Drei Dinge stehen der Theologie heute im Wege:
– Auschwitz und die antijudaistische Tradition,
– die Naturwissenschaften und der Stand der Aufklärung und
– in der Theologie selber der parvus error in principio: die Rezeption des Weltbegriffs, das Dogma und die Opfertheologie.
Weltlose Welt: Mit der Rezeption des Weltbegriffs hat sich die Theologie selber liquidiert.
Wenn die Sprache die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung ist, und der Weltbegriff die Leugnung der Sprache mit einschließt, dann bezeichnet der Naturbegriff, der den Weltbegriff begründet, die aktive Leugnung der Sprache (Ursprung des Begriffs): Der Naturbegriff als Leugnung der Auferstehung ist die Leugnung der Sprache: macht den Namen zu Schall und Rauch.
Der iranisch-zoroastrische Aspekt der Astrologie ist dem babylonisch-chaldäischen genau entgegengesetzt: Hat das sprachliche Gründe (Turmbau zu Babel, Ursprung der indogermanischen Sprache)?
Die drei Umkehrbeziehungen:
– im Angesicht und hinter dem Rücken,
– rechts und links,
– oben und unten,
(die drei Dimensionen des Raumes) sind drei verschiedene Formen der Beziehung zur Vergangenheit. Darin gründet Rosenzweigs Konstruktion des Stern der Erlösung: die Sprengung des All durch die Todesfurcht und die Konstituierung der drei Elemente des Stern der Erlösung.
Zur Kritik der Ästhetik: Hängen nicht die transzendentale Ästhetik, die Kunst und der Staat ineinander wie die drei Dimensionen des Raumes (der blinde Fleck der politischen Theologie). Kant brauchte die Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung, um die Subjektivität des Objektbegriffs begründen und so das Objekt in die apriorische Form des Urteils mit hereinnehmen zu können?
Wie hängen der Ursprung des Geldes, die Astrologie, die Erfindung der Schrift (durch die Sprachen sich verändert haben) und die Schicksalsidee mit einander und mit der Ursprungsgeschichte des Staates und des Weltbegriffs zusammen?
Dareios I. hat erstmals mit Einführung einer reichseinheitlichen Münze die Währungseinheit hergestellt (Donner, S. 398): Damit hat er den Schuldzusammenhang, für den das Geld einsteht, in die Struktur des Staates mit hereingenommen und die Grundlage für Rechtseinheit geschaffen, die Dareios II. (der Hammurabi der Orientalisten) als Gesetzgeber dann realisiert hat.
Die Geschichte mit den sieben unreinen Geistern steht (im wesentlichen textgleich) bei Mt (1243ff) und bei Lk (1124ff); nur bei Mt wird sie ergänzt durch den Hinweis: So wird es auch mit diesem bösen Geschlecht sein.
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben: Steckt darin nicht der Hinweis, daß die Wahrheit nicht absolut ist, sondern nur eine Zwischenstufe zum Leben?
Die Orthodoxie wie die Orthogonalität fixiert eine Beziehung zur Zeit, die in der Vorstellung einer homogenen Zeit sich niederschlägt. War das der Zweck von Orthodoxie und Orthogonalität?
Durch die Orthogonalität ist der Raum zur Form der Gleichzeitigkeit geworden, was er nicht an sich ist.
Historisch gründet die (Entdeckung der) Orthogonalität in der Geldwirtschaft; sie hat dann in der Bekenntnislogik Macht übers Christentum gewonnen.
Die Christen, für die Jesus zur Rechten des Vaters sitzt, können seitdem rechts und links nicht mehr unterscheiden (ist das Buch Jona postapokalyptisch und prächristlich zugleich?).
Eine Theologie im Angesicht Gottes setzt die Kritik der Naturwissenschaften voraus; der Naturwissenschaften, deren Geschichte in die Geschichte der Herrschaft und des Staates verflochten ist. Das Gewaltmonopol des Staates ist ein Konstituens der Naturwissenschaften; es gründet in der Opfertheologie und verweist auf den Realitätsgrund jeglicher Abstraktion.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bezeichnet den Grund des Idealismus der Physik: Wurde nicht die Nabelschnur längst durchschnitten, die die Physik einmal an die gegenständliche Natur gebunden hat? Ist die Physik nicht zu einem monströsen, tief in die Natur hinein getriebenen Herrschaftsapparat geworden, der die Objektivität nicht mehr abbildet, sondern nur noch unterminiert und aushöhlt? Die Mikrophysik ist die am tiefsten in Feindesland vorgetriebene Bastion, vergleichbar nur dem Eindringen der Strukturen des Marktes in alle Lebensverhältnisse.
Ist nicht der in kirchlichen Kreisen derzeit so beliebte Slogan „Erhaltung der Schöpfung“ antiapokalyptisch?
Der Weg der Kirche war seit je der Weg der Bekehrung, nicht der der Umkehr.
Was hat es mit Magdala auf sich; hat Magdala etwas mit Migdol, Grenzfestung im östlichen Nildelta, Zufluchtsort der z.Z. des Jeremias nach Ägypten ausgewanderten Judäer, zu tun (vgl. auch Ex 142)?
Zitieren nicht alle Mariennamen (die gehäuft in der Passionsgeschichte erscheinen) den Namen der Prophetin Mirjam (welche Marien gibt es, und hat die Befreiung der Maria aus Magdala von den sieben unreinen Geistern etwas mit dem Aussatz der Mirjam zu tun)?
Das etablierte Christentum hat den prophetischen Satz „Barmherzigkeit, nicht Opfer“ (und damit den Namen sowie die Idee der Auferstehung) widerrufen.
Donner
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14.4.1994
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13.4.1994
Das Absolute ist der Erbe der Idolatrie, die Funktion der Idolatrie läßt sich an der des Absoluten (des Andersseins Gottes) begreifen.
Donners Bemerkungen zur „assyrischen Krise der israelitischen Religion“, insbesondere seine Hinweise auf 2 Kön 1610-16, 2 Kön 184 (und ergänzend hierzu auf 1 Kön 1423, 2 Kön 1710, 213, 238), sowie auf Zephanja 11-6.8ff (S.332ff), werfen ein Licht auf den Zusammenhang von „Religion“ und Politik: die assyrische Krise in Juda (die ihren Vorläufer in der phönikischen Krise in der Omridendynastie in Israel hatte) ist ein Teil der Geschichte der Beziehung Israels zum Prozeß der Staatenbildung, zum Ursprung der „Weltgeschichte“, zur Geschichte des Absoluten.
S. 368f gibt Donner eine Zusammenfassung der gesamtorientalischen Restaurationsphase im 7./6. Jhdt.v.Chr. (von Assur über Babylon bis Ägypten), zu der er auch die josianische Reform und das Deuteronomium rechnet. War es eine reale Restaurationsphase (die dann geschichtlich abzuleiten wäre) oder wurde gleichsam eine inexistente Vergangenheit zur „Erklärung“ der Gegenwart neu erfunden (wurden Gestalten wie Moses und Abraham, dessen Lebensweg von Ur über Harran nach Kanaan insgesamt auf Orte der zeitgenössischen Geschichte sich bezieht, nur in die Vergangenheit projiziert, um die Gegenwart verständlich oder erträglich zu machen)? Wirft das nicht auch ein Licht auf die Kosmologien des Zeitalters (Erfindung einer Vergangenheit, einer Ursprungsgeschichte, zu der Welt, die anders nicht zu begreifen wäre)? Ist diese Rückprojektion der Zukunft in die Vergangenheit (sind die „göttlichen Verheißungen“, der prophetische Trieb) nicht das Gegenstück der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: das Gegenstück des Inertialsystems (Problem der babylonischen Sprachverwirrung)? -
12.4.1994
Der Weltbegriff bezeichnet eine Momentaufnahme im Säkularisationsprozeß. Er bestimmt zugleich die Logik, die den Säkularisationsprozeß beherrscht: den immer wieder vergeblichen Versuch, diese Momentaufnahme zu stabilisieren. Während in Israel Grund und Boden Eigentum JHWHs waren, waren sie in Kanaan Gegenstand privater Kaufverträge (Donner, Geschichte des Volkes Israel, S. 265). Hängt damit der Name Kanaan, der auch die Händler bezeichnet, und die kanaanäische „Religion“, das Urbild der Idolatrie (Ba’al, Moloch, die Ascheren, die „Unzucht“), zusammen? Ist insbesondere Ba’al ein Gott des Privateigentums an Grund und Boden? Ist der Name Kanaans ein Name eines Volkes oder eine soziologische Kategorie (die Volksnamen, die unter dem Namen Kanaans zusammengefaßt werden, legen die Vermutung nahe, daß Kanaan wie der Name der Hebräer eine primär soziologische Bedeutung hat)? Bei den Grundstückskäufen handelt es sich um – Abraham (Gen 23: Kauf des Grundstücks und der Höhle Makpela von dem Hittiter Ephron für das Grab der Sara), – Jakob (Gen 3319: Kauf eines Grundstücks bei Sichem von den Söhnen Hamors zur Errichtung eines Malsteins und eines Altars „El, Gott Israels“), – David (2 Sam 2418ff: Kauf der Tenne des Jebusiters Arawna zur Errichtung eines Altars, Grundstein des späteren Tempels), – Omri (2 Kön 1624: Kauf des Berges Samaria von Semer zum Bau der Stadt Samaria). Kann es sein, daß das Land Israel die religiöse Tradition (die „Sünde Jeroboams“), Juda hingegen die politischen Institutionen Kanaans (Jerusalem, das Stadtkönigtum) übernommen hat? Hat die Unterscheidung zwischen den „Zelten Israels“ und dem „Haus Juda“ (dem nomadischen Israel und dem urbanen Juda) damit zu tun? Es gibt die Häuser Isaak, Jakob, Ephraim, Levi, Juda, Saul, David, aber keine Häuser