Zu Crüsemann, S. 246: Könnte es nicht sein, daß ein Verbot des Götzendienstes vor der Landnahme gegenstandslos war und reale Bedeutung erst im Zusammenhang mit der Begründung staatlicher Strukturen erlangte?
Die Hegelsche Rechtsphilosophie hat, in der Konsequenz der Logik des Hegelschen Systems, den Staat auf eine radikale Weise verweltlicht: Hier ist der Staat zum Vollstrecker des „Weltgerichts“ geworden und der öffentliche Ankläger zum Staatsanwalt (mit der Folge, daß bereits das Ermittlungsverfahren zu einem hoheitlichen Akt wird, Eigenermittlungen Gefahr laufen, als Verletzung der Hoheitsdrechte des Staates inkriminiert zu werden -vgl. Finkelgruen, S. 169). Die ungeheuerlichen Folgen dieser Staatsmetaphysik für das deutsche Staatsverständnis sind bis heute nicht aufgearbeitet: weil sie aufgrund der Verstrickung dieses Staates mit dem Weltbegriff unsichtbar geworden sind?
Im Titel des Staatsanwalts ist die Gemeinheit, die Ralph Giordano dann wahrgenommen hat, vorprogrammiert.
Ethik als prima philosophia läßt sich begründen – und der Bruch zwischen der theoretischen und der praktischen Philosophie, der der Trennung des Natur- und Weltbegriffs zugrundeliegt und durch diese Trennung stabilisiert wird, heilen – nur durch die Schuldreflexion.
Durch den Weltbegriff ist der Götzendienst zur Subjektidolatrie: zum Nationalismus geworden.
Jesus hat die Sünde, nicht die Schuld der Welt auf sich genommen. Aber nur von der Last der Schuld befreit man sich, wenn man sie auf sich nimmt. Ist die Auf-sich-Nahme der Sünde der Welt (durch die der Logos sich an den Anfang der Welt setzt) die Grundlage für die Schöpfungsbedeutung des Logos? Wird nicht, wer die Sünde auf sich nimmt, selbst zum Sünder (mit ungeheuerlichen Konsequenzen fürs Verständnis des Kreuzestodes)?
Heute klagen alle Leute darüber, daß sie nach Feierabend so fertig sind, daß sie sich nur noch vor die Glotze setzen können. Die Programme sind denn auch danach: nur noch Drachenfutter (Psychoanalyse verkehrt). Welcher Welt- und Ichzustand drückt sich darin aus! Die durchs Fernsehen vermittelte Welt ist ohne Fernsehen nicht mehr erträglich. Hat das Fernsehen als Droge das Rauchen, ohne das die Nazizeit nicht zu ertragen gewesen wäre, abgelöst (Teil des Modernisierungsschubs)?
Die Isolationshaft der raf-Gefangenen ist das genaueste Bild der Isolationshaft, in der wir alle sitzen: Das Fernsehen ist die Blende vor dem Zellenfenster, und die Fernsehgesellschaft eine Gesellschaft von Kollektiv-Monaden; Aufgabe der Fernsehanstalten: die Herstellung der prästabilisierten Harmonie durch Verhinderung von Erfahrung.
Liegen hier nicht die Voraussetzungen einer Politik des Aussitzens, deren Gravitationswirkung die „Hoffnung“ nicht unbegründet erscheinen läßt, daß „uns“ eines Tages Europa, und „morgen“ -wie zuvor die „deutsche Einheit“ – „die ganze Welt“, wie eine reife Frucht in den Schoß fällt; und dient nicht die Diskussion um den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ genau diesem Zweck?
Zu den schlimmsten Folgen des Zusammenbruchs des real existierenden Sozialismus gehört die Zerstörung, die Destruktion der Erinnerung an die einzige Gestalt einer moralisch begründeten Politik im Nachkriegs-Deutschland: der Brandtschen Ostpolitik. In diesem Kontext gewinnen Gestalten wie Heitmann ihre verhängnisvolle Funktion.
Drücken die Chaostheorien nicht den depressiven Untergrund unseres Naturverständnisses aus? Sie reduzieren die Natur auf die Logik der Gräser, Farne und Insekten (auf eine Entwicklungsstufe, in der es die Entsprechung des Licht, die Prophetie des Angesichts in der Natur: die Blüten, noch nicht gab).
Crüsemann
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07.10.93
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01.10.93
stoicheia bezichnet sowohl die Buchstaben als auch die Elemente. Kann es sein, daß die Natur zu sprechen beginnt, wenn der Bann der Natur gelöst ist? (Haben das Opfer, der Moloch und die Bindung Isaaks etwas mit dem Ursprung der Schrift zu tun? Weshalb nimmt Gott das Opfer Abels an, während er das Opfer Kains verwirft? – Was heißt Abel?)
In der Geschichte des Tempels verbinden sich
– der Ursprung der Religion (des Opfers) mit dem des Staates,
– der Ursprung der Schrift mit dem des Geldes (Tempelwirtschaft) und
– der der Astronomie mit der der Architektur.
Unser gesamter Erkenntnisapparat bleibt solange von paranoiden Strukturen durchsetzt, wie es nicht gelingt, das Rätsel der subjektiven Formen der Anschauung zu lösen.
Enthält nicht Joh 129 auch den Aktualitätsbezug der Prophetie (die Gegenwart als Grund der benennenden Kraft der Sprache); stellt dieser Aktualitätsbezug sich nicht überhaupt erst durch die Schuldreflexion her?
Zu dem Satz in der Dialektik der Aufklärung, daß die Distanz zum Objekt vermittelt sei durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt: Das aber heißt, daß in der Distanz zum Objekt die Herrschaftsgeschichte: die Geschichte der Schuldknechtschaft, der Sklaverei und der Lohnarbeit enthalten ist. Wird diese Geschichte nicht durchs Anschauen verwischt? Wer ist das Subjekt der Aufklärung?
Der Bann der Natur hängt zusammen mit dem Bann des Privaten: Wenn dieser Bann gelöst ist, werden die Geschichte von den drei Leugnungen und der Ursprung und Stellenwert der Sexualmoral in den drei „Weltreligionen“ durchsichtig und verständlich.
Wie hängen die Sexualmoral, der Begriff der Anschauung und der des Bekenntnisses zusammen?
Bezeichnet nicht das homologein etwas anderes als das, was wir heute Bekenntnis nennen, ein Begriff, der die Geschichte der Privatisierung der Religion (die Geschichte ihrer Entpolitisierung) begleitet und gegen ihre Erkenntnis abschirmt? Bezeichnet er nicht aufs genaueste die Umkehr? Das Bekenntnis des Namens ist die Nachfolge.
Der logos konstituiert sich durch die Übernahme der Sünde der Welt (hier gewinnt die Sprache ihre benennende Kraft zurück). Das aber ist im homologein mit eingeschlossen.
Die Naturwissenschaften sind undialogisch; ihr Existenzgrund sind die Köpfe der Einsamen. Sie hängen zusammen mit dem, was Levinas die Asymmetrie der dialogischen Verhältnisses genannt hat.
Wer die transzendentallogische Isolationshaft, in der wir alle gefangen sind, sprengen will, muß den Ursprung des Naturbegriffs in die kritische Reflexion mit aufnehmen.
Was haben die Engel mit der Schrift zu tun, und wie sind sie in die Astronomie hineingekommen?
Zu Crüsemann: Hat er Angst vor der kritischen Reflexion der politischen Institutionen: Es gibt in der Bibel schließlich ein Buch der Richter, dessen zentrales Thema der Ursprung des Richtens in der Geschichte der Gewalt ist? Wenn er vom Begriff des geschriebenen Rechts ausgeht, setzt er als Prämisse, was vom Ursprung her erst zu bestimmen wäre: den Zusammenhang von Recht, Gewalt und Schrift (in dem der Gesetzesbegriff sich erst bildet).
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