Bemerkenswert, daß schon Philo die Hebräer mit den Fremden und den Nomaden in Zusammenhang bringt (vgl. Feld: Der Hebräerbrief). Bei Feld bekommt der Nomaden-Hinweis durch Beziehung zum Pilger-Begriff einen ganz anderen Klang und andere Konnotationen.
Der Personbegriff ist das Instrument der Selbstinstrumentalisierung und -vergesellschaftung, Grund der Trennung von Seele und Leib und Neutralisierung der Differenz zwischen dem eigenen Urteil über mich selbst und dem Urteil von außen. Genau das drückt aber das Im Angesicht Gottes aus, das um keinen Preis verwechselt werden darf mit dem Urteil von außen (das die Gottesfurcht neutralisiert). Das Gewissen ist aber andererseits nicht bloß subjektiv, nicht frei verfügbar. Es hat seine eigene, von der vergegenständlichenden Kraft des Raumes unterschiedene Objektivität. Das Im Angesicht drückt eine Objektivität aus, die nicht die des Äußeren ist.
Das Paradigma „Übernahme der Sünde der Welt“ ist nur im Zusammenhang mit der Lehre von der Auferstehung der Toten zu halten. D.h., es schließt die Vergangenheit mit ein (im Gegensatz zur Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, die sie verdrängt).
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Frauen in der Bibel und der Lehre von der Auferstehung der Toten? Vgl. hierzu die Hinweise bei Feld (im Zusammenhang der Frage, ob Priscilla den Hebräerbrief geschrieben hat).
Der erweckte Lazarus war der Bruder der Maria und Martha. Und unterm Kreuze Jesu standen die Frauen (und Johannes, der Jünger, den der Herr lieb hatte), die gleichen Frauen, die am dritten Tage hingingen, um dem Toten die letzte Barmherzigkeit zu erweisen, während die übrigen Jünger nach Galiläa geflohen waren.
Ist die Unsterblichkeit der Seele ein männliches und die Auferstehung der Toten ein weibliches Konzept? Und ist die unsterbliche Seele nicht der unsterbliche Weltgeist?
Die Kopenhagener Schule verwechselt die Maden in der Leiche mit der Auferstehung der Toten.
Steinigung und Scheiterhaufen sind geschlechtsneutrale Arten der Todesstrafe (die Isolationshaft ist eine technische Perfektionierung des Scheiterhaufens), die Kreuzigung ist männlich. – Hat der Staat das Recht, die Umkehr zu fordern (was er damit fordert, ist das genaue Gegenteil: ein Zu-Kreuze-kriechen – die Erfüllung der Wünsche derer, die kreuzigen)? Oder: Hat der Staat ein Gesicht?
Scham und Beschämung beziehen sich auf das Antlitz, und die Geschichte des Sündenfalls ist eigentlich die Geschichte der Zerstörung des Antlitzes.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt: Israel ist der Augapfel Gottes. Das Aaron-Gebet: Lasse dein Antlitz leuchten über uns.
Instrumentalisierung des Angesichts in der Reklame: Funktion des Bildes der Frau und der männlichen Stimme.
Das Angesicht verbindet den optischen mit dem sprachlichen Bereich; es ist die schmale Pforte aus dem Raum in die Sprache.
Gibt es einen geschichtsphilosophischen Zusammenhang zwischen der Erfindung der Pille (der technischen Neutralisierung der Sexualität) und den paranoiden Rückzugsgefechten der Kirche zu den Fragen der Empfängnisverhütung und Abtreibung?
Ist nicht beim Karol Woityla (und auf andere Weise im pokerface katholischer „Würdenträger“, in der „Prälatenmaske“) die sexuelle Regression und Obsession schon physiognomisch erkennbar?
Wäre nicht die Stasi-Debatte der Anlaß, sich endlich über das Verfahren, das keineswegs von einer bestimmten Ideologie abhängig (nicht Sozialismus-spezifisch) ist, ins Reine zu bringen: den Zusammenhang von Paranoia und Bespitzelung; die Unfähigkeit, Probleme offen und frontal, aber ohne Gewalt, auszutragen. Aber dieses „Hinter dem Rücken“ ist so tief im gegenwärtigen Stand der Dinge verwurzelt, daß wir schon aus Gründen der Selbstentlastung die Stasi jetzt als Sündenbock brauchen.
Umweltverschmutzung: Wurde nicht die „reine Natur“ (das Ziel der Rousseauschen Parole „Zurück zur Natur“) immer schon als eine von den Menschen (zumindest von den anderen, den Fremden: der Gesellschaft und ihren Zwängen, damit aber auch vom Verstand und von der Sprache) befreite Natur verstanden?
Das sogenannte Asylantenproblem ist sicherlich auch Teil des Versuchs, ein Ersatzobjekt für die gesellschaftlich produzierten Umweltprobleme bereitzustellen. Schmutz: das war neben Abfall, Staub, Fäkalien immer auch alles, was an Sexualität erinnerte, an die eigenen Unzulänglichkeiten, an eigenes Versagen, an Schuld, an „Schweinereien“, an Dreck.
Umweltverschmutzung von innen: Wer das Umweltproblem mit der sogenannten Bevölkerungsexplosion in Verbindung bringt, hat nichts begriffen.
Feld
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