Manasse, Benjamin. Hängt die Unterscheidung von Zelt und Haus mit der des Himmels und der Sterne zusammen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Kapitalisierung des Bodens, dem Ursprung der Banken und der Schuldknechtschaft? Das „gezeugt, nicht erschaffen“ im Credo bezeichnet den Punkt der tiefsten Verzweiflung im Dogma, im Glauben. Genau daraus hat die Trinitätslehre das Moment der Redundanz, der Selbstreferenz, gewonnen, das die theologische Erkenntnis dem Wissen angleicht, es zu einem abgeschlossenen System verdinglicht und vergegenständlicht, den Inhalt zu einem vergangenen („immer schon seienden“) macht. Es ist das untrügliche Symptom der Ontologisierung der Theologie: Nur der Raum zeugt sich in der immergleichen Form seiner selbst fort, nicht Gott. Die kirchliche Sexualmoral ist ein Produkt der Anwendung des des Eigentumsprinzips (Kanaans) auf die Prophetie (Herausnahme der „Sexualität“ als Symbol der Urteils- und Herrschaftskritik aus der Prophetie). Wenn die Kanaaniter die Händler waren, wer waren dann die Amalekiter? Hat das Mehrwertparadigma, das im Tauschparadigma gründet, den Blick auf den Schuldzusammenhang verstellt? Welche Metalle wurden den Planeten zugeordnet: – das Gold der Sonne, – das Silber dem Mond, – das Eisen dem Mars, – das Quecksilber dem Merkur, – das Blei dem Saturn. Und Jupiter und Venus? Mathematik: Die Rekonstruktion der Finsternis über dem Abgrund. Zum fünften und sechsten Schöpfungstag: Nur die großen Seetiere, die Fische und die Vögel des Himmels sind von Gott erschaffen, die anderen Tiere hat die Erde hervorgebracht. Bezieht sich diese Unterscheidung auf die von Matriarchat und Patriarchat (und gründet hierin das nur auf Adam bezogene Staubsymbol und die auf Eva bezogen Feindschaft zur Schlange)? Die Kopenhagener Schule, die Anbetung des Staubs und die renovatio faciei terrae (die Rücknahme des Staubs). Die Jonas-Geschichte ist hegelianisch: die Geschichte des Absoluten und des Weltgerichts, zu der dann aber die Enttäuschung und der Ärger des Jonas über die Barmherzigkeit Gottes gehört. Wie paßt dazu die Tobias-Geschichte (mit dem Engel, dem Fisch, der Erlösung Saras und dem Untergang Ninives)? Ist die Buchstabenschrift ein Produkt der Herrschaft der Fläche, der Geometrie über die Sprache? Wenn Israel der Augapfel Gottes ist, wer ist dann das Ohr (oder: wer sind dann die Lahmen)? Worauf bezieht sich die Orion-Geschichte (vgl. Donner, S. 75, Anm. 8)? Was hat es mit dem Hyrieus (Vater des Orion) auf sich? Franz Rosenzweig hat durch die Konstruktion des Stern der Erlösung (durch die Sprengung des All, das dreifache Nichts und die konstitutive Bedeutung des „und“) der unio mystica endgültig den Boden entzogen (vgl. auch Cohens Bemerkung, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, und Levinas‘ Hinweis auf die Ethik als prima philosophia: die unio mystica ist die Besiegelung der Kapitulation vor der Ontologie).
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11.4.1994
Die Unterscheidung von Ding und Sache, die zu den Voraussetzungen des Inertialsystems gehört, hat eine innere Unterscheidung im Begriff des Staates und im Eigentumsbegriff zur Grundlage (vgl. Hegels Rechtphilosophie, 45).
Es ist wirklich nur noch komisch, wenn H. Donner in seiner Geschichte des Volkes Israel zu Ri 56: „Zur Zeit des Schamgar ben Anath, zur Zeit der Jael, hörten die Wege auf, und die Pfadläufer gingen verschlungene Wege“ bemerkt: „Das war schwerlich etwas anderes als die Sperrung der Hauptverkehrsstraßen für die Israeliten durch die Kanaanäer“ (S. 160). Hat diese unfreiwillige Komik nicht auch wiederum ihre eigene tiefe Symbolik?
Raum, Geld und Bekenntnis: Das Geld weist ebenso wie auf das Tauschparadigma auf ein Schuldparadigma (Schuldknechtschaft) zurück, ohne das es die Lohnarbeit (die Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip) nie gegeben hätte. Dem entspricht theologisch (und religionsgeschichtlich) Begriff und Geschichte des Opfers, neutralisiert und unkenntlich gemacht durch ihre Beziehung zum Raum: durch die in der Raumvorstellung, in der Beziehung der Richtungen im Raum, sedimentierte und verkörperte Abstraktionsleistung. Hier liegt der logische Grund, durch den der Raum und Handel im Begriff der Veräußerung aufeinander sich beziehen.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie