschaftszusammenhangs.
    Käme es nicht heute darauf an, die Bewegung vom Mythos zur Offenbarung, die Franz Rosenzweig im Verhältnis des zweiten zum ersten Teil des Stern der Erlösung beschreibt, als das Modell der realen Befreiung im Christentum: der Umkehr, zu begreifen? Ist das Christentum nicht (durch die Bekenntnislogik) die ambivalente Einheit von Mythos und Offenbarung? Ist es nicht diese Einheit (die des Bekenntnisses), die heute in den Spannungen sich entlädt, die das Überleben des Christentums in seiner bisherigen Gestalt in Frage stellt? Eine Hilfe ist der Hinweis, daß in der Schrift das gewöhnlich mit „Bekenntnis“ übersetzte homologein auf den Namen (das Telos der benennenden Kraft der Sprache) sich bezieht.
    Die Materie (selber Produkt der Verinnerlichung der Scham) ist der Schwamm, der die benennende Kraft der Sprache in sich aufgesogen hat; das Bekenntnis (der logische Kern der Begriffsbildung) ist eine Ersatzbildung dafür.
    Hängt der Name der Ahnen mit den Verben ahnen (die Zukunft wird nach Schelling geahnt) und ahnden (die Schuld wird geahndet) zusammen? Vorstellbar wäre, daß mit der „geahndeten“ Zukunft (und das Ahnen gibt es gelegentlich auch in der sprachlichen Form des Ahndens) die unter die Vergangenheit subsumierte (und so in der Tat geahndete: zur Schuld verurteilte) Zukunft gemeint ist.

  • 02.03.94

    Ist die Kehrseite der Naturwissenschaften (und ähnlich die der Ökonomie und die des Dogmas und der Bekenntnislogik) elliptisch: Wo ist der zweite Brennpunkt?
    Das Interesse an der Erhaltung der Referenzsysteme der Natur, der Ökonomie und der Religion (Inertialsystem, Geld, Bekenntnislogik), die sich ohnehin gegenseitig stützen, der Widerstand gegen ihre Reflexion, ist heute stärker als das Interesse an der Wahrheit.
    Was entspricht dem Urknall und dem Schwarzen Loch in der Ökonomie und in der Religion?
    Die Rekonstruktion der Bekenntnislogik hat die Entschlüsselung der Sakramentenlehre zur Voraussetzung. Für Augustinus waren das Symbolum und das Herrengebet noch Sakramente, die bei der Taufe übergeben wurden. Wann ist die systematisierte Sakramentenlehre (die Lehre von den sieben Sakramenten) entstanden? Fällt sie nicht unter den gleichen Bedingungszusammenhang wie auch die Konsolidierung der Lehre von den letzten Dingen (Hölle, Himmel und Fegfeuer), die Durchsetzung des Zölibats, der Ursprung der Eucharistie-Verehrung (Fronleichnam) und der Ursprung der Ohrenbeichte; und wird dieser Bedingungszusammenhang nicht durch den neuen, islamisierten (d.h. durch das religiöse Trägheitsgesetz der Ergebung charakterisierten) Weltbegriff, der darin sich abzeichnet, definiert? Ist nicht die Lehre von den sieben Sakramenten (Symptom der Islamisierung des Christentums) bei Thomas von Aquin schon voll ausgebildet?
    Die Hegelsche Logik ist die Selbstreflexion des Dings, und ihre Beziehung zur Theologie wäre in dem gleichen Zusammenhang zu bestimmen, in dem der Dingbegriff als die Säkularisationsgestalt der Eucharistie sich erweist. Ist nicht die Philosophie in der Tat der corpus Christi mysticum, aber in der Gestalt des Fronleichnams (der Eucharistie als Symbol des am Kreuz gestorbenen Leibes des Herrn)?
    Wie verhält sich der Begriff der Totalität zu dem des Absoluten (oder: wie verhält sich der Faschismus zum Barock)?

  • 15.02.94

    „Im Denken bin ich frei.“ (Ph.d.G., S 156) Genau darin gründet der Schein der Hegelschen Philosophie, während im Kontext der Erkenntnis wirkliche Freiheit in der Fähigkeit zur Schuldreflexion gründet (als Freiheit von Rechtfertigungszwängen).
    „Das unglückliche Selbstbewußtsein entäußerte sich seiner Selbständigkeit und rang sein Fürsichsein zum Dinge heraus.“ (S. 260) – Ist das nicht die präzise Beschreibung des Ursprungs des Dingbegriffs in der mittelalterlichen Eucharistieverehrung und des Zusammenhangs des Dogmas (Trinitätslehre, Christologie und Opfertheologie) mit dem Ursprung des modernen Ding- und Objektbegriffs?
    Hegels Philosophie war nur auf der Grundlage einer vom Tauschprinzip durchdrungenen und beherrschten Welt möglich: einer auf der Grundlage des Eigentumsprinzips organisierten Welt (und d.h. einer staatlich organisierten Welt).
    Fällt die Unterscheidung von Welt und Natur nicht schon in die Hegelsche Philosophie: als Unterscheidung von An sich und Für uns?
    Aufgrund der Beziehung des Seins zum Seinen ist die Fundamentalontologie unausweichlich nationalistisch und antisemitisch zugleich. Sie verkörpert den Anspruch: „Denn heute gehört uns Deutschland, und morgen die ganze Welt.“
    War nicht das Seiende, der Gegenstand der Philosophie seit ihrem Ursprung, seit je „herrenloses Gut“, durch Philosophie anzueignen (und zu zivilisieren)?
    Es bezeugt den verworfenen Zustand der Theologie, wenn es bis heute keinem Theologen aufgegangen ist, was es mit dem Hegelschen Verständnis des Christentums und der Trinitätslehre (wie sie zuerst in der Gestalt des unglücklichen Bewußtseins sich ausdrückt) auf sich hat.
    Beschreibt nicht die Philosophie den Flucht- und Aggressionsweg der Angst vor den im Mythos verkörperten Ängsten vor der Offenbarung? Und endet dieser Weg nicht wieder im (fundamentalontologischen) Mythos: in der objektlosen Angst und der antwortlosen Frage Heideggers?
    Tiere sind Verkörperungen der Instrumentalisierung (des Weltbegriffs) und der davon nicht zu trennenden Rücksichtslosigkeit. Deshalb orientiert sich die Artenbildung an den Prinzipien der Flucht und des Angriffs. Die Rücksichtslosigkeit ist ein Sinnesimplikat des Organischen (auch in der Gesellschaft).
    Wie hängt das Auf-dem-Bauche-Kriechen mit dem Staubfressen (und das Staubfressen der Schlange mit dem Feuerspeien des Drachens) zusammen?
    Weshalb ist die Schlange das klügste aller Tiere, und war sie nicht (neben Bileams Esel) das einzige Tier der Bibel, das sprechen konnte? (Haben die Evangelien nicht mehr mit dem Bileam zu tun, als man auf den ersten Blick erkennt, und ist das etablierte Christentum nicht an der Sünde Bileams erkrankt?)
    Die Philosophie sind die Wasser, die den Meeresboden bedecken, und die Elohim haben die großen Meeresungeheuer geschaffen. Der Engel Elohims hatte Abraham aufgefordert, seinen einzigen Sohn zu opfern, der Engel JHWHs hat ihn dann von der Ausführung der Tat abgehalten.

  • 16.01.94

    Zur Beziehung von Scham und Blut sh. Vermes, Anm. 31, S. 260: Rabbi Nachman ben Isaak: „Wer seinen Nächsten in der Öffentlichkeit beschämt (erröten läßt), der ist, als hätte er Blut vergossen.“
    Anwendung von Mt 634: „Darum sorgt nicht für den anderen Morgen, denn der morgige Tag wird wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß jeder Tag seine eigene Plage hat“, auf die Schöpfungsgeschichte, das Sechstagewerk, und auf den „Tag des Herrn“. Geza Vermes rührt, ohne es zu bemerken, an den Grund der Prophetie, wenn er dazu darauf hinweist, daß Jesus „ein Mensch (war), für den die Gegenwart, das Hier und Jetzt, von einmaliger und unendlicher Wichtigkeit war“ (S. 264).
    Zur Bestimmung des Staubs (zu dem Adam wird, und den die Schlange frißt): Das Heideggersche „Man“ ist eine Emanation der Welt: die präziseste Bestimmung dessen, was die Propheten Unzucht nannten. Bezeichnend, daß das unpersönliche Man dann doch als männlich (und als Verkörperung des Universalen) erfahren wird.
    Das Geschwätz ist eine Erfahrungsverhinderungsmaschine (es gehorcht der dem Rechtfertigungszwang unterworfenen Bekenntnislogik).
    Wenn Israel der Augapfel Gottes ist, ist dann nicht der Antisemitismus (wie vor ihm der kirchliche Antijduaismus) ein Versuch, Gott blind zu machen: daß er’s nicht mehr sieht?
    Wenn der Antisemitismus Gott erblinden macht, hat dann das Christentum Ihn gelähmt? Drückt sich das darin aus, daß der erhöhte Jesus „zur Rechten des Vaters“ sitzt?
    Die Botschaft Jesu an den Täufer im Gefängnis („Blinde werden sehend und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote werden auferweckt und und Armen wird die frohe Botschaft verkündet, und selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“, Mt 115) ist apokalyptisch (Zusammenfassung der Lösung der sieben Siegel und e contrario eine spiegelbildliche Beschreibung des apokalyptischen Weltzustandes).
    Als Zedekia, der letzte (vom König von Babel eingesetzte) König der Juden, nach Babel verbracht wurde, „schlachtete man (die Söhne Zedekias) vor seinen Augen; den Zedekia aber ließ er blenden und in Ketten legen. So brachte man ihn nach Babel“ (2 Kön 257). Hat diese Geschichte etwas mit Auschwitz zu tun: Ist „der König der Juden“ seitdem geblendet und in Fesseln, blind und lahm? Vgl. auch die „Blinden und Lahmen“ bei der Eroberung Jerusalems (2 Sam 56ff) und in der Botschaft Jesu an den Täufer („Die Blinden werden sehend, die Lahmen gehen, …“ Mt 115). -Ist hier die Richtung bezeichnet, in der das mit dem Lösen Gemeinte gesucht werden muß?
    Es gibt keine Erkenntnis, die nicht auch in Beziehung zur Gotteserkenntnis steht, und hier gilt der Satz: Der liebe Gott (und nicht der Teufel) steckt im Detail.
    Zu Geza Vermes: Der Nachweis, daß die Lehre der Kirche mit der Lehre Jesu nicht übereinstimmt, reicht nicht mehr. Zu ermitteln und herauszuarbeiten wäre die reale historische Beziehung beider zueinander; eine hierher passende Bemerkung zu den Elefanten: Ist nicht das Langzeitgedächtnis, soweit es von der Erinnerungsfähigkeit zu unterscheiden ist, und d.h. das Langzeitgedächtnis, dessen Objekt man nur ist, Ausdruck einer sehr tiefen Verletzung?
    Zur Unterscheidung von Mythos und Aufklärung: Wenn das Schicksal, nach der Benjaminschen Definition, der Schuldzusammenhang des Lebendigen ist, ist dann die Welt (und das wäre ebenfalls eine Definition) der Schuldzusammenhang des Toten (aber dieser Schuldzusammenhang ist einer, der in dem des Lebendigen gründet, und dessen realsymbolische Widerspiegelung das apokalyptische Tier ist)? Für uns sind nicht mehr die Götter unsterblich, sondern unsterblich ist nur noch die Sterblichkeit der Sterblichen: der Tod. Darin gründet der Naturbegriff.
    Vornehm und anständig, oder der Kern des Verblendungszusammenhangs: Der Vornehme spiegelt sich im Blick von unten, der Anständige im Blick von oben. Gemeinsam verstellen sie der Erkenntnis den Weg. Wenn die Vornehmen mit den Anständigen sich verbünden, siegt die Natur, wird die Welt gemein.
    Zur Raumvorstellung: Oben und unten bezeichnen das Verhältnis von Schöpfung und Auferstehung, rechts und links das von Gericht und Barmherzigkeit, und vorne und hinten das von Im Angesicht und Hinter dem Rücken.

  • 28.12.93

    Ist der Rock aus Fell, in dem keine Naht ist, der Tierkreis, die vom Himmel sich ablösende Buchrolle?
    Der Heilige Geist, der Paraklet, ist in der Tat auch der Tröster, aber der einzige, der der Illusion und des Betrugs nicht bedarf.
    Ist Drewermann nicht der lebendige Beweis dafür, daß die Personalisierung (der Konkretismus, der Mechanismus der Verdinglichung: der Weltbegriff) zum Aufdecken der Blöße gehört?
    An die Feindesliebe sind bei Mt Konsequenzen geknüpft: „damit ihr Söhne eures Vaters in den Himmeln seid“ (545). Ist die Feindesliebe das Ende der Unzucht?
    Die Vorstellung, daß in Jesus die Prophetie, das Wort, sich erfüllt, daß er selbst das Wort ist, ist wahr und unwahr zugleich: Aber das Moment der Unwahrheit daran hat das etablierte Christentum seit je verdrängt, und damit auch die Wahrheit entstellt. Es hat die benennende Kraft des Worts durch die objektivierende, verdinglichende Gewalt der Logik ersetzt.
    Waren es nicht die Jünger in Emmaus, denen Jesus erklärte, daß und weshalb alles so kommen mußte?
    Der Menschensohn unterscheidet sich dadurch vom Tier (und wird dadurch zum Menschensohn), daß er die Sünde der Welt auf sich nimmt, den Bann der Welt, dem die Tiere verfallen sind, entrinnt.
    Die Urteilslust partizipiert durch das Moment der Projektion in ihr an der Exkulpationslust (sie ist Exkulpationslust).
    Abraham war ein Hebräer, Josef war ein Hebräer, Judith war eine Hebräerin, Jona war ein Hebräer: Alle waren es als Fremde. Auch Paulus bekennt sich als Hebräer: 2 Kor 1122, Phil 35. Aber vgl. hierzu den falschen (unsensiblen) Gebrauch des Namens der Hebräer in der Einheitsübersetzung und die verräterische Verwechslung der Namen Israelit und Hebräer (und die damit verknüpften antisemitischen Assoziationen) in den „Tag- und Nachtbüchern“ von Theodor Haecker.
    Ist das Millenium (als die Geschichte, in der Jesus dem Vater „alles unterwirft“: als Herrschaftsgeschichte des Christentums) der Kelch, von dem Jesus in Getsemane wünschte, er möge an ihm vorübergehen?
    Mt 1626: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele“; die ganze Welt: to kosmos holon, die Sünde der Welt: täs hamartias tou kosmou.

  • 27.12.93

    Die Opfertheologie verweigert genau das, was sie leisten soll: die Befreiung. Eine Kritik der Opfertheologie, der Vergöttlichung des Opfers, ist schon deshalb notwendig, weil sie die Bindung an die Opferrolle sprengt.
    Die Christen haben das Christentum als Religion für andere (als Weltreligion) zu einem undurchdringlichen System gemacht, in dem man, wie man sich auch wendet, gefangen bleibt. Z.B. Drewermann bleibt gerade durch seine Opposition zur Kirche (und durch die damit verbundene Opferrolle) in dem Netz gefangen. Eine Schlüsselfunktion scheint bei ihm die Personalisierung der Probleme zu haben (die ihn konfliktunfähig macht, seiner Position aber zugleich den Schein des Absoluten verleiht). Es ist eine kirchlich produzierte Psychose, die ihn aus der Kirche heraustreibt.
    Ist Drewermann das letzte Opfer der kirchlichen Ketzerverfolgung, die seit je die Wahrheit aus Furcht vor den Wehen abgetrieben hat?
    Die Beziehung der Wissenschaft (des Positivismus) zur Wahrheit ließe sich am ehesten als Abtreibungsautomatik beschreiben (und die Alma Mater als Hure Babylon).
    Grund des Antijudaismus: In den Juden hat die Kirche immer schon sich selbst gehaßt. Enthält nicht Mt 523f das Gebot zur Beseitigung des Urschismas; und ist nicht vorher jede Eucharistie blasphemisch?
    Ist nicht jeder Fundamentalismus Produkt einer Anpassung der Religion an das steinerne Herz der Welt? Aber diese Gefahr gibt es nur für die Buchreligionen (sie ist im Christentum entstanden und eines ihrer ersten Symptome war das augustinische „ad litteram“).
    Daß der Himmel wie eine Buchrolle sich zusammenrollt (Jes 344): Gibt es eine bessere Beschreiung der Thora?

  • 16.12.93

    In der Moderne waren die Banken von Anbeginn Privatbanken, auf den wechselseitigen Verkehr (Finanzmessen, dann Zentralbanken) angewiesen.
    Bankengeschichte, S. 114: Wo lag der Grund für den „außerordentlichen Geldbedarf, den die Weltpolitik der entstehenden europäischen Nationalstaaten schuf“?
    War die Währungshoheit der Staaten erst auf der Grundlage von Papiergeld möglich?
    Die Vertrautheit, die schon die Anfänge der modernen Bankengeschichte kennzeichnet, hängt mit zwei Dingen zusammen:
    – mit dem methodischen Verfahren der Darstellung: die Einschränkung auf die Entwicklung der technischen Aufgaben des Bankwesens, deren Maß der technische Standard von heute ist,
    – außerdem: vor dem Hintergrund des Christentums ist ein Weltbegriff entstanden, der diese technischen Details gleichsam wertneutral darzustellen ermöglicht.
    S. 121: Lag der Unterschied zwischen dem „Süden“ (Italien, Spanien, Frankreich) und dem „Norden“ (Niederlande, England, Deutschland) darin, daß im Süden das (private und politische) Kreditgeschäft weiter entwickelt war, während im Norden der Schuldbrief (die Regelung des Zahlungsaufschubs: gleichsam der „Kredit“ nach vollzogenem Geschäft) im Vordergrund stand (Grundlage des Diskont- und Zentralbank-Wesens?)? Versehen mit einer Inhaber-Klausel konnten diese Schuldbriefe dann auch als Zahlungsmittel verwandt werden.
    Das erste Börsen-Gebäude 1531 in Antwerpen: eine permanente Finanzmesse.
    Der logisch-systematische Grund der modernen Demokratie liegt in den Staatsverschuldungen seit der Renaissance: Die Kreditgeber erhoben den natürlichen Anspruch, über die Verwendung der Kredite mitzubestimmen. Entspringt nicht der moderne Staat generell mit der Staatsverschuldung (als Ende der Geschichte der Schuldknechtschaft)?
    Sind die kirchlichen Banken, die in der Europäischen Bankengeschichte merkwürdigerweise nicht erscheinen, nicht der Vorläufer der Zentralbanken, und das kirchliche Ablaßwesen das Modell der staatlichen Anleihen? Welchen Ursprung und welche Funktion hatten die kirchlichen Banken in der Geschichte der Kirche und der Theologie (ihr Pendant: die pornographische Epoche der kasuistischen Moraltheologie)? In welcher Beziehung stehen sie zu den opfertheologisch begründeten Vorstellungen über die kirchliche Verwaltung des Gnadenschatzes? Zusammenhang von Instrumentalisierung des Kreuzestodes, Ursprung der Sexualmoral, Sakramentenlehre und Kapitalisierung der Gnadenverwaltung, kirchlicher Imperialismus, mit der Geschichte der Geldwirtschaft (Bedeutung der Theologie für die Konstituierung des Objektbegriffs).
    Die Philosophie als der mystische Leib Christi: War Jesus nicht ein am haarez aus Galiläa, aber kein Rabbiner (und deshalb auch nicht verheiratet)?
    Sind nicht die Geschichten vom Sturm auf dem Meere und vom Schiffbruch des Paulus vor Malta Variationen zur Jona-Geschichte? Und ist nicht der dogmatisierte Glaube das, was Jesus in der Geschichte vom Wandeln auf dem Meere den „Kleinglauben“ des Petrus nennt?
    Gottesfurcht ist das Ende der Menschenfurcht: Sie bricht den Bann der Welt.
    Klugheit, Weisheit und Verstand (die „Klugheit der Schlangen“, „hier braucht es Weisheit und Verstand“, in der Prophetie „Weisheit und Einsicht“):
    – Klugheit ist das Vermögen der rationalen Selbsterhaltung,
    – Weisheit, nach Thomas von Aquin eine Tugend der Regierenden, das Vermögen der rationalen Reflexion der Klugheit (Reflexion der Klugheit der anderen im Hinblick auf das Wohl aller),
    – Verstand: das Vermögen der Einsicht, des Verstehens, ein sprachliches Erkenntnisvermögen (das Erkenntnismoment im Namen, Medium der Gotteserkenntnis); das eigentlich mystische Organ ist der Verstand.
    Das Denken der Philosophie ist ein Denken mit eingebautem Feindbild.
    Mit Assur und Babylon beginnt die seither nicht mehr unterbrochene Geschichte der Weltreiche; Ägypten war nur das Sklavenhaus. So war der Pharao der König von Ägypten, ein König unter anderen Königen; der König von Babylon hingegen der König der Völker, ein König der Könige.
    „Oh, du fröhliche …“. Müßte der Folgetext nicht umgedreht werden: Welt ward geboren, Christ ging verloren? Und ist das „Freue dich“ im Kontext der auf den Kopf gestellten christlichen Erlösungslehre nicht der Hohn über die Dinge (der sie zu Dingen macht), der im Gelächter laut werdende Haß der Welt? Wer Ohren hat zu hören, müßte im Inertialsystem und im Begriff Laborbedingungen (in den Bedingungen des Experiments) das höhnische Gelächter hören, daß das Subjekt aus der Welt austreibt (in dem das Subjekt sich selbst aus der Welt austreibt, indem es zur Welt wird). Ist diese Austreibung des Subjekts (die erstmals in der philosophischen Kritik des Anthropomorphismus erscheint) die Antwort der Welt auf die jesuanische Austreibung der Dämonen?
    Ist nicht das Weihnachtsfest zum Fest der institutionellen Abtreibung der Wahrheit geworden, und die kirchliche Abtreibungskampagne eine Form der projektiven Verarbeitung dieser Abtreibung? Ist hier nicht der Greuel am heiligen Ort, der gnadenlose Kult des Selbstmitleids, in dem jede Erinnerung an Barmherzigkeit erstickt?
    Der Weihnachtsmann: eine Mischung aus einem Nikolaus, der eigentlich der böse Wolf ist, und Rotkäppchen, eine Karikatur des Bischofsamts, die dessen historische Wahrheit ausplaudert. Wie erfahren Kinder, die einmal den Nikolaus kennengelernt haben, dann den Bischof?
    Mit dem y im Seyn hat Heidegger das Possessivpronomen vergoldet.

  • 14.12.93

    Die „Europäische Bankengeschichte“ beginnt mit der Neuentwicklung im Mittelalter; sie beschreibt den Ursprung und die Geschichte des Bankenwesens auf dem Boden der Moderne: Im Gegensatz zur Ursprungsgeschichte der Banken und des Geldwesens in der Antike ist hier alles merkwürdig vertraut. Liegt das daran, daß diese Moderne auf dem Boden und im Kontext eines Christentums erwachsen ist, das als Legitimation und Begründung der Rationalität der zugrundeliegenden Lebensverhältnisse heute noch wirksam ist (die Logik dieses Christentums wurde verinnerlicht und beherrscht unser Realitätsverständnis immer noch, auch wenn die religiösen Vorstellungen längst verblaßt sind)?
    Um es staatsanwaltschaftlich auszudrücken: Ich habe den begründeten Verdacht – und d.h. einen Verdacht, der die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigt -, daß die deutsche Sprache den sprachgeschichtlichen Endpunkt der Geschichte des Sündenfalls markiert.
    Wie tief der Staat – oder die Gewalt des Neutrums – in die deutsche Sprache eingedrungen ist, wäre an Heidegger zu demonstrieren. Verantwortung ist in Deutschland etwas, zu der man gezogen oder die einem übertragen wird, aber niemals eine Verantwortung, die man auch unabhängig vom Eigeninteresse oder von der Wahrnehmung eines Amtes hat. Und Begriffe wie Berechtigung, deren Ursprung und Konstruktion hinter den Prä- und Suffixen (Be-, -ig-, -ung) fast nicht mehr erkennbar ist, sind nur verständlich aus einer Ontologisierung, die das sprachliche, benennende Moment unter sich begräbt: Das tätige Moment wird in ein reines Geschehen: in bloße Passivität übersetzt („Vorlaufen in den Tod“).
    Was ist ein „herrenloses Gut“? Ist nicht die Welt insgesamt ein herrenloses Gut: ein für deutsche Ohren unerträglicher Zustand, den die deutsche Politik seit dem 19. Jahrhundert beenden möchte.
    Zu Velikovsky und Heinsohn: Haben nicht auch die Propheten schon sich auf die „Venus-Katastrophe“ bezogen, wenn sie von Unzucht und Hurerei sprachen: auf die gesellschaftliche Naturkatastrophe des Götzendienstes und der Idolatrie, den Ursprung des Staates und die Vorgeschichte des Weltbegriffs?

  • 13.12.93

    Natur als „Inbegriff gegebener Gegenstände“. (Kritik der reinen Vernunft, S. 635) Diese Erläuterung ist der Definition, die Kant an anderer Stelle gibt, äquivalent, wo er Natur als das „dynamische Ganze der Erscheinungen“ bezeichnet. In der durch die Urteilsform verhexten Welt bezeichnet die Natur alle Gegenstände von Urteilen, die Welt alle Urteile über Gegenstände. Der Weltbegriff entzieht den Naturbegriff, und mit ihm den Gegenstandsbegriff, der kritischen Reflexion.
    Ethik als prima philosophia: Wenn Kant die Metaphysik der Natur von der Metaphysik der Sitten dadurch abgrenzt, daß er die eine als das Reich des Seins vom andern als dem Reich des Sollens trennt, dann vergißt er, daß das Sein in diesem Kontext als Nichtsein des Gesollten sich bestimmen läßt: Beide stehen nicht beziehungslos nebeneinander, beide sind (durch eine Grenze, die Rosenzweig erstmals als Grenze des Todes begriffen hat) auf einander bezogen, und die Reflexion dieser Beziehung wäre die zentrale Aufgabe der Philsophie (der „Stern der Erlösung“ ist ein philosophisches Buch). Wer das Sollen nur als Sollen bestimmt, neutralisiert und liquidiert es (wie Hegel es in der ungeheuren Konsequenz seiner Logik getan hat).
    Das Sein wird zum undurchdringlichen Sein erst durch seine Beziehung zur benennenden Kraft der Sprache: Indem es sie auf verdinglichte Objekte bezieht, neutralisiert es die Sprache zum Begriff, die dann verfügbar, instrumentalisierbar wird. Nur durch die Kritik des Begriffs, durch die Kritik des Weltbegriffs hindurch, ist es in das Licht der Erlösung zu rücken.
    Daß das Nichts etwas Reales, Bestimmtes ist, läßt sich (wie bei Rosenzweig) anhand der Todesfurcht bestimmen, aber auch
    – durch eine genauere Analyse der Vorstellung des Zeitkontinuums (seiner Bedeutung für die Konstruktion des Inertialsystems und die Begründung des naturwissenschaftliche Erkenntnisprozesses) und
    – anhand einer Untersuchung der Geschichte der Banken im Hinblick auf die Geschichte der Armut, der Ausbeutung und Unterdrückung in der Welt (Geldwäsche wäre eine Definition der Bankentätigkeit insgesamt; diese Leistungen der Banken sind vergleichbar denen der Schlachthäuser, der Kliniken, der industriellen Produktionsstätten und der Irrenanstalten: sie rücken die Grundlagen und Folgen unserer privatisierten Existenz aus dem Blickfeld).
    Pecunia non olet? Müßten Vegetarier nicht auch das Geld verweigern? Und hat der Hostienkult im Mittelalter nicht ebenso wie mit der Etablierung des Objektbegriffs etwas mit der neuen Entwicklung der Geldwirtschaft (und mit den gleichzeitigen Änderungen im Fleischverzehr, sowohl hinsichtlich der Mengen des Fleischverzehrs als auch der dazugehörigen Essenssitten: der Erfindung von Messer und Gabel) zu tun?
    Zur Rehabilitierung des Wunders: Humanität beginnt dort, wo man nicht mehr sich darauf beschränkt, nur das Mögliche zu denken, sondern den Schritt vollzieht, auch das Unmögliche zu denken.
    Die Antwort Jesu an Johannes („Die Blinden werden sehend, …“: Beschreibt sie nicht aufs genaueste den Umkreis der Erfüllung des Wortes, die Franz Rosenzweig als den Ort des Wunders bezeichnet und in den Kontext der Umkehr gerückt hat?
    Durch das Gravitationsgesetz hat Newton den Kosmos in eine imaginäre Maschine verwandelt, die nicht zufällig das Bild vom Uhrwerk nach sich gezogen hat. Gehört die Erfindung mechanischer Uhren (die dann an Kirchtürme und in die Dome verbracht wurden) zur Vorgeschichte des Inertialsystems?
    Eines der zentralen Momente der prophetischen Utopie ist das Bild vom Tierfrieden. Aber das ist nicht mehr zu verstehen ohne die Weltkritik der Apokalyptik.
    Hängt halacha mit lechem und haggada mit gadol zusammen? Und sind sie somit nicht auch Verkörperungen der Beziehung von Gericht und Barmherzigkeit? Und ist nicht mit der Übernahme der Sünde der Welt die Gerechtigkeit in der Barmherzigkeit: das Gesetz in der Gnade aufgehoben? Weshalb Jesus zur Rechten des Vaters sitzt, von dannen er kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten.
    Die jüdische Vergangenheit und das Gesetz ist im Christentum nicht überwunden, sondern aufgehoben, aber als Utopie aufgehoben, nicht als Realität (gegen die Kirche): Aufgehoben in der Idee des Parakleten. Johannes hat nur die Umkehr gepredigt, Jesus die Frucht der Umkehr: den Parakleten, den Geist.
    Wer Jenseits des Todes mit Nach dem Tod verwechselt, schneidet die Erlösung an der Wurzel ab, befördert die Finsternis über dem Abgrund. Das Verhältnis Jesu zum Täufer ist geweissagt in dem Satz vom Geist Gottes über den Wassern.
    Die Lösung der sieben Siegel ist die Lösung des Rätsels des Sechstage-Werks.
    Dem Menschensohn ist Herr des Sabbats: D.h. er ist der Herr des Sechstage-Werks und des Exodus.
    Wodurch unterscheidet sich das Himmelreich vom Gottesreich, und weshalb unterscheiden deutsche Übersetzungen in der Regel auch sprachlich zwischen Himmelreich und Reich Gottes (während im Griechischen beide Namen gleich, durch die reine Genitivkonstruktion, nicht durch ein zusammengesetztes Wort, gebildet werden: basileia tou ouranou und basileia tou theou). Geschichtsphilosophie der Wortbildungen:
    – im Hebräischen scheinen Wortzusammenfassungen in erster Linie Namensbedeutung zu haben (Jehoschua, haschamajim),
    – im Griechischen und Lateinischen bezeichnen sie Tätigkeiten (pantokrator, pontifex),
    – im Deutschen (ohne Parallele in anderen Sprachen?) Eigentums-und Herrschaftsbeziehungen (Hausbesitzer); entspringen diese Konstrukte nicht in Genitivbildungen, und partizipieren sie nicht an der Zweideutigkeit des Genitivs (g. subjectivus und objectivus)? – Vgl. die Bemerkung Walter Benjamins hierzu im „Ursprung des deutschen Trauerspiels“.
    Haben die Wortzusammensetzungen im Indogermanischen etwas mit der selbstreferentiellen Struktur dieser Sprachen, mit der noesis noeseos, mit ihrer Beziehung zum Herrendeknen und mit der Bildung des Neutrum (und dem Ursprung des Begriffs) zu tun? Steckt nicht in der Beziehung der indogermanischen Substantivbildung zur hebräischen Namensbildung ein Hinweis auf die geschichtsphilosophische und metaphysische Relevanz des Problems?
    Steckt in Mirjam das jam (Meer)? Und hat jam (Meer) etwas mit majim (Wasser) zu tun: Gibt es im Hebräischen Umkehrbildungen: jam und majim, bara und arab, negev und begin?
    Ist die Wüste die Umkehr der Schöpfung, und die ägyptische Magd die Umkehrung des hebräischen Sklaven?
    Sind Vor- und Zuname (auch die Bildung „Jesus Christus“) Abkömmlinge und Denkmale der Trennung von Natur und Welt, Objekt und Begriff: Produkte der Urteilsform?
    Zwischen den Feigenblättern (zu deren Bedeutung Johannes Scotus Eriugena wichtiges gesagt hat) und den Röcken aus Fell, mit denen Gott Adam und Eva bekleidete, liegen die Verfluchungen der Schlange, Evas und Adams. Aber erst nach dieser Bekleidung mit Fellen erfolgt die Vertreibung aus dem Paradies. (Gen 37.21f) Haben diese „Felle“ etwas mit dem Ursprung des Weltbegriffs zu tun (sind die Felle der Tiere nicht Verkörperungen der Scham, Ausdruck ihrer Beziehung zu ihrer Welt, der Mimesis an die „Außenwelt“: des Bannes, unter dem alle Tiere stehen)? Drückt in diesen Fellen (ebenso wie nach Johannes Eriugena in den Feigenblättern) etwas Sprachliches sich aus; bezieht sich das Fell nicht auch wie der Fluch auf die Beziehungen der Geschlechts-Differenzierung der Substantive, insbesondere auf den Ursprung und die Bedeutung des Neutrum (der Schlange)?

  • 25.11.93

    „… siebenmal, um eurer Sünden willen. Ich werde euren Wohlstand zerbrechen, auf den ihr stolz seid: den Himmel über euch will ich wie Eisen machen und eure Erde wie Erz.“ (Lev 2618f) Ist das nicht eingetreten mit der Astronomie und dem Kapitalismus?
    2 Sam 2413: „da kam Gad zu David, tat ihm dies kund und sprach zu ihm: Willst du, daß drei Jahre Hungersnot über dein Land komme oder daß du drei Monate vor deinem Feind fliehen müssest und er dich verfolge oder daß drei Tage lang die Pest in deinem Lande sei?“ 1 Chr 2112 ersetzt „den Feind“ durch „das Schwert deiner Gegner“ und ergänzt „die Pest“ durch „das Schwert des Herrn“.
    Vgl. Ez 611f: „So spricht der Herr: Klatsche in die Hände und stampfe mit dem Fuße und sprich: Ha! ob all der Greuel des Hauses Israel! Durchs Schwert, durch Hunger und Pest werden sie fallen! Wer in der Ferne weilt, wird an der Pest sterben; wer nahe ist, wird durch das Schwert fallen, und wer noch erhalten bleibt, wird Hungers sterben. So will ich meinen Grimm an ihnen auslassen. Alsdann werden sie erkennen, daß ich der Herr bin, wenn ihre Erschlagenen inmitten ihrer Götzen um ihre Altäre her liegen, …“
    715: „Draußen das Schwert und drinnen die Pest und der Hunger! Wer auf dem Lande ist, wird durch das Schwert umkommen, und wer in der Stadt ist, den werden Hunger und Pest aufreiben.“
    1421: die „vier schwere(n) Strafen, Schwert und Hunger und wilde Tiere und Pest …“
    3327: „… So wahr ich lebe, die auf den Trümmern sollen durch durchs Schwert fallen, die auf dem offenen Felde gebe ich den wilden Tieren zum Fraße, und die auf den Bergeshöhen und in den Höhlen sollen an der Pest sterben.“
    Hängen die beiden Tatbestände, daß der Mensch in der Natur und die Materie im Raum nicht vorkommen, logisch zusammen?
    Vom Christentum ist nach der Vergöttlichung des Opfers allein die Instrumentalisierung des Schreckens (Ursprung des Terrors) übriggeblieben. Das ist die genetische Grundlage des Inertialsystems, das so mit der christlichen Vorgeschichte zusammenhängt. Der Begriff der Trägheit ist Produkt der Instrumentalisierung des Schreckens.
    Die Vergöttlichung Jesu ist ein Produkt des Unglaubens an seine Auferstehung.
    Nicht die Seele und nicht die Person: die eine gehört in die Philosophie, die andere gehört dem Staat; das Angesicht ist das Ebenbild Gottes. Die Seele gehört zu den Objekten der Kritik des Wissens, die Person zu den Objekten der Herrschaftskritik. Ohne den Begriff des Eigentums und den durch das Eigentum konstituierten Schuldzusammenhang gibt es keine Person: Die Person ist das Subjekt der Zurechenbarkeit im Recht (deshalb gibt es juristische Personen). Durch die Hereinnahme des Personbegriffs in die Trinitätslehre ist die Trinitätslehre zu einem Teil der politischen Theologie (der Römischen Reichsideologie, des Caesarismus) geworden. Ein andere Trinitätslehre wäre es, wenn das Angesicht des Vaters als Grund des Todes des Sohnes begriffen wird, während der Geist zur Erneuerung des Antlitzes der Erde gehört. Ein error in principio war die Leugnung des Angesichts des Vaters, die Vergöttlichung des Sohnes und die Personalisierung des Geistes. Kein Zufall, daß die Vergöttlichung des Sohnes die Hereinnahme des Naturbegriffs nach sich zieht: in der Zwei-Naturen-Lehre. Hierauf wäre der (dann unendlich kostbare) Titel des Johannes Eriugena „de divisione naturae“ zu beziehen.
    Der Aarons-Segen als Motto einer Theologie im Angesicht Gottes! „Der Herr segne dich und behüte dich! Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig! Der Herr erhebe sein Angeicht auf dich und gebe dir Frieden!“ (Lev 624ff)
    Wie das Tauschprinzip mit dem Staat (der Organisationsform der Gesellschaft von Privateigentümern), so hängt das Trägheitsgesetz mit der Astronomie zusammen.
    Durch die Form des Raumes werden Subjekt und Objekt gleichermaßen instrumentalisiert: gemeinsame Bewohner des Totenreichs. Aber die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen?
    Welche unverdaute Vergangenheit schleppt die Kirche (nach der Instrumentalisierung des Kreuzestodes, nach der Rezeption des Weltbegriffs) mit sich herum?
    Handeln nicht alle „Erzählungen“ in der Bibel, von Ruth über Judith, Esther, Hiob, auch Daniel, Jona und Tobias, von der Völkerwelt (ähnlich auch schon die Rahab- und die Josphs-Geschichte)?
    Der „Syrer“ Naaman (Lk 427) war ein Aramäer (2 Kön 5).
    Ist nicht die Geschichte der Musik die Umkehrung der Geschichte der Offenbarung: mit dem Moses Bach, den Patriarchen Haydn, Mozart und Beethoven, der Sintflut List (und Chopin: dem Bogen in den Wolken); ist Schönberg der Cherub vorm Eingang des Paradieses? So ermißt sie die Distanz des Wortes zu seiner Erfüllung.

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