Der Weltbegriff ist der Inbegriff der Katastrophe, aber bei gleichzeitiger Abstraktion von der Katastrophe. Prophetie ist keine umgekehrte Geschichtsschreibung, sie ist vielmehr der Einspruch gegen die Vorstellung, nach der die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird. Deshalb gehört zur Rekonstruktion des prophetischen Denkens die Kritik sowohl der Natur- wie der Geschichtswissenschaft, die beide davon ausgehen, daß die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird. Jeglicher Fundamentalismus – und auch der Stalinismus war ein (marxistischer) Fundamentalismus – steht unter dem Bann des eigenen Feindbildes. Ist die „Schwerkraft“ die Besiegelung der Leugnung des Angesichts? Hat nicht das newtonsche Gravitationsgesetz die Form des Lichts ursurpiert: die Reflexionsbeziehung der „Anziehungskräfte“ spiegelt die zugleich verdrängte innere Form des Lichts, die Einheit des Sehens und Gesehenwerdens, wider. Merkwürdige Wahrnehmung: die Masse wird immer gesichtslos genannt; aber beim Vorbeimarsch der Massen beim Führer hat jeder sich als vom Führer „persönlich angeblickt“ gefühlt. War das ein Schameffekt (und ist nicht auch die Gravitation ein Schameffekt, Produkt der Universalisierung der Scham)? Wer die Astrologie als die Wissenschaft der Chaldäer (der Sumerer?) begreift, begreift den Turmbau zu Babel. Bilden nicht die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte vom Sündenfall und die jahwistische Urgeschichte eine Konstellation, in der die Teile nur begriffen werden können, wenn das Ganze begriffen wird (in gewisser Hinsicht vergleichbar dem Zusammenhang von Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes im Hegelschen System)? Sie werden völlig verkannt, wenn sie historisiert und nur als vergangen angesehen werden, wenn das prophetische Moment darin, das, was die Aktualität, die Gegenwart, berührt, verdrängt wird. Wenn man einen Handschuh umstülpt, wird aus dem rechten ein linker. Ist das ein Bild der Beziehung von Barmherzigkeit und Gericht? In den alten Sprachen waren die Suffixe in erster Linie Determinanten, dann Grund und Mittel der Flexion, in den neuen Sprachen sind sie Mittel der Substantivierung (die die flektierende Sprache voraussetzt, aus ihr zusammen mit dem Inertialsystem hervorgeht). Welches ist die Bedeutung der Präfixe; wie ist ihre Beziehung zu den Präpositionen? Daß Joh 129 unters Nachfolgegebot fällt, ergibt sich aus dem Satz vom Binden und Lösen. Ist nicht die Mathematik, die alles erstarren macht (und damit alles verfügbar macht, instrumentalisiert), das steinerne Herz (Grund der Objektivierung, Verhältnis des Dogmas zur Mathematik)? Es gibt keine absolute Wahrheit, was jedoch nicht heißt, daß es keine Wahrheit gibt. Hat Hegel beim Übergang vom Sein zum Werden nicht das Haben vergessen? Und beschreibt der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nicht einen sprachlogischen Sachverhalt: Die Würde hängt in der Tat zusammen mit dem konjunktivischen Hilfsverb „würde“ und drückt das Nichtverdinglichte, und deshalb nicht Antastbare, aus. Damit hängt u.a. auch die heute so beliebte Sprachwendung „ich würde sagen“ zusammen. Was ich nur sagen würde (ich habe es ja nicht gesagt), entzieht sich der Anklage, der Kritik; die Wendung erfüllt eine exkulpatorische Funktion. Wie hängen die die Fremdbestimmung reflektierenden Hilfsverben des Handelns „müssen“, „sollen“, „dürfen“ zusammen? Die Gottesfurcht ist der Grund der Weisheit, weil sie der Grund der Fähigkeit zur Sprachreflexion ist. Am Begriff des Glücks läßt sich das alles durchkonjugieren: Glück haben ist etwas anderes als glücklich sein, und das wiederum ist zu unterscheiden vom würdig sein, glücklich zu werden (ist nicht dieses „würdig“ das Verbindungsglied zwischen der Würde und dem Hilfsverb „würde“?). Das Wort von der rechten und linken Wange in der Bergpredigt ruft nur deshalb einen solchen Widerstand (schon gegen das Verständnis des Wortes) hervor, weil heute fast alle ihr Ich an die Fähigkeit, sich rächen zu können, knüpfen. Wer auf Rache Verzicht leistet, entsagt dem Recht, Person zu sein. Hier liegt der wichtigste Grund des Rechtsstaats, der auch dort, wo ich selbst mich nicht rächen kann, für mich einsteht, die Rache stellvertretend für mich leistet. Deshalb brauchen wir Gefängnisse (und totalitäre Staaten Konzentrationslager). Wenn das Stichwort „Terrorismus“ fällt, setzt heute im öffentlichen Gebrauch der Verstand aus. Das beginnt in den Medien mit der geheuchelten Anteilnahme („die Kurden erweisen sich selber einen schlechten Dienst“) und endet mit der öffentlichen Präsentation der Mordlust („alle ins Flugzeug, und dann überm Meer: Klappe auf“). Und der deutsche Innenminister sagt’s dann auch nicht viel anders und hat offensichtlich große Mühe, die Wut, die seine Gesichtszüge und seine Sprache entgleisen läßt, noch zu beherrschen.
Feindbildlogik
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18.12.93
Das Absolute und das Relative sind Reflexionsbegriffe: das Absolute ist Produkt der Abstraktion von der eigenen Relativität: von der Verstrickung in den Schuldzusammenhang (Korrelat des Naturbegriffs). Als Produkt des Exkulpationstriebs und des Rechtfertigungszwangs ist das Absolute der hypostasierte Abstraktionsprozeß: das Ding an sich, Reflex des hypostasierten Subjekts. Der Abstraktionsprozeß, der mit dem Objektbegriff seinen Stützpunkt in der Welt errichtet hat, hat die Welt durch den Objektbegriff überhaupt erst zur Welt (zu einer durchs Feindesland verhexten Wolfswelt: „Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe“) gemacht. Es gibt kein Absolutes ohne zugehörige Wolfswelt (ohne zugehöriges Feindbild), an dem die eigene Schuld projektiv gerächt wird (und ohne zugehörige Exkulpationsautomatik: ohne Naturbegriff).
Absolut im strengen Sinne sind nur die subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere der Raum (und als seine Reflexionsform das „Überzeitliche“): er entzieht sich der immanenten Kritik, wird reflexionsfähig erst im Kontext der Umkehr (und der Idee des Ewigen).
Die Idee der Wahrheit ist nicht leer, aber der Begriff einer absoluten Wahrheit ist eine contradictio in adjecto: er relativiert die Idee der Wahrheit. Die Wahrheit hat einen Zeitkern (das Überzeitliche schließt wie der Prozeß der Dogmenbildung die Erinnerung und die Versöhnung aus: Substrat der Selbstverfluchung).
Gehören die Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie zur Geschichte des Absoluten (ist der Absolute Geist der zur Hölle abgestiegene Geist, das Hegelsche Absolute die trinitarische Einheit von Ankläger, Verwirrer und Subjektivität: Satan, diabolus und daimon)?
Der Geburtsfehler der Philosophie: Sie hat die an sich praktischen (durch Absolutierung) zu theoretischen Begriffen (die ethischen zu Weltbegriffen) gemacht und den Handelnden in die Position des Zuschauers gebannt: die Aufforderung zu handeln, die von den Dingen ausgeht, durch den Zuschauerbann (den Bann der Theorie) neutralisiert und storniert. Der Zuschauerbann ist der ästhetische Bann; deshalb beginnt die transzendentale Logik mit der transzendentalen Ästhetik. In dieser Ästhetik gründet auch die Kunstphilosophie, die heute unter dem Titel Ästhetik zusammengefaßt wird.
Der Begriff des Absoluten ist die Bedingung der Möglichkeit des Objektivierungsprozesses und der Grund des Weltbegriffs: die Sünde der Welt.
Hypostasierung und Personalisierung (die Formen der Verdinglichung) sind Emanationen des Absoluten.
Die Idee des Absoluten ist der Quellgrund der Leidenschaften: Hier entspringen die moderne Lyrik, der Liebesroman und das moderne Drama.
Die Ästhetik ist der Grund und die Folge der Todesweihe an den Dinge, aber „Stark wie der Tod ist die Liebe“. Kunst ist wie die Natur: nature mort (eine schöne Leiche).
Das Objektbegriff, das ad litteram und der Antisemitismus: Der Zusammenhang wäre nachzuweisen an der Geschichte des Paulinismus: an der Rezeption der paulinischen Gesetzeskritik, die, indem sie auf ein vorbezeichnetes identifizierbares Objekt, die „jüdische Gesetzesreligion“, bezogen wird, als Mittel der Selbstreflexion, der Kirchen- und Dogmenkritik, ausgeschaltet wird. Die Gefahr heute scheint darin zu liegen, daß über die christliche Opfertheologie (die Logik der Vergöttlichung des Opfers) Israel nach Auschwitz in die Opfertheologie mit hereingezogen wird und auf eine ähnlich neutralisierende Weise heiliggesprochen wird, wie man im Anfang auch am Jesus (und an der jüdischen Tradition, in der er steht) das Beunruhigende durch Vergöttlichung neutralisiert hat. Die Kirche als Israel: das war ebenso wenig wie die Erwählung des Volkes Israel ein (den Juden geraubtes) Privileg, sondern ein Maß, an dem die Kirche ebenso wie das historische Israel sich muß messen lassen. Die Einschränkung der Prophetie auf die Juden (im Kontext ihrer „Erfüllung“ in Jesus) war die erste in der Kirchengeschichte der drei Leugnungen. Wenn die Kirche Israel ist, ist sie Objekt der Prophetie (steht sie unter ihrem Gericht), und nur als Objekt der Prophetie ist sie auch Israel.
Melchisedek, der König von Salem, opferte Brot und Wein und war der erste Empfänger des Zehnten.
Liegt nicht die Bedeutung (und die emotionale Besetzung) der herrschenden antiken Chronologie darin, die Objektbindung biblischer Texte abzusichern, sie gegen jeden realen prophetischen Gebrauch abzuschirmen? Ist sie nicht in der Tat fundamentalistisch (und der Grund jeden Fundamentalismus, auch des jüdischen und islamischen)?
Das Bild, daß der Himmel sich aufrollt wie eine Buchrolle, ist eine apokalyptische Beschreibung des Ursprungs der Schrift.
Die Welt brennt, und die Banken unterhalten und schüren das Feuer.
Seit wann hat es die jüdischen „Hoffaktoren“ gegeben, und welche Aufgabe und Funktion hatten sie?
Der Korpuskel-Welle-Dualismus, die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation und das Bohrsche Komplementaritätsprinzip beschreiben den gleichen Sachverhalt. -
16.12.93
In der Moderne waren die Banken von Anbeginn Privatbanken, auf den wechselseitigen Verkehr (Finanzmessen, dann Zentralbanken) angewiesen.
Bankengeschichte, S. 114: Wo lag der Grund für den „außerordentlichen Geldbedarf, den die Weltpolitik der entstehenden europäischen Nationalstaaten schuf“?
War die Währungshoheit der Staaten erst auf der Grundlage von Papiergeld möglich?
Die Vertrautheit, die schon die Anfänge der modernen Bankengeschichte kennzeichnet, hängt mit zwei Dingen zusammen:
– mit dem methodischen Verfahren der Darstellung: die Einschränkung auf die Entwicklung der technischen Aufgaben des Bankwesens, deren Maß der technische Standard von heute ist,
– außerdem: vor dem Hintergrund des Christentums ist ein Weltbegriff entstanden, der diese technischen Details gleichsam wertneutral darzustellen ermöglicht.
S. 121: Lag der Unterschied zwischen dem „Süden“ (Italien, Spanien, Frankreich) und dem „Norden“ (Niederlande, England, Deutschland) darin, daß im Süden das (private und politische) Kreditgeschäft weiter entwickelt war, während im Norden der Schuldbrief (die Regelung des Zahlungsaufschubs: gleichsam der „Kredit“ nach vollzogenem Geschäft) im Vordergrund stand (Grundlage des Diskont- und Zentralbank-Wesens?)? Versehen mit einer Inhaber-Klausel konnten diese Schuldbriefe dann auch als Zahlungsmittel verwandt werden.
Das erste Börsen-Gebäude 1531 in Antwerpen: eine permanente Finanzmesse.
Der logisch-systematische Grund der modernen Demokratie liegt in den Staatsverschuldungen seit der Renaissance: Die Kreditgeber erhoben den natürlichen Anspruch, über die Verwendung der Kredite mitzubestimmen. Entspringt nicht der moderne Staat generell mit der Staatsverschuldung (als Ende der Geschichte der Schuldknechtschaft)?
Sind die kirchlichen Banken, die in der Europäischen Bankengeschichte merkwürdigerweise nicht erscheinen, nicht der Vorläufer der Zentralbanken, und das kirchliche Ablaßwesen das Modell der staatlichen Anleihen? Welchen Ursprung und welche Funktion hatten die kirchlichen Banken in der Geschichte der Kirche und der Theologie (ihr Pendant: die pornographische Epoche der kasuistischen Moraltheologie)? In welcher Beziehung stehen sie zu den opfertheologisch begründeten Vorstellungen über die kirchliche Verwaltung des Gnadenschatzes? Zusammenhang von Instrumentalisierung des Kreuzestodes, Ursprung der Sexualmoral, Sakramentenlehre und Kapitalisierung der Gnadenverwaltung, kirchlicher Imperialismus, mit der Geschichte der Geldwirtschaft (Bedeutung der Theologie für die Konstituierung des Objektbegriffs).
Die Philosophie als der mystische Leib Christi: War Jesus nicht ein am haarez aus Galiläa, aber kein Rabbiner (und deshalb auch nicht verheiratet)?
Sind nicht die Geschichten vom Sturm auf dem Meere und vom Schiffbruch des Paulus vor Malta Variationen zur Jona-Geschichte? Und ist nicht der dogmatisierte Glaube das, was Jesus in der Geschichte vom Wandeln auf dem Meere den „Kleinglauben“ des Petrus nennt?
Gottesfurcht ist das Ende der Menschenfurcht: Sie bricht den Bann der Welt.
Klugheit, Weisheit und Verstand (die „Klugheit der Schlangen“, „hier braucht es Weisheit und Verstand“, in der Prophetie „Weisheit und Einsicht“):
– Klugheit ist das Vermögen der rationalen Selbsterhaltung,
– Weisheit, nach Thomas von Aquin eine Tugend der Regierenden, das Vermögen der rationalen Reflexion der Klugheit (Reflexion der Klugheit der anderen im Hinblick auf das Wohl aller),
– Verstand: das Vermögen der Einsicht, des Verstehens, ein sprachliches Erkenntnisvermögen (das Erkenntnismoment im Namen, Medium der Gotteserkenntnis); das eigentlich mystische Organ ist der Verstand.
Das Denken der Philosophie ist ein Denken mit eingebautem Feindbild.
Mit Assur und Babylon beginnt die seither nicht mehr unterbrochene Geschichte der Weltreiche; Ägypten war nur das Sklavenhaus. So war der Pharao der König von Ägypten, ein König unter anderen Königen; der König von Babylon hingegen der König der Völker, ein König der Könige.
„Oh, du fröhliche …“. Müßte der Folgetext nicht umgedreht werden: Welt ward geboren, Christ ging verloren? Und ist das „Freue dich“ im Kontext der auf den Kopf gestellten christlichen Erlösungslehre nicht der Hohn über die Dinge (der sie zu Dingen macht), der im Gelächter laut werdende Haß der Welt? Wer Ohren hat zu hören, müßte im Inertialsystem und im Begriff Laborbedingungen (in den Bedingungen des Experiments) das höhnische Gelächter hören, daß das Subjekt aus der Welt austreibt (in dem das Subjekt sich selbst aus der Welt austreibt, indem es zur Welt wird). Ist diese Austreibung des Subjekts (die erstmals in der philosophischen Kritik des Anthropomorphismus erscheint) die Antwort der Welt auf die jesuanische Austreibung der Dämonen?
Ist nicht das Weihnachtsfest zum Fest der institutionellen Abtreibung der Wahrheit geworden, und die kirchliche Abtreibungskampagne eine Form der projektiven Verarbeitung dieser Abtreibung? Ist hier nicht der Greuel am heiligen Ort, der gnadenlose Kult des Selbstmitleids, in dem jede Erinnerung an Barmherzigkeit erstickt?
Der Weihnachtsmann: eine Mischung aus einem Nikolaus, der eigentlich der böse Wolf ist, und Rotkäppchen, eine Karikatur des Bischofsamts, die dessen historische Wahrheit ausplaudert. Wie erfahren Kinder, die einmal den Nikolaus kennengelernt haben, dann den Bischof?
Mit dem y im Seyn hat Heidegger das Possessivpronomen vergoldet. -
05.12.93
Offb 179: „Hier ist der Verstand (vonnöten), der Weisheit hat. Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen das Weib sitzt, und sind (zugleich) sieben Könige.“ Aber der Engel entrückt ihn in eine Wüste, nicht auf einen hohen Berg, um ihm die große Buhlerin (Babylon) zu zeigen (173).
Die Welt bezeichnet einen Bereich des Handelns, in dem man ohne Reue und ohne zu verzeihen seine Interessen und Ziele verfolgen kann. Das Absolute, das Korrelat der Welt, exkulpiert apriori. Das logische Apriori der Welt ist die eigene Rechtfertigung, die Selbstrechtfertigung (wenn sie ganz zur Ideologie geworden ist, bedarf sie keiner mehr).
Eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit: Kann das nicht auch (x + x2)1/2 sein? Kommt der Ausdruck „ein A und zwei A und ein halbes A“ in der alten Mathematik vor?
Ist der Lautsprecher (Begriff der Rede, die jede Reflexion im Keim unterbindet) nicht ein zentraler Typos der Nazizeit?
Zur Kritik des Absoluten (Voraussetzung wäre eine Kritik der Mathematik): Hängt der Begriff des Absoluten nicht mit dem der Absolution („absolvo te in nomine …“) zusammen? Ist das Absolute nicht das immanente Telos des Exkulpationstriebs: die Macht der Sündenvergebung (Typos Barock!)? Und steckt darin nicht die Macht, die Vergangenheit zu vernichten: die Macht der Verdrängung? Hat die Kirche deshalb immer jede Vergangenheit (zuerst das Heidentum und Judentum) „überwunden“, und droht sie nicht (seit dem Barock) zum Opfer der Überwindung der eigenen Vergangenheit zu werden (zum Kern eines gewaltigen Verdrängungsapparats)? Deshalb können Theologen (Leonhard Ragaz eingeschlossen) das Jüngste Gericht nicht mehr vom Weltgericht unterscheiden.
Gegen jeden Fundamentalismus: Das Absolute ist der Erbe des mythischen Schicksals und das Korrelat der Welt. Gott aber hat Himmel und Erde erschaffen. Das Abolute ist das caput mortuum Gottes, zu seinen Konstituentien und Gründen gehört die List der Vernunft als Mittel der Befreiung von der Gottesfurcht.
Zum Absoluten gehört die Person: die Maske (die Charaktermaske: Geburt des Absoluten aus dem Geist der Tragödie). Das Absolute ist der Gott für andere, Grund jeder instrumentalisierten Religion, das mythische Erbe in der Religion.
Die Kritik des Absoluten schließt die Kritik des Bekenntnisses mit ein, aus dessen Logik es hervorgeht. Die Bekenntnislogik ist die Logik der Religion für andere: deshalb schließt sie das Feindbild (im Christentum den Antijudaismus), das Verrätersyndrom (die Ketzerverfolgung) und die Frauenfeindschaft mit ein (dadurch unterscheidet sich das Bekenntnis „zur Gottheit Jesu“ vom Bekenntnis des Namens).
War es nicht der tiefste Wunsch Heideggers, und zwar einer, der in der innersten Struktur seiner Philosophie (des ontologischen Ansatzes) begründet war: Kirchenvater des Nationalsozialismus zu werden? (Das Sein ist das Sein; der Infinitiv gründet im Possessivpronomen, und die Ontologie wäre im Kontext einer Geschichte der Banken zu analysieren.)
Sidneys Argument (in dem Gespräch nach dem Konzert gestern abend), daß die Lohnkosten (DM 50,- Stundenlohn für deutsche Arbeiter gegenüber DM 5,- für polnische oder tschechische Arbeiter, und das bei 200 Arbeitstagen im Jahr) Ursache der Wirtschaftskrise in der BRD seien, vergißt (oder verschweigt), daß
– die beiden Stundenlöhne so nur aus Unternehmersicht, nicht aber aus der Sicht der Betroffenen und auch nicht aus politischer Sicht vergleichbar sind (die Basis ist nicht vergleichbar),
– die Lebensverhältnisse in der BRD (u.a. die Mietkosten) eine Senkung der Löhne nicht zulassen, ohne zu riskieren, daß das Heer der Obdachlosen vergrößert und die Gefahr einer neuen faschistischen Eruption heraufbeschworen wird.
Die Intention des Arguments war rücksichtslos und barbarisch, aber sein Realgrund darf nicht verdrängt werden: Laufen die wirtschaftspolitischen Ziele der Bundesregierung:
– Erhaltung der Geldwertstabilität und
– Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland
unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht in der Tat auf diese barbarischen Folgen hinaus? Läßt sich eine nationale Wirtschaftspolitik (oder eine Wirtschaftspolitik, die den nationalen Grund der Wirtschaft unangetastet läßt, sich als Wirtschaftspolitik im internationalen Konkurrenzkampf begreift) ohne diese Folgen überhaupt noch begründen? In welcher Beziehung steht die Währungshoheit des Staates (der systematische Grund des Nationbegriffs) zu den Problemen der unterschiedlichen Infrastrukturen, den Mitteln der Marktsicherung (Zoll und Steuern), den Problemen der ökologischen und politischen Existenzsicherung, aber auch dem Wandel der Öffentlichkeit, den ökonomisch und real, durch die Geschichte des „Begriffs“ (d.h. herrschaftsgeschichtlich), erzwungenen Formen der „Rücksichtlosigkeit“ (reale Entwicklung des Weltbegriffs)?
Zu Sidneys Konzept eines ökologischen Heizkraftwerks, dessen Emissionen einen Wald nähren sollen, damit sie die Atmosphäre nicht belasten:
– Stimmt eigentlich die Prämisse, daß die Emissionen insgesamt über den Kohlenstoff-Umsatz zur Holzerzeugung genutzt werden können; gibt es nicht auch waldschädigende Emissionen (die heute über den sauren Regen das Waldsterben verursachen), die das Konzept von vornherein zum Scheitern verurteilen würden?
– Und selbst, wenn man das vernächlässigen könnte: Welche Folgen hätte die Kohlenstoff-Übersättigung?
Der Kapitalismus hat die Schuldknechtschaft institutionalisiert.
Der Fehler des real existierenden Sozialismus lag nicht in Grundlagen der Theorie, sondern in den Prämissen und Folgen ihrer technologischen Anwendung. Aber diese Prämissen und Folgen sind Teil der vom Tauschprinzip beherrschten Wirtschaft insgesamt, auch der Marktwirtschaft, die nur aufgrund der konsequenteren Anwendung: aufgrund ihrer Rücksichtslosigkeit durchsetzungskräftiger ist. -
11.10.93
Feindschaft begründet Gemeinschaften, macht aber zugleich dumm: Weil es keine Feindschaft ohne Projektion gibt.
Das Feindbild (das Feinddenken) macht nicht nur dumm, sondern durch das selbstreferentielle Moment im Feinddenken, wird man selbst zu dem, als das man den Feind (mit Hilfe des Instrumentariums der Projektion) erkennt.
Die Vorstellung, daß, wenn man Herrschaft abschafft, alles weiterläuft, nur eben besser, ist lebensgefährlich naiv.
Solange Revolution nur aus der Empörung sich nährt, verändert sie nur das Selbstgefühl, nicht die Welt.
Zur Erschaffung des Menschen:
– Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde,
– nach dem Bilde Gottes schuf er ihn,
– als Mann und Weib schuf er sie (Gen 127).
Drückt sich darin nicht vor dem Geschlechterverhältnis das Herrschaftsverhältnis aus, das zur Erschaffung des Menschen gehört (Gott – den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes -er ihn, als Mann und Weib – er sie)?
Gibt es im Hebräischen ein Äquivalent zu der Unterscheidung von bestimmtem und unbestimmtem Artikel; gibt es eine Beziehung des unbestimmten Artikels (und des Infinitivs Sein) zum Possessivpronomen und zur Negation (ein, mein, sein, nein)?
Die Orwellschen Sprachregelungen sind nicht nur willkürlich, sondern haben einen logischen Kern. Das Problem der Sprachregelung hängt mit der Beziehung von Begriff, Name und Instrumentalisierung (der Subjektivierung der Zwecke) zusammen, wobei der entscheidende Einbruch in der kantischen Philosophie aufs präziseste bestimmt wird: Kristallisationskern einer Logik, die keine anderen als subjektive Zwecke mehr kennt, der Objektbegriff, der sich im Kontext der Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung konstituiert. Mit dem Objektbegriff, mit der der transzendentalen Logik zugrunde liegenden apriorischen Objektbeziehung des Urteils verliert der Begriff seine benennende (und die Sprache ihre argumentierende) Kraft. Der Name wird zu einem Teil des Reichs der Erscheinungen: er wird willkürlich, kontingent. Das Objekt und seine Derivate (die transzendentale Ästhetik und Logik insgesamt), in ihrem Kern die mathematische Raumvorstellung, machen den Namen gegenstandslos, zerstören die Sprache von innen.
Das Verteidigungsministerium ist in der Tat kein Kriegs-, sondern ein Verteidigungsministerium: Nur was hier verteidigt werden soll, ist das Recht auf Unterwerfung, Beherrschung und Ausbeutung der Welt (der Stand der Rüstung ist ein Indiz dafür, wie tief das Gesetz des Krieges schon in die Logik der Ökonomie integriert ist: wer heute vor den Folgen des Krieges sich schützen möchte, sollte Soldat werden; anders als die Zivilbevölkerung ist er im „Ernstfall“ am wenigsten gefährdet).
Ist es in der Eucharistie nicht das Gesetz der Verdinglichung, das das Wahrheitsmoment darin, nämlich die Beziehung des Namens zu Brot und des Blutes zum Wein, gleichsam mystisch verdampft. „Dies ist mein Leib“: Bezieht sich das nicht auf den Sprachleib des logos, auf den sich auch das homologein, das dann zum Bekenntnis neutralisiert wurde, bezieht? Der theologische Begriff der Transsubstantiation ist dagegen ein paradoxales philosophisches Konstrukt (keine verheilte Narbe, sondern die Theologie als offene Wunde der Philosophie). Die Eucharistie: ist das nicht das öffentliche Ding als theologisches Erbe der res publica?
Alles Wissen bezieht sich auf Vergangenes. Liegt darin nicht der Schlüssel zur Mathematik und zu den subjektiven Formen der Anschauung: zum Verständnis der Form des Raumes?
Hegels Philosophie: ist das nicht die gestorbene und begrabene Wahrheit, und bezieht sich hierauf das Wort: Herr, sie riecht schon?
In der Logik des Andersseins gründet die paranoische Verführung jeder Philosophie, und gegen sie ist der Rat gerichtet: Seid arglos wie die Tauben.
Ist nicht der griechische Mythos die bereits im Ursprung verdrängte Innenseite der Philosophie?
Kern einer Neubegründung der Theologie wäre die Kritik des Begriffs der Anschauung Gottes. Hier wurde das Angesicht Gottes verdrängt, der christliche Paganismus begründet, der der kantischen Lehre von der Subjektivität der Anschauung zugrundeliegt und in ihr sich vollendet.
Sind nicht die drei abrahamitischen Religionen insgesamt verdinglichte Gestalten der Wahrheit, und führte das Gesetz der Verdinglichung nicht zwangsläufig auf diese drei Gestalten der Verdinglichung? Sind nicht alle drei auf den Weltbegriff verhext?
Zur Isolationshaft: Sind nicht die Zellen (Erbe und Fortentwicklung der platonischen Höhle) Erfindungen der Mönche, und welche Bewandnis hat es in diesem Zusammenhang mit den drei evangelischen Räten?
Ist der Neue Katechismus nicht der Mühlstein, der der Apokalypse zufolge am Ende ins Meer geschleudert wird (und zugleich – wie der „splendor veritatis“ – das Schwarze Loch, das alles Licht in sich aufsaugt, nicht mehr fähig ist, die Welt zu erleuchten)? -
14.09.93
Zum Turm von Babel: Die Verwirrung der Sprache war das Produkt gesellschaftlich bedingter unterschiedlicher Beziehungen zur Sprache.
In der Wendung „Wir Deutschen“ wird das idealistische Ich in ein Kollektivum übersetzt: Beide sind Produkte der Vergegenständlichung eines absolut Ungegenständlichen, was dann ohne Schuldverschiebung: ohne projektive Abarbeitung der Vergegenständlichung, und d.h. ohne Absolutierung, nicht zu halten ist. Dem gleichen Mechanismus verdanken sich im Ursprung der Philosophie insbesondere die Begriffe Natur und Materie.
War der griechische Kosmos der schöne, geschmückte Kosmos, der lateinische mundus die von Feinden und Barbaren gereinigte, durchs Recht befriedete Welt?
Zum Begriff und zur Geschichte des Himmels: Haben die Christen nicht den Himmel mit der Unterwelt vermischt? Was bedeutet es, wenn im Englischen sky und heaven unterschieden werden, im Deutschen eine etymologische Beziehung des Worts Himmel zum Hammer sich nachweisen läßt?
Ist nicht die physikalische Nahwirkungstheorie, der prinzipielle Ausschluß jeglicher „Fernwirkung“, der falsche Ausdruck eines an sich richtigen Sachverhalts: daß das Inertialsystem nicht globalisiert werden darf.
Zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Meer: Was bedeutet dieser Sand am Meer?
Haben der Baum der Erkenntnis und die Dornen und Disteln etwas mit den Flexionen, und zwar der Baum der Erkenntnis mit den Konjugationen der Verben (dem Prädikat, dem Begriff), die Dornen und Disteln mit den Deklinationen: den casus, zu tun, die Schlange mit dem Neutrum und der zu bearbeitende Acker, dem die hervorbringende Erde zugrundliegt und von dem Adam, der Mensch, seinen Namen hat, generell etwas mit der Sprache?
Wenn der Erde die Idee der Sprache zugrundeliegt, dann dem Himmel die der Erfüllung des Worts: hat Gott nicht die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt?
Gehört nicht der Nominalismus in die Geschichte der Urbanisierung, und wirft das nicht ein Licht auf Ninive, die „große Stadt“, in der die Menschen Rechts und Links nicht unterscheiden können (die genaueste Definition des Nominalismus)?
Bezeichnen die Dornen und Disteln, das Widerständige, nicht aufs genaueste den Objektbegriff (als Kern des Naturbegriffs), die Null und den Punkt im Raum als Quellpunkt des Inertialsystems (genauer den Punkt in der Minkowskischen Raumzeit, in den das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und die Gleichungen der Lorentz-Transformation schon mit eingearbeitet wurden).
„An jenem Tag wird Israel der Dritte im Bunde sein neben Mizrajim und Assur, ein Segen inmitten der Erde, die der Herr der Heerscharen segnet, indem er spricht: Gesegnet ist Mizrajim, mein Volk, und Assur, das Werk meiner Hände, und Israel mein Erbbesitz!“ (Jes 1924f)
Die Gottesfurcht ist das Ende der Menschenfurcht: Sie macht den Haß der Welt, anstatt ihm nachzugeben, erfahrungs- und verarbeitungsfähig. Sie ist der Schutz vor der Identifikation mit dem Aggressor.
Merkwürdige und erschreckende Erfahrung beim erneuten Lesen von Karl Thiemes Buch „Kirche und Synagoge“ (geschrieben 1944): So tief steckte der Antijudaismus in der kirchlichen Tradition. Steht das Buch nicht unter einem ungeheuren Rechtfertigungszwang: daß der kirchliche Antijudaismus nur ja nicht verwechselt werde mit dem gleichzeitigen Antisemitismus (gegen den Karl Thieme aktiv gearbeitet hat). Deutlich wird, wie eng der Antijudaismus mit Dogma und Bekenntnis, und zwar weniger mit ihrem Inhalt, als vielmehr mit ihrer gleichsam transzendentalen Logik, verknüpft ist.
Aber spiegelt nicht das Thiemesche Kirchenverständnis (in Kirche und Synagoge) etwas von der Kirchenerfahrung unter Hitler wider, was heute zu leicht vergessen wird: die Kirche als Zuflucht, als Asyl und Schutzraum angesichts der Barbarei und der Greuel dieses apokalyptischen Zeitalters? Ist der Thiemesche Bekenntnisrigorismus nicht ein Produkt seiner apokalyptischen Erfahrungen?
Nach diesem Buch würde ich mich heute gerne mit Karl Thieme über die drei Leugnungen Petri unterhalten.
Vom Urknall zum Schwarzen Loch: War nicht der Antisemitismus der Urknall, und wird die Kirche nach der nicht gelingenden Aufarbeitung (in Deutschland heute: die CDU) zum Schwarzen Loch der politischen Astronomie?
Es gibt kein Bekenntnis
– ohne Feindbild (im Christentum: Juden und Heiden),
– ohne Häretiker (Verräter und Abtrünnige),
– ohne Sexismus, ohne patriarchalischen Kern (das „Glaubens“-Bekenntnis ist das Schuldbekenntnis der Natur, zu dem die Sexualmoral und das Unschuldsproblem, die Vorstellung einer natürlichen Unschuld, der Virginitas, gehört).
Wenn der Weg der Befreiung versperrt ist, wird die Unschuldsfrage: das Problem der Rechtfertigung, übermächtig (Zusammenhang mit dem Ursprung des Weltbegriffs, dem projektiven Naturbegriff: die Vorstellung einer natürlichen Unschuld zielt auf die Unschuld und die befreiende Kraft des Opfers: Theologisierung der Logik der Naturbeherrschung?).
Materie als reines Objekt von Herrschaft: Steckt im Begriff der Materie nicht die mater dolorosa? Die Vorstellungen von der unbefleckten Jungfrau, die dann zur Gottesmutter (zur Mutter des Gottes, den die Juden ans Kreuz geschlagen haben) wird, und der unberührten Natur haben etwas miteinander zu tun.
Ist diese Theologie nicht das Abbild einer bis heute mißlungenen Naturphilosophie, und das Bekenntnis der Generator eines von den sieben unreinen Geistern beherrschten Naturbegriffs? Der Bekenntnisbegriff ist nicht abzulösen von der Geschichte des Ursprungs und der Anwendung des Inertialsystems. Das Bekenntnis als verdinglichte und neutralisierte Umkehr (mit dem wir uns das Gottesreich vom Leibe halten), Zusammenhang mit der dritten Leugnung und Selbstverfluchung: Erst in der Umkehr wird das steinerne Herz durch das fleischerne ersetzt.
Ist nicht Adornos Kritik der Verdinglichung als Kritik des Objektbegriffs nur durch die Kritik des Dogmas hindurch noch möglich? Und ist nicht Auschwitz die dritte Leugnung und die Selbstverfluchung?
Sind nicht alle drei großen Religionen, das Judentum, der Islam und das Christentum auf den Weltbegriff verhext? Und ist nicht jeder Fundamentalismus ein Produkt des Weltbegriffs und der daraus hervorgehenden Bekenntnislogik? Aber hat nicht nur das Christentum den Schlüssel zur Lösung?
Der Streit um die Auslegung der Gottesknecht-Kapitel im Deutero-Jesaia ist nicht zu lösen, wenn man nicht das Nachfolgegebot mit hereinnimmt.
Die Übernahme der Sünde der Welt schließt die Kritik des Naturbegriffs (des Kerns des Schuldverschubsystems) und seiner Vorgeschichte (in der altorientalischen Geschichte) mit ein. Hierzu gehören die Probleme
– des Ursprungs der Astronomie und der Schrift,
– des Ursprungs der Tempelwirtschaft und des Geldes sowie
– des Ursprungs des Staates als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern (Ursprung des Rechts). -
09.08.93
Ich bin im Begriff, etwas zu tun: Was bedeutet der Begriff in dieser Redewendung?
Prinzip der Aufklärung: Alles sehen, aber selbst nicht gesehen werden (das Erkenntnissubjekt und der Fernsehzuschauer): sich raushalten (Scham- und Schuldvermeidung). Die Wissenschaft und das Fernsehen sind ihrer eigenen Logik zufolge voyeuristisch und pornographisch zugleich.
Funktion des blendenden, den Ermittler unsichtbar machenden Lichts (eine Erfindung der Gestapo?): Liegt hier nicht die Wurzel des Scheins in Philosophie und Kunst (der Grund der Ästhetik)? Durch ihre Beziehung zu den transzendentalen Formen der Anschauung (zur transzendentalen Ästhetik) werden die Objekte der Erkenntnis zur Erscheinung: zu einer Totalität des Scheins (Schauspiel, Theater, Film, Fernsehen), die dann von den logischen Gesetzen des Welt- und Naturbegriffs beherrscht wird.
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung der Grund jeder Ästhetik (und ihres gegenständlichen Korrelats: des Mythos)?
Das Nichtgesehen-Werden-Wollen ist der Ursprung der Privatsphäre und aller Geheimnisbereiche seitdem.
Adornos Satz „Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner mehr zu lieben fähig ist“ hängt mit dem Rosenzweigschen, daß man sich von der Last nur dann befreit, wenn man sie auf sich nimmt, zusammen. Ungeliebt fühlt sich nur der Schuldige. Die Leugnung der Schuld, die mir von andern nicht vorgeworfen werden kann, weil sie rechtlich nicht zurechenbar ist, wird als „Haß der Welt“ erfahren und führt zwangsläufig in die Paranoia. Bezeichnet nicht das Täuferwort in Joh 129 genau den Grund der Befreiung, der Erlösung?
Hebr. berit, griech. diatheke, Bund oder Testament: War nicht das Urschisma: die Feindschaft zwischen dem Mitinhaber und dem Erben der Firma, unvermeidbar (und war dies nicht der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehn), und ist nicht an dem Namen des „Alten Testaments“, der eine relationale, nicht eine historische Beziehung bezeichnet, doch festzuhalten? Sind nicht die Juden in der Tat in der Rolle des Bundes, wir dagegen in der des Erben, durch eine Todesgrenze, die den Erbschaftsfall hat eintreten lassen, vom Bund getrennt? Ist eigentlich das „Neue Testament“ schon der „Neue Bund“?
Das Bekenntnis ist ein Produkt der Anpassung der Umkehr ans Herrendenken, das es ohne Feindbild (die Juden), ohne Verräter (die Ketzer) und ohne Sexismus (den Genuß der Unterwerfung der Frauen und der Heiden) nicht gibt (das Bekenntnis hat die Theologie besoffen gemacht: aber die Betrunkenen merkens nicht mehr).
Kohl will den nächsten Wahlkampf mit dem Thema „Wirtschaftsstandort Deutschland“ führen. Das Thema wird also sein: der Überlebenskampf der Nation im internationalen Wettbewerb, oder wie es in dem vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz mit unterzeichneten Aufruf für die Genforschung in der Bundesrepublik hieß: Deutschland muß die Nummer 1 bleiben. Die Schamlosigkeit, mit der weiterhin eine Wirtschaftspolitik gegen eine Welt von Konkurrenten draußen und gegen den „Leistungsmißbrauch“ der Armen im eigenen Land betrieben wird, eine Wirtschaftspolitik, die im wörtlichen Sinne über Leichen geht und draußen die Verhältnisse schafft, gegen deren Rückwirkungen auf das eigene Land die (in der „Verteidigungspolitik“ und im Asylrecht) nötigen Vorkehrungen zu treffen sind, eine Wirtschaftspolitik, deren Botschaft an die Wähler ist: Nur wer stark ist, wer bereit ist, die Ellenbogen einzusetzen, hat Chancen, sich selbst durchzusetzen; eine Wirtschaftspolitik, deren oberster Grundsatz der nationale Egoismus ist (der gleiche, der in diesem Jahrhundert schon zweimal die Welt mit Krieg überzogen hat, nur heute anderer, „ziviler“ (aber vielleicht schon bald nicht mehr nur ziviler) Mittel sich bedient; wer unter die Räder kommt, hat’s auch nicht anders verdient, denn wir leben in einer Welt, in der jeder, sofern er den Gesetzen der Leistungsgesellschaft sich anpaßt, die Möglichkeit hat, sein Glück zu machen. Ist dies nicht das Drachenfutter für jene, für die wir uns dann alle wieder begeistert schämen dürfen? Wird hier nicht das Motto gepredigt: Augen zu und durch?
(außerdem:
– Kein Reichtum ohne Produktion von Armut, die wir nach draußen exportieren; aber ist nicht die Aufnahmefähigkeit draußen erschöpft? Gibt es noch eine Alternative zum Reimport der Armut (Kürzung der Sozialleistungen, Hilflosigkeit gegen die wachsende Arbeitslosigkeit, Ansteigen der Obdachlosenzahlen im Innern und der Flüchtlingszahlen draußen), und wie geht’s weiter, wenn auch hier die Aufnahmefähigkeit erschöpft ist?
– Der Zwang zur Absicherung der für unseren Reichtum notwendigen Ressourcen (des Rohstoffbedarfs und der für die Belieferung notwendigen Verkehrswege) definiert die Rolle der Bundeswehr neu (Testfall: Somalia)?
– Wird nicht erstmals – und das in dem Augenblick, in dem die „freie Marktwirtschaft“ (die sich einmal eine Soziale M. nannte) über den Sozialismus gesiegt hat: damit die Mittel, die eigenen Probleme zu begreifen, beseitigt hat – die Politik auf ihren realökonomischen Grund zurückgeführt, und das in voller, nach innen wie nach außen explodierender Brutalität?
– Ist dieser Nationalismus nicht das genaue Pendant des überall explodierenden Nationalismus (nach dem Zerfall des Ostblocks, der die „Kräfte des Merktes“ endgültig freigesetzt hat, die mit dem Instrumentarium des moralischen Urteils nicht mehr zu beherrschen und vor allem nicht mehr zu begreifen sind), und die EG nur dessen Erfüllungsorgan (wird nicht die EG von Ministerialbürokratien beherrscht, die selber nur noch die Lobby der Wirtschaft sind – das Ende der Politik und ihre Neukonstituierung als Verwaltung als Grund der Entpolitisierung: jetzt kommt es nur darauf an, die Leute zu unterhalten, sie abzulenken, damit sie nicht merken was läuft)? Nicht bewußt und mit Absicht, sondern unter dem Zwang dessen, was die Verwaltung so gerne Sachzwänge nennt, ist sie zum bloßen Vollzugsorgan der Wirtschaft geworden.
War der moralische Impuls, den der Vietnam-Krieg ausgelöst hat (und mit ihm die 68er Bewegung bis hin zur raf), nicht doch im Kern ein ästhetischer, unpolitischer Impuls (politisch aus der Sicht der Zuschauer); wird es nicht jetzt zum erstenmal ernst: im Angesicht der Tatsache und des Gewichts der wirtschaftlichen Verflechtungen, die heute das Ganze zu einer explosiven Masse zusammenfügt. Die Frage ist: Wann wird die kritische Masse erreicht, die die Explosion auslösen wird, wie lange werden wir die selbstzerstörerischen Kräfte noch eindämmen können?
Kann es nicht sein, daß der gegenwärtige Weltzustand nur noch auf der Grundlage der Lehre von der Auferstehung zu begreifen ist? Und ist es nicht umgekehrt denkbar, daß die Angst vor dieser Einsicht in den gegenwärtigen Weltzustand der „Religion“, die in diesen Weltzustand bis ins Innerste verstrickt ist, den Boden entzieht?
Der Grund dafür, daß der Vietnam-Krieg noch aus ästhetischer Distanz kritisiert werden konnte (was der „Betroffenheit“ nicht nur nicht widerspricht, sondern durch sie geradezu bestätigt wird), lag darin, daß die Kritik der Naturwissenschaft (und damit die Kritik des „Naturgrunds von Herrschaft“) noch nicht als Teil der Gesellschaftskritik begriffen war (vgl. hierzu die Absetzbewegung Habermas‘ von der Frankfurter Schule).
Ästhetische Distanz: das ist das Werk der subjektiven Formen der Anschauung.
Wer heute mit dem Argument „Ich komme darin nicht mehr vor“ aus der Kirche herausgeht, sollte vielleicht einmal kurz darüber nachdenken, ob er damit nicht einen der letzten Widerstände gegen einen Weltzustand abbaut, in dem dann im allerwörtlichsten Sinne niemand mehr vorkommt (ob nicht die Rache, wie immer, den Falschen trifft).
DdA: Heute kein Land, in dem man nicht wegen einer falschen/ab-weichenden Meinung um sein Leben fürchten muß (heute überholt: man darf alles sagen, weil es keine Wahrheit mehr gibt). -
26.06.93
Mit dem Weltbegriff wurde die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft etabliert, damit die Quelle des Fortschritts eröffnet und die Erinnerungsfähigkeit domestiziert (abgeschnitten). In diese Geschichte ist das Christentum als Lehre und als Institution solange unheilbar verstrickt, wie es seine eigene Vergangenheit, nämlich die jüdische Tradition, nur in der durchs Dogma entstellten, antijudaistischen Gestalt erinnert.
Bezieht sich das zweite bara in der Schöpfungsgeschichte (die Erschaffung der großen Seeungeheuer) auf den Staat?
Ist die Metzsche Ersetzung der Sensibilität durch die Empfindlichkeit nicht ein Anpassungseffekt?
Die Erweckungsgeschichten: der Jüngling von Naim, die Tochter des Jairus und Lazarus.
Der Begriff der Gesellschaftskritik hatte auch ein Stück Exkulpations- und Alibifunktion: Schuldig waren die, die sich mit dieser Gesellschaft identifizierten, sie repräsentierten; der Gesellschaftskritiker war (wie generell der Empörte) durch seine Kritik (Empörung) ausgewiesen als einer, der der Schuld enthoben war. Auf die Änderung kam es schon gar nicht mehr an.
War nicht die Enttäuschung der Parusieerwartung durch ihre Folgen (durch einen selbstreferentiellen Rückkoppelungseffekt) selber eine der Ursachen der Verzögerung, des Ausbleibens der Parusie? War sie nicht selber ein Teil der Parusieblockade? Und ist nicht das Dogma der Felsen, in den das Grab gehauen war, und der Stein vor dem Grab? Aber am Ende wird sich erweisen, daß das Grab leer ist. Als Petrus und der andere Jünger (Joh 203ff) zum Grab liefen, war der andere Jünger als erster am Grab, aber Petrus ging als erster hinein.
Ist nicht der Begriff einer Enttäuschung der Parusieerwartung nur ein taktvoller Ausdruck für die Verdrängung der Parusieerwartung, und das etablierte Christentum die Erfüllung einer selffulfilling prophecy? Die Christen haben das letzte Wort am Kreuz umgekehrt: Sie vertrauen auf die Vergebung Gottes, indem sie sich bemühen, nicht mehr zu wissen, was sie tun. Wenn auch der neue Katechismus wieder die Barmherzigkeit Gottes in die Sündenvergebung legt, so apelliert er genau an diesen Mechanismus. Begründet ist das ganze in einem Personalismus, der die Schuld verrechtlicht, sie an das Prinzip der Zurechenbarkeit (und damit ans Prinzip des Beweises) knüpft, und dann nach dem Motto lebt, was die Welt nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Der Rechtsradikalismus heute hat seine Wurzeln nicht auf der Bekenntnisebene (im „Rassismus“), sondern auf der Verhaltensebene: in Ritualen und Wiederholungszwängen. Das ist es, was die Linken so irritiert, die selber von der idealistischen Vorstellung, daß das Tun in Vorstellungen und Ideen gründet, nicht mehr loskommen. Der Rechtsradikalismus zeichnet sich dadurch aus, daß er die Bekenntnislogik endlich vom Inhalt des Bekenntnisses gelöst, sie auf ihre Identifikationsfunktion reduziert und so zu einer reinen Verhaltenslogik gemacht, damit aber erstmals analysierbar gemacht hat.
Läßt sich nicht die Kritik des verdinglichenden Denkens und die Kritik des Weltbegriffs aus dem „Richtet nicht …“ herleiten?
Steckt die Beziehung des Glaubens- zum Schuldbekenntnis nicht in dem Schein der Schuldbefreiung (der „Rechtfertigung“) durch den Glauben, in der falschen, weil autoritären Plausibilität der Vorstellung, daß Er, wenn ich Ihn als den Herrn anerkenne, mich dafür lieb haben wird? Hier ist nicht mehr die Tat, sondern wie ich angesehen werde: das Erwischtwerden entscheidend (Problem der Scham). Und geht es nicht genau darum in der Geschichte von den drei Leugnungen: repräsentieren die Umstehenden nicht die Welt, die Ursache der Scham?
Auschwitz ist die Frage an Petrus (die Kirche) vor der dritten Leugnung, und die Kollektivscham (der neue Katechismus, mit dem die Kirche der Kollektivscham ausweglos verfällt) die mit der Selbstverfluchung verbundene dritte Leugnung.
Die Sorge um die Zukunft und die Sorge um den andern gehorchen der gleichen Logik.
Auch das „Liebet eure Feinde“ ist (wie die Umkehr und das „Richtet nicht …“) ein erkenntnistheoretisches Prinzip: Es ist ein Sinnesimplikat der Kritik der Verdinglichung. Der Objektbegriff selber ist Repräsentant des Feindes im Objektivierungsprozeß, der von der Unterwerfung des zum Objekt Gemachten sich nicht trennen läßt. Das Urteil gründet im Schuldzusammenhang und konstituiert ihn zugleich; diesen Zusammenhang erstmals in die Nähe der Erkenntnis gebracht zu haben, ist das große Verdienst der kantischen Transzendentalphilosophie. Das Gebot der Feindesliebe ist nicht zu trennen vom Nachfolgegebot und seiner Begründung in Joh 129, von der „Übernahme der Sünden der Welt“. Die dogmenbegründende Opfertheologie perpetuiert das Feindbild und seine Logik (die Bekenntnislogik, die durch das opfertheologische Konstrukt der „Entsühnung der Welt“ und durch das Opfer der Vernunft das Bekenntnis von der Erkenntnis trennt). Sie hat seit je mehr an den Teufel als an Gott geglaubt.
Ist nicht das lateinische ire (gehen) ein reines Infinitivsuffix? Hat dieses ire etwas mit ira (Zorn) zu tun? Was bedeuten Verben wie dare (geben) und fere (tragen), die das Infinitivsuffix nur an einen Vokal binden? Gibt es nicht auch zu den gestae (Geschehnissen) einen Infinitiv gere?
Nochmal zum Sein:
– Ist nicht auch das esse ein reiner Infinitivsuffix? Dann aber diese merkwürdige Folge sum, es, est, sumus estis, sunt, mit gleichen Stämmen
. in der 1. Pers. sing. und der 1. und 3. Pers. pl. (ich, wir und sie) bzw.
. der 2. und 3. Pers. sing und der 2. Pers. pl. (du, er, sie, es und ihr).
Hat das sum, sumus, sunt etwas mit sumere (nehmen) zu tun, das auf die merkwürdige (instrumentalisierende) Beziehung des Seins zum Eigentumsprinzip verweisen könnte?
– Ist das Griechische einai ein durch das -ai suffigiertes Infinitivsuffix -ein? Gibt es das Suffix -ai auch sonst noch im Griechischen, ist es vielleicht Ausdruck einer Hypostasierung (durch Pluralisierung)?
– Im Deutschen sind die Stammbindungen anders verteilt: bin, bist, ist, sind, seid, sind: Verbunden sind das ich und du, dann die Pluralbildung, während die 3. Pers. sing. (und anders die 3. Pers. pl., die rückwirkend auch die 1. Pers. pl. bestimmt: Selbstobjektivierung des wir!) an die entsprechende lateinische Bildung anklingt.
– Im Englischen ist der Infinitiv von Sein (das to be) von den präsentischen Deklinationsformen getrennt (am, are, is, are, are, are, mit der merkwürdigen Identität aller Pluralformen mit der 2. Pers. sing. – Zusammenhang mit dem to be, der Hypostasierung des Präfixes be-?).
Zur Sprachlogik des „Seins“ vgl. auch die Frage der Perfektbildungen mit den Hilfszeitverben haben und sein (im Englischen nur mit have). Ich habe getan, ich bin gewesen (I have been).
Wird der Ausdruck „(diese) Person“ nur von Frauen über Frauen im diskriminierenden Sinne gebraucht? Bei einem Mann ist ein vergleichbarer Ausdruck „(der) Kerl“. Ist im Falle des Personbegriffs nicht gemeint, daß hier eine Frau sich herausnimmt, Person zu sein, was doch nur einem Mann zusteht? Und drückt darin nicht auch sich aus, daß der Personbegriff sich als Produkt einer Projektion begreifen läßt: als Produkt der Personalisierung; indem ich jemand als Person bezeichne, halte ich ihn für sein Tun rechtlich und moralisch verantwortlich. (Vgl. den theologischen Ursprung und Gebrauch des Personbegriffs in der Theologie: bei Tertullian; Grund der urpatriarchalischen Trinitätslehre?)
Mit herauszuhören ist beim diskriminierenden Gebrauch des Personbegriffs auch der Anklang an die Diskriminierung der Prostitution, die weniger an die Verletzung des Sexualtabus (dann müßte die Diskriminierung sich gegen den Mann richten) als an das Problem der Emanzipation (der aktiven Teilnahme von Frauen am Warenverkehr) erinnert. Ist nicht der diskriminierende Personbegriff ein veralteter Ausdruck für das, was heute „Emanze“ heißt? Und rührt das ganze nicht viel mehr an das Problem der Ehe und deren Verstrickung in den historischen Prozeß (und an die politischen Konnotationen der Sexualmoral bei den Propheten)? Kulminiert dieser Konflikt nicht heute in der Werbung, die nicht nur den Tod verschweigt, sondern jeden Genuß auf den der sexuellen Gewalt reduziert (zurückführt)? Wäre nicht anhand der Werbung (und ihrer Vorform: der Propaganda, deren Begriff kirchlichen Ursprungs ist) zu demonstrieren, was heute Keuschheit heißen müßte, zusammen mit der Reflexion des Sachzwangs: Es gibt keine Massenproduktion (weder von Waren, noch von Christen) ohne Werbung. Die Produkte müssen sich (wie Babylon durch den Turm, wie die Christen seit Antiochien) einen Namen machen. Seitdem kann man sich dem Zwang, in jeder sprachlichen Äußerung nur noch herauszuhören, wofür oder wogegen einer ist (der Erkenntnis des Guten und Bösen), fast nicht mehr entziehen kann.
Merkwürdige Beaobachtung beim Scharping (gestern in der ARD): Was hatte es zu bedeuten, wenn er in der Befragung gestern abend beim Wechsel des Fragenden jedesmal mit einer Wendung des Kopfes reagierte, die auszudrücken schien, welche Mühe es ihm bereitete, sich von der vorhergehenden Frage (und dem Fragenden) zu lösen, um der neuen Frage sich zuwenden zu können?
Im Angesicht Gottes, oder wie hängen Sehen und Hören mit einander zusammen? Sind nicht die Blinden und die Tauben, nur beide mit charakteristischen Differenzen, auch von physiognomischen Wahrnehmungen und Erkenntnissen bestimmt? Die physiognomischen Wahrnehmungen des Blinden und seine Art der Aufmerksamkeit unterscheiden sich signifikant von denen des Tauben: Der Blinde lebt vom natürlichen Vertrauensvorschuß, während der Taube dem paranoiden Mißtrauen nur mit großer Anstrengung sich entziehen kann. Ist nicht die Erfahrung des Hasses der Welt eher ein Sinnesimplikat eher des Hörens als des Sehens? Und muß nicht, wer mit den Augen hören lernen will, durch diesen Haß der Welt hindurch? An diesem Haß der Welt habe ich als Sehender größeren Anteil denn als Hörender; er wird auf den begriffslosen Begriff gebracht durch die subjektive Form der äußeren Anschauung: durch die Form des Raumes. Heute vergeht dem wirklich Sehenden das Hören, dem wirklich Hörenden das Sehen. Aber lernen müßten wir, mit den Augen zu hören und mit den Ohren zu sehen. Steckt nicht das in dem Wort: Wer euch angreift, greift meine Augapfel an.
Hat es nicht doch eine ganz anderen metaphysischen, oder genauer prophetischen Hintergrund, wenn heute die Beziehung der Geschlechter nicht mehr im Kern durch die Ehe, sondern durch den Zustand der Welt (der prophetisch im Bilde der Ehe zu begreifen wäre) definiert werden?
Anhand der Ehe wäre zu demonstrieren, welche Bedeutung die Sakramente einmal für das „Bestehen der Welt“ (im objektiven, logischen, wie im subjektiven, moralischen Sinne) hatten, und welche Kräfte, Zwänge und Notwendigkeit hier wie auch bei der Säkularisation der anderen „Sakramente“, in der Geschichte des modernen Staates, wirkten und zugleich sich entfalteten, freigesetzt wurden (Ursprung der modernen Staatsmetaphysik). Diese Geschichte steht in Wechselwirkung mit dem Ursprung und der Entfaltung des Inertialsystems: Hier wurden die Sakramente zu den Siegeln (mit dem Nationalismus als säkularisierter Eucharistie: vgl. Bölls Sakrament des Büffels), deren Lösung die Apokalypse beschreibt.
Ist nicht die Säkularisierung der sieben Sakramente beschrieben in Geschichte von den sieben unreinen Geistern? Und bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen nicht auf diese sieben Sakramente? Welche Bedeutung hat in der Johannes-Apokalypse (108ff) das Essen des Buches (im Munde süß, im Magen bitter)? Gibt es eine Beziehung zum Trinken des Bechers des Zorns? Ist das nicht die letzte Gestalt der Eucharistie? (Vgl. 1 Kor 1125ff)
Was bedeutet das to arnion to esphagmenon (Offb 512, lt. Einheitsübersetzung: das Lamm, das geschlachtet wurde) wörtlich? Ist nicht das im Katechismus zitierte entsetzliche Lumen gentium-Wort von der „liebenden Zustimmung zur Schlachtung des Sohnes“ eine projektive Verarbeitung der Schuld, ohne die das Amt des Papstes nicht mehr zu ertragen wäre? Es reicht nicht mehr, nur Jesus die Schuld der Welt aufzubürden; auch diese Schuld (der Verdrängung, der zwangshaften und vergeblichen Wiederholung des Opfers) muß noch abgewälzt werden auf Maria: So wird sie zur „Mittlerin aller Gnaden“. Da ist das Stabat mater ehrlicher. Gibt es nicht ein herzzerreißendes und steinerweichendes Weinen?
Diese ungeheure Schwammspinner-Johannistrieb-Natursymbolik? Wann begreifen wir’s endlich?
Bezieht sich die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel auf das finster gewordene Geheimnis des Bußsakraments?
Hängt der Patriarchalismus des Christentums mit dem Gebrauch des Personbegriffs in der Trinitätslehre zusammen? Welche Bedeutung hatte hier die Übertragung der Theologie aus der griechischen in die lateinische Sprache (Tertullian)? -
06.04.93
Zu den Gleichungen der Lorentz-Transformation: Entspricht der Längenkontraktion und der Zeitdilatation in der Bewegungsrichtung nicht eine Längendilatation und Zeitkontraktion in der Gegenrichtung? Und sind nicht alle dynamischen Verhältnisse auch in dem Sinne apriori, daß sie die Paritätsverhältnisse, die Gleichgewichtsverhältnisse, voraussetzen? Die Gleichungen der Lorentz-Transformation lassen sich als Drehungen in einem metrischen Kontinuum auffassen: Ist das dynamische Maß dieser Drehungen das Plancksche Wirkungsquantum (aus der Planckschen Strahlungsformel abzuleiten)?
Sind nicht die Tiere, die den aufrechten Gang verlernt haben, Opfer der Deklination, der Beugung (Zusammenhang von Deklination und Konjugation mit der Struktur des Raumes: mit Linearität und Orthogonalität)? Und ist nicht der Kreis das mathematische Modell des logischen Schlusses (Identitätsprinzip des Begriffs)? Insoweit ist das kopernikanische Weltbild die Grundlage der Hegelschen Idee des Absoluten, und die Vorstellung des unendlichen Raumes ein Reflex des Gewaltmonopols des Staates.
Zur Theorie des Geschwätzes: Geschwätz, Urteil und Öffentlichkeit; im Geschwätz entfaltet sich die Gemeinheit, die vom Prinzip der Öffentlichkeit nicht zu trennen ist (das Eine ist das Andere des Anderen). Die Hegelsche Logik reflektiert die Gesetze des Geschwätzes, dem sie in der Idee des Absoluten zugleich auch verfällt. Der unendliche Raum ist die verinnerlichte Gestalt des ägyptischen Sklavenhauses.
Sodom und Gomorrha (sowie Jericho und Gibea) als Konflikt zwischen Stadt und Haus (Babel und Mizrajim): Babel (Stadt und Turm), Ninive (die große Stadt, von Nimrod gegründet, der der erste Held war auf der Erde und ein großer Jäger vor dem Herrn), Pharao (das große Haus). Notwendigkeit der Kritik der politischen Ökonomie.
Melchisedek hat Brot und Wein geopfert; in der Josefs-Geschichte sitzen der Mundschenk und der Bäcker des Pharao im Gefängnis, und nur der Mundschenk kommt frei, während der Bäcker hingerichtet wird (ein Teil der Geschichte des Zusammenhangs von Trunkenheit und Herrschaft, die das Brot nur im Sklavenhaus sichern kann).
Sind nicht Stadt und Haus: das Offene und das Geschlossene (Reflexion und Begriff, Deklination und Konjugation), die beiden Aspekte des Raumes? Heideggers Haus des Seins ist anti-urban (wie Heidegger überhaupt das Urbane in den Gestalten des Man, der Uneigentlichkeit, der Neugier, perhorresziert).
Gefährlich ist die falsche Klarheit, die im Rahmen der Bekenntnislogik nur auf der Grundlage des Feindbilds sich herstellt. -
28.02.93
Wer es nicht wagt, einen Konflikt offen (im Angesicht des Adressaten) anzusprechen, kann, was er denkt, nicht in jedem Falle vor dem andern verbergen: die offene Frage erscheint dann als entlastende Aggression (einmal muß es doch heraus), als „Spitze“. Hat diese „Spitze“ etwas mit den Dornen und Disteln der Bibel zu tun: am Ende auch mit dem Konzept und der Form des Raumes und seiner Hypostasierung? – „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ Ist nicht der Raum (als „Spitze“) die Form der Beziehung zu anderen, in der jeder sich als nackt erkennt?
Sind nicht die Geschichten von Judith und Holofernes, von Esther und Haman, Geschichten, die den Satz aus dem Fluch an die Schlangen nach dem Sündenfall erläutern: „Feinschaft will ich setzten …, ihr Nachkomme wird dir den Kopf zertreten“?
Beziehung des Bilderverbots zum Gebot der Feindesliebe: Sind nicht seit dem Ursprung des Weltbegriffs alle Bilder Feindbilder? – Der Raum oder die Instrumentalisierung und Neutralisierung der Umkehr. Liegt hier nicht die weltgeschichtliche Bedeutung der Entdeckung des Winkels und der Orthogonalität?
Worin liegt der logische Kern der Begründungen, die der Antinomie der reinen Vernunft zugrunde liegen? Wird hier die „verandernde Kraft“ des Seins bestimmbar? Ebenso die Beziehung der Begriffe Welt und Natur, die sich gleichsam wechselseitig widerlegen und bestätigen?
Zum Buch Jonas: Wir können Oben und Unten unterscheiden, ebenso Vorn und Hinten; aber Rechts und Links können wir nicht mehr unterscheiden.
Ist Habermas der Buber der kritischen Theorie? Mit der Verdrängung des Naturproblems verdrängt Habermas den theologischen Ursprung und damit einen zentralen Teil der Tradition der Philosophie. Die Emanzipation der Philosophie von der Theologie, Ursprung der modernen Aufklärung, ist selber theologisch vermittelt. Über die Theologie wurde das gleiche Schicksal (Urteil) verhängt (gefällt), das sie ihrem eigenen jüdischen Ursprung hat widerfahren lassen.
In der Geschichte der Aufklärung wurde die Orthodoxie ersetzt durch das Inertialsystem. Und die Orthodoxie darin (in den kantischen Formen der Anschauung) wiederfinden, sie so entschlüsseln, daß diese Beziehung durchsichtig wird, wäre ein entscheidender Beitrag zur Aufklärung der Aufklärung.
Stephanus war der erste Märtyrer, der zweite Jakobus, der Bruder des Johannes, den Herodes mit dem Schwert hinrichten ließ (Apg 121f).
„Maria aber bewahrte all diese Worte in ihrem Herzen“. Unterm Kreuz hat Jesus sie dem Johannes anvertraut. -
15.12.92
Nur zusammen mit den theoretischen Folgen der Lehre von der „Hinwegnahme der Sünden der Welt“ sind die entsetzlichen praktischen Folgen des Wortes von der „Erfüllung der Prophetie“ zu verstehen: Nur so war es möglich, die „Unheils“-Prophetie allein auf die Juden anzuwenden, sich selbst aber davon freizusprechen: Voraussetzung war die Vorstellung, daß durch den Opfertod Jesu die Welt bereits entsühnt war, die Christen die Sorge um die Welt den dazu berufenen Herren überlassen konnten (gegen den Inhalt der „Abschiedsreden“ Jesu im Johannes-Evangelium, und gegen die darin enthaltene Lehre vom Parakleten, vom Heiligen Geist: die Lehre von der Entsühnung der Welt durch den Opfertod Jesu hat die Politik gegen Kritik immunisiert). Mit diesem Weltbegriff war der Antisemitismus untrennbar verbunden.
Ist nicht die Geschichte der drei Leugnungen Petri eine prophetische Antizipation der Entwicklung der Beziehungen des Christentums zur Geschichte des Staates als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern (deren Auswirkungen bis in den Naturbegriff hereinreichen). Die Erfindung des Rechts war ja nicht nur ein Mittel zur Humanisierung des Staates, sondern zugleich eine Sanktionierung des Rachedenkens, verknüpft mit der des Selbsterhaltungsprinzips. Es hat nie ein Recht ohne Strafe gegeben.
Die Kirche verfängt sich in ihrer eigenen Schlinge, wenn sie heute von außen als Ursache der Greuel, die in ihrem Namen verübt worden sind, begriffen wird. Da hilft keine Apologetik mehr, die im Gegenteil die Sache nur verschlimmert. Sie hat nur die Rechtfertigung der Greuel geliefert, deren Ursache politisch-ökonomische Ursachen waren. Auch das war eine Form der Übernahme der Sünden der Welt, aber die falsche: Der Preis war ein Idealismus, der den bloßen Meinungen Kausalität zusprach in einer Welt, die von anderen Mächten beherrscht wird, deren Erkenntnis aber – auch mit Hilfe der Kirche – tabuisiert und diskriminiert wurde. Der kirchliche Bekenntnisbegriff, seine Logik und seine, aus seiner Hilflosigkeit stammende praktische Explosivkraft, schlägt heute auf die Kirche zurück, wenn sie von ihren Kritikern als schuldig erklärt wird insbesondere am Antisemitismus und an der Frauenfeindschaft.
Rosenzweigs Hinweis, daß das Wort von der Mittlerschaft des Sohnes (daß niemand zum Vater komme, außer durch den Sohn) nur für die Heiden, nicht aber für die Juden gelte („Wir sind schon beim Vater“), wäre dahin zu ergänzen, daß jenes „durch“ nicht instrumental, sondern nur im Sinne der Nachfolge verstanden werden darf. Die Juden sind schon beim Vater, aber wir, die Christen, haben die Welt, die über unseren Köpfen und hinter unserem Rücken sich etabliert und entfaltet, aufzuarbeiten. Diese Aufarbeitung hat das offizielle Christentum versucht zu umgehen durch die Vorstellung, daß diese Welt von Gott aus dem Nichts erschaffen und durch den Opfertod Jesu entsühnt wurde. Beide Vorstellungen enthalten – mit Kant zu reden – ein Rattennest von Widersprüchen. Nur (gegen die Gnosis) der Schöpfer der Welt ist auch nicht der jüdische Gott, sondern der Staat (der sterbliche Gott).
Sakral sind die Herrschaftsinstitutionen und ihr naturaler Reflex, nicht die religiösen. Die Säkularisation ist der notwendige Prozeß der Entmischung von Politik und Religion, aber sie ist noch nicht am Ende (welche politische Bedeutung haben die sieben Sakramente?).
Hat nicht der Entzauberungsprozeß Halt gemacht vorm Subjekt selber, und liegt hier nicht der Grund für das, was man heute den religiösen Ego-Trip nennen muß?
Die multikulturelle Gesellschaft: Ist das nicht der Versuch einer anderen Platzverteilung in einem Zug, der auf den Abgrund zurast?
Ist nicht die Politik (unter dem Einfluß der Bekenntnislogik) zu einem Inbegriff der Sprechblasen geworden, mit denen die bloße Verwaltung, das bloße Reagieren, sich nach außen präsentiert, allerdings mit jener besonderen Sprechblasen-Technik, die endlich zu analysieren wäre, und deren Beherrschung, wie es scheint, insbesondere Kohl seine Karriere verdankt (nicht mehr nur ein Schurz, sondern eine ganze Physiognomie aus Feigenblättern)?
Was bedeuten die Namen des Himmels und der Erde?
Das Bekenntnis ist ein Ausdruck der Ohnmacht (der Hilflosigkeit) und der Furcht vor Verfolgung (der Furcht, für sein Denken haftbar gemacht zu werden); deshalb gibt es kein Bekenntnis ohne Feindbild. Das Feindbild (das Stück Projektion in ihm) ist der Kitt, der sowohl das Dogma als auch die Gemeinschaft der Gläubigen zusammenhält. Das Bekenntnis ist Subjekt-Objekt (Opfer-Täter) der Instrumentalisierung: Grundlage der Dynamik der verfolgenden Unschuld, die im Faschismus ihr immanentes Ziel hat und in der Mordlust der Faschisten kulminiert.
Das peri physeos der ersten Philosophen war das Instrument der Verarbeitung der Erfahrung im Interesse der Verinnerlichung des Schicksals und der Etablierung des Weltbegriffs. Die Philosophie unterscheidet sich von den vorausgegangenen Gestalten der Verarbeitung der Erfahrung durch das Argument, die Begründung, den Beweis (die Prosa).
„Man ist jetzt allgemein der Meinung, daß die Anfänge der von den Vorsokratikern betriebenen Spekulation mit der kormogonischen Tradition orientalischen Zuschnitts zusammenhängen.“ (Die Anfänge der abendländischen Philosophie, dtv 1991, S. 11) Gemeinsam ist beiden (der Philosophie und den mythischen Kormogonien), daß sie die Ursprünge zu ermitteln suchen.
Die Homogenität der Zeit wird durch eine imaginäre Zeitumkehr hergestellt, durch die Vorstellung, daß ein Vorgang auch rückwärts ablaufen könne und dann den gleichen Gesetzen gehorchen müßte. Deshalb ist die Homogenität der Zeit an die Reversibilität aller Richtungen im Raum gebunden. Und deshalb werden mit dem Kausalitätprinzip alle teleologischen Elemente unterbunden und verdrängt.
Die orphischen Mysterien sind Produkt der Privatisierung des Sakralen, oder auch der Sakralisierung des Privaten. (Anfänge, S. 14)
Nach Kritias sollen die Götter „verhindern, daß die Menschen heimlich die kriminellen Handlungen verüben, die die Gesetze verbieten“. (S. 21) -
10.11.92
Zur Kritik des Tauschprinzips: Der Preis, das Opfer und die Strafe.
Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen: Das Inertialsystem wird nicht siegen. Und ist hiernach die Rücknahme der Verurteilung Galileis, und zwar der Form, nicht der Sache nach, ein Teil der Selbstverfluchung?
– Sollte der Papst wirklich gesagt haben: Galilei, ich verzeihe dir, so klingt das, als wenn auch die Deutschen eines sich bereit erklären würden, den Juden Auschwitz zu verzeihen.
– Und wenn der Papst die Männer der Inquisition mit dem Hinweis auf den „guten Glauben“, in dem sie gehandelt hätten, verteidigt, so wird man daran erinnern müssen, daß mit dem gleichen Argument („fehlendes Unrechtbewußtsein“) die ganze Nazijustiz freigesprochen wurde, ja daß mit diesem Argument die Täter selber (in Auschwitz und den anderen KZs), die auch glaubten, für eine gute Sache zu handeln, nicht hätten schuldig gesprochen werden dürfen. Auch der Fremdenhaß und der Antisemitismus sind bona fide geschehen.
Das „Herr vergibt ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, kann und darf niemand auf sich selbst anwenden (dieser Aspekt, der eine seiner Wurzeln in der paulinischen Gesetzeslehre hat, gehört zu den Gründen der Theologie).
Das bona fide gehört zu den Wurzeln der Perfidie, die die Kirche seit je an den anderen (insbesondere an den Juden) verfolgt hat.
Zur Anzeige der Frankfurter Sparkasse in der FR von heute: Dies ist der unverhohlene Aufruf dazu, Frankfurt endlich mieterfrei zu machen. Der Hinweis darauf, welche Gewinne z.Z. aus den Mietsteigerungen gezogen werden können, ist selber eine der Hauptursachen der Mietsteigerungen. Hier (an der Grenze, an der Politik, Ökonomie und Reklame in einander fließen) läßt sich verdeutlichen, wie Anschauungen, die vorgeben, ideologiefrei zu sein, fast naturgesetzlich und zwangsläufig Zustände begründen, die Haß auf die Fremden dann als Blitzableiter brauchen, d.h. zum Ideologie-Generator werden. Diese Reklame verschweigt nicht mehr nur den Tod, sondern sie gehört zu den Schreibtisch-Ursachen des Mords. Heute glaubt die Politik insgesamt, durch Perhorreszierung des Denkens ideologiefrei leben zu können.
Der Kampf gegen die Fremdenfeindlichkeit unter dem Titel Rassismus ist ohnmächtig und hilflos, weil nach dem Modernisierungsschub, den der Faschismus geleistet hat, die Brutalität die Rechtfertigung durch den Rassismus nicht mehr braucht, sondern schlicht und einfach nur noch auf Fremdheit reagiert. Und die, die heute als Nazis sich gerieren, haben das entweder noch nicht gemerkt (und sind noch dümmer, als die Nazis es schon waren), oder sie verkleiden sich bloß aus Reklamegründen, nutzen das Nazibild als Wirkungsverstärker.
War die Gnosis nicht ein Stück offener Projektion, steckte der Demiurg nicht in der logischen Fluchtlinie jener Gestalt der Theologie, die durch Zuhilfenahme der Philosophie von ihrem jüdischen Ursprung glaubte sich emanzipieren zu müssen? Der christliche Gott trägt seit den Anfängen der hellenisierten Theologie demiurgische Züge; so war der Zwang, sie auf den eigenen Ursprung zu projizieren, fast unwiderstehlich. In der Gnosis hat die Kirche erstmals ein Stück ihrer selbst verdammt, ohne sich real davon befreien zu können. Und hat die Kirche nicht seitdem in ihren Feindbildern das Unerlöste in sich selber gehütet und gepflegt?
Seid arglos wie die Tauben: Steckt nicht in jedem Wohnen ein Stück „Argwohn“?
Rankes Satz, es sei Aufgabe des Historikers zu erkennen, wie es denn eigentlich gewesen sei, unterschlägt das Was. Er vernebelt damit, daß für den Historiker dieses Was vorgegeben ist durch sein (damals vor allem nationales) Interesse. Nur wer das nicht mehr zu reflektieren bereit ist, für den bleibt nur das Erkenntnisziel, wie es den eigentlich gewesen sei. Das Was erscheint als Objekt der freien Wahl.
Randbemerkung hierzu: Spielt hier nicht auch die merkwürdige Beziehung der Fragewörter zu den bestimmten Artikeln mit herein, die Beziehung von wer wie was zu der die das?
– Hier steht das Wie in einer noch unaufgeklärten Beziehung zum femininen Artikel. Hängt das Wie mit der Instrumentalisierung des Weiblichen zusammen, die die patriarchalische Sprache insgesamt charakterisiert? Und
– hängt es nicht auch damit zusammen, daß in den indogermanischen Sprachen im Weiblichen Genitiv und Dativ (und im Weiblichen und im Neutrum Nominativ und Akkusativ) nicht zu unterscheiden sind. Das aber heißt, daß das Weibliche wie das Neutrum im strengen Sinne subjektlos sind (keinen Nominativ haben), nur als (aus dem Akkusativ abgeleitetes) Objekt vorkommen, und daß im Weiblichen darüber hinaus durch die Nichtunterscheidung von Genitiv und Dativ das Herrschafts- und Besitzverhältnis des Genitiv von der Geschenk- und Gnadenbeziehung des Dativ nicht sich trennen läßt: die Differenz von Hingabe und Vergewaltigung (ähnlich wie die Gemeinheit überhaupt) in der Sprachstruktur nicht bestimmbar ist.
– Die Trennung von Masculinum und Neutrum, von Person und Sache, ist im Femininum gegenstandslos; das Neutrum ist ein abgespaltener Teil des Masculinum: deshalb gelten Frauen als unsachlich, als der Logik nicht fähig.
– Frage: Wie hängt das zusammen mit der Bildung des Futur II (dessen Ursprung sich herleiten läßt aus dem Ursprung des Privateigentums, der neuen Bedeutung der Vaterschaft und seiner Beziehung zur Funktion der Erbschaft): liegt hier nicht der Grund der Trennung von Person und Sache, von der das Weibliche ausgenommen ist?
– Wie hängt diese Sprachstruktur mit dem Ursprung des Objektbegriffs, mit dem Begriff des Schicksals und der Geschichte seiner Verinnerlichung in der Gestalt des bürgerlichen Subjekts und im Ursprung der Philosophie zusammen?
– Ist dieser Zusammenhang des Masculinum, Femininum und Neutrum nicht im Sündenfall, im Verhältnis von Adam, Eva und der Schlange vorgebildet; verweist nicht insbesondere die Geschichte mit dem Staub (zu dem Adam wird, und von dem die Schlange sich nährt) auf den besonderen Charakter des Verhältnisses von Männlichem und Sachlichen? Das Neutrum ist die Schlange, die auf dem Bauche kriecht und Staub frißt.
Unter der Herrschaft des Weltbegriffs wurde das Antlitz der Erde entstellt und die ganze Schöpfung in der Naturhölle eingesperrt.
Die andere Bedeutung des Futur II: Es wird (wohl so) gewesen sein, ist zu ergänzen durch das „Wenn du es sagst“. Hier wird die Autorität von der Sache in die Person zurückgenommen und zugleich relativiert. Hier reflektiert sich die Unterscheidung von Person und Sache, die im Männlichen gründet. Das Logozentrische des Indogermanischen ist der Widerpart des Logos.
Hängt die Logik jener „Tiefenzeit“ bei Stephen Jay Gould nicht mit jener Logik zusammen, die die Reklame heute zu einem Mordinstrument macht, und mit der gleichen Logik, die die Politik von den realen Erfahrungen der Menschen auf eine fast nicht mehr nachvollziehbare Weise entfernt? Das aber heißt, ist sie nicht ein Teil jener Logik, die heute die Welt insgesamt in sodomitische Zustände hineintreibt
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie