Engels

  • 23.1.1997

    Paranoia ist die Verführung des Wissens. Hat der Sturz von der Zinne des Tempels etwas mit der Paranoia zu tun, ist die Paranoia die Gottesversuchung (vgl. Mt 47 parr)? Ist die Paranoia das Instrument der Ästhetisierung (des Mythos), das eigentliche Objekt der transzendentalen Ästhetik: der Taumel-/Unzuchtsbecher?
    War nicht er 68er Marxismus ein Entlastungskonstrukt? Und war das nicht der Grund der Verwerfung der Reflexion des Begriffs des falschen Bewußtseins und des kritischen Ideologiebegriffs? Ist dieser Marxismus nicht der schon bei Engels sich anzeigenden Verführung durch den Wissenschaftsbegriff erlegen?
    Die Paranoia in den Geschichtskonstruktionen lebt von der Verführungskraft des kontrafaktischen Urteils (das sich den Kopf der Toten zerbricht). Die paranoiden Konstruktionen sind Entlastungsversuche und Verharmlosungen zugleich: Sie unterschätzen das Gewicht des Realen, mehr noch: sie leugnen dieses Gewicht.
    Durchs Inertialsystem wird die Verführung des kontrafaktischen Urteils zur Erkenntnisgrundlage der Naturerkenntnis.
    Der Paranoiker verwechselt die Dummheit mit der Bosheit, weil er die Reflexion verwirft. Er leugnet den Dummheitskern in der Bosheit. Und dieser Dummheitskern ist nur aufzulösen im Sinne des Satzes „Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“ (das Strafrecht leugnet die Dummheit und verstärkt die aus ihr resultierenden Zwänge).
    Der Raum ist der Statthalter der Welt in der Natur, die Zeit die Rache der Natur an der Welt.
    Hegel und Heidegger: Der Begriff des Werdens reflektiert die Zeit unter dem Aspekt des Hervorbringens („Die Erde bringe hervor …“), der Begriff des Geschehens reflektiert sie unter dem Aspekt des Vergehens, der Verwesung, der Verrottung.
    Wirft die Bubersche Übersetzung des Gottesnamens mit dem Personalpronomen nicht ein Licht auf die Unterscheidung im Begriff der Ebenbildlichkeit des Menschen: Ist nicht das „Bild Gottes“ das Bild Elohims (des Namens der richtenden Gewalt), „Sein Ebenbild“ das Bild JHWHs (des Namens der Barmherzigkeit)?
    Zu den Siebener-Gruppen der Johannes-Offenbarung gibt es bei Daniel keine Entsprechung, außer in den „sieben Zeiten“, die über Nebukadnezar hingehen sollen (Kap 4).
    Der messianische Titel Herr verweist auf den Imperativ, der von den Armen, den Leidenden, den Unterdrückten, von den Opfern ausgeht. Auf diesen Imperativ bezieht sich der evangelische Rat des Gehorsams.

  • 8.1.1997

    Beitrag zur Erkenntnistheorie: Was hat der Beobachter mit dem episkopos (dem Aufseher) zu tun?
    Der Beobachter blendet (durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf einen Punkt) die Wahrnehmung aus, der Aufseher (durch Abstraktion von der Gemeinschaft mit den seiner Aufsicht Unterworfenen) die Erfahrung. Die Beobachtung steht im Dienste der Selbsterhaltung, die Aufsicht in dem der Herrschaft (die Beobachtung im Dienste der Herrschaft obliegt den Geheimdiensten: wenn staatliche Institutionen in die Privatsphäre ihrer Bürger eindringen, konstituieren sie einen eigenen Privat-/Geheimbereich des Staates).
    Wie verhalten sich Beobachtung und Aufsicht zur Anschauung (hat die Beobachtung <als Erfolgskontrolle des Naturforschers im Experiment oder des Unternehmers am Markt> etwas mit dem „teleologischen“, die Aufsicht <die Normenüberwachung in der verwalteten Welt> mit dem „normenregulierten“ und die Anschauung <die die moralische Gemeinschaft mit der Welt aufkündigt, sie durch die ästhetische des Anschauens ersetzt> mit dem „dramaturgischen Handeln“ zu tun)?
    Auf dem Bauche sollst du kriechen, Staub sollst du fressen: Was ist das für eine Welt, die in Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns sich widerspiegelt (eine Welt, in der die Reflexion stillgestellt ist, und mit ihr die Idee eingreifender Kritik)? Und was wird aus dem, der keine andere Welt mehr kennt?
    Der Name Gottes ist in den Trümmern des Himmels begraben.
    Was verleiht dem Schuldverschubsystem: den Rechtfertigungszwängen und den Abwehrmechanismen, heute diese alles durchdringende Gewalt?
    Gibt es nicht bei Ezechiel eine Stelle, an der von der Wahrheit des Nordens und vom Licht des Südens die Rede ist (oder war es bei Paul Celan)?
    Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Hölle (von denen es heißt, daß sie die Kirche nicht überwältigen werden)? Sie machen die Umkehr gegenstandslos, in ihrem Kontext gibt es zur Selbsterhaltung keine Alternative mehr.
    Telefonat mit B.: Wäre es möglich, die Essenz meines Textes in Thesen zu präzisieren?
    – Mißverständnisse lassen sich nicht vermeiden ohne Selbstblockade,
    – reflektierende Urteile sind keine dogmatischen Urteile, sie sind das Korrelat der Praxis (der Freiheit, des „Wunders in der Erscheinungswelt“) in der Theorie (eingreifende Erkenntnis);
    – die abrufbare richtige Gesinnung, das verdinglichte Bekenntnis zur richtigen Theorie, schließt Gemeinheit nicht aus; Gemeinheit hat es sowohl bei den Nazis wie auch im real existierenden Sozialismus gegeben: das ist mein Thema; reflektierende Urteile sind kritisch (sie müssen es sein), aber sie sind niemals gemein: sie verurteilen nicht.
    – 68er Marxismus ist zur Ideologie geworden, als er mit der Lehre vom falschen Bewußtsein die Reflexion aus der kritischen Theorie eliminierte (als er diese Lehre in eine Waffe gegen den Feind, in ein Instrument der Verurteilung verwandelte).
    – Ein Begriff der Klarheit, der sich am Modell der klaren Fronten (am Innen/Außenparadigma) orientiert, ist kein Begriff der kritischen Theorie;
    – nicht die Stellung im Produktionsprozeß, sondern allein das Bewußtsein davon, die Fähigkeit zur Reflexion, ist entscheidend im Hinblick auf die Wahrheit (Marx und Engels waren Großbürger, keine Proletarier; und ein Proletariat, das nicht auch die Fähigkeit der Reflexion sich zueignet, hört auf, ein revolutionäres Subjekt zu sein);
    – in der gegenwärtigen Phase der politischen Ökonomie, die gekennzeichnet ist durch eine Selbstauflösung des Staates, der nach innen nur noch abstirbt, verwest, verrottet, während er nach außen zum Instrument der Verwüstung wird, ist der Staat kein „Feind“ mehr (weil er subjektlos, und damit – mit der Ablösung der Regierung durch Verwaltung – zur Brutstätte der Gemeinheit geworden ist <das ist der in den Abgrund rasende Zug>):
    . Das Frontkonstrukt erzeugt den Nebel, in dem der Feind als Feind erscheint, aber dieser Feind ist auch eine Phantasmagorie, eine Projektion, ein paranoides Konstrukt.
    . Durch bloße Machtübernahme ist ein Zustand, in dem die Menschheit ihrer Geschichte mächtig wird, in der sie lernt zu wissen, was sie tut, nicht mehr herbeizuführen.
    – Es hilft nicht mehr, nur auf der richtigen Seite zu sein; was nottut ist: seine eigene Würde darin erkennen, selber den Kopf oben zu halten, nicht mehr Objekt zu sein (die Feindbildlogik verdrängt nur das Bewußtsein, Objekt zu sein, sie löst das Objektsein nicht nur nicht auf, sie fördert es; sie gehört zu den Beschleunigungskräfte des Zuges und zu den Mächten, die die Wahrnehmungsfähigkeit verhindern).
    – Auch die Verführung durch das „gute Gewissen“, die die Feindbildlogik aus dem Feindbild bezieht, sollte nicht verharmlost werden; sie ist eine der gefährlichsten faschistischen Verführungen (die Rechtfertigung des eigenen Handelns durch das des Feindes, die Nutzung der Feindbildlogik als Mittel der moralischen Enthemmung).
    Den Weltgeist begreifen, der dieses Marionettentheater inszeniert, an dessen Fäden wir agieren.
    Die Weltkriege und Auschwitz waren die ersten Crash-Tests des in den Abgrund rasenden Zuges.
    Die Väter sind die Repräsentanten der Außenwelt in der Familie, und sie werden zu Recht für den Zustand dieses Welt haftbar gemacht.
    „Laßt die Toten ihre Toten begraben“: Ist das nicht auch ein Imperativ an die Väter? Ist nicht auch das ein Werk der Barmherzigkeit (das Werk des Tobit, der darüber blind geworden ist)?
    Drei Dinge haben mich von Anfang an an der RAF irritiert:
    – Sie hat dem öffentlichen kritischen Diskurs den Boden entzogen (und es gibt keine linke Theorie ohne Öffentlichkeit: das scheinen die Vertreter des Staatsschutzes besser zu wissen als die, die sich heute für Linke halten, während sie gleichzeitig den öffentlichen Diskurs fürchten);
    – der grob fahrlässige Versuch, den Staat zu zwingen, sein wahres Gesicht zu zeigen; mein Eindruck war: Sie wissen nicht, wovon sie reden. Das „wahre Gesicht des Staates“ ist das faschistische, und dem vermochte auch die RAF (die den Faschismus nie begriffen hat) nichts mehr entgegenzusetzen;
    – durch ihre Aktionen hat die RAF mit dazu beigetragen, dem Staat das Alibi für den Ausbau des Repressionsapparats, der heute für andere Zwecke nutzbar ist, zu liefern, die Widerstände dagegen, die unter anderen Bedingungen vielleicht doch noch mobilisierbar gewesen wären, abzubauen. Das kritische Potential, das aufgrund der Erinnerung an den Faschismus vorhanden war und mobilisierbar gewesen wäre, wurde verdrängt, neutralisiert und auf ungefährlichere Objekte verschoben: von der ökonomischen Reflexion auf die Ökologie und auf die Friedensbewegung (Konkretismus, Flucht ins gute Gewissen).
    Urteilsmagie: Daß einer für oder gegen etwas ist, ist noch keine Garantie dafür, daß er dazu beiträgt, daß die Dinge in die Richtung bewegt werden, in die er sie gerne bringen möchte. Es kommt nicht darauf an, daß auf Worte Taten folgen, sondern daß die Worte selber zu Taten werden, und die Theorie zur eingreifenden Gewalt.
    Ist nicht die RAF in den Wiederholungszwang geraten, der sie dazu bringt, die Argumente ihrer Väter, gegen die sie einmal aufbegehrt hat, zu reproduzieren, wenn sie ihren Kritikern entgegenhält, daß sie die Risiken des Handelns gescheut und sich nur herausgehalten hätten; so hätten sie das Recht zur Kritik verspielt. Ähnlich haben ihre Väter auf die Faschismuskritik reagiert: Ihr habt’s nicht miterlebt, ihr könnt nicht mitreden. (Es gibt noch andere Beispiele: so erinnert das Wort vom Verrat der eigenen Geschichte an das Argument der Nestbeschmutzung, der Hinweis auf die schlimmeren Taten der Herrschenden an den Vergleich von Auschwitz mit Hiroshima und Dresden. Hierher gehört auch der Antizionismus und die weithin unreflektierte, die geschichtlichen Voraussetzungen ausblendende Parteinahme für den palästinensischen Widerstand.)

  • 22.7.96

    Jak 520: Gerettet ist nicht, wer frei von Schuld ist, sondern wer einen Sünder von seinem Weg des Irrtums bekehrt. Mission, Propaganda, Reklame sind die Irrwege der Bekehrung. Bekehrung ist nicht Umkehr: Bekehren kann ich auch mit Gewalt, aber Umkehr kann ich nicht erzwingen.
    Ist nicht das Scheitern des real existierenden Sozialismus der Beweis dafür, daß die richtige Gesellschaft sich nicht über die Köpfe der Menschen hinweg (nicht durch „Bekehrung“) errichten läßt? Die wirkliche Umkehr korrespondiert mit der Auferstehung aller.
    „Was nicht erzählt wird, ist nicht passiert“ (Ton Veerkamp in TuK Nr. 20, S. 23): Dieser Satz ist schrecklich. Der Kreuzestod Jesu oder Auschwitz wären demnach nicht „passiert“, wenn nicht davon erzählt worden wäre? Und das namenlose, nie erzählte Grauen in der Geschichte ist nicht gewesen, wenn niemand es erzählt? Ist es nicht vielmehr das Leiden, an dem, was Rosenzweig wie auch Adorno einmal den Vorrang des Objekts genannt haben, sich demonstrieren läßt? Ist es nicht der Sinn des Eingedenkens, des Erinnerns, auch das Nicht-Erzählte, das, was im Dunkeln liegt, noch ans Licht zu bringen? Und korrespondiert nicht das Dunkel der Vergangenheit mit den heutigen Objekten der Verdrängung (liegt hier nicht die geheime Korrespondenz der Gegenwart mit der Vergangenheit, an die Walter Benjamin in seinen Geschichtsphilosophischen Thesen erinnert)?
    Was nicht erzählt wird, ist so, als wäre es nicht passiert; aber dieses „als“ ist ein Äquivalent der Verdrängung. Denn die Spuren auch des nicht erzählten Leidens sind unauslöschbar. Das Erzählen ist wichtig als eine Hilfe des Nicht-Vergessens; nur im Mythos hat es objektkonstituierende Macht. Martin Buber hat die Bücher Josua bis Könige zu den Geschichtsbüchern gezählt und für Mizrajim den Namen Ägypten gewählt. Hängt nicht beides zusammen, hat er hier nicht das hellenistische Erbe (das auch das Christentum verhext) übernommen? Ist nicht die Historisierung dieser Bücher ein Symptom der Historisierung der Prophetie, eigentlich ihrer Leugnung durch Remythisierung?
    Ist es nicht ein Unterschied, ob man die drei Geschichten von Sodom, Jericho und Gibea historisch, oder ob man sie prophetisch begreift (z.B. als Hilfe zum Verständnis von Rostock, Mölln, auch von Auschwitz)?
    Paulus war kein Zelot (gegen Jankowski), eher ein Skinhead.
    Ist nicht heute die Freudsche Psychosenlehre wichtiger geworden als seine Neurosenlehre (liegen nicht die Fortschritte der Psychoanalyse heute im Bereich der Erforschung der Schizophrenie und des Autismus, auch der Antipsychiatrie)? Und werden hier nicht biblische Motive wie das Gebot, die Eltern zu ehren, oder das der Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kinder, auch das, daß nur der seine Seele rettet, der einen Sünder von seinem Irrweg bekehrt, auf ein ganz neue Weise aktuell? Rühren diese Motive nicht genau an diesen Punkt? Nur: das Problem der Psychose ist im Gegensatz zu dem der Neurose psychologisch (subjektintern) nicht mehr darstellbar, es rührt an den Grund des Zustands der Welt (wie in der Theologie der Name Israel oder der corpus Christi mysticum). Ist die Jesus-Geschichte nicht die Innenseite (die Feuerseite) der gleichen Geschichte, deren Außenseite (Wasserseite) im Römischen Imperium und im Caesarismus sich manifestiert? Gründet nicht Adornos Ästhetik (der Begriff wie auch das Werk, das diesen Titel trägt) in Hegels Logik des Scheins?
    Die Welt ist alles, was der Fall ist: Bezeichnet nicht dieser Begriff des Falls einen physikalischen, einen gesellschaftlichen und sprachlogischen Sachverhalt? Dieser eine Begriff bezieht sich nicht zufällig (nicht durch bloße Äquivokation) gleichzeitig auf – die Erscheinungen der Gravitation, – die Objekte der Verwaltung: die Fälle, die die Verwaltung bearbeitet, und nicht zuletzt – die casus der Grammatik. Gehören nicht zu dem sprachtheoretischen Konstrukt einer „indoeuropäischen Ursprache“ acht casus (neben den vier kanonischen: Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ, der Ablativ, der Lokativ, der Instrumentalis und der Vokativ)? Sind nicht die casus, die dann (in den modernen europäischen Sprachen, nach dem griechischen Vorbild, das zusätzlich allerdings noch den Vokativ enthielt) kanonisch geworden sind, die Reflexionsformen des Begriffs im Objekt? War nicht die Einführung des unbestimmten Artikels, die sprachlogisch mit dem Ursprung der Hilfsverben zusammenzuhängen scheint, der entscheidende Schritt zur Kanonbildung der casus? Ist es nicht eine gemeinsame (ihren empirischen Objektbezug begründende) Sprachlogik, die das englische to be mit der Tatsache verknüpft, daß gleichzeitig die Artikel im Englischen geschlechtsneutral sind und nicht dekliniert werden? Sprachlogisch lassen männlich und weiblich nicht mehr sich unterscheiden, Akkusativ und Nominativ nur noch durch ihre Stellung im Satz, während Dativ und Genitiv von außen, durch vorangestellte Präpositionen, bestimmt werden. Wann und in welchem herrschaftsgeschichtlichen (gesamtgesellschaftlichen) Kontext sind die Hilfsverben entstanden? Ist das englische to be ein sprachlogisches Denkmal des Übergangs von der Stammesgesellschaft zur Monarchie (und das deutsche Sein eines des Ursprungs der Reichsgeschichte und des Kaisertums)? Ist das to be (wie auf andere Weise auch das Sein) nicht ein Exorzismus (einer, der die Geister leben läßt, sich aber nicht mehr vor ihnen fürchtet)? Sind die Hilfsverben Beleg einer Entwicklung, die (wie das mittelalterliche Christentum insgesamt) den Mythos übersprungen hat, ihn aber eben deshalb (in Gestalt der Hilfsverben, mit Hilfe der Logik, die sie repräsentieren) in sich reproduziert?
    Die kantischen Prolegomena verhalten sich zur Kritik der reinen Vernunft wie Engels zu Marx. Der Nationalsozialismus, der seine „Weltanschauungs“-Kriege im Rußland-Feldzug wie in Auschwitz als Vernichtungs-Kriege geführt hat, hat damit den Begriff der Weltanschauung selber aufgedeckt und unbrauchbar gemacht.
    Der Begriff der Weltanschauung ist aus zwei Komponenten zusammengesetzt, die jede für sich auf die Ursprungsgeschichte der gleichen Zivilisation verweisen, die sie in dieser Komposition von innen sprengen. Der Begriff der Weltanschauung macht den apokalyptischen Vorgang unkenntlich, den er bezeichnet.
    Die Auseinandersetzung mit dem Staat ist die Auseinandersetzung mit der Quelle der Logik, die auch das eigene Bewußtsein beherrscht. Das Feindbild Staat gewinnt seine Verführungsgewalt aus der Vorstellung, dieser Auseinandersetzung (der Selbstreflexion des falschen Bewußtseins, dessen Quelle in der Tat der Staat ist) sich entziehen zu können. Zugrunde liegt das Versäumnis der Reflexion des Faschismus (der deshalb das „wahre Gesicht des Staates“ ist, weil der Staat keins hat).

