Empedokles

  • 17.12.92

    Von Empedokles gibt es zwei Titel, neben dem „Über die Natur“ (peri physeos) den zweiten „Entsühnungen“; beide zusammen umschreiben aufs genaueste den Objektbereich des Ursprungs der Philosophie.
    Die Entdeckung des Winkels und die Erfindung der Null eröffnen jeweils einen neuen Äon. Die Entdeckung des Winkels gehört zu den Ursprungsbedingungen des Weltbegriffs (der Idee der Ewigkeit der Welt), während die Erfindung der Null präludiert wird durch das Theologumenon der creatio ex nihilo.
    Das Nichts, aus dem der Theologie zufolge Gott die Welt erschafft, ist die Vergangenheit, die wir produzieren (deshalb gehört der Ursprung der Geschichtsschreibung zum Ursprung des Weltbegriffs). Es ist das Erinnerungsmal des vergessenen Mords oder der vergessenen Katastrophe (der gleichen Katastrophe an deren Herbeiführung wir alle bewußtlos arbeiten).
    Die creatio ex nihilo war auch seit je ein Rechtfertigungs-Topos für die kirchlichen Ursprünge des Terrors und Mords.
    Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Hier liegt der Ursprung des Weltbegriffs, der sich hinter unserm Rücken und über unsern Köpfen seitdem durchsetzt. Dieses Sehen ist sehr genau zu unterscheiden von dem, das die Blinden sehend macht und sich aufs Angesicht bezieht.
    Die Idee des Kosmos ist ohne die Veränderungen, die die Erfindung der Schrift und der Ursprung des Geldes einleiten und bewirken, insbesondere ohne die neue Beziehung zur Vergangenheit, nicht denkbar.
    Die staatliche Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern zitiert die Natur (die gefallene Natur).
    Ist nicht die Schlange („seid klug wie die Schlangen“) auch ein Bild der Paranoia?
    Die Zelle der Isolationshaft, in der wir alle stecken, ist mindestens mit drei Schlüsseln verschlossen: mit dem Begriff des Wissens, mit dem Natur- und mit dem Weltbegriff.
    Nicht Glaube, sondern Treue (zu den Verheißungen Gottes). Der Glaube ist ein nur Anfang, aber einer, der – wie die Naturen bei Rosenzweig – der Umkehr bedürftig ist, und dann als Treue sich bewähren muß.
    Wenn mein Verständnis von Joh 828 stimmt, hat sich dann nicht die Kirche in der Karfreitagsliturgie immer selbst verflucht?
    Die Welt erträgt das Anderssein, weil sie selbst der Inbegriff des Andersseins ist, aber sie erträgt nicht den Fremden. Und durch ihre Beziehung zum theologischen Konzept der creatio ex nihilo bezieht sie sich ähnlich negativ auf die Schuld der Armen, die in diesem nihil sich ausdrückt.
    Das Kuckucksei in der Verfassung ist das Blutprinzip, der genealogische Grund der Staatsbürgerschaft, wonach man Deutscher nur aufgrund seiner Abstammung ist (vgl. die Hegelsche Ableitung des Monarchen in seiner Rechtsphilosophie); das Kuckusei im Kopf sind die subjektiven Formen der Anschauung, in denen die Gesellschaft als unkenntlich gemachtes Prinzip enthalten ist. Objektivierung, Verweltlichung und Vergesellschaftung sind nicht gleichbedeutende Begriffe, aber Begriffe, die den gleichen Sachverhalt unter verschiedenen und zugleich organisch verbundenen Aspekten bezeichnen.
    Es gibt zwei Ursprungsbegriffe des Privaten: den idiotes (der sich um Politik nicht kümmert) und die steresis (die privatio, Beraubung).
    Wann gelingt es endlich, die Finsternis über dem Abgrund zu durchdringen (oder beide, die Finsternis und den Abgrund, aufzulösen)? Aber wie verhält es sich mit dem Schlüssel des Abgrunds in der Apokalypse (und den Pforten der Hölle, die die Kirche nicht überwältigen, verschlingen werden)?
    Was heißt „denken“? (Nach Kluge hängt es mit einer indogermanischen Wurzel teng-, die „ziehen, spannen“, aber auch „wiegen, erwägen“ bedeutet, zusammen. Bezeichnet es eine der Schwere korrespondierende Kraft, mit dem Begriff als Trägheitsprinzip?) Ist die Theologie, wenn es sie denn einmal geben sollte, die durchs Denken vermittelte Prophetie oder das Denken nach der Umkehr? (Vgl. den Titel von Simone Weil: Schwerkraft und Gnade.)

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