Faschismus

  • 15.3.1997

    Gezählt, gewogen und zu leicht befunden: Entlastung durch Schuldverschiebung (Rechtfertigung, Abwehr und Projektion). Sind Hörner ein Symbol für Rechtfertigung, Abwehr und Projektion?
    Der Sündenfall des Christentums war die Urteilsmagie, die dann zwangsläufig des Staats zur eigenen Legitimation bedurfte. Die magische Gewalt, die der Urteilsmagie zugrundeliegt (die dem Urteil Realität verschafft und den Weltbegriff konstituiert), ist das Gewaltmonopol des Staates.
    Die Vorstellung, daß die Wahrheit eine Qualität des Urteils ist, ist mit der Philosophie (mit der Subjektivierung der Schicksalsidee) entsprungen. – Damit kam die Wahrheit von Anfang an in Deubels Küche.
    Sind nicht die beiden aristotelischen Definitionen des Menschen, das zoon nous echon und das zoon politikon, identisch, ist nicht diese Vernunft die instrumentelle Vernunft?
    Das urteilende Wesen ist ein sehr empfindliches Wesen. Erst die Fähigkeit zur Reflexion des Urteils transformiert die Empfindlichkeit in Sensibilität.
    Der Begriff des „Überzeitlichen“, der die Urteilssphäre konstituiert, ist die Pforte der Hölle.
    Urteilslust: Die „unbedingte Verurteilung“ des Faschismus ist der Zeugungsakt, über den der Faschismus sich reproduziert.
    Hat Schieferstein vielleicht tatsächlich seine politischen Grundüberzeugungen durch sein Hobby: als Bienenzüchter, gewonnen?
    Die allseitige Reflexionsunfähigkeit ist der Grund der Wahrnehmungsunfähigkeit, der Blindheit.
    Die These, Heisenberg sei während des Krieges in Deutschland geblieben, um die Wissenschaft für die Nachkriegszeit zu retten, ist abenteuerlich, sie ist wirklich eine Legende. Eine Legende, die unter Berücksichtigung der Umstände schwer nachvollziehbar ist. Die Version Nils Bohrs über seine Begegnung mit Heisenberg im Jahre 1941 (im Jahr der Siegeseuphorie in Deutschland) ist zweifellos plausibler als die Version, die Heisenberg dieser Begegnung nachträglich zu geben versucht hat.
    Es gibt Erfahrungen, die einen wie ein Hammer treffen, wie ein betäubender Schlag, von dem man sich erst erholt, wenn es einem gelingt, diesen Schlag durch Reflexion aufzuarbeiten.
    Ist der Engel, mit dem Jakob gerungen hat, der gleiche Engel, der Abraham daran gehindert hat, seinen Sohn zu opfern, und ist das der Engel, der anderen später im Traum erscheint? Und ist es der Engel, der in den Apokalypsen als angelus interpres auftritt?
    Werden heute Engel nicht mit Kuscheltieren verwechselt? Und sind die Kuscheltiere die Nachfahren der Schutzengel?
    Bergleute gehören zu den Mythen meiner Kindheit. (Die Vorstellung, daß Menschen, die ich kannte, in Bergwerken arbeiten mußten, war für mich schrecklich, aber die Tatsache, daß „unter Tage“ gearbeitet wurde, hat mein Weltverständnis geprägt.)

  • 12.3.1997

    Die Heilsgeschichte endet im faschistischen Gruß und in der Apparatemedizin.
    Das Modell der Logik der Ausgrenzung ist die subjektive Form der äußeren Anschauung: die Abstraktion vom Blick des Andern.
    Das Inertialsystem ist das Prinzip und das Gesetz der Veranderung, und das nicht nur für die Dinge/Ereignisse in ihm, sondern vor allem für es selbst. Darin gründet der Schein, es sei das gleiche Inertialsystem, das sowohl auf die mechanischen Objekte, auf die Welt der Planeten als auch auf die Objektwelt der Elektrodynamik sich bezieht.
    Ware ist fremdes Gut, der Handel im Ursprung Fernhandel: Wenn Lohnarbeit unters Tauschprinzip fällt, wenn sie eine Form des Handels ist, und wenn das, was der Lohnarbeiter anbietet und verkauft: seine Arbeitskraft, eine Ware ist, dann ist der Lohnarbeiter in der Tat ein vaterlandsloser Geselle, ein Ausländer, vielleicht ein Gastarbeiter. Und diesen Makel kann er nur durch Nationalismus wieder gut machen.
    Erinnerungsarbeit ist der Versuch, die Es-Logik, die in allen am Werk ist, aber von allen zugleich verdrängt wird, zu entschlüsseln. Das Bewußtsein ist selber ein historisches Produkt, das Produkt einer kollektiven Verdrängung. Konstituenten und Stabilisatoren dieser Verdrängungsleistung sind die drei kantischen Totalitätsbegriffe.
    Wenn einer mit bedeutender Miene einem andern etwas anvertraut, ist es in der Regel ein Versuch, den Andern hereinzulegen, ihn „hinters Licht zu führen“, ihn zu etwas zu bewegen, was er sonst nicht tun würde. Eine Mutter zu ihrem Kind: Wer nicht die Nase putzt, den besucht nicht der Osterhase.
    Hat nicht Kopernikus die Welt hinters Licht geführt (die Welt konstituiert, indem er sie hinters Licht führte)? Und ist nicht im Namen der Aufklärung das Hinters-Licht-Führen zur Methode geworden?
    Lachen und Weinen sind Zeitaffekte (so wie Kant zufolge Begriffe Schemata der Zeitanschauung sind). Steckt nicht im Lachen und Weinen der Schlüssel zur Lösung der Hegel’schen Frage, weshalb die Natur den Begriff nicht halten kann und warum es verschiedene Gattungen und Arten der Tiere gibt?
    Begriffe sind als Begriffe Ausdruck des Gelächters über das Objekt (das in diesem Gelächter zum Objekt wird). Wären Objekte fähig, in Affekten sich auszudrücken, sie würden weinen. Was steckt in dem Wort, daß am Ende jede Träne abgewischt wird?