  • 11.12.95

    Was bedeutet der Begriff der Heiligung in dem Satz „Der Zweck heiligt die Mittel“? Heißt es nicht, daß hier eine Sache nur der Kritik entzogen wird? Gehört es nicht in einen Zusammenhang, in dem Blasphemie und Majestätsbeleidigung (Verunglimpfung staatlicher Symbole) nicht mehr sich unterscheiden lassen, ist es nicht eine Heiligkeit, die als Unberührbarkeit der Macht sich begreift: als Verdinglichung des Heiligen? Es ist das genaue Gegenteil des Begriffs der Heiligung, der dem Gebot der Heiligung des Gottesnamens zugrundeliegt.
    Zum Begriff des Neutrums gehört auch die grammatische Form des Indikativs, einer sprachlichen Form der Objektivität, die von allem Subjektiven (Wunsch, Zweifel, subjektiv Möglichem) gereinigt ist, das dann in den Konjunktiv verschoben wird. Im Lexikon der Sprachwissenschaft (Kröner, Stuttgart, 19902) wird der Indikativ als „neutraler Darstellungsmodus“ definiert (S. 407). Vgl dazu Hegels Bestimmung des Ursprungs und der Form der Prosa (ein Begriff, der im ebengenannten Lexikon ebensowenig vorkommt, wie auch nur ein Ansatz zu einem Versuch der sprachlogischen Bestimmung des Neutrums).
    Als Habermas mit dem Titel „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ das Thema verfehlte, hat er sich von der kritischen Theorie verabschiedet. Seitdem gilt er als ihr Vertreter.
    Heute ist die Gegenwart in einem Maße historisiert, daß jeder kritische Impuls Gefahr läuft, sich ins Kontrafaktische zu verlieren (zum ohnmächtigen und unverbindlichen Räsonnement wird, das die Betonwand des Wirklichen nicht mehr zu durchdringen vermag). Die kontrafaktische Reflexion bezieht sich nicht mehr nur auf vergangene Entscheidungen, sondern die Gegenwart selber ist in einem Maße vorentschieden, daß Reflexion insgesamt in Gefahr ist, kontrafaktisch zu werden.
    Merkwürdiges Gefühl beim Heribert Prantl: Er rührt an den Kern der Dinge, aber auf eine bloß noch räsonnierende Weise: auf die Weise des resignierten, ohnmächtigen Protests, dem die Kapitulation vor der Übermacht des Bestehenden schon einbeschrieben ist (vgl. Ulrich Sonnemann: Der verwirkte Protest, in: Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten, Hamburg 1963).
    Als Habermas die Natur von der Hoffnung auf eine befreite Gesellschaft ausschloß, hat er vor der Übermacht des Bestehenden kapituliert.
    Heute reflektieren alle nur noch über die Sache, anstatt die Sache zu reflektieren. Wäre der Satz, mit dem das kommunistische Manifest beginnt: „Ein Gespenst geht um in Europa – …“, heute nicht anders weiterzuführen: Anstatt auf den Kommunismus wäre er heute auf die Gestalt des abgestorbenen Geistes (und nur so gewinnt der Name des Gespensts Realität), die in den Banken umgeht und rumort, zu beziehen. Der Macht und dem Tun dieses Gespenstes ist es zu danken, wenn heute der Name des Geistes endgültig obsolet geworden zu sein scheint. Als der Faschismus Vergangenheit geworden ist, hat er die Gegenwart in diesen Hades mit hereingezogen. Auf dem Boden der Katastrophe gibt es nur noch die Macht der Reflexion; wer glaubt, auf diesem Boden eine andere Welt erbauen zu können, wird in ihren Strudel mit hereingezogen. Wenn die kopernikanische Wende (die neue Astronomie) die Neukonstituierung der politischen Institutionen begleitet, ist dann nicht das Medium, in dem die neue Physik sich herausgebildet hat, insbesondere die Elektrodynamik, Symptom des Ursprungs und der Entfaltung jener Macht, die die politischen Institutionen der Moderne unterminiert, neutralisiert und verdrängt: der Ökonomie?
    Gründet nicht die Verdrängung der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung in der bewußtslosen Anwendung des Satzes, daß der Zweck die Mittel heiligt? Der diesem Satz zugrundeliegende Begriff der Heiligung steht in genauestem Gegensatz zum Gebot der Heiligung des Gottesnamens. Die Heiligung des Gottesnamens ist ein Erkenntnisgebot, die Heiligung der Mittel durch die Zwecke ist ein Ensemble von Tabus, von Verdrängungen, von Erkenntnisverboten (Quellpunkt des Opfers der Vernunft).
    Wer das, was Bundesanwälte, Richter und die Polizei sich heute selber antun, beim Namen nennt, beleidigt sie. Damit hängt es zusammen, daß es einen herrschaftsfreien Diskurs solange nicht geben wird, wie es nicht gelingt, die Reflexion von Herrschaft auch in die Institutionen des Rechts hineinzubringen.
    Der Drache, das Tier aus dem Meere und das Tier vom Lande: Es gilt zu begreifen, daß das Neutrum zwar ein Instrument der Desensibilisierung ist, selber aber das sensibelste, empfindlichste Wesen ist (Geld macht sinnlich).
    Die Exkulpationsmacht des Staates ist nur solange zu halten, wie sie selber der Reflexion und der Kritik sich entzieht (durchs Tabu, durch den Schutz vor „Verunglimpfung“). Wäre nicht das adornosche Stichwort der „vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte“ zu ersetzen (und zu erfüllen) durch die restlose Reflexion des Säkularisationsprozesses, zu dessen Geschichte die der Theologie dazugehört? Für den Mord an Menschen, die herrschaftskritische Hoffnungen verkörpern, gibt es unendlich viele Beispiele. Gibt es ein einziges Beispiel eines wirklich gelungenen Tyrannenmords? Ist nicht das einzige historische Beispiel hierfür der Mord an Julius Caesar, der real den Caesarismus (bis hinein in den Caesarismus der dogmatischen Theologie, in dessen Kern die Opfertheologie steht, die eher auf die Ermordung Caesars als auf den Kreuzestod Jesu sich beziehen läßt) überhaupt erst begründet hat? War nicht Brutus das Modell für das christliche Verständnis des Verräters Judas? Die Kosmologie, die Naturphilosophie und dann die Naturwissenschaft sind der Schatten und das Reflexionsmedium der Staatenbildung.

  • 23.6.1995

    Während die Logik des Weltbegriffs das Bewußtsein ans Vergangene heftet (das Präsens, die wiederhergestellte Unmittelbarkeit, ist durch die Vergangeheitsform, durch Natur und Geschichte vermittelt), findet die prophetische Vision ihren Gegenstand in der vergangenen Zukunft: durch die Kritik von Natur und Geschichte hindurch; deren Medium aber ist der Name, die benennende Kraft der Sprache. Instrument der Bindung des Bewußtsein ans Vergangene sind die subjektiven Formen der Anschauung, ist das Inertialsystem, dessen „Umkehr“ (in der Gestalt des prophetischen, messianischen, parakletischen Denken) Voraussetzung der Rekonstruktion der Sprache ist.
    Das Inertialsystem (der Kelch) ist der Greuel der Verwüstung am heiligen Ort.
    Die Dinge beim Namen nennen: Das heißt, sie im Angesicht Gottes erkennen.
    Der Begriff der Vermittlung bezeichnet selbst im Bereich der Natur einen gesellschaftlichen, keinen natürlichen Tatbestand.
    Das Eine ist das Andere des Anderen. Gegen das Anderssein, das als Sein für Andere sich konstituiert, richtet sich das Wort: Laßt die Toten ihre Toten begraben, ein Wort, dessen herrschaftskritische Brisanz noch zu entdecken ist.
    Die Beziehung der Geschichte der Hexenverfolgung zur Ursprungsgeschichte der Aufklärung gründet darin, daß die Herstellung des Totenreichs nur möglich war bei gleichzeitiger projektiver Verarbeitung und Verschiebung, wie sie der Hexenwahn dann leistete. Der Hexenwahn hat die Basis geschaffen für die Verdrängungsleistung, die dem Erkenntnisbegriff der Aufklärung zugrunde liegt. Als Otto Gericke mit seinem Magdeburger Experiment den horror vacui zu einem physikalischen Phänomen gemacht hat, hat er das darin verborgene logische Problem endgültig verdrängt.
    Hat die naturwissenschaftliche Aufklärung nicht etwas mit dem Duftmarkensetzen des Hundes zu tun?
    Das Eine ist das Andere des Andern: Es geht nicht um das Andere/den Anderen, sondern es geht um das Eine, das hinter dem Anderssein des Andern sich verbirgt. Der Name dieses Einen ist das Fremde.
    Kann es sein, daß in der Vorstellung, im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung seien die Voraussetzungen geschaffen worden für eine Gesellschaft, die der Herrschaft nicht mehr bedarf, die Prämisse falsch ist? Wird hier nicht der Schein, der einer Abstraktion sich verdankt, mit der Nichtexistenz dessen, wovon abstrahiert worden ist, verwechselt? Das Bild vom Absägen des Astes, auf dem man sitzt, trifft den Sachverhalt recht genau.
    Sind nicht Natur- und Umweltschutz Weiterentwicklungen der Schädlingsbekämpfung, nur daß sie an die Stelle der Raupen, Insekten und sonstigen Schädlinge die Menschen setzen, vor denen „die Natur“ jetzt zu schützen sei? Gehört die Logik, die dem zugrundeliegt, und die in Teilen des Feminismus wiederkehrt, nicht zu den Folgen von Auschwitz, zur Logik der vergeblichen Mühen, diese Schuld noch einmal durch Schuldverschiebung und Projektion, durch die man dem Täter-Opfer-Syndrom zu entrinnen versucht, abzuwerfen? Vergessen wird, daß die zu schützende Natur selber bereits dem Schuldverschubsystem sich verdankt: eine Kopfgeburt der Menschheit ist. Fällt nicht auch der Naturbegriff unter die prophetische Kritik des Götzendienstes?
    Die Anbetung des Marktes, der Natur, der Nation, des Rechtsstaats: Sind das nicht alles Emanationen der gleichen Logik der Exkulpation, des Abwerfens der Last der Verantwortung? Vor allem: Auch dieser Kult fordert seine Opfer.
    Mein ist die Rache, spricht der Herr, aber der Rechtsstaat nimmt ihm diese Last ab. Nur: Wie kommt es, daß die DDR-Vergangenheit einen stärkeren Rachetrieb erzeugt hat als die Nazi-Vergangenheit? Und eine Richterschaft, die angesichts der eigenen Beteiligung am Nazi-Terror gegen sich selbst ausnahmslos das „in dubio pro reo“ gelten ließ, kommt von diesem Fluch nicht mehr los und holt heute das Versäumte in der anderen Richtung nach.
    Person und Sache: Jedes Persönliche ist von Sachlichem durchdrungen, und jede Sache ist in Persönliches verstrickt. Die Trennung von Person und Sache ist in letzter Instanz eine grammatische; eine reale ist sie nur auf der Grundlage der subjektiven Formen der Anschauung, im Reich der Erscheinungen. Das läßt sich deutlich machen am Stichwort „Personalkosten“, wie die Trennung von Person und Sache endgültig erst mit der Lohnarbeit, der differentia specifica des Kapitalismus, die in die Ursprungsgeschichte des Staates zurückreicht, sich durchgesetzt hat. Engels‘ Begriff der Utopie, als er glaubte, das Reich der Freiheit auf der Verwaltung von Sachen gründen zu können, wird widerlegt durch die Existenz von Personalabteilungen, ohne die es eine Verwaltung von Sachen nicht gibt. Die 82er Wende war der Sieg einer gesellschaftlichen Logik, der die Einsicht zugrundelag, daß Personalfragen Sachfragen sind.
    Heute, da es scheint, daß das Proletariat seine revolutionäre Kraft endgültig verloren hat, greifen linke Bewegungen immer häufiger auf das Leninsche Avantgarde-Prinzip zurück und suchen in den nationalen Befreiungsbewegungen, die mit der Revolution des Proletariats wenig zu tun haben, ihre Verbündeten. Die Befreiungsbewegungen der Dritten Welt, die das Proletariat ersetzen sollen, stehen nicht zufällig in Gefahr, Vorläufer von Militärdiktaturen zu werden. Ähnlich scheint die Gefahr zu sein, in der die Nachfolgestaaten des real existierenden Sozialismus stehen, Folge des parvus error in principio, der seit der Oktoberrevolution ungelösten Frage, ob ein Sozialismus in einem Lande möglich sei.
    Der Weltgeist stand seit je auf der Seite der Instrumentalisierung.
    Heute geht es nicht mehr darum, auf welcher Seite einer steht; die Front ist nicht mehr draußen; und das Scheiden der Schafe und Böcke ist Sache des Jüngsten Gerichts.

  • 11.6.1995

    Creatio mundi ex nihilo: Hat das nicht mehr mit einer Theorie der Banken, mit dem Problem der Kreditschöpfung, zu tun als mit der Theologie?
    Daß Gott den Himmel aufgespannt und die Erde gegründet hat, steht uns das nicht in den Planetenbewegungen am Himmel vor Augen? Drückt in den Planetenbewegungen nicht dieses Aufspannen und Gründen als Tätigkeit sich aus (haben wir darin nicht die Schöpfung als Tätigkeit vor Augen)?
    Walter Benjamin hat Kafkas Satz „Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns“ ergänzt: „Hoffnung ist uns nur um der Hoffnungslosen willen gegeben“. Aber wer sind die Hoffnungslosen? Sind es nicht in erster Linie die Toten? Das aber heißt, daß wir die Lehre von der Auferstehung nicht auf uns, sondern nur auf sie noch beziehen können.
    Konsequenz aus Peter Brown (Macht und Rhetorik): Ist nicht die Konfessionalisierung des Symbolums eine Folge seines Ursprungs in der Rhetorik?
    Die Logik der Schrift verdinglicht das Wort, sie immunisiert die Dinge gegen ihren Namen.
    Hodie, si vocem eius audieritis: Wie das Sehen aufs Vergangene, so verweist das Hören aufs Zukünftige (der Begriff subsumiert das Hören unters Sehen).
    Die Lateiner haben physis mit natura übersetzt, aber beide Begriffe bezeichnen nicht das Gleiche. Die Differenz ist herrschaftsgeschichtlich vermittelt.
    Alle Religionen sind verweltlichte und vergesellschaftete Formen der Gotteserkenntnis. Darum ist jede Religion, der man angehört, die falsche.
    Wäre Gemeinheit ein strafrechtlicher Tatbestand, würde es keine Verwaltung mehr geben können. (Ein von Verbotsschildern durchsetzter Wald ist kein Wald mehr, sondern ein Verwaltungsobjekt.) Muß man nicht ähnlich wie man sagt, daß die Roten mit dem Geld nicht umgehen können, von den Grünen sagen: Sie können mit der Verwaltung nicht umgehen?
    Ist der Jugoslawienkonflikt nicht ein weiteres Indiz dafür, daß Politik generell in Verwaltung überzugehen scheint? Die supranationalen Einrichtungen wie EG und UNO sind reine Verwaltungseinrichtungen, an die die Staaten ihre Souveränität abgegeben haben, denen aber selber jegliche Souveränität abgeht. In einer verwalteten Welt gibt es eigentlich keine Kriege mehr, sondern nur noch Bürgerkriege und Polizeiaktionen. Aber ist es nicht genau diese Konstellation, in der nur Terrorismus noch eine Chance zu haben scheint (u.a. deshalb, weil es zum Terrorismus keine Friedensalternative gibt, sondern nur noch Endlösungen)? Die Ohnmacht der Militärs angesichts der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien hängt damit zusammen. Und was bedeuten diese Vorgänge für das Problem des Verfassungsstaats und der Gewaltenteilung?
    Ist es nicht der Verwaltungs- und Polizeistaat, und sind es nicht seine unsauberen Folgeeinrichtungen, die (erstmals im alten Rußland) den Terrorismus, der durch Gesetz und Moral sich nicht mehr gebunden fühlt, gegen sich wachrufen? Terrorismus, die Machtquelle derer, die in den repräsentativen Systemen sich nicht mehr vertreten fühlen, ist Symptom eines herrschafts- und begriffsgeschichtlichen Problems. Das Problem des Terrorismus entspringt den gleichen logischen Gründen, aus denen auch das Problem der „zivilen Nutzung der Atomenergie“ hervorgeht, und es ist ebenso lange wie dieses nicht lösbar.
    Das Engelssche Konzept der „Verwaltung von Sachen“ als Grundlage einer befreiten Gesellschaft, an dem der „real existierende Sozialismus“ gescheitert ist, ist ebenso antisemitisch, paranoid und frauenfeindlich wie die Trinitätslehre.
    Was bedeutet die in der Theologie üblich gewordene Verletzung des Verbots, den Gottesnamen auszusprechen, (das „Jahwe“) für die Geschichte der Trinitätslehre? Steht nicht der Gottesname „Vater“ im Christentum in der Adonai-Tradition (als Versuch der „Humanisierung“ des Namens „Herr“)?
    Die kirchliche Tradition kennt keine Patriarchen, nur „Kirchenväter“. Und niemand würde auf die Idee kommen, in Analogie zum Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs vom Gott des Johannes Chrysostomus, des Gregor von Nazianz oder des hl. Augustinus zu sprechen.
    Das Problem der Kirche ist, daß sie mit der Anwendung des Objektivationsprozesses auf die Theologie, mit der Instrumentalisierung des Dogmas und mit der Errichtung des kirchlichen Lehramts den Heiligen Geist unters Herrendenken subsumiert hat.
    Hat Habermas, als er die Naturspekulation aus der Philosophie ausgeschieden hat, das prophetische Element aus der Frankfurter Schule vertrieben? Mit der Ausscheidung der Reflexion der Natur hat er der Kapitalismus-Kritik den Boden entzogen.

  • 19.4.1994

    Die Schrift, das Geld und das Bekenntnis: ihr Zusammenhang mit dem Relativitätsprinzip. Sie alle haben Teil an der Genesis des Abstraktionsprozesses, dessen Kern im Relativitätsprinzip sich kontrahiert (Abstraktion von der Aktualität, die das einzige Objekt der Prophetie ist). Die Physik ist die endgültig aufgedeckte Blöße; der Wein und die Trunkenheit: das Relativitätsprinzip; das Kleid, das die Blöße zudeckt: die Sprache. War der Rock aus Fellen die Sprache, die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung; und die Trinitätslehre die Ursprungsgestalt der aufgedeckten Blöße im Christentum: der Greuel am heiligen Ort?
    Durch die Opfertheologie hat sich die Kirche auf die Seite der Täter gestellt und ist selber zum sacred executioner geworden; so verstrickte sie sich in die Bekenntnislogik. Wenn der Säkularisationsprozeß der Prozeß der Verinnerlichung des Opfers ist, so ist er zugleich Teil der Geschichte der Selbstzerstörung der benennenden Kraft der Sprache. Das war die Grundlage der Ausbildung der Raumvorstellung und des Inertialsystems. Die Geschichte des Opfers ist ein Teil der Geschichte der Sprache: Die Sprache gewinnt ihre benennende Kraft zurück, wenn der Satz „Barmherzigkeit, nicht Opfer“ wahr wird.
    Die Konstanten der Mikrophysik: insbesondere das Plancksche Wirkungsquantum und die elektrische Elementarladung, stehen in einer ähnlichen Beziehung zur Struktur des durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit korrigierten Inertialsystems wie die Kreiszahl Pi und die Basis des natürlichen Logarithmus e zur Form des Raumes.
    Interessant wäre es, den Schatten, der die drei Patriarchen der Endzeit der europäischen Aufklärung begleitet: Engels (der Schatten von Marx), Jung (der Schatten von Freud) und die Kopenhagener Schule (der Schatten Einsteins), genauer zu betrachten.
    Von vier Katastrophen wurde Hiob getroffen:
    – die pflügenden Rinder und die daneben weidenden Eselinnen wurden von den Sabäern fortgetrieben und die Knechte mit der Schärfe des Schwertes geschlagen,
    – Feuer Gottes ist vom Himmel gefallen und hat zündend in die Schafe und Knechte geschlagen und sie verzehrt,
    – die Chaldäer haben drei Heerhaufen gemacht, haben die Kamele überfallen und sie weggetrieben und haben die Knechte mit der Schärfe des Schwertes erschlagen,
    – die Söhne und Töchter wurden im Hause des Erstgeborenen von einem starken Sturmwind aus der Wüste, der das Haus an den vier Ecken gepackt und auf die jungen Leute gestürzt hat, erschlagen.
    Wer sind die Sabäer: Haben sie etwas mit der Königin von Saba und dem (JHWH) Sabaoth zu tun: den Himmelsheeren?
    Nach der Dialektik der Aufklärung ist die Distanz zum Objekt, die den Aufklärungsprozeß begründet, vermittelt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt. Wird diese Distanz nicht kontrahiert und verinnerlicht (und zugleich unkenntlich gemacht) durch die Raumvorstellung? Die Entfaltung der Form der äußeren Anschauung (der subjektiven Formen der Anschauung überhaupt) ist vermittelt durch die Herrschaftsgeschichte.
    Das Opfer des Sohnes war das Opfer der Sprache (des Logos): Realsymbol der Verinnerlichung des Opfers. Der Leib Christi ist der Sprachleib, auf ihn beziehen sich die Passionsgeschichte und Ez 37. Das Kreuz, an das dieser Leib geschlagen wurde. ist die Mathematik (und den Rock ohne Naht haben die Soldaten unter sich verlost).
    Ist nicht das Verhältnis der Philosophie zur Prophetie das Verhältnis von Angesicht zu Angesicht (das kein Sterblicher überlebt)? Erst wenn beide sich im andern erkennen, erkennen sie sich wirklich.
    Gegen Gemeinheit hilft keine Empörung, sondern nur Selbstbewußtsein und geistesgegenwärtige und geduldige Reflexion.
    Das „Grauen um und um“ beim Jeremias hängt mit dem Satz des Thales: „Alles ist Wasser“ zu zusammen. Das Grauen des babylonischen Krieges und das des Mythos haben einen gemeinsamen Ursprung.
    Hängt die Raumvorstellung nicht auch insoweit mit der Sexualmoral zusammen, als sie das Herrendenken durch Ausblendung der Folgen exkulpiert?
    Weist der Text im biblischen Schöpfungsbericht über die Erschaffung des Menschen (nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes) nicht auf einen grammatischen Unterschied zurück:
    – der adjektivische Gebrauch des Possessivpronomens (nach seinem Bilde) entspricht dem Imperfekt (einer nicht abgeschlossenen, noch fortdauernden Handlung), während
    – die Genitiv-Konstruktion (nach dem Bilde Gottes) aufs Perfekt verweist (die Handlung ist abgeschlossen, ihr Produkt liegt vor)?
    Ist der nächste Satz: „Als Mann und Weib schuf er sie“ ein Erläuterung dazu, oder bezeichnet er einen zusätzliche Sachverhalt?
    Daß Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern befreit wurde, steht nur bei
    – Mk 169: „… erschien er zuerst Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte“ (evtl. späterer Nachtrag zum Evangelium) und
    – Lk 82: „… und die zwölf begleiteten ihn und einige Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt worden waren: Maria, genannt die aus Magdala, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, …“.
    Vgl. hierzu Mt 1243ff und Lk 1124ff. – Kann es sein, daß die Mk-Stelle wichtig ist deshalb, weil sie die Befreiung von den sieben Dämonen in Beziehung setzt zur Auferstehungsgeschichte, und daß der Schein des Bruchs zum vorhergehenden „Abschluß“ des Evangeliums zu den Indikatoren der Bedeutung dieser Stelle gehört?

  • 26.11.93

    In der Person ist das Angesicht zur Maske geworden; sie ist sie ein Produkt der Eitelkeit.
    Der Begriff der Eitelkeit bezeichnet präzise das Wesen der Welt (im Ursprung: im Götzendienst, wie in der Folge: der Personalisierung).
    Die Eitelkeit kann Rechts und Links nicht unterscheiden: das Spiegelbild von der Realität.
    Gehören nicht die beiden Sätze:
    – „Niemand kann Gott von Angesicht schauen und Überleben“, und:
    – „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren“
    zusammen?
    Das Christentum ist zur Lebensrettungs-Gesellschaft derer geworden, die ihr eigenes Leben retten wollen (und es deshalb verlieren?).
    Der Stern der Erlösung ist eine Entfaltung des Satzes aus dem Kohelet: Alles ist eitel, während Adorno diesen Satz in die Gegenwart übersetzt hat: Das Ganze ist das Unwahre. Die Vorstellung, daß dem Alles in der Realität etwas entspricht (oder daß das Wahre ein Ganzes sei), verdankt sich dem Identitätsbedürfnis des Subjekts. In die traditionelle Metaphysik, wie sie dann von der Theologie rezipiert worden ist, ist diese Eitelkeit mit der Hypostasierung des Unum (verum et unum convertuntur) hereingekommen.
    Bedeutung des Eigentum-Begriffs für die Logik und das System des Rechts: der Grundsatz, daß Gemeinheit (oder mit Franz von Baader: die Niedertracht) kein strafrechtlicher Tatbestand ist, läßt sich zwanglos daraus ableiten (Zusammenhang von Mechanik, Eigentum und Beweislogik). Liegt hier nicht der Grund für die systematische Bedeutung des Römischen Rechts, das durch seine Eigentums-Systematik sich von jeder vorhergehenden Gestalt des Rechts unterscheidet? Wie verhält sich das Kanonische Recht (das Kirchenrecht) zum Römischen Recht (zum Recht des Staates), welcher Begriff, welche Formbestimmung entspricht hier dem Eigentumsbegriff (Organisationsprinzip und Selbstverständnis der Kirche)?
    Bemerkenswerte physiognomische Ähnlichkeit von Kinkel, Rexrodt und Schwätzer: Alle drei halten sich raus.
    Steckt die raf nicht jetzt in der Gefahr, daß Gewissenserforschung nur als Fremd-Gewissenserforschung läuft (die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit als Auseinandersetzung mit Abweichlern und Verrätern betrieben wird, als verspätete Entsolidarisierung)? Hätte nicht das, was jetzt gegen die Illegalen gesagt wird, gesagt werden müssen, als die Aktionen (gegen von Braunmühl, Herrhausen u.a.) stattfanden?
    Die Beziehung von Naturwissenschaft und Ökonomie gründet darin, daß der Blick, den die Naturwissenschaft auf die Natur wirft, identisch ist mit dem Blick der in der Ökonomie Herrschenden auf die Ökonomie. An der Engelsschen Identifizierung der Marxschen Kapitalismus-Kritik mit der (Natur-)Wissenschaft (Sozialismus als Wissenschaft) ist der real existierende Sozialismus zugrunde gegangen.

  • 15.11.93

    Wie stellen sich die Naturwissenschaftler das eigentlich vor, daß irgendwann in der Welt irgendwelche Dinge angefangen sind zu sehen und zu hören?
    Unterscheiden sich die beiden Schöpfungsberichte nicht dadurch, daß
    – der erste mit dem Licht beginnt (auf das Sehen, das Angesicht sich bezieht), während
    – der andere den Menschen durch den Atem Gottes zum Leben erweckt (d.h.: auf die Sprache sich bezieht und mit der Geschichte vom Sündenfall endet)?
    Wer den Wahrheitsbegriff auf die Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand gründet, versperrt sich selbst den Weg zu der Wahrheit, die lebendig und frei macht. Dieser Weg führt durch die Schuldreflexion hindurch.
    Ist der Rechtsradikalismus (und die gegenwärtige Form der Gewalt) nicht der Naturaspekt des heutigen Weltzustandes (die Welt ist blind, die Natur taub)?
    Der Zuschauer konstituiert den Schuldzusammenhang, indem er sich davon distanziert. Er spaltet die Schöpfung in Natur und Welt (Gegenstand und Begriff).
    Philosophie und Caesarismus haben der Theologie und der Kirche den Trägheitsschutz eingeimpft, der sie vor der Gotteserkenntnis schützt.
    Das Buch Jona ist prä- und postapokalyptisch zugleich. Es bezeichnet den Angelpunkt zwischen Prophetie und Apokalyptik. Die Buße in Ninive geht vom Volke aus, ergreift dann auch den König, der die Tiere (die Welt) mit einbezieht. Nicht zuletzt wegen des Viehs wird Ninive verschont.
    Innerweltlich gibt es trotz aller Probleme keine Alternative zur Deszendenztheorie; sie verändert sich vollständig, wenn man die Kritik des Weltbegriffs mit hereinnimmt.
    Zum Weltbegriff gehören viele (Tier- und Herrschafts-)Götter; er ist an sich polytheistisch. Ist nicht die Welt ein plurale tantum, wobei die Frage nach der besten aller Welten gegenstandslos ist (die Religion, der man angehört, ist ohnehin die falsche)?
    Ist nicht auch der Vater ein plurale tantum (Ursprung des plural majestatis) und seine Unterwerfung unters Identitätsprinzip Grund der Vermischung von Gewalt und Autorität?
    Im Namen des Hundes begreife ich sowohl die Gattung Hund als auch die Welt des Hundes: alle drei sind ineinander verschränkt (und die Namen der Tiere sind in die Bestimmungsmacht der Menschen gegeben).
    Zu Marx, Freud und Einstein: Haben nicht alle drei ihre Kopenhagener Schule, mit wachsender Zuspitzung des Problems, von Marx zu Engels, von Freud zu Jung und von Einstein zu den Promotoren der Atomphysik?
    Die Selbstverfluchung Petri bei der dritten Leugnung entspricht dem Danielschen Greuel am heiligen Ort.
    Ist der Objektbegriff die Grundlage der Seelenvorstellung?
    Cohen, S. 522: Der Hass ist subjektlos, ein Weltaffekt, Produkt der Identifikation mit dem „Haß der Welt“.
    S. 523: Ist nicht die Idee des „Naturfriedens“ wie auch die des Naturschönen, und damit die Idee des Friedens insgesamt, begründet im Wunder sinnlichen Naturerfahrung?
    S. 524: Der Haß ist Rückfall in Biologie; und das gilt nicht nur für den Rassismus.
    S. 527: Die Freude über eine gute Handlung bezeugt die Lebenskraft des Friedens. (Der Rechtsradikalismus ist ein Indikator für den Naturaspekt des Weltzustandes, der die Menschen zwingt, dem Verlangen, gut zu sein, zu entsagen und …)
    Dem Glück sind die Tränen der Freude näher als das Lachen.

  • 20.08.93

    Der Himmel ist die Einheit der Extreme, hat er etwas mit dem Blutsymbol zu tun, und mit der (prophetischen) Erfüllung des Wortes: dem Namen? Ist der Himmel nicht das in den oberen Wassern gebundene Feuer, der darin verschlossene Name? Und ist der gesellschaftliche und erkenntnistheoretische Begründungszusammenhang des Nominalismus nicht das Wasser (die Sintflut), in dem der Name erloschen ist? Ist der Nominalismus das Wasser, das den Meeresboden bedeckt, auf das die Gotteserkenntnis die Antwort ist?
    Steckt nicht im Kern des Naturbegriffs der Tod, drückt darin nicht seine konstitutive Beziehung zur Herrschaft sich aus? Und wurde nicht die Todesstrafe abgeschafft, nachdem im Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft die Todesfurcht als Grund der Herrenfurcht in anderen („existentiellen“) Tatbeständen begründet werden konnte? Ist nicht seit Getsemane der Schweiß des Angesichts, der seit dem Sündenfall zur Arbeit gehört, mit Blut vermischt? Und ist nicht der im Sündenfall gründende Tod der Herr der Welt; aber ist dieser Herr nicht einer, der seine Macht aus unsern Händen empfängt, und ist nicht das die Sünde der Welt? Gründet nicht jede Herrschaft in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: in der Todesinfektion?
    Stark wie der Tod ist die Liebe. (Hl 86) Aber nur stark wie, nicht stärker als der Tod.
    Ist die kantische Erkenntnis, wonach die Vernunftideen nur regulative, nicht konstitutive Bedeutung haben, nicht ein anderer Ausdruck für das, was Levinas die Asymmetrie in der Ich-Du-Beziehung genannt hat, oder für das Benjamin-Wort „Überzeugen ist unfruchtbar“? Ist sie nicht zugleich eine Begründung der Notwendigkeit von Erinnerungsarbeit, und enthält sie nicht den genauesten Einspruch gegen die Instrumentalisierung der Marxschen Theorie aus Herrschaftsgründen? Widerlegt sie nicht die Wertphilosophie? Die kantischen Vernunftideen respektieren die Grenze zwischen mir und dem anderen, sie verhindern die Xenophobie schon dem Grunde nach.
    Die Unterscheidung zwischen der (erlaubten) regulativen und der (verbotenen) konstitutiven Bedeutung der Ideen ist eine Anwendung und Präzisierung des jesuanischen Satzes „Richtet nicht …“.
    Ist die Xenophobie nicht ein Ausfluß der inneren Logik des Herrendenkens? Gründet sie nicht in dem vom Objektivierungsprozeß unablösbaren projektiven Element?
    Sind nicht die Empfindungen, die mit der Trennung der primären und sekundären Sinnesqualitäten erst sich konstituieren und entspringen, Produkte der Selbstobjektivierung; verweist darauf nicht der Regenbogen in der Sintflut-Geschichte?
    Gibt das johanneische Komma nicht auch mit seiner trinitarischen Ergänzung Sinn?
    Gegen die Kollektivscham: Hängen Scham, Blut und Feuer zusammen? Ist die Scham die Pforte der Hölle?
    Wie verhalten sich die Scham und der Zorn: Beide treiben die Röte ins Gesicht, aber während die Scham sich nach innen richtet, geht der Zorn nach Außen? Wie verhalten sich Scham und Wut (ist nicht die Wut ein Zorn, der in Scham verstrickt bleibt)?
    Rühe, Seiters, Bohl und Schäuble: die Metastasen des Aussitzens. Aber ist Kohl dem Kanther gewachsen?
    Sind nicht die Beziehungen von Engels zu Marx, von C.G. Jung zu Freud und die der Kopenhagener Schule zu Einstein vergleichbar? Aber sind dann nicht doch auch die Differenzen zu beachten:
    – das Verhältnis von Engels zu Marx war von großer menschlicher und theoretischer Solidarität geprägt,
    – das C.G. Jungs zu Freud hingegen war bestimmt durch das intri-gantische Renegatentum die Ranküne Jungs und
    – das der Kopenhagener Schule zu Einstein durch einen von der Verachtung des „Spinners“ durchsetzten Respekt vor der moralischen und theoretischen Integrität Einsteins.
    Der Hilfloseste von allen war offensichtlich Einstein.

  • 04.01.93

    „Das steinerne Herz der Welt“: Durch den affirmativen Gebrauch des Weltbegriffs ist die Kirche zum steinernen Herzen der Welt geworden. Erst durch die Übernahme der Sünden der Welt wird das steinerne in ein fleischernes Herz verwandelt.
    Wenn Kohl und mit ihm die insbesondere Seiters sich immer wieder auf die Geschichte, das Ausland oder die Welt als einzige kompetente Urteilsinstanz berufen, so ist das Ausdruck der gleichen „Real-“ und Machtpolitik, zu der die Hegelsche Staatsphilosophie die deutsche Politik „befreit“ hat. Zu deren Folgen gehören die Katastrophen dieses Jahrhunderts, die nicht nur durch den Namen der Weltkriege mit der Hegelschen Weltphilosophie verbunden sind. Immer wollten wir sein wie die anderen Völker; aber in der Leugnung der politischen Moral haben wir sie übertrumpft. Wenn die Deutschen Machtpolitik (und Realpolitik ist Machtpolitik) getrieben haben, dann mit dem Alibi: die anderen tun’s ja auch (was so nicht stimmte).
    Kohls Eintreten für die Kürzungen der sozialen Leistungen macht wieder einmal das Stammtischgeschwätz zur Grundlage politischer Entscheidungen. Nach dem „Asylmißbrauch“ jetzt die „Ausbeutung derer, die durch anständige Arbeit ihr Geld verdienen, durch die Sozialhilfe-, Arbeitslosenunterstützung- und Arbeitslosenhilfe-Empfänger“. Der Hinweis darauf, daß Sozialhilfe-Leistungen das Arbeitsentgelt nicht übersteigen dürfen, heißt eigentlich, daß das Arbeitsentgelt möglichst in der Nähe der Sozialhilfe bleiben sollte. Das paßt in die Tradition, die
    – Ralph Giordano keiner Antwort für würdig hält,
    – angesichts der Morde und Brandanschläge der Rechten nur die „Schändung des deutschen Namens im Ausland“, aber nicht die Opfer wahrnimmt,
    – die Teilnahme an den Trauerfeiern für die Opfer von Mölln mit der bösen Vokabel vom „Beileidstourismus“ belegt.
    Ich meine, es ist an der Zeit zu begreifen, wer hier den deutschen Namen schändet, wer seinen Amtseid, der ihn verpflichtet, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden, in der Substanz verletzt. Wenn es je einen Rücktrittsgrund für einen deutschen Bundeskanzler gegeben hat, dann jetzt.
    Die Wissenschaftsgläubigkeit bei Habermas (wie in der ganzen „marxistischen“ – d.h. eigentlich Engelsschen – Tradition) verkennt, daß sie damit selber das schwarze Loch schafft, aus dem zwangsläufig die Gemeinheit erwächst. Sie macht sich selbst hilflos gegen den aktiven und kontrollierten Gebrauch der Gemeinheit. Was fehlt ist eine Wissenschaftskritik, die nachweist, daß im Rahmen der szientifischen (wie der justiziellen) Beweislogik Gemeinheit nicht erkennbar ist.
    Die adaequatio intellectus et rei definiert den Begriff der Erkenntnis, die Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand den Kristallisationskern des Herrendenkens und seines gegenständlichen Korrelats: der instrumentalisierten Welt.

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie