Das Gewissen ist das Organ der Sensibilität, der moralischen Wahrnehmung: es ist ein Erkenntnisorgan. Wer das Gewissen (im Kontext der transzendentalen Ästhetik, unterm Bann der subjektiven Formen der Anschauung) zu etwas rein Innerlichem macht, macht es zur Quelle von „Schuldgefühlen“. Dieses Gewissen beurteilt nur post festum die vergangenen Handlungen (das eigene Tun); zu diesem Gewissen gehört der Rechtfertigungszwang (gehören die Abwehrmechanismen und die Feindbildlogik).
Was ist das für ein merkwürdiges Konstrukt, das, indem es rechtfertigt, verurteilt und freispricht zugleich? Ist dieses „Gewissen“ nicht der Inbegriff der Logik der subjektiven Formen der Anschauung, der transzendentalen Ästhetik?
Das Gewissen, das nur noch innerlich ist, ist der Luxus in einer versteinerten und gnadenlosen Welt.
Ist nicht der letzte Satz des Jakobusbriefs der Schlüssel zur Gnadenlehre?
Zu Hegels Satz: „Für den Kammerdiener ist der Held kein Held“ ist zu bemerken: Ein Held, der einen Kammerdiener hat, ist kein Held.
Ist Held eine ästhetische Kategorie? Was (nicht „wer“) ist der Held des Romans (ein Identifikationsobjekt, das ästhetische Pendant des Objekts: Beziehung zum Weberschen „Charisma“)? Gibt es Helden ohne Feindbildlogik, und gehört nicht zur Figur des Helden die Idee des stellvertretenden Opfers? Ist nicht die Figur des Helden der Knotenpunkt der Instrumentalisierung (im Helden gewinnt die Logik der Instrumentalisierung, die transzendentale Ästhetik, Selbstbewußtsein)? – Was hat die Figur des Helden mit dem „Fürsten dieser Welt“ und mit der Astronomie zu tun? Helden sind fleischgewordene Götter. Helden sind die Abgeltung des Opfers als Opfer an das Selbst.
Gibt es außer dem biblischen Schöpfungsbericht noch eine andere Kosmogonie, die auch die Entstehung des Lichts mit einschließt?
Pharao, der Titel des ägyptischen Königs: Hat die aristotelische Unterscheidung von oikos und polis etwas mit der Unterscheidung von Mizrajim (Pharao und das Sklavenhaus) und Babylon (Tempelwirtschaft) zu tun?
Stecken nicht im Namen der politischen Ökonomie, deren Kritik Marx sich vorgesetzt hatte, die polis und der oikos?
Bei Rosenzweig kommen Ägypten und Babylon nicht vor, dafür neben Griechenland Indien und China und neben Juden und Christen der Islam. Das aber heißt: Rosenzweig war kein Prophet, sondern ein Philosoph.
Bei Daniel kommt Ägypten nicht vor (erst bei Johannes kommt neben Babylon auch Ägypten vor: die Plagen). Wer Ägypten verstehen will, muß die Finsternis begreifen.
War die Erfindung der Sumerer ein Konstrukt zur Absicherung des Antisemitismus, gehört sie nicht in den Kontext der historischen Bibelkritik, deren Ziel die Neutralisierung der Prophetie gewesen ist? War nicht das Ziel der historischen Bibelkritik die Kritik der Erwählung Israels, die sie zu einem Exempel des Nationalismus gemacht hat, um so die exkulpatorische Logik zu retten? Kern der historischen Bibelkritik war die Verwerfung der Gottesfurcht.
Hat die kabbalistische These. daß die sechs Richtungen des Raumes auf göttliche Namen versiegelt sind, etwas mit der apokalyptischen Versiegelung (und mit der Lösung der sieben Siegel) zu tun?
Gibt es nicht Motive aus der heroischen Tradition, die sowohl auf Moses als auch auf Jesus sich anwenden lassen?
Ist die Stummheit des Helden die Folge seiner Beziehung zum Ursprung der Kunst, zur Ästhetik, auch zu den subjektiven Formen der Anschauung? Sind Helden die ersten Objekte der Anschauung? Wenn die Stummheit des Helden mit dem Ursprung der Raum- und der Objektvorstellung zusammenhängt, ist sie eine Bestimmung innerhalb der Sprache. Und wie hängt die Distanz zum Objekt, die in der Stummheit des Helden sich ausdrückt, mit dem bara, mit dem biblischen Schöpfungsbegriff zusammen (wie auch mit dem Namen der Barbaren und der Hebräer)?
Ich schaffe die Finsternis und bilde das Licht: Ist nicht das Himmelsblau das über die Finsternis gezogene Licht, das Rot des Feuers die über das Licht gezogene Finsternis? – Vgl. Goethes Farbenlehre.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Haben Mond und Sonne etwas mit der Scham und mit dem Blick der Andern, mit dem Urteil, zu tun?
Et verbum caro factum est: Ist dieses Fleisch der Inbegriff der Nacktheit und der Scham. Der ans Kreuz Geheftete war nackt.
Drückt in der Apokalypse die Beziehung der Wahrheit zur Öffentlichkeit sich aus, die auch dem Martyrium zugrunde liegt?
Mene, tekel upharsin: Gezählt, gewogen und zu leicht befunden. Die Wand ist die Projektionsfläche, die die Rationalität der Naturwissenschaft begründet. Ist das Menetekel (die Schrift an der Wand) der Grund der Naturwissenschaft? Das Menetekel ist das Symbol der Logik der Schrift; und hat es nicht auch etwas mit dem Geld, mit Mine und Schekel, zu tun? Ist die Kunst (der subjektlose Traum der Politik, den das Genie, die „Natur im Subjekt“, träumt) der Traum des Nebukadnezar?
Feindbildlogik
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18.2.1997
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15.2.1997
Gemessen an der Apokalypse ist das offizielle Christentum der Durchbruch des Heidentums im Christentum.
Die Sünde der Welt: Ist die Orthogonalität, der Realgrund jeder Abstraktion, der Realgrund der Sünde, und ist der subjektive Ausdruck der Orthogonalität die Person (bei Paulus das Fleisch)?
Im Begriff des Bekenntnisses steckt das ganze theologische Problem der Öffentlichkeit.
Jedes Bild ist ein Feindbild, und die Feindbildlogik ist das Erbe der Idolatrie.
Es gibt keine Gesellschaftskritik ohne Naturkritik. Nur: An der Natur wäre ein Kritikbegriff zu demonstriereen und zu erlernen, der nicht mehr auf Widerlegung zielt.
Die Idee der Auferstehung, und mit ihr die Engel- und Dämonenlehre, ist zusammen mit dem Weltbegriff entstanden.
Hat die Schriftrolle bei Sacharja (Sach 51ff) etwas mit dem Himmel, der am Ende wie eine Buchrolle sich aufrollt, zu tun?
„Und er sprach zu mir: Das ist der Fluch, der über das ganze Land ausgeht; denn alle Diebe sind – wie lange schon! – straflos geblieben, und alle, die in meinem Namen falsch schwören, sind – wie lange nun schon! – straflos geblieben. Ich habe ihn ausgehen lassen, spricht der Herr der Heerscharen, daß er eindringe in das Haus des Diebes und in das Haus dessen, der in meinem Namen falsch schwört, und in seinem Haus sich festsetze und es verzehre samt seinem Holz und seinen Steinen.“ – Ähnlich die Elberfelder Übersetzung.
Buber: „Er sprach zu mir: Dies ist der Eidfluch, der ausfährt übers Antlitz all des Landes. Denn alles, was stiehlt, ihm nach wirds von hier weggeräumt, und alles, was schwört, ihm nach wirds von hier weggeräumt. Ausfahren lasse ich ihn, Erlauten ists von Ihm dem Umscharten, daß er komme ins Haus des Stehlers und ins Haus dessen, der schwört bei meinem Namen zum Lug, inmitten seines Hauses nachte und samt seinen Holzbalken und seinen Steinen es vernichte.“ – Vgl. auch Zunz (hier repräsentieren das Stehlen und der Schwur die beiden Seiten der Schriftrolle). -
3.2.1997
Der Einwand der Naturwissenschaftler gegen den biblischen Schöpfungsbericht, daß das Licht nicht vor der Sonne da gewesen sein könne, setzt das Dasein des Raumes vor der Schöpfung voraus.
Ist nicht der Turm die Verkörperung der Norm des Raumes (des Gesetzes, der Individualisierung, des Ursprungs der Geschichte der Naturbeherrschung und des Staates)?
Unterm Vorzeichen des Atheismus wird der Kampf um die Öffentlichkeit zum Machtkampf (zum Kampf um die Herrschaft über die Instrumente der Öffentlichkeit).
Wissenschaftskritik ist notwendig, nicht um dem Glauben Platz zu machen, sondern um der Gotteserkenntnis Raum zu schaffen.
Zum Stichwort „Dressur des inneren Schweinehundes“ vgl. den heute in der FR veröffentlichten Brief des persischen Schriftstellers Faradsch Sarkuhi: In einer Öffentlichkeit, in der jede Information dem Verdacht der Instrumentalisierung unterliegt, gerät die Wahrheit in Gefahr, nach den Kriterien der Feindbildlogik entschieden zu werden. Ebenso, wie der Brief echt sein kann, kann er auch von Institutionen oder Gruppen, die ein Interesse daran haben, gefälscht worden sein. Mit diesem logischen Apriori jeglicher Information, die grundsätzlich instrumentalisierbar ist, hängt es zusammen, daß heute mit Hilfe des Fernsehens Kriege an- und abgestellt werden können. Die Frage, ob die Toten in Stammheim umgebracht wurden oder ob sie Selbstmord begangen haben, wird heute in der Regel nicht mehr nach dem Kenntnisstand, sondern durch Parteinahme „für oder gegen den Staat“ entschieden (wobei das Verhalten der staatlichen Stellen, die die Aufklärung behindert und die Frage durch Kriminalisierung zu lösen versucht, eher gegen ihn spricht, damit aber einen nachgerade kriminellen Nationalismus fördert). Beide Versionen sind in gleichem Maße real vorstellbar wie sie zugleich moralisch unvorstellbar sind.
Die Instrumentalisierung des Wissens (der Information) macht die Wahrheit zu einer Frage der Zweckmäßigkeit, des Eigeninteresses, der Bequemlichkeit, auch des „persönlichen Bekenntnisses“. Aber reicht diese Instrumentalisierung nicht zurück in die Grundlagen des Wissens überhaupt: in das Problem der transzendentalen Ästhetik, des apagogischen Beweises, der Naturbeherrschung und in dessen Beziehung zur Feindbildlogik?
Im Kontext der Bekenntnis- und der Feindbildlogik ist die Öffentlichkeit ein Schlachtfeld. Und auf diesem Schlachtfeld „gewinnt immer die Bank“.
Der Nationalismus war seit je ein Indikator der instrumentellen Vernunft.
Wenn zwischen dem An sich und dem Für andere nicht mehr zu unterscheiden ist, wird der Staat zum Absoluten. Das aber heißt, daß es so viele Verkörperungen des Absoluten gibt, wie es Staaten gibt (und es gibt so viele Welten, wie es Tiergattungen gibt: jede Gattung ist eine Verkörperung des Absoluten der Welt, zu der sie gehört).
Der Säkularisationsprozeß beginnt mit dem Ursprung und der Entfaltung der Bekenntnislogik (des Feigenbaums, der am Ende keine Früchte mehr trägt, aber viele Blätter).
Daß nichts Vergangenes nur vergangen ist, heißt auch, daß es keine abgeschlossene Vergangenheit (die uns nichts mehr angeht) gibt. Die Vorstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit läßt sich u.a. pragmatisch begründen, durch das Interesse der Vergegenständlichung, die ihren Grund im Herrschaftsinteresse hat. Die Vorstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit gehört zu den Voraussetzungen der Naturbeherrschung; sie ist das Modell der Verfassung des Objekts der Naturbeherrschung, das nur insoweit, wie es tot ist, beherrschbar und verfügbar ist. -
2.2.1997
Ist die dies dominica der Tag JHWHs: der Tag des Gerichts? Und hat nicht der Säkularisationsprozeß, in den die Geschichte des Christentums verflochten ist, dieses Gericht mit dem Tod gleichgesetzt – mit der vergegenständlichenden Gewalt des Todes in der Ausbildung der Bekenntnislogik und dann der subjektiven Formen der Anschauungen. Die Welt der Naturwissenschaften ist die gerichtete Welt.
Nachts sind die Sterne eine Orientierungshilfe in der Fremde und auf dem Meer.
Säkularisation: Durch die subjektiven Formen der Anschauung haben wir den Schrecken in die Dingwelt verschoben, das aber heißt: in der Gesellschaft an jene, die in ihr die Dingwelt repräsentieren.
Die Grenze der Reversibilität, die das Relativitätsprinzip determiniert, läßt sich an zwei Dingen demonstrieren: am allgemeinen Relativitätsprinzip (an seiner Anwendung auf die Fallbewegung) und an der Beziehung von Objekt und Begriff: die Fallbewegung ist immer nach unten gerichtet und der Begriff ist immer oben. Die Feindbildlogik wird mißverstanden, wenn man glaubt, sie mache die Beziehung von Oben und Unten reversibel (sie mache Oben und Unten gleich). Die Feindbildlogik ist die Waffe der Herrschenden; wer glaubt, sie gegen sie wenden zu können, ist schon in der Falle drin. Die Kritik der Feindbildlogik ist ein Teil der Herrschaftskritik.
Wittgensteins Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist, ist ein Produkt der Selbstanwendung des Weltgerichts auf die Welt.
Ich weiß nicht, ob es eine Auferstehung der Toten geben wird; ich weiß nur das eine, daß, wer sie leugnet, sich mit den Herrschenden gemein macht.
Nur im Johannes-Evangelium ist an der Gefangennahme Jesu auch ein römische Kohorte beteiligt.
Ist es nicht merkwürdig, daß die Christen erstmals in Antiochien so genannt wurden? Hat Antiochien etwas mit Antiochus IV. Epiphanes zu tun?
Strukturwandel der Öffentlichkeit: Wann gab es die Löwengruben, von denen beim Daniel berichtet wird? Und haben nicht die Römer in den Arenen die Löwengruben öffentlich gemacht?
Gehören nicht die Tempel zur Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit? Und ist nicht der Kampf gegen die Idolatrie ein Teil dieser Geschichte, die zur Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs gehört?
Die Fläche ist das Medium der geometrischen Rationalität (der Linearität und der Orthogonalität). Diese Rationalität wird stabilisiert durch die Norm: durch die „dritte Dimension“. Erst die Norm zieht die Beziehung zu den Dingen und zur Zeit in die Form des Raumes mit herein (sie fundiert die Anwendbarkeit der Raumvorstellung, ihre Beziehung zur Naturbeherrschung). Die Norm begründet die Beziehung des Raums zur Anschauung: Für die Anschauung (die die intentio recta zur Norm macht) wird die Fläche gegenständlich; die Anschauung rückt die Dinge in den Seitenblick.
Das Anschauen abstrahiert vom Gegenblick, vom Angesicht; der Anschauende wird angeschaut vom leeren, toten, gesichtslosen Blick der Dinge.
Der Begriff der Anschauung Gottes ist ein theologisches Konstrukt, kein biblischer Begriff; er gehört zum Kontext der creatio mundi ex nihilo. Die Frage Luthers: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“ gründet in diesem Kontext, ist durch ihn determiniert. Die Anschauung Gottes ist die Anschauung des anschauenden, das aber heißt: des richtenden, nicht des barmherzigen Gottes. Im Kontext der Anschauung wird die Gnade, die objektlos wird, zur Rechtfertigung, die Anschauung begründet den Rechtfertigungszwang.
Vor Gott gibt es keine Rechtfertigung, nur die Gerechtigkeit; die Rechtfertigung gründet (wie der Schein) im Anblick der Welt. -
1.2.1997
Die versteinerten Verhältnisse sind das Korrelat des Herrendenkens (des steinernen Herzens). Nur die Barmherzigkeit, die Fähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen, vermag den Bann zu brechen. Der Bann, der zu brechen wäre, ist der Bann der Anschauung; in der Kritik der Anschauung findet Barmherzigkeit ihren Grund.
Mitleid verbleibt im Bann des Anschauens; sie verstellt der Barmherzigkeit den Weg.
Das Neutrum ist der sprachlogische Grund der Ästhetik: des Mythos und der Kunst.
Das Neutrum ist das Unwiderlegbare, das Richtige, das von der Wahrheit zu unterscheiden ist. So sind die subjektiven Formen der Anschauung, auch die synthetischen Urteile apriori, zwar unwiderlegbar, aber damit nicht schon wahr.
Unwiderlegbar sind: das richtende Urteil, das Dogma, die Welt und die Natur.
Der historische Abstraktionsprozeß ist ein dämonischer Prozeß. Das, wovon abstrahiert wird, ist selber das Produkt und der Inbegriff der Abstraktion: das Ding; während das, wovon in Wahrheit abstrahiert wird, in diesem Prozeß nur verdrängt, unsichtbar gemacht, zum Verschwinden gebracht worden ist: der Name.
Der Objektivationsprozeß ist auch ein Verdrängungsprozeß: Was wir in der Geschichte verwerfen, ist genau das, an das wir nicht erinnert werden wollen.
Isaak hatte einen Halbbruder: Ismael, Jakob hatte einen Zwillingsbruder: Esau.
Die Naturwissenschaften haben endgültig das Licht durch die klarheitschaffende Feindbildlogik ersetzt, die Welt zu einer feindlichen Welt gemacht. Die Naturwissenschaften sind das universale Alibi des „feindlichen Lebens“, in das der Mann hinaus muß.
Wie hängt das Schaffen mit der Schöpfung zusammen? Ist nicht das Schaffen (die Parodie der Schöpfung) der Sprachgrund des Rassismus?
Die Tempel, das waren nicht nur die Kultstätten der Völker, sie waren zugleich Banken, Finanzämter, Schlachthäuser und die Zentren der Unterhaltungsindustrie.
Der Zehnte stand den Tempeln zu; wovon lebten die Könige, womit unterhielten sie ihre Herrschaftseinrichtungen? Wie sind die Steuern entstanden (die Geldhoheit lag bei den Königen)? Waren auch die Tempel königliche Einrichtungen (in Israel hat Salomo den ersten Tempel erbaut, Nehemia den zweiten und Herodes den dritten)?
Was ist das, was die Reagans, die Thatchers, die Gerhards, die Haiders, die Netanjahus (und wer noch?) gemeinsam haben?
Wenn es keinen Objektbegriff ohne Feindbildlogik gibt, dann gibt es keine Erlösung ohne die Auferstehung der Toten.
