Wenn der Satz stimmt, daß der Klügere nachgibt, sind dann nicht die Richter die Dummen?
Wenn die Attribute Gottes im Imperativ stehen, dann ist der Satz, daß etwas „nicht geht“ (weil es unmöglich ist), als Ausrede nicht mehr brauchbar: Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Ist nicht der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ stehen, nur ein anderer Ausdruck dafür, daß die erste Philosophie die Ethik ist?
Es gehört zu den Aprioris der RAF-Prozesse, daß die Lücken der Beweislogik zu Lasten der Angeklagten ausgenutzt werden.
Barmherzigkeit und Erkenntnis: Nicht die (passive) Hoffnung, sondern die (aktive) Barmherzigkeit löst die Probleme der Beweislogik.
Heute ist die Konstruktion des Lebens selber herzzerreißend. Der Zustand der Welt nimmt alle in Geiselhaft.
Hat nicht Heidegger die Hegel’sche Idee des Absoluten auf die kürzeste Formel gebracht: auf das „Vorlaufen in den Tod“? Nur: Hegel war noch verzweifelt über das Resultat seiner Philosophie, er wußte sich „von Gott verdammt, ein Philosoph zu sein“; Heidegger hingegen ist ein begeisterter Sympathisant des Seins.
Der Bann, unter dem die Natur steht, der Bann des Naturbegriffs selber, hat seine Wurzel in dem gesellschaftlichen Primat der Selbsterhaltung; er hat mit der Instrumentalisierung der Vernunft einen gemeinsamen Ursprung. Gegen diese Instrumentalisierung der Vernunft stehen die drei evangelischen Räte (die von der Kirche durch Instrumentalisierung nochmals verraten worden sind).
Zu den Einsichten, die der Sprachreflexion sich verdanken, gehört, daß Gott nicht stumm ist. Das Wort Gottes drückt aufs deutlichste in dem imperativischen Charakter der göttlichen Attribute sich aus.
Wenn wir den gegenwärtigen Stand der Naturwissenschaft wirklich begreifen würden, würde es uns dann nicht „wie Schuppen von den Augen fallen“? Stammt das Wort, daß einem etwas wie Schuppen von den Augen fällt, nicht aus dem Buch Tobit? Die Salbe, mit deren Hilfe die Schuppen von den Augen des Tobit lösten, wurde aus der Galle des Fisches gewonnen, den Tobias und Rafael, als der Fisch den Tobias verschlingen wollte, aus dem Fluß Tigris gefangen hatten.
Als Jesus zur Samariterin vom Quell des lebendigen Wassers sprach, hat er da nicht Jesaias zitiert?
Zum Zug, der in den Abgrund rast: Die Schienen dieses Zuges sind die subjektiven Formen der Anschauung (und mit ihnen das Geld und die Bekenntnislogik). Jürgen Habermas hat, als er den kritischen Naturbegriff der kantischen Tradition verwarf und die Natur aus dem Bereich der Reflexion ausschied, dazu beigetragen, den Zug auf diese Schiene zu setzen. Damit hat er dem reflektierenden Urteil die Erkenntniskraft abgesprochen.
Emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae. Dieser Geist, der das Antlitz der Erde erneuern wird, ist der Geist der Barmherzigkeit, der Geist, der über das Gericht triumphiert, in dessen Bann das Antlitz der Erde steht, dessen Bann dieses Antlitz entstellt. – Ist nicht das kopernikanische System (als Säkularisationsprodukt des Pantheons) das entstellte Antlitz der Erde?
Haben nicht die subjektiven Formen der Anschauung Kants etwas mit den paulinischen Elementargeistern zu tun?
Im Feindbild-Clinch betreibt jede Seite, auch wenn keine es weiß, das Geschäft des Feindes. Und die Staatsschutzsenate sind nur noch Institute des Feindbild-Clinchs. Der Satz Jutta Ditfurths, daß der Staat seine Terroristen braucht, ist heute dahin zu ergänzen, daß ebenso die Terroristen, nachdem sie aus ihren Rechtfertigungszwängen nicht mehr sich lösen können, den Staat brauchen. Für den Zug, der in den Abgrund rast, war die RAF ein Energie-Lieferant.
Wenn die Begriffe der Pflicht und der Verantwortung den Gesetzen der Selbsterhaltung untergordnet werden, dann weiß keiner mehr, was er tut. Die Vorstellung, daß der Markt es schon richten werde, ist gemeingefährlich und am Ende selbstmörderisch.
Heute wird die Religion von denen verraten, die in ihr Trost suchen.
Die Frage nach falsch oder richtig, die heute im Allgemeinen mit der Frage nach der Wahrheit verwechselt wird, wird grundsätzlich im Nachhinein (nicht beantwortet, sondern) entschieden: sie gilt (wie der Begriff des Wissens) nur für Vergangenes, und für Zukünftiges nur in dem Maße, in dem seine Vergangenheit sich antizipieren läßt. Es ist dieser Begriff des Richtigen, der Begriffen wie Orthodoxie, Orthogonalität ihre Schlüssigkeit und ihre objektive Bedeutung verleiht. Der Begriff des Richtigen ersetzt das Was durch das Wie; das Referenzsystem, auf das er sich bezieht, ist das Inertialsystem (der Inbegriff des Richtigen). Im Kontext des Richtigen lassen sich Rechts und Links nicht mehr unterscheiden. Hat hiermit das „Sitzen zur Rechten des Vaters“ (die Rechte ist die Seite der Barmherzigkeit, die Seite des Heiligen Geistes, die der Begriff des Richtigen ins Gegenstandslose verflüchtigt) etwas zu tun?
Ditfurth
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11.12.1996
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31.7.96
Welches Befreiungspotential steckt in der Wahrnehmung, daß nicht die Opfer, sondern die Täter nach dem Krieg sich frei von Schuld fühlten: Liegt hier nicht der Beweis, daß der Rachetrieb (der die Schuld auf sein Opfer verschiebt) nicht den Opfern, sondern allein den Tätern zuzuschreiben ist? Bezieht sich hierauf nicht der Satz von dem „einen Sünder“, über dessen Bekehrung mehr Freude in den Himmeln herrscht als über 99 Gerechte, ebenso wie der letzte Satz des Jakobusbriefs: daß, wer einen Sünder vom Weg des Irrtums (und ist dieser Irrweg nicht der der Projektion, der Weg, den das Schuldverschubsystem eröffnet) bekehrt, seine eigene Seele rettet und „eine Menge Sünden zudeckt“? Ist dieser Weg des Irrtums nicht der der Verblendung und Verstockung, und ist das nicht der Weg der Herrschenden: der Weg des Pharao? Hätte das Scheusal Ägyptens geopfert werden können (und wäre Israel auf andere Weise befreit worden), wenn es gelungen wäre, den Pharao (den „einen Sünder“) aus dem Irrweg seiner Verstockung herauszuholen. Die Griechen hatten die Fremdheit nach draußen (ins Anderssein, in die „Barbaren“) projiziert; zur Absicherung haben sie die Natur (die Totalität des Andersseins) erfunden. Die Christen haben die Fremdheit in die Vergangenheit projiziert (in die Juden und Heiden, die Verkörperungen der vergangenen Welten): Instrument dieser Projektion war die Lehre vom Sündenfall (die zur Vorstufe der Gravitationstheorie geworden ist); zur Absicherung haben sie die Hölle erfunden, die seit je für die Christen einen höheren Realitätsgrad hatte als die Himmel. Lassen sich hieraus nicht Antisemitismus, Ketzer- und Hexenverfolgung, sogar die Scheiterhaufen, zwanglos ableiten? Unter einen Begriff werde ich (als Objekt) subsumiert, beim Namen werde ich gerufen. Hängt die Logik des Namens nicht mit der der Auferstehung zusammen? Verhalten sich Begriff und Name nicht wie Gericht und Barmherzigkeit? Verstärkt sich nicht der Eindruck, daß die Theologie heute verzweifelt sich bemüht, die Idee des seligen Lebens, ihre einzige Kraftquelle, zu verdrängen, sie nicht mehr laut werden zu lassen? Das kopernikanische System ist ein System von Bewegungen, deren jede in einem Abstraktionsschnitt sich konstituiert, in dem sie von den anderen jeweils absieht; die Einheit des Systems ist eine den einzelnen Bewegungen äußerliche: die des Raumes. – Die Erdrotation bezieht sich auf den Wechsel von Tag und Nacht, Licht und Finsternis, – das Kreisen der Erde um die Sonne auf den Jahreskreislauf; – worauf bezieht sich das Kreisen des Mondes um die Erde? Auf den Zyklus der Frau? Bezeichnet der mit dem paulinischen Begriff des Fleisches nicht das mit dem Ich gesetzte Ich-Fremde? Das würde auf den Zusammenhang des Begriffs des Fleisches mit der Sintflut verweisen („das Ende alles Fleisches ist bei mir beschlossen; denn die Erde ist voller Frevel von den Menschen her. So will ich sie denn von der Erde vertilgen“, Gen 613), auf die Überflutung der Erde mit dem Ich und seinen Emanationen. Erinnert nicht das Freudsche „Wo Es ist, soll Ich werden“ an den paulinischen Begriff des Fleisches? Der Tod macht den Leib zum Fleisch. Ist es nicht das Kelch-Symbol, in dem die Herrschaft des Todes sich verkörpert, und gründet hierin nicht die Verknüpfung des Kelches mit dem Kreuz in der Getsemane-Geschichte? Sind es nicht die 99 Gerechten, die aus der Tatsache, daß Maria Magdalena, die große Sünderin und Büßerin, von den sieben unreinen Geistern befreit wurde, den Schluß gezogen haben: Die muß es aber schlimm getrieben haben? Wer seine Seele retten will, wird sie verlieren; wer sie aber rettet, hat mehr als seine Seele gerettet. Der Christ müßte eigentlich fähig sein, den Satz, daß niemand über seinen Schatten springt, zu widerlegen. Im Kontext des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist die Existenz der Lichtgeschwindigkeit der Beweis, daß die Physik es nur mit dem Schatten zu tun hat. „Im Namen des Volkes“: Der Satz am Kreuz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ richtet sich eindeutig an die Richtenden; und sprechen kann diesen Satz nur das Opfer, der Verurteilte, nicht aber einer, in dessen Namen das Urteil gesprochen wurde. Die Natur kann den Begriff deshalb nicht halten, weil sie ihn zu halten versucht. Aus dem gleichen Grunde kann die Geschichte das Objekt nicht halten. Nur die Barmherzigkeit erreicht ihr Objekt: durch Auflösung des Begriffs im Namen. Ist nicht die Beziehung von Täter und Rachsucht der Beweis dafür, daß ich der Täter der Sünde Adams bin? Und genau hierauf bezieht sich der Satz des Täufers über Jesus vom Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich (nicht hinweg-) nimmt. Die Sünde der Welt, das ist die Erbsünde, und der eine Sünder, über dessen Bekehrung eine größere Freude in den Himmeln herrscht als über 99 Gerechte, ist der Täter dieser Sünde, der endlich sich bekehrt. Die Sünde der Welt reproduziert sich durchs Recht. Das unterscheidet das Recht von der Gerechtigkeit. Ziel des Rechts ist die Erhaltung und Wiederherstellung des Rechts gegen den, der es verletzt, nicht die Gerechtigkeit. Mit dem Satz „Im Namen des Volkes“ konstituiert sich das Volk als Schicksalsgemeinschaft; die Wiederherstellung des Rechts ist nicht die Versöhnung. Und der Satz von Jutta Ditfurth, daß der Staat seine Terroristen braucht, verweist auf diese Logik, in der er gründet. An welcher Stelle der zehn ägyptischen Plagen finden die Allmachtsphantasien der Verwaltung ihren Platz? Hat das „Scheusal der Ägypter“ etwas mit der Zeusstatue im Tempel in Jerusalem. mit dem Greuel am heiligen Ort, zu tun? Und ist dieses Scheusal der Repräsentant der Allmachtsphantasien der Verwaltung (der subjektlosen Herrschaft)? Zu Habermas‘ Verfassungspatriotismus, den er wohl auf das Prinzip der Gewaltenteilung bezogen wissen will: Die Gewaltenteilung ist ohne Zweifel notwendig, aber ebensosehr auch reflexionswürdig, wenn sie nicht zum Prinzip der Selbstverblendung werden soll. Sind wir nicht dabei, die Legislative zum verlängerten Arm der Exekutive zu machen, und reproduzieren sich in der Jurisdiktion nicht immer deutlicher die Elemente der Exekutive? M.a.W., beginnt nicht die Gewaltenteilung sich selbst von innen aufzuzehren; droht nicht die Exekutive, sie zu verschlingen? Es gibt bereits Verwaltungen, die keiner demokratischen Kontrolle mehr unterliegen, die selbst als Legislative sich konstituieren: Vollzugsorgane der stärkeren ökonomischen Mächte, die sie beherrschen. Aufgrund objektiver Zwänge wird die Legislative immer mehr zum verlängerten Arm der Exekutive. Zugleich regrediert die Jurisdiktion in Verwaltung (werden reflektierende Urteile zu bestimmenden, zu synthetischen Urteilen apriori). Die Verwaltung wird zur Verwaltung des Wissens, mit dessen Hilfe sie Gesetzgebung (Natur) und Rechtsprechung (Welt) präjudiziert. Die Gewaltenteilung gründet in den Totalitätsbegriffen, die die Verwaltung zum Instrument der Transformation der Urteilskraft ins universale Vorurteil machen. Wird nicht das Gewaltmonopol des Staates durch das Wissensmonopol der Verwaltung abgesichert, wobei mit Hilfe der Geheimhaltung zwischen Herrschaftswissen und öffentlichem Wissen (zwischen Handlungskompetenz und Selbstdarstellung) deutlich unterschieden wird? Hierzu gehört es, daß der Staat bemüht ist, die Zuständigkeit der Medien auf den durch ihn definierten Bereich des öffentlichen Wissens einzuschränken, der Öffentlichkeit den Zugang zum Herrschaftswissen zu verwehren. Dem kommt der Informationsbegriff, das Selbstverständnis der Medien, auch ohne daß man gezwungen wäre, einen vorauseilenden Gehorsam zu unterstellen, weit entgegen, durch die Logik von Tatsache und Meinung, die zur Sache äußerlich sich verhält und den kritischen Begriff zur subjektiven Meinung, zum bloßen Raisonnement, und damit unschädlich macht. Rückt nicht ein Zustand immer näher, in dem es unmöglich zu werden beginnt, gegen das, was ist, noch anzuschreiben, in dem das Bestehende von der Logik seiner Rechtfertigung nicht mehr sich trennen läßt? Die These scheint begründbar zu sein, daß die Gewaltenteilung (wie auch die Konstellation der drei Totalitätsbegriffe Kants) das Gegenstück, das genaue Korrelat, zu der dreifachen Abstraktion darstellt, die das kopernikanische System determiniert und in ihm sich entfaltet. Bezeichnet nicht der Begriff der Determination (der Abstraktion von der Idee eines objektiven Ziels) das Grundprinzip der Begriffsbildung, das gleiche Prinzip, das den Objektivationsprozeß an den der Instrumentalisierung bindet? Durch dieses Prinzip ist das Verfahren der Begriffsbildung ans Selbsterhaltungsprinzip gebunden, und der Erkenntnisprozeß an ein Verfahren kollektiver Identitätsbildung (Ursprung des Nationalismus). Das reicht hinein in die Naturerkenntnis und in die historischen Gestalten der Kosmologie. Der Terminus, von dem abstrahiert wird, ist der Name und das Angesicht, und die Determination selber, der Abstraktionsprozeß, ist das Feuer. (Vgl. das ungeheure Bild in der sechsten der zehn ägyptischen Plagen, daß „der Ofenruß vor den Augen des Pharao gen Himmel“ geworfen wird.) Gehört nicht das Strafrecht zu den Konstituentien auch der logischen Determination? Ist nicht Kants Wort von der Erhabenheit des moralischen Gesetzes in mir und des Sternenhimmels über mir eine Station auf dem Wege der Selbstaufklärung der Aufklärung (auch der Astronomie)?
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12.07.93
Erkenntnis und Interesse: Ist nicht der Begriff des Interesses ein Hinweis auf das Schuldmoment an jeder Erkenntnis, und die Einschränkung aufs unmittelbar „materielle Interesse“, die Abstraktion vom „Unschulds“-Interesse, deren Reflexion im Anschluß an die kantische Erkenntniskritik auch die Notwendigkeit der Kritik der Naturwissenschaft mit einschließen würde, der Grund, daß es zu Gemeinheit, Unrecht und Gewalt keine Alternative mehr zu geben scheint? – Und ist nicht die „Übernahme der Sünden der Welt“ eine logische Konsequenz aus der Zeitstruktur jeder Erkenntnis (Unschuld liegt nicht außerhalb, neben der Schuld, sondern in der Linie ihrer Reflexion: der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung)? Wird man beim heutigen Weltzustand nicht schuldig durch Nichthandeln (hier liegt der Grund des Begriffs der Erbsünde), und unschuldig nur durch Handeln?
Die Virginitas war nichts weniger als ein Name der natürlichen Unschuld, und die sexuelle Unberührtheit Symbol eines von Gewalt (auch der Gewalt des Ehevertrages, vom Mythos der männlichen Vorherrschaft) nicht mehr befleckten Glücks: kein biologisches, sondern ein politisches Symbol, Symbol der Befreiung. Aber ist nicht der Mythos der männlichen Vorherrschaft ein siebenfacher: sind nicht die sieben unreinen Geister die sieben Geister der Unreinheit des Patriarchats (von denen bisher nur Maria Magdalena befreit wurde)?
Kann es sein, daß die confessio und die virginitas, wenn sie einmal vom Bann der Herrschaftsgeschichte befreit sein werden, sich als Symbole der Rechten und der Linken (des Gerichts und der Barmherzigkeit) erweisen werden?
Hat die Schrift den Gehorsam vom Hören getrennt, und ist dadurch die Schrift zu dem Feigenblatt geworden, als welche sie von der Konfessions-Theologie dann nur noch benutzt worden ist? Das Instrument dieser Trennung war der kirchliche Antijudaismus (der die jüdische Vergangenheit als Projektionsfolie ihrer eigenen verdrängten Schuld benutzt hat).
Wird sich nicht vielleicht doch einmal die Geschichte vom Feigenblatt und vom Feigenbaum als zentral erweisen, und muß man nicht zum Symbol der virginitas das andere Wort hinzunehmen: ihr wird viel vergeben werden, denn sie hat viel geliebt?
Das Wort Johannes XXIII., Jesus sei nicht gekommen, den Menschen tausend Lasten aufzubürden, hat der Kirche die Unschuld genommen. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil, dessen Chance sie nicht genutzt hat, ist die Kirche zum steinernen Herzen der Welt geworden. Sie hat die Rechtfertigungszwänge, unter denen sie steht, nicht auflösen können.
Theorie und Praxis: Der Weltzustand heute ist so, daß man durch Nichthandeln, dadurch, daß alle, auch die heute Handelnden, im Habitus des Zuschauers gebannt bleiben, schuldig wird, während doch alles zum Eingreifen auffordert.
Zur Kritik der subjektiven Formen der Anschauung, des Begriffs des Wissens und der Wissenschaft bei Kant: Das Wissen konstituiert sich in dieser Beziehung des Zuschauens zu den Dingen, in dieser Passivitätshaltung, durch die der Zuschauende schuldig wird, solange er nicht begreift, daß dieses Zuschauen (und seine Prämissen: die Hypostasierung der subjektiven Formen der Anschauung) zu den Ursachen des gegenwärtigen Weltzustandes gehört. Dieser Habitus des Zuschauens ist nur noch aufrechtzuerhalten durch Verachtung der Armen und durch Fremdenhaß.
Ist nicht der Weltbegriff die Rechtfertigung des Zuschauers?
Das Substantiv ist der Greuel am heiligen Ort (Mt 2515, Dan 927, 1131, 1211).
Gibt es nicht einen Hinweis zum Verständnis des Wortes vom Greuel am heiligen Ort: in der Geschichte von den drei Leugnungen, wenn Petrus beim dritten Mal „sich selbst verflucht und abermals leugnet“.
Die Vorstellung von einer überzeitlichen Wahrheit (oder auch die Definition der Wahrheit als „Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“) ist Produkt der Leugnung des Zeitkerns und des Aktualitätsbezugs der Wahrheit: ihres prophetischen Kerns, und zugleich die Basis und das Medium der Geschichte der drei Leugnungen.
Die ungeheure Geschichte vom Kampf gegen die Amalekiter in Ex 178ff: Josue kämpft gegen Amalek, während Mose, Aaron und Hur auf den Berg steigen. Solange Mose seine Hände erhoben hält, siegt Israel, wenn er sie sinken läßt, siegt Amalek. Als er ermüdet, holen sie einen Stein, schieben ihn unter Mose, dann stützen Aaron und Hur seine Arme, der eine rechts, der andere links. Und am Ende spricht der Herr zu Mose:
– … ich will die Erinnerung an Amalek unter dem Himmel austilgen. Und:
– Krieg ist zwischen JHWH und Amalek von Generation zu Generation.
Wer ist Hur, und wer ist der Fels; und ist das Ungeheurliche denkbar, daß sich das Gebot der Feindesliebe auch auf Amalek bezieht? War Haman (der Typos des Judenfeindes im Buch Esther) als Agagiter ein Amalekiter (vgl. Num 247, 1 Sam 158 und Est 83)?
Ist nicht die Geschichte der raf und die der in jeder Hinsicht mißlungenen „Auseinandersetzung“ mit ihr, eine zwangsläufige Folge der mißlungenen Aufarbeitung der Geschichte der größten terroristischen Vereinigung, die es je in diesem Lande gegeben hat: des Nationalsozialismus?
Hatte nicht Jutta Ditfurth recht: der Staat braucht seine Terroristen; nur das reicht heute nicht mehr: er braucht auch die den Staat und seine „Leistungen“ mißbrauchenden Armen und Fremden, während der Gewaltmißbrauch des Staates in jeglicher Hinsicht, Justiz, Polizei und Militär eingeschlossen, im Dunkeln gehalten wird. Die Gefahr liegt darin, daß dem ein sehr breites und tiefes Rechtfertigungs- und Projektionsbedürfnis in der Bevölkerung entgegenkommt.
Heute berufen sich die, die gegen alle Ehebrecherinnen die Steine werfen, auf das Jesuswort: Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.
Ist es nicht wirklich beängstigend, und greifen einen nicht Schrecken und Kälte ans Herz,
– wenn die öffentliche Verarbeitung der Vorgänge von Bad Kleinen wieder einmal darauf hinausläuft, daß die, die auf Aufklärung bestehen, Gefahr laufen, als Sympathisanten diffamiert zu werden?
– wenn in einer Talkshow (Talk im Turm am 11.07.) der Tod eines mutmaßlichen Terroristen (Wolfgang Grams) mit dem Tod des GSG-Beamten begründet und gerechtfertigt wird, und keiner der Anwesenden (u.a. Erich Böhme, Gottfried Bernrath, Johannes Gerster, Dagobert Lindlau) die in den Beifallsäußerungen des Publikums lautwerdende Lynch-Gesinnung bemerkt (und schon garnicht beim Namen nennt)?
Sind die meisten Diskussionen heute nicht deshalb so unfruchtbar, weil sie nicht mehr an den Sachen, sondern an Rechtfertigungsproblemen sich entzünden?
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