Rosenzweigs Kritik der philosophischen Unsterblichkeitslehre hängt mit seiner Kritik des All aufs engste zusammen: Die Unsterblichkeitslehre gewinnt ihre Plausibilität, ihre falsche Verständlichkeit vor dem Hintergrund der überzeitlichen Geltung der philosophischen Begriffe (die nicht wie die endlichen, kontingenten Einzeldinge in der Zeit sterben, zugrundegehen). Das Bindeglied, das dem Einzelsubjekt den Status des Begriffs gibt, ist der Begriff der Person, an den die Unsterblichkeitsvorstellung sich anschließt. Wie überhaupt die Unsterblichkeitsvorstellung mit der philosophischen Lehre vom Begriff, die Lehre von der Auferstehung hingegen mit der theologischen Namenlehre zusammenhängt (noch bei Thomas von Aquin leidet die getrennte Seele unter ihrer Trennung vom Leib, sehnt sich nach der Auferstehung).
Naturbegriff und Akkusativ: Das Ergebnis des Objektivationsprozesses, durch den die Natur zum Inbegriff der Subjektlosigkeit geworden ist, hat insbesondere zwei Konsequenzen:
– die Ausdehnung der Verantwortung vom individuellen Handeln aufs Schicksal der Welt und ihre Verlagerung ins Subjekt; auf die Natur kann sich niemand mehr zum Zwecke der Exkulpierung herausreden (auch nicht durch sozialdarwinistische Konstrukte);
– zugleich macht die Subjektlosigkeit den Anklagestatus gegenstandslos: die Natur ist aus dem Akkusativ herauszunehmen (Akkusativ und double bind: es ist gerade die Unschuld der Natur, die sie absolut schuldig macht: es ist ihre Verdinglichung, die sie zum Objekt der Verwertung macht; nicht zufällig wurde die Melancholie als Kreativitätsquelle entdeckt, als die Voraussetzungen für die Verdinglichung der Welt geschaffen wurden – Zusammenhang von Melancholie und Hysterie?).
Darwin
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27.12.90
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15.11.89
Das Verhältnis von Natur und Gesellschaft ist bisher nur unter dem Aspekt des Darwinismus gesehen worden (Kampf aller gegen alle unter dem Gesetz der Selbsterhaltung). Das Trägheitsgesetz und das Tauschprinzip bezeichnen aber nur das Formgesetz, das zwar mit seinem „Inhalt“ (dem Leben in Natur und Gesellschaft) unlösbar verbunden, nicht aber damit identisch und nicht daraus abzuleiten ist (die Hegelsche Form-Inhalt-Dialektik geht nicht ganz auf, außer im ästhetischen Bereich; es bleibt ein unauflösbarer Rest). Das Trägheitsgesetz reicht ebensoweit wie die Gravitation, nämlich bis in die Elektrodynamik und deren Derivate; ausgenommen bleibt das Licht und mit ihm die ganze sinnliche Welt.
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04.11.88
Das richtende Urteil wütet mindestens ebenso verhängnisvoll wie in den Naturwissenschaften im Bereich der historischen Erkenntnis. In beiden Fällen dient es als Ich-Stütze, als Instrument des Herren- und Siegerdenkens. Wie herrlich weit wir es doch gebracht haben – dieses Ergebnis des Vulgärdarwinismus, eines Fortschrittsdenkens, das die gesamte Vergangenheit nur als rückständig (Vergangenheitskolonialismus), höchstens als Stufe der Entwicklung zur Gegenwart begreift, rückt die Erkenntnis, auf die das Vergangene Anspruch hat (Benjamin), präzise in den blinden Fleck. Nicht Einfühlung (in den Sieger), sondern Identifikation mit den Zukurzgekommenen, Gescheiterten, mit allen Tendenzen, die über das Bestehende hinaus zielten, wäre parakletisches Geschichtsdenken. (Zur Kritik des Historismus vgl. Steven T. Katz: On Historismus and Eternity: Reflections on the 100th Birthday of Franz Rosenzweig. In: Der Philosoph Franz Rosenzweig (1886-1929), hrsg. v. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Freiburg/ München 1988, Bd. II, S. 745ff)
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