  • 11.3.1997

    Heute führen alle Auswege aus dem System mitten ins System hinein.
    Hat der „Schrecken der Tiere“ (Noah, nicht Adam) die Tiere aufgeteilt in Angriffs- (bzw. Raub-) und Fluchtgattungen, die sich durch ihre Füße unterscheiden: Angriffstiere haben greiffähige Pfoten, Fluchttiere Hufe. In der Schrift sind nur gehörnte Tiere Opfertiere. Gehörnte Tiere sind nicht Fluchttiere, Hörner sind Verteidigungs-, nicht Angriffswaffen.
    Ist der „Schrecken der Tiere“ der Grund ihrer Selbstinstrumentalisierung (der Ausbildung der Gattungen und Arten), und welche Bedeutung haben hierbei die Sintflut und die Arche?
    Der Fürst dieser Welt ist der Hinderer: Er steht der Erlösung dieser Welt. ihrer Vollendung in der zukünftigen Welt im Wege. Wann wurde er vom Himmel auf die Erde gestürzt?
    Schuldverschubsystem: „Ihr laßt die Armen schuldig werden“. Der Weltbegriff, Inbegriff des Imperativs der Selbsterhaltung, hat die Verteidiger der Armen stumm gemacht. Seitdem ziehen sie auch den Haß auf sich, werden sie verfolgt.
    Im Staatsanwalt ist der Staat Partei. In den Staatsschutz-Senaten ist er zugleich Richter. Nicht zufällig werden hier Ankläger und Richter ununterscheidbar. Die Staatsschutz-Prozesse instrumentalisieren den Ausnahmezustand. Wird nicht heute der „Rechtsstaat“ zum als Schaf verkleideten Wolf?
    Waren nicht die 68er, die vorgaben, die Konsequenzen aus der Reflexion des Faschismus zu ziehen, die, die diese Reflexion abgebrochen und verdrängt haben: Sie zogen das kurze Urteil vor, das der Reflexion nicht mehr bedurfte.
    Die Kollektivscham, die die Beziehung zum Nationalsozialismus auf die „unbedingte Verurteilung“ (die dann folgenlos geblieben ist) reduziert hat, war ein Instrument der endgültigen Ratifizierung der subjektiven Formen der Anschauung.

  • 4.3.1997

    Bezieht sich Apk 12, die Geschichte von der Frau, die im Anblick des Drachen das Kind gebiert, auf das Relativitätsprinzip, auf die darin sich verkörpernde Beziehung von Barmherzigkeit und Gericht? Wie verhält sich diese Geschichte zur Geschichte vom Sündenfall, zum Fluch über die Schlange, zur Beziehung des „Samens der Frau“ zum „Samen der Schlange“?
    Nur wer in andere sich hineinversetzen kann, ist fähig, sich selbst von außen zu sehen: ist gewissensfähig.
    Erinnert nicht der deutsche Begriff des Gewissens an das Gehölz, das Gewässer oder das Gebirge?
    „Staatstragende Intellektuelle“: Sind nicht die, die andere so nennen, selber „staatstragend“, braucht nicht der Staat zu Selbstkonstituierung seine Feinde?
    Ursprung des Faschismus: Hegels Satz, daß für den Kammerdiener der Held kein Held ist, ist am Ende in eine Bewegung hereingezogen worden, in der die Kammerdiener glaubten, das Erbe der Helden, die selber schon keine mehr waren, antreten zu können.
    Was drückt sich eigentlich darin aus, daß eine Reihe von Gruppierungen (Friedensbewegung, Frauenbewegung, ökologische Bewegung) nach dem Krieg die Selbstdefinition des Faschismus, der sich auch schon als „Bewegung“ verstand, übernommen haben? Drückt darin nicht ein reaktives, ein passives, ein sehr mechanisches Verhalten sich aus: Bewegungen werden von etwas bewegt, sie bewegen nicht selber etwas? Nach Aristoteles ist Gott der erste, selber unbewegte Beweger. Ist nicht der unbewegte Beweger ein anderer Ausdruck für die Einheit des Schuldzusammenhangs, nach dessen Gesetzen Bewegungen sich bewegen?

  • 2.3.1997

    Die Goldhagen-Debatte hat eines deutlich gemacht, daß nämlich der Objektivismus auch als Entlastungsinstrument benutzt wird.
    Wer Solidarität fordert, aber die Reflexion unterbindet, ist vom Grunde her ein Faschist. Befreiung ist nur möglich auf der Grundlage einer Solidarität ohne Komplizenschaft. Solidarität ohne Komplizenschaft ist das entscheidende Argument gegen die Bekenntnislogik (und gegen jeglichen Nationalismus). Fatal ist heute jeder Wunsch, einer Gemeinschaft anzugehören, „in der ich mich wohlfühlen kann“.
    Sind die Planeten am zweiten Tag erschaffen oder am vierten: Gehören sie zur Feste des Himmels oder zu den Sternen? Wer sind die Sabaoth?
    Hängt nicht das Recht (zu dem die Verfolgungsbehörden gehören) mit dem Sündenbocksyndrom zusammen?
    Das Geschwätz ist der Mutterboden des Gerüchts. Beide gedeihen unterm Rechtfertigungszwang. Zum Gerücht gehört die Instrumentalisierung des Verdachts, sein Ziel ist die Verurteilung.
    Das Geschwätz ist ein Experimentallabor der Feindbildlogik. Die Feindbildlogik ist ein Instrument zur Ausbildung und Rechtfertigung der Gemeinheit.
    Ist die Gleichzeitigkeit ihrer Entdeckung nicht ein Hinweis darauf, daß das Plancksche Strahlungsgesetz etwas mit der speziellen Relativitätstheorie Einsteins und dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu tun hat? Hinweis: Das Relativitätsprinzip ist das Prinzip der Veranderung. Es definiert den Raum (das Referenzsystem), in dem die mathematische Naturerkenntnis sich konstituiert.
    Die Schwere wird gemessen mit Hilfe der Waage, die es aber nur in einem Schwerefeld gibt. Der Erscheinungsort der Schwere ist die Erde, auf der wir sie am eigenen Leibe erfahren. Wer wiegt die Sonne oder den Mond? Ist das Planetensystem und sind die Gezeiten Teile einer Waage (so erfahren die Planeten die Gravitationskräfte der Sonne und die Meere die des Mondes „am eigenen Leibe“)? Die Planetenbahnen sind Fallwege, die kein Ziel mehr haben.
    Der Preis für die Reversibilität der Beziehung von oben und unten ist die Irreversibilität der Zeit (wie verhält sich das Licht zur Irreversibilität der Zeit, was drückt in der Existenz der konstanten Lichtgeschwindigkeit sich aus?).
    Was hat die trinitarische Zeugung mit den messianischen Wehen, mit dem apokalyptischen Bild der Geburt, zu tun?
    Der Weltbegriff ist ein Plurale Tandem; es gibt nicht die Eine Welt. Der Keim des Weltbegriffs ist das Neutrum, das selber im Ursprung ein pluralis ist (Gehölz, Gebirge, Gewässer).
    Der Begriff der Zeugung bezeichnet das mythische Moment im christlichen Dogma, das gleiche Moment, das den messianischen Wehen entspricht, die in der Hölle als ewig vorgestellt werden.
    Hat der babylonische Unzuchtsbecher etwas mit dem Zusammenhang von Götzenopfer und Unzucht zu tun (mit Bileam)?

