Steckt in der Bocksgestalt des christlichen Teufel (Hörner, Schwanz und Bocksfuß) nicht die Erinnerung an den Bock als Opfer, den Sündenbock, auch den Widder bei der Bindung Isaaks. Zusammenhang der Tragödie und des islamischen Bock-Opfers (zur Erinnerung an die Bindung Isaaks) mit dieser Tradition? Diese christliche Vorstellung ist deutlich geschieden sowohl von der jüdischen Gestalt des Satans (des Anklägers) als auch von der griechischen des diabolos, des Verwirrers: Mit der Rezeption der Bocksgestalt wird das Teufelssymbol von den Herrschenden auf die Beherrschten, von den Tätern zu den Opfern, verschoben, wobei das fundamentum in re in der bei den Opfern unterstellten Ranküne und Wut zu suchen ist, in dem Reflex der Ohnmacht und des Leidens, die die Herrschenden ihnen antun und auf diesem Wege zugleich diskriminieren. Kein Zufall, daß mit der Vergesellschaftung und Ausbreitung des Herrendenkens auch das Teufelssymbol funktionslos wird.
Bezieht sich das Wort von dem unreinen Geist, der in der Wüste umherirrt, dann sieben weitere unreine Geister findet, mit ihnen in das Haus zurückkehrt, das er leer und gereinigt vorfindet („und die letzten Taten dieses Menschen werden schlimmer sein als die ersten“), auf die Sexualmoral: Ist das der Geist, den die Kirche in die Wüste geschickt hat? Und erinnert das Durchirren der Wüste nicht an den vierzigjährigen Aufenthalt des Volkes Israel in der Wüste nach dem Exodus? Ist der „unreine Geist“, der durch die Wüste irrt, der Sündenbock, und Asasel die auf der Sexualmoral basierende Zivilisation? In welcher Beziehung steht diese Geschichte zur Tragödie und zu den Versuchungen Jesu (zu denen die sexuelle Versuchung nicht gehört)?
Der Raum ist ein zirkuläres System, in dem jedes Element sich durch seine Beziehung zu allen anderen Elementen definiert. Kein Element kann isoliert definiert werden. Über diesen Raum kann nicht mehr gesagt werden, ob er hell oder dunkel ist, ebensowenig wie über die Materie gesagt werden kann, welche Farbe sie hat (beide haben die Qualität des Hades, des Schattenreichs).
Ebenso zirkulär wie die Struktur des Raumes ist die der Bekenntnislogik (und die des Tauschprinzips). Und der Weltbegriff stabilisiert und verbirgt zugleich diese zirkulären Strukturen, macht sie unkenntlich und handhabbar.
Der Komfort, den der Weltbegriff dem modernen Bewußtsein bietet, hat seinen Ursprung in dem Komfort, den der Götzendienst einmal geboten hat (Befreiung von der Angst, die er zugleich erzeugte).
An der zirkulären Struktur des Raumes prallt die benennende Kraft der Sprache und mit ihr die Idee der Wahrheit ab.
Der Ursprung des geschichtlichen Emanzipationsprozesses liegt nicht im Ursprung der Philosophie, sondern in dem des Mythos. Nur: daß der Mythos die Erfahrung der Schuld noch in sich enthält (und verarbeitet), während die Philosophie sie verdrängt: über die projektive Konstituierung des Weltbegriffs eine schuldfreie Wahrheit zu konzipieren versucht, aber eben damit unrettbar sich in den Schuldzusammenhang verstrickt.
Das Jesuswort „Ich bin das Licht (der Weg?), die Wahrheit und das Leben“ erinnert an
– das rein durchs Wort erschaffene Licht,
– den Gegenstand des Segens (das sich fortpflanzende und vermehrende Leben) und
– eine Idee der Wahrheit, die dem Schuldzusammenhang entronnen ist.
Die Selbstzerstörung des Christentums wird bewußtlos vorangetrieben von Leuten wie Drewermann und Degenhardt, die sich gegenseitig benutzen zur Stabiliserung ihres pathologisch guten Gewissens.
Zum Ursprung des Personbegriffs: Walter Burkert weist darauf hin, daß gelegentlich „vermummte, maskierte Männer das (Opfer-) Tier zu töten haben. Die tragoidoi verstecken ihre Identität: Keine Tragödie ohne Masken.“ (Wilder Ursprung, S. 26, sh. auch Anm. dazu) – Zusammenhang von Bekenntnislogik und Opfertheologie.
Degenhardt
-
20.01.92
-
01.06.90
D. meidet die Anbindung psychoanalytischer Begriffe an die Strukturbewegungen im historischen Prozeß: Die Ableitung der „Methoden theologischer Zwangsvereinheitlichung durch Ketzermacherei und Häretikerausschluß“ aus der Psychologie des Klerikers z.B. müßte ergänzt werden durch eine kritische Analyse der realen Geschichte von Ich, Es und Über-Ich (der Geschichte der Herrschaft, in die sie verflochten sind): Hier wäre die Kenntnis der materialistischen (politisch-ökonomischen) Geschichtsanalyse zweifellos von Nutzen. Hätte D. sich etwas mehr mit der jüngsten Vergangenheit befaßt, würde er z.B. den Begriff der „Identifikation mit dem Aggressor“ kennen, der sicherlich mehr zur Aufklärung frühkirchlicher Vorgänge beitragen könnte (wie überhaupt die Anwendung psychoanalytischer Methoden auf diese Periode konstruktiver sein würde als ihre Anwendung auf die „jahwistische Urgeschichte“: kann es vielleicht sein, daß das Christentum das Objekt der Psychoanalyse überhaupt erst „geschaffen“ hat? – vgl. S. 278: die „ödipale Problematik … lediglich eine kulturelle Variable, deren Einfluß auf die Mentalität der europäischen Zivilisationsgeschichte allerdings nur schwer überschätzt werden kann“).
