Zum Begriff der Umkehr: Gehören nicht Levinas‘ Hinweis auf die imperative Struktur der Attribute Gottes, Rosenzweigs Bild vom Koffer und das letzte Stück aus Adornos „Minima Moralia“ und sein Konzept einer negativen Dialektik zusammen?
Welch entsetzliche Menschenverachtung liegt in dem militärischen Gebrauch des Begriffs „Zivilbevölkerung“ (gibt es überhaupt noch einen anderen Gebrauch)? Zumal vor dem Hintergrund, daß es bereits Vernichtungewaffen gibt, die Häuser und Gerät aber unversehrt lassen und nur Bewohner und Benutzer, die Menschen, töten: die sogenannten „sauberen Waffen“. Wird nicht unter einer „sauberen Umwelt“ bereits eine von Menschen nicht beschmutzte Umwelt verstanden? Zivilbevölkerung: das sind die überflüssigen und nur im Wege stehenden „peanuts“ des Krieges (in einer Welt, in der es bereits „saubere“, arbeiterfreie Industrien gibt).
Ist nicht die Eskalation der Schutzobjekte eigentlich eine Eskalation gefährdeten Objekte? Angefangen hat’s mit dem „Luftschutz“, mit dem sich die Zerstörung der deutschen Städte ankündigte, dem folgten der Kinderschutz, Natur- und Umweltschutz, Denkmalschutz und am Ende der Schutz der Zivilbevölkerung.
Das reale Objekt eines Objektschutzes ist das Eigentum; Menschenrechte, Bevölkerungen, Minderheiten sind nur als Ausnahmen Schutzobjekte.
Die Selbstlegitimation des Bestehenden gründet in der apriorischen und systematischen Ausblendung der Herrschaftsstrukturen durch den Positivismus. Der Kern dieses Mechanismus liegt in den Naturwissenschaften; sein Preis ist der projektive Erkenntnisbegriff, der den Naturbegriff begründet. Dieses projektive Moment im wissenschaftlichen Erkenntnisbegriff ist sehr genau aufgefaßt in der Konstruktion des Stern der Erlösung: in den drei Gestalten des Nichtwissens, das zunächst durch das (mythische) Projektionspotential der Namen der drei Gegenstände des Nichtwissens ausgefüllt wird, das dann durch Umkehr der theologischen Idee der Wahrheit (in der Konstellation Schöpfung, Offenbarung, Erlösung) zugeführt wird.
Überzeugen ist unfruchtbar: Das Bekenntnis ist durch seine Beziehung zur Schuld nicht objektivierbar und nicht auf andere übertragbar. Es mag sich anderer in einem Bekenntnis wiedererkennen, jemanden von einem Bekenntnis „überzeugen“ heißt aber, es der Beweislogik unterwerfen, die es von innen zerstört. Jeder Bekehrungsversuch treibt den Teufel mit Beelzebul aus. Aber gleichwohl kann man nicht nur für sich und nicht alleine Christ sein, sondern nur mit anderen (die Gemeinschaft der Bekennenden ist eine Gemeinschaft der Einsamen).
Als Jesus die Jünger aussandte, gab er ihnen den Auftrag, die
– Kranken zu heilen,
– Tote aufzuerwecken,
– Aussätzige rein zu machen und
– Dämonen auszutreiben (Mt 108).
Auf die Anfrage des Täufers, ob er es sei, der da kommen soll, verwies Jesus auf das, „was ihr hört und seht:
– Blinde werden sehend und Lahme gehen,
– Aussätzige werden rein und Taube hören,
– Tote werden auferweckt und Armen wird die frohe Botschaft gebracht, und
– selig ist, wer sich an mir nicht ärgert“ (Mt 114f).
Im Auftrag an die Jünger fehlen
– die Blinden und Lahmen, die Tauben, die Armen und die Seligpreisung,
in der Antwort an den Täufer
– die Krankenheilung und die Austreibung der Dämonen.
Wenn die Antwort Jesu an den Täufer am ersten Schöpfungsbericht sich orientiert, dann entspricht die Seligpreisung dem Sabbat.
Die Verunreinigung kommt nicht von außen, sondern von innen (Mt 1511ff): Heißt das nicht, daß die Dämonengeschichte insgesamt auf die Kirche zu beziehen sind (und die Geschichte von den sieben unreinen Geistern auf die Geschichte von der dritten Leugnung)?
Der Knotenpunkt des Inertialsystems (der dem Begriff des Objekts zugrunde liegt) ist das Produkt einer Abstraktion von der Totalität des Organismus, und das wiederum ist das Produkt der Abstraktion vom Angesicht.
Das Inertialsystem ist das Realsymbol der Widerlegung, Überwindung und Verdrängung (leer, gereinigt und geschmückt, Mt 1244). Indem man das Vordere nach hinten, das Rechte nach links und das Obere nach unten gebracht hat, hat man das Hintere zum Vorderen, das Linke zum Rechten und das Untere zum Oberen gemacht (Ursprung der Herrschaftslogik).
– Das Angesicht steht gegen den Herrschaftszusammenhang,
– der Name gegen den Schuldzusammenhang und
– das Feuer gegen den Verblendungszusammenhang.
Im Kontext des Inertialsystems gibt es kein Angesicht, keinen Namen und kein Feuer mehr.
Mit dem Weltbegriff macht man sich den Blick des andern zueigen: So gibt es zur Nacktheit keine Alternative mehr (systematischer Grund der Privatsphäre und der Sexualmoral, auch des Keuschheitsgebots).
Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, aber der Rechtsstaat eröffnet der Niedertracht Tür und Tor (Tür und Tor beziehen sich auf das Haus und die Stadt oder auf das Haus und den Hof).
Zu Reinhold Schneiders „Allein den Betern kann es noch gelingen“: Ist das Schwert in diesem Vers nicht das biblische Schwert, das Realsymbol der Logik der Schrift?
Nur über die Reflexion der Logik der Schrift ist es möglich, die Schrift dem Bann des Fundamentalismus zu entreißen.
Ist Hegels Bemerkung zur französischen Revolution (bis heute nie gesehen, daß die Welt sich auf den Kopf gestellt hat) nicht schon auf Alexander zu beziehen, der die Welt begründet hat, indem er sie auf den Kopfe stellte (darauf bezieht sich die Geschichte von der Durchschlagung des gordischen Knotens)? Alexander hat das Geheimnis der Philosophie, ihren Zusammenhang mit der Begründung der Zivilisation, in seiner Welteroberung in die Realität überführt und offenkundig gemacht.
Die merkwürdige sprachliche Bildung des Dingbegriffs: die Verknüpfung des deiktischen „D“ und mit dem Suffix „-ing“ (vgl. das maskulinisierende „-ling“). Die historische Wurzel wäre zu suchen im Thing, in der altgermanischen Gerichtsstätte, die im Dingbegriff sich reflektiert. Die verdinglichte Welt ist alles, was der Fall ist.
Zur Beziehung von sach- und sprachphilosophischer Reflexion: Hat das unterscheidende -pr- etwas mit den Hapiru zu tun?
Gemeinheit
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22.12.1994
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12.12.1994
Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: Im Recht gibt es Unrechts-Tatbestände, die mit dem Mitteln des Rechts nicht zu beheben sind, vergleichbare Probleme gibt es in der Ökonomie (im Bereich des Geldes) und in der Wissenschaft (im Bereich des Wissens).
Daß das Rechtsstaatsprinzip die Anwendung politischer Prinzipien nicht ausschließt, läßt sich an der unterschiedlichen Behandlung der Nazi-Richter gegenüber den SED-Richtern erkennen. Das, was die Nazi-Richter getan haben, war sicher im Effekt schlimmer als das, was man das Unrecht des SED-Staates nennen muß. Nur: Die Nazi-Justiz war (dank eines eingebauten Rechtfertigungssystems) schlau genug, sich an die formalen Grundsätze des Rechts zu halten, die ihre Taten rechtlich „unbeweisbar“ gemacht haben.
Zum Begriff des Tieres: Sein logischer Kern ist das Prinzip der Selbsterhaltung (dem das „Leben“ aller gesellschaftlichen Institutionen, auch der kirchlichen, sich verdankt); das gegenständliche Korrelat der Selbsterhaltung bezeichnet der Natur- und der Weltbegriff (Tiere haben eine Welt).
Beitrag zur Grammatik: Der Tod Jesu war kein Mord, und das Todesurteil gegen ihn war nicht das Produkt einer Rechtsbeugung. Dafür hat der Tod Jesu Politik und Recht, und mit ihnen den Staat insgesamt, in den Akkusativ versetzt. Und das (mitsamt seinen durchsichtigen weltgeschichtlichen Folgen) war der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen. Hier liegt die Wurzel der Selbstbegründung der subjektiven Formen der Anschauung (des Inertialsystems).
Dieser Akkusativ ist hat den Kreuzestod Tod Jesu selbst verhext: Mit der Vergegenständlichung des Staates (die ein sprach- und vernunftgeschichtlicher Vorgang war) ist der Grund für die Objektivation des Kreuzestodes gelegt worden (für die Opfertheologie, die Vergöttlichung Jesu und die Trinitätslehre, für das Dogma und die Bekenntnislogik, letztendlich für die Konstruktion der Kirche). Hat dieser Akkusativ etwas mit dem Namen des Petrus zu tun, mit dem Felsen, auf den ER seine Kirche bauen wollte?
Das Dogma, die hierarchische Struktur der Kirche und die Konstruktion der sakramentalen „Heils“-Vermittlung waren Instrumente zur Rettung des Grundes und der grammatischen Konstruktion der flektierenden Sprache (zwangshafte Spiegelung und Wiederholung des Turmbaus zu Babel).
Ist die Person nicht wirklich Eigentum des Staates und der Personbegriff in sich selber politisch (herrschaftsgeschichtlich) vermittelt? Der Instinkt der Rechten heute steht unter dem Gesetz dieser Zwangslogik: Ausländer sind Unpersonen, haben kein Existenzrecht.
Ist nicht jede Berufung auf die „Tatsachen“ hoffnungslos (und ist das nicht ein gelegentlich erwünschter Effekt: den andern die Hoffnungen auszutreiben)? Genauer: sie ist kleingäubig, hoffnungslos und unbarmherzig.
Der Satz über Rind und Esel bei Jesaias ist ein Hinweis auf den Mechanismus, dem es sich verdankt, daß der Komfort-Zug, in dem wir sitzen, den Abgrund, auf den er zurast, selbst erzeugt.
Der Marxsche Satz, es käme darauf an, die Hegelssche Philosophie vom Kopf auf die Füße zu stellen, hat etwas mit dem Begriff der Umkehr zu tun.
Unvorstellbar, heute noch Mitglied einer politischen Partei zu werden. Wenn überhaupt, dürfte es in keinem Falle um die „Identifikation“ mit einer Partei (mit ihren Zielen) gehen, sondern um die Frage, ob die Mitgliedschaft die Möglichkeit eines ändernden Eingriffs bietet. Diese Möglichkeit wäre in einer rechten Partei grundsätzlich ausgeschlossen, in der SPD (aber auch in einer anderen „linken“ Partei) aufgrund ihrer Organisationsstruktur und ihres Selbstverständnisses fast unmöglich, in der FDP durch ihren – wie es scheint – irreversiblen Trend zum Neoliberalismus real unmöglich. Die Grünen sind durch ihren ökologischen Konkretismus zu harmlos, im Kern unpolitisch. Bleibt etwa nur die irrsinnige Möglichkeit in einer CDU, die durch ihre eigene Umkehr zum Ferment einer Änderung der Gesellschaft werden könnte? Ist es nicht vielleicht die logische Konsequenz aus der vertrackten Situation, in der die SPD von innen, die CDU hingegen von außen nicht mehr zu erreichen ist?
Lassen sich beiden theologischen Konstrukte, daß
– Gott die Welt erschaffen und
– Jesus durch sein Leiden und seinen Tod die Welt entsühnt hat,
noch durch eine andere Logik als als die der Selbstbegründung und Selbstrechtfertigung der Bekenntnislogik (als Stützen eines Verdrängungssystems) zusammendenken? Die theologische Rezeption des Weltbegriffs hat außer dem des Opfers der Vernunft und der Selbstverfluchung keinen Ausweg mehr gelassen. -
25.11.1994
Ist das Schweige-Gebot an den Dämon bei Mk (bei Belo S 6c) nicht ein Schweige-Gebot an die Theologen (vgl. auch Anm. 7 bei Belo)?
Gestern (nach Teilnahme an einem Preisausschreiben) Einladung zu einem „Verkaufsgespräch“ bei der Holiday Marketing International, Neu-Isenburg:
– Die Grenze zwischen Sektenwerbung und Verkaufsveranstaltungen wird immer undeutlicher:
. Hinweis auf die Vertrauenswürdigkeit des Firmenchefs, der mit Foto auf einer Präsentationswand vorgestellt wird (die Qualität des Angebots, über das es verbindliche schriftliche Unterlagen nicht gibt, wird von ihm „persönlich garantiert“)
. Fotos von „glücklichen Mitgliedern“ des „Clubs“ (Betonung der „Gemeinschaft“),
. Demonstrativer Applaus bei der Neuaufnahme eines „Mitglieds“ (spätestens hier entsteht der Verdacht auf einen möglichen Zusammenhang mit Scientology, Moon-Sekte o.ä.; Assoziation an die Werbe-Methoden einer Drücker-Kolonne).
– Bei der Präsentation (durch eine 22-jährige Frau) laute Hintergrund-Musik; feste Sitzordnung, auch für meine Frau und mich (mit Blickkontakt zwischen der Präsentierenden und einem Firmen-Team im Hintergrund, außerhalb unseres Blickfeldes).
– Während der Präsentation zum Schein Fragen nach unseren (sehr dezidierten) Urslaubsvorstellung, mit denen das Angebot dann allerdings garnichts mehr zu tun hat.
– Es ist offensichtlich taktlos, über den Preis zu reden. Die junge Frau war nicht ermächtigt, mit uns über den Preis zu reden. Das blieb einem (männlichen) Mitarbeiter des Teams vorbehalten, der aggressiv und unverschämt reagiert, als ich auf mein Interesse an einem Preis-Leistungs-Vergleich hinweise (ein Hinweis, daß HMI „nicht jeden“ aufnimmt, hat schon den Ton einer Drohung).
– Erst am Ende (nach einer Präsentation, die eher wie einem Bekehrungsversuch gleicht, und bei der kein einziges Detail durch eine schriftliche Unterlage belegt wird) dann die Information über den (Fantasie-)Preis für ein Angebot, das mit dem mündlich vorgestellten Angebot nicht mehr viel zu tun hat (Nutzungsrecht für eine Woche im Jahr für ein Appartement an der spanischen Südküste, Nähe Malaga, zum Preis von DM 18.400,00, dazu DM 400,00 Bearbeitungs-/Notargebühr; zusätzliche Kosten für Instandhaltung, Reinigung etc. DM 416,00 im Jahr; bei Wahl eines anderen Urlaubsorts zusätzlich DM 180,00/Woche Verwaltungsgebühr). Bei sofortiger Entscheidung wird ein Rabatt von 20% (!) auf den Kaufpreis angeboten.
– Zuvor (schon bei der telefonischen Einladung am 21.11.94) ein Lockangebot (in jedem Falle eine Woche freie Urlaubsunterkunft in einem ihrer Anlagen in Europa); hierzu werden im Falle eines Vertragsabschlusses noch die Reisekosten und Verpflegung angeboten.
Ist die HMI so etwas wie ein UFO in der Touristikbranche? Die ganze Verkaufsveranstaltung schien unter der Voraussetzung zu laufen, daß alles nur mündlich erfolgte; war dabei bewußt, daß „mündliche Absprachen“ rechtlich unerheblich sind (die zivilrechtliche, aber auch die logische Kehrseite des Prinzips, wonach Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist)? Um einen Vergleich des Verkäufers zu variieren: Man kann mündlich einen SAAB vorstellen, aufgrund des Kaufvertrages aber einen Trabby liefern.
Hat nicht jede Reklame etwas von einem Bekehrungsversuch; läuft nicht jede Reklame auf ein Glaubensbekenntnis hinaus (Persil bleibt Persil)? Und ist die Bekenntnislogik nicht die Logik der Reklame, die ebenfalls den Tod verschweigt? Gleichen nicht die Ängste kirchlicher Mitarbeiter den Ängsten in einem Unternehmen wie HMI? Symbolisieren nicht Sekten wie Scientology oder die Moon-Sekte die wahrhaft apokalyptische Identität von Religion und Reklame, die uns bevorsteht? (War nicht die Wertphilosophie Ausdruck des Einbruchs der Reklame in die Philosophie und die Fundamentalontologie die fundamentalistische Konsequenz daraus?)
Wäre es nicht vielleicht doch sinnvoll und notwendig, die nach Zeitungsberichten vorgesehene Rechtschreibreform noch einmal zu überprüfen: Hat „behende“ (jetzt: behände) wirklich noch etwas mit der Hand zu tun, oder „gestreng“ (jetzt gesträng) etwas mit dem Strang? Werden hier nicht Sprachbeziehungen (wieder-)hergestellt, die die durch die Vokaländerung eingetretene Bedeutungsänderung (ein Stück objektiver Sprachentwicklung) bloß auslöschen? Stränge ist nicht das gleiche wie Strenge. Und war nicht schon der Übergang von Bureau zu Büro eine Sprachkatastrophe? Wie müßte man jetzt Niveau schreiben? Wäre es nicht an der Zeit, die ideologische Großschreibung der „Hauptwörter“ endlich abszuschaffen, eine Orthographieregelung, die über den Begriff des Substantivs die deutsche Grammatik verhext und zugleich die Selbstreflexion der Sprache blockiert, weil sie sie unter das Verdikt der deutschen Staatsmetaphysik stellt (während sie vielleicht eine der Ursachen der deutschen Xenophobie beseitigen würde)? Haben nicht die Großschreibung und das Substantiv das grammatische Geschlecht insgesamt neutralisiert und dieses (zusammen mit den subjektiven Formen der Anschauung) der Reflexion entzogen. Die Großschreibung ist der blinde Fleck der Grammatik und zugleich der Grund der Sexualisierung der Verhältnisse. Über die Großschreibung ist das Wertgesetz und die Bekenntnislogik (die Dornen und der steinige Grund in dem evangelischen Gleichnis vom Weizen), der Grund der Staatsmetaphysik, in die Sprache eingedrungen. Aber mit der Großschreibung wird der Markenartikel, ein essential jeder Reklame, überhaupt erst möglich. Ein Satz wie „Persil bleibt Persil“ wäre ohne die Großschreibung nicht denkbar.
Zu Petrus, Jakobus und Johannes: In den geschichtsphilosophischen Konstruktionen seit Joachim von Fiore erscheint immer die Trias Petrus, Paulus und Johannes; der viel wichtigere Jakobus (der „judaistische“ Gegenspieler des Paulus) scheint vergessen zu sein; er wird ohnehin immer mit dem „Herrenbruder“ verwechselt. Nicht nur Petrus erhielt einen zweiten Namen, sondern auch die Brüder Jakobus und Johannes, denen Jesus den Namen Donnersöhne gab. War nicht Jakobus der erste Apostel, der zum Märtyrer (durch Herodes) geworden ist, während Paulus der Urheber des ersten Todes eines Zeugen Jesu (des Stephanus) war?
War Paulus (der Geringste der Apostel) der Erfinder des Kleinglaubens (nach Hyam Maccoby der Erfinder des Christentums)?
Ist nicht die „Natur des Menschen“ ein Zivilisationsprodukt: ein Produkt der Verinnerlichung des Opfers und eine Folge des Ursprungs des Weltbegriffs?
Hat die Unterscheidung von sex und gender im Englischen mit der Unterscheidung von sky und heaven zu tun? Und gibt noch andere, vergleichbare Unterscheidungen, die dann alle auf die empiristische Struktur der englischen Sprachlogik (auf das to be) zurückzuführen sein müßten: auf die Unterscheidung der Objekte des Raumes und der Bekenntnislogik)?
Ist nicht der Geheimbereich des Staates der Preis für die Trennung von Objekt und Begriff (Natur und Welt)? Im Geheimbereich muß der Staat den Gemeinheitsgrund seiner Praxis verstecken. Zur Absicherung dieses Bereichs bedarf es des Militärs, zu seinen Emanationen gehören die Knäste und Irrenanstalten.
Das Possessivpronomen zur 2. Pers. pl. (ihr) ist „euer“, das zur 3. Pers. pl. und zur 2. Pers. f. sing. (sie) ist „ihr“.
Im Griechischen und im Deutschen wird der bestimmte Artikel dekliniert, aber die Konstruktionselemente sind toto caelo unterschieden. Insbesondere die Beziehung der Artikel zu den Personalpronomina in Verbindung mit dem deiktischen „d“ (er: der, sie: die, es: das), die Einschränkung des besonderen Nominativs auf das Maskulinum und die Gleichheit des Femininum mit dem Plural finden sich nur im Deutschen. Steht nicht zwischen dem Griechischen und dem Deutschen die gesamte Geschichte der Mathematik, insbesondere die Ursprungsgeschichte des Inertialsystems (und damit die Konstituentien der Bekenntnislogik: das Feinddenken, das Verrätersyndrom und die Frauenfeindschaft)? Das Griechische war noch geschützt vorm Inertialsystem, es hatte noch kein Futurum II; das ist erst im Lateinischen, zusammen mit dem Prozeß der caesarischen Verinnerlichung des Opfers, die dann in die Grundlagen des Christentums mit eingegangen ist, entsprungen (hängt es hiermit zusammen, wenn die romanischen Sprachen kein Neutrum mehr kennen?).
Die Logik der Schrift ist monologisch: diese Monologik greift im Inertialsystem auf die Optik über (Abstraktion vom Gegenblick). Die Hereinnahme des Blicks des Andern ins Denken und in die Erfahrung verfällt nur dann nicht der Magie (die insoweit auch in die Urgeschichte der Logik der Schrift hereinfällt), wenn sie die Fähigkeit zur Schuldreflexion (zur Reflexion der verinnerlichten Scham) in sich mit aufnimmt: Zusammenhang des Angesichts mit dem theologischen Begriff der Autonomie.
Zu Kanthers Weigerung, im Falle der Kurden und der Jugoslawien-Flüchtlinge einen Abschiebestop zu erlassen:
– Wenn er die Folgen, die das für die Betroffenen haben kann, nicht berücksichtigt sehen will, wodurch unterscheidet sich dann seine Entscheidung von den Brandanschlägen auf Ausländerwohnungen?
– Und wenn er diese Entscheidung (für den „Asylkompromiß“) mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Wahrung des „inneren Friedens“ in diesem Land begründet, akzeptiert er dann nicht die Erpressung durch den Rechtsextremismus? -
22.11.1994
Ist nicht schon die Magie ein Produkt einer Exkulpationsstrategie auf der Basis eines Schuldverschubsystems? Und rührt nicht das Wunder an diese gefährliche Grenze der Aufklärung?
Ist das quantenmechanische Kausalitätsproblem nicht schon in allen Wellenerscheinungen enthalten? Würde die heute kanonisierte Interpretation der Quantenmechanik stimmen, wäre dann nicht jedes Musikwerk ein chaotisches Zufallsergebnis? Und wäre dann die kinetische Gastheorie die Widerlegung der Akustik? In allen Wellenbewegungen wird Energie transportiert („fortgepflanzt“). Die Fortpflanzung ist das Prinzip der Wellenbewegung.
Zeugenschaft, Beweis (Logik der Schrift), Fälschung, Gemeinheit. Der stichhaltigste Beweis ist der schriftliche: das Dokument, die „Urkunde“ (der Kaufvertrag, das Symbolum). In welcher Beziehung steht die Logik der Schrift zur Blutzeugenschaft und die Schrift zum Blut?
Waren die vorschriftlichen Gemeinschaftsformen (die Formen der Stammesgemeinschaft) Vorformen der Schrift, und die Magie der Beleg dafür? Gibt es für die Schrift (als Verkörperung der Logik der Schrift) ein kosmisches fundamentum in re? Sind Natur und Welt Produkte der Spiegelung von Himmel und Erde an der Logik der Schrift?
Die Bemerkung von Emmanuel Levinas, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, schließt die Allmacht Gottes (nicht die omnipotentia) aus. Die Eigenschaften Gottes im Koran sind indikativisch; deshalb sind sie auf das All bezogen (allmächtig, allwissend, allbarmherzig: das sind Attribute der Islamisierung). Wo der Imperativ neutralisiert wird, bleibt nur die Ergebenheit in Gottes Willen, der zum Schicksal wird.
Das fiat voluntas tua wird zum Feigenblatt, zum bloßen Lippenbekenntnis, wenn es den imperativischen Charakter verliert.
Grenzen die Thesen Paul Formans nicht an Verschwörungstheorien, so als wäre die gesamte Kultur eine Verschwörung gegen die Naturwissenschaft. Aber steckt darin nicht ein Stück Wiederholungszwang; reproduziert sich darin nicht das vorausgegangene Verhältnis der Theologie zur Aufklärung (Ursprung der Apologetik)? Die Souveränität würde in der Fähigkeit (und Bereitschaft) bestehen, das argumentative Potential der Kritik aufzunehmen und zu reflektieren, anstatt aus der Kritik nur die Feindschaft herauszuhören. Aber diese Fähigkeit wurde ja bereits mit der Formalisierung der Mathematik und der Logik getilgt: Das erste Opfer der Formalisierung war nicht zufällig der Begründungszusammenhang, aus dem das Denken sich speist, der Bereich der hypothetischen Urteile.
War vielleicht der Intuitionismus ein Versuch, in der Mathematik wieder die Begründung, die Logik der Argumentation, zu restituieren? Leider ein mißlungener und – wie es der Erfolg der Hilbertschen Formalisierung (Algebraisierung) der Mathematik beweist – „leicht“ zu entkräftender Versuch (weshalb war die Widerlegung so „leicht“ und wirksam?). Spielte hier nicht der Bruch zwischen Geometrie und Algebra mit herein; war die Algebraisierung nicht seit je das Medium der Selbstanwendung der Naturbeherrschung aufs Denken, seiner Technisierung? War nicht ein entscheidender Schritt die Diskussion des euklidischen Parallelenaxioms: Beginn der Formalisierung der Geometrie, der Konstruktion „nichteuklidischer“ Geometrien aus den Bruchstücken der euklidischen? Euklid war, wenn man so will, ein naiver Intuitionist: Das Medium seines Beweisverfahrens war die Anschauung (die Bildebene). Die „nichteuklidischen“ Geometrien verwerfen den Anschauungsbeweis, ersetzen ihn durch Definitionen und bringen dadurch ein dezisionistisches Element herein, daß nicht mehr herauszubringen ist: Dieser Dezisionismus (die Verwerfung der Anschauung) verwirft das Argument, die Logik der Begründung. Kehrseite dieses Verfahrens ist eine Logik, die aus einem Argument nur noch heraushört, wogegen oder wofür einer ist; jede inhaltliche Diskussion ist gegenstandslos geworden. Der Vorteil der Formalisierung liegt darin, daß mit dem letzten Anschauungsrest der letzte Rest an Subjektivität aus dem Denken ausgetrieben wird: Begründung eines Denkens, das (wie die Form der Anschauung) ohne Denken funktioniert. Ist hier nicht die Stelle, an der sich die Logik der Physik der Logik angleicht, die auch dem Gewaltmonopol des Staates zugrundeliegt? (War die Kritik des Intuitionismus nicht in seinem elitären Charakter real begründet?)
Berührt sich dieser Problemkreis nicht mit dem der kantischen Antinomien, die Kant in der transzendentalen Ästhetik lokalisiert hat, während Hegel versucht hat, sie in die transzendentale Logik zu übertragen, die so zur dialektischen Logik geworden ist? Wiederholt sich diese Geschichte nicht in der Ursprungsgeschichte des Neopositivismus, im Übergang von Mach zum Wiener Kreis? Während Mach noch am Problem der Konstituierung des Objekts sich abarbeitete, hat der Wiener Kreis vor der Übermacht des Objekts kapituliert, die Aggression nach innen, gegen die Sprache und das Denken selbst gerichtet. Das läßt sich an der Linguistik, die daraus sich herleitet, noch ablesen.
Es fällt in diese Geschichte herein, wenn mit der Verwerfung des Problems der Empfindungen in der Physik die Orientierung an der sinnlichen Organisation der Erfahrung (in Mechanik, Optik, Akustik) ersetzt wird durch die Orientierung an anderen (teils systematischen, teils methodischen) Kriterien (Mechanik, Elektrodynamik, Statistik, Quantenmechanik, Festkörperphysik u.ä.).
Läßt sich diese Entwicklung nicht aus der Unfähigkeit, die Schuldreflektion in den naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozeß mit aufzunehmen, herleiten? Und hängt das nicht damit zusammen, daß in einer Welt, in der es Unschuld nicht mehr gibt, die Verstrickung in Rechtfertigungszwänge nur tiefer in die Verstrickungen der Logik der Schuld hineinführen?
Haben nicht alle ökonomischen Kategorien (wie Ware, Zirkulation, Monopol, Kredit, aber auch die Beziehung von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen bis hin zum Begriff des Imperialismus) ihre Entsprechungen in der Logik der Naturwissenschaften?
Die Kausalitätsdiskussion in der Quantenmechanik war ein Teil (und eine Folge) der Kriegsschulddiskussion, ein Versuch, nicht den Kriegsschuldvorwurf zu entkräften oder zu widerlegen, sondern ihn dadurch gegenstandslos zu machen, daß man ihm den logischen Grund entzog: Der Kriegsschuldvorwurf gehört zu den Dingen, zu denen Wittgenstein festgestellt hat, „davon muß man schweigen“. In einer Welt, die „alles (ist), was der Fall ist“, ist Schuld ein gegenstandsloser (weil den Weltbegriff fundierender) Begriff.
Die Kriegsschulddiskussion hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf neuer Ebene in der Kollektivschulddiskussion wiederholt. Steht nicht die Heussche Lösung (Kollektivscham) in einer inhaltlichen Beziehung zur Ideologie der Quantenmechanik?
War nicht die Kollektivscham die Schiene, auf der der faschistische Modernisierungschub weiterbefördert werden konnte (vgl. das Bild von der Lokomotive, die auf den Abgrund zurast)? Die Anerkennung der Kollektivschuld wäre die Bremse gewesen: Zur Scham gehört nur die Buße, während zur Schuld die Umkehr gehört. Über die Scham erneuert sich nur das schlau gewordene autoritäre Syndrom: zur Scham gehört einer, „vor dem“ man sich schämt. Mit der Kollektivscham wurde der Blick der Welt ins Innere installiert, und damit die Xenophobie.
Die Frage, ob es Gott gibt, ist untheologisch; das „es gibt“ ist auf die Theologie nicht anwendbar.
Ist nicht der Blochsche Satz „nur die Bösen bestehen durch ihren Gott, während die Guten: da besteht Gott durch sie“, eine Explikation des Cohenschen Satzes, daß die Attribute Gottes keine Attribute des Seins, sondern Attribute des Handelns sind? Und rührt nicht der Geist der Utopie stellenweise tatsächlich an den imperativischen Gehalt der Attribute Gottes? Und gilt nicht der Satz von der Sünde wider den Heiligen Geist für diesen Sachverhalt? Hat die kritische Theorie (ihr „Negativismus“) nicht hierin ihre gemeinsame Wurzeln mit dem Aktualitätsbezug der Prophetie: im Zeitkern der Wahrheit, den die Philosophie durch das tode ti neutralisiert (unter Narkose gesetzt) hat? Erst das tode ti, als der Grund der Trennung von Sprache und Objekt, hat den Raum für den Ursprung und die Geschichte von Philosophie und Wissenschaft geschaffen.Ästhetik, Bloch, Blut, Cohen, Forman, Gemeinheit, Hegel, Heuß, Hilbert, Islam, Kant, Kausalität, Levinas, Mathematik, Musik, Naturwissenschaft, Ökonomie, Sprache, Wittgenstein, Xenophobie -
1.11.1994
Die Spekulation verlagert die Arbeit in die Objekte: Nicht die produktive Arbeit, sondern das Vermögen in der Gestalt des Besitzes ist die Quelle des Einkommens und des Reichtums.
Die animalisierende Wirkung der Wut (das Tier und der Weltbegriff; Wut und Anpassung).
Die Geschichte der Sexualmoral ist ein Teil der Geschichte der Verinnerlichung der Scham.
In diesem Lande kommt alles darauf an, nicht zu den Verlierern zu gehören.
Die pädagogische Funktion der Verachtung der Armen: So schreckt man die Kinder von der Armut ab und weckt die Motivation, erfolgreich zu sein und „reich zu werden“.
Das Inertialsystem, der verdrängte Blick des andern und die Gardine.
Die Entzauberung der Welt war bereits das Werk des Mythos, nicht erst das der Aufklärung (Ursprung und Funktion des Tempels).
Urteilsform und Klassenkampf.
Ursprung des Fernhandels: Waren die Wikinger die Vorläufer der Hanse (und die Nomaden die der Kanaanäer)?
Gibt es eine Beziehung der sieben Sakramente zu den sieben Planeten? Sind die Sakramente gleichsam verinnerlichte Planeten, und haben sie eine vergleichbare Funktion bei der Konstituierung des Weltbegriffs?
Der Wille der Gattung unterscheidet sich vom Willen aller einzelnen wie der Raum vom Geld. Werden nicht seit Rousseau das Allgemeine und die Gattung verwechselt (Zweideutigkeit des Naturbegriffs)? Hieraus wäre Hegels Bemerkung, daß die Natur den Begriff nicht halten kann, abzuleiten. Die Identität von Gattung und Allgemeinem ist die Geschäftsgrundlage der Hegelschen Logik und des Begriffs des Absoluten (der nicht zufällig zuerst in Newtons Begriff des absoluten Raumes und im politischen Begriff des Absolutismus auftaucht). Der Begriff des Absoluten ist ohne das Stück Dezisionismus, das in Hegels „List der Vernunft“ steckt, nicht zu halten. Die Lücke zwischen der Gattung und dem Allgemeinen ist nur mit Hilfe der List (mit Gewalt und Gemeinheit) zu überbrücken: im Kontext der Vergesellschaftung von Gemeinheit und Gewalt: Die Schlange war das klügste der Tiere. Seit der Vergesellschaftung von Herrschaft gibt es keine Theologie mehr, die ungestraft die Idee der Barmherzigkeit vernachlässigen darf. Vor diesem Hintergrund ist Christina von Brauns „Nicht-Ich“ ein theologisches Buch.
Die Logik des Raumes entspringt der gleichen Verwandschafts-Logik, die wirksam wird, wenn einer die Schwägerin seines Vaters heiratet (die dann ihre eigene Tante wird, mit eingebautem progressus in infinitum). Ist nicht der Raum der Inbegriff der Unzucht (und beziehen sich die einschlägigen Gebote der Tora auf diesen Raumbegriff)? Und verweist nicht das Rousseausche Inzucht-Motiv (und seine Beziehung zum modernen Naturbegriff) auf diesen Sachverhalt?
Mit der Abstraktion vom Gegenblick (vom Angesicht) abstrahiert das Inertialsystem (dessen Kern die mathematische Raumvorstellung: die subjektive Form der äußeren Anschauung, ist) von der Scham. Ausdruck dessen ist der Begriff der Materie. – Hat nicht der hieros gamos etwas mit dem Ursprung der Raumvorstellung zu tun? Ist der Raum eine Konstruktion, zu dessen Elementen die Logiken der Schrift und des Geldes gehören? Die Logik des Geldes repräsentiert den technisch-praktischen Anteil (den dynamischen Anteil), der der Mechanik (den linearen Prozessen) zugrundeliegt, die Logik der Schrift das Vorgegebene, Schicksalshafte (den mathematischen Anteil): das Moment der Fläche, der „Ausbreitung“ im Raum. Die Geometrie verdankt sich der Logik der Schrift, die Mechanik der des Geldes.
Zur Vorgeschichte der Mechanik gehört nicht die Philosophie, sondern die der Theologie und des Mythos (die Geschichte des Tempels: die Geschichte der Architektur endet im Inertialsystem).
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und die Plancksche Strahlungsformel sind die letzten Folgen des Dingbegriffs.
Gehören nicht die Gott-, Welt- und Menschenbilder zu den Produkten der Logik der Reproduzierbarkeit, deren Grund das Inertialsystem ist (die Physik ist das Produkt der Spiegelung der Welt am Inertialsystem)?
Deus fortior me: Sind die Gedanken wirklich frei? Die Idee des freien Denkens verdankt sich dem Schein, daß das Denken von der Sprache sich trennen läßt. Die Probleme gleichen denen, die entstehen, wenn man die Sprache von den Dingen trennt. Die Idee des freien Denkens gründet in der List der Vernunft, in der Abstraktion vom Schuldzusammenhang; sie ist selber der Grund der Idee des Absoluten, in der der gesellschaftliche Schuldzusammenhang sich reflektiert.
Die rätselhafte Ursprungsgeschichte der Grammatik.
Verschärft sich das Historismus-Problem heute nicht in der Einführung des Generationen-Konflikts?
Ist nicht das Inertialsystem eine negative Utopie, deren Gründe und Folgen einmal unter dem Begriff des horror vacui reflektiert worden sind?
Daß Boden, Arbeit und Geld zur Ware geworden sind, heißt auch, daß sie tauschbar geworden sind, daß sie den Besitzer wechseln können: daß sie als herrenloses Gut vorgestellt werden können, und daß es Menschen geben kann, die von allen dreien entblößt sind. Schlägt nicht Hegels Dialektik von Herr und Knecht heute auf das System der Bedürfnisse durch: Die gleichen Bedürfnisse, die dieses System hervorgetrieben haben, werden heute vom System wieder ausgeschieden: sie werden zum Abfall des Systems (vgl. Hegels Bemerkung in seiner Rechtsphilosophie). Auch das berührt sich mit dem Problem der technischen Reproduzierbarkeit: Das System der Bedürfnisse reproduziert sich im System und hat sich selbst überflüssig gemacht.
Wird nicht heute – im wörtlichen Sinne – den Menschen das Fell über die Ohren gezogen?
Heute wäre es erstmals möglich, die materiellen Grundlagen zu Ulrich Sonnemanns „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ zu analysieren (unter dem Titel: Der Positivismus als Rechtfertigungsmaschine).
Steckt in dem Satz, daß man Ochs und Esel nicht gemeinsam pflügen lassen darf, nicht der Ansatz einer Kritik der Astronomie (der Hinweis auf die Differenz von Mechanik und Gravitation: von Joch und Last)? Haben Ochs und Esel etwas mit dem Binden und Lösen zu tun?
Ist die Feste des zweiten Tages, wie auch die Schicksalsidee, die darin enthalten ist, eine Vergegenständlichung, Verkörperung des Selbsterhaltungsprinzips? Und bezieht sich darauf das Wort: Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein? (Ist der biblische Staub ein Symbol der Subjektivität?)
Die Schrift induziert das Prinzip der Selbsterhaltung ins Wort.
Die neue Unübersichtlichkeit: Diese, und nicht mehr nur die alte Unmündigkeit, ist nach einem kantischen Diktum „selbstverschuldet“.
Drewermann leidet u.a. an einem Nestbeschmutzersyndrom: Er hätte gern eine heile Welt, eine Welt, in der alle Ängste nur psychologisch (und damit therapierbar) sind. Ein solche Welt wäre nicht mehr kritisierbar; aber sie wäre auch das Produkt der Unterwerfung unter die Gewalt. Er verschiebt das Problem aus der Welt ins Subjekt. Darin gründet sein Begriff der Religion (und seine Kritik- und Konfliktunfähigkeit, sein katholische Erbteil). -
11.10.1994
Nicht „Nach uns die Sintflut“, sondern „Nach uns der Urknall“ (der in der derzeitigen Entwicklung der Moral sich ausbildet und heranreift) bezeichnet den gegenwärtigen Weltzustand.
Zu dem Satz „Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand“ gehört der andere: Juristische Personen können nicht festgenommen und nicht in Haft genommen werden.
Was haben juristische mit ästhetischen Personen gemeinsam (ein Beitrag zum Problem des Ursprungs des Objektbegriffs und zum Begriff der Ästhetik)? Juristische Personen sind Objekte im Geldraum; diesen aber gibt es, seit es Schulden gibt. Was war eher da: Schulden oder Privateigentum?
Oder: Institutionen sind Vorläufer und Entsprechungen des Inertialsystems.
Im Begriff des Scheins zitiert Hegel das Inertialsystem (gegen das er die List der Vernunft setzt), und mit diesem Begriff dringt die Ästhetik in Hegels Logik ein (Folge der Transposition der Antinomien der reinen Vernunft aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik).
Der Begriff einer unsterblichen Seele ist ein Produkt der Logik der Schrift und zugleich der reinste Ausdruck des Schreckens: Ursprung der Höllenvorstellung. Ist die Hölle nicht der Erbe der verdrängten und zugleich christlich verdinglichten „Unheilsprophetie“, und hat nicht der Antijudaismus im Bild des Juden seit je die arme Seele als Teufel angesehen?
Käme es nicht heute darauf an, den Begriff des Glaubens aufzulösen und den der Treue wiederzugewinnen: die Wahrheit aus der Theorie in die Praxis zurückzuholen?
Der Hinweis Emmanuel Levinas‘, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, wäre zu erweitern: Auch der Indikativ gewinnt durch seine Anwendung auf Gott imperativische Bedeutung und Funktion, und genau darin liegt das Verführungspotential einer Theologie hinter dem Rücken Gottes.
Ist nicht die Idee des Absoluten eine Vergegenständlichung des imperativen Charakters der Attribute Gottes (die so ihres Inhalts beraubt, formalisiert und für weltliche Herrschaftszwecke verfügbar gemacht werden); oder ist nicht die Idee des Absoluten die Vollendung dessen, was Paulus das Gesetz nennt?
Greuel am heiligen Ort: Der Grad der Vergesellschaftung von Herrschaft ist ein Maß für die Nähe des Gottesreichs.
Wie wäre es mit dem schönen Titel: Die Rückseite Gottes? Weder Angesicht, noch Name: Die Rückseite Gottes ist das Feuer.
Müßte nicht die raf die Sünde des Paulus zurücknehmen (verweist vielleicht der „Stachel im Fleisch“, von dem Paulus in 2 Kor 127 spricht, auf diese „Sünde“: seinen niemals öffentlich bekannten Anteil an dem Tod des Stephanus)? Und gründet nicht beides in der opfertheologischen Verarbeitung des Kreuzestodes (Grund jeglicher Apologetik)? Ist nicht das paulinische Bekenntnis, er habe vor seiner Bekehrung „die Kirche verfolgt“, zu abstrakt im Hinblick auf seine Rolle beim Tod des Stephanus; und ist dieses „Bekenntnis“ nicht das Modell der kirchlichen Apologetik im Anblick ihrer eigenen Vergangenheit?
Haben die sieben Köpfe des Drachen und des Tieres aus dem Meer etwas mit den sieben unreinen Geistern und den sieben Siegeln zu tun?
Was heißt „Roß und Reiter nennen“? Der Ausdruck ist gleichbedeutend mit dem Wort „die Dinge beim Namen nennen“. Hat das etwas mit dem „feurigen Wagen mit feurigen Rossen“ (2 Kön 211) und mit dem Schrei des Elisa „Wagen Israels und sein Reiter“ (ebd. 212) zu tun? -
5.10.1994
Das Objekt des Vorurteils ist aufgrund seiner Apriorität unzerstörbar (und der Antisemitismus aus diesem Grunde unbelehrbar).
Das Problem des falschen Propheten findet seine Lösung in der Unterscheidung zwischen der Erfüllung der Schrift (der „Unheilsprophetie“) und der Erfüllung des Wortes („Heilsprophetie“). Die „Unheilsprophetie“ ist aufgrund ihrer Beziehung zur Logik der Schrift grundsätzlich wahr (kann jedoch durch das Erbarmen Gottes „enttäuscht“ werden); die „Heilsprophetie“ ist nur dann wahr, wenn „das Wort sich erfüllt“. In dieser Konstellation findet das Bild des Tieres vom Lande seine Lösung.
Scham ist die Innenerfahrung des Witzes (die Erfahrung, die das Objekt eines Witzes mit dem Witz macht). Sensibilität ist die Fähigkeit, diese Innenerfahrung des Witzes zu reflektieren.
Die Idee des Parakleten gründet in der Umkehr der Logik des Witzes: Ihre Intention ist die Verteidigung des Objekts, über das gelacht wird, gegen das Kollektiv der Lacher (gegen die Welt). Zur Idee des Parakleten gehört der Satz: Aufgrund der Asymmetrie zwischen mir und den anderen ist Selbstverteidigung nur über die Verteidigung des andern erlaubt.
Steckt nicht in jedem objektivierenden Verfahren, in der Konstitution des Objekts selber, etwas von dem Auslachen, gegen das die Idee des Parakleten sich richtet?
Die Idee des Absoluten hat die Verinnerlichung der Scham zur Grundlage; über die Verinnerlichung der Scham ist die Idee des Absoluten an den Weltbegriff gebunden. Wittgensteins Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist, verweist auf diese Konstellation.
Die List der Vernunft gehört zu den Konstituentien der Idee des Absoluten. Wer den Realgehalt dessen, was Hegel die List der Vernunft nennt, begreifen will, muß den Argumentationsstil Kohls (unter Einschluß der Elemente der Selbstinszenierung: von der Versöhnung über den Gräbern bis hin zum bedenkenlosen Gebrauch der Gemeinheit) untersuchen.
Wie wär’s mit dem schönen Titel: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört?
Als Adam sich unter den Bäumen des Gartens versteckte, da schämte er sich. Stammten diese Bäume vom Baum der Erkenntnis?
Der Takt verbietet es, im Hause des Mörders vom Opfer zu sprechen: Dieser Takt war der Grund, aus dem der Begriff der Kollektivscham hervorgegangen ist (Kohl: Es gibt Wichtigeres als Solingen).
Zur Feste des Himmels: Kann es sein, daß Gott keine „Rückseite“ hat, daß es diese „Rückseite“ nur für uns gibt: Sie fällt zusammen mit der Idee des Absoluten : mit dem Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft (mit der Spiegelung Gottes in der Logik der Schrift).
Wie hängen die Idee des Absoluten, die Feste des zweiten Tages und die Gestalt des Elias (des Vorläufers des Messias) miteinander zusammen?
Das philosophische Subjekt, Korrelat des Weltbegriffs, ist ein Produkt der Logik der Schrift.
Das Richtige unterscheidet sich von der Wahrheit durch seine Beziehung zu anderen; im Falle des Richtigen ist diese Beziehung eine konstitutive, im Falle der Wahrheit eine regulative Beziehung. Beide unterscheiden sich wie die Lüge und das falsche Zeugnis (wie Schrift und Wort).
Der ungeheure Gedanke, daß Gott meine Schuld gegen andere nicht vergeben kann, daß er deren Vergebung nicht antizipieren kann, verweist auf den Tabestand, der dem Lösen zugrunde liegt. („Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dort eingedenk wirst, daß dein Bruder hat etwas gegen dich hat, …“ Mt 523). Ist das Bußsakrament nicht eine ungeheure Anmaßung: werden hier nicht die Opfer ihrer Kraft zu vergeben, die der Grund ist, daß ihnen selbst vergeben wird, enteignet? – Haben die sieben unreinen Geister nicht tatsächlich etwas mit den sieben Sakramenten zutun?
Die Philosophie beschreibt den Akt des Heraustretens aus dem Bann des Mythos. Wäre der letzte Akt der Philosophie nicht der ihrer Selbstauflösung: der des Heraustretens aus dem mythischen Bann der Logik der Schrift? Dazu bedarf es der Hilfe der Theologie: beide können diesen Schritt nur gemeinsam gehen.
Die Opfertheologie war der Preis für die theologische Rezeption des Weltbegriffs; die Höllenvorstellung, die Vorstellung von der Ewigkeit der Höllenstrafen, der Preis für die Rezeption des Naturbegriffs (die projektive Verarbeitung des Feuers).
Haschamajim: Die Sintflut ist das Realsymbol der Verinnerlichung des Schicksals (der Überflutung der Objektivität durch die Fluten des Begriffs); sie repräsentiert den Wasseraspekt der Geschichte der Aufklärung. Die Verinnerlichung der Scham (die Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung der Raumvorstellung) und ihr gegenständliches Korrelat, die Verdinglichung der Welt, repräsentiert die Vorgeschichte des Feuers: Die Erfüllung der Logik der Schrift als Vorgeschichte der Erfüllung des Worts. „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon.“
Die spontane Reaktion auf die ersten Meldungen über Auschwitz: „das wird sich einmal rächen“, ist wahr geworden im Begriff der Kollektivscham. Ralph Giordano wäre dahin zu korrigieren: Nicht die Zweite Schuld bezeichnet den Kern der Nachkriegsentwicklung, sondern die zweite Intrumentalisierung der Schuld im Begriff der Kollektivscham. Die Erfindung der Kollektivscham war der schreckliche Versuch der Naturalisierung der Schuld, der Versuch, die Pforten der Hölle endgültig und ausweglos zu schließen. Sie war der Greuel al heiligen Ort.
Erst die Reflexion der Scham macht die Theologie zu einer experimentellen Wissenschaft.
Die Apokalypse des Johannes ist kein Schauspiel, nicht durch die ästhetische Objektivitätsgrenze von der Gestalt des Zuschauers getrennt. Wir stecken mitten drin wie Jonas im Bauch des Fisches. Auch die Apokalypse ist aus dem Bann der Logik der Schrift zu befreien. (Ist nicht der Fisch ein Sprachsymbol: ein Symbol der Logik der Schrift? Und ist der Fisch, das große Seeungeheuer, das Zweitgeschaffene, wie die Logik der Schrift das eigentlich apokalyptische Symbol: die Logik der universalen Vergegenständlichung?)
In der Astronomie gilt – wie im Recht -, daß das Nichtbeweisbare nicht existiert (Folge der ästhetischen Beziehung zur Sternenwelt). Gilt der die Grenzen des Rechts definierende Satz: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, auch für die Astronomie (und in ihrer Folge für die modernen Naturwissenschaften)? Die Grenzen der Beweislogik widerlegen sie nicht, aber sie machen die Beweislogik reflexionsfähig und das, was durch die Beweislogik ausgeschlossen wird, doch noch erkennbar. Vor allem ist jeder Versuch, die Beweisgrenzen zu schließen, auf seine Haltbarkeit und auf seine Nebenwirkungen zu prüfen.
Beweislogik und Verdinglichung: Das deiktische Element im bestimmten Artikel ist ein Produkt der Beweislogik. Dagegen hat die negative Dialektik das mikrologische Verfahren der Reflexion zu mobilisieren versucht.
Hitlers Wort, daß die Masse ein Weib ist, knüpft an die merkwürdige Beziehung des Femininum zum PLural an (die gleiche Beziehung, die auch im Begriff der Materie sich ausdrückt).
Die Logik der Schrift, deren Ursprung an der Hegelschen Analyse des Hier und Jetzt (in der Phänomenologie des Geistes), sich demonstrieren läßt, entfaltet sich in der Vorstellung des Inertialsystems, gewinnt in ihr ihre ungeheure abstraktive Gewalt. Sie ist der Grund des Abstraktionsprozesses, der (über die Opfertheologie) in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung sich vollendet.
Die Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren, ist das erste (und notwendige) Resultat der Kritik des Inertialsystems (und der Opfertheologie: der Vorstellung, daß die Welt durch den Kreuzestod Jesu entsühnt worden sei). Der Versuch, dieses Gefühl durch durch die Vorstellung, „in Gottes Hand geborgen“ zu sein, zu unterdrücken, ist der Kern der Verführung durchs Herrendenken.
Die Kritik der Naturwissenschaft findet ihren Hauptwiderstand an der nie reflektierten pseudotheologischen Begründung des naturwissenschaftlichen Erkenntnisbegriffs (an ihrem Zusammenhang mit der Opfertheologie). -
2.10.1994
Der Esel war kein Opfertier; zur Auslösung der Erstgeburt des Esels wurde ein Lamm geopfert (Ex 1313).
Dt 2210: Die Trennung von Joch und Last sprengt das Inertialsystem und seine Begründung, die Gravitationstheorie. Sie enthält neben der Kritik der Raumvorstellung auch die Elemente einer Kritik der unvermittelten politischen Anwendung der Marxschen Theorie: Hängt nicht die mangelnde Unterscheidung des Tauschprinzips vom gesellschaftlichen Schuldzusammenhang (des Tauschprinzips und der Schuldknechtschaft) mit der Vorstellung zusammen, daß Recht und Gerechtigkeit kompatibel seien, wobei übersehen wird, daß Gemeinheit (aus beweislogischen Gründen) kein strafrechtlicher Tatbestand ist?
Die Unterscheidung von Joch und Last schließt die von Rechts und Links mit ein (die Unterscheidung von Rechts und Links ist ein Reflex der Unterscheidung der Vorn-Hinten-Beziehung von der Oben-Unten-Beziehung).
Der physische Schmerz ist die Widerlegung des Idealismus, der Beweis der objektiven Realität der Materie.
Die Feste, die die oberen von den unteren Wassern trennt, ist das einzige Werk der Schöpfung, das auch dem Blick Gottes entzogen ist: es liegt hinter seinem Rücken. Daß die Feste die Rückseite Gottes ist, drückt sich u.a. in dem Satz aus: Der Himmel ist Sein Thron. Schließt sich hier nicht die Beziehung zur Merkaba-Vision des Ezechiel an?
Bezieht sich nicht der Satz vom Binden und Lösen auf das Werk des zweiten Schöpfungstags; unsere Aufgabe liegt dort, wo Gottes Blick nicht hinreicht: Nur über Ihn können wir uns von unserer Blindheit und Lähmung befreien. Der Himmel ist die Rückseite Gottes (die sinnliche Manifestation des Absoluten). Hier liegt der Grund, weshalb in der Schrift das „von Angesicht zu Angesicht“ mit der Todesdrohung verbunden ist.
Bezeichnen nicht die Kreiszahl Pi und der natürliche Exponent e den Schnittpunkt oder die Berührungspunkte, an denen Geometrie und Algebra sich aufeinander beziehen?
Ist es nicht merkwürdig, daß die drei Totalitätsbegriffe der kantischen Philosophie, Wissen, Natur und Welt, auf Wendepunkte der Zivilisationsgeschichte zurückweisen:
– Der Begriff des Wissens entspringt im Kontext der Ursprungsgeschichte des Sanskrit (in den Veden),
– während die Begriffe Natur und Welt auf den griechischen Anteil an der Zivilisationsgeschichte verweisen: Die Philosophie entspringt mit der Trennung der Begriffe Natur und Welt, die in dieser Trennung überhaupt erst sich bilden.
Während die griechische Philosophie den Ursprung der Urteilsform in den Begriffen Natur und Welt hat einfangen und disziplinieren können, hat der Begriff des Wissens in der indischen Tradition zur überbordenden Entfaltung der Phantasie geführt, die dann nur durchs buddhistische Nirwana domestiziert werden konnte. Mit dem Naturbegriff hat der Selbsterhaltungstrieb (und die Institution des Privateigentums) in der Objektivität sich verankert.
Mit der creatio mundi ex nihilo ist der objektive Selbstwiderspruch in die Theologie mit hereingenommen worden; mit der Opfertheologie wurde dieser Widerspruch zum Schweigen gebracht und sanktioniert.
Ist nicht die moderne Linguistik eine sehr englische Disziplin, deren Übersetzung ins Deutsche bis heute nicht gelungen ist? Und ist die französische Postmoderne das sprachlogische Pendant der angelsächsichen Linguistik?
Wenn die Geschichte der Aufklärung als ein ungeheurer Verdrängungsprozeß sich begreifen läßt, wird man davon ausgehen müssen, daß, wenn die „kritische Masse“ des Selbstwiderspruchs erreicht ist, der Verdrängungsapparat dem Druck nicht mehr standhält: Wird dann die Aufklärung sich vollenden? – Vgl. Hegels Phänomenologie des Geistes, die ihren Gegenstand erreicht, wenn die Idee des Absoluten nicht mehr zu halten ist.
Daß unsere Justiz auf dem rechten Auge blind ist, hat seinen Grund nicht in der Gesinnung einiger Juristen, sondern in einem Konstruktionsfehler des Rechts. Das läßt sich demonstrieren am Mißlingen der juristischen Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, der Justiz des Dritten Reiches. Wenn Carl Schmitt das Rechtsproblem der Souveränität dezisionistisch löst: durch die Begründung des Instituts der Diktatur, so übersieht er den einfachen Sachverhalt, daß die Idee der Souveränität nur das Gnadenrecht, nicht aber ein Exekutionsrecht zu begründen vermag. Aber das Gnadenrecht ist nur das Recht des Souveräns, die Selbstanwendung in der Praxis der Justiz, nach dem Motto „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, von der Diktaturen seit je gerne Gebrauch machen, verändert das Recht im Kern; sie müßte sich eigentlich von selbst verbieten.
Während das Gnadenrecht theologisch aus dem Satz „Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist“ sich herleiten läßt, fällt das Exekutionsrecht eindeutig unter das Verdikt der Hybris, ebenso übrigens wie die Verachtung des Volkes in Wahlkämpfen: in der gnadenlosen Instrumentalisierung des Satzes, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist.
Der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, läßt sich vor allem anhand der Praxis des Strafvollzugs in diesem Land verifizieren.
Die Wahrheit unterscheidet sich vom Richtigen durch das Barmherzigkeitsgebot. -
22.9.1994
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat das Verfahren gegen den 38-jährigen Siegfried Nonne „mit Rücksicht auf die Kronzeugenregelung“ eingestellt. Siegfried Nonne hatte Anfang 1992 ein „Geständnis“ über eine angebliche Beteiligung an dem Mord an Alfred Herrhausen abgelegt, und hierbei Namen von Leuten genannt, die die Tat begangen haben sollen. Später hat er dieses „Geständnis“ öffentlich (u.a. in der ARD-Sendung „Brennpunkt“) mit dem Hinweis widerrufen, er sei „von hessischen Verfassungsschützern gezwungen“ worden. Das Oberlandesgericht unterstellt, daß das erste Geständnis stimmte. Wer wurde damit freigesprochen: Siegfried Nonne, der Generalbundesanwalt oder der hessische Verfassungsschutz? Und außerdem: Liegt diese Entscheidung nicht in der Linie der Konsequenz aus dem dezisionischen Souveränitäts-Begriff Carl Schmitts, der immer mehr und immer deutlicher aus dem politischen in die juristische Ebene sich verlagert? Souverän ist nicht mehr das Staatsoberhaupt („Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“), sondern die Justiz, die im Verfassungs- und im Staatsschutzbereich immer mehr politische Kompetenzen übernimmt. Grund ist ein Rechtsstaatsverständnis, das die Lücke im Recht durch eine gnadenlose und in ihrer Konsequenz selbstmörderische Staatsmetaphysik zu schließen versucht (hier liegt der systemische Grund für den Titel Staatsanwalt).
Liegt in den Sätzen des Hiob und des Jeremias, in denen sie wünschen, schon vor ihrer Geburt gestorben zu sein, nicht die Geburt der modernen Naturwissenschaft: der Ursprung der der Vorstellung einer homogenen Zeit, die, indem sie die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert, den Tod vor die Geburt verlegt (Zusammenhang mit der Reichsidee und dem babylonischen Caesarismus)?
Wie hängen die Hiob- und die Jeremias-Stelle mit der anderen Stelle bei Jeremias (15: Noch ehe ich dich bildete im Mutterleib, habe ich dich erwählt) zusammen? Und hat diese Konstellation etwas mit dem Ursprung des Weltbegriffs (und seiner Vorankündigung bei Jeremias) zu tun? Die Verfluchung der eigenen Geburt und das Motiv des Schreckens um und um sind die Innenansicht der Verzeitlichung der Konjugation und des Ursprungs des Neutrum, beide sind durch die Geschichte der Reichsbildung vermittelt. Herrschafts- und sprachgeschichtlich gehört das zusammen wie Nebukadnezar und der Turmbau von Babel. Die babylonische Sprachverwirrung gehört zur Ursprungsgeschichte der Zivilisation: die Bibel hält die Erinnerung an die Schreckenserfahrung fest, die die Zivilisationsgeschichte (unterm Vorzeichen der Philosophie) in der Sprache selber (durch ihr ihre eingeschriebene Logik und Struktur) verdrängt. Diese Erfahrung wird durch den Weltbegriff neutralisiert.
Bezieht sich Deut 2210 „Du sollst nicht Ochse und Esel zusammen vor den Pflug spannen“ (wie auch die damit zusammenhängenden Gebote der Vermischung) auf die „Vermischung“ von Vergangenheit und Zukunft in der Vorstellung einer homogenen Zeit (auf die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit)? Hat diese Stelle (das Verbot, Joch und Last gleichzusetzen: die Diskriminierung des mechanischen Materiebegriffs) etwas mit dem gordischen Knoten (der Joch und und Deichsel verbindet) zu tun?
Gibt es in der Bibel das Gebot: Du sollst nicht lügen? Vgl. Lev 1911: „Ihr sollt nicht stehlen und nicht ableugnen und nicht einer den andern betrügen“ (Zürcher Bibel)/ „Ihr sollt nicht stehlen, nicht täuschen und einander nicht betrügen“ (Einheitsübersetzung).
Nicht aufs Ansehen (auf den Ruf), sondern aufs Tun kommt’s an.
Ist der Katholizismus heute nicht endgültig zur Weltreligion geworden (und geht er daran nicht zugrunde)?
Die Zukunft aus der Herrschaft der Vergangenheit befreien (die Zukunft freischaufeln), das kann niemand allein. Deshalb kann niemand alleine Christ sein.
Die Personalisierung des Teufels hat (wie jede Verteufelung seitdem) nur zur Stabilisierung von Herrschaft beigetragen (Verteufelung als Blitzableiter der Herrschaftskritik). Besser als hinter seiner Personalisierung konnte sich der Teufel nicht verstecken. Aber das funktionierte nur solange, wie das Bild des Teufels aus der Sexualmoral sich nährte. Die Schrecken der Hölle waren nur solange wirksam, wie es möglich war, die Schrecken der Herrschaft in der Phantasie noch zu steigern.
Die Opfertheologie ist das Produkt der Theologisierung der Logik der Ausbeutung.
Hegels Philosophie heult mit den Wölfen (und das Weltgericht ist das Heulen der Wölfe). – Wie hängt die Klugheit der Schlange mit dem Heulen der Wölfe zusammen?
Hat das Gebot, den hebräischen Sklaven nach dem sechsten Jahr freizulassen, etwas mit der Geschichte der hebräischen Schrift (mit der Geschichte der Logik der Schrift als Grund und Spiegel der Herrschaftsgeschichte) zu tun?
Mit der kopernikanischen Wende ist die Erde ein zur kapitalistischen Aneignung freigegebenes „herrenloses Gut“ geworden. Darin liegt die theologische Bedeutung des Konzepts eines unendlichen Raumes. Insofern gehören Kopernikus und die „Entdeckung Amerikas“ (als Paradigma der Kolonialisierung der Welt) zusammen.
„Spruch des Herrn“: Ist das nicht der Versuch, die Logik der Schrift von ihrem Fluch, an die Adresse des Allgemeinen gefesselt zu sein, zu befreien? Rosenzweigs Kritik des „All“ wäre durch die Kritik der Gemeinheit (die Kritik der Logik der Schrift) zu ergänzen (und als Kritik des Allgemeinen, des Weltbegriffs zu entfalten).
Die Allgemeinheit des schriftlich fixierten Rechts hat zum Grund die Souveränität dessen, der das Gesetz erlassen hat (nach Heinsohn des gleichen, der auch als erster in seinem Namen Geld geprägt hat: Hammurabi = Darius).
Hat der Rekurs der Heinsohn-Gruppe auf eine Naturkatastrophe (die Venus-Katastrophe) nicht seine eigene Logik in der Konsequenz, die ihn mit seinem historistischen Ansatz verbindet? Hier wird gleichsam ein zweitesmal die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert.
Handelt nicht der „Sündenfall“ von der Geschichte, in der die Sprache (auf dem Wege von Jerusalem nach Jericho) unter die Räuber (unter die Logik der Schrift) gefallen ist („die zogen ihn aus und schlugen ihn und gingen davon und ließen ihn halbtot liegen“)? Der Priester und der Levit sahen ihn und gingen vorüber.
Der Weltbegriff ist der Ursprung, das Instrument und das Produkt der Identifikation mit dem Aggressor.
Die kopernikanische Wende hat die Verinnerlichung der Schicksalsidee zur Verinnerlichung der Scham weitergetrieben, ein Prozeß, in dem die Scham gegen das Subjekt selber sich wendet, es tendentiell auslöscht.
Nur die deutsche Sprache hat die kopernikanische Wende in ihre Sprachlogik mit aufgenommen, während die anderen modernen Sprachen, insbesondere die romanischen Sprachen, in der Logik der Islamisierung der Sprache steckengeblieben sind. (Ist nicht die gesamte osteuropäische Orthodoxie insofern ein Archaismus, als sie die Lehre in einem vorislamischen Stand konserviert?).
Sünde wider den Heiligen Geist: Das Inertialsystem hat mit der Natur gemacht, was die Schrift mit der Sprache (und die Bekenntnislogik mit der Theologie) gemacht hat.
Gott und Teufel, Feindbild und Opfertheologie: Zur Bekenntnislogik gehört das Feindbild wie das Idol zum Götzendienst; über die Bekenntnislogik gleicht deren Subjekt dem Bild seines Feindes ebenso sich an wie umgekehrt das Feindbild auch als Projektion dessen, was das Subjekt in sich selber verdrängen muß, begriffen werden muß. Über das Feindbild stellt eine Reflexionsbeziehung sich her, die den Inhalt des Bekenntnisses mit bestimmt. In seiner entfalteten Form leistet die Bekenntnislogik
– die Sicherung der Verdrängungsleistung (durch Projektion des Verdrängten auf den Feind),
– den Schein der Schuldfreiheit (Befreiung durch Bestrafung des Feindes als Sündenbock) und
– die Abfuhr der Aggression, deren Ursprung ins Objekt verlegt wird, die dem Täter gleichsam nur objektiv und schicksalshaft widerfährt: Schuldig ist das Opfer, dessen stellvertretendes Leiden den Täter von der Schuld befreit.
Dieser Mechanismus hat über die Opfertheologie (den transzendentallogischen Kern der Bekenntnislogik) den Weltbegriff nicht nur begründet, sondern zugleich „entsühnt“, den herrschaftslogischen Kern des Weltbegriffs (die poltische Theologie der Staatsmetaphysik) unsichtbar und unangreifbar gemacht.
Die Tatsache, daß Jesus ein Jude war, wird sich erst dann produktiv in der Reflexion und Auflösung des Antijudaismus verwenden lassen, wenn sie als Teil der Kritik der Bekenntnislogik (und als Grundlage der Rekonstruktion eines prophetischen Erkenntnisbegriffs) begriffen wird. -
2.9.1994
Die Geschichte, der Raum und das Vergessen. Der Raum neutralisiert die Zeit, macht die Geschichte zum Steinbruch, in dem man sich beliebig bedienen kann. Geschichtliche Taten und Ereignisse werden einander äußerlich und austauschbar, vergleichbar den gegen Raum und Zeit neutralisierten „Erfahrungen“ in den Laboratorien der Naturwissenschaften.
Die Bekenntnislogik schließt eine eingebaute Exkulpationsautomatik mit ein; deren Kern ist das Schuldverschubsystem, durch das die Bekenntnislogik mit dem Schuldbekenntnis verbunden ist. Ist die Exkulpationsautomatik die transzendentale Ästhetik zur Bekenntnislogik?
Kein Bekenntnis ohne Feindbild: Das Gebot der Feindesliebe ist ein durchschlagender Einwand gegen Dogma und Bekenntnislogik.
Die moderne Praxis kirchlicher Architektur, Innenwände wie die Außenwand zu gestalten, drückt aufs genaueste die Beziehungen der Gläubigen zu ihrer Kirche aus: Sie sind zugleich drinnen und draußen, die Innenwelt hat der Außenwelt, und die Außenwelt der Innenwelt sich angeglichen. Die Differenz ist getilgt, beide sind ununterscheidbar geworden, damit aber ist die Außenwelt zur Norm der Innenwelt und die Innenwelt vollends barbarisch geworden. Ist das nicht die logische Folge und die fatale Erfüllung der inneren Säkularisationsgeschichte: der Geschichte der Verweltlichung, Produkt der verandernden Kraft, die als das bewegende Zentrum der Säkularisationsgeschichte sich erweist.
Mit dieser Beziehung von Innen und Außen hängt es zusammen, daß, was Karl Rahner einmal die absolute Zukunft genannt hat, nicht mehr in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit liegt. Quellpunkt der verandernden Kraft ist die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die sie nur noch in den vergangenen Hoffnungen erfahrbar macht. Die Wiedererweckung der vergangenen Hoffnung ist der Beginn der Auferstehung.
Eine logische Studie: Hängt der demagogische Trick Kohls, die Gemeinheiten, die er von sich gibt, zugleich zu dementieren und seinem politischen Gegner anzuhängen, nicht mit der Logik seines Geschichtsbegriffs (und dieser mit Hitlers Begriff der Vorsehung) zusammen? Die gleiche Logik macht ihn unfähig, die Untaten von Rostock, Mölln, Solingen anders als durch den Blick des „Auslands“, und d.h. als „Schande“ wahrzunehmen. Es ist dieser Blick, der insgeheim die Zustimmung zu den Dingen, von denen er sich verbal distanziert, signalisiert.
Der Slogan „Bewahrung der Schöpfung“ bleibt falsch, solange er nur auf die äußere Natur sich bezieht (ist nicht die Ökologie-Diskussion u.a. auch ein Produkt des Schuldverschubsystems, dient sie nicht auch der Ablenkung von den heranreifenden gesellschaftlichen Naturkatastrophen, gehört sie nicht in den Bereich der Exkulpationsstrategien?).
Erinnert nicht das Wort „Gottesfrage“ (Duchrow/Veerkamp) fatalerweise an die Seins- oder die Judenfrage (generell an Heideggers Begriff der Frage)?
Joh 129 stellt den Aktualitätsbezug des Wortes (des Logos), seine Beziehung zur Prophetie, her: durch die Hereinnahme der Schuld-Reflexion.
Zu Jürgen Ebachs Hinweis auf das „es rächt sich“ ist an den Gebrauch dieser Wendung in der Nachkriegszeit, nach Bekanntwerden der organisierten Judenvernichtung durch die Nazis, zu erinnern: Fromme Katholiken waren überzeugt: „Das wird sich einmal rächen“. Aber das wurde schnell vergessen; statt dessen sollen die sogenannten „Rachepsalmen“ aus dem kirchlichen Brevier herausgenommen worden sein. War die Erinnerung an die Schuld so nahe gerückt, daß sie unerträglich wurde (wird man nicht daran zweifeln dürfen, ob der Abschaffung der Todesstrafe wirklich nur „humane“ Motive zugrundelagen)?
Über den nationalen Ursprung der Transzendentalphilosophie: Die Begriffe historisch und empirisch waren einmal gleichbedeutend; das Historische war das Empirische und umgekehrt. Dagegen enthält der deutsche Begriff der Geschichte eine Verschiebung, der mit der Wortbedeutung, die ans neutrale, subjektlose Geschehen (das ontologische Sein) erinnert, zusammenhängt. Die Geschichtsphilosophie ist eine Es-Philosophie; und Hegels Bemerkung, daß das Wort Geschichte sowohl die historischen Taten und Ereignisse als auch die Geschichtsschreibung (die sie zu historischen Taten und Ereignissen erst macht) bezeichnet, weist auf das Zentrum des Neutralisierungsprozesses (und auf die in ihm wirkenden Kräfte, auf seine sehr spezifisch deutsche Logik) hin.
In Spinozas Deus sive Natura steht dieser Deus fürs Absolute, für den Gott der Philosophen: für den Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft.
Das reale Objekt der Sexualmoral wäre (wenn man sie auf ihre herrschaftskritischen Ursprünge zurückführt) die Mordlust, nicht die Sexuallust. Hier gründet das Wahrheitsmoment der Lustfeindschaft. -
30.8.1994
Kann Kohl sich noch darauf herausreden, daß auch er nicht weiß, was er tut? Wüßte er es wirklich nicht, weshalb begleitet er dann jede Gemeinheit der Tat mit einem Dementi des Worts? Er weiß, daß die Rede von Ossis und Wessis diskriminierend ist, zum politischen Sprengstoff zu werden droht; aber er redet so wie nur ein Wessi redet. Die Reflexion bleibt abstrakt, sie erreicht nicht mehr das praktische Gewissen (der Grund hierfür wurde gelegt, als der Logos zum Logos wurde). Liegt hier nicht der Grund der allgemeinen Überzeugung, daß Reden nichts hilft? Grund ist die Unfähigkeit zur Reflexion der Urteilsform (des Weltbegriffs).
Rom hat den Logos gekreuzigt.
Die Geschichte der drei Leugnungen ist die Geschichte der Selbstzerstörung der Sprache.
Ist nicht Luthers sola scriptura eine Konsequenz aus dem augustinischen ad litteram, wird es nicht durch dieses Schriftverständnis verhext?
Kranken nicht unsere Diskurs- und Kommunikationstheorien an der Unfähigkeit, die Urteilsform, die Urteilslogik, zu reflektieren? Sie haben den erkenntniskritischen Teil der kantischen Philosophie ad acta gelegt, verdrängt, damit aber die gesellschaftskritischen Konsequenzen aus der kantischen Erkenntniskritik entschärft. Liefert nicht der Jakobus-Brief den entscheidenden Hinweis auf den Schuldzusammenhang von Sprache und Welt, auf den gleichen Schuldzusammenhang, den die Philosophie und ihrer Folge die Wissenschaft seit je zu neutralisieren versucht, um sich zugleich umso tiefer in den Schuldzusammenhang zu verstricken? Adorno hat recht, wenn er darauf hinweist, daß es keine Position außerhalb der Welt gibt: die Vergegenständlichung der Welt steht selber unter dem Gesetz der Logik der Welt.
Nur wer die Last (die Sünde der Welt) auf sich nimmt, anstatt sie durch Vergegenständlichung zu verdrängen, befreit sich von ihr.
Wissenschaft heute: das in Angst vor der Schlange erstarrte Kaninchen.
Hat das Christentum mit dem Begriff des Zeugens nicht die aufgedeckte Blöße ins Zentrum ihrer Theologie: in die Trinitätslehre mit hereingenommen? Die Barmherzigkeit des Vaters kommt im Dogma nicht vor. Ist das nicht ebenso eine Konsequenz der Bekenntnislogik wie die Opfertheologie?
Liefert Heinsohns Geldtheorie nicht auch einen Beitrag zum Verständnis des Ursprungs des Bußsakraments (und des katholischen Mythos insgesamt)?
Stimmt es daß das mit „klug“ übersetzte hebräische Wort in Gen 31 auch mit „nackt“ übersetzt werden kann, daß die Schlange nicht nur „klüger“, sondern auch „nackter“ war als die Tiere des Feldes? Aber stimmt dann der Komparativ? Ist diese Klugheit die Klugheit der Schamlosigkeit?
Steckt nicht die Geschichte der Zeit in der Geschichte von der Sonnenuhr zur Quarzuhr? Und haben nicht Einstein und Planck den Schlüssel des Abgrunds verfügbar gemacht? Was hat der Schlüssel des Abgrunds mit der Pforte der Hölle zu tun?
Die subjektiven Formen der Anschauung als Produkt der Abstraktion vom Gesehenwerden (von der Scham) sind das Instrument des Aufdeckens der Blöße und der Abstraktion vom Angesicht Gottes. Entspringt die Nacktheit erst mit der Logik der Schrift?
Die Logik der Schrift ist der Quellpunkt der Wolfswelt, der Gemeinheit, die sich selbst nicht begreift.
Die indogermanische Sprache als Produkt der Identifikation mit dem Aggressor.
Sind die Winde nicht ein gemildertes Feuer, das dann in Gewittern als Blitz hervorbricht? Haben die vier apokalyptischen Reiter etwas mit den vier am Euphrat gebundenen Winden zu tun? -
29.8.1994
Die Logik der Schrift ist die Logik der verandernden Kraft des Seins; sie ist die Grundlage sowohl der drei kantischen Totalitätsbegriffe als auch der daraus entfalteten idealistischen Systeme.
Durch die Schrift verändert sich die Beziehung der Sprache zur Zeit und zum Objekt (zu dessen Konstituentien die Vergegenständlichung der Zeit gehört) sowie der Begriff des Subjekts.
Die Logik der Schrift neutralisiert das Geschlecht der zweiten Person: die Sprache wird zölibatär (in der hebräischen Sprache behauptet sich die Sprache gegen die Logik der Schrift, während im Griechischen die Logik der Schrift als Sprachlogik sich entfaltet: in der Grammatik).
Das subjektive Korrelat der Logik der Schrift ist die Bekenntnislogik (zu deren Vorgeschichte der Name der Barbaren gehört).
Mit dem „Seid klug wie die Schlangen“ rechtfertigt und relativiert Jesus den Gebrauch der griechischen Sprache.
Aus dem Bann der Urteilslogik heraustreten, heißt, als erstes begreifen, daß die Sprache der Welt nicht äußerlich ist, daß sie zu den Konstituentien des Weltbegriffs gehört, daß sie nicht nur Schriftsprache ist.
Die Logik der Schrift ist ein Produkt der Herrschaftsgeschichte und in sie verflochten (verstrickt).
Es ist die Logik der Schrift – und nicht erst die Philosophie -, die den Tod verdrängt, indem sie ihn in ihre Struktur mit aufnimmt und so neutralisiert (die Schrift – und hier gründet ihre Beziehung zum Inertialsystem – ist die Todesgrenze).
Die Logik der Schrift begründet die Idee der Wissenschaft und trennt Natur und Welt. Sie ist der Grund, aus dem das Reich der Erscheinungen hervorgeht.
Ist nicht Matthäus der apokalyptische Evangelist, während Johannes Evangelist und Apokalyptiker in getrennten Rollen ist?
Die Logik der Schrift rührt an den Himmel, aber nur an die Seite des Wassers; die Seite des Feuers ist nur durch die Kritik der Logik der Schrift hindurch zu erkennen. Die getrennte Konstituierung der Logik der Schrift gründet im Sündenfall. Symbol der Logik der Schrift ist die Schlange, die auf dem Bauche kriechen und Staub fressen soll (und am Ende der Drache: was bedeuten dann die sieben Köpfe und zehn Hörner?).
Die Logik der Schrift, das Opfer und die Idee der Stellvertretung: die Begründung der Hierarchie. Verantwortung wird durch Delegation zur Unkenntlichkeit neutralisiert. Im Bereich der delegierten Verantwortungen (der Kompetenzen- und Zuständigkeitsregelungen) weiß niemand mehr, was er tut. Die Gemeinheit hat delegierte Verantwortung, das Prinzip der Stellvertretung, als Existenzgrund.
Das Fernsehen, oder über den Zusammenhang von Erwählung und Delegation.
Wer das Transzendentale mit der Transzendenz verwechselt, macht Gott zur Exkulpationsmaschine und zum Garanten der Verdinglichung.
Dimitte nos debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris: Ist das nicht ein Erkenntnisprinzip, die Warnung vor dem projektiven Anteil in jeder urteilenden Erkenntnis?
Im Allerheiligsten wurde die Tafel mit den Geboten Gottes aufbewahrt: War darin nicht der Gottesname verschlüsselt gegenwärtig (und war deshalb der Tempel das Haus Seines Namens)?
War auch der zweite Tempel das Haus Seines Namens?
Adornos Texte unterscheiden sich von anderen philosophischen Texten, daß jeder Satz die Reflexion der Logik der Schrift in sich enthält.
Sind nicht die Confessiones, die des Augustinus wie auch die Rousseaus, Versuche, aus dem Versteck, der die Schrift auch ist, herauszutreten?
Die Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit liegt u.a. darin, daß es im Zentrum der Physik den Punkt bezeichnet, der die Grenze der Logik der Schrift markiert.
Längenkontraktion und Zeitdilatation gründen in den Gleichungen der Lorentz-Transformation. Aber ist in der Struktur dieser Gleichungen – ähnlich wie in der Struktur der Exponentialfunktion im Planckschen Strahlungsgesetz – nicht ein Moment enthalten, das auf die Orthogonalitätsstruktur verweist, sie in die physikalische Dynamik mit einbezieht? Oder genauer: Ist nicht die Beziehung der elektrodynamischen zu den mechanischen Prozessen (der Strahlungsprozesse zu den kinetischen Vorgängen) eine orthogonale?
Woher kommt das Suffix -ment (Parlament, Dokument), und was bedeutet es? Sind nicht die Prä- und Suffixe und das Gesamtsystem der Flexionen die Repräsentanten des Inertialsystems in der Logik der Schrift? Die Objektivation insgesamt verdankt sich der Logik der Schrift: Diese begründet die gleiche Distanz, die als Distanz zum Objekt durch die Distanz vermittelt ist, die – nach der Dialektik der Aufklärung – der Herr durch den Beherrschten gewinnt.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie