Wenn Habermas Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ widerlegen will, rückt er dann nicht die Welt in eine Perspektive, in der es Reflexion nicht mehr gibt? „Ganz“ ist nur die abgeschlossene Vergangenheit, die dann auch die Zukunft unter sich begräbt. Der Hegelsche Satz ist ebensowenig wie der Widerspruch Adornos ein metaphysischer Satz, sondern beide sind Erkenntnis leitende und vorprogrammierende Sätze. Wobei allein Adornos Satz die Intention mit einschließt, Erfahrungsfähigkeit und Sensibilität lebendig zu erhalten, der objektivierenden Gewalt nicht das letzte Wort zu geben.
Welche Rolle hat eigentlich Hans Magnus Enzensberger in der Kolportation und Diskussion des Adorno-Satzes, nach Auschwitz Gedichte zu schreiben, sei barbarisch, gespielt? Wie hat Enzensberger diesen Satz, dessen Quelle später keiner mehr zu kennen schien, zitiert? Kommt von ihm die Version, die seitdem in der Öffentlichkeit herumspukt (vgl. die Beispiele in „Auschwitz als Herausforderung“ oder in Ruth Klügers „weiter leben“): Es war kein Urteil übers Gedichteschreiben (so könnte es von Enzensberger, von dem auch der Titel „verteidigung der wölfe“ stammt, erfahren worden sein?), sondern Teil einer Reflexion Adornos über Auschwitz, für die die kantische Unterscheidung von reflektierendem und bestimmendem Urteil gilt.
Ist Hegel ein halbierter Daniel: Ist seine Philosophie die Entfaltung des Traums Nebukadnezars, zu der nur die Deutung noch fehlt?
Zu den Wirkungen der Medien gehört es, daß heute allen das Hören und Sehen vergeht: Sie leisten die Verdrängungsarbeit, die keiner mehr allein zu leisten vermöchte.
Wenn ein Gericht sich zum Hilfsorgan der Anklage macht, erfüllt das nicht auch den Tatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung?
In welcher Beziehung steht die Astrologie (die Hilfsdisziplin des babylonischen Staatsbegriffs) zur Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit (des Weltbegriffs)? Ist der Begriff der Öffentlichkeit ein anderer Name für die „Wege des Irrtums“, als welche die Planetenbahnen im Kontext der Astrologie sich enthüllen? Hat die Astrologie etwas mit der Tätigkeit des Himmel-Aufspannens (dem Werk des zweiten Tages) zu tun? Wird der (Sonnen-)Tag der Öffentlichkeit „aufgespannt“ durch die Institutionen, die in der Astrologie (in den heidnischen Sternenreligionen) durch die Planeten verkörpert werden. Und ist diese Öffentlichkeit nicht in allen Stücken das Gegenteil des Herzens, in das nur Gott schaut (Israel, der Tempel, die Prophetie): der Inbegriff des verhärteten Herzen? Was bedeutet der Name des „Himmelreichs“ (der basileia tou ouranou) bei Matthäus?
Hat der Jubel im Himmel über den Untergang Babylons (Off 1820) etwas mit der Freude im Himmel über die Bekehrung des einen Sünders (Lk 157) und mit dem letzten Satz des Jakobusbriefs zu tun: Wer einen Sünder von seinen Wegen des Irrtums bekehrt, der wird seine Seele vom Tode retten und eine Menge Sünden zudecken (Jak 520)? Ist Babylon (der Ursprungsort der Astrologie, der mit der Errichtung des Pantheons nach Rom übertragen wurde) die Verkörperung des einen Sünders und der Inbegriff der Wege des Irrtums?
Enzensberger
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30.11.1996
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25.06.93
Heute eine Polemik von WoS (Wolfram Schütte) gegen Hans Magnus Enzensberger in der Rundschau, die durch die Enzensberger-Zitate sich selbst den Boden entzieht, und auf die Adornos Satz anzuwenden wäre: daß die Studenten heute nur noch heraushören, wofür oder wogegen einer ist, aber auf eine inhaltliche Diskussion sich nicht mehr einlassen. Hat diese Mode ihren Ursprung nicht in der Habermas-Schule (von Brauckhorst über Metz bis zum Feuilleton der FR), mit der Etablierung bekenntnisartiger Kollektiv-Urteile (durch die man sich als zugehörig ausweisen kann) z.B. über die „Dialektik der Aufklärung“ („veraltet“) und die Postmoderne, durch Tickets, an denen sich die Gruppen-Angehörigen erkennen?
Die durch den Liberalismus verwilderten Wirtschaftsinteressen: Gibt es nicht eine Ähnlichkeit mit dem Naturbegriff der Grünen?
Wir Deutsche kommen von Auschwitz nicht los: Sind nicht die deutschen Krimis (Derrick, Der Alte, Tatort, auch die deutschen Inszenierungen von Eurocops) allesamt Auschwitz-Verdrängungs-Krimis, projektive Exkulpierungs-Veranstaltungen, Ausdruck des nicht mehr auslöschbaren Strafbedürfnisses? Hier geht es nicht mehr um die Aufklärung eines Verbrechens, sondern um die Gewißheit, daß der Verbrecher gefaßt und seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Verglichen mit Agatha Christie, Conan Doyle, allgemein dem englischen, auch dem französischen oder italienischen Detektivfilm, die Fragen der Logik oder der Moral lösen wollen, geht es den deutschen Krimi-Serien um den Nachweis, daß der Verbrecher, der in der Regel schon zu Beginn des Films bekannt ist, in jedem Falle erwischt wird, und um das Interesse des Zuschauers, im eigenen Nicht-erwischt-worden-Sein den Schein der eigenen Unschuld zu genießen. Im letzten Krieg, gleichzeitig mit den Verbrechen in Auschwitz, gab es u.a. den Spruch, man habe doch niemanden umgebracht, mit dem man sich vor sich selbst und den anderen der eigenen Unschuld versicherte.
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