Barmherzigkeit: die Selbstreflexion in der dritten Person, im Andern. -
31.1.1997
Louis Ginzbergs Bemerkung, daß die apokalyptische Bewegung „nicht nur antisozial, sondern auch antiethisch“ war (Apokalyptik, S. 220), verweist auf einen zentralen Punkt: Sie war staatskritisch. Die Katastrophe, die sie vor Augen hatte, war die Katastrophe, die insbesondere im Römischen Reich, dem Erben Babylons, sich verkörperte. War nicht der „Zaun um die Thora“ der notwendige Versuch, die systemsprengenden Energien, die die Apokalypse freizusetzen drohte, unter Kontrolle zu halten? Während die rabbinische Tradition die Hilfen fürs Überleben in einer übermächtigen Völkerwelt bereitstellten, ist das Christentum spätestens mit den Kirchenvätern zum Feind übergelaufen.
Wer träumt im Alten Testament, und wer im Neuen?
Stehen nicht alle Tiere unter dem Bann des Raumes, und ist das nicht das Problem der Hegel’schen Logik, daß dieser Bann in ihr sich reproduziert? Steht nicht der Begriff unter dem Bann des Raumes, der im Weltbegriff sich verkörpert?
Der Gott, der die Welt erschaffen hat, ist der Herr der Tiere.
Adornos Begriff der Reflexion der Natur im Subjekt zielt auf die Reflexion der Wurzel des Rassismus, er ist das deutlichste Konzept des Antirassismus. Die Reflexion der Natur im Subjekt ist die Reflexion der Objektseite des Subjekts, dessen, was das Subjekt für andere ist. Sie schließt die kritische Reflexion des Weltbegriffs mit ein, und damit die des Staates, in dessen Geschichte die des Weltbegriffs gründet.
Das Wasser im Namen des Himmels verweist auf die Wasser,
– über denen der Geist Gottes brütet,
– an denen die Hure Babylon sitzt,
– es verweist auf das Chaos-Element, das Lebenselement der von Gott erschaffenen Meeresungeheuer,
– es verweist damit auf die Schlange, die in der Geschichte vom Sündenfall das Neutrum repräsentiert, das Was, dessen Plural (im Hebräischen wie im Deutschen) der Name des Wassers ist.
Ist dieses Was die Außenseite des Wer (das Wasser die Außenseite des Feuers)? Bezieht sich darauf nicht das Wort vom Geist, der die Erde erfüllen wird wie die Wasser den Meeresboden bedecken?
Das Was und das Neutrum bezeichnen den sprachlogischen Ort der kantischen Antinomie der reinen Vernunft: des apagogischen Beweises.
An welchen Stellen der Schrift wird Gott der Schöpfer des Himmels und der Erde und des Meeres genannt, und in welcher Beziehung stehen diese Stellen zum geschichtstheologischen Problem der Apokalypse? Nach der Johannes-Offenbarung wird am Ende (wenn jede Träne abgewischt wird) das Meer nicht mehr sein.
Daß am Ende das Meer nicht mehr sein wird, heißt das nicht, daß die Sprache vom Bann der subjektiven Formen der Anschauung und des Begriffs befreit sein wird, daß sie die erkennende Kraft des Namens wiedergewinnen (daß sie sich im Angesicht Gottes erneuern) wird? Zuvor wird das Meer seine Toten herausgeben: Es gibt kein vom Begriff getrenntes Objekt mehr.
Das Meer ist der Repräsentant der Völkerwelt: Deshalb gehört zu den Konstituentien des Begriffs der Name der Barbaren (und zu denen des Namens der zum Namen der Barbaren inverse Name der Hebräer).
Theologie im Angesicht Gottes schließt die Kritik des Begriffs, die Reinigung der Sprache vom Begriff, mit ein.
Adornos Kritik der Verdinglichung, seine negative Dialektik, war der Anfang der Gottesfurcht.
Wer den Begriff Theologie mit „Rede von Gott“ übersetzt, weiß nicht, wovon er spricht: Die Predigt ist zur Rede geworden, als sie faschistisch wurde. Nicht zufällig erinnert der Begriff der Rede an Hitler. Der Name der Lehre, der im Namen der Theologie enthalten ist, kann und darf nicht preisgegeben werden. Die Attribute Gottes stehen zwar nach Emanuel Levinas im Imperativ, nicht im Indikativ; aber es gibt einen diesem Imperativ einbeschriebenen Indikativ, den es wiederzugewinnen gilt. Der Indikativ der Anschauung entspricht der Theologie hinter dem Rücken Gottes. Der dem Imperativ einbeschriebene Indikativ ist das Angesicht Gottes.
Adornos Reflexion der Natur im Subjekt, das rührt an die Frage: Wer wird den Stein vom Grab fortwälzen?
Haben nicht die Sätze, mit denen die drei Bücher des ersten Teils des Stern der Erlösung beginnen, etwas mit dem Traum des Nebukadnezar zu tun: Von Gott, von der Welt, vom Menschen wissen wir nichts, aber dieses Nichtwissen ist Nichtwissen von Gott, von der Welt, vom Menschen?
Kommt im Buch Daniel eine Frau vor? – Nur beim Belschasar, als er „mit seinen Frauen und Nebenfrauen“ aus dem den Geräten des Tempels trinkt. Kommt nicht dann „seine Frau“ (die also von den Frauen und Nebenfrauen noch unterschieden wird) hinzu, die ihn an Daniel verweist?
Ist nicht die Rache eine reaktive Gemeinheit, unterliegt sie nicht dem Gesetz der Feindbildlogik, der Rechtfertigung des eigenen Tuns durch das der Andern und dem Trieb, auch so gemein sein zu dürfen wie der Feind? Der Rachetrieb ist mit der Befreiung und der Veränderung nicht auf einen Nenner zu bringen. Im Rachetrieb mache ich mich mit dem, an dem ich mich räche, gemein. -
20.1.1997
Apokalypse:
– Pseudepigraphie als Versuch, die Welt durch die Augen des Andern zu sehen; säkularisiert als Fälschung (Pseudo-Dionysius, isidorische Fälschung, das Problem Karl d.Gr. etc.), schließlich als Roman.
– Modell: Der Traum des Nebukadnezar.
– Ist das Namensproblem der Evangelien (und in ihm das Problem der Väter) ein apokalyptisches (mit Saulus/Paulus als doppelte Epigraphie: Simon von Kyrene und Sergius Paulus)?
– Kontext: Ursprung des Weltbegriffs (des Staates und der Zivilisation: Bedeutung Babylons).
– Naturbegriff: Vätertheologie und Neukonstituierung des Christentums (irisches Christentum: die Flucht nach Tarschisch), das Problem des Johannes Scottus Eriugena.
– Satan, Schlange und Dämonologie: Das grammatische Problem und der Ursprung der Bekenntnislogik.
– Apokalypse und Sprache: Gibt es eine hebräische Apokalypse, sind nicht alle Apokalypsen griechische, syrische, äthiopische etc. (selbst Daniel ist im Kern aramäisch)?
– Verweist das Chronologie-Problem (die Verfälschung/Korrektur der altorientalischen Geschichte: „Die Sumerer gab es nicht“, die historische Bibelkritik und der Antisemitismus) auf eine Apokalypse-Vermeidungsstragie?
– Scholastischer Universalismus, die Irrwege der Theologie; Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.
Wer die Apokalypse als ein sprachlogisches und sprachhistorisches Problem begreift, begreift das Problem des Namens.
Sind nicht die Namen in den Evangelien Zitate, angefangen von Joschua, über Joseph und Mirjam, Sacharja und Jochanan, Schimon, Juda, aber auch Andreas, Philippus?
Zum Namen:
– Wann (und weshalb) spricht Jesus von sich in der dritten Person („der Menschensohn“ – vgl. auch die Antwort an den Täufer)?
– Was hat es mit dem „Namen, den niemand kennt als der ihn empfängt (als er selbst)“ (Off 217, 1912) auf sich?
– Daniel und die anderen jungen Männer erhalten in Babylon andere Namen.
Die Einladung der Vögel des Himmels zum großen Gottesmahl, die Aufforderung, das Fleisch der Könige, das Fleisch der Kriegsobersten, das Fleisch der Starken, das Fleisch der Pferde und derer, die darauf sitzen, und das Fleisch aller Freien und Sklaven und Kleinen und Großen zu fressen, drückt aufs deutlichste die Beziehung von Fleischessen und Hierarchie aus. Zugleich bezeichnet es einen sprachlogischen Sachverhalt: das Ende des Komparativs (ist nicht der Raum, alles mathematisch Meßbare und dann dessen Inbegriff: das Inertialsystem, ein Produkt des hypostasierten Komparativs, des Wie, das den Himmel verzehrt?).
Hat nicht die Scholastik über das Verfahren der Analogie den Superlativ in die Theologie mit aufgenommen, damit den Grund aller Hierarchien in die Theologie verlegt, und war das nicht die Grundlage der Sakramentenlehre?
Der Satz „Gott ist barmherzig“ ist eins mit dem Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht. Und das hat etwas zu tun mit dem Stellenwert der Unerkennbarkeit der Dinge an sich in der kantischen Philosophie. Nur die Barmherzigkeit rührt ans An sich der Dinge. Hierin gründet der schärfste Einwand gegen die Geheimdienste (deren Ziel die Feinderkenntnis, das Gegenteil der Barmherzigkeit, ist).
Läßt nicht die Astrologie als die vollständige Versammlung der Objekte sich begreifen, in denen der Faschismus sich selbst überlebt? Und lassen sich nicht alle diese Objekte an ihrer Feindbildlogik, an dem Gemisch von Rechtfertigungszwängen, Abwehrmechanismen und Projektionen erkennen? Und sind nicht alle Objekte Zwillingsgestalten, Produkte eines Feindbild-Clinchs?
Ist nicht das Feindbild das wirksamste Instrument der Rechtfertigung?
Summa contra gentiles: Die Scholastik hat das Barbaren-Paradigma in der Theologie rekonstruiert: im Namen der Heiden, aus denen dann die Wilden hervorgegangen sind.
Ist nicht die Sexualmoral ein Produkt der Metaphorik, das dann im Herrschaftsinteresse (und im Kontext des Ursprungs des Weltbegriffs, in dem das Herrschaftsinteresse sich objektivierte) fundamentalistisch mißverstanden worden ist?
Dummheit und Projektion: In den „überwundenen“ Stufen der Vergangenheit spiegelt sich nur die Dummheit der Gegenwart.
Ist das Neutrum die verdinglichte Außenseite der Projektion (die cartesische „Ausdehnung“)?
Hat nicht die Allgemeine Relativitätstheorie etwas mit Heinsohns Geldtheorie zu tun, mit dem Paradigma der Schuldknechtschaft, und die spezielle Relativitätstheorie etwas mit dem des Tauschparadigmas? -
13.1.1997
Die Existenz von Feinden ist ebensowenig zu leugnen wie die Irreversibilität der Beziehung von Oben und Unten (Begriff und Objekt), mit der sie zusammenhängt, aber man sollte durch Feinde nicht zur Feindbildlogik sich verführen lassen. Es ist diese Logik, auf deren Grundlage die Bank immer gewinnt.
Der Hellenismus war eigentlich ein Makedonismus, der aristotelische Gott, das Denken des Denkens, war das Modell der Herrschaft Alexanders.
Haben der Sündenfall und der Cherub mit dem kreisenden Flammenschwert etwas mit dem Problem des apagogischen Beweises zu tun?
Im Namen der Behörde ist die Logik des Lauschangriffs schon vorbezeichnet.
Ist vielleicht der Begriff der Privatwirtschaft erfunden worden, um sicherzustellen, daß auch wirtschaftliche Einrichtungen den Schutz der Privatsphäre für sich in Anspruch nehmen können?
Wenn „von Geburt“ genei und „von Natur“ physei heißt, heißt dann „von Natur“ nicht eigentlich „durch Zeugung“, und bezeichnet dann nicht beides einen gesellschaftlichen (einen herrschaftsgeschichtlichen, politischen, begrifflichen), nicht einen „natürlichen“ Sachverhalt (bei Paulus gibt es Unbeschnittene „von Natur“, Männer haben „von Natur“ keine langen Haare, Joseph/Barnabas, ein Levit, war „von Geburt“ ein Zyprer und Paulus war „von Geburt“ ein Römer)?
Das Konzept der Verurteilung des Faschismus wird nicht mehr lange zu halten sein (vgl. Goldhagen): Auschwitz rückt uns immer näher.
Der Jakobusbrief ist die Nabelschnur, die das Christentum mit seinem jüdischen Mutterschoß verbindet: Sie darf nicht durchschnitten werden vor dem Ende der messianischen Wehen.
Die Hegel’sche Logik ist die vollständige Entfaltung der subjektiven Formen der Anschauung, die vollständige Durchdringung der durch die subjektiven Formen der Anschauung konstituierten Objektivität. An ihrer wechselseitigen Beziehung ließe das Verhältnis der Arbeit des Begriffs zum reinen Zuschauen sich demonstrieren.
Wie unterscheidet sich das Geschehen vom Werden? Hegels Philosophie ist eine Philosophie des Werdens, während im Lichte der Fundamentalontologie sich alles ins Geschehen verwandelt. Liegt der Grund dieser Differenz in der Beziehung zur Zeit? Was bei Hegel als Werk der teleologischen Praxis, in der ich mich als der Urheber wiedererkenne, erinnert wird, ist bei Heidegger zum vergangenen Geschehen, dem ich post festum als ohnmächtiger Zuschauer beiwohne, vergegenständlicht und erstarrt. Der Begriff des Geschehens gehört zu einem Begriff der Objektivität, in dem das Subjekt nur Zuschauer und Objekt ist, nicht mehr Handelnder. Der Begriff des Geschehens erzeugt das Bild einer Welt, in der Sprache die Dinge nur noch von außen trifft (als Information und Kommunikation sich zu den Dingen draußen verhält), ihre eingreifende und ihre benennende Kraft (die miteinander zusammenhängen) verloren hat. In Heideggers Begriff des Daseins verschränkt sich das Moment des ohnmächtigen Zuschauens mit der Ohnmacht des Objekts (die Eigentlichkeit mit der Uneigentlichkeit, von der sie sich ohnehin nicht unterscheiden läßt): das Subjekt wird zum Ding und das Sein zur subjektlosen Herrschaft dessen, was ist, zum reinen Geschehen.
Im Werden werden die subjektiven Formen der Anschauung noch als subjektive Formen reflektiert, während sie im Geschehen zu einer die Objektwelt insgesamt beherrschenden, durch Reflexion nicht mehr aufzulösenden gegenständlichen Macht geworden sind. Geschehen ist vergangenes Werden, die Weltgeschichte ist das Weltgericht.
Die Feindbildlogik braucht die Schlechtigkeit der Welt, das herrschende Unrecht, zur Rechtfertigung des eigenen Böseseins, stattet sie mit dem zusätzlichen Komfort des guten Gewissens, der Unschuld aus.
Gott ist nicht der Herr der Geschichte, sondern der Erwecker der Toten. Und die Väter sind die Toten, die die Toten begraben (hier findet Tobit seine Stelle, zu dessen Geschichte der Untergang Ninives gehört). -
11.1.1997
Die ödipale Geschlechterpolarität (Jessica Benjamin: Die Fesseln der Liebe) reicht bis in die historisch „gewachsene“ Logik der Sprache hinein. Sie drückt u.a. in den kantischen Totalitätsbegriffen: in der Unterscheidung von Natur und Welt, sich aus. Und sie gehört zu den Gründen des Problems der „apagogischen Beweise“ (der Antinomie der reinen Vernunft), sowie in der weiteren Folge davon zu den Bedingungen der Möglichkeit der Kritisierbarkeit der staatsanwaltschaftlichen Logik (der „Gemeinheitslogik“).
Der Faschismus hat den frei fallenden Fahrstuhl endgültig aus seinen Verankerungen gelöst. Die Feindbildlogik hat sich so tief in unsere Erfahrung eingesenkt, daß es fast unmöglich geworden ist, sie zu reflektieren. Aber das beweist nur die Notwendigkeit dieser Reflexion. Hat nicht das -d-, durch das das Ahnden vom Ahnen sich unterscheidet, etwas mit dem Suffix -de zu tun, das in Begriffen wie Gemeinde oder Behörde (Gebärde, Gelände) enthalten ist? Und steckt das gleiche -de nicht in dem deutschen Wort Werden? Und verweist dieses Werden in einer ähnlicher Weise auf das Wer wie das Wasser auf das Was? Und hat das Werden in der Hegel’schen Weltphilosophie, in Hegels Logik, eine ähnliche Funktion wie das Ahnden in der Naturphilosophie Schellings (ist das Werden das abgestorbene Wer, das Ahnden die Verfolgung der Zukunft durch die Vergangenheit: ist das Werden eine Emanation des Weltbegriffs, das Ahnden eine des Naturbegriffs)?
Was drückt eigentlich im futurischen Gebrauch des Werden sich aus (wer ist das Subjekt des zukünftigen Tuns)? Das Werden ist der ins Affirmative gewendete Fall, der Anfang der Wege des Irrtums (sh. Hegels Planetentheorie).
In einen andern sich hineinversetzen heißt, die Welt rekonstruieren, deren Logik sein Denken und Verhalten bestimmt (und die Welt rekonstruieren heißt, die ökonomischen Gesetze und Konstellationen rekonstruieren, die die Bedingungen seiner Selbsterhaltung ausmachen). Tiere sind reine Weltwesen, deren Existenzbedingungen durch die Natur vorgegeben sind, während die Menschen ihre Existenzbedingungen im Prozeß ihres Gattungslebens selber hervorbringen. Menschen sind Tiere, die den Bann der Gattung sprengen, für die die Welt – über die Beziehung zu den Andern, die in der Sprache gründet – reflexionsfähig geworden ist. Tiere sind nicht bessere Menschen, auch wenn sie nicht schuldfähig sind: Sie stehen unter dem Bann des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs der Natur, den sie nicht zu reflektieren vermögen. -
8.1.1997
Beitrag zur Erkenntnistheorie: Was hat der Beobachter mit dem episkopos (dem Aufseher) zu tun?
Der Beobachter blendet (durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf einen Punkt) die Wahrnehmung aus, der Aufseher (durch Abstraktion von der Gemeinschaft mit den seiner Aufsicht Unterworfenen) die Erfahrung. Die Beobachtung steht im Dienste der Selbsterhaltung, die Aufsicht in dem der Herrschaft (die Beobachtung im Dienste der Herrschaft obliegt den Geheimdiensten: wenn staatliche Institutionen in die Privatsphäre ihrer Bürger eindringen, konstituieren sie einen eigenen Privat-/Geheimbereich des Staates).
Wie verhalten sich Beobachtung und Aufsicht zur Anschauung (hat die Beobachtung <als Erfolgskontrolle des Naturforschers im Experiment oder des Unternehmers am Markt> etwas mit dem „teleologischen“, die Aufsicht <die Normenüberwachung in der verwalteten Welt> mit dem „normenregulierten“ und die Anschauung <die die moralische Gemeinschaft mit der Welt aufkündigt, sie durch die ästhetische des Anschauens ersetzt> mit dem „dramaturgischen Handeln“ zu tun)?
Auf dem Bauche sollst du kriechen, Staub sollst du fressen: Was ist das für eine Welt, die in Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns sich widerspiegelt (eine Welt, in der die Reflexion stillgestellt ist, und mit ihr die Idee eingreifender Kritik)? Und was wird aus dem, der keine andere Welt mehr kennt?
Der Name Gottes ist in den Trümmern des Himmels begraben.
Was verleiht dem Schuldverschubsystem: den Rechtfertigungszwängen und den Abwehrmechanismen, heute diese alles durchdringende Gewalt?
Gibt es nicht bei Ezechiel eine Stelle, an der von der Wahrheit des Nordens und vom Licht des Südens die Rede ist (oder war es bei Paul Celan)?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Hölle (von denen es heißt, daß sie die Kirche nicht überwältigen werden)? Sie machen die Umkehr gegenstandslos, in ihrem Kontext gibt es zur Selbsterhaltung keine Alternative mehr.
Telefonat mit B.: Wäre es möglich, die Essenz meines Textes in Thesen zu präzisieren?
– Mißverständnisse lassen sich nicht vermeiden ohne Selbstblockade,
– reflektierende Urteile sind keine dogmatischen Urteile, sie sind das Korrelat der Praxis (der Freiheit, des „Wunders in der Erscheinungswelt“) in der Theorie (eingreifende Erkenntnis);
– die abrufbare richtige Gesinnung, das verdinglichte Bekenntnis zur richtigen Theorie, schließt Gemeinheit nicht aus; Gemeinheit hat es sowohl bei den Nazis wie auch im real existierenden Sozialismus gegeben: das ist mein Thema; reflektierende Urteile sind kritisch (sie müssen es sein), aber sie sind niemals gemein: sie verurteilen nicht.
– 68er Marxismus ist zur Ideologie geworden, als er mit der Lehre vom falschen Bewußtsein die Reflexion aus der kritischen Theorie eliminierte (als er diese Lehre in eine Waffe gegen den Feind, in ein Instrument der Verurteilung verwandelte).
– Ein Begriff der Klarheit, der sich am Modell der klaren Fronten (am Innen/Außenparadigma) orientiert, ist kein Begriff der kritischen Theorie;
– nicht die Stellung im Produktionsprozeß, sondern allein das Bewußtsein davon, die Fähigkeit zur Reflexion, ist entscheidend im Hinblick auf die Wahrheit (Marx und Engels waren Großbürger, keine Proletarier; und ein Proletariat, das nicht auch die Fähigkeit der Reflexion sich zueignet, hört auf, ein revolutionäres Subjekt zu sein);
– in der gegenwärtigen Phase der politischen Ökonomie, die gekennzeichnet ist durch eine Selbstauflösung des Staates, der nach innen nur noch abstirbt, verwest, verrottet, während er nach außen zum Instrument der Verwüstung wird, ist der Staat kein „Feind“ mehr (weil er subjektlos, und damit – mit der Ablösung der Regierung durch Verwaltung – zur Brutstätte der Gemeinheit geworden ist <das ist der in den Abgrund rasende Zug>):
. Das Frontkonstrukt erzeugt den Nebel, in dem der Feind als Feind erscheint, aber dieser Feind ist auch eine Phantasmagorie, eine Projektion, ein paranoides Konstrukt.
. Durch bloße Machtübernahme ist ein Zustand, in dem die Menschheit ihrer Geschichte mächtig wird, in der sie lernt zu wissen, was sie tut, nicht mehr herbeizuführen.
– Es hilft nicht mehr, nur auf der richtigen Seite zu sein; was nottut ist: seine eigene Würde darin erkennen, selber den Kopf oben zu halten, nicht mehr Objekt zu sein (die Feindbildlogik verdrängt nur das Bewußtsein, Objekt zu sein, sie löst das Objektsein nicht nur nicht auf, sie fördert es; sie gehört zu den Beschleunigungskräfte des Zuges und zu den Mächten, die die Wahrnehmungsfähigkeit verhindern).
– Auch die Verführung durch das „gute Gewissen“, die die Feindbildlogik aus dem Feindbild bezieht, sollte nicht verharmlost werden; sie ist eine der gefährlichsten faschistischen Verführungen (die Rechtfertigung des eigenen Handelns durch das des Feindes, die Nutzung der Feindbildlogik als Mittel der moralischen Enthemmung).
Den Weltgeist begreifen, der dieses Marionettentheater inszeniert, an dessen Fäden wir agieren.
Die Weltkriege und Auschwitz waren die ersten Crash-Tests des in den Abgrund rasenden Zuges.
Die Väter sind die Repräsentanten der Außenwelt in der Familie, und sie werden zu Recht für den Zustand dieses Welt haftbar gemacht.
„Laßt die Toten ihre Toten begraben“: Ist das nicht auch ein Imperativ an die Väter? Ist nicht auch das ein Werk der Barmherzigkeit (das Werk des Tobit, der darüber blind geworden ist)?
Drei Dinge haben mich von Anfang an an der RAF irritiert:
– Sie hat dem öffentlichen kritischen Diskurs den Boden entzogen (und es gibt keine linke Theorie ohne Öffentlichkeit: das scheinen die Vertreter des Staatsschutzes besser zu wissen als die, die sich heute für Linke halten, während sie gleichzeitig den öffentlichen Diskurs fürchten);
– der grob fahrlässige Versuch, den Staat zu zwingen, sein wahres Gesicht zu zeigen; mein Eindruck war: Sie wissen nicht, wovon sie reden. Das „wahre Gesicht des Staates“ ist das faschistische, und dem vermochte auch die RAF (die den Faschismus nie begriffen hat) nichts mehr entgegenzusetzen;
– durch ihre Aktionen hat die RAF mit dazu beigetragen, dem Staat das Alibi für den Ausbau des Repressionsapparats, der heute für andere Zwecke nutzbar ist, zu liefern, die Widerstände dagegen, die unter anderen Bedingungen vielleicht doch noch mobilisierbar gewesen wären, abzubauen. Das kritische Potential, das aufgrund der Erinnerung an den Faschismus vorhanden war und mobilisierbar gewesen wäre, wurde verdrängt, neutralisiert und auf ungefährlichere Objekte verschoben: von der ökonomischen Reflexion auf die Ökologie und auf die Friedensbewegung (Konkretismus, Flucht ins gute Gewissen).
Urteilsmagie: Daß einer für oder gegen etwas ist, ist noch keine Garantie dafür, daß er dazu beiträgt, daß die Dinge in die Richtung bewegt werden, in die er sie gerne bringen möchte. Es kommt nicht darauf an, daß auf Worte Taten folgen, sondern daß die Worte selber zu Taten werden, und die Theorie zur eingreifenden Gewalt.
Ist nicht die RAF in den Wiederholungszwang geraten, der sie dazu bringt, die Argumente ihrer Väter, gegen die sie einmal aufbegehrt hat, zu reproduzieren, wenn sie ihren Kritikern entgegenhält, daß sie die Risiken des Handelns gescheut und sich nur herausgehalten hätten; so hätten sie das Recht zur Kritik verspielt. Ähnlich haben ihre Väter auf die Faschismuskritik reagiert: Ihr habt’s nicht miterlebt, ihr könnt nicht mitreden. (Es gibt noch andere Beispiele: so erinnert das Wort vom Verrat der eigenen Geschichte an das Argument der Nestbeschmutzung, der Hinweis auf die schlimmeren Taten der Herrschenden an den Vergleich von Auschwitz mit Hiroshima und Dresden. Hierher gehört auch der Antizionismus und die weithin unreflektierte, die geschichtlichen Voraussetzungen ausblendende Parteinahme für den palästinensischen Widerstand.) -
5.1.1997
„Weltbilder erfüllen eine identitätsbildende und -sichernde Funktion, indem sie die Individuen mit einem Kernbestand von Grundbegriffen und Grundannahmen versorgen, die nicht revidiert werden können, ohne die Identität der Einzelnen wie der sozialen Gruppen zu affizieren.“ (Habermas I, S. 100) In diesem Satz kann man den Begriff „Weltbilder“ durch den Begriff „Feindbilder“ ersetzen, ohne daß sich an der Einsicht, die in diesem Satz sich ausdrückt, etwas ändert. Im Gegenteil: Es wäre eine Präzisierung und Verdeutlichung. Es gibt kein Weltbild ohne Feindbild; und das verbindet das Weltbild mit der Bekenntnislogik, zu der ebenfalls die kollektive Absicherung der „Grundbegriffe und Grundannahmen“ durch einen gemeinsamen Feind gehört.
Der Ursprung der Philosophie wurde abgesichert durch den Gegenbegriff der Barbaren, der der Naturwissenschaften, und damit der modernen Aufklärung überhaupt, durch den der Wilden. Auch die Klarheit der Aufklärung (die Reinheit der „reinen Vernunft“) steht unter dem Bann des Feindbildes, einem Bann, der nur durch die Kraft des reflektierenden Urteils zu brechen ist.
Antisemitismus und Bekenntnislogik: Beide sind Schuldverschubsysteme, beide wecken und instrumentalisieren die Kräfte der Projektion, um die Schuldreflexion zu vermeiden. Ist nicht der Antisemitismus das A und O der Bekenntnislogik, ihr Anfang und ihr Ende?
Steckt nicht in jedem Beifall etwas von dem frenetischen Gebrüll, das Hitler entgegenschlug, als er zu Beginn des zweiten Weltkriegs als dessen Ergebnis den „Untergang der jüdischen Rasse“ ankündigte?
Stephanus sah den Himmel offen und Jesus zur Rechten Gottes sitzen; die Mutter der Zebedäus-Söhne hat Jesus gebeten, er möge doch ihre Söhne zu seiner Rechten und zu seiner Linken sitzen lassen; zusammen mit Jesus wurden zwei Schächer gekreuzigt, einer zu seiner Rechten, einer zu seiner Linken (Mt 2738,44, Mk 1527,32, Lk 2333, Joh 1918); einem dieser beiden (es wird nicht gesagt, welchem) versicherte Jesus: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein (Lk 2343).
Gegen das „Berliner Prozeßbüro“ (Nachwort zum Hogefeld-Buch): Es kommt nicht aufs Rechtbehalten, sondern nur noch auf eine Politik der Befreiung an. -
3.1.1997
Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht. Dieser Satz eröffnet den Weg zur Kritik der Naturwissenschaften, die nur durch die Reflexion des Andern, dessen Statthalter im Subjekt die subjektiven Formen der Anschauung sind: durch Barmherzigkeit, verteidigendes Denken, selber reflexionsfähig werden. Die subjektiven Formen der Anschauung werden reflexionsfähig, wenn man sie als Produkt der Formalisierung der Feindbildlogik begreift. Das biblische Symbol der subjektiven Formen der Anschauung ist der Kelch; dieses Symbol bezeichnet aufs genaueste die Beziehung der subjektiven Formen der Anschauung zur Sprache, die Verwirrung und Zerstörung der erkennenden Kraft des Namens durch die richtende Gewalt.
Es gibt keine Klarheit ohne Fronten: Aber das ist kein Argument für Fronten, sondern die Widerlegung der Klarheit und der entscheidende Einwand gegen die Aufklärung, der Grund ihrer Reflexionsbedürftigkeit.
Wo es Fronten gibt, da gibt es auch Bekenntnisse.
Das Objekt ist der Schatten, den der Begriff auf die Dinge wirft. Aber ebenso ist der Begriff der Schatten des Objekts.
Kommt die Hegel’sche Interpretation der Kepler’schen Planetenformel nicht einer Bedeutung der Planeten nahe, die sie der Theologie wieder nahebringt: Sie konstituieren den Raum.
Hängt die Geschichte von den drei Magiern, die „seinen Stern im Orient (im Osten, im Aufgang?) gesehen“ hatten, bei Matthäus mit seinem Begriff des Himmelreichs zusammen? Und hat das Himmelreich etwas mit den Himmelsheeren (den Sabaoth), und haben die etwas mit einer Front zu tun? Ist die Feste des Himmels, die die unteren von den oberen Wassern scheidet, eine Front, und der Bogen in den Wolken eine Waffe?
Die Opfertheologie als Einstiegsdroge in die Feindbildlogik, als Verführung zur Komplizenschaft? Sind die drei Leugnungen Petri drei Stufen der Entfaltung der Feindbildlogik und der Adaptation, des Sich-gemein-Machens mit dieser Logik?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie