Der Kreuzestod war das erste Werk des Fundamentalismus, und dieser steht immer noch in seinem Schatten.
Von den evangelischen Räten sind insbesondere der Gehorsam und die Keuschheit fundamentalismusgefährdet. Beide gehören zu den Konstituentien des Inertialsystems: Die Materie ist gehorsam und keusch zugleich, allerdings auch tot.
Wenn man von Kindern sagt, sie sehen wissend aus, heißt das nicht, daß man ihnen die Neugier ausgetrieben hat? Sie sind gefangen in den Aprioris, die man ihnen eingebläut hat.
Das Extrem der transzendentalen Logik ist das Vorurteil.
Ist das Unkraut das neutestamentliche Äquivalent der Dornen und Disteln?
Zur Kritik der Kommunikationstheorie genügt es, auf den Zustand der Wissenschaften zu verweisen, die untereinander längst inkommunikabel geworden sind. Wenn die Kommunikationstheorie von der Prämisse ausgeht, daß die Sprache von den Dingen getrennt ist (und nur „über“ die Dinge etwas mitteilt) und daß die Dinge selbst gegeneinander äußerlich sich verhalten, so zerstört diese wechselseitige Äußerlichkeit von Sprache und Objektwelt die Sprache von innen; sie zeichnet der Sprache die Bahn des Versinkens ins Finstere vor. Die Historisiserung der Vergangenheit und die Objektivierung der Natur sind erkauft mit der Verdrängung vergangenen Unrechts und vergangenen Leidens (das fortlebt).
Die habermassche Kommunikationstheorie ist eine Rechtfertigungslehre, keine Erkenntnishilfe.
Es gibt nicht die eine Welt, über die man kommunizieren kann. Das Christentum hat die Sprengung dieser Einheit, die in biblischem Kontext in der Trennung von Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen sich anzeigt, durch den Begriff des Bekenntnisses heilen wollen; es hat aber nur neuen Sprengstoff in die Einheit hineingebracht.
Die zivilisierte Welt hat seit je ihr Gegenbild, von dem sie lebt (subjektiv im Namen der Barbaren und Wilden, objektiv in den Gegensätzen von Babylon und Ägypten, Griechen und Perser, Rom und Karthago bis hin zu Amerika und Rußland, die in einer merkwürdigen Reflexions-Beziehung zum Anfang, zu Babylon und Ägypten stehen).
Umkehr, Name und Angesicht: Die Umkehr sprengt den Naturbegriff, der Name den Weltbegriff und das Angesicht die logische Konstruktion des Wissens.
Der Zusammenhang des Namens des Wassers mit dem Was (vgl. das Buch Bahir zu Ex 1527, S. 119) verweist darauf, daß die Naturqualitäten insgesamt sprachlicher Natur sind. Ist nicht jeder Trieb eine Gestalt der Frage, und gibt es nicht deshalb den guten und den bösen Trieb?
Haben die drei evangelischen Räte etwas mit der Feste zu tun, die die oberen von den unteren Wassern trennt?
Die Hegelsche Dialektik ist die ins Vergebliche instrumentalisierte Umkehr. Hängt dieses „Vergebliche“ mit dem (Sünden-)Vergeben zusammen?
Rechts und Links hängt mit Innen und Außen zusammen: Wie leicht an einem Handschuh sich demonstrieren läßt, ist das Innere der Rechten das Äußere der Linken. Gesicht und Rücken bleiben Gesicht und Rücken, nur daß, wenn Gesicht und Rücken der Rechten nach außen sich kehren, die der Linken (wie die Außenwände neuer Kirchen) nach innen gekehrt sind. Ist nicht dieses „Umstülpen“ eine Bewegung der Scham, der Pathologisierung, der Verletzlichkeit und des Empfindlichwerdens?
Anmerkung zu Jona: In unserer Welt sind nicht mehr nur Rechts und Links, sondern auch Vorn und Hinten und Oben und Unten ununterscheidbar geworden.
Israel ist die Konkretisierung dessen, was Kant die Menschheit nannte.
Eine der schlimmsten (und offensichtlich so gewollten) Folgen des Startbahn-Prozesses war es, daß er die Startbahn-Bewegung in Rechtfertigungszwänge hineingebracht hat, aus denen sie nicht mehr sich befreien konnte.
Das evangelische Gebot der Keuschheit wäre auf die Konstellation Nacktheit („nackte Tatsachen“), Öffentlichkeit („Aufdecken der Blöße“), Verinnerlichung der Scham (Ursprung des Inertialsystems) sowie die Beziehung von Gewalt und Kommunikation (Zerstörung der Sprache durchs Inertialsystem) zu beziehen. Auch die Keuschheit ist ein Sprachproblem.
„Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“; „nackt bin ich aus meiner Mutter Schoß gekommen, und nackt werde ich wieder dahingehen“; „ich war nackt, und ihr habt mich nicht bekleidet“: Die Nacktheit ist ein Objekt-Attribut; sie bezeichnet das Resultat der Entblößung der Dinge vom verteidigenden (parakletischen) Denken. Deren Instrumente sind
– die subjektiven Formen der Anschauung (Entblößung des Objekts),
– das Geld (Warenfetischismus und Reklame) und
– die Bekenntnislogik (die deshalb frauenfeindlich ist)?
Nackt sind die Dinge als namenlose Objekte des Begriffs, als Erkenntnisobjekt des namenlosen Subjekts Welt.
Geld
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19.2.1995
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18.2.1995
Ist das Lamm, das stumm zur Schlachtbank geführt wird, eine Potenzierung des Gottesknechts?
Verweist der Satz von Rind und Esel nicht darauf, daß das Verhältnis Oben/Unten mit der Beziehung Rechts/Links nicht verwechselt werden darf?
Es gibt zwei Arten von Schalen: die Schale der Nuß, die eindeutig zwischen vom Kern unterschieden werden kann, und die Schalen der Zwiebel, bei denen jede Schale für die nächstfolgende Schale Kern und jeder Kern für den darunter liegenden Kern Schale ist. Hängt es hiermit zusammen, daß wir beim Schälen der Zwiebel weinen müssen?
Die Wasser sollen an einem Ort (oder, wie die Kabbala gelegentlich übersetzt: am Ort der Eins) sich sammeln: Ist das nicht ein Symbol der Einung des Gottesnamens?
Wenn der Himmel am Ende wie ein Buch sich aufrollt: Hat das etwas mit dem Buch des Lebens zu tun; ist im Himmel die Vergangenheit als Erinnerung, die am Ende aufgedeckt wird, gegenwärtig? Ist der Himmel eine Gestalt der Erinnerung, deren Ursprungsgestalt die des Baums des Lebens sind? Und hat diese Erinnerung mit der Befreiung vom Bann der Logik der Schrift zu tun? (Der Baum der Erkenntnis ist das Symbol der Logik der Schrift.)
Zum Buch der Schöpfung wäre daran zu erinnern, daß Gott nicht nur Himmel und Erde, das Werk der ersten vier Tage, erschaffen hat, sondern am fünften und sechsten Tag auch die großen Seetiere und den Menschen (oder am fünften Tag den Leviatan und am sechsten den Behemoth).
Jonas wird aus dem Bauch des großen Fisches gerettet, und nach ihm (und gegen sein Wort) erbarmt sich Gott der großen Stadt Ninive und der 120 000, die rechts und links nicht unterscheiden können, und des vielen Viehs (d.h. des Behemoth).
Mein ist dein und dein ist dein: Diese Form des Armutsgebots verweist auf seinen Ursprung, auf den Zusammenhang mit dem Jesaias-Wort vom Rind und Esel. Danach dürfen Joch und Last nicht verwechselt werden. Aber diese Verwechslung ist die Grundlage der Geldwirtschaft und des Kapitalismus; sie ist ebenso die Grundlage der transzendentalen Logik (der subjektiven Formen der Anschauung) und der Bekenntnislogik (der blasphemisierten Religion). -
11.2.1995
Der Weltbegriff leugnet die Schöpfung, der Naturbegriff die Auferstehung. Das vermittelnde Glied ist die Leugnung des Todes durch den Weltbegriff.
Die exkulpatorische Absicht des Satzes „Wir sind allzumal Sünder“ wird daran deutlich, daß man glaubt, die Last von Auschwitz loszuwerden, wenn man die andern an Dresden erinnert?
Der destruktive Charakter des Schuldverschubsystems wird nur zum Schein aufgelöst durch kollektive Verdrängungsmechanismen: Das „Seid nett zu einander“ löst die Konflikte nicht auf, sondern verdrängt sie nur; das aber gelingt nur bei gleichzeitiger Abfuhr der unaufgelösten Aggressionen, durch projektive Verarbeitung des verdrängten. Tratsch macht süchtig.
Die Philosophie hat diese Form der projektiven Problemverarbeitung zu einem systematischen Teil ihres Erkenntnisbegriffs gemacht; jede Gestalt der Philosophie war Produkt einer relativen Stabilisierung des Schuldverschubsystems (durch Anpassung an die jeweiligen Herrschaftsstrukturen). Der Fortschritt der Philosophie, wie ihn die Hegelsche Philosophie dokumentiert hat, war eine Bewegung innerhalb dieses Schuldverschubsystems, das selber bis heute nicht Thema der Philosophie gewesen ist. Ausdruck dieses Schuldverschubsystems ist die Hegelsche Logik, der Hegelsche Begriff der Dialektik. Diese Dialektik ist die Dialektik von Verdrängung und Wiederkehr des Verdrängten in einer durch die Verdrängungsgeschichte veränderten Gestalt.
Ist nicht die Poesche Erzählung vom Maelstrom eine Variation, eine Paraphrase zur Geschichte vom Schiffsbruch Pauli vor Malta unter veränderten historischen Bedingungen? Der Fischer rettet sich durch den Sprung in den Abgrund, wobei er das Schiff opfert.
Die Kirche: Ist das nicht Jonas, der in der Flucht vor dem prophetischen Auftrag im Bauch des großen Fisches landet? Nur, daß sie es bis heute noch nicht begriffen hat.
Sind nicht das Geld und die Bekenntnislogik die Korrelate der Formen der äußeren und der inneren Anschauung? Sind sie nicht wechselseitig wie diese aufeinander bezogen? Die Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache setzt die Kritik beider (die Aufhebung ihrer Trennung) voraus. Hierdurch würde sich die pathologische „Kultur der Empfindlichkeit“ in die befreiende Kultur der Sensibilität verwandeln. Hier beginnt die Freiheit der Kinder Gottes, auf die alle Kreatur sehnsüchtig wartet.
Unterscheiden Paulus und die Evangelien zwischen Hebräern und Israeliten?
Nach Otto Karrer ist der Autor des Judas-Briefes der Herrenbruder Judas und zugleich der „Thaddäus“, einer von den Zwölfen. Und der Jakobus-Brief ist der älteste Brief (was stimmt, wenn sein Verfasser der Herrenbruder ist, der schon früh das Martyrium erlitten hat). Was bedeuten die Namen Alphäus und Thaddäus (haben diese Namen etwas mit dem „A und O“ des hebräischen Alphabets zu tun, mit Aleph und Taw? Enthält Flavius Josephus hierzu einen Hinweis? Und wie hängt das Problem der Herrenbrüder mit der Frage der davidischen Abstammung Jesu zusammen?
Kommen die Namen Alphäus und Thaddäus sonst noch vor?
Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist die Finsternis über dem Abgrund. Haben das A und O etwas mit dieser Form der Beziehung von Vergangenheit und Zukunft zu tun (und die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit mit den Pforten der Hölle)?
Die göttlichen Verheißungen sind nicht der Lohn für die Befolgung der göttlichen Gebote, sondern deren Inhalt selber. Ist nicht der Heilige Geist der Garant der Einheit von Verheißung, Gebot und Erfüllung des Gebots (des Worts)? -
8.2.1995
Verhalten sich im Hogefeld-Prozeß die Richter und die Bundesanwälte nicht so, als wären sie die Angeklagten? Man hat das Gefühl, als könnten sie selbst an die Konstrukte der Anklage, die dem Verfahren zugrunde liegen, nicht glauben, so daß sie die fehlende eigene Überzeugung (auch die fehlenden Beweise) durch Aggressivität ersetzen müssen: durch beleidigte Empörung, durch den polemischen Ton, durch „Schimpfen“. Die Plädoyers der Bundesanwälte gleichen denen von demagogischen Verteidigern in schlechten Filmen, die zu glauben scheinen, nur so auf die Entscheidung der Schöffen Einfluß nehmen zu können. Hier aber gibt es weder Schöffen noch wirkliches Publikum (das durch die entwürdigenden Formen der Eingangskontrolle dem Prozeß ferngehalten wird); so gibt der Ton, in dem Zeugen befragt oder Plädoyers vorgetragen werden, nur Sinn, wenn man sie als Mittel der Selbstüberredung begreift. Der Eindruck entsteht, daß sie sich selbst „besoffen reden“ müssen, weil sie nur in diesem Zustand fähig sind, das zu glauben, was sie glauben, als Anklage vertreten zu müssen. Souverän wirken vor diesem Hintergrund nur die Angeklagte und ihre Verteidiger.
Erinnert dieses Verfahren nicht zwangshaft und bewußtlos an die Ursprungsgeschichte des Opfers? Die projektive Umkehrung der Beziehungen, in der Richter und Ankläger sich als Angeklagte erfahren, die durch das Urteil über den Angeklagten bestrebt sind, sich selbst freizusprechen, macht den Angeklagten tendentiell zum Opfer. Erinnert diese Logik nicht an die des Ursprungs des Staates und des Weltbegriffs, in dem sie entsprungen ist: in der projektiven Schuldverarbeitung durchs Opfer im Kontext der Tempelreligion? Darauf bezieht sich das Prophetenwort: Barmherzigkeit, nicht Opfer. Werden nicht in jedem Opfer in Wahrheit der Richter und das Gericht, die im Opfer (nicht im Priester) sich verkörpern, geopfert? Das Menschenopfer, der Opferpfahl und die Statue, zusammen mit der Apotheose des Opfers (seine Erhöhung im Sternzeichen), gründen in dieser Logik. Wird die Entfaltung dieser Logik nicht begleitet von der Ausbildung der Raumvorstellung (der subjektiven Form der Anschauung)?
Das destruktive Potential dieser Gesellschaft erwächst aus dem Trieb, sich an andern dafür zu rächen, was man sich selber antun muß.
Die Philosophie verwechselt die Fremden mit den Anderen, während die Prophetie in der Selbstreflexion im Fremden wurzelt. Die Identifizierung des Fremden mit dem Anderen ist die Grundlage des Begriffs der Natur und der Materie, sie begründet die Formen der projektiven Erkenntnis (den Bereich der synthetischen Urteile apriori); hierauf bezieht sich das prophetische Verbot, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen.
Hängt das astrologiehistorische Problem der Beziehung des Tierkreises zu den Planeten hiermit zusammen? Waren nicht die mythischen Götter prima facie Planetengötter, während die Welt der „Fixsterne“ die Projektionsfolie des heroischen Zeitalters war und die Sternzeichen auf die Apotheose der Heroen (und auf die adamitische Benennung der Tiere) zurückweisen.
Aristoteles, Thomas, Hegel: Nach der kosmologischen Begründung der aristotelischen Philosophie (der reinsten Verkörperung der Logik der Schrift) hat diese beim heiligen Thomas ihre theologische und bei Hegel ihre geschichtsphilosophische Anwendung gefunden (in der Idee des Absoluten, der Selbstreflexion des Subjekts im Unendlichen).
Die Schrift begründet die Welt, das Geld die Natur.
Das Selbst, die Ästhetik und der Schuldzusammenhang. Kunst ist eine Form der Schuldverarbeitung vor der Sündenvergebung. Ihr objektives Substrat sind die Reflexionsformen des Selbst, das selber im Schuldzusammenhang sich konstituiert, während es in der Gotteserkenntnis, in der prophetischen wie in der messianischen und parakletischen Erkenntnis, sich auflöst. Auch die subjektiven Formen der Anschauung (der Grund der Mathematik) sind Emanationen des Selbst. Das Selbst ist das Signum des Todes. Die Tiere sind zu Gattungen, in denen ihr Selbst beschlossen ist, erstarrt, als sie von Adam benannt wurden. Das Selbst ist das Korrelat der Welt, nicht Gottes (gegen Adornos Bemerkung in den Minima Moralia). -
5.2.1995
Der Unterschied zwischen prego und quaero verweist darauf, daß es schon im Lateinischen einen Unterschied zwischen der verbalen Frage und der Erforschung eines Sachverhalts gab: das quaero schloß die Anwendung technischer Mittel bei der Wahrheitsermittlung mit ein (u.a. die Folter, vgl. Benveniste, S. 413ff). Kann es sein, daß die gleiche Unterscheidung auch auf Gebet und Opfer sich anwenden läßt, daß das Opfer eine Folter Gottes ist?
Ist nicht das Amt des Quästors das Indiz für den gemeinsamen Ursprung von Geldwirtschaft, Steuern, Straf- und Zivilrecht?
Hat das quaero (wie auch das aqua, auch hydor, majim: das Wasser) etymologisch etwas mit dem Relativpronomen zu tun (gibt es im Hebräischen Relativsätze, und werden diese im Griechischen nicht in weitem Umfange noch durch Partizipialkonstruktionen gebildet)? Hängen nicht die „Nebensätze“ (insbesondere deren Hauptformen: die Konditional- und die Relativsätze) mit dem Ursprung und der Geschichte des Neutrum zusammen, sind sie nicht Teil des Bedingungszusammenhangs, in dem das Subjekt zum Objekt und der Name zum Begriff neutralisiert worden ist? Steckt nicht die ganze Natur in den Nebensätzen (und werden mit der Hypostasierung der Natur die Beziehungen der Neben- zu den Hauptsätzen neutralisiert: wer Neben- zu Hauptsätzen macht, treibt Physik)? Die kantische Kategorienlehre beschreibt das Schicksal der Grammatik unterm Bann des Inertialsystems.
Hat das Tier aus dem Wasser (das Objekt des quaero) sein Vorbild im Leviatan, und verweist nicht auch die Hure Rahab, die zum Stammbaum Davids und Jesu gehört, auf diesen Bereich? Beschreibt nicht Franz Rosenzweig, wenn er von den Wenns und den Vielleicht spricht, diesen Bereich des quaero, des Wassers; und ist nicht das Problem der kontrafaktischen Urteile eine logische Folge der Geschichtsforschung? Heideggers Begriff der Frage: das Versinken in dieser Sintflut, und die Fundamentalontologie: eine Wasserleiche.
Ist nicht das Inertialsystem der Inbegriff des Notwendigen: die Redundanz des Möglichen.
Das Vergangene ist nicht nur vergangen; in der Sprache, der Gestalt der objektiven Erinnerung, ist es gegenwärtig; mit der Objektivation des Vergangenen wird diese Erinnerung verdrängt (Ursprung des Problems der kontrafaktischen Urteile, auch des Problems der „Fälschungen“ in der Geschichte). So gehört die Objektivation des Vergangenen (der Geschichte und der Natur) zu den Konstituentien der Welt.
Hat die Kirche nicht ihren Beitrag mit zur Entstehung einer Welt geleistet, in der die Barmherzigkeit zur Hysterie geworden ist (Sünde wider den Heiligen Geist)?
Die Mathematik, die Geldwirtschaft und die Bekenntnislogik sind die logischen Instrumente der kollektiven Einsamkeit.
Das nihil absolutum ist keine Kategorie des Seins, sondern eine des Handelns: der totalisierte Vernichtungstrieb.
Karl Thieme hat einmal die Geschichte vom Schiffbruch des Paulus vor Malta auf die Kirche bezogen: Am Ende wird die Kirche zwar untergehen, aber alle, die in ihr sind, werden gerettet. Ist das nicht auf den Punkt: Entkonfessionalisierung der Kirchen zu beziehen? Untergehen wird die Bekenntnislogik (gleichzeitig mit der Verwandlung des steinernen in ein fleischernes Herz). War nicht der Faschismus der Sturm vor Malta?
Durch ihre Entzauberung ist die Welt in den Bann des Herrendenkens geraten.
Hängt die Individualisierung der Schuld bei Ezechiel mit dem Titel Menschensohn zusammen und mit dem Hintergrund, auf den das „dixi et salvavi animam meam“ sich bezieht?
Der katholische Mythos ist ein Mythos der Weltflucht: Der Himmel bezeichnet einen Ort außerhalb der Welt. Damit hängt es zusammen, daß in der Kirche die Vorstellung einer Veränderung der Welt nur noch apokalyptisch, als Weltuntergang, gedacht wird. Aber dieses Außerhalb der Welt ist mit Kopernikus im wahrsten Sinne utopisch geworden; es gibt keinen „Ort“ des Himmels mehr. Hat die Tatsache, daß der Himmel „im Raum“ nicht gedacht werden kann, nicht eher eine logische als wiederum eine „räumliche“ Bedeutung? Der Himmel kann nicht als Inhalt des Kelches gedacht werden. Durch die kopernikanische Wende ist der katholische Mythos aus dem Raum in die Sprache transponiert worden; nur hat bis heute niemand die Konsequenzen daraus gezogen (Kelchsymbol).
Zorn und Grimm: Ist nicht der Zorn das Korrelat der subjektiven Form der äußeren und der Grimm das der Form der inneren Anschauung? Und ist die Unzucht die Verbindung beider: der Begriff der Materie?
Ist nicht die Linguistik heute zu einer Entsorgungswissenschaft geworden? -
3.2.1995
Das Präsens bezieht sich nicht auf die Gegenwart, sondern auf die erinnerte Vergangenheit. Diese erinnerte Vergangenheit ist der Boden, aus dem das Neutrum erwächst. Das tode ti ist das philosophische Äquivalent des Präsens: der Vorhang vor der Erkenntnis der Gegenwart.
Die Geistverlassenheit der Kirche läßt sich an der wachsenden Konfliktunfähigkeit in der Kirche demonstrieren und nachweisen. Damit hängt es zusammen, wenn es – von einem bestimmbaren Zeitpunkt an – keine erkennbare Freiheitsperspektive in der Kirche mehr gibt.
Die Welt ist der institutionalisierte Rechtfertigungszwang, als deren Subjekt der Staat sich begreift. Nur durch die Auf-sich-Nahme der Sünde der Welt kann man sich daraus befreien.
Der naturwissenschaftliche Massenbegriff steht in einer dreifachen Reflexions- und Äquivalenzbeziehung:
– als träge Masse (bezogen auf den mechanischen Stoß),
– als schwere Masse (in der Beziehung äußerlich getrennter, wechselseitig sich attrahierender Massen, im Bereich des Gravitationsgesetzes) und
– als Energie (durch die relativistische Äquivalenz von Masse und Energie).
Verweist nicht die Äquivalenzbeziehung von Masse und Energie auf den gesellschaftlichen Zusammenhang von Reichtum und Armut („Energie“-Erzeugung durch Proletarisierung) und deren Institutionalisierung in der Geschichte der Banken (der Arbeitsstätte des Geldes)?
Hat Hegels „Arbeit des Begriffs“ etwas mit der Geschichte der Banken zu tun?
War nicht der „ungerechte Verwalter“ aus dem jesuanischen Gleichnis ein frühes Modell des späteren Managers, spätkapitalistisches Realsymbol der vergesellschafteten (und proletarisierten) Herrschaft? Auch der Manager ist heute ein proletarisierter Lohnabhängiger. Herrschaft gründet heute nicht mehr in gleichsam substantiellen Eigentumsverhältnissen, sondern in funktionalisierten Organisations- und Verwaltungsstrukturen, denen zwar immer noch Eigentumsverhältnisse zugrunde liegen, die aber weitestgehend polarisierten und atomisierten Eigentumsverhältnissen geworden sind (zusammengehalten nur durchs Finanzsystem der Banken).
Krankt der Vulgärmaterialismus (neben dem es einen andern nicht mehr zu geben scheint) nicht daran, daß er immer noch von einem längst obsolet gewordenen Eigentumsbegriff ausgeht (und von einem personalistischen Begriff des Klassenkampfs)?
Erst wer im Problem des Eigentums das Problem der Materie wiedererkennt, wird den Zusammenhang von Ökonomie und Physik begreifen. Im Materiebegriff der traditionellen Metaphysik spiegelt sich deren Abhängigkeit von den Strukturen der Eigentumsgesellschaft. Die Durchdringung der Objektivität mit dem Tauschprinzip (oder die Entfaltung der Herrschaft des Tauschprinzips) hängt mit der Durchdringung der Objektivität mit dem Trägheitsgesetz (mit der Entfaltung der Herrschaft des Inertialsystems) zusammen.
Arbeiten nicht die Förderung der Weltraumforschung und der Kernforschung (der kapitalintensivsten Forschungsbereiche) nur gleichsam aus Alibigründen an sachlichen, inhaltlichen Problemen, während ihr Hauptaufgabe die der Legitimation des Bestehenden ist?
Enthält nicht die Bibel selber den Hinweis, daß die Frage, weshalb Jesus sterben mußte, erst beantwortet werden wird, wenn die Bedeutung der Austreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel begriffen wird (was erst möglich ist im Kontext der Erkenntnis der Bedeutung der Geschichte der Banken)?
Die Befreiung des Erkennens vom Bann des Wissens: Gründen nicht die prophetischen und die apokalyptischen Visionen darin, daß sie den Zusammenhang von Sehen, Wissen und Erkennen aufsprengen (das Wort: da gingen ihnen die Augen auf, rückgängig machen)? Bleibt von den drei eschatologischen Motiven (Unsterblichkeit der Seele, selige Anschauung Gottes und Auferstehung der Toten) am Ende nicht doch nur die Auferstehung der Toten? Die selige Anschauung Gottes liegt jenseits (in der „Gegenrichtung“) dessen, was sonst Anschauung heißt: nach dem Lösen der sieben Siegel.
Läßt sich aus der Befreiung der Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern schließen, daß sie die einzige gewesen ist, die Jesus von Angesicht zu Angesicht gesehen hat, während der Kirche die dreifache Leugnung, und mit der dritten Leugnung die Selbstverfluchung, vorhergesagt ist? Die Idee der Erfüllung der Schrift ist von der der Erfüllung des Wortes in der Tat durch eine Todesgrenze getrennt (so wie das Angesicht vom Angesicht.
Beschreibt nicht der Satz vom Stein, den die Bauleute verworfen haben (und der dann zum Eckstein geworden ist), im Nachhinein einen objektiven, gegen jedes moralische Urteil abgeschirmten Sachverhalt?
Die memoria passionis gewinnt ihre theologische Bedeutung durch ihre das Herrendenken auflösende Kraft. Aber hat nicht die Theologie auch die memoria passionis noch im Interesse der Selbstlegitimation von Herrschaft instrumentalisiert: als Opfertheologie, die dann ihre logische Begründung in der Bekenntnislogik gefunden hat? Die Opfertheologie war in der Zeit vor der Bekenntnislogik, diese jedoch logisch vor der Opfertheologie. Die Opfertheologie war gleichsam der Quellpunkt der Bekenntnislogik, und diese der Quellpunkt der modernen Naturwissenschaften. Der naturwissenschaftliche Objektbegriff gründet in der Opfertheologie; für beide gilt: Barmherzigkeit, nicht Opfer.
Ist nicht das Inertialsystem der „Witwenschleier der Natur“, der Materie, die die Mutter von allem ist?
Die Sexualmoral ist die Unzucht, deren Bewußtsein sie durch projektive Verarbeitung zu verdrängen, zu tilgen versucht. Deshalb ist sie zum Generator des Fundamentalismus (den es nur in den drei Buchreligionen gibt) geworden.
Die Rosenzweigsche Sprengung des All läßt sich daran demonstrieren, daß in der Moral zwischen der Richtschnur des Handelns und des Maßstab des Urteils unterschieden werden muß. Beide lassen sich nicht auf einen Nenner bringen. Das hat seinen Grund in der Nichtobjektivierbarkeit des Subjekts, in der Asymmetrie von Ich und Du. Die Leugnung (oder Verkennung) dieser Asymmetrie macht das befreiende Gebot zum verknechtenden Gesetz.
Ist nicht das Nichtwissen, das dann als das Nichtwissen der drei getrennten Elemente Gott Mensch Welt sich erweist, selber noch begründbar und ableitbar? Und zwar ableitbar aus einer Logik, die zugleich als die Logik eines der drei Elemente sich erweist: als Logik der Welt?
Sind nicht die drei kantischen Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt durch die subjektive Form der inneren Anschauung, durch die Zeit, an die Vergangenheit gebunden? Ist das nicht die Fessel, von der unser Erkenntnisvermögen sich nicht befreien kann? Und ist der Ursprungspunkt dieser Fessel nicht aufs genaueste bezeichnet in dem biblischen Wort: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren?
Wer die Moral nur aufs Handeln, und nicht schon aufs Erkennen bezieht, wer an einem neutralen Erkenntnisbegriff glaubt festhalten zu können, wird den Ursprungspunkt der Moral nie begreifen. Die Ontologie ist eine Moralvernichtungsmaschine.
Haben die vier Grundfarben etwas mit den vier Himmelrichtungen zu tun: Weiß (Gelb) und Schwarz (Blau), Rot und Grün? Und ist nicht der Bogen in den Wolken die Bestandsgarantie der Welt?
Hat die Finsternis über dem Abgrund etwas mit der Tier aus dem Abgrund zu tun?
Ist nicht das Blau die Rückseite des Lichts, und sind Rot und Grün das Innen und Außen der Dinge? Gibt es eine biblische Farbenlehre?
Hängt die Farbenblindheit, die Unfähigkeit, Rot und Grün zu unterscheiden, mit der Unfähgigkeit, das Innere und Äußere der Dinge zu unterscheiden, zusammen? -
30.1.1995
Haben das unreflektierte Anschauen und die Reflexion des Gegenblicks etwas mit der Unterscheidung von kurzem und langem Gesicht (se’ir anpin und arich anpin, der Ungeduldige und der Langmütige, der streng Richtende und der Barmherzige, vgl. Scholem, Hauptströmungen, S. 296) in der Kabbala zu tun? Dann wären die Formen der Anschauung Instrument und Symbol der Ungeduld und des strengen Gerichts.
Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Äquivalent der Logik der Schrift im Subjekt. Die transzendentale Logik ist die logische Entfaltung dieser Formen.
Zur Ursprungsgeschichte des Neutrums: Das Neutrum (zusammen mit den es absichernden Formen der Konjugation) ist der Boden, aus dem der Objektbegriff erwächst (die erste sprachliche Gestalt der subjektiven Formen der Anschauung). Die am Präsens orientierten Formen der Konjugation sind das Modell und die Ursprungsgestalt der transzendentalen Logik.
In den sogenannten Staatsschutzprozessen wird der Grundsatz „in dubio pro reo“ so angewandt, als wäre der Staat der Angeklagte, von dessen Unschuld im Zweifelsfalle auszugehen ist. Alle Verfahren laufen so, als ob im Grunde alle wüßten, daß der Staat schuldig ist, während jedoch zugleich das Recht als Instrument eingesetzt wird, dieses Wissen in sich selbst und in den Andern zu unterdrücken. Nur in diesem Zusammenhang macht der Titel „Staatsanwalt“ Sinn. Zugleich wird der Zweck der Robe deutlich: Die Robe, das sind die Bäume, unter denen Adam, nachdem er erkannt hatte, daß er nackt war, sich versteckte; ohne Robe wären Ankläger und Richter nackt.
Auf die Frage, ob sie bei der Eidesleistung von der religiösen Eidesformel Gebrauch machen wolle, fragte heute eine Zeugin den Richter: „Wie ist es denn hier üblich?“
Daß die Justiz auf dem rechten Auge blind ist, ist nicht (personalisierend) als Gesinnung zu kritisieren, sondern aus ihrer Wurzel abzuleiten: aus der Bindung der Justiz an eine Staatsmetaphysik, in der am Ende die Gewalt des anklagenden Prinzips auf ihren Urheber zurückschlägt. Der zugrunde liegende Sachverhalt drückt sich in dem Titel Staatsanwalt aus. Ist nicht der Staatsanwalt der Verteidiger des Staats, und gehört nicht zur Vorgeschichte des Staatsanwalts das kirchliche Institut der Inquisition, deren Aufgabe es war, die Kirche gegen die Angriffe der Ketzer zu verteidigen?
Wenn die Generalbundesanwaltschaft die objektivste Behörde der Welt ist, dann ist die Deutsche Bundesbank die vom Eigeninteresse freieste. Die Geschichte des Rechts und des Staates ist in der Tat von der Geschichte des Geldes und der Banken nicht zu trennen.
Je weniger die Politik in der Lage ist, Konflikte zu lösen, umso mehr muß sie nach außen den Eindruck erwecken, sie allein täte es. Das Gewaltmonopol des Staates löscht die benennende Kraft der politischen Sprache: Es ersetzt die Notwendigkeit der konkreten Begründung politischen Handelns durch Reklame, Geschwätz. -
26.1.1995
Theologie im Angesicht Gottes: Erst im Licht des göttlichen Antlitzes wird die Welt erleuchtet, wird sie im Licht der göttlichen Verheißungen durchsichtig.
Sind nicht alle Formen des Glaubens heute durchsetzt von Verlassenheitsängsten, und hat die Flucht der Jünger angesichts der Kreuzigung Jesu sich nicht im dogmengeschichtlichen Prozeß fortgesetzt? Ist der Fluchtpunkt der Geschichte der drei Leugnungen darin nicht vorgezeichnet?
Nach Franz Rosenzweig sind die Gebete der Einsamen immer in Gefahr, Gott zu versuchen, Aber ist es nicht die Geldwirtschaft, indem sie jeden auf das Gesetz der Selbsterhaltung fixiert, die die Menschen isoliert und in ihnen die Verlassenheitsängste induziert, und die die Gebete zu Gebeten der Einsamen macht? (Deshalb gibt es seit der „Liturgie-Reform“ der Kirche keine Liturgie und keine Gebete mehr.) Nicht die Verurteilung des „Egoismus“, sondern die Reflexion seiner Existenzbedingungen befreit von diesen Zwängen.
Die Selbstlegitimation des Bestehenden durch die Naturwissenschaften gründet in den Beziehungen der Naturwissenschaften zum System der Selbsterhaltung.
Identifikation mit dem Aggressor: War es nicht der Existenzbegriff, der die Philosophie aufs Prinzip der Selbsterhaltung vereidigt hat. Zu diesem Existenzbegriff gehört der Begriff der „Eigentlichkeit“.
Reflex der Selbsterhaltung in der Theologie ist die Bekenntnislogik.
Liegt die Bedeutung der Apokalypse nicht darin, daß die Kirche erst in dem Augenblick, in dem sie sich selbst im Bilde des Tiers erkennt, vom Bann der Bekenntnislogik sich befreit?
Ist es nicht die apokalyptische Gestalt der Offenbarung, vor der Franz Rosenzweig zurückgeschreckt ist? Das war die Schwelle, die er nicht hat überschreiten können. Deshalb wird der Stern der Erlösung mit dem dritten Buch des zweiten Teils und dann mit dem dritten Teil so hilflos. Der dritte Teil beschreibt die Wahrheit in der Gestalt ihrer vergangenen Zukunft, den liturgischen Jahreslauf als mythische Wiederkehr des Gleichen. Rührt diese Remythisierung im Jahreskreislauf der Liturgie nicht an das Rätsel der Astrologie?
Rührt der letzte Satz des zweiten Teils des Stern der Erlösung nicht an einen apokalyptischen Sachverhalt, und wird er nicht wahr, wenn er mit reflektiert wird? Diese Reflexion wird heute erzwungen durch die inzwischen eingetretene faschistische Katastrophe. Sind nicht zum Stern der Erlösung der Geist der Utopie und Lukacs‘ Geschichte und Klassenbewußtsein mit hinzuzunehmen?
Skinheads und Hooligans: Wäre nicht (vor allem im Hinblick auf die Selbstverständigung der Theologie) endlich zu begreifen, daß der Faschismus nur den Fluchtlinien der Bekenntnislogik gefolgt ist und diese bis zum bitteren Ende ausgezogen hat? Der Rechtsextremismus heute ist nur die real existierende Erinnerung an die Versäumnisse der Theologie: ein Exzess der Bekenntnislogik ohne Gott.
Zum Verständnis der Schrift als Komposition: Franz Rosenzweig nennt einmal Simson und Saul in einem Atemzug (S. 83). Hat nicht das Erblinden der Einwohner von Sodom im xenophoben Exzess außer mit dem Untergang Sodoms auch etwas mit rätselhaften Wort über die Blinden und Lahmen bei der Eroberung Jerusalems durch David sowie schließlich mit der Antwort Jesu auf die Frage des Täufers, ob er es sei, der da kommen soll, zu tun: mit dem Hinweis darauf, daß die Blinden sehen und die Lahmen gehen?
Die Blinden sehen und die Lahmen gehen: Verweist das nicht auf den Zusammenhang des Trägheitsprinzips, des Inertialsystems, mit der Verwirrung der Optik bei Newton?
Theologische Erkenntnis kommt zu sich selber, wenn sie zur eingreifenden Erkenntnis wird. Hängt die Rosenzweigsche Trennung der Erleuchtung von der Liebestat (die nach Rosenzweig blind ist) nicht damit zusammen, daß er die apokalyptische Schwelle der Erkenntnis nicht zu überschreiten wagt? Die Erleuchtung, die die Liebe sehend macht, ist die apokalyptische. Darin steckt der dreifache Bezug des Symbols der Schlange, ihre Beziehung
– zum sprachgeschichtlichen Ursprung des Neutrum (die bei Rosenzweig anklingt, aber nicht im Zusammenhang begriffen wird),
– zur Ursprungsgeschichte der Astronomie (und zu den Seraphim), und
– zu Babylon, zur Ursprungsgeschichte der politischen Theologie.
Die Geschichte der modernen Naturwissenschaften beginnt mit der Hexenverfolgung und endet mit Auschwitz. Als Referenzsystem der Aufklärung gehört die Naturwissenschaft zu den Konstituentien der Projektionsfolie, deren die Aufklärung bedurfte, um davor ihre Leuchtkraft zu begründen: dem Begriff der Wilden, der die der Barbaren und der Heiden ersetzt hat. Wenn der Begriff der Barbaren als eine Inversion des Namens der Hebräer sich begreifen läßt, und der der Heiden (der „Völker“) auf den Namen der Christen verweist, worauf bezieht sich dann der Begriff der Wilden?
Die mythische Welt ist die verschlossene Welt, die erst durch Umkehr sich auftut: So entspringt – durch Umkehr
– Gottes Schöpfermacht seiner Freiheit, die Offenbarung dem Schicksal,
– des Menschen Demut seinem Trotz, seine Liebe dem Charakter.
Was geschieht der Fülle und dem Logos der verschlossenen Welt, wie findet der Begriff der Umkehr hier einen Ansatz und ein Ziel? -
20.1.1995
Werden die Rekonstruktionen von Gott Mensch Welt im ersten Teil des Stern der Erlösung durchsichtig, wenn man sie auf den Raum, das Geld und das Bekenntnis bezieht? Es gibt nicht die Welt, sondern die Welt ist ein plurale tantum. Und es gibt auch nicht „die beste aller Welten“, sondern hier gilt: Was dem eenen sin Uhl, ist dem annern sin Nachtigall. Der Singular Welt (das Universum) ist Produkt einer Dezision. Und der Dezisionismus, den Christian Graf Krockow an Heidegger, Schmitt und Jünger wahrgenommen hat, hängt damit zusammen. Dieser Dezisionismus ist ebensowenig durch den Hinweis auf den Satz des Widerspruchs aufzulösen wie der Schmittsche Souveränitätsbegriff durch den Hinweis auf seine Folgen: die Begründung der Diktatur. Im Kern des Weltbegriffs steckt die Hegelsche List der Vernunft, ein Stück Betrug. Die Entfaltung dieses Betrugs zur Totalität: das wäre der Greuel am heiligen Ort. Ist nicht die Existenz unterschiedlicher Tiergattungen (nach Hegel Hinweis darauf, daß „die Natur den Begriff nicht halten kann“) der Beweis dafür, daß es die eine Welt nicht gibt? Was Rosenzweig im Stern der Erlösung so gelassen beschreibt, ist in Wahrheit ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Zu Illigs Fälschungstheorie: Ist die Phase, die dieses Bild der Vergangenheit produziert hat, sie zur Selbstlegitimation erfunden hat, nicht die gleiche Phase, die in die Kirchengeschichte als die pornokratische Phase eingegangen ist, und hängt nicht beides mit einander zusammen, ähnlich wie die pornographische Phase der kirchlichen Moraltheologie mit dem Ursprung des politischen Absolutismus (und mit dem Barock) zusammenhängt? Liegt nicht der Fehler Illigs – wie überhaupt der Heinsohn-Gruppe – darin, daß sie glauben, post festum feststellen zu können, es hätte auch anders laufen können? Sie unterschätzen die Gewalt der Schuldängste und der Rechtfertigungszwänge, denen auch der historische Erkenntnisprozeß unterworfen ist. Liefern Heinsohn und Illig nicht Reflexionsmaterial zum Problem des kontrafaktischen Urteils? Kommt Karl der Große eigentlich bei Thomas von Aquin vor? Theologie im Angesicht Gottes, das heißt: Aus dem Bann der Logik der Schrift heraustreten.
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4.1.1995
Gibt es nicht ein Präteritum, das eigentlich die Zukunft meint? Gehört dazu nicht das Präteritum im Anfang des Johannes-Evangeliums? Ist die archä, in der der Logos war, eine archä, die noch nicht ist (ein Stück vergangener Zukunft)?
Die Plancksche Strahlungsformel ergibt sich aus der Beziehung der kinetischen zur Strahlungsenergie: Die Anzahl der Atome (oder auch der Freiheitsgrade) in einem Volumen bleibt vorgegeben und konstant, während die Anzahl der Oszillatoren der elektromagnetischen Strahlung abhängig ist von der Frequenz und Wellenlänge der Strahlung: mit der Energie gleichsam rückgekoppelt ist. Damit ändert sich die Grundlage der statistischen Beziehungen der beiden Energieformen.
Zum philein (Benveniste): Es hat mehr mit dem Possessivverhältnis zu tun, als Benveniste zugeben will. Zum unmittelbaren Possessivverhältnis kommt ein reflexives hinzu. Der Besitzende ist selbst vom Besitz besessen. Das, was im Besitzverhältnis dem Objekt widerfährt, reflektiert sich im Subjekt: im Selbstmitleid, in der „affektiven Beziehung zum Selbst“, im Geliebt-werden-Wollen. Die gesamte Philosophie steht unter dem Bann dieses Gesetzes.
„Wenn die Welt euch haßt, …“ Der Begriff der Welt in diesem Satz bezieht sich sowohl auf die Allgemeinheit „alle Menschen“ wie auch auf den unbestimmbaren Grund der Objektivität des Weltbegriffs (das Geld). In der vom Tauschprinzip bestimmten Gesellschaft ist das Geld der Inbegriff des Anderen, der Feind aller, den es durch eigene Anstrengung zu besiegen gilt. Der Sieger fühlt sich vom Geld geliebt, der Verlierer (und jeder ist ein potentieller Verlierer) fühlt sich gehaßt (schuldig, verurteilt). Und das Christentum als die Religion der Liebe, nachdem es als Siegesreligion im Selbstmitleid versunken ist, schließt die Armen aus.
Die Sexualmoral hat der Liebe in ihrem eigenen Zentrum eine Haßquelle eröffnet (der Begriff der Unzucht bezeichnet eine Qualität des sexualmoralischen Urteils und nicht ihres Objekts).
Sind nicht die drei evangelischen Räte: Gehorsam, Armut und Keuschheit auf die drei transzendentalen Ästhetiken bezogen: auf die subjektiven Formen der Anschauung, aufs Geld und auf die Bekenntnislogik (die Korrelate des theoretischen, des praktischen und des sexualmoralischen Urteils)? -
30.12.1994
In der Zivilisation (mit dem Ursprung der „Nation“, des Staates) wird der Gast zum Feind (vgl. Benveniste, S. 78). Damit hängt die Beziehung des Begriffs der Barbaren zum Namen der Hebräer zusammen.
Die Sexualmoral appelliert an einen Trieb, der mit der Zivilisation (als Reflex des Ursprungs des Weltbegriffs und des Staates) im Innern der Menschen bildet: sie bezeichnet genau die „Unkeuschheit“, die sie zu bekämpfen vorgibt (Unzuchtsbecher).
Die Analyse des Begriffs des Glaubens macht verständlich, wie sehr das etablierte Christentum in der indoeuropäischen Sprachlogik (Ursprung des Neutrum, Logik der flexierenden Grammatik, Inertialsystem und Bekenntnislogik) verwurzelt ist, durch sie zu einer Herrschafts-, Kampf- und Siegesreligion geworden ist (Benveniste, S. 135ff). Die Naturwissenschaft: der Kampf an der Naturfront.
Liefert Benveniste mit seiner Analyse der indoeuropäischen Institutionen nicht den Schlüssel für die Erkenntnis des Zusammenhangs der christlichen Tradition und seiner Verwurzelung in der indoeuropäischen Sprachgeschichte mit dem Faschismus?
Hat das Verhältnis der beiden apokalyptischen Tiere (aus dem Meere und vom Lande) etwas mit der Beziehung von Neutrum und Bekenntnislogik (Realität und Reklame) zu tun? Das „es war, ist nicht und wird wieder sein“ bezeichnet nicht eine historische Abfolge, sondern einen logischen, systemischen, strukturellen Sachverhalt.
Die Vergangenheit ist die Hölle, deren Pforten die Kirche nicht überwältigen werden (ist die Natur die Hölle, und die Welt die Pforte dazu?).
Ist nicht die Hysterie ein Teil der Geschichte der Beziehung der Philosophie zur Prophetie?
Theologie kann erst dann wieder neu zum Leben erweckt werden, wenn es gelingt, die Erkenntnis aus dem Bann des Wissens zu lösen (vgl. die Differenz im kantischen Erkenntnisbegriff: die/das Erkenntnis). An die Stelle des Wissens wäre das Vertrauen in die erkennende Kraft der Sprache zu setzen.
Ist die „Kultur der Empfindlichkeit“ nicht die Versuchung, der Eugen Drewermann erlegen ist, und für die er den Preis hat zahlen müssen: seine Konfliktunfähigkeit? Im Bannkreis der Empfindung kann man auf Konflikte nur mit Projektionen (nur mit dem Instrumentarium des Schuldverschubsystems) reagieren. Grundlage der Kultur der Empfindlichkeit ist die Unfähigkeit zur Schuldreflexion, die Logik des Rechtfertigungszwangs (die Bekenntnislogik). Der Begriff der Empfindung stammt aus dem Konstrukt der „sekundären Sinnesqualitäten“: er setzt die Unreflektierbarkeit der mathematischen Naturwissenschaften (und der Geldwirtschaft, des Kapitalismus, der politischen Ökonomie) voraus. Gegen die Überflutung durch die chaotische Mannigfaltigkeit der Empfindungen hat Kant den Wall seiner transzendentalen Logik errichtet, der aber auch nicht standgehalten hat.
In dem Prophetenwort, daß am Ende die Gotteserkenntnis die Erde erfüllen wird, „wie die Wasser den Meeresboden bedecken“, bezeichnet das „wie“ nicht einen Vergleich, sondern das Objekt einer Substitution: Die Wasser werden durch die Gotteserkenntnis ersetzt. Dieses Ende beendet die Geschichte der Sintflut. Hierauf verweist das apokalyptische Bild von der Hure Babylon, die an den großen Wassern sitzt, wobei die Erklärung dieser Wasser, die in der Johannes-Apokalypse gegeben wird, in dieses Bild mit hereinzunehmen ist.
Ist nicht die Ökonomie das Tier aus dem Meer; gehört dazu nicht der Seehandel (die Kaufleute und die Schiffsführer, die Spediteure)? Das Tier vom Lande (der falsche Prophet) würde dann den Weltbegriff, das Produkt der Selbstlegitimation des Bestehenden durch den Prozeß der Aufklärung, bezeichnen (die Philosophie, die Theologie und die Wissenschaften).
Kopf und Hand (die Träger des Zeichens des ersten Tieres, des Tieres aus dem Meere), bezeichnen sie nicht die subjektiven Formen der Anschauung (mit der Bekenntnislogik) und den Begriff oder das Geld?
Die Bekenntnislogik vertauscht Oben und Unten, das Geld (die politische Ökonomie) Rechts und Links und der Raum (die Naturwissenschaften) Vorn und Hinten.
… Deshalb war der Confessor ein männlicher Heiligentyp und sein Pendant die Virgo (die im Kontext der Sexualmoral zur Imago der Frauenfeindschaft geworden ist).
Edgar Morin hat einmal, in einer Untersuchung über das Kino, die Situation im Kino, das Eingesperrt- und Gefesseltsein in der Sitzreihe und an den „bequemen“ Kinostuhl (eine Situation, die das Fernsehen vergesellschaftet und privatisiert hat), mit der Situation des SS-Täters nach seiner Gefangennahme verglichen: abgesperrt vom Handeln, eingeschlossen in die „kontemplative“ Situation in der Gefängniszelle, zerfließt er in Selbstmitleid. Dieses Selbstmitleid ist der Boden, auf dem die Bilder des Films zu leben beginnen, die identifikatorischen Bedürfnisse des Zuschauers an sich binden (den Zuschauer „in ihren Bann ziehen“). Wäre die Erlösung nicht die Erlösung von der Erlösungsbedürftigkeit, die im Selbstmitleid gründet, und die der Ursprungsquell jener verhängnisvollen Religiosität ist, die heute um sich greift.
Unterscheiden sich nicht Schrift und Wort wie Wasser und Feuer (die nur im Namen des Himmels eins sind)?
Der Kreuzestod hat die Welt erschüttert, den Vorhang im Tempel (vor der Gegenwart des göttlichen Namens) zerrissen und den Himmel verdunkelt: Er hat die Welt in den Anklagezustand versetzt: in den Akkusativ. Das war der Anfang des Objektivationsprozesses.
Nicht die Dummheit gilt es in der Vergangenheit zu begreifen, sondern den Erkenntnistrieb, der auch in dem befremdenden Erscheinungen sich manifestiert, und seine Behinderungen. -
26.12.1994
Mit der Objektivation und Instrumentalisierung der Welt wird auch die Sprache instrumentalisiert, verliert sie ihre benennende Kraft, ihre Beziehung zur Wahrheit.
Mit der creatio mundi ex nihilo hat die Hybris Einzug gehalten in die Theologie. Sie war Caesarentheologie wie die homousia. Das nihil war das Denkmal der Abstraktion, des Verdrängten: Voraussetzung der Neutralisierung von Himmel und Erde. Mit der creatio ex nihilo ist die Schöpfung in eine Herrschafts- und Eigentumsbeziehung umgeformt, die Offenbarung zur Befehlsgewalt des Absoluten gemacht und die Erlösung spiritualisiert worden.
Heute enthüllt sich der Antisemitismus als theologischer Selbsthaß. Unter den Nazis gab es noch das Bewußtsein: Nach den Juden sind wir (die Christen) an der Reihe. Dem folgte die Identifikation mit dem Aggressor.
Der Satz, daß heute jeder Katholik so schlau ist wie früher bloß ein Kardinal, wäre zu ergänzen: und jeder so dumm wie früher die Herrschergestalten des Absolutismus.
Wer Hegel nicht versteht, versteht sich selbst nicht.
Die Schrift setzt an die Stelle des Hörens das Sehen; beim Übergang von der hebräischen zur griechischen Schrift hat sie Rechts und Links vertauscht.
Wenn die Bibel außer zwischen Stämmen und Völkern („Heiden“) auch noch zwischen Sprachen und Nationen unterscheidet, verweist diese Differenzierung dann nicht auf den Unterschied der politisch-gesellschaftlichen Bedeutung von Schrift und Geld? Definiert sich die Nation durch die Einheit der Währung (und ist das den modernen Antisemitismus beunruhigende Problem einer „jüdischen Nation“ nicht im Hinblick auf die Propheten anachronistisch, ein reales Problem dagegen erst mit den Makkabäern – nach dem Ende der Prophetie)?
Zur Geschichte der drei Leugnungen: War nicht die Geschichte der christlichen Theologie eine Geschichte der Erinnerung und Verdrängung zugleich; und verweist nicht die Geschichte von den drei Leugnungen auf den „Fortschritt“ in der Geschichte der Verdrängung?
Der Bann, der auf den Tieren liegt, gründet in dem Namen, mit dem Adam sie benannt hat.
Weihnachten erzeugt „Stimmung“, indem es den Boden des Selbstmitleids kultiviert; zu Silvester werden Stimmungskanonen benötigt, um eine Bombenstimmung zu erzeugen.
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