  • 23.2.1997

    Wenn es die logische Affinität der Naturwissenschaft zur politischen Ökonomie gibt, müßte sich dann nicht aus der mimetischen Rekonstruktion der Erfahrung aus ihren politisch-ökonomischen Bedingungen (aus der Fähigkeit, in die Erfahrung des andern unter Reflexion der politisch-ökonomischen Bedingungen seiner Erfahrung sich hineinzuversetzen) so etwas wie ein symbolisch-metaphorischer Zugang zur Kosmologie ergeben?
    Das Relativitätsprinzip begründet das Verfahren der Konstituierung des Raumes als subjektive Form der Anschauung, den Raum dadurch zu neutralisieren, daß der eine Raum über den anderen gezogen wird. Ist nicht dieser Raum das logische Kontinuum, in dem die Ökonomie sich entfaltet (und der im Entfaltungsprozeß der Ökonomie sich bildet): das Geld? Bezeichnet das Relativitätsprinzip am „Unzuchtsbecher“ das Moment der Unzucht?
    Gestern ein Bericht in der FR über Haie. Danach sind Haie zwar keine Säugetiere, aber die kleinen Haie schlüpfen im Bauch ihrer Mutter aus ihren Eiern und fressen dort z.T. sich gegenseitig, so daß z.B. von 70 – 80 ausgeschlüpften Haien nur zwei im Bauch der Mutter überleben und dann ins Freie gelangen.
    Die Tiere des fünften Tags sind die eierlegenden Tiere (Fische und Vögel). Die Säugetiere sind (mit den Menschen) die Tiere des sechsten Tags.
    Sind nicht die Säugetiere nach der Evolutionstheorie gleichzeitig mit den blütentragenden Pflanzen entstanden?
    Das Atheismus-Problem im Marxismus ist zu lösen allein über die Reflexion des Faschismus. Auch im Sozialismus bezeichnet der Atheismus den Sieg Hitlers.
    … et dimitte nos debita nostra sicut et nos dimittimus debitoribus nostris, et ne nos inducas in tentationem, sed libera nos a malo.
    Hat nicht der Traum des Nebukadnezar etwas mit dem Ursprung des Bekenntnisses zu tun?
    Das Richtige ist nicht das Wahre, das Richtige ist das Unwiderlegbare.
    Wie hängt das salomonische Urteil (über die beiden Frauen, die sich um das eine Kind stritten) mit dem danielischen (über die beiden Alten, die sich an der Susanna rächen wollten) zusammen? Salomo apelliert an den Mutterschoß, das Organ der Barmherzigkeit, Daniel enthüllt die Verwundbarkeit des ungerechten Urteils?
    Tratsch und Gewitter; Tratsch als Instrument der Demoralisierung, Demoralisierung als Herrschaftsmittel. Aus dem Tratsch kann man nur eines lernen: Gegen die darin installierte mythische Gewalt, kommt keiner an; zur Identifikation mit dem mythischen Aggressor gibt es keine Alternative. Wen’s trifft, den trifft’s.
    Das Licht ist der Naturgrund aller Zwecke (die Grenze des Kausalitätsprinzips).
    Gestern in der Sendung über die Höhlenbilder von Lascaux der Hinweis, daß Tiergruppen nicht verschiedene Tiere, sondern möglicherweise verschiedene Bewegungsphasen der Bewegung eines Tieres abbilden. Ist die Höhlenmalerei ein Vorläufer des Kinos? Ist die Höhle (auch das Kino ist eine Höhle) eine Variante des Mutterschoßes (und das Fernsehen der Greuel am heiligen Ort: die endgültig instrumentalisierte Barmherzigkeit)?
    Zur Genese des Vorurteils: Welche Rolle spielt hier das Verbot der Neugier? Wird nicht mit der Neugier die Erfahrungs- und Lernfähigkeit, eine nicht restlos ins „Wissen“ übersetzte Beziehung zur Welt, verboten? Ist nicht die Rückübersetzung jeder Erfahrung ins schon Bekannte das Ziel des ganzen Objektivierungsprozesses (und wird damit nicht die Erfahrung der ganzen vergangenen Menschheit verraten)? Ist die Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis auch die Geschichte der Selbstzerstörung der Lernfähigkeit?
    Kopernikus und Newton haben das Ungleichnamige (Oben und Unten) gleichnamig gemacht, was haben Maxwell und Einstein getan?
    Zum Begriff der Öffentlichkeit: War nicht das Kollosseum die öffentliche Löwengrube, und wurde nicht, als die Scheiterhaufen öffentlich gemacht wurden, die Öffentlichkeit selber verbrannt? Auch Auschwitz war öffentlich, allerdings in der fürchterlichsten Gestalt: als Gerücht. Darauf wäre der von Habermas mißbrauchte Titel vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ zu beziehen: In der kollektiven Verdrängungsleistung der Deutschen, die die Kollektivscham dann besiegelt hat, ist die Öffentlichkeit selber verbrannt worden. Seitdem gibt es keine mehr.
    Der Begriff der Information bezeichnet den Pfropf, der heute die Erfahrungsfähigkeit verstopft.
    Das Feindbild, die Urteilslust und der Unzuchtsbecher.
    Das Perfekt, das vom Handeln ins Sein (in die Vergangenheit) transformiert wird, spaltet sich auf in Sein und Haben (in Politik und Ökonomie). Hier liegt der Ursprung der Auxiliarien, der Hilfesverben, in denen die Gewalt der politischen Ökonomie sich ausdrückt. Das Problem Namens (des Symbolischen, des Metaphorischen) gründet in der Beziehung dieser beiden Formen des Perfekts.
    Name und Begriff sind nicht vergleichbar. Ihr Verhältnis ist das der Umkehr.
    Der Historismus, der die Vergangenheit des Perfekt ratifiziert, ist das Prinzip der Zerstörung des Symbolischen (der Zerstörung der Prophetie). Sind nicht alle Motive der Apokalypse aus dieser Transformation des Perfekt ableitbar? Die Idee der Auferstehung drückt den Widerspruch zwischen der Kraft des Namens und der „historischen Realität“ (der Ratifizierung der Vergangenheit der Geschichte) aus. Das Subjekt der symbolischen Erfahrung ist die Barmherzigkeit.

  • 15.1.1997

    Das „wahre Gesicht des Staates“: Die RAF als Animateur des gewitzten Faschismus.
    Der Staat als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern: Er hat die Selbsterhaltung zum Rationalitätsprinzip gemacht, damit die Welt in Natur und Welt aufgespalten.
    Neoliberalismus: Panik als Prinzip der Politik (Privatisierung als Entlastung der Regierung von der Verantwortung; die Regierung Kohl als die Selbstorganisation der Panik; deshalb gewinnen das Urteil des Auslands und der Blick der zukünftigen Geschichtsschreibung für dieses Land der Kollektivscham diese emphatische Bedeutung; Panik als der Geist im frei fallenden Fahrstuhl: Schuldvermeidung und Paranoia; Panik und Urteilsmagie).
    Die Privatisierung der öffentlichen Aufgaben ist nur möglich bei gleichzeitiger Privatisierung des Fernsehens.
    Die Panik vollendet sich, wenn das Bewußtsein der Panik sich verbieten muß.
    Wie steckt die Panik im Urteil, gehört sie nicht zu den Konstituentien des Objekts und des Begriffs, der Trennung von Natur und Welt, und ist nicht die Ontologie das verdrängte Bewußtsein der Panik?
    Der horror vacui war die letzte Gestalt der Panikerfahrung.
    Panik ist ein Massenphänomen, und heute gibt es erstmals die Panik als individualisiertes Massenphänomen.
    Panik ist ein Rückkoppelungseffekt des Schuldverschubsystems.
    Ist nicht das Panikmodell „Feuer im Kino“ ein paradigmatisches Modell? An ihm läßt sich ablesen, daß und auf welche Weise die Situation des Zuschauers im Film (vgl. die Beschreibung dieser Situation bei Edgar Morin) ein konstitutives Moment der Panik ist. An der Situation des Fernsehzuschauers ist die Individualisierung des Masseneffekts Panik direkt ablesbar.
    Wie nahe die Panik der Erfahrung und dem Bewußtsein aller ist, läßt sich an dem allgegenwärtigen Zwang zur Unterhaltung ermessen. Individuell wäre die Verdrängungsleistung nicht mehr zu erbringen.
    Der Rechtsstaat treibt den Teufel mit Beelzebub aus. Die Panik sich reproduziert sich durch den Rachetrieb, den das Recht organisiert und ausbeutet.
    Ökonomie und Physik sind Instrumente der Regression: sie versuchen, die Schöpfung rückgängig zu machen, das Tohuwabohu und die Finsternis über dem Abgrund wiederherzustellen.
    Die Banken sind Panikerzeugungs- und -verdrängungsmaschinen zugleich.
    Der Pharao zu den Israeliten: Faul seid ihr, faul.
    Die subjektiven Formen der Anschauung begründen und rechtfertigen eine Welt, in der keiner mehr gut sein kann, die den teilnehmenden Blick ausschließt.
    Die Frage der Mutter der Zebedäussöhne, wer zu seiner Rechten und Linken sitzen wird, wurde bei der Kreuzigung beantwortet: die beiden „Schächer“ (d.h. zwei Räuber).
    Der Trieb zu begreifen, was man tut, wird am wirkungsvollsten behindert und verwirrt durch die eingebaute Forderung, daraus praktische Konsequenzen zu ziehen. Wer A sagt, muß nicht B sagen; zum Versuch zu begreifen gehört auch der lange Atem, dem die kurzschlüssige Praxisforderung die Luft nimmt.

  • 13.1.1997

    Die Existenz von Feinden ist ebensowenig zu leugnen wie die Irreversibilität der Beziehung von Oben und Unten (Begriff und Objekt), mit der sie zusammenhängt, aber man sollte durch Feinde nicht zur Feindbildlogik sich verführen lassen. Es ist diese Logik, auf deren Grundlage die Bank immer gewinnt.
    Der Hellenismus war eigentlich ein Makedonismus, der aristotelische Gott, das Denken des Denkens, war das Modell der Herrschaft Alexanders.
    Haben der Sündenfall und der Cherub mit dem kreisenden Flammenschwert etwas mit dem Problem des apagogischen Beweises zu tun?
    Im Namen der Behörde ist die Logik des Lauschangriffs schon vorbezeichnet.
    Ist vielleicht der Begriff der Privatwirtschaft erfunden worden, um sicherzustellen, daß auch wirtschaftliche Einrichtungen den Schutz der Privatsphäre für sich in Anspruch nehmen können?
    Wenn „von Geburt“ genei und „von Natur“ physei heißt, heißt dann „von Natur“ nicht eigentlich „durch Zeugung“, und bezeichnet dann nicht beides einen gesellschaftlichen (einen herrschaftsgeschichtlichen, politischen, begrifflichen), nicht einen „natürlichen“ Sachverhalt (bei Paulus gibt es Unbeschnittene „von Natur“, Männer haben „von Natur“ keine langen Haare, Joseph/Barnabas, ein Levit, war „von Geburt“ ein Zyprer und Paulus war „von Geburt“ ein Römer)?
    Das Konzept der Verurteilung des Faschismus wird nicht mehr lange zu halten sein (vgl. Goldhagen): Auschwitz rückt uns immer näher.
    Der Jakobusbrief ist die Nabelschnur, die das Christentum mit seinem jüdischen Mutterschoß verbindet: Sie darf nicht durchschnitten werden vor dem Ende der messianischen Wehen.
    Die Hegel’sche Logik ist die vollständige Entfaltung der subjektiven Formen der Anschauung, die vollständige Durchdringung der durch die subjektiven Formen der Anschauung konstituierten Objektivität. An ihrer wechselseitigen Beziehung ließe das Verhältnis der Arbeit des Begriffs zum reinen Zuschauen sich demonstrieren.
    Wie unterscheidet sich das Geschehen vom Werden? Hegels Philosophie ist eine Philosophie des Werdens, während im Lichte der Fundamentalontologie sich alles ins Geschehen verwandelt. Liegt der Grund dieser Differenz in der Beziehung zur Zeit? Was bei Hegel als Werk der teleologischen Praxis, in der ich mich als der Urheber wiedererkenne, erinnert wird, ist bei Heidegger zum vergangenen Geschehen, dem ich post festum als ohnmächtiger Zuschauer beiwohne, vergegenständlicht und erstarrt. Der Begriff des Geschehens gehört zu einem Begriff der Objektivität, in dem das Subjekt nur Zuschauer und Objekt ist, nicht mehr Handelnder. Der Begriff des Geschehens erzeugt das Bild einer Welt, in der Sprache die Dinge nur noch von außen trifft (als Information und Kommunikation sich zu den Dingen draußen verhält), ihre eingreifende und ihre benennende Kraft (die miteinander zusammenhängen) verloren hat. In Heideggers Begriff des Daseins verschränkt sich das Moment des ohnmächtigen Zuschauens mit der Ohnmacht des Objekts (die Eigentlichkeit mit der Uneigentlichkeit, von der sie sich ohnehin nicht unterscheiden läßt): das Subjekt wird zum Ding und das Sein zur subjektlosen Herrschaft dessen, was ist, zum reinen Geschehen.
    Im Werden werden die subjektiven Formen der Anschauung noch als subjektive Formen reflektiert, während sie im Geschehen zu einer die Objektwelt insgesamt beherrschenden, durch Reflexion nicht mehr aufzulösenden gegenständlichen Macht geworden sind. Geschehen ist vergangenes Werden, die Weltgeschichte ist das Weltgericht.
    Die Feindbildlogik braucht die Schlechtigkeit der Welt, das herrschende Unrecht, zur Rechtfertigung des eigenen Böseseins, stattet sie mit dem zusätzlichen Komfort des guten Gewissens, der Unschuld aus.
    Gott ist nicht der Herr der Geschichte, sondern der Erwecker der Toten. Und die Väter sind die Toten, die die Toten begraben (hier findet Tobit seine Stelle, zu dessen Geschichte der Untergang Ninives gehört).

  • 11.1.1997

    Die ödipale Geschlechterpolarität (Jessica Benjamin: Die Fesseln der Liebe) reicht bis in die historisch „gewachsene“ Logik der Sprache hinein. Sie drückt u.a. in den kantischen Totalitätsbegriffen: in der Unterscheidung von Natur und Welt, sich aus. Und sie gehört zu den Gründen des Problems der „apagogischen Beweise“ (der Antinomie der reinen Vernunft), sowie in der weiteren Folge davon zu den Bedingungen der Möglichkeit der Kritisierbarkeit der staatsanwaltschaftlichen Logik (der „Gemeinheitslogik“).
    Der Faschismus hat den frei fallenden Fahrstuhl endgültig aus seinen Verankerungen gelöst. Die Feindbildlogik hat sich so tief in unsere Erfahrung eingesenkt, daß es fast unmöglich geworden ist, sie zu reflektieren. Aber das beweist nur die Notwendigkeit dieser Reflexion. Hat nicht das -d-, durch das das Ahnden vom Ahnen sich unterscheidet, etwas mit dem Suffix -de zu tun, das in Begriffen wie Gemeinde oder Behörde (Gebärde, Gelände) enthalten ist? Und steckt das gleiche -de nicht in dem deutschen Wort Werden? Und verweist dieses Werden in einer ähnlicher Weise auf das Wer wie das Wasser auf das Was? Und hat das Werden in der Hegel’schen Weltphilosophie, in Hegels Logik, eine ähnliche Funktion wie das Ahnden in der Naturphilosophie Schellings (ist das Werden das abgestorbene Wer, das Ahnden die Verfolgung der Zukunft durch die Vergangenheit: ist das Werden eine Emanation des Weltbegriffs, das Ahnden eine des Naturbegriffs)?
    Was drückt eigentlich im futurischen Gebrauch des Werden sich aus (wer ist das Subjekt des zukünftigen Tuns)? Das Werden ist der ins Affirmative gewendete Fall, der Anfang der Wege des Irrtums (sh. Hegels Planetentheorie).
    In einen andern sich hineinversetzen heißt, die Welt rekonstruieren, deren Logik sein Denken und Verhalten bestimmt (und die Welt rekonstruieren heißt, die ökonomischen Gesetze und Konstellationen rekonstruieren, die die Bedingungen seiner Selbsterhaltung ausmachen). Tiere sind reine Weltwesen, deren Existenzbedingungen durch die Natur vorgegeben sind, während die Menschen ihre Existenzbedingungen im Prozeß ihres Gattungslebens selber hervorbringen. Menschen sind Tiere, die den Bann der Gattung sprengen, für die die Welt – über die Beziehung zu den Andern, die in der Sprache gründet – reflexionsfähig geworden ist. Tiere sind nicht bessere Menschen, auch wenn sie nicht schuldfähig sind: Sie stehen unter dem Bann des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs der Natur, den sie nicht zu reflektieren vermögen.

  • 8.1.1997

    Beitrag zur Erkenntnistheorie: Was hat der Beobachter mit dem episkopos (dem Aufseher) zu tun?
    Der Beobachter blendet (durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf einen Punkt) die Wahrnehmung aus, der Aufseher (durch Abstraktion von der Gemeinschaft mit den seiner Aufsicht Unterworfenen) die Erfahrung. Die Beobachtung steht im Dienste der Selbsterhaltung, die Aufsicht in dem der Herrschaft (die Beobachtung im Dienste der Herrschaft obliegt den Geheimdiensten: wenn staatliche Institutionen in die Privatsphäre ihrer Bürger eindringen, konstituieren sie einen eigenen Privat-/Geheimbereich des Staates).
    Wie verhalten sich Beobachtung und Aufsicht zur Anschauung (hat die Beobachtung <als Erfolgskontrolle des Naturforschers im Experiment oder des Unternehmers am Markt> etwas mit dem „teleologischen“, die Aufsicht <die Normenüberwachung in der verwalteten Welt> mit dem „normenregulierten“ und die Anschauung <die die moralische Gemeinschaft mit der Welt aufkündigt, sie durch die ästhetische des Anschauens ersetzt> mit dem „dramaturgischen Handeln“ zu tun)?
    Auf dem Bauche sollst du kriechen, Staub sollst du fressen: Was ist das für eine Welt, die in Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns sich widerspiegelt (eine Welt, in der die Reflexion stillgestellt ist, und mit ihr die Idee eingreifender Kritik)? Und was wird aus dem, der keine andere Welt mehr kennt?
    Der Name Gottes ist in den Trümmern des Himmels begraben.
    Was verleiht dem Schuldverschubsystem: den Rechtfertigungszwängen und den Abwehrmechanismen, heute diese alles durchdringende Gewalt?
    Gibt es nicht bei Ezechiel eine Stelle, an der von der Wahrheit des Nordens und vom Licht des Südens die Rede ist (oder war es bei Paul Celan)?
    Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Hölle (von denen es heißt, daß sie die Kirche nicht überwältigen werden)? Sie machen die Umkehr gegenstandslos, in ihrem Kontext gibt es zur Selbsterhaltung keine Alternative mehr.
    Telefonat mit B.: Wäre es möglich, die Essenz meines Textes in Thesen zu präzisieren?
    – Mißverständnisse lassen sich nicht vermeiden ohne Selbstblockade,
    – reflektierende Urteile sind keine dogmatischen Urteile, sie sind das Korrelat der Praxis (der Freiheit, des „Wunders in der Erscheinungswelt“) in der Theorie (eingreifende Erkenntnis);
    – die abrufbare richtige Gesinnung, das verdinglichte Bekenntnis zur richtigen Theorie, schließt Gemeinheit nicht aus; Gemeinheit hat es sowohl bei den Nazis wie auch im real existierenden Sozialismus gegeben: das ist mein Thema; reflektierende Urteile sind kritisch (sie müssen es sein), aber sie sind niemals gemein: sie verurteilen nicht.
    – 68er Marxismus ist zur Ideologie geworden, als er mit der Lehre vom falschen Bewußtsein die Reflexion aus der kritischen Theorie eliminierte (als er diese Lehre in eine Waffe gegen den Feind, in ein Instrument der Verurteilung verwandelte).
    – Ein Begriff der Klarheit, der sich am Modell der klaren Fronten (am Innen/Außenparadigma) orientiert, ist kein Begriff der kritischen Theorie;
    – nicht die Stellung im Produktionsprozeß, sondern allein das Bewußtsein davon, die Fähigkeit zur Reflexion, ist entscheidend im Hinblick auf die Wahrheit (Marx und Engels waren Großbürger, keine Proletarier; und ein Proletariat, das nicht auch die Fähigkeit der Reflexion sich zueignet, hört auf, ein revolutionäres Subjekt zu sein);
    – in der gegenwärtigen Phase der politischen Ökonomie, die gekennzeichnet ist durch eine Selbstauflösung des Staates, der nach innen nur noch abstirbt, verwest, verrottet, während er nach außen zum Instrument der Verwüstung wird, ist der Staat kein „Feind“ mehr (weil er subjektlos, und damit – mit der Ablösung der Regierung durch Verwaltung – zur Brutstätte der Gemeinheit geworden ist <das ist der in den Abgrund rasende Zug>):
    . Das Frontkonstrukt erzeugt den Nebel, in dem der Feind als Feind erscheint, aber dieser Feind ist auch eine Phantasmagorie, eine Projektion, ein paranoides Konstrukt.
    . Durch bloße Machtübernahme ist ein Zustand, in dem die Menschheit ihrer Geschichte mächtig wird, in der sie lernt zu wissen, was sie tut, nicht mehr herbeizuführen.
    – Es hilft nicht mehr, nur auf der richtigen Seite zu sein; was nottut ist: seine eigene Würde darin erkennen, selber den Kopf oben zu halten, nicht mehr Objekt zu sein (die Feindbildlogik verdrängt nur das Bewußtsein, Objekt zu sein, sie löst das Objektsein nicht nur nicht auf, sie fördert es; sie gehört zu den Beschleunigungskräfte des Zuges und zu den Mächten, die die Wahrnehmungsfähigkeit verhindern).
    – Auch die Verführung durch das „gute Gewissen“, die die Feindbildlogik aus dem Feindbild bezieht, sollte nicht verharmlost werden; sie ist eine der gefährlichsten faschistischen Verführungen (die Rechtfertigung des eigenen Handelns durch das des Feindes, die Nutzung der Feindbildlogik als Mittel der moralischen Enthemmung).
    Den Weltgeist begreifen, der dieses Marionettentheater inszeniert, an dessen Fäden wir agieren.
    Die Weltkriege und Auschwitz waren die ersten Crash-Tests des in den Abgrund rasenden Zuges.
    Die Väter sind die Repräsentanten der Außenwelt in der Familie, und sie werden zu Recht für den Zustand dieses Welt haftbar gemacht.
    „Laßt die Toten ihre Toten begraben“: Ist das nicht auch ein Imperativ an die Väter? Ist nicht auch das ein Werk der Barmherzigkeit (das Werk des Tobit, der darüber blind geworden ist)?
    Drei Dinge haben mich von Anfang an an der RAF irritiert:
    – Sie hat dem öffentlichen kritischen Diskurs den Boden entzogen (und es gibt keine linke Theorie ohne Öffentlichkeit: das scheinen die Vertreter des Staatsschutzes besser zu wissen als die, die sich heute für Linke halten, während sie gleichzeitig den öffentlichen Diskurs fürchten);
    – der grob fahrlässige Versuch, den Staat zu zwingen, sein wahres Gesicht zu zeigen; mein Eindruck war: Sie wissen nicht, wovon sie reden. Das „wahre Gesicht des Staates“ ist das faschistische, und dem vermochte auch die RAF (die den Faschismus nie begriffen hat) nichts mehr entgegenzusetzen;
    – durch ihre Aktionen hat die RAF mit dazu beigetragen, dem Staat das Alibi für den Ausbau des Repressionsapparats, der heute für andere Zwecke nutzbar ist, zu liefern, die Widerstände dagegen, die unter anderen Bedingungen vielleicht doch noch mobilisierbar gewesen wären, abzubauen. Das kritische Potential, das aufgrund der Erinnerung an den Faschismus vorhanden war und mobilisierbar gewesen wäre, wurde verdrängt, neutralisiert und auf ungefährlichere Objekte verschoben: von der ökonomischen Reflexion auf die Ökologie und auf die Friedensbewegung (Konkretismus, Flucht ins gute Gewissen).
    Urteilsmagie: Daß einer für oder gegen etwas ist, ist noch keine Garantie dafür, daß er dazu beiträgt, daß die Dinge in die Richtung bewegt werden, in die er sie gerne bringen möchte. Es kommt nicht darauf an, daß auf Worte Taten folgen, sondern daß die Worte selber zu Taten werden, und die Theorie zur eingreifenden Gewalt.
    Ist nicht die RAF in den Wiederholungszwang geraten, der sie dazu bringt, die Argumente ihrer Väter, gegen die sie einmal aufbegehrt hat, zu reproduzieren, wenn sie ihren Kritikern entgegenhält, daß sie die Risiken des Handelns gescheut und sich nur herausgehalten hätten; so hätten sie das Recht zur Kritik verspielt. Ähnlich haben ihre Väter auf die Faschismuskritik reagiert: Ihr habt’s nicht miterlebt, ihr könnt nicht mitreden. (Es gibt noch andere Beispiele: so erinnert das Wort vom Verrat der eigenen Geschichte an das Argument der Nestbeschmutzung, der Hinweis auf die schlimmeren Taten der Herrschenden an den Vergleich von Auschwitz mit Hiroshima und Dresden. Hierher gehört auch der Antizionismus und die weithin unreflektierte, die geschichtlichen Voraussetzungen ausblendende Parteinahme für den palästinensischen Widerstand.)

  • 6.1.1997

    Haben die Duftmarken, die Hunde an ihre Wege setzen, etwas mit symbolischen Eigentumsansprüchen zu tun, und ist dann nicht das Sein eine solche Duftmarke? Fällt der Ursprung des Hilfsverbs Sein nicht in der Ursprungsgeschichte des Staates: der gesellschaftlichen Organisation des Privateigentums? Der Allgemeinheitskern des individuellen Eigentums (des „Seins“) ist der Staat (bezeichnet der Staat in der Gesellschaft von Privateigentümern nicht die gleiche logische Stelle und Funktion wie das Planetensystem in der Natur?). Sind nicht Wasser und Feuer Symbole der inneren Beziehung von Allgemeinem und Einzelnen? Ist nicht Hegels Logik die Entfaltung dieser Beziehung von Allgemeinem und Einzelnem, und ist die Hegelsche Indifferenz die von Wasser und Feuer, und seine Idee des Absoluten der Versuch, das Feuer zu bannen?
    Der Objektbegriff ist die Selbstverurteilung der Dinge in einer gnadenlosen Welt. Im Namen des Dings steckt immer noch die objektive Erinnerung an das Thing, die germanische Gerichtsstätte.
    Die kopernikanische Wende war die Wende zur Selbstverurteilung der Dinge; sie ist eins mit der Logik, die im Ursprung des Kapitalismus gesellschaftlich sich entfaltet. Die kopernikanische Wende hat der kapitalistischen Organisation der Ökonomie den Weg freigeschaufelt.
    Gehört nicht der staatsanwaltschaftliche Begriff des „Selbstbezichtigungsschreibens“ zur Logik der Selbstverurteilung?
    Weltgericht: Die Welt ist das richtende Subjekt der Selbstverurteilung der Dinge. Und die Selbstverurteilung der Dinge ist zugleich der Grund des Weltbegriffs.
    Ob Barmherzigkeit heute, im Zeichen der universalen Verdinglichung (und ihrer eigenen Instrumentalisierung), ihre Adressaten noch erreicht, ob die Forderung der Barmherzigkeit noch erfüllbar ist, ist nicht mehr im voraus zu garantieren, sicher ist nur noch, was der Unbarmherzige sich selbst antut.
    Die „Erkenntnis des Guten und Bösen“ begründet den Schuldzusammenhang, in dem sie sich selbst konstituiert.
    Die absolute Verurteilung, auch die des Faschismus, verlegt der Selbstreflexion den Weg. Oder auch: Das Gericht verlegt der Barmherzigkeit den Weg. Aber eben deshalb bezeichnet die Barmherzigkeit den Weg, der aus dem Bann des Gerichts herausführt.
    Isolationsfolter: Wer (wie das Berliner Prozeßbüro im Nachwort zum Hogefeld-Buch, S. 183) aus der Ohnmachtserfahrung ein Ohnmachtsgefühl macht, bestreitet den Anspruch auf Objektivität, den der Erfahrungsbegriff erhebt, macht daraus ein subjektives Gefühl, das dann nur noch verdrängt werden kann, während die Erfahrung zu reflektieren wäre (ähnlich wie Angst, Schuld und Schrecken gehört auch die Ohnmacht zu den Begriffen, denen in der naturwissenschaftlichen Welt nichts mehr entspricht, die zu Gefühlen subjektiviert geworden sind, nicht mehr reflexionsfähig sind und eigentlich nur noch pathologische Züge tragen).
    Ein Satz, den ich nicht verstehe: „Wer Die Avantgarde kritisiert, ist counter.“ (S. 182) Begründet wird er mit dem Hinweis auf den „Einsatz“, den die Avantgarde einbringt: das eigene Leben, das Risiko lebenslanger Haft. Hier werden – in der opfertheologischen Tradition, die zur Geschichte des Christentums als Staatsreligion gehört, die dann zur Legitimation auf die Märtyrer sich berief, eine Tradition, die in Auschwitz und den „Heldenfriedhöfen“ der Weltkriege endete – die Ziele durch die Mittel legitimiert. Aber Ziele werden nicht dadurch, daß die einen ihr Leben für sie einsetzen, während andere geopfert werden, sakrosankt, auch diese Ziele müssen reflektionsfähig bleiben, wenn sie nicht den Wiederholungszwängen verfallen sollen. Den Satz „Wir hoffen, daß mit einer Diskussion über die Geschichte der RAF auch die Gefangenen wieder in den Mittelpunkt rücken“ (S. 188) kann ich nur noch opfertheologisch zu verstehen, er ratifiziert das Ende der RAF.

  • 2.1.1997

    Nach Walter Pehle kann es „einfache Antworten auf die Frage, ‚wie aus einem Kulturvolk ein Volk von Mördern wurde‘, … nicht geben“ (Matthias Arning: „Wider die postmoderne Beliebigkeit“, FR von heute). Klingt das nicht ein wenig nach dem „Uns kann man nichts nachweisen“? Pehle zu Goldhagen: „Das ist alles Käse“.
    „Natur im Subjekt“: Natur konstituiert sich im Kontext der Geschichte der Naturbeherrschung. In dieser Geschichte hat der Ursprung und die Entfaltung des Geniebegriffs, aus dessen Reflexion die kantische Formel von der „Natur im Subjekt“ sich herleitet, seine genau bestimmbare Stelle und Funktion. Adornos Formel zitiert Kant.
    Verurteilung und Schrecken: Der Faschismus ist die erste Manifestation einer Entwicklung, in der Richter und Täter am Ende nicht mehr sich unterscheiden lassen. Der Vers aus dem Sonett Reinhold Schneiders: „Allein den Betern kann es noch gelingen, …“ wird vielleicht verständlicher, wenn man das „Schwert ob unsern Häupten“ als das Schwert in unsern Händen begreift, und die „richtenden Gewalten“ als Gewalten begreift, an denen wir teilhaben. Erst dann wird deutlich, daß es zu den „Betern“ (deren Gebet als Seele der Sprache sich begreift) und zum „geheiligt Leben“ keine Alternative mehr gibt.
    Die RAF hat den Beweis für die These erbracht, daß Richter und Täter (der Terrorismus und die Formen seiner Bekämpfung) ununterscheidbar werden.
    Sind es nicht die Historiker, die den Stein vor das Grab der Vergangenheit wälzen. Und als Maria Magdalena kam, um den Toten zu salben, und überlegte, wie sie den Stein fortbewegen könne, da war der Stein schon zur Seite gewälzt und das Grab leer.
    An welchem Zeichen gab Jesus den Verräter zu erkennen?
    – Mt 2623: Der, welcher mit mir die Hand in die Schüssel getaucht hat, …
    – Mk 1420: Einer von den Zwölfen, der mit mir in die Schüssel taucht.
    – Lk 2221: Doch siehe, die Hand dessen, der mich verraten wird, ist mit mir auf dem Tische.
    – Joh 1326: Der ist es, dem ich den Bissen eintauchen und geben werde.
    Wer nicht mehr weiß, was er tut, braucht eine Instanz, die ihm die Verantwortung für sein Tun, das er nicht mehr durchschaut, (für seine Pflichterfüllung) abnimmt. Deshalb brauchte Habermas den „Verfassungspatriotismus“, als er, nachdem er die Kritik der Naturwissenschaften verworfen hatte, keine Möglichkeit mehr sah, richtiges Handeln im Gewissen zu begründen (das Gewissen ist nur im Kontext der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung zu begründen). Wenn es keine inhaltlichen Kriterien fürs Gewissen mehr gibt, dann hilft nur noch die Legitimation durch kollektive Entscheidungen.
    Die Würde einer demokratischen Verfassung, die allein darin liegt, daß sie dem Gewissen Raum gibt, wird durch den Begriff des Patriotismus haarscharf verfehlt.
    Hat Habermas nicht die Dialektik der Aufklärung doch sehr fundamentalistisch gelesen? Hat er nicht die reflektierenden Urteile als bestimmende, als objektkonstituierende Urteile gelesen, um sie dann verwerfen zu können? Fundamentalistisch ist dann auch seine Kommunikationstheorie geworden (in welcher Beziehung steht die Habermas’sche Version der Kommunikationstheorie zur double-bind-Theorie, die er verschweigt?).
    Hat nicht das Gleichnis von dem einen Sünder und den neunundneunzig Gerechten etwas mit der Beziehung von Schrecken und Urteil im Hinblick auf den Nationalsozialismus zu tun? Ist nicht die Reflexion des Schreckens der Weg zur Bekehrung des Sünders, die Verurteilung der Weg der neunundneunzig Gerechten?
    Zu jedem Schicksal gibt es Täter. Nur für Zuschauer, die aber eben dadurch zu Richtern der Opfer und zu Komplizen der Täter werden, gibt es ein reines Schicksal. Schicksal ist die Sünde der Welt als Natur. Die letzte Bastion der mythischen Schicksalslogik sind die subjektiven Formen der Anschauung.

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