Ding und Sache: Die Sache ist der Inbegriff aller Ziele, während das Ding die ins Bestehende zurückgestaute Teleologie repräsentiert. Das Ding ist die privatisierte res, die die res publica zum Geschwätz gemacht hat. Das Ding ist die gegenständliche Verkörperung der Subjektivierung der Zwecke (der Träger von Eigenschaften).
Die Ware ist das Ding im Geldraum.
Die Mechanik (das Inertialsystem, die subjektiven Formen der Anschauung) hat mit der Verdrängung des Lichts die Sphäre zerstört, in der Theologie allein sich entfalten kann. Aber es geht nicht um die Rettung und Erhaltung des Kulturguts Theologie, sondern um die Erhaltung dessen, wofür Theologie steht. Auch an der Kirche und an der Theologie läßt sich die Selbstzerstörung der Zwecke durch Hypostasierung der Mittel, mit denen man sie zu verwirklichen trachtet, demonstrieren, die Selbstzerstürung der Theologie durch Apologetik.
Der Kurzschluß des Dings ist durchs Gericht vermittelt: durch die kopernikanische Wende.
Gehören Jupiter und Merkur, Venus und Mars jeweils auf ähnliche Weise zusammen wie Sonne und Mond (Sonne und Mond umkreisen die Erde, die anderen Planeten die Sonne)?
Die Verurteilung zerstört die Sensibilität, die Barmherzigkeit hebt die Empfindlichkeit auf. Darin gründet der Satz, daß die Verurteilung den Schrecken nicht auflöst: sie macht ihn nur unsichtbar.
Ist die Physik der Traum des Nebukadnezar, den Daniel erst finden muß, ehe er ihn deuten kann?
Gezählt, gewogen und zu leicht befunden: Ist das nicht das Urteil über Kopernikus und die Folgen?
Das Inertialsystem destruiert (durch die konstitutive Rolle des Seitenblicks) die Unterscheidung von Vorn und Hinten, das Geld die Unterscheidung von Rechts und Links, die Bekenntnislogik die von Oben und Unten (sie neutralisiert die Schwere, den Fall). Der Dingbegriff ist der Kristallisationskern der Bekenntnislogik.
Der Herrscher, der seiner nicht spotten läßt (die Empfindlichkeit des Herrendenkens), verkörpert die Macht, sich zu rächen. Diese Macht macht ihn verletzlich (pathologisch). Das „Mein ist die Rache, spricht der Herr“ ist der Anfang der Transsubstantiation der Rache in eine befreiende Kraft, in die Kraft der Reflexion.
Mit der transzendentalen Ästhetik, mit den subjektiven Formen der Anschauung (dem subjektiven Reflex der kopernikanischen Wende), ist die logische Vorentscheidung zugunsten des Herrendenkens (der Empfindlichkeit und des Rachetriebs) getroffen.
Inertialsystem als Referenzsystem; Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: logischer Grund des Korpuskel-Welle-Dualismus; Modell der Beziehung von Unmittelbarkeit und Vermittlung.
Der Versuch, den Rechtfertigungs- und Exkulpationstrieb zu befriedigen, zieht den Zwang zur Befriedigung des Rachetriebs nach sich: Keine Schuldverschiebung ohne Eskalierung des Feindbilddenkens, ohne negative Totalitätsbegriffe (Barbaren, Juden, Heiden, Ausländer), ohne Ausgrenzung und Vernichtung des „Sündenbocks“.
Die Empfindlichkeit ist ein Maß der Intensität des Rechtfertigungstriebs.
Geschwätz
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14.3.1997
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3.3.1997
Hat Matthäus mit den drei Magiern aus dem Orient den Daniel auf den Kopf gestellt?
Sprache und Schrift: Hängt der apokalyptische Begriff der Sprachen (in der Konstellation Völker, Stämme, Nationen und S.) mit der jakobinischen „Zunge“ (vgl. auch Paulus‘ Glossolalie, „Zungenreden“) zusammen? Findet nicht die Sprache, wenn man den Namen der Offenbarung ernst nimmt, ihre Begründung in der Schrift; und macht nicht der Begriff der semitischen Sprachen – wie anhand von Bibel und Koran sich demonstrieren läßt – das Ungleichnamige gleichnamig; ist nicht der Koran, und in seiner Folge die christliche Koranisierung der Bibel, die Wurzel der kopernikanisch-newtonschen Revolution? Wenn am Ende der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt, heißt das nicht, daß dann die himmlische Wurzel der Sprache in dieser Schrift lesbar wird, und daß darin, in diesem Buch, jeder sich selbst erkennt – und das ist das Gericht?
Wenn heute Regierung durch Verwaltung ersetzt wird, ist das nicht der deutlichste Hinweis auf die innere Pluralität des Weltbegriffs (sein stummes Inneres)?
Das Geschwätz ist die zwanghafte Folge der Unfähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen: deshalb muß das Geschwätz die Andern vergegenständlichen, sie zu Objekten von Urteilen machen („über“ andere reden). Nur so glaubt man, die „aufdringlichen“ Andern, deren Aufdringlichkeit im Schuldverschubsystem gründet: in der gegenständlichen Erinnerung an das, was man in sich selbst verdrängen mußte, sich vom Leibe halten zu können.
Barmherzigkeit ist die Arbeit des Gebärens.
Sind nicht eigentlich alle Richtungsgegensätze, oben und unten, vorn und hinten, rechts und links, asymmetrische Spiegelungen, vergleichbar der Beziehung von Vater und Sohn? Und gründet nicht die neutralisierte Form des Raumes (die subjektive Form der äußeren Anschauung) in der Neutralisierung dieser Gegensätze: in der Idee der Brüderlichkeit? – Die brüderliche Welt ist die Wolfswelt.
„Patientengut“ (ein Begriff aus einer Sammlung medizinischer Aufsätze): Sind Krankenhäuser Lagerhäuser für Patientengut (das mit dem Tod der Patienten zu herrenlosem Gut wird, das dann der medizinischen Verwertung zugeführt werden kann; die „ethische“ Diskussion um den Hirntod ist eine verwaltungsinterne Diskussion)? Hieran wäre das sprachlogische Problem der Instrumentalisierung und die Bedeutung des Begriffs des Falls im ersten Satz des Wittgestein’schen Tractatus logico-philosophicus zu demonstrieren. Der Hinweis auf die lebensrettende Bedeutung der Bereitstellung von Organen ist wahr und zynisch zugleich. Der Begriff Patientengut drückt genau diesen zweideutigen Aspekt, die Subsumtion der Krankheit unters Wertgesetz, aus.
Gibt es nicht inzwischen „Krankheiten“, die nachweislich nur noch ein Alibi für die lukrative medizinische Dauerverwertung der Hypochondrie und der Ausweitung der Nutzungskapazität der Apparatemedizin sind? Und spielt hier nicht ein Aspekt des Begriffs der Objektivität mit herein, der auf das Bedürfnis nach Schuldentlastung und auf die Mechanismen des Schuldverschubsystems (auf die kollektive Wirksamkeit von Rechtfertigungszwängen) verweist, ein Kontext, den das medizinische (wie sonst auch das technische) Vokabular wirksam verschleiert?
Hängt die Vorstellung des unendlichen Raumes nicht mit dem Bedürfnis nach logischer Fundierung des Schuldverschubsystems zusammen (Zusammenhang mit dem Namen des Angesichts und dem biblischen Motiv der sieben unreinen Geister und der sieben Siegel)? Abgesichert wird diese logische Fundierung durch die Universalisierung des Gravitationsgesetzes. Das Resultat dieser Schuldverschiebung wird lesbar, wenn der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt.
Das Subjekt der symbolischen Erfahrung (der Spracherfahrung) ist die Barmherzigkeit.
Zur Kritik der Naturwissenschaften vgl. Kants Antinomien der reinen Vernunft (und die Unerkennbarkeit der Dinge an sich), Levinas‘ Asymmetrie und Ferdinand Ebners „Ich-Einsamkeit“.
Intersubjektivität und Bekenntnislogik: die Gemeinschaft, auf die beide sich beziehen, ist die Gemeinschaft der Einsamen, des kollektiven Nicht-Ich (ein Hochsicherheitstrakt). Der Repräsentant dieser Gemeinschaft im Subjekt sind die subjektiven Formen der Anschauung, ist die Welt.
Der „innere Schweinehund“ ist das, was uns daran hindert, die „Pflichten“ der Selbsterhaltung zu erfüllen; und gehört dazu nicht auch die Barmherzigkeit (das, was die Nazis „Humanitätsduselei“ nannten)? -
2.3.1997
Die Goldhagen-Debatte hat eines deutlich gemacht, daß nämlich der Objektivismus auch als Entlastungsinstrument benutzt wird.
Wer Solidarität fordert, aber die Reflexion unterbindet, ist vom Grunde her ein Faschist. Befreiung ist nur möglich auf der Grundlage einer Solidarität ohne Komplizenschaft. Solidarität ohne Komplizenschaft ist das entscheidende Argument gegen die Bekenntnislogik (und gegen jeglichen Nationalismus). Fatal ist heute jeder Wunsch, einer Gemeinschaft anzugehören, „in der ich mich wohlfühlen kann“.
Sind die Planeten am zweiten Tag erschaffen oder am vierten: Gehören sie zur Feste des Himmels oder zu den Sternen? Wer sind die Sabaoth?
Hängt nicht das Recht (zu dem die Verfolgungsbehörden gehören) mit dem Sündenbocksyndrom zusammen?
Das Geschwätz ist der Mutterboden des Gerüchts. Beide gedeihen unterm Rechtfertigungszwang. Zum Gerücht gehört die Instrumentalisierung des Verdachts, sein Ziel ist die Verurteilung.
Das Geschwätz ist ein Experimentallabor der Feindbildlogik. Die Feindbildlogik ist ein Instrument zur Ausbildung und Rechtfertigung der Gemeinheit.
Ist die Gleichzeitigkeit ihrer Entdeckung nicht ein Hinweis darauf, daß das Plancksche Strahlungsgesetz etwas mit der speziellen Relativitätstheorie Einsteins und dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu tun hat? Hinweis: Das Relativitätsprinzip ist das Prinzip der Veranderung. Es definiert den Raum (das Referenzsystem), in dem die mathematische Naturerkenntnis sich konstituiert.
Die Schwere wird gemessen mit Hilfe der Waage, die es aber nur in einem Schwerefeld gibt. Der Erscheinungsort der Schwere ist die Erde, auf der wir sie am eigenen Leibe erfahren. Wer wiegt die Sonne oder den Mond? Ist das Planetensystem und sind die Gezeiten Teile einer Waage (so erfahren die Planeten die Gravitationskräfte der Sonne und die Meere die des Mondes „am eigenen Leibe“)? Die Planetenbahnen sind Fallwege, die kein Ziel mehr haben.
Der Preis für die Reversibilität der Beziehung von oben und unten ist die Irreversibilität der Zeit (wie verhält sich das Licht zur Irreversibilität der Zeit, was drückt in der Existenz der konstanten Lichtgeschwindigkeit sich aus?).
Was hat die trinitarische Zeugung mit den messianischen Wehen, mit dem apokalyptischen Bild der Geburt, zu tun?
Der Weltbegriff ist ein Plurale Tandem; es gibt nicht die Eine Welt. Der Keim des Weltbegriffs ist das Neutrum, das selber im Ursprung ein pluralis ist (Gehölz, Gebirge, Gewässer).
Der Begriff der Zeugung bezeichnet das mythische Moment im christlichen Dogma, das gleiche Moment, das den messianischen Wehen entspricht, die in der Hölle als ewig vorgestellt werden.
Hat der babylonische Unzuchtsbecher etwas mit dem Zusammenhang von Götzenopfer und Unzucht zu tun (mit Bileam)? -
27.11.1996
Der alltägliche Positivismus: Eines der wichtigsten Mittel, mit deren Hilfe der Positivismus sich in der Realität verankert, ist das Geschwätz (das auf dem Bauche kriecht und Staub frißt). Aufgabe des Geschwätzes ist es, durch Schuldverschiebung (Konkretismus und Personalisierung) die am Geschwätz Teilnehmenden von Schuld zu entlasten, die Reflexion durch positivistisches Beharren auf den Tatsachen (die es nicht an sich, sondern vor allem für den Redenden sein müssen), auf der intentio recta, zu unterdrücken und zu verdrängen. Geschwätz zielt auf Komplizenschaft: den andern in diesem Schuldverschubsystem auf seine Seite zu ziehen; deshalb braucht das Geschwätz gemeinsame Objekte des Geschwätzes, Objekte, die alle am Geschwätz Beteiligten gemeinsam entlastet, im Ernstfall den gemeinsamen Feind. Das Geschwätz kennt nur die Sprache des Indikativs, die eigentlich eine Sprache des versteckten Imperativs ist: Die Botschaften, die von dieser Sprache ausgehen, sind Kommandos, die jeden, der sie akzeptiert, an der Befehlsgewalt teilhaben lassen, in die Logik des Herrendenkens hineinziehen. Es kommt darauf an, die objektivierende Gewalt des Geschwätzes so zu nutzen, daß man immer auf der Subjektseite, die oben ist, nie auf der Objektseite (der Seite der Schuld), die unten ist, sich wiederfindet. Mit der Verdrängung der Erinnerung an diese Objektseite des Geschwätzes aber wird die Reflexion unterdrückt und verdrängt: die Fähigkeit, in den Andern, über den geredet wird, sich hineinzuversetzen. Das Geschwätz kennt kein Ende, es wird immer abgebrochen, und es muß deshalb immer neu geübt, eintrainiert werden. Das zentrale Thema jedes Geschwätzes ist die Schlechtigkeit der Welt, die dann, weil sie keine Wahl läßt, anders gegen sie sich zu behaupten, zur Norm des eigenen Verhaltens wird (die absolute Norm ist die Norm, die das Feindbild repräsentiert?.
Der Positivismus macht die Wissenschaft zum Geschwätz; die 68er Bewegung hat den Marxismus zum Geschwätz gemacht (und beide haben ihre Kraft dann auch an der kritischen Theorie erprobt, die das nicht überlebt hat).
Die Unfähigkeit zur Reflexion hängt mit der Unfähigkeit, rechts und links zu unterscheiden, zusammen, mit der Unfähigkeit, sich in den Andern hineinzuversetzen (vgl. die Konstruktion der hegelschen Dialektik, ihren Zusammenhang mit der Raum-Reflexion: An sich, Für sich, An und Für sich, ihren Zusammenhang mit der kabbalistischen Tradition, daß die sechs Richtungen des Raumes auf göttliche Namen versiegelt sind; Zusammenhang mit dem Angesicht und mit der Heiligung des göttlichen Namens).
Zum hegelschen „bacchantischen Taumel“ vgl. Girard, Das Heilige und die Gewalt, S. 187ff.
Die Verwaltung ist die technische Seite der Ökonomie, das Instrument und die Form der innergesellschaftlichen Naturbeherrschung.
Das Glaubensbekenntnis ist ein Fremd-Schuld-Bekenntnis (ein Schuldbekenntnis, dessen Subjekt der Andere, nicht der Bekennende ist), und es ist dazu geworden durch die Rezeption des Weltbegriffs, durch die Hereinnahme der Logik des Weltbegriffs.
Die Rechtschreibreform hat zumindest in dem einen Fall der Substantivierung der Adjektive („im Großen und Ganzen“) ein reflexives Element der Sprache neutralisiert und verdrängt. Gibt es dazu noch weitere Belege in dieser „Reform“? Ist das nicht ein Beispiel für die Anpassung der Sprache an den BILD-Zeitungsstil, in dem auf Nebensätze generell verzichtet wird, und der dadurch seine denunziatorische Qualität gewinnt?
Lassen sich die den Substantivierungen zugehörigen Objekte (das Große, das Ganze, das Böse, das Gute) bestimmen, haben sie nicht etwas mit der Logik der Xenophobie zu tun?
Die Großschreibung insgesamt ist ein Hilfsmittel der Staatsmetaphysik, eine Stütze der Staatsgesinnung: sie macht die Sprache der Staatsanwaltschaft verfügbar, sie macht sie zur Sprache eines Staates, der in sich selbst das anklagende Prinzip, dessen Anwalt der Staatsanwalt ist, repräsentiert.
Der bisherige adjektivische Gebrauch, der in der Kleinschreibung sich ausdrückte, ließ das Substantiv, auf das sie sich bezog, in der Schwebe. Die neue Schreibweise macht kurzen Prozeß.
Wurde nicht bei der neuen Regel, bisher zusammengeschriebene Verben jetzt getrennt zu schreiben (heiligsprechen > heilig sprechen) übersehen, daß damit der sprachlogische Sinn verändert wird, leistet sie nicht der Verwechslung des substantivischen Gebrauchs (Zusammenschreibung) mit dem adjektivischen (Getrenntschreibung) Vorschub (der Unfähigkeit, das eine vom andern zu unterscheiden)? Müßte es in der Konsequenz nicht auch Haus Besitzer heißen? Bemerkt hat man es bei Verben wie heimkehren, bei denen es bei der alten Schreibweise belassen wurde, weil hier die Bedeutungsverschiebung nicht zu übersehen war.
Räumliche Reflexionen: Züge, Fahrstühle und der plancksche Hohlraum haben wie auch Häuser Wände, sie sind gleichsam Objekte von innen (Grund der Unterscheidung von Innen und Außen). Haben nicht moderne Kirchen, auch gelegentlich moderne Wohnungen, die Außenseite der Wände nach innen gekehrt (Verwechslung des transzendentalen Subjekts mit Gott: das Innere, in das nur Gott sieht, ist wie die Außenwelt unerkennbar geworden)?
Sind nicht die Sternbilder des Tierkreises die Häuser der Astrologie?
Die mechanischen Stoßprozesse haben den Schwerpunkt als Reflexionspunkt, die ersten optischen Gesetze bezogen sich auf die Reflexion der Strahlen an einer Fläche (die Farbe ist eine Qualität der Fläche, der Außenseite eines Körpers: die Farbe der Haut ist die Farbe des Fleisches – welche Beziehung hatte das Purpur zur Fleischfarbe, und welche Bedeutung hatte dieses Purpur, das Handelsobjekt der Phönizier, der Kanaanäer?). Im planckschen Hohlraum werden die Strahlen an den umgebenden Wänden, die Atome an einander und an den Wänden reflektiert. Im Gravitationsgesetz reflektieren sich Gravitationskräfte an den schweren Körpern (an den schweren Massen).
Ist nicht das Angesicht der Kontrapunkt zum Schwerpunkt (zum Zentrum eines Inertialsystems)?
Spiel mit dem Feuer: Das plancksche Strahlungsgesetz bezeichnet den Angelpunkt, an dem Chemie, Atom- und Mikrophysik aufeinander sich beziehen: das Feuer (das spezielle Relativitätsprinzip definiert das Trägheitsprinzip, das allgemeine Relativitätsprinzip den Schwerpunkt: den Ursprungspunkt des Inertialsystems). Das Feuer ist das Antiinstrument (die Entdeckung des Werkzeugs und des Feuers gehören zusammen).
Mit der dies dominica, mit der Verlegung der Sabbatruhe vom Tag des Saturns auf den der Sonne (mit der Ersetzung der zeitlichen Definition der Ruhe durch eine räumliche: der zukünftigen Welt durch den räumlich präsenten Himmel), hat das Christentum das kopernikanische System antizipiert.
Ist die Kleptomanie, das Gegenstück sowohl zur Einbruchsfurcht als auch zur männlichen Aggression, nicht in erster Linie eine weibliche Neurose?
Ist aus dem Buch der Richter etwas über das Leben der Menschen in der Zeit der Richter zu entnehmen (Stadt und Land, Familie, wovon lebten die Menschen)?
Transzendentale Ästhetik: Ist nicht ein wesentliches Moment der Masken (Girard, S. 245ff) das Sehen ohne gesehen zu werden, eine Funktion, die in der Geschichte der Aufklärung durch das Konstrukt der Anschauung ersetzt worden ist? – „Die Maske und der monströse Doppelgänger sind eins“ (S: 246): Die subjektiven Formen der Anschauung, die der Person den Grund verschaffen, sind Produkte der Vergesellschaftung, Repräsentanten des Objekts: der Anderen und der Dinge im Subjekt. -
16.11.1996
„Es war, als sei man einfach dadurch, daß man am Leben war, in ein fremdes Grundstück eingebrochen, und der das Wort an dich richtet, läßt dich wissen, daß dein Dasein unerwünscht ist“ (Ruth Klüger, weiter leben, S. 113): Deutlicher kann man den Zusammenhang des Antisemitismus (der Feindbildlogik) mit dem Eigentumsprinzip, das den Staat begründet, nicht zusammenfassen.
Zur Bemerkung über Adornos Satz, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, sei barbarisch, der hier wieder einmal nur in der Gestalt zitiert wird, in der ihn das öffentliche Gerücht kolportiert (Klüger, S. 127), wäre einfach auf die Fundstelle in den Prismen (1955. S. 31), die keiner zu kennen scheint, zu verweisen.
Heute in der FR ein Hinweis auf Rene Girard („Religion und Gewalt“): In den Erklärungsansatz wäre das Problem des Objektivierungsprozesses, der Zusammenhang von Ökonomie und Naturwissenschaften und ihres gemeinsamen Apriori, in denen die Sündenbockmechanik und die mythische Opferlogik (Feindbildlogik, Sündenbockmechanismus und Bekenntnislogik) sich reflektieren, mit aufzunehmen.
Der Grund der Unterscheidung von Welt und Natur liegt in der Unterscheidung der subjektiven Formen der äußeren und der inneren Anschauung (in der Unterscheidung von Raum und Zeit). Der Begriff der Natur (der auf das „dynamische Ganze der Erscheinungen sich bezieht) steht unter dem Gesetz der inneren, der der Welt (der auf das „mathematische Ganze der Erscheinungen“ sich bezieht) unter dem der äußeren Anschauung. Der Naturbegriff gründet in der Vergegenständlichung der Zeit, der Weltbegriff in der des Raumes.
Natur und Ökonomie sind beides Produkte des Seitenblicks auf die Zeit: die Ökonomie unter dem Aspekt der Produktion (des ante rem: der Vergegenständlichung der Zeit), die Natur unter dem des Konsums (des post rem: der bereits vergegenständlichten Zeit): Nach der biblischen Geschichte vom Sündenfall produziert Adam den Staub, den die Schlange frißt. Das Subjekt der Ökonomie setzt sich gleichsam an den imaginären (unendlichen) Anfang der Zeit, das der Natur an ihr imaginäres (unendliches) Ende: so sind die säkularisierten Formen der Schöpfung und des Gerichts auf einander verwiesen. Hiermit hängt es zusammen, wenn der Weltbegriff die Schöpfung leugnet und der Naturbegriff die Auferstehung.
Die RAF-Prozesse sind Teil einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, in deren Folge Auschwitz uns immer näher auf den Leib rückt. Es gibt eine Form der Aufarbeitung der Vergangenheit, die ohne es zu wissen in Wiederholungszwänge umschlägt. Der Transmissionsriemen dieses Umschlags ist die Urteilsmagie, die Vorstellung, man könne den Schrecken durchs Urteil bannen.
Auf einem Sportplatz spielen zwei Mannschaften von 10-Jährigen Fußball; am Rande die Trainer der beiden Mannschaften, die ihre Kommandos ins Feld brüllen, die die Kinder dann begeistert befolgen: So werden Pawlowsche Reflexe eingeübt, die nicht nur die Grundlage sportlicher Erfolge sind, sondern zugleich die Erfolgsreligion (die winner-Mentalität und die Logik, die ihr zugrundeliegt: die Feindbildlogik) eintrainieren. So wird der Sport zu einem Nebenzweig einer von der BWL dominierten Ökonomie, zu einer die Herrschaft des Selbsterhaltungsprinzips stabilisierenden Ideologie. Vor dieser Folie ist der Graf-Prozeß ein nationales Ereignis.
Ließe sich nicht anhand der Steuerprozesse zunächst gegen Graf Lambsdorf und jetzt gegen Graf der „Fortschritt“ der politischen Ökonomie aufs genaueste bestimmen? Im Zuge der Privatisierung staatlicher Aufgaben und der gleichzeitigen Transformation von Politik in Verwaltung lassen private und öffentliche Interessen sich schon fast nicht mehr unterscheiden.
Boris Becker und Steffi Graf: So wurden die Funktionen, die früher einmal Filmstars hatten, vom Film in den Sport, vom Himmel auf die Erde, transformiert. Rührt das nicht an den Kern der Logik, aus der der Antisemitismus sich herleitet?
Haben nicht das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande schon etwas mit der Unterscheidung von Himmel und Erde zu tun, und ist nicht der falsche Prophet und der Antichrist die Verkörperung einer Phase des Säkularisationsprozesses, die das Feuer des Himmels zum Objekt von Naturbeherrschung zu machen strebt (Off 1313: „Und es tut große Zeichen, sodaß es sogar Feuer vom Himmel fallen läßt, vor den Menschen“)?
Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet: Wenn am Ende die Menschen (die „Väter“) der Verblendung verfallen, selber Schöpfer der Dinge geworden zu sein, werden die Dinge sie verbrennen.
Ist nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos die früheste Gestalt der Hegelschen Geschichtsphilosophie (mit dem Untergang der Streitmacht Pharaos im Schilfmeer als Weltgericht)?
Die Gestalt der Selbstreflexion, die heute notwendig wäre, läßt sich nur mit dem Wort in Joh 129 noch bestimmen: Das Sehet, mit dem dieses Wort beginnt, richtet sich nicht an den Zuschauer, sondern an den Nachfolger, es steht nicht im Indikativ, sondern im Imperativ.
Die Urteilsmoral ist die Moral des Zuschauers (und des Richters). In dieser Konstellation gründet der Zwang zum Geschwätz. Die Feindbildlogik ist ein Teil der Logik des Geschwätzes.
Beziehen sich das Angesicht, der Name und das Feuer auf eine Trinitätslehre von innen, und was hat diese Trinitätslehre mit einem Schöpfungsbegriff zu tun, in dem neben Himmel und Erde auch das Meer vorkommen?
Auschwitz hat die Erinnerung des Himmels verbrannt, die Asche gegen den Himmel gestreut. Aber dieses Feuer ist nicht erloschen: in diesem Feuer sind wir.
Die Logik, die die Oben-Unten-Beziehung reversibel gemacht hat, hat das Ungleichnamige gleichnamig gemacht: Sie hat die Herrschaftslogik ausweglos gemacht und die Feuer der Hölle in der Sprache entzündet.
Hängt nicht das Wort, daß die Pforten der Hölle sie (die Kirche) nicht überwältigen werden, mit dem anderen zusammen: Was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein?
Der ungeheure Gedanke, daß der Himmel die sinnliche Grenze zur Vergangenheit ist (eine Grenze, die nur die Gebete der Heiligen zu durchdringen vermögen). Die Erinnerung an diese Grenze wurde durch Kopernikus verdrängt. Seitdem erreicht das Gebet den Himmel nicht mehr, bleibt es ins monadologische Subjekt, in die Bedürfnisse der Einsamen (wie der Gegenstand der Planckschen Strahlungsformel in den dunklen Hohlraum, aus dem keine Strahlung mehr nach draußen entweicht), eingesperrt.
Die ergreifende Symbolik des Satzes: „Wenn mei dä Augen togeiht, wär’n se enk opgaohn“, auch das Bild der alten Frau im Krankenhaus, die 1945 immer nur den einen Vers sang „Wildgänse rauschen durch die Nacht … die Welt ist voller Morden“.
Wenn es einen Fortschritt in der Geschichte gibt, dann müßte er in der Linie Assur, Babylon, Persien, Griechenland und Rom liegen: Militärmacht, Tempelwirtschaft, Rechtsstaat, Zivilisation zur öffentlichkeitsfundierten respublica und zum Caesarismus.
Das Sklavenhaus Ägypten, der Eisenschmelzofen, ist zu dieser Geschichte exterritorial.
War es nicht der „politische Auftrag“ der Geschichtswissenschaft seit der Erfindung der Sumerer, diese klaren und durchsichtigen Strukturen zu verwirren? Und gleicht dieser Auftrag nicht dem, den die Kopenhagener Schule in der Physik dann übernommen hat?
Newton hat das to be ins naturwissenschaftliche Grundgesetz übertragen: ins Gravitationsgesetz (das Präfix be-: Kristallisationskern der Verräumlichung und Verdinglichung). -
13.08.1996
Turmbau zu Babel: Die Entwicklung des Apple MacIntosh ist erschreckend. Das „Power-Notebook“ ist zum reinen Spielzeug degeneriert, Produkt einer technischen Phantasie, die sich um die Probleme der Anwender nicht mehr kümmert, ein reiner technischer Autismus, der die Mauern der ästhetischen Selbstbespiegelung nicht mehr zu überspringen vermag, mit der „Außenwelt“ nicht mehr kommuniziert. Alles ist technisch perfekt und schön, aber man kann nichts damit anfangen. Dem entsprechen die „Gebrauchsanweisungen“ (die übrigens nicht mehr so heißen, weil sie keine mehr sind): „High-brow“-Texte in einer Insider-Sprache, die reiner McIntosh-Jargon ist, möglicherweise selbst über die Firmengrenzen des Herstellers hinaus nicht mehr verständlich (läuft das Ganze nicht immer deutlicher auf eine IBM-, eine ATARI- und eine McIntosh-Sprache hinaus, auf Sprachen, die untereinander ebenso wie die Betriebssysteme nicht mehr kompatibel sind, am Ende nur über Emulgationen noch kommunizieren können?): Verstummendes Geschwätz über immer unnützer werdende Produkte. Nehmen die technischen Standards nicht mittlerweile Konfessionsrang ein, und gibt es nicht in der Tat Korrespondenzen der technischen Phantasien mit den durch die Bekenntnislogik determinierten religiösen Vorstellungswelten? War der Ursprung der Bekenntnislogik (im Kontext der Tempelwirtschaft und im Kern der sie legitimierenden Idolatrie, des Sternen- und Götzendienstes) der Grund der babylonischen Sprachverwirrung? Aus den Fortschritten der politischen Ökonomie wäre abzuleiten, daß Markennamen heute die logischen Funktionen übernehmen, die früher einmal die Religionen und dann die Nationalismen bereitzustellen und zu garantieren hatten.
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08.08.1996
Erbauliche Theologie dient allein der Einübung des Geschwätzes. Biblische Personen und Erzählungen werden nur noch als Folie der Selbstbespiegelung wahrgenommen. Es gibt eine erbauende Kraft der Schrift, und in ihren Zusammenhang gehört das Wort vom Eckstein, den die Bauleute verworfen haben. Diese Verwerfung des Ecksteins führt direkt in die an sich blasphemische Erbaulichkeit. Die Erbaulichkeit orientiert sich an einer Idee der Unsterblichkeit der Seele, die vom Zustand der Welt abstrahiert, während das erbauende Denken am Zustand der Welt sich orientiert: Es findet seinen Grund in der Lehre von der Auferstehung der Toten.
Das Gelübde ist auf der Grenze zwischen Tauschprinzip und Rechtsprechung angesiedelt, das Gelübde selbst als Angebot oder Anklage, das Eintreten seiner Erfüllungsbedingungen als Kauf oder Urteil. Und ist nicht das Tauschverhältnis die säkularisierte Gestalt eines Herrschaftsverhältnisses (mit dem Verkäufer als Knecht und dem Kunden als Herrn), oder genauer: Verwandelt das Tauschverhältnis nicht das Herrschaftsverhältnis in eine reversible Beziehung, ist es nicht das Instrument der Vergesellschaftung von Herrschaft (und der Verhärtung der Herzen)? Aber diese Reversibilität ist der Ursprung des Scheins: der Trennung des Bewußtseins vom Sein, der Ursprung des falschen Bewußtseins (Bedingung und Resultat der Verhärtung des Herzens).
Die Reversibilität aller Richtungen im Raum gründet in der Orthogonalität, beide zusammen (und mit ihnen die Zwangsvorstellung des dreidimensionalen Raumes) gründen in der Irreversibilität der Zeit. Wäre das Inertialsystem mehr als ein metrisches Konstrukt, wäre es eine objektive Wesenheit, so würde das Zeitkontinuum gesprengt. Darin liegt die Wahrheit des Urknalls, in dem diese Sprengung sich reflektiert, und der am Ende, nicht am Anfang liegt. Auf dieses Ende zielt Heideggers (von Vernichtungsphantasien genährte und beherrschte) Frage: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?
Die Lichtgeschwindigkeit (die durchs Inertialsystem vermittelte Außenseite des Lichts) rührt ans tohuwabohu und an die Finsternis über dem Abgrund.
Das Recht und das Inertialsystem sind die vergeblichen, und deshalb unendlichen Versuche, den Bruch, der Natur und Welt scheidet, zu heilen, und ist es nicht dieser vergebliche Versuch, auf den sich das Wort von den Pforten der Hölle, die die Kirche nicht überwältigen werden, bezieht?
Kann es sein, daß es in den USA deshalb nie eine linke Partei gegeben hat, weil der Rassismus den Klassenkampf unsichtbar gemacht hat? Die linke Theorie hat insofern recht, als der Rassismus dem Grunde nach auf ein gesellschaftliches Verhältnis, nicht auf ein biologisches sich bezieht. Aber erfahren wir dieses gesellschaftliche Verhältnis (auch den Klassenkampf) nicht in der Tat als Natur, und hat es für uns nicht die Gewalt der Natur, die der Staat und das Recht dann garantieren? Zu dieser Natur gehören dann – wie zur christlichen Welt die Hölle – die Knäste.
Auto und Fernsehen: Freie Bahn für freie Bürger. Die andern enden vor der Glotze.
Entspricht nicht der Bildschirm der Scheibe im Schaufenster, die die potentiellen Käufer von der Ware trennt; sind nicht Fernsehmoderatoren zum Leben erweckte Waren?
Wort zum Sonntag und Morgenandacht: Das Fernsehen markiert das Ende, das Radio den Anfang vom Ende.
Kohl hat sich durchgesetzt, weil er alles aussitzt: Ist er überhaupt ersetzbar?
Als die SPD Lafontaine zum Parteivorsitzenden wählte, hat sie das Pfeifen im Walde mit den Trompeten von Jericho verwechselt.
Wie unterscheidet sich das Erbarmen vom Mitleid (vgl. hierzu die Geschichten von den „wunderbaren Brotvermehrungen“: das eine Mal „ergriff ihn das Mitleid mit dem Volke“, das andere Mal „erbarmte ihn des Volkes“)? Unterscheidet sich nicht das Mitleid von der Barmherzigkeit durch das Bewußtsein der Ohnmacht? Und gilt das Erbarmen (der Impuls zu helfen) den Opfern, das Mitleid (die Erfahrung der Ohnmacht und der Schrecken angesichts der Frage: Wie können die das tun?) den Tätern? Hängt nicht Nietzsches Idee des Herrenmenschen (der „blonden Bestie“) mit der Abwehr des Mitleids (als „größte Gefahr“) zusammen, mit der Unfähigkeit, diese Ohnmacht zu ertragen? Anstatt das Bewußtsein der Ohnmacht im Mitleid zu reflektieren, schlägt er sich auf die Seite der Herren, die am Ende kein Mitleid mehr dulden.
Das Fernsehen kann Mitleid erzeugen, niemals Barmherzigkeit. Gründet das Mitleid im Sehen, während die Barmherzigkeit das sprachlich reflektierte Sehen zur Grundlage hat? Das Mitleid gehört zur Logik der Schrift, die Barmherzigkeit gründet im Wort (das Objekt des Mitleids ist stumm, das der Barmherzigkeit schreit zum Himmel).
Unterscheidet nicht schon die Schrift zwischen der Erfüllung der Schrift und der des Wortes? Ist diese innere Unterscheidung der Prophetie nicht in den Begriff der Prophetie mit hereinzunehmen, und ist nicht die Apokalypse (die Fortentwicklung der Prophetie unter den Bedingungen des Weltbegriffs, der in dieser Unterscheidung sich ausdrückt) der Ausdruck und die Entfaltung der Objektivität dieser Unterscheidung?
Der Weltbegriff unterliegt einem organischen Prozeß: So enthält er in sich selbst die Ursachen seines Untergangs. Spenglers Kulturbegriff gründet in diesem Weltbegriff.
Ist nicht der Urknall ein spätes Echo der creatio mundi ex nihilo? War nicht dieses theologische Konstrukt bereits ein Reflex des „Weltuntergangs“, die bloße Umkehrung des Endes? Als Schöpfer der Welt ist der Staat der Vollstrecker ihres Untergangs.
Gibt es den Begriff der Verstockung (der Verhärtung des Herzens) schon vor der Exodus-Geschichte?
Das Ding ist der Reflex der unendlichen Ausdehnung des Raumes (und der Zeit), während das Angesicht diese Unendlichkeit widerlegt. Die subjektiven Formen der Anschauung sind die realsymbolische Entsprechung des biblischen Kelchsymbols; ihre verdinglichende Gewalt korrespondiert dem „göttlichen Zorn und Grimm“.
Der Hinweis auf die Verantwortung bleibt formal, ein Instrument der Selbstentlastung (und des Schuldverschubsystems), wenn ich nicht davor die Frage setze, ob ich sicher bin, daß ich, wenn ich an der Stelle des Andern gewesen wäre, anders hätte handeln könnte.
Auch die Nazis waren Opfer. Das entlastet sie nicht von ihren Taten, aber vielleicht hilft dieser Satz, die Wiederholung dieser Taten, die über ihre bloße Verurteilung sich vorbereitet, zu verhindern.
Die Ausgrenzung des Schreckens aus dem Begriff des Faschismus (durch das Instrument der Verurteilung) ist die Ausgrenzung derer, die ihn nicht loswerden.
Hat nicht der Gebrauch der Verurteilungslogik, zu dem es keine Alternative mehr zu geben scheint, sehr viel mit den „sieben unreinen Geistern“ zu tun?
Die einzige brauchbare Definition Gottes: Er ist es, der die Toten erweckt.
Der Corpus Christi Mysticum schließt (nach der „Mysterientheologie“ Odo Casels) die Einbeziehung in das Leiden und den Tod Jesu mit ein.
„Was sind das doch armselige Menschen …“ und „Was sind das doch für armselige Menschen …“: Dieses „für“ rückt den Satz aus dem Bereich des Erschreckens (und der Barmherzigkeit) in den der Verurteilung (des Gerichts). Die erste (ursprüngliche) Fassung des Satzes ist Ausdruck eines katholischen Selbstverständnisses, das es nicht mehr gibt. Die Kirche gibt keinen Halt mehr für den Widerstand gegen die Welt, sie hat die Mittel dieses Widerstands als Ballast abgeworfen. So findet sie sich als das steinerne Herz der Welt in deren leerem Zentrum wieder.
Drückt sich nicht in dem „für“ die Verdrängung genau der Wahrnehmung aus, die in dem ersten Satz zum Ausdruck gebracht wurde? -
18.6.96
Das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren, hat die Fähigkeit zur Reflexion des Urteils, die Kritik der Magie des Urteils, zum Ziel. Es geht darum, das Urteil aus seiner magischen Bindung ans Jüngste Gericht herauszulösen, die Frage offenzuhalten, ob das Jüngste Gericht ein urteilendes sein wird.
Enthalten nicht die ersten drei Schöpfungstage eine vollständige Urteilstheorie: Am ersten Tag werden Licht und Finsternis geschieden, und die Geschiedenen werden benannt; am zweiten Tag wird die Feste geschaffen, die die oberen von den unteren Wassern trennt, und diesmal werden nicht die Getrennten, sondern das Trennende wird benannt; am dritten Tag sollen die unteren Wasser an einem Ort (nach der Kabbala: am Ort Eins) sich sammeln: das Meer, und das Trockene soll hervortreten: das Land.
Was hat das Trockene mit der Feste zu tun? Und gehört nicht zum dritten Tag der prophetische Satz, daß am Ende der Geist die Erde erfüllen wird wie die Wasser den Meeresboden bedecken, und daß das Meer am Ende nicht mehr sein wird?
Hat nicht der Bilderstreit (vgl. Horst Fuhrmann) eine Lösung gefunden, die die Katastrophe überhaupt erst herbeigeführt hat: die Unterscheidung des Bildes von dem durch das Bild Bezeichneten? Hier ist implizit die Sprache zum Bild entmächtigt worden.
Die einzige Krone, die im Neuen Testament vorkommt, ist die Dornenkrone (bei Mt 2729, Mk 1517, Joh 192.5).
Hängt es nicht mit der Logik der Verurteilung, die bis ins Zentrum der christlichen Theologie hinein sich nachweisen läßt, zusammen, daß seit je die Hölle deutlicher und verständlicher ausgemalt wurde als der Himmel?
Horst Fuhrmann ist ein drastisches Beispiel für eine Geschichtswissenschaft, die sich selbst zum Instrument des Vergessens geworden ist. Seine Urteile sind in erster Linie Urteile ad personam, d.h. Geschwätz. So kann er auf die Himmlersche Verehrung irgend eines Heinrich „wertfrei“ hinweisen, während er den Aries einen „Sonntagshistoriker“ nennt und ein Gerücht, das es über ihn mal gegeben hat, kolportiert, ohne es für nötig zu halten, seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Oder er berichtet über die Fälschungen im Mittelalter, ironisiert zugleich die Bemerkung von Hallers, daß man nicht auf Vorrat fälscht, um diese Bemerkung mit genau dem Hinweis zu bestreiten, den sie gerade problematisiert. H.F. ist nur noch „herrschende Meinung“; deshalb braucht er nicht mehr zu argumentieren. Die Heinsohn-/Illig-Gruppe, auf die mehrere seiner Themen verweisen (neben dem Fälschungsproblem z.B. auch der Fall Kammeier), wird nur verschwiegen, an keiner Stelle benannt.
Auf dem Bauche sollst du kriechen und Staub sollst du fressen: Ist das Fernsehen nicht inzwischen Zoohaltung und -fütterung des Drachen geworden?
Ist nicht der Fernsehmoderator eine institutionelle Verkörperung des „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können? Nur daß im Fernsehen beides, das Ich denke und meine Vorstellungen vergesellschaftet und durch den Abgrund des Bildschirms von mir geschieden sind. Die Grundlüge des Fernsehens ist das Wort, mit dem alle Moderatoren auf die nächste Ausgabe der Sendung verweisen: „Wir sehen uns wieder am …“ Hier erscheint dieses pseudotherapeutische „Wir“, das zur Krankenhaussprache gehört und hier wie dort die Adressaten entmündigt und hospitalisiert.
Hat nicht die Ersetzung des Gottesnamens durch die Personalpronomina in der Buber-Rosenzweigschen Bibelübersetzung etwas mit Ulli Wickert zu tun?
Kommt das „Verurteilen“ in Hegels Philosophie vor (im Hegel-Register erscheint es nicht)? Wann und in welchem Zusammenhang ist es entstanden? Gehört es in seinem Ursprung zur Sprache des Staatsanwalts (ist es zusammen mit diesem Titel entstanden – der Kluge enthält weder den Staatsanwalt noch das Verurteilen)?
Steht der Grund in Hegels Philosophie (überhaupt in der Philosophie) an der Stelle, an der in der biblischen Tradition die Barmherzigkeit steht (der Mutterschoß oder der „Grund“, aus dem die Prophetie kommt)? In der Philosophie geht (trotz Heidegger), was aus dem Grunde kommt, auch wieder zu Grunde. Der „Mutterschoß“, aus dem die Philosophie (der Begriff) hervorgeht, ist das Schicksal, die mythische Schicksalsidee.
Kritik zielt auf Begriffe, nicht auf Objekte; darin liegt ihre reinigende Kraft.
Mit dem Inertialsystem setzt sich das Subjekt ans Ende der Zeitreihe (tauft es die Welt, die so zur Welt wird, mit der Taufe der Vergangenheit, antizipiert es das Ende der Welt), aber tut das nicht in der geldwirtschaftlich determinierten Realität der „Reiche“, das kapitalistische Wirtschaftssubjekt? Ist nicht das Bewußtsein des Entronnenseins eine der Verführungen des Geldes: die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit? Diese Vorstellung ist der Grund des Hegelschen Weltgerichts, gegen das Jakobus das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht setzt.
Was hat das Weltgericht mit der Sexualität zu tun? -
17.6.96
Spital begründet die kirchliche Ablehnung des Priestertums von Frauen mit dem Hinweis auf die Einsetzung des Priestertums beim letzte Abendmahl, bei dem auch nur Männer zugegen gewesen seien. Hierzu einige Hinweise:
– zweimal verweisen die Evangelien auf das Gedenken: bei der „Einsetzung der Eucharistie“ und bei der Salbung Jesu;
– war die Teilnahme der Jünger nicht stumm und passiv, und waren es nicht die gleichen Jünger, die in Getsemane geschlafen haben und bei der Kreuzigung geflohen sind, während nur die Frauen Zeugen der Kreuzigung waren?
– Unter diesen Jüngern war der eine, der ihn verraten hat, und der andere, der ihn dreimal verleugnet hat.
– Ist nicht die Eucharistie zum Anfang der Instrumentalisierung des Kreuzestodes, zum Kristallisationskern der Opfertheologie geworden?
Am Verständnis des Abendmahls entscheidet sich, ob Joh 129 in die Opfertheologie hineingehört, oder ob es ein Teil des Nachfolgegebots ist. (Johannes berichtet nicht über das Abendmahl, bei ihm steht an der Stelle die Geschichte von Fußwaschung. Im Johannes-Evangelium wird nicht Wein in Blut, sondern Wasser in Wein verwandelt. Ist nicht das Johannes-Evangelium das Auferstehungs-Evangelium?)
Wenn das Jüngste Gericht das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht ist, heißt das dann auch, daß es gnadenlos gegen die Gnadenlosen sein wird, daß es die Richtenden richten wird?
Hat Lillian Klein nicht ein für allemal klargemacht, weshalb das Buch der Richter ein prophetisches und kein historisches Buch ist?
Der real existierende Sozialismus war ein auf Verwaltung sich gründendes Herrschaftssystem, während der Faschismus als „naturwüchsige“ Volksbewegung sich konstituierte, die die „natürlichen“ Vorurteile aller mobilisiert und ausgebeutet hat. Der Faschismus lebte von der Symbiose („alle hatten das Gefühl, daß Hitler jeden persönlich angeblickt hat“).
Grundlage dieser Symbiose ist eine Emanation der Urteilsform, der Mechanismus der Verurteilung, ein Mechanismus, von dem die Theologie in der Geschichte der Dogmenentwicklung erstmals Gebrauch gemacht hat, und der in diesem Gebrauch sich konstituiert hat, und zwar sowohl im Urschismus (im kirchlichen Antijudaismus) als auch im „Kampf“ gegen die Häresien. Erkauft war diese Symbiose mit dem Ausschluß der Frauen aus der Theologie (und aus der Bekenntnisgemeinschaft, die ein Männerbund war).
Der Mechanismus der Verurteilung war das erste Produkt einer Vergesellschaftung der Philosophie, der Anfang einer Säkularisationsbewegung, an deren Ende die naturwissenschaftliche Aufklärung steht, die den Verurteilungsmechanismus im Inertialsystem (und schon in seiner erkenntnispraktischen Voraussetzung, in den „subjektiven Formen der Anschauung“) selber instrumentalisiert hat. Stabilisatoren dieses Verurteilungsmechanismus waren die Totalitätsbegriffe der Aufklärung: Wissen, Natur und Welt, die in diesem Prozeß erst entsprungen sind (war nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens des Pharao in der Geschichte der zehn ägyptischen Plagen der erste prophetische Begriff dieses Prozesses? – Sind die drei Frösche der Apokalypse, die auf die ägyptische Froschplage zurückweisen, Symbole der Totalitätsbegriffe?).
Das theologische Konstrukt der creatio mundi ex nihilo war nicht nur eine Fortentwicklung des philosophischen Weltbegriffs. In Wahrheit war der Weltbegriff nur über dieses Konstrukt (über seine theologische Verarbeitung mit den Mitteln der Verurteilungsmechanik) zu halten. Der Preis dieser Fortentwicklung war zugleich sein Gewinn, der Mehrwert, der auf diesem Wege produziert worden ist und abgeschöpft werden konnte: die Verinnerlichung der vergöttlichten Herrschaft (die Verinnerlichung des Opfers). Das schlimme Wort aus dem katholischen Weltkatechismus, daß der erste Satz der Bibel, der von Himmel und Erde spricht, damit eigentlich die Welt meine, belegt, daß die Kirche nicht mehr weiß, wovon sie redet (oder weiß sie es nur zu genau?).
Zu den nachkatholischen christlichen Denominationen: Man kann nicht die Orthodoxie rezipieren und gleichzeitig die Philosophie, aus der sie hervorgegangen ist, verwerfen. Hier liegt der Grund, weshalb ich vom Katholizismus nicht lassen kann.
Zur Genese des pathologisch guten Gewissens (und der Verhärtung des Herzens): Die Fatalitäten des Schuldverschubsystems liegen darin, daß sie die Schuld selber unsichtbar machen, sie der Reflexion entziehen; dem verdanken sich die „Schuldgefühle“, die als Materie des Schuldverschubsystems leicht als „irrational“ sich denunzieren lassen, damit aber dem Herrendenken (das der Schuldgefühle der anderen sich bedient, dazu, nämlich zur Reproduktion dieser Schuldgefühle, der Religion und ihrer Institutionen bedarf) die Bahn freimachen, ihm die Widerstände aus dem Weg räumen. Die Befreiung von der Last wird zum Instrument der Unterjochung aller.
Heute beginnen die Dinge sich in eine Normalität zurückzuentwickeln, die es nach Auschwitz eigentlich nicht mehr hätte geben dürfen. Führt diese Normalität nicht aufgrund ihrer eigenen Logik zu dem Punkt, der in der Geschichte der drei Leugnungen als Selbstverfluchung sich enthüllt?
Hegel hat (in der Folge Kants) die Wahrheit zu einer Qualität des Urteils gemacht. Eben dadurch ist ihm das Wahre zum bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist, geworden.
Wenn Drewermann den Begriff der Lehre, zu dem er nur das Dogma assoziieren kann (und dessen jüdische Tradition er offensichtlich nicht kennt), verwirft, so bleibt in der Tat nur die Personalisierung übrig. Die Konfliktunfähigkeit Drewermanns gründet in der Unfähigkeit, im Licht des theologischen Begriffs der Lehre die Urteilsform zu reflektieren. Er bleibt dem Glauben an die Magie des Urteils, der im dogmatischen Theologieverständnis (und d.h. in der katholischen Tradition) begründet ist, verhaftet; deshalb kennt er zur therapeutischen Bearbeitung von Schuldgefühlen keine Alternative. Ebenso wie es einmal einen jüdischen Antisemisemitismus gegeben hat, scheint es heute einen katholischen (klerikalen) Antiklerikalismus zu geben.
Zum Verständnis des Rosenzweigschen Begriffs des „hintertückischen, verandernden Wissen des Denkens“ gehört die Einsicht, daß das Wissen auch im Denken gründet (nicht allein im Objekt). Diese Einsicht verdankt sich der kantischen Vernunftkritik, der Transzendentalphilosophie.
Mit der Sexualmoral hat die Kirche das Jesus-Wort „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ verletzt (und die Welt von jeder Kritik freigestellt).
Die Empörungslust, die hier ihren Ursprung hat, und die jedes Geschwätz und jedes Gerede nährt, ist die Lust, über die die Erbsünde sich fortpflanzt, nicht die Sexuallust. Sie pflanzt sich über die Zunge fort, nicht über den Phallus. Die Empörungslust ist identisch mit der Urteilslust und der Augenlust (mit der Lust an dem Aufdecken der Blöße). Ist das Keuschheitsgebot nicht auch ein die Gotteserkenntnis leitendes Gebot?
Die Empörungslust gründet im Schuldverschubsystem, das mit ihr sich entfaltet und stabilisiert. Wäre die Reflexion dieses Schuldverschubsystem nicht heute der Schlüssel zur Theologie?
Die Empörungslust verhindert die Schuldreflexion; sie verhindert die Reflexion jener Mechanismen, von denen sie bewußtlos Gebrauch macht und deren Objekt sie selber ist.
Die Empörungslust ist Urteilslust, ein Ableger der in die Bekenntnislogik transformierten und zugleich verdrängten Sexuallust. Sie nährt sich vom Rachetrieb, den sie selber zugleich mit nährt. Dagegen steht das Wort „Mein ist die Rache, spricht der Herr“.
Gibt es ein griechisches Wort für den Ankläger, den Satan (wie heißt der Akkusativ im Griechischen?)? Und wie hängt der daimon (der böse oder auch der unreine Geist der Evangelien) mit dem Ankläger zusammen? Gibt es den daimon (auch den sokratischen) erst, seit es den Weltbegriff gibt? Hat die Austreibung der Dämonen (und der daraus abgeleitete kirchliche Exorzismus, auch der Hexenwahn) etwas mit der Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs zu tun (ebenso wie die Krankenheilungen, die Totenerweckungen und die Sündenvergebung)?
Hat nicht Franz von Assissi diesen Zusammenhang noch gekannt, als er dem Mitbruder, der für die Einführung der Studien sich einsetzte, entgegenhielt: Unus daimon plus scit quam tu?
Ankläger ist der kategoros, kategor; Anklage die kategoria, und anklagen kategoreo. Also ist die Kategorienlehre eine Theorie der Anklage.
In ihrem Lexikon der Sprachwissenschaft (Stuttgart 19902) nennt Hadumod Bußmann den grammatischen Begriff Akkusativ (lat. casus accusativus) eine „Fehlübersetzung von griech. ptosis autiatike, Kasus des Bewirkten“ (S. 57). Sind im Griechischen nicht Ursache und Grund (aitia) und die Schuld noch ungeschieden; und verweist nicht der Name der Kategorie (des Begriffs) über die Anklage an die Schicksalsidee, aus der der Begriff hervorgegangen ist? Der Akkusativ ist der eigentlich Objekt-Kasus, der durch diesen Namen in den Kontext des Gerichts (der Anklage und des Richtens) gerückt wird. Gründet nicht die kantische Lehre von den synthetischen Urteilen apriori, die Deduktion der Kategorien, in der Apriorisierung des Objekts durch die subjektiven Formen der Anschauung (durch die transzendentale Ästhetik)?
Im Griechischem gibt es den Parakleten, den Beistand, den Verteidiger.
Das „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ ist der Stachel im Fleisch der griechischen, insgesamt der indoeuropäischen Sprachen.
Das Dogma entspringt mit der Verschiebung der Urteilslust auf die Sexuallust (mit dem Ursprung der Sexualmoral); die Freigabe der Urteilslust durch die Sexualmoral (die aufs engste mit der Geschichte des Zölibats zusammenhängt) ist der apokalyptische Unzuchtsbecher.
mit der Bekenntnislogik, die den Namen leugnet, indem sie ihn bekennt, ist der unreine Geist in die Theologie eingedrungen.
Mizrajim:
– Steckt darin mi und sara? Und gehört zum Namen Mizrajim nicht die Geschichte von Abraham und Sara in Ägypten (taucht hier vielleicht der Name Ägyptens zum erstenmal auf)?
– Hängen die Namen Mizrajim und Israel mit einander zusammen (Mizrajim wird mit Sade, Israel mit Sin geschrieben, ebenso Sara)?
Mit dem „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, hat Kant den Grund der Idolatrie und seiner modernen Denomination, des Nationalismus (der Nationalismus ist der durch den Weltbegriff modifizierte Götzendienst), benannt.
Als Jesus am Kreuz starb, hat die Erde gebebt, ist der Vorhang des Tempels entzweigerissen. Als er auferstand, da gab es keine Pauken und Trompeten, nur das leere Grab, und die ersten, die ihn sahen, erkannten ihn nicht.
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3.4.96
Das Fernsehen ist die ironische Erfüllung der Idee der seligen Anschauung Gottes.
Eine Theologie im Angesicht Gottes läßt sich nur noch aus dem imperativischen Charakter der Attribute Gottes begründen. Wenn die Theologie aufhört, sich als Theologie hinter dem Rücken Gottes zu begreifen, wird das Geschwätz aufhören: die Intrige, das Reden über andere hinter ihrem Rücken.
Das aber wäre auch das Ende einer Theologie, die die Schrift nur noch projektiv, mit Hilfe der Logik des Schuldverschubsystems, verarbeitet. Das projektive Moment, die Logik des Schuldverschubsystems, steckt als ein konstitutives Moment im Begriff der Realität heute, die nur noch unter Zu-Hilfe-Nahme der Theologie (als Reflexion und Kritik des Schuldverschubsystems) noch zu durchdringen ist.
Widerlegung des Begriffs der „objektlosen Angst“: Die Fähigkeit, die Angst zu reflektieren, hängt zusammen mit der Fähigkeit, die Schuld zu reflektieren. Rosenzweigs Anfang mit der Todesfurcht steht in logischem Zusammenhang mit dem Satz, daß nur, wer die Last auf sich nimmt, sich von ihr befreit.
Zu den Dingen, die der raf vorzuwerfen sind, gehört nicht zuletzt, daß sie sich bewußtlos zum Agenten des Staatsterrorismus, den sie zu bekämpfen glaubte, hat machen lassen (die Herrschenden kennen keine Solidarität und keine Trauer: der Tod Schleyers hat nur eine attraktive Stelle freigemacht).
Die Vorstellung einer Natur, die die Menschheit überleben wird, ist ein Spiegelbild des Kapitalismus.
Als Schelling die Weltalter schrieb, hatte – so darf vermutet werden – das Verb „ahnden“ sicher schon die gleiche strafrechtliche Bedeutung, die es auch heute noch hat. Daß „die Zukunft geahndet“ wird, wie es im ersten Satz der Weltalter heißt, ist aber nicht nur die Folge einer Verwechslung des Ahndens mit dem Ahnen, sondern gehorcht einer bewußtlosen Logik, die ihren Grund in der Fichteschen Identifizierung der Philosophie mit der Wissenschaft hat. Die geahndete Zukunft ist die durch Subsumtion unter die Vergangenheit, unter den Begriff und die Logik des Wissens, verurteilte Zukunft, eine Zukunft, die die Zeche zu zahlen haben wird.
Ist nicht das Horkheimer-Wort: Wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen, heute (nach Auschwitz) zu radikalisieren: Wer die Auferstehung leugnet, sollte von der Utopie schweigen?
Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Instrument der Herrschaft über den Himmel (der dadurch vermittelten Vergesellschaftung von Herrschaft: die antike Astronomie hat dazu beigetragen, Herrschaft zu begründen, die kopernikanische Wende, der himmlische Reflex des Ursprungs des Kapitalismus, hat sie vergesellschaftet).
Wenn Name und Begriff durch ihre Beziehung zur Schuld sich unterscheiden, worauf beziehen sich dann das „Bekenntnis des Namens“ und die „Heiligung des Gottesnamens“?
Ist die Samson-Geschichte im Buch der Richter nicht auch eine prophylaktische Ironisierung der Jesus-Geschichte (vgl. z.B. die „Verkündigung“ der Geburt an die Mutter, die Rolle des Vaters und den „Opfertod“ am Ende)? Wird nicht das Moment der Ironie im Buch der Richter überhaupt erst erkennbar im Kontext der Reflexion und Kritik von Herrschaft, mit der Heraustreten aus dem autoritären Bann (der u.a. unser Bibel-Verständnis ans nationalistische Apriori, das aber heißt: an den Historismus, bindet und den Blick auf das, was im Ernst Offenbarung heißen darf, verstellt)?
Zu den letzten Kapitel des Buchs der Richter vergleiche die anderen biblischen Stellen zu Pinchas, Sohn des Eleazar, und zu Jabesch-Gilead.
Beerscheba: Was haben der Schwur und die („heilige“) Zahl sieben mit einander zu tun? Vgl. hierzu Lillian R. Klein, S. 186 (shaba: to swear; to seven oneself, or bind oneself by seven things, Brown-Driver-Briggs-Gesenius: Hebrew/Aramaic Lexicon, 1979, p. 989).
Die Justiz fördert den Rachetrieb und verhindert die Schuldreflexion. Deshalb bedarf das Recht des Schwurs. -
15.1.96
Habermas‘ Begriff des kommunikativen Handelns steht unter einem Objektivitätsdruck, der das Handeln gleichsam apriori in institutionelles Handeln verwandelt. Nicht zufällig entspricht die Aufteilung in objektive, soziale und subjektive Welt der Beziehung von Ökonomie, Verwaltung und Kultur. Ist nicht der Begriff des kommunikativen Handelns eine Weiterbildung des Begriffs der Öffentlichkeit, deren Strukturwandel einmal Thema der Habermasschen Habilitationsarbeit war (und bei dem auch schon ein verdinglichter Realitätsblock als Korrelat der Information vom Raisonnement, dem Bereich der subjektiven Meinung, deutlich unterschieden wurde)?
Durch den Begriff der objektiven Welt (und seine Unterscheidung von der sozialen und der subjektiven Welt) ist die Logik des „kommunikativen Handelns“ schon vorentschieden. Bezeichnend, daß
– eine Theorie des Geschwätzes (die auch eine Gestalt des kommunikativen Handelns ist) ebenso fehlt wie eine Diskussion des Vorurteils (z.B. der Studie über den autoritären Charakter),
– das Problem der Objektivität (der Sprachlogik des Indikativs) unreflektiert bleibt (daß die Objektivität im Kontext des zweckrationalen Handelns sich auskristallisiert, wird bemerkt, aber die Konsequenzen bleiben unreflektiert),
– das Problem des „falschen Bewußtseins“ ebensowenig angesprochen wird wie das der Rationalisierung (deren Begriff durch Übertragung auf den Bereich der Rationalität, so als wäre diese ein Produkt von Rationalisierung, verwischt wird).
Welche Bedeutung hat eigentlich die Horkheimersche Bemerkung, wonach der Antisemit unbelehrbar ist, für die Konsistenz einer Theorie des kommunikativen Handelns?
Herrschaftsfreier Diskurs: Diskurs der Herrschenden, nachdem die Beherrschten endgültig stumm geworden sind.
Der Objektivitätsdruck ist Ausdruck des Rechtfertigungszwangs, unter dem die Theorie des kommunikativen Handelns steht, so wie der historische Objektivationsprozeß als Teil des Prozesses der gesellschaftlichen Schuldverarbeitung (als Teil der Herrschaftsgeschichte) zu bestimmen wäre.
Eine Theorie des kommunikativen Handelns, die etwas taugt, müßte in der Lage sein, den Faschismus oder den Fundamentalismus (den Holocaust oder den jugoslawischen Bürgerkrieg) zu erklären. Faschismus und Fundamentalismus sind nicht nur „Beispiele“ kommunikativen Handelns, sondern Knotenpunkte, an denen die Logik des kommunikativen Handelns sich demonstrieren ließe.
Grundlage der Konstruktion des kommunikativen Handelns ist ein kastrierter Begriff der Erkenntnis (deren Repräsentant ist das propositionale Urteil, das auf die Sache nur noch äußerlich sich bezieht).
Dem Judentum und dem Christentum hat Habermas den Trieb zur Weltbeherrschung attestiert, während der Islam unerwähnt bleibt. Im Gegensatz zum Islam ist beim Judentum die Unterstellung eines Weltbeherrschungstriebs in jedem Falle unbegründet, sie erinnert nicht zufällig an die antisemitische Tradition.
Die Mordlust (die in einer logischen Beziehung zum Weltbeherrschungstrieb steht) ist ein Produkt der Bekenntnislogik, die im Christentum ausgebildet wurde: Sie ist ein Produkt der Externalisierung der Bekenntnislogik, insbesondere der Opfertheologie, die den Kern der Bekenntnislogik bildet. Skinheads sind die letzten Confessores.
Der Markt und das Tauschprinzip definieren die der organischen Natur aller selbsterhaltenden Institutionen zugrunde liegende anorganische Natur. Bezeichnet in der Entwicklung dieser organischen Naturen die Magie die pflanzliche, der Mythos die animalische Stufe?
Die Frage, ob die Geschichte sich begreifen läßt, die Wolfgang Pohrt im Zusammenhang seiner Kapitalismuskritik stellt, ist nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten. Es ist beides darin: Post festum läßt sich die Geschichte begreifen, ist der ungeheure Zwang nachvollziehbar, unter dem der historische Prozeß abläuft. Es gibt keinen affirmativen Begriff der Geschichte, die vielmehr nur als das gnadenlose Weltgericht sich begreifen läßt. Das hebt die gleichzeitige Unbegreiflichkeit der Geschichte nicht auf, die vielmehr das Wesentliche an ihr bezeichnet: Diese Unbegreiflichkeit ist a) der Schutz vor der Verurteilung des Vergangenen, sie entzieht b) jeder Vorstellung, die mit der Gegenwart ihren Frieden schließen möchte, den Boden, Sie hebt das Einverständnis mit der Gegenwart auf und sensibiliert die Erkenntnis. Jede Empörung weist auf diese Sensibilisierung zurück, verrät sie aber zugleich an die Logik des Urteils. Jede Empörung ist ein Instrument der Abwehr, damit aber ein Beweis für die Existenz des Abgewehrten, dessen Inhalt nur dann sich erschließt, wenn man dem Trieb, sich zu empören, nicht nachgibt.
Standesehre: Der Trieb, sich zu empören, ist insbesondere bei Bekenntnisgruppen verbreitet (wobei auch Standesorganisationen dazu neigen, wie Bekenntnisgruppen zu reagieren).
Die subjektiven Formen der Anschauung gründen in der Tradition der Bekenntnislogik: In ihnen vollendet sich die Geschichte der Verinnerlichung des Opfers.
Die Schicksalsidee ist das logische Korrelat des Rechtfertigungszwangs, der Begriff seine erste Verkörperung und das Objekt das telos des Schuldverschubsystems (der Dingbegriff gründet in der Eucharistieverehrung des Mittelalters: im Anblick des die Bekenntnisgemeinschaft begründenden Symbols des entsühnenden Opfers). -
28.9.1995
Liegt das Problem der Theologie heute nicht darin, daß in einer Gesellschaft, in der man keine Fehler mehr machen darf, Mitleid als Diskriminierung (als Hinweis auf einen unentschuldbaren Mangel) erfahren wird? Das unterscheidet Gott von der Idee des Absoluten: daß ihn eigene Handlungen „gereuen“. Gott ist lernfähig und nicht „allwissend“. Daß Gott etwas gereut, gehört zu den Attributen, die im Imperativ stehen.
Abraham argumentiert im Falle Sodom mit Blick auf die göttliche Gerechtigkeit, Moses, beim Exodus, im Hinblick auf das Ansehen: Was werden die Ägypter sagen?
Die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft ist die Geschichte der Sünde der Welt. Deshalb ist die Theologie, die Joh 129 aus dem Nachfolgegebot herausnimmt (mit der Vergöttlichung Jesu und der Entsühnung der Welt), Herrschaftstheologie.
Auch in der Theologie hat Griechenland Rom (die Orthodoxie dem Katholizismus) vorgearbeitet: Die griechische Sprache ist vordogmatisch (vorimperialistisch), die lateinische nachdogmatisch (imperialistisch); die griechische Sprache ist die Sprache des Ursprungs und der Entfaltung des Dogmas, die lateinische die seiner Instrumentalisierung. Nur in diesem Kontext werden die Differenzen zwischen natura und physis, mundus und kosmos, und zusammen damit die grammatischen Neukonstruktionen des Lateinischen (paradigmatisch: Plusquamperfekt und Futur II) durchsichtig. Besiegelt wird die Differenz, die ihr Zentrum in der Trinitätslehre hat, durch die Übersetzung von homousia mit consubstantialis. Umgekehrt: Erst die genaue Bestimmung der grammatischen Differenzen (zu denen der Natur- und Weltbegriff als Schlüsselbegriffe dazugehören) macht die lateinische Trinitätslehre (mit dem filioque) durchsichtig.
Die dies dominica ist der achte Tag (der „Tag des Herrn“), der noch nicht eingetreten ist, im Sonntag nur antizipiert wird. Was bedeutet es, wenn es heißt, daß der Menschensohn auch Herr des Sabbats ist?
„Tatsache“, „in der Tat“: Wodurch unterscheidet sich die Tat vom Handeln? Ist die Tat das Plusquamperfekt des Handelns? Wie verhält sich der Begriff der Tat zum Begriff der Welt. Eine „gute Tat“ ist eine Tat vor aller Welt. Es gibt die weltbegründenden Taten des Herakles (das Buch der Richter ist eine Parodie darauf). Das Handeln setzt die Welt voraus, die Tat begründet eine Welt. Taten sind geschichtsbegründend (deshalb gibt es Heldentaten), sie konstituieren und reflektieren den Blick des Historikers, des Nachgeborenen. Tatsachen entspringen dort, wo der Blick des Historikers die Gegenwart mit einbegreift (und durchdringt: ihren Begriff konstituiert). Die Vorform des Empirischen war das Historische. Tatsachen sind zusammen mit den Dingen entsprungen; beide sind Abkömmlinge der Sachen, die in Taten gründen.
Tatsachen (das gegenständliche Korrelat des Indikativs) werden in der Schrift durch „Dornen und Disteln“ symbolisiert; sie gehören zu einem Begriff der Welt, der durch Gewalt und durch Herrschaft von Menschen über Menschen sich definiert, der unser Bewußtsein und unsere Erfahrung determiniert, durchdringt und beherrscht. Tatsachen bilden sich in einem Raum, zu dessen Konstituentien auch das kontrafaktische Urteil gehört, in dem auch alles hätte anders gewesen sein können und Taten die Ursache sind, daß die Dinge so gewesen sind wie sie waren. Tatsachen gehören zum Begriff der instrumentalisierten Welt, die für alle subjektiven Ziele offen ist, soweit ihnen keine „Tatsachen“, Verkörperungen der Macht und der Ziele anderer, entgegenstehen; sie gehören zu einer Welt, die der Phantasie keine Grenzen zu setzen scheint, in der man sich alles auch ganz anders vorstellen kann. Am Widerstand der Tatsachen entzündet sich das Reich der Phantasie: die Kunst, die diesen Widerstand allerdings bloß spiegelt, nicht bricht. Gebrochen wird dieser Widerstand durchs Wunder, die Erfüllung des Worts.
Tatsachen entspringen gemeinsam mit dem Bewußtsein (mit der Konstituierung des Unbewußten und seiner Trennung von ihm) und mit dem Staat. Sie sind nicht naturgegeben, sondern das gemeinsame Resultat eines langen und schmerzhaften, eines katastrophischen Prozesses.
Die natürlichen Objekte des kontrafaktischen Urteils sind neben der politischen Geschichte die Objekte des Geschwätzes (des moralischen Urteils; die Urteilsmoral, deren verdinglichte Gestalt die bei Politikern so beliebte Wertethik ist, ist der private Anwendungsbereich des kontrafaktischen Urteils).
Der Indikativ (die transzendentale Logik) definiert den Inhalt des Kelches (der subjektiven Formen der Anschauung), der Kelch konstituiert den Indikativ. Ist der Kelch der Reflex des Himmelsgewölbes im Subjekt? Worauf bezieht sich dann das Bild des offenen Himmels?
Das kontrafaktische Urteil ist das Pendant des Raumes, in dem die kopernikanische Theorie sich bilden konnte. Die Logik der mathematischen Naturwissenschaften, die in den subjektiven Formen der Anschauung und in der Form des Inertialsystems sich entfaltet ist die Kehrseite der Logik des kontrafaktischen Urteils.
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