Cohen

  • 24.5.1994

    Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: Lassen aus diesem Satz die Rechtsinstitute sich bestimmen, die vor allem in der Gefahr stehen, zu Brutstätten der Gemeinheit zu werden (Kriterium: Problem der Nachweisbarkeit und gesellschaftliche Vorurteilsstrukturen; Institutionen im Schatten der gesellschaftlichen Exkulpations-, Rache- und Verdrängungsbedürfnisse; GBA, die Staatsschutzsenate und Knäste)?
    Roman Herzog und das Stichwort „Entkrampfung“: Sie wäre wünschenswert, wenn sie auf die Verstrickung ins Schuldverschubsystem sich beziehen würde, auf die Fähigkeit, der Vergangenheit ohne Rechtfertigungszwänge und dem unerledigten raf-Problem ohne paranoide Ängste (die der Wirksamkeit des gleichen Schuldverschubsystems sich verdanken, das sie zugleich verstärken) sich zu stellen. Hinzu käme, daß wir angesichts der Scheußlichkeiten der aufbrechenden Ausländerfeindschaft und der alten Vorurteile endlich aufhören, auf die Wirkung dieser Vorgänge im Ausland zu verweisen, und das eigene Gewissen entdecken würden; das würde jedoch bedeuten, daß wir nicht nur den Rechtsextremismus verurteilen, sondern (auch in der Politik) unsere Solidarität mit den Opfern: den hier lebenden Ausländern und den anderen bedrohten Gruppen (eigentlich allen Minderheiten: Juden, Obdachlose und Behinderte, aber auch jene, die das gemeinsame Vorurteilsobjekt der staatlichen Gewalt und der Rechten zu werden dohen: die Linke), öffentlich und wirksam manifestieren.
    Es gibt eine Last, von der man sich nur befreit, wenn man sie auf sich nimmt, während jeder Versuch, sie abzuwerfen, sie vermehrt. In der Unkenntnis dieser Logik liegt der Grundfehler jeglicher Apologetik.
    Zu Hyam Maccoby: Hermann Cohen hat die Attribute Gottes als Attribute des Handelns, nicht des Seins, definiert. Wer die paulinischen Selbstzuordnungen (Hebräer, Israelit, Benjaminit) als Seinskategorien auffaßt, muß sie als „Fälschungen“, als „Selbsttäuschungen“ begreifen; aber könnte es nicht sein, daß sie (nach dem Bild der in den Weinstock eingepfopften wilden Weinreben) als Glaubens-, Ziel- (und Handelns-) Kategorien aufzufassen wären, was dann das paulinische Gesetzes-, Glaubens- und Rechtfertigungsverständnis in ein neues Licht rücken würde? Ist die Frage, ob Paulus ein Benjaminit war, eine Frage der Stammeszugehörigkeit (eine „Rassenfrage“), oder bezieht sie sich auf eine paulinische Wahl: auf eine Tradition, der er aus theologischen Gründen glaubt, sich zuordnen zu können (und zu müssen)? Hat Paulus die Theologie insgesamt zur Verkörperung eines wahrhaft ungeheuerlichen Wunschdenkens (das zu seiner Absicherung dann der Vergöttlichung Jesu bedurfte) gemacht? Sind wir hier nicht im Kern des Problems der Fälschungen in der Geschichte (die nicht zufällig ihre Brennpunkte in der Geschichte der Mystik und der Apokalypsen haben), ihres nicht immer aus betrügerischer Absicht zu erklärenden, immer aber legitimationsbegründenden Gebrauchs (in der Schrift reflektiert im Symbol des Kelchs).
    Der Glaube schließt die Treue ein und ist das Bindeglied zwischen Hören und Tun („Bewährung“ der Wahrheit): Er „versetzt Berge“. Das Christentum ist auch der Versuch einer Verkörperung des unerhörten Anspruchs, über den eigenen Schatten springen zu können, die Grenzen der Gattung und des Todes (durch Übernahme der Sünde der Welt) zu durchdringen und zu überschreiten.
    Is 2222: Die in Mt 1618 und 1818 zitierte Stelle wurzelt in 2 Kön 18.
    Was bedeutet es, wenn Paulus in Athen erstmals von „Gott, der die Welt geschaffen hat“ spricht, und ihn zugleich den „Herrn“ und nicht den Schöpfer „des Himmels und der Erde“ (Apg 1724) nennt?
    Hängt Kirche mit kyrios, kyriakä (dem Herrn gehörig) zusammen; wäre dann nicht ekklesia mit Gemeinde zu übersetzen?
    Die Pyromanie des Christentums: Wer den Anblick der Qualen der Verdammten in den Feuern der Hölle als Ingredientien der Seligkeit im Himmel begreift, hat der Pyromanie (die dann an den Juden, Ketzern und Hexen sich austobte) die Tür geöffnet, gehört zu denen, die diese Feuer entfacht und in Gang gehalten haben. Aber dies waren nicht die Feuer, von denen Jesus wünschte, sie brennten schon.
    Zur Theorie des Feuers: Die Logik der Fälschung ist positivistisch nicht aufzulösen.
    Sind nicht Staatsschutzverfahren in der Regel kurze Prozesse, die nur endlos hinausgezogen werden?

  • 20.5.1994

    Die Systemkonstrukte der Philosophie (Neuscholastik: Metaphysik, Erkenntnistheorie, Ethik; Kant/Cohen: Logik, Ästhetik, Ethik; Hegel: Logik, Naturphilosophie, Philosophie des Geistes) lassen aus den Varianten der Urteilsform, aus einem logischen Grundmodell, sich herleiten. Die Neuscholastik geht aus von einer verdinglichten, dem Urteil äußerlichen Dingwelt; Kant verwandelt sich die Welt in eine durch die apriorische, verdinglichte Urteilsform vermittelte Welt der Erscheinungen; Hegels Philosophie ist das Resultat der Selbstreflexion des Dingbegriffs und der Urteilsform.
    Das Problem liegt in der kantischen „transzendentalen Ästhetik“; deren Reflexion wird gehemmt, wenn nicht verhindert, durch ihre exkulpatorische Funktion: Sie schirmt das Subjekt ab gegen den Abgrund des Mythos.
    Das Rosenzweigsche „und“ schließt die Idee des Absoluten aus (widerlegt die Idee des Absoluten).
    Zu den drei Grundstückskäufen:
    – Abraham kauft das Grundstück/die Höhle Makpela von dem Hethiter Ephron (Gen 23),
    – Jakob kauft ein Grundstück bei Sichem von den von den Söhnen Hamors (Gen 3319),
    – David kauft die Tenne des Jebusiters Arauna (2 Sam 2418).
    Der Kauf erfolgte
    – als Erbgrundstück für das Begräbnis Saras,
    – für die Errichtung eines „Malsteins“ und den Bau eines Altars („El, Gott Israels“),
    – für den Bau eines Altars, um der Seuche im Volke Einhalt zu gebieten (an der gleichen Stelle, an der auch die „Bindung Isaaks stattgefunden hatte, erbaute dann Salomon dem Herrn einen Tempel – Gen 222, 2 Chr 31).
    Ist nicht die Philosophie, die sich in der Prophetie wiedererkennt, die Erfüllung sowohl der Philosophie wie auch der Prophetie?
    Nach Auschwitz sind gesellschaftliche Naturkatastrophen nicht mehr undenkbar, aber auch die Vorstellung, daß Rechtfertigungszwänge und Legitimationsbedürfnisse die Fälschung der Erinnerung (auch der historischen Erinnerung) begründen können (Problem der Chronologie, der Fälschungen im Mittelalter, aber auch des logisch überdeterminierten Versuchs, synchrone Ereignisse in diachrone umzuformen: entspricht nicht die Logik der Evolution und der Tiefenzeit der Logik der Selbstbegründung des Inertialsystems)? Ist der Verdacht so unbegründet, daß die heute herrschenden wissenschaftliche Anschauungen zur Astronomie und zur Vorgeschichte (Orientalistik, Evolutionstheorie, Geologie) eines Tages als projektive Konstrukte eines universalen Exkulpationstriebs sich erweisen werden (gleichsam als Parodie auf die Umformung einer symbolischen in eine zeitliche Folge in der Bibel: Abraham, Moses, David)? Vgl. hierzu Rosenzweigs Konstrukt einer prophetischen Beziehung der „Vorwelt“ (des Mythos, der Philosophie) zu ihrer Erfüllung in der „allzeit erneuerten Welt“ der Theologie, der Schöpfung/ Offenbarung/ Erlösung (die Philosophie als Prophetie der Prophetie).
    Die Offenbarung ist die Kontraposition zur Verdrängungsgeschichte, während die Philosophie zu ihren Stabilisatoren gehört (Begriff der Barbaren, der Natur und der Materie).
    Das Feuer, die Scham, die Gattung und der Tod. Aber: „Stark wie der Tod ist die Liebe“.
    Empfindung und Selbstmitleid: Produkte der verinnerlichten Scham (der Trennung von Ding und Sache). Die Empfindung ist der Tod der Sensibilität.
    Die Kritik der Naturwissenschaften müßte in einer Theorie des Feuers sich erfüllen, und das in einem sehr physikalischen Sinne: Sie müßte einschließen die Lösung des Rätsels der Planckschen Strahlungsformel (die diese Theorie des Feuers bereits enthält), und in der Folge daraus der Mikrophysik und ihrer Konstanten insgesamt. Sie müßte auch mit einschließen die Auflösung des „Himmels“-Problems (im hebräischen Namen des Himmels ist der des Feuers enthalten), das auf die Logik der Scham (der Erkenntnis der Nackheit, der Selbsterfahrung im Blick der Andern, der Konstituierung der farbigen Außenseite der Dinge, der Beziehung des Begriffs der Barbaren zum Namen der Hebräer, des brennenden Dornbuschs als „brennende Innenerfahrung“ des Profanen) zurückweist. Auf die gleiche Logik der Scham, die die subjektive Form der äußeren Anschauung, die Selbstbegründung der Raumvorstellung, als Verdrängungs- und Exkulpationslogik determiniert (der Raum tabuisiert die Scham durch Abstraktion vom Gesehenwerden). Die im naturwissenschaftlichen Objektbegriff (dem Grund und Modell des wissenschaftlichen Objektbegriffs überhaupt) institutionalisierte aufgedeckte Blöße tabuisiert die Scham: zurück bleibt nur das Brennen. Das Feuer der Hölle ist der mythische Ausdruck der brennenden Scham; der Anblick dieses Leidens, der nach theologischer Tradition zur seligen Anschauung Gottes dazugehört, ist in der Tat durch den Begriff der Anschauung Gottes determiniert (der die Abstraktion vom Gesehenwerden mit einschließt: und die Scham, die Gottesfurcht, als ein unlöschbares Feuer in die Hölle projiziert; mit der Gottesfurcht wurden die Juden in die Hölle projiziert; so wurde in den Juden die Gottesfurcht, in den Hexen die göttliche Barmherzigkeit verbrannt). Wie hängt das Lukacs’sche „Grand Hotel Abgrund“ (Theorie des Romans, S. 17) mit der augustinisch-thomistischen Tradition der kirchlichen Seligkeitslehre (vgl. Thomas von Aquin, S.Th., Suppl. q. 94) zusammen?
    Sind Kafkas Tiergeschichten Produkte der Schamreflexion (der säkularisierten Gottesfurcht: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns)?
    Ist die Astrologie eine Verkörperung und erste Entfaltung der Logik der Scham: der verschlossene und vom Cherub bewachte Eingang zum Paradies, auf den sich per Umkehrung dann das Wort bezieht, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden?

  • 6.5.1994

    … ut adnuntietur nomen meum in universa terra (Röm 917, vgl. Kurt Flasch: Logik des Schreckens): Das Universum war zunächst ein Adjektiv, auf den Namen der Erde bezogen. Ist die (matriarchale) universa terra (und erst in seiner Folge das patriarchale Universum, das den Himmel mit einbezieht und so das Universum zum All gemacht hat) eine Folge der Venus-Katastrophe? Ein zentraler Mangel der Analysen Flaschs ist selber christliches Erbteil, das in ihre Prämissen mit eingegangen ist, von dem sie nicht sich zu lösen vermochte: nämlich die Vorstellung, die Erlösung beziehe sich (als Rechtfertigung) nur auf die einzelnen Subjekte und lasse die Welt unberührt. Damit verbunden ist ein zweiter, ebenfalls aus der christlichen Tradition sich herleitender Mangel: daß die Kategorien, in denen er Gott vorstellt und begreift, politische Kategorien sind; er sieht Gott im Bilde des Monarchen. Beides sind Folgen des unreflektierten Weltbegriffs, unter dessen Herrschaft es zum Selbsterhaltungsprinzip keine Alternative mehr gibt, und dessen Ursprung auf den Monarchen und den Staat (die Verkörperungen des Absoluten) und nicht auf Gott (auf den Namen Gottes, der erst im Kontext der Weltkritik, der „Heiligung des Gottesnamens“, sich bildet) zurückweist. Kann es sein, daß der paulinisch-augustinische Begriff der justificatio erst nach der sprachgeschichtlichen Trennung von Ding und Sache und im Kontext der hier entsprungenen Bekenntnislogik zur Rechtfertigung geworden ist, daß er an Ort und Stelle mit „Gerechtmachung“ (ähnlich wie fides mit Treue, und nicht mit dem auf den Gegensatz zum Wissen fixierten „Glauben“) zu übersetzen wäre? Folgen des Weltbegriffs: – Ontologisierung des Selbsterhaltungsprinzips, des Staates und der Herrschaft, – Hermann Cohen, Franz Rosenzweig und Emanuel Levinas: . die Attribute Gottes sind Attribute des Handelns, nicht des Seins, . die Umkehr (als erkenntnistheoretische Kategorie), der Name (ist nicht Schall und Rauch) und das Angesicht (nicht die Seele und nicht die Person ist das Ebenbild Gottes), . Ethik als prima philosophia. – Ausschließung der Herrschaftskritik, Konstituierung der Sexualmoral (Trennung der Sexualmoral von der Herrschaftskritik), – Beziehung von Namen und Begriff, Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (Prophetie und Philosophie: Liquidierung des Aktualitätsbezugs der Prophetie durch das tode ti; vgl. hierzu Hegels Analyse des Hier und Jetzt), – Trennung von Natur und Welt, Konstituierung des Wissens, Subsumierung der Zukunft unter die Vergangenheit (Vorstellung einer homogenen Zeit), – Konstituierung der mathematischen Raumvorstellung, Ursprung des Naturbegriffs (von der Astronomie zum Inertialsystem), – zum Begriff der Erscheinungen: die Wahrheit liegt nicht „hinter“ den Erscheinungen, sondern bezieht sich durch Umkehr auf die Erscheinungen, – Inbegriff des Schuldverschubsystems (Ursprung des Neutrum, „indogermanische“ Rekonstruktion der flektierenden Sprache), – Ursprung des Weltbegriffs (Philosophie/Mythos, Staat/Recht, Zivilisationsschwelle, Barbaren/Hebräer): Tempel und Opfer, Privateigentum und Geldwirtschaft, Ursprung der Schrift, – Weltkritik als Herrschaftskritik und Erinnerungsarbeit: Sensibilisierung, – Apokalypse, die sieben Siegel (Maria Magdalena und sieben unreinen Geister), Welt und Tier (die zukünftige Vergangenheit und die vergangene Zukunft), der Menschensohn, – die drei Leugnungen, das Binden und das Lösen, – Kant, Hegel und der Weltbegriff (die subjektiven Formen der Anschauung und das Anderssein des Einen), – Theologie im Angesicht Gottes und hinter seinem Rücken, – der Deckel auf der Vergangenheit (Begründung des Wissens und der Natur) und die Idee der Auferstehung, – Welt und Sündenfall („die Welt ist alles, was der Fall ist“): Der Sündenfall ein Sprachproblem? – Joh 129 und Kants Definition des Weltbegriff, – Weltbegriff antisemitisch, paranoid und frauenfeindlich, oder der Weltbegriff und die Bekenntnislogik, – die Konstituierung der Bekenntnislogik als exkulpatorische Logik und die Begründung des Geschwätzes, – der Weltbegriff, das Weltgericht, oder das Jüngste Gericht als das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht, – der Haß der Welt und die Idee des Parakleten, oder die Sünde wider den Heiligen Geist, – Verdinglichung und Instrumentalisierung, oder der Kreuzestod und die Opfertheologie, – Trauer- und Erinnerungsarbeit, oder Theologie nach dem Weltuntergang (Theologie und das descendit ad inferos, oder Auschwitz und die Naturwissenschaften), – „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“? – 1905, die Weltkriege, oder die Katastrophe der Marktwirtschaft, – Gunnar Heinsohn oder die Geschichte der Banken, – die Eucharistie und das Ding, oder die Geschichte der Theologie als Geschichte der drei Leugnungen, – Kanaan und die Philister: . der Exodus und die Landnahme sind gegen Kanaan gerichtet (Eroberung Kanaans), . die Begründung des Königtums erfolgt im Kampf gegen die Philister; aber das Königtum erliegt dann der kanaanäischen Verführung, – mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist in den neuen Erkenntnisbegriff und in die Konstituentien des Wissens ein projektives Moment mit eingegangen (Barbaren, Natur und Materie), – der Weltbegriff, die Unfähigkeit zur Sprachreflexion und der Fundamentalismus (das augustinische „ad litteram“ – Augustinus hat den Genesis-Kommentar nach 397 geschrieben – durch dieses „ad litteram“ wurde der prophetische Teil des Schöpfungsberichts neutralisiert, gelöscht, storniert, wurde er in die fundamentalistische Beziehung zur Natur gerückt), – Welt und Computersprache: cancle (löschen, beenden) und quit („quittieren“, Quittung), – mit der Lösung der Theologie aus den Verstrickungen des Weltbegriffs (den Verstrickungen des Andersseins) gewinnen auch die evangelischen Räte ihre wirkliche Bedeutung zurück: . aus dem Gehorsam wird das Hören, . aus der Keuschheit die Herrschafts- und Vergewaltigungskritik. Die Inquisition und der Terror, die Kurt Flasch zu Recht auf die augustinische Gnadenlehre zurückführt, sind Folgen der Verstrickung der Theologie in den Weltbegriff. Mit der dritten Leugnung wendet sich dieser Terror selbstzerstörerisch nach innen (der Greuel der Verwüstung). Hier verfängt sich die Kirche in der Logik ihrer Sexualmoral (es war die gleiche Logik, die Augustinus dazu gebracht hat, die Erbsünde in die concupiscentia zu verlegen (Ursprung des Biologismus und des Rassismus), anstatt sie in der Urteilslogik und im Weltbegriff zu erkennen). – Wird nicht das Wahrheitsmoment an der Trennung von Ding und Sache durch die Unterscheidung von Zorn und Wut ins Licht gerückt (im Kontext der alten res waren sie nicht unterscheidbar)? Hier (in dem Unvermögen, zwischen Wut und Zorn zu unterscheiden) liegt der Grund der augustinischen Verwirrung. Ist nicht das „Alles ist Wasser“ im „Satz des Thales“ (in der Erkenntnis der Orthogonalität) begründet? In der Tat „brütet der Geist über den Wassern“, aber am zweiten Schöpfungstag wurden diese Wasser durch die Feste des Himmels in die oberen und unteren Wasser geschieden. Ist diese Scheidung die Scheidung von oben und unten, und das als eine Trennung in den Wassern? Ist nicht das Wasser der Name, in dem die Trennung von oben und unten gründet, und ist das Wasser nicht deshalb in der Taufe das Symbol der Umkehr (während die Trennung von Licht und Finsternis der Trennung von vorn und hinten, dem Quellpunkt des Angesichts, zugrunde liegt; nur geht hier die „Finsternis über dem Abgrund“ dem Licht voraus)? Ist die Trennung von rechts und links die letzte: das Gericht (die Feuer der Hölle) und die Barmherzigkeit – Gegenstand einer Theorie des Feuers: – vorn/hinten: das Angesicht, – oben/unten: der Name, – rechts/links: das Feuer? Der Weltbegriff oder die Identifikation mit dem Blick von außen (Selbst- und Objektwahrnehmung durch den Blick von außen hindurch). Führt nicht das Konzept der „Umwertung der Werte“ zwangsläufig in die Konstrukte der Verzweiflung: in die Lehre vom Übermenschen und die Idee der ewigen Wiederkehr des Gleichen?

  • 12.4.1994

    Der Weltbegriff bezeichnet eine Momentaufnahme im Säkularisationsprozeß. Er bestimmt zugleich die Logik, die den Säkularisationsprozeß beherrscht: den immer wieder vergeblichen Versuch, diese Momentaufnahme zu stabilisieren. Während in Israel Grund und Boden Eigentum JHWHs waren, waren sie in Kanaan Gegenstand privater Kaufverträge (Donner, Geschichte des Volkes Israel, S. 265). Hängt damit der Name Kanaan, der auch die Händler bezeichnet, und die kanaanäische „Religion“, das Urbild der Idolatrie (Ba’al, Moloch, die Ascheren, die „Unzucht“), zusammen? Ist insbesondere Ba’al ein Gott des Privateigentums an Grund und Boden? Ist der Name Kanaans ein Name eines Volkes oder eine soziologische Kategorie (die Volksnamen, die unter dem Namen Kanaans zusammengefaßt werden, legen die Vermutung nahe, daß Kanaan wie der Name der Hebräer eine primär soziologische Bedeutung hat)? Bei den Grundstückskäufen handelt es sich um – Abraham (Gen 23: Kauf des Grundstücks und der Höhle Makpela von dem Hittiter Ephron für das Grab der Sara), – Jakob (Gen 3319: Kauf eines Grundstücks bei Sichem von den Söhnen Hamors zur Errichtung eines Malsteins und eines Altars „El, Gott Israels“), – David (2 Sam 2418ff: Kauf der Tenne des Jebusiters Arawna zur Errichtung eines Altars, Grundstein des späteren Tempels), – Omri (2 Kön 1624: Kauf des Berges Samaria von Semer zum Bau der Stadt Samaria). Kann es sein, daß das Land Israel die religiöse Tradition (die „Sünde Jeroboams“), Juda hingegen die politischen Institutionen Kanaans (Jerusalem, das Stadtkönigtum) übernommen hat? Hat die Unterscheidung zwischen den „Zelten Israels“ und dem „Haus Juda“ (dem nomadischen Israel und dem urbanen Juda) damit zu tun? Es gibt die Häuser Isaak, Jakob, Ephraim, Levi, Juda, Saul, David, aber keine Häuser Manasse, Benjamin. Hängt die Unterscheidung von Zelt und Haus mit der des Himmels und der Sterne zusammen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Kapitalisierung des Bodens, dem Ursprung der Banken und der Schuldknechtschaft? Das „gezeugt, nicht erschaffen“ im Credo bezeichnet den Punkt der tiefsten Verzweiflung im Dogma, im Glauben. Genau daraus hat die Trinitätslehre das Moment der Redundanz, der Selbstreferenz, gewonnen, das die theologische Erkenntnis dem Wissen angleicht, es zu einem abgeschlossenen System verdinglicht und vergegenständlicht, den Inhalt zu einem vergangenen („immer schon seienden“) macht. Es ist das untrügliche Symptom der Ontologisierung der Theologie: Nur der Raum zeugt sich in der immergleichen Form seiner selbst fort, nicht Gott. Die kirchliche Sexualmoral ist ein Produkt der Anwendung des des Eigentumsprinzips (Kanaans) auf die Prophetie (Herausnahme der „Sexualität“ als Symbol der Urteils- und Herrschaftskritik aus der Prophetie). Wenn die Kanaaniter die Händler waren, wer waren dann die Amalekiter? Hat das Mehrwertparadigma, das im Tauschparadigma gründet, den Blick auf den Schuldzusammenhang verstellt? Welche Metalle wurden den Planeten zugeordnet: – das Gold der Sonne, – das Silber dem Mond, – das Eisen dem Mars, – das Quecksilber dem Merkur, – das Blei dem Saturn. Und Jupiter und Venus? Mathematik: Die Rekonstruktion der Finsternis über dem Abgrund. Zum fünften und sechsten Schöpfungstag: Nur die großen Seetiere, die Fische und die Vögel des Himmels sind von Gott erschaffen, die anderen Tiere hat die Erde hervorgebracht. Bezieht sich diese Unterscheidung auf die von Matriarchat und Patriarchat (und gründet hierin das nur auf Adam bezogene Staubsymbol und die auf Eva bezogen Feindschaft zur Schlange)? Die Kopenhagener Schule, die Anbetung des Staubs und die renovatio faciei terrae (die Rücknahme des Staubs). Die Jonas-Geschichte ist hegelianisch: die Geschichte des Absoluten und des Weltgerichts, zu der dann aber die Enttäuschung und der Ärger des Jonas über die Barmherzigkeit Gottes gehört. Wie paßt dazu die Tobias-Geschichte (mit dem Engel, dem Fisch, der Erlösung Saras und dem Untergang Ninives)? Ist die Buchstabenschrift ein Produkt der Herrschaft der Fläche, der Geometrie über die Sprache? Wenn Israel der Augapfel Gottes ist, wer ist dann das Ohr (oder: wer sind dann die Lahmen)? Worauf bezieht sich die Orion-Geschichte (vgl. Donner, S. 75, Anm. 8)? Was hat es mit dem Hyrieus (Vater des Orion) auf sich? Franz Rosenzweig hat durch die Konstruktion des Stern der Erlösung (durch die Sprengung des All, das dreifache Nichts und die konstitutive Bedeutung des „und“) der unio mystica endgültig den Boden entzogen (vgl. auch Cohens Bemerkung, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, und Levinas‘ Hinweis auf die Ethik als prima philosophia: die unio mystica ist die Besiegelung der Kapitulation vor der Ontologie).

  • 30.3.1994

    Die Kritik des Systems ist notwendig als Kritik der Verstrickung des eigenen Denkens ins System. Insbesondere die Totalitätsbegriffe zeigen systemische Züge.
    Merkwürdige Geschichte: Der Begriff des Glaubens wurzelt im Begriff der Treue. Diese Treue ist zum Glauben erst unter der Herrschaft der Bekenntnislogik geworden. Erst die Nazis haben die Treue wiederentdeckt, aber als säkularisierte und personalisierte Treue (zu der sie übrigens im Systemzusammenhang von Glauben und Bekenntnis geworden ist).
    Enthält nicht der Satz aus Benjamins Passagenwerk, daß es nichts Veralteteres gibt als die jüngstvergangene Mode, einen Hinweis auf das zentrale Problem der Erinnerungsarbeit: auf den Zusammenhang des Ältesten mit der Gegenwart? Ist die Vorstellung, daß die drei räumlichen Dimensionen im Hinblick auf ihre Beziehung zur Zeit äquivalent sind, nicht bloßer Schein? Wird sie nicht insbesondere durch die Schwere widerlegt?
    „Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße“: Was heißt das? Drücken sich darin nicht zwei verschiedene Formen des Besitzens aus (zwei Formen des Besitzens, die nur Gott zugesprochen werden dürfen)? Sind es diese Formen des Besitzens, die im Inertialsystem vergewaltigt und falsch identifiziert werden? Am Inertialsystem wäre zu demonstrieren, daß die Begriffe Wissen und Erkennen nicht deckungsgleich sind (daß es ein gegen das Erkennen sich sperrendes, widersetzendes Wissen gibt: Grund des Positivismus, das Problem der physikalischen Erkenntnis).
    Joh 129, Maria Magdalena und die sieben Siegel, oder: die Kritik des Inertialsystems (Erkenntnis des Tieres: hier braucht es Weisheit und Verstand).
    Ist eigentlich Joh 129 der einzige Bezugspunkt der Apokalypse im Johannes-Evangelium?
    Ist die (von der in den anderen Sprachen abweichende) Geschlechtszuordnung von Sonne und Mond im Deutschen die Besiegelung der Trennung von Ding und Sache, der vollständigen Verkehrung?
    Gibt es eine Geschlechtszuordnung von Städten im Deutschen (die Anwendung des bestimmten Artikels auf die Städtenamen)? Der Gattungsbegriff Stadt ist feminin, aber die einzelnen Städte wie Köln, Berlin, Frankfurt u.ä. sind (wie die erste und zweite Person) geschlechtsunabhängig. Hat die Verschiebung der Deklination in den bestimmten Artikel (in dieses deiktische und substantialisierende Sprachelement) den Namen erst wieder freigesetzt, vom Begriff getrennt? Gilt das, was hier für die Stadtnamen gilt, nicht allgemein für Namen (auch die Namen von Ländern, Firmen, Betrieben, sofern sie nicht im Namen ein institutionelles oder ein dem äquivalentes begriffliches Element enthalten, wie die Post, die Bundesbahn, die AEG: Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft u.ä.). Namen von Bergen, Flüssen sind nicht geschlechtsneutral (Berge sind männlich, Flüsse: die westlichen sind maskulin, die östlichen feminin?). – Warum kann man „die Eintracht“, „die Borussia“, „der VfL“, aber nicht im gleichen Sinne (wenn man den Verein und nicht die Spieler meint) „die Bayern“ sagen (im Hinblick auf die Wortbedeutung „Eintracht“ oder „Verein“ oder auf die feminine Wortbildung „Borussia“)? Ist die Geschlechtsneutralität der Namen eine Folge dessen, daß in den indoeuropäischen Sprachen das Neutrum zu einem Geschlecht geworden ist? Zweite Neutralisierung: Parodie auf die Theologie des Namens? Umgekehrt: Ist das Neutrum ein Abkömmling des Namens (und die Materie der Schwamm, der die benennende Kraft der Sprache aufsaugt)?
    Die Löschung des Namens und die Zerstörung des Angesichts gehören zusammen mit der an der Entflammung gehinderten Entzündung (Zusammenhang mit der Theorie des Feuers). Produkt der Entzündung, die nicht zum Feuer sich befreit, ist das Ich (die Identität, die Person). Ursprung dieser Entzündung ist die Urteilsform, der Schwelbrand ist der der Empörung. Ist nicht die Idee des Absoluten die Narbe an genau der Stelle, an der die benennende Kraft ausgebrannt (die Sprache gelöscht) wurde, die gleiche benennende Kraft, die im Namen Gottes gründet (und sich erfüllt). Hierauf bezieht sich das Wort vom Bekenntnis des Namens. – An dieser Stelle ist daran zu erinnern, daß der Tempel in Jerusalem nicht das Haus Gottes, sondern das seines Namens war.
    Vater unser, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name: Wurde nicht mit der Zerstörung der Himmel die Kraft des Namens, die benennende Kraft der Sprache gelöscht (und nur in dem Buch, zu dem die Himmel sich aufrollen, erinnert und aufbewahrt)? Wie ist die Heiligung des Gottesnamens noch möglich ohne die Restituierung des Anfangs der Schöpfung, ohne die Erinnerung der Himmel? – Ist der Singular Himmel nicht der Reflex und das Pendant der Idee des Absoluten in der Theologie (wurde der Plural nicht durch die Idee des Absoluten getilgt, und damit zugleich der Name gelöscht): Grund der Geschlechtsumwandlung von Sonne und Mond im Deutschen?
    War nicht die newtonsche Sonne noch Ausdruck der regierenden (männlichen) Gewalt, und ist die Sonne nicht zum passiven (feminisierten) Objekt erst im Absolutismus: mit dem Übergang von Politik in Verwaltung (zusammen mit der Privatisierung und Vergesellschaftung von Herrschaft, der Verbürgerlichung des Königtums), geworden. Die Sonne wurde feminin und der Mond maskulin, als Herrschaft endgültig gegen die Religion sich verselbständigte, im Prinzip der Trennung der irdischen von der himmlischen Sphäre, im Mond, sich festmachte.
    Hat nicht das Christentum den Sonntag zum Ruhetag gemacht, und d.h. nach dem griechischen Modell in der Idee des Absoluten (der noesis noeseos) die Identität von Herrschaft und Muße hergestellt, die dann in der subjektiven Form der äußeren Anschauung, im Raum (im Systemzentrum des Inertialsystems), sich vergegenständlichte. Erinnerung an China: Herrschaft durch Nichtstun. Dagegen steht die kräftige Erinnerung Hermann Cohens, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns und nicht des Seins sind, und Erinnerung von Immanuel Levinas daran, daß die Ethik und nicht die Ontologie die prima philosophia ist.
    Der Himmel ist maskulin, und die Erde feminin. Das aber heißt, daß in der deutschen Sprache der Mond dem Himmel und die Sonne der Erde zugeordnet sind.
    Hängt nicht die Geschlechtszuordnung von Sonne und Mond im Deutschen mit der Bildung und Funktion der bestimmten Artikel zusammen?
    Wie verhält es sich
    a. mit den Planeten: hier scheint nur die Venus feminin zu sein, und
    b. mit dem Gattungsbegriff Stern, der im Deutschen maskulin ist, und wie in den anderen Sprachen, insbesondere im Griechischen (astron n.) und Lateinischen (stella f.; sidus, -eris n.)?
    Wie verhält sich das Ganze zum Sündenfall, nach welchem Adam dazu verurteilt wurde, den Staub zu produzieren, den die Schlange frißt (genauester Ausdruck der neutralisierenden Gewalt des Patriarchats, die am Ende auch das Neutrum selber ergreift: im Greuel am heiligen Ort)?
    Der zum Nominativ (zur Bezeichnung des Substantivs) entmächtigte Name wird über den Neutralisierungsprozeß hinaus nochmals neutralisiert, und wird so zum Absoluten, zum schwarzen Loch, in dem der Name gelöscht wird.
    Ist nicht der Greuel am heiligen Ort die letzte Steigerung der Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, auf die am Ende des Jonasbuches hingewiesen wird. Produzenten des Greuels am heiligen Ort sind: das Inertialsystem, das Tauschprinzip (die Geldwirtschaft) und die Bekenntnislogik (Instrumentalisierung des Kreuzestodes: Inbegriff der Exkulpations- und Gemeinheitsautomatik).
    Das Zeichen des Tieres an der Stirn und an der Hand: Ist das nicht der Hegelsche Begriff? In der Apokalypse nochmal genauer die Attribute des Drachen und der Tiere ansehen (Hörner, Köpfe, Kronen).

  • 08.02.94

    Der schlimme Satz der Karen Armstrong: „Cohens Gedanken wurden von Franz Rosenzweig (1886 – 1929) bis zur Unkenntlichkeit weiterentwickelt.“ (S. 510, Hervorhebung vom mir): Muß man das eigene Unverständnis gleich als „Unkenntlichkeit“ in die Sache projizieren?
    Durch den Faschismus ist aus der Bekenntnislogik endgültig die Logik der Komplizenschaft (gnoseologischer Grund des Fundamentalismus) geworden, und das ist sie dann geblieben.
    Die Quantenphysik: das Stottern des durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit korrigierten Inertialsystems.

  • 03.01.94

    Welt und Natur sind die elliptischen Brennpunkte des Herrschafts-, Schuld und Verblendungszusammenhangs.
    Der Rechtspositivismus macht den Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, zu einem Rechtsprinzip.
    So wird auch das Dogma zum Feigenblatt, zum Alibi, das die Sünden zudeckt, wenn man es als Dogma versteht, wenn man es aus dem Kontext der Umkehr herauslöst: durch Positivismus. Im Kontext der Umkehr jedoch sind der Satz, daß Gott die Welt erschaffen hat, wie auch die Opfertheologie nicht mehr zu halten.
    Wenn es von Propheten heißt, Gott habe sie vom Mutterleibe her berufen, hat das dann etwas mit der realsymbolischen Beziehung der Gebärmutter zur Barmherzigkeit zu tun? Welche Bedeutung hat dann die Radikalisierung des Symbols, wenn Jesus vom Heiligen Geistes empfangen ist?
    Ist die Redensart, daß „gut gemeint“ eine Steigerung von gemein ist, christlichen Ursprungs, Produkt der Bekenntnislogik, wonach das Erwischtwerden schlimmer ist als die Tat? Bezieht sich nicht hierauf das Wort am Kreuz: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun? Und hängt das Sakrament der Buße nicht mehr mit diesem Wort (nämlich als Einübung in diesen Satz) als mit dem Satz vom Binden und Lösen zusammen? Sündenvergebung ohne Umkehr ist keine. Das andere Wort: Denen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen, ist mehr als eine administrative Ermächtigung.
    In der Vorstellung einer unendlichen Vergangenheit wird das Nichts zitiert, daß mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit Macht über die Zukunft gewinnt.
    Hängen die drei Bücher des ersten Teils des Sterns der Erlösung (Gott, Mensch, Welt) nicht mit den drei Dimensionen des Raumes zusammen, haben sie darin nicht ihren empirischen Grund?
    Der Säkularisationsprozeß und der historische Objektivationsprozeß beginnt mit der Trinitätslehre und der Opfertheologie, er endet mit den subjektiven Formen der Anschauung Kants.
    Treibt Jesus nicht zusammen mit den Geldwechslern auch die Taubenhändler aus dem Tempel? Sie gilt nicht nur der Herrschaft des Tauschprinzips allgemein, sondern insbesondere der Subsumtion des Heiligen Geistes unters Tauschprinzip.
    Physik: Die Identifizierung der Außenwelt mit der gemeinsamen stummen Innenwelt aller.
    Kant und die Metaphysik: Ist nicht der aristotelische Gott bei Kant zum transzendentalen Subjekt, ins Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können, zusammengeschnurrt? Hegel hat versucht, ihn wieder daraus hervorzuzaubern, während Gott in der kantischen Philosophie (im Kontext von Unsterblichkeit und Freiheit) auf die jüdisch-christliche Tradition zurückweist (die Hermann Cohen dann darin auch wiedererkannte).
    Bezeichnet der Turm von Babel, der bis an den Himmel reicht, nicht einen sprachlichen Sachverhalt: das Konstruktionsprinzip der indogermanischen Grammatik, in der die Vergangenheit Macht über die Zukunft gewinnt (Bedingung der Bildung des Neutrum, das in der Schrift durch die Schlange symbolisiert wird)? Verweist die Ziegelherstellung (wie später im Sklavenhaus Ägypten) auf diese Neutrumsbildung?
    Israel kommt aus Ägypten. Aber zu dieser Herkunft gehört der Exodus und der Durchzug durchs Rote Meer (auch ein Sprachsymbol?).
    Wird Gott die Toten erwecken, wenn es uns gelingt, ihn zu erwecken?

  • 13.11.93

    Wie kann eine Rechsthistorikerin wie Marie Theres Fögen die vor allem rechtsbegründende Funktion der Diskriminierung divinatorischer Praktiken übersehen: Hat das Verbot der exkulpatorischen Institutionen wie Magie, Astrologie, Augurenwesen u.ä. nicht in erster Linie die Funktion, die, wie dann auch immer eingeschränkte, Rechtsfähigkeit des Subjekts, die Zurechenbarkeit seiner Taten sicherzustellen: die Menschen zu Objekten des Rechts, das Subjekt zur Person zu machen? Die Kritik des fatum und die Begründung der Willensfreiheit dienen dem gleichen Ziel.
    Durch den Caesarismus ist das Recht zu einer innerweltlichen Institution geworden; diesen Schritt hat der Islam nicht mit vollzogen: für ihn blieb das Recht ein göttlich gesetztes Recht; deshalb blieb er dem Schicksal, das er mit dem Willen Gottes verwechselte, verhaftet. Aber auch im Christentum ist die prophetische Herrschaftskritik nie wirklich rezipiert, sind die Herrenfurcht und die Gottesfurcht nie deutlich geschieden worden.
    Hat die Natur (und die für ihren Begriff konstitutive Leugnung der Auferstehung) etwas mit dem apokalyptischen Tier aus dem Wasser (Off 131; vgl. hierzu auch das „Alles ist Wasser“ des Thales) und die Welt (und mit ihr die Leugnung der Schöpfung: der Caesarismus) mit dem Tier aus der Erde (1311) zu tun? Die Zahl dieses Tieres, zu deren Berechnung es Weisheit und Verstand bedarf, ist die „Zahl eines Menschen“ (1318).
    Ist nicht die Welt eigentlich die Welt des Tieres (das Korrelat der Gattung)? Wenn ich einen Hund als Hund erkenne, dann nicht aufgrund äußerer Merkmale (ein Bernhardiner gleicht eher einem Kalb als einem Zwergpinscher), sondern allein an seiner Welt, die ich an seinem Verhalten erkenne: an seinem Charakter oder an der Form, in der er sich auf seine Welt bezieht, sie repräsentiert (an dem „Antlitz des Hundes“).
    Die Bemerkungen Cohens zum biblischen Wahrheitsbegriff (Religion der Vernunft, S. 477, die sich u.a. auf den Zusammenhang von emunah und amen beziehen) werfen auch ein neues Licht auf die großartige Stelle in 2 Kor 119, dessen Intention Johann Baptist Metz (Zur Theologie der Welt, Mainz 1968, S. 18, vgl. auch 51 und 61) leider völlig mißversteht, wenn er (zur Begründung seines nicht unproblematischen Säkularisations-Konzepts) das Ja und Amen auf die Welt (wie sie ist) anstatt, wie es eindeutig aus dem Text des Paulus-Briefs hervorgeht, auf die göttlichen Verheißungen bezieht. Die wirkliche Konsequenz aus dieser Stelle wäre, die Kritik des Weltbegriffs in die Begründung der Theologie (auch der politischen, der herrschaftskritischen Theologie) mit hereinzunehmen: endlich von der Theologie hinter dem Rücken Gottes Abschied zu nehmen.

  • 07.11.93

    Cohen, S. 171: Unter Hinweis auf Jesaja: „Wenn du einen Nackten siehst, daß du ihn kleidest, und deinem Fleische dich nicht entziehst“, ergänzt Hermann Cohen: „Der Arme ist dein Fleisch“. Das Brot der Eucharistie ist das Fleisch, weil es durchs Brotbrechen aufs Austeilen und die Gemeinschaft bezogen ist.
    Ist das gegen die Geschlechtsbezogenheit gleichgültige Adjektiv Ursprung und Modell des Neutrum (des Weltbegriffs)?
    Es gibt kein göttliches Attribut, das auf den Habitus des passiven Zuschauens (des Genießens) abgestellt ist.
    Gegenstand der Theologie hinter dem Rücken ist der gefallene Gott, der Gott für andere. Ist Gott der Kirche nicht endgültig entfallen?
    Die Geschichte der Naturwissenschaften gehört zur dritten Phase der Geschichte der drei Leugnungen Petri (der Naturbegriff liegt der Leugnungsgeschichte insgesamt zugrunde). Sie endet in der Tat heute in der Selbstverfluchung. Der Antisemitismus gründet darin, daß die Existenz der Juden (und die Geschichte, für die sie stehen) hieran (an das christliche Urschisma) erinnert.
    Nimmt nicht die Abtreibungsdebatte in der Theologie heute die Stelle ein, die vorher der Antijudaismus besetzte?
    Der biblische Begriff der Einsicht läßt sich mit dem Hinweis darauf erläutern, daß heute Einsicht in politische Entscheidungen nicht mehr zu vermitteln ist. Ist die „Politikverdrossenheit“ ein Systemeffekt? Einsicht ist Einsicht in die Gründe: auf Praxis bezogen und durch Praxis vermittelt, innerhalb einer ontologisch vorbestimmten Welt (in der nur noch Zuschauer und Genießende ein Existenzrecht haben) nicht zu halten. Die Armen und die Fremden (ihr Ausschluß aus der Erkenntnis durch die Philosophie) repräsentieren das Schicksal der Einsicht und der benennenden Kraft der Sprache (ihre Neutralisierung durch den Begriff).
    Die vollendete Welt: die Auflösung der (in der Utopie terminierten) Spannung und die Selbstzerstörung des Grundes, oder der vergangene Himmel und die zernichtete Erde. „Himmel und Erde“ ist kein mythischer Ausdruck für „alles, was ist“ (und die creatio mundi ex nihilo kein anderer Ausdruck für den ersten Satz der Genesis).
    Cohens Bemerkungen über Ezechiel (Jecheskel), über den Zusammenhang von Individualisierung, Bewußtsein der Sünde, Bekenntnis und Vergebung der Sünde, seine Bemerkungen zum Begriff des Menschensohns: wie hängt das zusammen mit dem ezechielischen Bild der Auferstehung und der Merkaba-Vision?
    Ist die Blendung durch die Sonne nicht ein Denkmal der Trennung vom Angesicht?
    Gehört der hebräische Name der Barmherzigkeit zu den Verständnisvoraussetzungen der Bedeutung Evas in der Geschichte vom Sündenfall und der messianischen Wehen? Die Abtreibungskampagne gehört zur Geschichte Adams, der Schlange und des Staubs beim Sündenfall.

  • 04.11.93

    Jedes Machen zielt auf Verwendung, gehört zum Kontext der Instrumentalisierung. Nur die Schöpfung schafft Neues, ohne es zugleich der Vergangenheit zu opfern. Die Vorstellung, daß es die Natur schon richten wird, daß die kapitalistische Anarchie durch die Ordnungsfunktionen des Marktes sich bändigen lasse, bezeichnet diese Hölle.
    Wie läßt sich das Nachfolgegebot mit einer autoritären Kirchenstruktur vereinbaren? Jesu Gehorsam war kein Kirchengehorsam.
    Mit der theologischen Idee, daß Gott die Welt aus dem Nichts erschaffen hat, wurde der Himmel geleugnet und zugleich der Naturbegriff so tief verankert, daß er fast unkritisierbar geworden ist.
    Das Antiweltliche Jesu drückt sich darin aus, daß er „zur Rechten des Vaters sitzt“: die göttliche Barmherzigkeit repräsentiert, die der Weltbegriff aus der Erde vertrieben hat. Deshalb: „Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist“.
    Die vollendete Unbarmherzigkeit ist mehr als unbarmherzig: die vollendete Mordlust. Es gibt keine resurrectio naturae, nur eine renovatio faciei terrae.
    Die eudaimonia ist eine daimonia, deren Kehrseite verdrängt wurde. Merkwürdig: In der eudaimonia und im euangelion steckt das „oi“? Wie verhalten sich eudamonia und euangelion: wie die Dämonenlehre zur Engellehre?
    Enthält nicht die Bemerkung von Emmanuel Levinas über die Bedeutung des hebräischen Wortes chacham (der Weise) und seine Anwendung auf die griechischen Philosophen einen Hinweis auf die Unterscheidung von Weiheit und Einsicht in der Schrift? Und hat diese Unterscheidung etwas zu tun mit der der Klugheit der Schlangen und der Arglosigkeit der Tauben? Gehört die Arglosigkeit zur Einsicht (zum Grund der benennenden Kraft der Sprache)? (Vgl. Vier Taulmud-Lesungen, S. 15)
    Levinas, S. 29: „… alles, was im Judentum über Gott ausgesagt wird, (hat) durch die menschliche Praxis Bedeutung.“ (Vgl. hierzu Hermann Cohen, der darauf hinweist, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins, sind.) Darin gründet die Lehre von den Namen Gottes (und das Konzept der Heiligung des Gottesnamens). Deshalb ist die Instrumentalisierung des Namens der Tod der Theologie (zur Genesis des steinernen Herzens).
    Wer unterstellt, daß die Andern sich nicht ändern, gibt damit zu erkennen, daß er selbst sich nicht ändern wird. Er verwandelt das, was ist, in Natur, die sich ebenso wenig wie die Vergangenheit ändern läßt: Die Lehre von der Sündenvergebung ist ohne Natur-Kritik und ohne die Idee der Auferstehung nicht zu halten. (Mit der Verwerfung der Idee, daß die richtige Gesellschaft auch die Natur ergreift, hat Habermas die Idee der Versöhnung verworfen.)
    Zu Gen 127: „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Weib schuf er sie.“ Ist das dritte „schuf“ das Resume der beiden ersten (hängt die Geschlechtsdifferenz mit der Differenz zwischen dem Possessivpronomen und der Genitivbildung zusammen)?
    Jonas im Bauch des Fisches: Hat Jesus deshalb Fischer als Jünger erwählt? Aber erst Tobias fängt mit Hilfe des Gabriel den Fisch, aus dem er die Mittel gewinnt, mit denen er Sara aus der Gewalt des Asmodai befreit und den Vater von seiner Blindheit heilt.
    Hängen die Sara und der Asmodai zusammen mit der neutestamentlichen Geschichte von Maria Magdalena und den sieben unreinen Geistern (ist der Asmodai der eine unreine Geist, der in die Wüste ging)?
    Ninive und Babel: Ninive ist die große Stadt, gegründet von Nimrod, dem großen Jäger vor dem Herrn, der selbst aus Babel kam; Babel beginnt mit dem Turmbau und der Verwirrung der Sprachen. Ninive (Assur) zerstört Israel, Babel Juda und Jerusalem; Israels Stämme sind verloren, Juda kehrt aus der babylonischen Gefangenschaft zurück.
    Wenn Franz Rosenzweig dem paulinischen Satz, wonach Gott am Ende alles in allem sein wird, den prophetischen Satz entgegenstellt, daß der Herr einzig sein wird und sein Name einzig (Sach 149), vergißt oder übersieht er dann nicht die logische Äquivalenz von Einzelnem und Allgemeinem?
    Ist nicht der Kampf gegen die Abtreibung ein mißverstandener Kampf für die Barmherzigkeit, deren hebräischer Name mit dem der Gebärmutter zusammenhängt?
    Hat das kreisende Flammenschwert etwas mit dem Logos (dem zweischneidigen Schwert aus dem Munde des Menschensohns) zu tun?

  • 01.11.93

    Sind Brot und Wein Symbole für Nomen und Verb (sind Wein – und die Trunkenheit -, sowie Wasser und Blut gemeinsame Symbole des Verbs; und ist das Nomen nicht das abgestorbene – gemordete -und wieder auferstandene Verb)?
    Die Nomina werden bestimmt durch Kasus (die „Fälle“), Geschlecht und Numerus, die Verben durch Modus, Tempus und Person.
    Hermann Cohen (Religion der Vernunft, S. 89, vgl. auch S. 120) weist zu 4 Mos 208: „… und redete vor ihren Augen mit dem Felsen, daß er sein Wasser spendete“, darauf hin, daß Moses nach rabbinischer Tradition sich verfehlte („Gott als Geist verleugnete“), weil er auf den Felsen geschlagen hat, anstatt ihm durch das Wort das Wasser zu entlocken.
    Adam, die Schlange und der Staub: Begriff und Vorstellung der Materie repräsentieren die zurückgestaute Kraft des Namens (und den Grund der Trunkenheit). Sie gründen in der selbstreferenziellen Struktur des Systems und konstituieren das projektive Moment in jeder begrifflichen Erkenntnis (keine Projektion ohne Mordlust).
    Der Grund repräsentiert die benennende Kraft in der Erkenntnis: So hängt er mit dem Begriff der Materie, der ihn zugleich neutralisiert, zusammen.
    Die Orthogonalität begründet die Negativität (das mathematische Element: die Ununterscheidbarkeit von Positivem und Negativem, von Richtung und Gegenrichtung) im Begriff der Dimension.
    Beziehen sich die „Attribute des Seins“ (Cohen, S. 109): die Einheit, die Allmacht und die Allwissenheit, nicht auf die transzendentalen Totalitätsbegriffe: Welt, Natur und Wissen?
    Das Opfer: eine Vorform des Tauschprinzips?
    Ist der Löwe der Typos der Geldwirtschaft (und das Lamm Typos des Schuldenopfers)?
    War das Opfer der Söhne und Töchter, die „durchs Feuer geschickt“ wurden, ein Opfer an den Drachen, und hängt es zusammen mit dem Staub, zu dem Adam wird und den die Schlange frißt?
    Ist der Adressat des Erstgeburtsopfers (siehe die Exodusgeschichte) nicht der gleiche Dämon, dem der Ursprung des Staates und der Philosophie sich verdankt?
    Die Ambivalenz des Lachens rührt her von seiner Beziehung zum Schmerz. Ist nicht heute alles Lachen projektives Lachen (der verdrängte, nicht der aufgehobene Schmerz): Schadenfreude (nach dem deutschen Sprichwort die „beste Freude“) ist das Gegenteil der Freude, ein Instrument der Selbsterhaltung der Ichschwäche. Setzt sich, wer sich das Lachen der Verzweiflung verbietet, nicht dem Irrsinn aus?
    Das wirkliche Objekt des Darwinismus ist nicht die Naturgeschichte, sondern die Wirtschafts- und Geistesgeschichte.
    Die Anwendung des Schiller-/Hegelschen Satzes „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ auf den Darwinismus führt zu dem Resultat, daß alle Tiere verurteilt sind und nur als Verurteilte (als Gattung) überleben.
    Hat das Joch des Jeremias etwas mit dem Gordischen Knoten (und mit Alexander) zu tun?
    Ist die Beziehung des ersten Teils des Stern der Erlösung zum Mythos in der Funktion des Naturbegriffs, seiner Bedeutung für die Konstruktion des Ganzen, begründet? Und ist deshalb der „Übergang“ zur Offenbarung nur mit Hilfe des Erkenntnisgebrauchs der Umkehr, die allein das projektive Moment im Anfang tilgen kann, möglich?
    Der Naturbegriff ist das Produkt der verweigerten Umkehr. Deshalb bezeichnet er aufs genaueste die „Pforten der Hölle“.

  • 07.08.93

    Im Selbstmitleid ergreift die Sintflut ihren Verursacher. Sind nicht die fremdenfeindlichen Überflutungsängste projektive Abarbeitungen des Selbstmitleids?
    Heute wäre ein Gottesbeweis nur noch über die Logik des Namens zu führen.
    Wir exportieren die Armut in die „Dritte Welt“ und brauchen die Rüstung, um unsere Beute zu sichern. Ein projektiv verarbeitetes Christentum hilft hier, schon die Wahrnehmung der Tatsachen auszublenden (was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß). Das Problem liegt nicht mehr in der Frage nach der richtigen Gesinnung, oder ob man auf der richtigen Seite steht, sondern in der Frage nach dem Zustand der Welt.
    Ich weiß nicht, welche Wirkungen eine Theologie hinter dem Rücken Gottes auf Gott hat, aber ich weiß, was sie bei denen anrichtet, die sie betreiben.
    Was drückt sich eigentlich in der Konsonanten-Kombination -pfl-aus: Pflicht, Pflanze, pflücken, Pflaume, Pflaster, Pflock?
    Die erkenntniskritische Reflexion der modernen naturwissenschaftlichen Aufklärung hat mit der Unterscheidung der primären und sekundären Sinnesqualitäten begonnen. Aber die Einschränkung der primären Sinnesqualitäten auf „Empfindungen“ hat das Problem verkürzt, indem sie es subjektivierte. Mit getroffen wurde der gesamte sprachliche Bereich des Namens, zuletzt erkennbar an der „vorwissenschaftlichen“ Elementenlehre. Wasser, Feuer, Luft und Erde, auch Licht und Finsternis (aus deren benennender Kraft die „Aufklärung“ ihren Namen herleitet), und die mit diesen Namen verbundenen sinnlich-sprachlichen Konnotationen sind seitdem gegenstandslos geworden. Gründete nicht die Entsinnlichung der Welt in dem theologischen Konzept der Entsühnung der Welt und der damit verknüpften Sexualmoral? Stand nicht diese Aufklärung insgesamt in der christlichen Tradition der Desensibilisierung?
    Ist nicht Sinnlichkeit, soweit sie als Sensibilität sich begreift, eine sprachliche Bestimmung (das Medium des verlorenen Namens)? Theologie im Angesicht Gottes ist eine sensibilierte Theologie (die Rekonstruktion des Bekenntnisses des Namens), Theologie hinter seinem Rücken hingegen ein Instrument der Desensibilierung und der Zerstörung des Namens.
    Müßten nicht in einer Theologie, die dann sich selbst durchsichtig wird, Marx, Freud und Einstein, sowie Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Georg Lukacs, Ernst Bloch, Walter Benjamin, Max Horkheimer und Theopdor W. Adorno ihre Stelle finden?
    Findet nicht die mittelalterliche Eucharistie-Frömmigkeit ihre projektive Entsprechung in den antijüdischen Hostienfrevel- und Ritualmord-Legenden?
    Kirche, Heiden und Ketzer: Überzeugen ist unfruchtbar (Walter Benjamin), die Widerlegung stabilisiert und verinnerlicht das Widerlegte. Was bedeutet es und welche Folgen ergeben sich aus der These, wonach die Kirche mit der Reformation ihre häresienbildende Kraft verloren hat und es seitdem nur noch Sekten gibt?
    Steckt nicht in der Vorstellung, daß Basisgemeinden in der Metropole eigentlich Penner-, Knast- und Hurengemeinden sein müßten, ein trinitarisches Moment?
    – Wer heute aus einem Ur in Chaldäa emigriert, hat keine Chance mehr, ein gelobtes Land zu finden;
    – wer heute in die Fänge des Rechtsstaats gerät, hat keine Chance, vergöttlicht zu werden;
    – und wer der lebenslänglichen Unterwerfung der Ehe unters Tauschprinzip sich entzieht, verfällt ihm als Hure.
    Zusammenhang von Urschisma und Gnosis: Ist nicht das NT das erste Dokument der nach dem Urschisma (und in Reaktion darauf) sich herausbildenden Orthodoxie; aber ist es nicht zugleich auch ein Dokument, das in sich, und zwar in seinem Kernbestand, selbst die Warnungen gegen die Orthodoxisierung des Christentum enthält:
    – Joh 129 und die Abschiedsreden („wenn die Welt euch haßt …“),
    – „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“,
    – die Feindesliebe,
    – „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“,
    – Maria von Magdala und die sieben unreinen Geister,
    – die drei Leugnungen Petri,
    – das Wort vom Binden und Lösen,
    – die Auferstehungs- und Auferweckungsgeschichten,
    – die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen,
    – das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden,
    – Getsemane und der Kelch,
    – die drei evangelischen Räte (Marx, Freud und Einstein),
    – die Apokalypse, die Lösung der sieben Siegel (und die Reihe von Cohen bis Adorno) und die Offenbarung des Namens (der „Weltuntergang“).
    (Wäre eine Zuordnung der 10 Namen von Marx bis Einstein und Cohen bis Adorno zu den 10 Sefirot denkbar?)
    Hat nicht die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Psalmen als privates Gebetbuch zu lesen (und mißzuverstehen)? Und hat nicht durch die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft (und den Ursprung und die Geschichte des Weltbegriffs hindurch) die Offenbarungsgeschichte insgesamt sich so verändert, daß die Beziehung des Alten und Neuen Testamentes nur vor diesem Hintergrund durchsichtig wird (im Kontext des Symbols der „Dornen und Disteln“, vom Sündenfall, über die die Jotamfabel und die Institution des Königtums, über David und die messianische Geschichte: die Geschichte der Verinnerlichung der Dornen und Disteln).
    Der Rechtsstaat ist nicht nur kein Mittel gegen den Faschismus, er ist eine Verkörperung des unreinen Geistes, der ihn erzeugt.
    Alles ist Wasser (Thales): Der Mythos in all seinen Gestalten war das Medium der Reflexion des Ursprungs des Staates vor seiner Konsolidierung. Der Weltbegriff, der die Konsolidierung des Staates besiegelte, hat den Mythos überflüssig gemacht, seine Quellen trockengelegt. Aber ist nicht die Sintflut ein Realsymbol für den Untergang der mythischen Welt, für seine Überflutung mit den Wassern des Begriffs (und die Arche ein Symbol der Erinnerung)? Und gehört zu dieser Geschichte nicht auch die vom Weinanbau, von der Trunkenheit und der aufgedeckten Blöße?

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