Zu Dornen und Disteln: sh. Mt 7,16 „die Trauben bei den Dornen und Feigen bei den Disteln suchen“.
Adorno: Heute ist schon jeder Katholik so schlau wie früher nur ein Kardinal. – Hat D. nie den Zynismus (und seine Wurzeln) analysiert, der heute als notwendige Folge aus dem Zustand der Theologie (nicht erst aus der Psychologie des Klerikers) resultiert, und der möglicherweise stärker, wirksamer und weiterreichend im katholischen Laien sich manifestiert, der gelernt hat, sein instrumentalisiertes Christentum als Herrschaftsmittel im privaten Bereich wie in der Politik taktisch und strategisch zu nutzen. Dagegen hat der Kleriker durch seine theologische Ausbildung noch Reibungsflächen, die vielleicht sein Leiden /am Zustand der Theologie) erhöhen, die aber auch die Chance eröffnen, durch Reflexion, durch Aufarbeitung dieses Leidens den Zustand der Theologie selbst zu ändern (die Möglichkeiten ihres Mißbrauchs zu reduzieren).
Bemerkt D. nicht die Projektion, die in der unkritischen Rezeption des Katharerbildes steckt? (S. 162).
Zu dem „Mangel an Persönlichkeit“ (S. 167, 170) vgl. die Bemerkungen von F.R. im „Stern“. Ist der Begriff der P. eigentlich psychoanalytisch relevant?
Zu der wirklich nur noch polemischen Darstellung der klerikalen Kleidung: Warum eigentlich so ausführlich nur hinsichtlich der Nonnenkleidung? Was ist mit der liturgischen Kleidung? Und vor allem: Fehlt nicht als Hintergrund eine Soziologie der Kleidung (und hierbei auch der Mode) überhaupt? Ist es zulässig, hier die Realität als nicht mehr zu hinterfragende Normalität hinzunehmen, an der dann die klerikale Kleidung (ihre diachronische Symbolik) so unreflektiert gemessen werden darf? Wäre hier nicht eher ein Aufklärung dieser Diachronik, eine Aufarbeitung der Geschichte dieser gegenwärtigen Vergangenheit vonnöten?
Drewermann kennt offensichtlich nur das „persönliche Gebet“ (das es heute eigentlich schon nicht mehr gibt, jedenfalls nicht mehr in authentischer Form), nicht jedoch das meditative Gebet (vgl. Reinhold Schneiders „allein den Betern …“ und Ernst Blochs „Wahrheit als Gebet“): Das persönliche Gebet ist den Tätern nach Auschwitz untersagt; das meditative Gebet (als Trauer- und Erinnerungsarbeit) behält seine Bedeutung (ja gewinnt sie heute vielleicht sogar verstärkt) als Vorstufe und als Exercitium des parakletischen Denkens.
Was ist eine „persönliche Vertiefung der Frömmigkeit“ (S. 179)? Auch die Wachmannschaften in den KZs haben Weihnachten gefeiert.
Zur Bußpraxis (S. 180): Die wirkliche Schuld ist heute nicht mehr beichtfähig, sie ist nicht mehr in dem Sinne individuell, wie es das Institut der Beichte voraussetzt. Vgl. hierzu das Jesus-Wort über die Aussöhnung mit dem Bruder vor dem Opfer: Dürfte hiernach heute überhaupt noch jemand am Opfer teilnehmen?
„Was immer heute Religion heißt, vermittelt sich persönlich oder gar nicht …“ (S. 212f): Das kann doch nur heißen, daß der Inhalt, die Wahrheit, nicht mehr vermittelbar ist, sondern nur noch die „personality“ des Vermittlers (des „Führers“ – vgl. die Vorbereitung des H.J. Degenhardt auf das Priesteramt), vielleicht so etwas wie Charisma, Aufrichtigkeit o.ä., jedenfalls etwas, daß nicht mehr anhand nachvollziehbarer Kriterien (außer denen des „positiven Denkens“) zu beurteilen ist?
D.s Begriff von den Psalmen: „tagaus tagein zu dem Hersagen altorientalischer Lieder genötigt“ – „Haßtiraden der Psalmen“ -„nicht ein einziges wirkliches Fürbittgebet“ – „Texte, gebunden an den heiligen Egoismus einer altorientalischen Stammesreligion“ – „muß sie beten, daß Gott dem König Macht gibt, seine Rache an den Feinden zu genießen“ (S. 179)
S. 245ff: D. hat den entscheidenden Punkt des double bind in der Psychologie des Klerikers offensichtlich nicht begriffen (obgleich er ihn selbst kurz vorher sehr genau beschrieben hat): nämlich die „Doppelbindung“ an die „Mutter Kirche“, nicht selten projektiv ausgebildet in der priesterlichen Marienverehrung (sh. jedoch hierzu S. 287f). Dagegen ist das von D. beschriebene Beispiel der Gefühlsverwirrung in der ungeklärten Beziehung einer Frau zu „ihrem“ Pfarrer ein Fall, der nur vor dem Hintergrund einer selbst bereits wahnhaften (blasphemischen) Religionsbindung double-bind-ähnliche Züge annimmt (vgl. Schizophrenie und Familie – Anwendung auf Genesis und Struktur der Marienverehrung?). – Einbindung von double-bind-Strukturen in die Normalität zunächst durch die Religionen, dann Verselbständigung (sekundäre Religion – vgl. Spengler)?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie