Das Urteil, indem es „über“ das Objekt ergeht, konstituiert das Objekt (so wie das Urteil des Gerichts durch die Macht zu strafen Realität gewinnt).
Der Wunsch, es möge mit dem Schicksal ein Ende haben, schließt das Ende der Schicksalsgemeinschaft mit ein: der Name des Volks verliert seine raison d’etre.
Die ägyptischen Plagen treffen auch Tiere; gilt das auch für die Plagen der Apokalypse?
Sind nicht die Evangelien der strikte Gegensatz der als „Rede von Gott“ sich verstehenden Theologie (der monologischen Verkündigung)? Schließt das Evangelium nicht in allen seinen Teilen ein dialogisches Element mit ein?
Unser Lehrer in der Grundschule hat uns – nach einem Besuch Hitlers und seiner Teilnahme an einem Vorbeimarsch vor Hitler -am folgenden Morgen erzählt, jeder, der an diesem Vorbeimarsch teilgenommen hat, habe das Gefühl gehabt, daß Hitler ihn persönlich angeschaut habe. Als Kind habe ich diese Geschichte nicht begriffen, sie ist mir als Rätsel in Erinnerung geblieben. Ist diese merkwürdige Erfahrung nicht in der transzendentallogischen Struktur des Vorgangs vorgebildet, durch diese Struktur determiniert? Jeder fühlte sich als Objekt der Anschauung; und Hitler war das Subjekt dieser Anschauung.
Ließe sich der Faschismus nicht insgesamt so definieren, nämlich als Versuch, die subjektive Form der Anschauung, die Abstraktion, die darin sich verkörpert, zur Norm der Politik zu machen? Dieser Versuch war apriori antisemitisch; die „Endlösung“ sollte die Abstraktion, die in den Formen der Anschauung sich verkörpert, in die Realität überführen. Die Juden waren das stellvertretende Opfer für das, was die Nazis sich selbst antun mußten.
Hat nicht dieses Novum, daß Politik die subjektiven Formen der Anschauung zur Norm macht, den Faschismus überlebt, nur daß es zu dieser subjektiven Form der Anschauung kein Subjekt mehr gibt, die Welt zum Objekt der Sachzwänge geworden ist, die sie beherrschen? Erfüllt dieser Zustand nicht präzise die Definition der Finsternis?
Dieser Vorgang wäre anhand der Geschichte der Rezeption Einsteins, der Rezeption der speziellen Relativitätstheorie, an der er sich demonstrieren läßt, zu begreifen.
Zu den inneren Folgen der speziellen Relativitätstheorie gehört es, daß sie – ähnlich wie zuvor die kantische Antinomienlehre -die Vorstellung des Raumes in einer Weise verrätselt hat, die das Problem einer Lösung näher bringt.
Unterscheidet sich nicht Sabbatai Zwi von Jesus durch die unterschiedliche Gestalt, in der sie den Tikkun vollzogen haben: Sabbatai Zwi ist zum Islam übergetreten, Jesus hat den Tod am Kreuz erlitten (und ist „zur Hölle abgestiegen“)?
Hat der „Abstieg zur Hölle“ etwas mit der Einsicht zu tun, daß die Verurteilung den Schrecken nicht löst? In den Schrecken hinabsteigen, heißt das nicht auch, den Bann des Inertialsystems lösen, das ein Reich der Erscheinungen begründet, zu dessen Konstituentien die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, der Gebrauch der Todesgewalt als Erkenntnismittel, gehört?
Habermas‘ Kapitulation vor dem für ihn nicht mehr reflexionsfähigen Naturbegriff war der Anfang einer Kommunikationstheorie, die die Herrschaftskritik durch das Konstrukt des „herrschaftsfreien Dialogs“, den es nicht gibt, ersetzte.
Rechtfertigt nicht der „herrschaftsfreie Diskurs“ auch die RAF-Prozesse, die nur noch auf Herrschaftssicherung abzielen und alles, was zur Erkenntnis der Ursprünge der RAF beitragen könnte, jeden Versuch, auch im Falle der RAF in die Angeklagten sich hineinzuversetzen, apriori abblocken? Gibt es einen „herrschaftsfreien Diskurs“ ohne den Zwang, ihn zugleich durch Feindbild- und Frontdenken abzusichern?
Die bloße Verurteilung des Faschismus ist post festum leicht und billig zu haben; aber rückt sie nicht zugleich alle Formen der Herrschaftskritik, die in diesem Kontext sich verwirren, ins Irrationale? Auch die RAF, die Herrschaftskritik glaubte durch terroristische Gewalt ersetzen zu können, war eine Gestalt dieser nun wirklich entsetzlichen Verwirrung.
Hat nicht der Historikerstreit nur scheinbar die Fronten geklärt, oder hat er sie nicht auf eine Weise geklärt, die sie vielmehr endgültig verwirrt haben? Hat er nicht alle, die versuchen, in den Faschismus sich hineinzuversetzen, zu Häretikern erklärt, die das Dogma der Verurteilung nicht teilen?
Wer heute das Gefühl hat, die möglichen Gesprächspartner sind tot und nur als Autoren von Büchern noch präsent, macht der nicht die Erfahrung, was es mit dem „Abstieg zur Hölle“ auf sich hat?
Ist nicht das Fernsehen ein Hinweis darauf, welche universalen Formen der Gewalt zitiert werden müssen, um das Gedächtnis der Toten zu verdrängen?
Waren es nicht die Theologen, die, als sie Hegels „Weltgericht“ als eine Bestätigung der theologischen Idee des Jüngsten Gerichts ansahen, rechts und links nicht mehr unterscheiden konnten? Das Jüngste Gericht, wenn es das einmal geben wird, wird das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht sein. Und steckt nicht genau hierin die Lösung der Frage der Unterscheidung von Rechts und Links?
Kann es sein, daß, wer Gräber schmückt und Blumen auf ein Grab pflanzt, sicherstellen will, daß der Ruf der Auferweckung bei den Toten nicht mehr ankommen wird? Geht er nicht davon aus, daß dieser Ruf, durch die Blume gesprochen, die Toten nicht mehr erreicht?
Sind die Evangelien (was sie offensichtlich sogar für Theodor Haecker waren) eigentlich wirklich antisemitisch? Ist es nicht vielmehr so, daß man die scheinbar „antisemitischen Stellen“ erst dann wirklich begreift, wenn man den historischen Kontext (und die Ereignisse, die Flavius Josephus beschreibt) hinzunimmt? Und haben wir dann nicht viel mehr Grund, in diesem historischen Kontext die Gegenwart und in diesen „Juden“ uns selbst wiederzuerkennen: die christlichen Politiker in den Sadduzäern, die Kirchen und die Theologen in den Pharisäern, die gesamte Linke, bis hin zur RAF, in den Zeloten? Ist nicht vielmehr die Frage des Historismus: „wie es denn wirklich gewesen ist“, die das „Was“ von den eigenen Rechtfertigungszwängen sich vorgeben läßt, damit aber die Erinnerung an die Gegenwart ausblendet, antisemitisch?
Werden die Evangelien nicht in der Tat durchsichtiger, verständlicher, wenn man auf den Hintergrund, in dessen Anblick sie geschrieben worden sind, bezieht: auf den Jüdischen Krieg und die Zerstörung Jerusalems? Verweisen nicht schon die apokalyptischen Reden und die Getsemane-Geschichte hierauf, und wird das nicht direkt benannt, als Jesus bei Lukas auf dem Weg zur Kreuzigung die Frauen aus Jerusalem anspricht: „Ihr Töchter Jerusalems, weint nicht über mich, weint vielmehr über euch und eure Kinder“ (2328)?
Haecker
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23.08.1996
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26.3.96
Schuldverschubsystem: Israel versteht sich selbst im Angesicht Gottes, in den Augen der Völker waren die Israeliten Hebräer. In welche Tradition ist das Christentum eingetreten, hat nicht die Konstellation von Testament und Erbschaft die Traditionen durch Projektion und Verschiebung verwirrt? Haben die Christen nicht Israel mit den Hebräern und die Hebräer mit den Juden verwechselt (vgl. die schlimme Verwechslung der Namen bei Theodor Haecker an einer Stelle, die nur auf Joh 149 sich beziehen kann)? Welche Rolle hat hier der Hebräerbrief (oder auch der verhängnisvolle Eingriff in den Kanon, der die Historisierung und Nationalisierung der Prophetie zur Folge hatte) gespielt? Ist das nicht der Knoten, der zu lösen wäre?
Erinnerungsarbeit zielt auf die Befreiung der vergangenen Zukunft, nicht auf die Konservierung der Vergangenheit. Erinnerungsarbeit ist eine zwanglose Konsequenz aus der Lehre von der Auferstehung der Toten. Ist nicht die Sündenvergebung, wenn sie als Imperativ verstanden wird, ein Teil der Erinnerungsarbeit, die Ausbildung und Entfaltung der Fähigkeit, nicht nachtragend zu sein: der Abbau des Elefantengedächtnisses, das dem Historismus zugrunde liegt?
Die Konservierung der Vergangenheit kommt in jeder Hinsicht den Herrschenden zugute.
Allegorien sind instrumentalisierte Symbole. Deshalb sind sie ebenso willkürlich wie zwanghaft.
Ist nicht die Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kindern der Akt der Befreiung vom Bann des Erbens?
Der Mythos und sein logischer Kern, die Schicksalsidee, waren eine Vorstufe der Geometrie und der Gnomon das Instrument der Entfaltung der geometrischen Phantasie. Das Dogma verhält sich zum Inertialsystem wie der Mythos zum Gnomon. -
14.6.1995
Die Blinden und die Lahmen: Gibt es nicht ein Erblinden und Erlahmen durch die Theologie?
Hängt Joh 129 zusammen mit der Antwort Jesu auf die Frage des Täufers, ob er es sei, der da kommen soll, und bezieht sich das in den Evangelien (Mt 33) auf Johannes bezogene Prophetenwort (Jes 403): „die Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet seine Straßen gerade“, auf die Johannes-Apokalypse?
Gehört es nicht zum Begriff der Moderne, daß sie die „Wilden“ erfunden hat?
Der Garant der transzendentalen Logik ist das transzendentale Subjekte, das die Distanz zum Objekt herstellt, durch die es in den herrschaftsgeschichtlichen Prozeß verflochten ist: seine Einheit. Es ist kein Zufall, daß die Philosophie auf ihrer Spitze, in Hegels Logik und Staatsphilosophie, zur Selbstbegründung des Nationalismus geworden ist.
Bezeichnet nicht der Name der Basilika den unter den Bedingungen des Hellenismus säkularisierten, auf den König anstatt auf den nationalen Gott bezogenen Tempel (die Handels-, Bank-, Gerichts- und Versammlungsstätte)?
Die subjektiven Formen der Anschauung konstituieren das Objekt, und sie trennen den Namen, den sie zugleich depotenzieren, vom Begriff.
Die Person ist der Statthalter des Namens unter den Bedingungen des Staates (des Rechts).
Zu den Confessiones des Augustinus: Der Vater und die Geliebte bleiben namenlos, während die Mutter und der Sohn mit Namen genannt werden.
Ich und Du: Im Deutschen wird zwischen Antlitz und Angesicht unterschieden. Worin liegt der Unterschied, und ist dieser Unterschied nicht in der deutschen Sprachlogik (in ihrer Verarbeitung der christlichen Tradition) begründet? Bezeichnet nicht das Antlitz das Entgegenblickende, das Angesicht das Angesehene?
Zur Frage des Maimonides (ob nicht der Messias, wenn er am Ende erscheinen wird, das Antlitz dessen tragen wird, der schon einmal dagewesen ist) gibt es auch noch eine dritte Möglichkeit: Es könnte sein, daß der, der am Ende kommen wird, das gleiche Gesicht haben wird wie der, der im Stall geboren und am Kreuze hingerichtet worden ist; aber werden wir ihn wiedererkennen? Vgl. hierzu Theodor Haeckers Bemerkung über die Evangelien, in denen das Aussehen Jesu nicht überliefert wird, und den Zusammenhang dieser Bemerkung mit der unmittelbar nachfolgenden Verwechslung des Israeliten mit dem Hebräer. Ist nicht die Ikonographie Jesu, sein in der Kunst überliefertes Aussehen, selber schon ein Produkt der Theologie hinter dem Rücken Gottes, und ist dieses Antlitz nicht schon Ausdruck des kirchlichen Antisemitismus?
Was findet sich im Personalausweis und auf Fahndungsfotos: das Antlitz oder das Angesicht? (Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Kruzifix und dem Fahndungsfoto?)
Politische Theologie leistet keinen Beitrag zur Institutionenlehre, zur Begründung der Organisation des Staates. Politische Theologie ist Herrschaftskritik.
Der deutsche Schöpfungsbegriff hat die Welt insgesamt in den Kelch transponiert. Heideggers Dasein als In-der-Welt-Sein, Produkt des Vorlaufens in den Tod, ist der genaueste Ausdruck davon.
Ist nicht Heideggers Eigentlichkeit ein letzter Nachhall von Hegels Bewußtsein der Freiheit, das selber schon den Hinweis darauf mit einschließt, daß hier das Subjekt zum Opfer seiner eigenen List der Vernunft geworden ist? Hegels Bewußtsein der Freiheit ist Ausdruck der tiefsten Verzweiflung, der Heidegger mit seinem Begriff der Eigentlichkeit noch einen positiven Sinn abzugewinnen versucht: den Sinn von Sein. Die Eigentlichkeit hängt mit dem Sinn von Sein auch insofern zusammen, als sie daran erinnert, daß die Subjektqualität an die Funktion des Urteilens gebunden ist, dessen Kern die Kopula, das Sein, ist. Aber Eigentlichkeit konstituiert sich nur, wenn zugleich verdrängt wird, daß der Urteilende das Urteil auch über sich selbst aufrichtet, selber zum Objekt des Urteils wird (Ableitung der Schicksalsidee aus der Urteilsform). Wenn Kants erhabene Nüchternheit gegen den ontologischen Gottesbeweis an der Differenz zwischen dem realen und einem bloß gedachten Vermögen festhält, so rührt Kant damit an die im Weltbegriff selber verankerte Beziehung des Infinitivs Sein zum Possessivpronomen der dritten Person singular, männlich, das ebenfalls durch das Wort „Sein“ ausgedrückt wird.
Lassen sich nicht die Bemerkung aus der Dialektik der Aufklärung, daß „jedes Tier an ein abgründiges Unglück (erinnert), das in der Urzeit sich ereignet hat“, und der darauf bezogene Wunsch, „daß der Mensch, der durch Vergangenes mit ihm eins ist, den erlösenden Spruch findet und durch ihn das steinerne Herz der Unendlichkeit am Ende erweicht“ (Neupublikation 1969, S. 264), die ohnehin an prophetische Zusammenhänge erinnern, auf das apokalyptische Tier, auf die Kirche (das steinerne Herz der Welt) und auf das Wort vom Binden und Lösen beziehen?
Wenn man sieht, daß ein Kind in den Brunnen fällt, bedarf es keiner Autorität, die einem sagt, was zu tun ist. Aber gibt es nicht auch den andern Fall, daß einer in den Abgrund geschaut hat, in den nicht mehr nur ein Kind fällt, dem vielmehr die Welt, die ihn aus sich selbst erzeugt, zurast: Sind die Konsequenzen dann nicht ebenso zwingend und spontan wie im Falle des Kindes und des Brunnens? Ist es dann nicht ebenso wichtig, die Mechanik dieses Vorgangs zu studieren in der absurden Hoffnung, vielleicht doch noch die Stelle zu finden, an der ein Eingreifen möglich ist?
Die kopernikanische Wende hat die Voraussetzungen für den Kapitalismus geschaffen, sie hat den Weg freigemacht.
„Die Distanz des Subjekts zum Objekt, Voraussetzung der Abstraktion, gründet in der Distanz zur Sache, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt.“ (Dialektik der Aufklärung, 1969, S. 19) -
26.5.1995
Der Gegensatz von Sehen und Hören drückt in der Sprache in der Beziehung von Schrift und Wort sich aus. Worauf bezieht sich das Wort von den „sichtbaren und unsichtbaren Dingen“ im Credo? Ist nicht das Dogma der Versuch, das Unsichbare in Sichtbares: den Glauben in Wissen zu transformieren? Und war nicht genau das der parvus error in principio? Wer das Unsichtbare in Sichtbares zu transformieren versucht, setzt an die Stelle des Hörens den Gehorsam.
Das Dogma und die Logik der Schrift: Quod non est in actis, non est in mundo.
Das Dogma hat die Ohren verstopft.
Die Prophetie hat in der Tat in der Geschichte Jesu sich erfüllt; aber erfüllt heißt nicht abgeschlossen, heißt nicht, daß das Erfüllte damit zu etwas Vergangenem geworden ist: Es ist vielmehr auf eine neue Weise gegenwärtig geworden. Hat nicht erst die Kirche, durch ihre Art der Verarbeitung (durch theologische Objektivierung), es zu etwas Vergangenem, Erledigten, gemacht?
Stephanus sah den Himmel offen. Hat nicht Paulus, der in den dritten Himmel entrückt war, die Feste des Himmels wieder verschlossen und durch die Archonten versiegelt? Und hat nicht Paulus (ein „V-Mann“ der Sadduzäer, nicht der Pharisäer) das sadduzäische Prinzip, das er vertrat, ins Christentum mit herübergenommen und so dazu beigetragen, daß die jüdische Tradition aus dieser Fessel sich befreien konnte?
Der Gottesname „Vater“ gewinnt Sinn nur, wenn ich ihn auf andere beziehe: Nur dann werden die Sätze verständlich „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist“ oder „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben …“ oder auch „Was ihr den Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“.
War die Kopenhagener Schule nicht der Vorläufer der Postmoderne in der Physik? Beide haben die Logik des Sehens bis an die Grenze vorgetrieben, an der sie hätte ins Hören umschlagen müssen, aber dann wieder ins Sehen zurückgebogen.
In einen Prozeß hineingezogen werden kann ich auf dreifache Weise: als Ankläger, als Angeklagter oder als Verteidiger.
Sind Perfekt und Imperfekt die konjunktivischen Verkörperungen von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit? Die indoeuropäischen Sprachen haben aus dem Imperfekt das Praeteritum gemacht: Sie ist die Welt zu einer durch die Vergangenheitsform (durchs Perfekt) abgeschlossenen Welt geworden (zum Präsens), die seitdem instrumental verfügbar ist. Das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden, revoziert das Praeteritum (und die Gewalt des Perfekt). Das Perfekt, das für uns zur abgeschlossenen Vergangenheit geworden ist, war in der Bibel inhaltlich erfüllt: Er starb alt und lebenssatt. Das indoeuropäische Perfekt ist der Sprachgrund der Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt.
Auschwitz ist die reinste Verkörperung des vom Perfekt vergewaltigten Imperfekt.
Theodor Haeckers Bemerkung über den „echten Hebräer“ gehorcht der Logik der bloß erbaulichen Bibellektüre, die seit je projektiv und antisemitisch war.
War der Himmelfahrtstag nicht seit je ein Männertag („Ihr Männer von Galiläa …“)? Waren nicht hier und beim letzten Abendmahl die Frauen ausgeschlossen?
Die Trinitätslehre hat die Attribute Gottes durch Objektivierung aus dem Imperativ in den Indikativ zurückübersetzt, sie für Herrschaftszwecke brauchbar gemacht. Hat sie damit nicht das Wort Jesu zu Petrus „Weiche von mir Satan! Du bist mir ein Fallstrick, denn du sinnst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist“ (Mt 1623) als Imperativ genommen?
Das Allgemeine ist, bezogen auf das Einzelne, das Gemeine.
Die Postmoderne vollstreckt den Bann des begrifflichen Denkens: den Verzicht auf Ziele und Resultate. Die Dekonstruktion ist die Entfaltung des Widerspruchs, der mit ihrer Objektivierung auch die Ziele und Resultate ergreift.
Mit dem Satz „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ ist die Offenbarung fähig geworden, in die Völkerwelt hinauszugehen.
Der Vertrauens-Slogan der Deutschen Bank bezieht sich auf das Vertrauen, daß die Kunden in die Deutsche Bank setzen sollen, nicht auf das Vertrauen, das die Deutsche Bank in die Kunden setzt. Es ist ein durchaus einseitiges Vertrauen und meint eigentlich: Ihr könnt uns vertrauen, wir werden euch die Drecksarbeit abnehmen. Geldwäsche ist eine der wichtigsten Aufgaben der Banken: Man sieht dem Geld auf dem Konto nicht mehr an, auf welche Weise es gewonnen, erhalten und vermehrt wurde.
Wie wäre es mit der These, daß der Antisemitismus heute nicht aufgehoben, sondern nur neutralisiert, gleichsam in eine Latenzphase gebracht wurde?
Gibt es zu der Unterscheidung von gegen und wider (Gegner und Feind, Gegenstand und Widerstand) eine Entsprechung im Lateinischen oder Griechischen? Gehört diese Unterscheidung (zusammen mit dem naturwissenschaftlichen Begriff der Trägheit) zu den Ursprungsbedingungen des Dingbegriffs? Und hat diese Unterscheidung etwas mit der des Andern vom Fremden zu tun (ist der Andere der neutralisierte Fremde, der Gegner der neutralisierte Feind)?
Nach einem Hinweis von Jürgen Ebach bezieht sich das biblische „im Angesicht“ sowohl auf Gott wie auch auf den Feind. So hängt das Leuchten des Angesichts mit der Feindesliebe zusammen. Im Feind hasse ich die eigene Verblendung (das nach draußen projizierte verdrängte Innere, das ich in mir selbst nicht wahrhaben will, die projektiv ins Objekt verschobene Manifestation des Verdrängten, die die Welt verdunkelt). -
22.2.1995
Zum Hinweis auf den Antisemitismus Freges in der FR vom 22.2.95 paßt die handschriftlichen Bemerkungen Heinrich Scholz‘ in seinem (Rezensions-)Exemplar von Ernst Bloch „Geist der Utopie“: „Selbstgespräche eines Irren, besser Meschuggenen. Vielleicht muß man Hebräer sein, um dieses Zeug zu verstehen“. Erschreckend auch eine Notiz eines sicherlich sonst unverdächtigen Intimfeinds der Nazis, Theodor Haecker, am 28.3.1940 („Tag- und Nachtbücher“, S. 50f): Nachdem er feststellt, daß in den Evangelien niemals das Äußere eines Menschen beschrieben wird, verweist er auf die „einzige Ausnahme“, die „Christus selber (macht), da er einen seiner Jünger, ganz allgemein freilich, als echten Hebräer (!) anspricht, im Äußeren (!) schon. Das setzt aber doch voraus, daß man sich über den Typus eines echten Hebräers (!) durchaus im klaren war.“ Hierzu bleibt nur zu bemerken, daß Jesus an keiner Stelle von einem „echten Hebräer“ spricht, wohl aber, bei der Berufung Nathanaels im Johannes-Evangelium, von einem „echten Israeliten, einem Mann ohne Falschheit“ (Joh 147). Und der Zusammenhang läßt keinen Zweifel daran, daß es hier nicht um das „Äußere“ eines „echten Hebräers“ geht.
Die „Historische Grammatik des Griechischen“ von Helmut Rix (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 19922) ist ein paradigmatisches Beispiel dafür, wie die Wissenschaft in Angst vor ihrem Objekt erstarrt und verstummt.
Die subjektiven Formen der Anschauung sind der Grund der metaethischen Konstruktion im Stern der Erlösung, des B = B. Die Gestalt des Allgemeinen, die sie begründen, ist eine partikulare: Symbol der Katastrophe, des Untergangs. Sie ist ein Ausfluß der Logik der Schrift, ihr terminus ad quem der Fall.
Laß dich nicht ablenken: Lebt die Inspiration nicht von der Ablenkung, lebt sie nicht davon, daß sie dem Objekt sich überläßt, auch wo sie Gefahr läuft, daß sie sich verläuft? Wird nicht, wer sich nicht ablenken läßt, unsensibel, hart und stur, lebt nicht die Aufmerksamkeit von der Ablenkung, die vom Objekt ausgeht? – Ist nicht die Aufforderung: Laß dich nicht ablenken, selbst die Ablenkung, vor der sie vorgibt zu warnen?
Empörung ist das Alibi der Sensibilitätsverweigerung. Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die instrumentalisierten Formen der Empörung (des Gelächters)?
Erste Phase der Aufklärung: Verinnerlichung des Schicksals; die zweite Phase: Verinnerlichung und Verdrängung der Scham (das Subjekt ist selbst der Adressat der Scham geworden).
Der „Bogen in den Wolken“ ist die Widerlegung des Inertialsystems.
Tohu wa bohu: Sind das nicht die Reflexe des Natur- und des Weltbegriffs, des B = B im Objekt?
Blinder Gehorsam: Käme es nicht darauf an, den Gehorsam endlich sehend zu machen? Aber das geht nur über das Hören (mit den Ohren denken).
An sieben Stellen gibt es das Wort tebel, in Ps 99, Spr 826, Hi 3413, 3712, Jer 1012, 5115, Kl 412. Vgl. auch Sohar (Ausgabe Diederichs), S. 113. (Wie den „Erdkreis“-Begriff auch den Weltbegriff aufschlüsseln.)
Die Kluft der Orthogonalität: Nach der speziellen Relaitivitätstheorie sind die Sterne, die uns vom Himmel her leuchten, sowohl zeitlich präsent (gleichzeitig) als auch über Lichtjahre vergangen. Das eine gilt fürs Sehen, das andere für die Abstraktion des Seitenblicks. Ist das nicht ein Grund, sich doch einmal wieder die alte Lehre von den Elementarmächten, den Thronen, Herrschaften, Mächten und Gewalten, von den Engelhierarchien, anzusehen?
Haben die Namen Alphäus und Thaddäus etwas mit der Jericho-Geshichte zu tun, in der die Wiedererrichtung Jerichos an das Opfer der Erstgeburt und des Jüngsten (des Ersten und des Letzten, das A und O) gebunden wird (Jos 626 und 1 Kön 1634)?
Zur Verwandschaft Jesu: Sind nicht Verwandschaftsbeziehungen (ähnlich wie später die Engelhierarchien) Bilder der Logik? Und gehören nicht Jakobus (der Sohn des Alphäus) und Juda (Thaddäus und der Bruder des Jakobus) zu den „Brüdern Jesu“?
Mit dem Opfer des Lamms wird die Erstgeburt des Esels ausgelöst. Hat diese Auslösung etwas mit der erb- und eherechtlichen Regelung der Auslösung (Schwagerehe beim Tod des Mannes, vgl. z.B. die Geschichte der Ruth und die von Juda und Tamar) zu tun? Hängt nicht generell das Verschwinden Josefs aus der Jesus-Geschichte hiermit zusammen (wie auch die Geschichten der Frauen im Stammbaum Jesu und in den Evangelien: neben der Mutter Jesu die Frauen, die ihn begleiten, insbesondere Maria Magdalena, Martha und Maria, die Mutter des Jünglings von Naim, die „große Sünderin“, die Frau, die an Blutfluß leidet, die Ehebrecherin, die Samariterin)?
Falle und Fall; Garn, Grube (Jeremias) und Kelch: Symbole des Inertialsystems, des Geldes und der Bekenntnislogik? -
5.6.1994
Die Lichtgeschwindigkeit ist als Grenze zugleich ein Moment der Beziehungen zwischen thermischen und optischen Erscheinungen. Und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist der Grund der Existenz des Planckschen Wirkungsquantums (und der elektrischen Elementarladung).
Hängt der Rock aus Fellen mit dem Bogen in den Wolken zusammen (und das Feigenblatt mit der Sintflut)? Ist die Farbe ein Schamprodukt (aufgrund ihrer Beziehung zum Licht)?
Die Bewußtlosigkeit unserer Theologie ist der Grund ihrer Selbstzerstörung.
Das Über-Ich ist der Schatten, den das Ich auf das Gewissen wirft. Dagegen richtet sich das vierte Gebot.
Bezieht sich die Frage der Frauen, als sie zum Grabe gingen: „Wer wird uns den Stein wegräumen?“, auf Petrus?
Stecken nicht in dem „leer, gereinigt und geschmückt“ die drei Leugnungen? Und kann man nicht die drei Adjektive ersetzen durch Universum, mundus und kosmos?
In den modernen europäischen Sprachen haben sich die Suffixe, die Grundlage der Konjugationen, zu selbständigen Personalpronomina und Hilfsverben gegen die Verben verselbständigt; zugleich hat sich die sprachliche Gestaltung der Verben verändert, während die Nomen zu Substantiven geworden sind: So hat sich das Ding von der Sache getrennt.
Im griechischen „einai“ wurde das Infinitiv-Suffix zum Sein verselbständigt. Definieren nicht die Infinitivbildungen des Hilfsverbs Sein (der Kopula des Urteils) des Status der Verben in den Sprachen? Das gilt fürs deutsche Sein ebenso wie fürs englische to be (verbale Hypostasierung eines für die Organisation der Sprache zentralen Präfixes: des be-; Zusammenhang mit der den Empirismus fundierenden Logik der englischen Sprache).
Nichts gefährlicher, als wenn einer, der in der christlichen Tradition aufgewachsen ist, die Bibel aus dem Gedächtnis zitiert (sh. Theodor Haecker und Johann Baptist Metz).
Hat Theodor Heuß, ohne es zu wissen, mit dem Begriff der Kollektivscham nicht den parvus error in principio getroffen? Ist diese Kollektivscham nicht der Kern eines Weltbegriffs, der den Anblick aller durch alle fixiert und dem keiner mehr entrinnt; ist sie nicht eine Konsequenz aus der falschen Übersetzung von Joh 129? Seitdem sind die Deutschen auf den Blick und das Urteil „des Auslands“ fixiert, und seitdem verweisen sie zur Selbstentlastung immer wieder darauf, daß sie (die andern Länder) ja auch nicht besser sind.
Ist nicht die Geschichte mit den sieben unreinen Geistern ein Hinweis darauf, daß wer nach der absoluten Untat sich (wie die andern) endlich einmal auch unschuldig fühlen möchte (wie unter anderem auch in der Ökologie-, der Friedensbewegung u.ä.), Gefahr läuft, Opfer noch ärgerer Dinge zu werden? Die Frage ist nicht mehr, wie bleibe ich unschuldig, sondern: wie kann ich produktiv und ohne Selbsttäuschung mit dieser Schuld umgehen? Der Unschuldstrieb endet im Geschwätz und in der projektiven Verarbeitung der Wirklichkeit.
Analyse der politischen Farben: Es gibt die Schwarzen, die Roten, die Gelb-Blauen und die Grünen.
Die Hegelsche Logik ist die konsequenteste Selbstexplikation des durchschlagenen Knotens (des gordischen Knotens, nachdem der Aristotelesschüler Alexander ihn durchschlagen hat). Das Schwert, mit dem dieser Knoten durchschlagen wurde, war das kreisende Flammenschwert des Cherubs vorm Eingang des Paradieses.
Zur Sintflut und zur Arche gehört die doppelte Version der Rettung der Tiere: einmal (so Elohim) sollte von allen Tieren je ein Paar mit in die Arche genommen werden (Gen 619), dann aber (so JHWH) von allen reinen Tieren je sieben, Männchen und Weibchen, von den unreinen Tieren je ein Paar, Männchen und Weibchen, auch von den Vögeln des Himmels je sieben, Männchen und Weibchen (72f). Vgl. hierzu die Bindung Isaaks (Aufforderung zum Sohnesopfer durch Elohim, der Engel JHWHs hält Abraham dann zurück).
Antisemitismus, Xenophobie und Frauenfeindschaft sind die Fundamente der Bekenntnislogik. Was für die Griechen die Barbaren waren, das waren für die Christen die Heiden und die Ketzer (wobei der Islam beides in sich vereinigte, auch wenn der Aquinate sie unter den gentes, den Heiden, subsumierte: Folge der Rezeption des häretischen Elements in der Islamisierung des Christentums, die dann die Ursache für das Ende der häresienbildenden Kräfte im Christentum war).
Gibt es nicht ein Systemprinzip, aus dem
– die Häresien (ihre Abfolge seit der Gnosis) sich ableiten lassen, oder auch
– die Momente des antisemitischen Vorurteils (vom Ritualmord, über den Hostienfrevel und die Brunnenvergiftung, bis hin zur zionistischen Weltverschwörung).
Im Zentrum müßte das projektive Moment und das Schuldverschubsystem (im Kontext der Rezeption der Philosophie, des Ursprungs des Weltbegriffs) stehen.
Das Systemprinzip der Frauenfeindschaft scheint dagegen auf einer anderen Ebene zu liegen: Während Antisemitismus und Fremdenfeindschaft in der Logik des Weltbegriffs liegen, liegt die Frauenfeindschaft dieser Logik zugrunde. Zusammenhang mit dem Kelchsymbol (und seinen Konnotationen)?
Merkwürdige Affinität der Worte Welt und Kelch: Ersetzung der gutturalen Konsonanten durch labial-dentale.
Neben den Etymologien gibt es auch Etymogeleinen. Dazu gehören die „Ableitungen“ von: Sein, Würde, Wasser, Sinn, to be. Und wie ist das eigentlich mit der Heiterkeit und dem Ungetüm? Haben diese Etymogeleien etwas mit dem zweischneidigen Schwert zu tun?
Die Hegelsche Logik wird zur dialektischen Logik durch die Entfaltung der Differenz von Ding und Sache. (Welches griechische Äquivalent gibt es zur lateinischen res? Hat das pragma die gleiche Bedeutung wie die lateinische res?) Der Dingbegriff ist in sich selber theologisch vermittelt; er hat sich aus der Rezeption der Philosophie (der Logik des Weltbegriffs) in der Theologie (bzw. der Weiterbildung und Umgestaltung der Philosophie durch die Theologie, durch Opfertheologie und Bekenntnislogik) ergeben. Insbesondere verdankt sich die Rezeption der Philosophie im Römischen Reich, die Übersetzung der griechischen Kategorien der Metaphysik ins Lateinische durch Tertullian, dem Bedürfnis der Übersetzung der Trinitätslehre.
Voraussetzung für die Entfaltung der Dialektik von Ding uns Sache war die kantische transzendentale Logik, die Hereinnahme des Objekts in die Urteilsform im Kontext der Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung.
Frage: An welchem Ort ist das Vergangene:
– In der Unterwelt,
– in Himmel, Hölle und Fegfeuer,
– in den Bibliotheken oder
– in unserm Kopf?
Aber tun wir nicht alles, das Vergangene zum endgültig Vergangen zu machen (um dem Schuldzusammenhang und der Last der Erinnerung zu entrinnen, zur Absicherung des Inertialsystems und der Naturbeherrschung, zur Konstituierung einer Welt, die nur noch als Reflex des Prinzips der Selbsterhaltung sich manifestiert): Wir halten uns unsere Vergangenheit wie exotische Tiere im Zoo, wie Kunstwerke im Museum, als Mittel der Unterhaltung im abendlichen Fernsehprogramm. Domestiziert im historischen Objektivationsprozeß, zugerichtet zum Objekt des bloßen Zuschauens, der folgenlosen Neugier, neutralisiert zum Panoptikum, fremd und banal wie die Sternenwelt (zu den Folgen der Logik der Schrift gehörte einmal die gemeinsame Entdeckung der Astronomie und der Geschichte).
Berichtigung: Das Absolute ist der Schatten, den das Subjekt auf den Namen Gottes wirft (nicht auf Gott, der jenseits aller Schatten ist).
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28.12.93
Ist der Rock aus Fell, in dem keine Naht ist, der Tierkreis, die vom Himmel sich ablösende Buchrolle?
Der Heilige Geist, der Paraklet, ist in der Tat auch der Tröster, aber der einzige, der der Illusion und des Betrugs nicht bedarf.
Ist Drewermann nicht der lebendige Beweis dafür, daß die Personalisierung (der Konkretismus, der Mechanismus der Verdinglichung: der Weltbegriff) zum Aufdecken der Blöße gehört?
An die Feindesliebe sind bei Mt Konsequenzen geknüpft: „damit ihr Söhne eures Vaters in den Himmeln seid“ (545). Ist die Feindesliebe das Ende der Unzucht?
Die Vorstellung, daß in Jesus die Prophetie, das Wort, sich erfüllt, daß er selbst das Wort ist, ist wahr und unwahr zugleich: Aber das Moment der Unwahrheit daran hat das etablierte Christentum seit je verdrängt, und damit auch die Wahrheit entstellt. Es hat die benennende Kraft des Worts durch die objektivierende, verdinglichende Gewalt der Logik ersetzt.
Waren es nicht die Jünger in Emmaus, denen Jesus erklärte, daß und weshalb alles so kommen mußte?
Der Menschensohn unterscheidet sich dadurch vom Tier (und wird dadurch zum Menschensohn), daß er die Sünde der Welt auf sich nimmt, den Bann der Welt, dem die Tiere verfallen sind, entrinnt.
Die Urteilslust partizipiert durch das Moment der Projektion in ihr an der Exkulpationslust (sie ist Exkulpationslust).
Abraham war ein Hebräer, Josef war ein Hebräer, Judith war eine Hebräerin, Jona war ein Hebräer: Alle waren es als Fremde. Auch Paulus bekennt sich als Hebräer: 2 Kor 1122, Phil 35. Aber vgl. hierzu den falschen (unsensiblen) Gebrauch des Namens der Hebräer in der Einheitsübersetzung und die verräterische Verwechslung der Namen Israelit und Hebräer (und die damit verknüpften antisemitischen Assoziationen) in den „Tag- und Nachtbüchern“ von Theodor Haecker.
Ist das Millenium (als die Geschichte, in der Jesus dem Vater „alles unterwirft“: als Herrschaftsgeschichte des Christentums) der Kelch, von dem Jesus in Getsemane wünschte, er möge an ihm vorübergehen?
Mt 1626: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele“; die ganze Welt: to kosmos holon, die Sünde der Welt: täs hamartias tou kosmou. -
10.07.93
Ist es richtig, daß die Bücher der Könige sich vorrangig auf die israelische, die der Chronik sich auf die judäische Königsgeschichte beziehen? Die isrealische Tradition, die nach Salomo und gegen ihn begründet wird, beruft sich auf Saul, die judäische, die dann die messianische Tradition begründet (Jesus: Das Heil kommt von den Juden), auf David (der den Goliat, Typos des zwar starken, aber dumpfen Heiden, besiegt hat). Die israelische Tradition ist von Anbeginn an eine des Abfalls, die judäische erst seit der Verschwägerung mit dem israelischen Königshaus. -Hat die nachsalomonische Beziehung Israel/Juda etwas mit dem dem Königtum vorausgehenden (und zuletzt in den das Königtum begründenden Kämpfen mit den Philistern erscheinenden) Verhältnis der Namen der Israeliten und Hebräer zu tun? Was bedeutet dieser Paradigmenwechsel? Haben die „Juden“ (die den Namen eines einzelnen Jakobssohnes, eines Stammes, tragen und nicht mehr Namen Abrahams, der als erster „ein Hebräer“ war: den Volksnamen) in der sich stabilisierenden Staatenwelt (und nach dem Verschwinden der restlichen zehn Stämme Israels) das Erbe der Hebräer angetreten, und was drückt sich in diesem Namens- und Statuswechsel aus (Hebräer: Kleinviehnomaden, Sklaven, Söldner; Juden: Objekte des Vorurteils, das mit dem Staat und dem Weltbegriff entspringt, und des Vernichtungswillens)? Welche anderen Namenswechsel gibt es: Abram/Abraham, Jakob/Isaak, Simon/Petrus, Saulus/Paulus?) Haben die „Juden“ etwas mit der Geschichte des Kelchs (und dessen Beziehung zu Babylon: der Name der Juden erscheint als allgemeiner Volksname erstmals bei Esra und Nehemia, nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft) zu tun? – Vgl. die Bemerkungen Michael Hiltons zum Namen der Juden.
Rückt das nicht auch das Jesus-Wort „Das Heil kommt von den Juden“ (sowie den Antisemitismus und Auschwitz) in ein neues Licht? (Vgl. auch Sach 923: So spricht der Herr: In jenen Tagen werden zehn Männer aus Völkern aller Sprachen einen Mann aus Juda (nicht aus Israel, H.H.!) an seinem Gewand fassen, …)
Michael Hilton weist hinsichtlich des Namen der Juden darauf hin: „the term Jewish … was a term which seems to have been used mainly by other people about Jews: the term occurs in the Book of Esther, and was the normal term used by the Romans and in the Gospels. … This implies that the word Jew could bear a sense different from Yisrael. A Yisrael ist somebody who follows the religion of Moses; a Jew is somebody who is part of a social group, who follows the customs of that people.“ (S. 125) Gehört zum Namen der Juden nicht auch die Geschichte mit Juda und Tamar?
Der jüdisch-christliche Dialog ist kein Stellvertreter-Dialog: Unsere „Dialog-Partner“ sind die Ermordeten von Auschwitz, d.h.: außer den Ermordeten haben wir keine. Bezieht sich nicht darauf das Wort von der notwendigen Versöhnung mit der Bruder, bevor du zum Opfer gehst, und ist nicht daran das unendliche Gewicht zu ermessen, das dieses Wort nach Auschwitz bekommen hat? Daran hängt in der Tat die ganze Weltgeschichte.
Sind die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn wiederkehrt, die Wolken von Zeugen (Hebr 121): die Märtyrer (und die Geringsten seiner Brüder)?
In den Tag- und Nachtbüchern Theodor Haeckers gibt es eine schlimme Stelle, an der er auf eine vorgebliche Ausnahme von der Regel, daß „in den Evangelien niemand in solcher Art (sc. welche Augen, welche Haare, welche Nase die Person einer Geschichte hat) beschrieben“ werde, hinweist: „Die einzige Ausnahme macht gewissermaßen Christus selber, da er einen seiner Jünger, ganz allgemein freilich, als echten Hebräer (sic!) anspricht, im Äußeren schon (sic!). Das setzt aber doch voraus, daß man sich über den Typus eines echten Hebräers durchaus im klaren war.“ (S. 50f) Dieser Hinweis kann sich nur auf die Berufung des Natanael (Joh 145ff) beziehen, den Jesus aber nicht einen echten Hebräer, sondern einen „echten Israeliten, einen Mann ohne Falschheit“ nennt. Spielt hier nicht der herrschende Antisemitismus dem Theodor Haecker einen nun wirklich entsetzlichen Streich, wenn er den Israeliten durch einen Hebräer ersetzt und diesen dann umstandslos auf sein „Äußeres“ reduziert: Wer „sich über den Typus eines echten Hebräers durchaus im klaren“ ist, kann nur die antisemitische Karikatur im Kopf haben. Daß einer, der im übrigen die Ereignisse der Zeit mit so großer Sensibilität beschreibt, selber zum Opfer der schlimmsten Vorurteile dieser Zeit geworden ist, ist entsetzlich. Aber vergleiche hierzu die ähnlichen Stellen:
– S. 62: „… sind die Juden niemals Philosophen, Dichter, Maler, Bildhauer, Architekten ja nicht einmal Techniker gewesen“;
– S. 77: „Den alten Juden wurde von Gott das Recht gegeben, Palästina zu erobern und Völker zu vernichten oder zu entrechten. Wir dürfen annehmen, daß diese Völker entartet waren …“;
– S. 113f, über die Auferstehungslehre des Paulus: „Das ist die brutale Lehre eines fleischlichen Juden, der die Seligkeit ohne Verbindung mit dem Leibe sich nicht vorstellen kann“.
Ist das nicht alles auch christliches Traditionsgut, das Theodor Haecker hier unreflektiert wiedergibt? Aber daß Theodor Haecker gleichwohl ein wirklicher Theologe war, beweist der Satz: Man soll und darf nur sich selber den Vorwurf machen, daß man kein Heiliger ist, beileibe keinem anderen (S. 305).
Ein schlimmer Satz: Was geht’s mich an, was in der Welt vor sich geht, solange meine eigene Seele noch nicht heil ist? (Theodor Haecker, S. 239) Aber nach dem vorhergehenden Text ist klar: Es ist ein verzweifelter Satz.
Durch ihre Verfolgung der Juden nähern sich nämlich die Deutschen innerlich immer mehr den Juden und ihrem Schicksal an. (S. 243f)
Was aber, wenn das offenbare Scheusal (nämlich Hitler) doch nur der uns gnädig vorgehaltene Spiegel wäre, der mit exzeptioneller Schamlosigkeit und Aufrichtigkeit genau wiedergibt, wie wir in Wahrheit sind und vor Gott aussehen? Was dann? (S. 262)
Gründet nicht das Problem Theodor Haeckers darin, daß er an der hierarchischen Struktur der Wahrheit und der Kirche festhält, zugleich aber mit größter Sensibilität das Grauen und die Gemeinheit notiert: Er ist nicht bereit, den Faschismus als eine Krankheit am Leib der Kirche selber zu begreifen. Enthüllen sich nicht die hierarchischen Strukturen am Ende als die sieben unreinen Geister?
Zum Titel „Tag- und Nachtbücher“:
– Er von stammt Theodor Haecker selbst (sh. S. 11).
– Klingen nicht die Tage und Nächte der Schöpfungsgeschichte (als Begründung des hierarchischen Begriffs der Wahrheit) mit an?
– Ist es ein Zufall, daß Johannes vom Kreuz (den Edith Stein übersetzt hat) zitiert wird?
– Ist es nicht ein letzter Versuch, Licht und Finsternis zu scheiden?
Läßt sich nicht an den Tag- und Nachtbüchern Haeckers ablesen, was der Faschismus für die Kirche wirklich bedeutet hat, und wie weit die Kirche, trotz aller Kritik und Distanz zum Nationalsozialismus, in diese Dinge verstrickt war. Hier scheint der Grund zu liegen, der bis heute die innerkirchliche Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit unmöglich gemacht und die entsetzliche Verwirrung, die nach dem Kriege immer deutlicher geworden ist, verursacht hat.
Lingua latina: die lateinische Sprache.
Ist der Begriff des Substantivs (in dem das Verb als Begriff das Nomen überwunden, besiegt hat, statt das Nomen in das eigene und sich selbst ins Licht des Namens zu rücken: Produkt der verdinglichten Grammatik und Denkmal der abgestorbenen benennenden Kraft der Sprache) antisemitisch?
Drückt nicht das Schematismus-Kapitel bei Kant aufs genaueste den logischen Zusammenhang der subjektiven Form der inneren Anschauung mit dem Ursprung und der Geschichte des Nominalismus aus: die Selbstzerstörung und Substitution des Hörens durch die Gewalt der Vorstellung einer homogenen Zeit.
An den Vorgängen von Bad Kleinen wird sich erweisen, wie weit das Prinzip des Aussitzens sich in diesem Lande der unbegrenzten Zumutbarkeiten durchhalten läßt.
Bei einem Systemfehler hilft kein Auswechseln der Personen mehr, sondern nur noch das insistente Nachfragen und das Bestehen darauf, daß der Vorgang aufgeklärt und die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen werden.
Wird das deutsche Volk nicht immer mehr zur Inkarnation des Weltbegriffs (Folge seiner ambivalenten Beziehung zur Welt, zum Ausland, zur Geschichte)? -
09.07.93
„Auch das Grübeln ist nicht nicht die echte Kontemplation, wahrlich nicht! Meist ist dies ein Starren ins Nichts, er sieht ein Loch in die Wand. Aber das ist nur das dämonische Gegenspiel der Kontemplation. Diese wächst in die Fülle, sie konzentriert sich nicht auf einen Punkt, der ein Loch ist.“ (Haecker, S. 209f) Diese Bemerkung über das Grübeln wäre auf dessen realen Grund zu verweisen: Grübeln ist die Kontemplation des verdinglichten Bewußtseins. Das Loch in der Wand ist der Repräsentant des apriorischen Objekts, Folge der Unfähigkeit, den Objektbegriff, seinen projektiven Charakter selber noch zu reflektieren. Aber wird nicht auch das Grübeln noch produktiv (und die Kontemplation zur Erinnerungsarbeit), wenn mit dem Loch auch die Wand zum Gegenstand gemacht wird?
Heute, wenn ihr seine Stimme hört: Der Aktualitätsbezug der Theologie ist nur über den Aktualitätsbezug der Schrift (das Hören über das Lesen) zu gewinnen.
Zu den sieben unreinen Geistern: Ist nicht das verdinglichte Bekenntnis am Ende das leere, gereinigte und geschmückte Haus? Und ist nicht das Schmücken heute eine der Lieblingsbeschäftigungen unserer Theologen, und zwar eine zwangshafte?
Zur kantischen Definition von Natur und Welt: Wenn die Welt der Inbegriff aller Begriffe und die Natur der Inbegriff aller Objekte von Begriffen ist, dann schließt das mit ein, daß die Trennung von Natur und Welt den Sprachzusammenhang zwischen der Sache und dem Denken durchtrennt und zugleich unüberbrückbar macht. Im Kontext dieser beiden Begriffe bleibt die Sprache der Dinge unerhört, werden die Dinge durch unsere Sprache nicht mehr erreicht. Vielleicht wird in diesem Zusammenhang deutlicher, was die beiden Sätze meinen: Der Weltbegriff leugnet die Schöpfung, der Naturbegriff die Auferstehung.
Zum Begriff der Prophetie: Als die Menschen das Gehorchen lernten, haben sie das Hören verlernt.
Die Gottesfurcht ist das Ende der Furcht vor der Welt (auf die das biblische „Fürchtet euch nicht“ sich bezieht): das Ende der heideggerschen objektlosen Angst. -
08.07.93
Wie hängt die Gottesfurcht mit dem „Fürchtet euch nicht“ in der Schrift zusammen (unter anderem der Engel in den Evangelien; welcher Engel in welchen Evangelien? und welche Engel erschienen wem im Traum)? Gibt es einen Zusammenhang mit der Dämonenaustreibung?
Hat nicht das etablierte Christentum die Befreiung durch Gottesfurcht umgedeutet in eine Befreiung von der Gottesfurcht, und zwar aufgrund und in Zusammenhang mit der Rezeption des Weltbegriffs (durch das verhängnisvolle Konstrukt der „Entsühnung der Welt“)?
Die Wahrheit hat einen Zeitkern, der durch die Vorstellung der homogenen Zeit unkenntlich gemacht und verdrängt wird.
Die Entdeckung und Entfaltung der Raummetaphorik im Begriff der Umkehr ist der Schlüssel zur Kritik der Naturwissenschaften und des Weltbegriffs sowie zur Rekonstruktion eines theologischen Erkenntnisbegriffs.
Enthält die Rosenzweigsche Bejahung des Ja und Verneinung des Nein, die als Differenzierung des Hegelschen Begriffs der Aufhebung sich verstehen lassen, nicht eine Beziehung zur Zeit: Die Bejahung des Ja bezieht sich vorrangig auf das Moment der Zukunft, die Verneinung des Nein auf die Vergangenheit. Das Ergebnis ist in beiden Fällen ein Positives, aber die beiden Positiva sind nicht identisch, sondern deutlich unterschieden und durch das „Und“ auf einander bezogen.
Gibt es (im Hinblick auf die Konstruktion des Stern der Erlösung) nicht eine besondere Beziehung
– der Gottesfurcht zu Gott und zum Tod,
– der Umkehr zur Welt und zur Schuld und
– der Nachfolge zum Menschen und zur Sünde?
Hängt nicht das Rätsel des Christentums (das Rätsel, das das Christentum für sich selber ist) am Namen des Logos zu bestimmen (sic, B.H.): an der Beziehung des Logos, des Verbum, des Worts zum Namen? Erinnert das Verhältnis des Sohnes zum Vater nicht an die Rückbeziehung des Logos zum Namen, die allein den Namen des Logos aus den philosophischen Logos-Spekulationen zu befreien vermag? Das Christentum ist der Versuch, den Namen, die benennende Kraft der Sprache in die entfaltete, flektierende Sprache hinein zu retten, und hier gewinnen Joh 129 und die damit zusammenhängenden Stellen (die Übernahme und, nach dem Hebräerbrief, das Opfer der Sünde) ihre zentrale Bedeutung: Das Verbum löst sich aus der Verstrickung in den Begriff und gewinnt seine benennende Kraft zurück durch die Schuldreflexion, durch die „Übernahme der Sünden der Welt“. Umgekehrt: Durch die Sünden der Welt wird das Verbum, der Logos, zum Begriff, wird das Wort leer und stumm, zum flatus vocis. Das Wort ist das Lamm, das stumm zur Schlachtbank geführt wird, und der Kelch, den wir trinken müssen (bis zur Neige: zum Grund der Trunkenheit).
Der Name wird erinnert im homologein, in dem, was dann als Bekenntnis des Namens in der Schrift benannt wird: Hier und nur hier findet das Dogma von der homoousia seinen Grund und seine Wahrheit. Beide, das „Bekenntnis“ und die homoousia, gehören zum Nachfolgegebot, nicht in eine „Wesens“-Philosophie.
Es ist wahr, daß an der Trinitätslehre die gesamte christliche Theologie hängt, aber diese Trinitätslehre wird eher durch Gottesfurcht, Nachfolge und Umkehr als durch die abstrakte, verdinglichte Beziehung dreier „Personen“ repräsentiert. Ist nicht der Begriff der Zeugung in der Trinitäslehre mit der ungeheuren Zweideutigkeit belastet, die ohne das Moment der Umkehr zur Pädophilie, zum Inzest, zur Sodomie, m.e.W. polymorph pervers wird.
Erst wenn die Theologie von ihrer verdinglichten Gestalt befreit wird, wenn sie die Sprachreflexion in sich mit aufnimmt, die allein dem Logos angemessen ist, wird sie als ein Instrument der Gotteserkenntnis sich erweisen.
Hat nicht der Kreuzestod mit dem Futur II, dem Erleiden der zukünftigen Vergangenheit, zu tun? Ist er nicht auch, was ihn nicht abwertet noch verharmlost, etwas, was in die Beziehung des Verbs zum Nomen (in den Ursprung des Neutrum) mit hereinspielt, und ist nicht der Begriff des Substantivs der Greuel am heiligen Ort?
Gott will nicht, daß das Wort leer zu ihm zurückkehrt (Jes 5511): Ist das nicht die schärfste Kritik der Verhärtung des Herzens, des Begriffs und der Welt? Und ist es nicht die Kehrseite (und Voraussetzung) des andern Satzes: Heute, wenn ihr seine Stimme hört (Ps 957).
Ist das Brüllen Hitlers (Th. Haecker: Tag- und Nachtbücher) nicht eine Folge der Großschreibung der Substantive im Deutschen?
Zum Namen des Logos: Ist die Sprachgeschichte nicht in erster Linie eine Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung der Konjugationen, und erst in Abhängigkeit davon eine Geschichte des Ursprung und der Entfaltung der Deklinationen (und des Ursprungs des Neutrums: der Schlange)?
Zu den „drei Säulen“, auf die Paulus sich gelegentlich bezieht: Jakobus, Petrus und Johannes. Petrus ist klar; Johannes ist der „Lieblingsjünger“ Jesu, der Evangelist, der Verfasser der Apokalypse; aber wer ist Jakobus:
– (wie Johannes) einer der Söhne des Zebedäus (dieser Jakobus wurde von König Herodes Agrippa I. um 44 in Jerusalem „mit dem Schwert“ hingerichtet – Apg 121),
– der andere Apostel (der Sohn des Alphäus), oder
– der Herrenbruder (und Bruder des Judas, des Briefschreibers), der „Gerechte“, der „Bischof“ von Jerusalem?
„Hinrichtung“: Ist die Sensibilität der Menschen heute (in amnesty international, in der Ökologie- und Friedensbewegung, bei den Grünen) nicht doch auch ein Stück Alibi-Handlung, Manifestation eines ungeheuren Exkulpationsbedürfnisses? Steckt darin nicht das unaufgeklärte Gefühl einer ungeheuren Schuld, die Horkheimer einmal mit dem „Riesen-Leichenberg“, bezeichnet hat, „auf dem wir stehen“: gleichsam ein Stück verdrängter Gottesfurcht?
Frage: Wie lange ist diese Verdrängung des Vergangenen, die unser Bewußtsein konstituiert und prägt: wie lange ist der Weltbegriff noch durchzuhalten?
Wie ist das in der Urgeschichte Israels, mit den Geschichte von Exodus, Wüstenwanderung und vor allem Landnahme, mit der Tradition der Eroberung und Vernichtung der Städte (Jericho, Ai), der Kriege gegen Amalek: Ist hieran nicht zu studieren, was Realsymbolik zu nennen wäre, und wodurch sich diese von der säkularisierten Geschichtsschreibung unterscheidet? Und gehören diese Dinge nicht eher in den Kontext gesellschaftlicher Naturkatastrophen als in den der historische Politik-Kritik? Im sogenannten Alten Testament werden diese Dinge noch beim Namen genannt, während die christliche Kirchengeschichte zwar voll von den gleichen (und schlimmeren) Dingen ist, sie aber zugleich „schamvoll“ verschweigt oder – wie der neue Katechismus – zu „bedauerlichen Vorkommnissen“ verharmlost. -
06.07.93
Gründet nicht jede Verführung in der Täuschung über den Zweck oder das Ziel einer Handlung, und betrifft der Hegelsche Begriff der List nicht präzise einen Zustand, der durch eine eingebaute Verführungsautomatik (durch die „List der Vernunft“) sich definieren läßt (Systemgrund des Inertialsystems und des Kapitalismus: das Trägheitsprinzip und die Lohnarbeit)? – Vergegenständlichung der Verführung in den Naturwissenschaften (Begriff des Schuldzusammenhangs). Gründet nicht die Kritik der Teleologie und die Etablierung des Kausalprinzips (Trennung von Freiheit und Natur, die durch das liberum arbitrium und die Ausbildung der Raumvorstellung unkenntlich gemacht worden ist) in diesem Sachverhalt, und sind nicht alle Herrschaftsstrukturen Verführungsstrukturen (mit der Grundlage jeglicher Verführung in der Verwirrung)? In der Instrumentalisierung vollendet sich die Verführung (biblischer Begriff des Staubs: die staubfressende Schlange), wird sie zugleich unaufhebbar und undurchschaubar.
Kant, der die Autonomie und den Grundsatz, daß man Menschen niemals nur als Mittel, sondern immer zugleich auch als Zweck ansehen müsse, ins Zentrum seiner Philosophie gestellt hatte, hätte den hegelschen Begriff einer „List der Vernunft“, der die Menschheit zum Material der Weltgeschichte macht, niemals akzeptiert. Aber schließt nicht der kantische Begriff der Autonomie, so gesehen, die Gottesfurcht und die emphatische Idee der Auferstehung der Toten, die Idee einer Sprengung des Naturbegriffs, mit ein?
Ist der Hinweis Jesu, daß dem Opfer die Versöhnung mit dem Bruder vorauszugehen habe, nicht eine Hilfe und ein Schutz gegen die Vorstellung des Sühneopfers, gegen das projektive Element in der traditionellen Opfervorstellung?
Zur Kritik der Wirtschaftswissenschaften: Die Beschränkung der Wirtschaftswissenschaften auf den instrumentalen Aspekt, deren Modell die Naturwissenschaften sind, reduziert die Realität auf den Blickwinkel des Eigeninteresses, verdrängt die Kehrseite der Medaille: die Verachtung der Armen und den Fremdenhaß.
Die Theologie wird erst dann vom Bann befreit, wenn sie die Aktualität der (christologisch verdrängten) Prophetie zurückgewinnt.
Der Schrecken Isaaks und der Schrecken um und um (Jer): Unterscheiden sich nicht Philosophie und Prophetie dadurch, daß die Philosophie versucht hat, aus der Objektseite dieses Schreckens (des „Schicksals“) herauszutreten und sich zu seinem Subjekt hat machen wollen (Ursprung des Weltbegriffs), während die Prophetie auf der Objektseite verharrt, dem Schrecken (der Gottesfurcht) standzuhalten trachtet.
Bezeichnet das Symbolon nicht die Bruchstelle, an der sich der Weltzustand auf die Erlösung (die Erde auf den „Himmel“) bezieht, und läßt sich diese Bruchstelle heute nicht erstmals näher bestimmen als Todesgrenze (Grenze der Gegenwart zur Vergangenheit)? Ist diese Todesgrenze nicht (ähnlich wie im Stern der Erlösung das Nichts) als dreifache Grenze zu bestimmen:
– Der Raum oder das Inertialsystem,
– das Geld und der Klassenkampf als logische Kategorie sowie
– der Begriff, das Bekenntnis oder die hegelsche Logik,
als Verblendungs-, Schuld- und Herrschaftszusammenhang.
Der Kelch von Gethsemane: ist das nicht die Übernahme der Schuld der Welt? Und ist das nicht der gleiche Kelch, zu dem Jesus die Jünger zunächst fragt, ob sie ihn werden trinken können, dann aber sofort bestätigend anfügt, daß sie ihn trinken werden.
Theodor Haecker: Tag- und Nachtbücher:
– Die Revolution, die das Christentum gebracht hat, ist die des Wie. (S. 17) Dazu: Gottes Offenbarung ist eine Revolution der Mittel, die der Mensch anwenden soll, um zum Heil zu kommen. (S. 21)
– Bemerkenswerter Hinweis auf die – heute fast irreversibel um sich greifende – falsche Sprachwendung „Sich irren“. Man kann „sich täuschen“ (oder sich schämen und sich verirren) und man kann irren, aber man kann nicht „sich irren“. (S. 25) Wer sagt: ich habe mich geirrt, wählt den schuldneutralen, exkulpierenden Ausdruck (Grund für Heideggers Satz „Wer groß denkt, muß groß irren“?). Das „Sich täuschen“ macht die mangelnde Einsicht zur einer selbst zu verantwortenden Tat (und ist die Grundlage der kantischen „selbstverschuldeten Unmündigkeit“, zu der es im Deutschen keine Alternative gibt). Das Sich Irren hingegen ist Ausdruck einer Ich-Fremdheit, die das Ich selber (als transzendentales Subjekt) als Moment im allgemeinen Schuldzusammenhang erkennt. Wo Gewalt in Wissenschaft und Politik aus immanenten logischen Gründen die Logik zerstört, ist das transzendentale Subjekt nicht mehr zu halten: da kann „ich mich irren“ (weil es ein Ich, das sich täuschen könnte, nicht mehr gibt, sondern nur noch vergesellschaftete, subjektlose Subjekte)! Nirgend ist die unaufgearbeitete Vergangenheit deutlicher zu erkennen als in solchen sprachlichen Konstrukten. -Aber kann die Wendung „Ich habe mich geirrt“ nicht auch bedeuten, daß heute vom Irrtum das aktive, schuldhafte Moment, das Moment der Zurechenbarkeit, nicht mehr wegzuwischen ist? Es gibt für den Irrtum wie für alle anderen -tümer (Christen-, Heiden-, Juden-, Volks-, Reichtum) keine Entschuldigung mehr. Das alles sind Irrtümer, die zum Bereich der kantischen „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ gehören und nicht mehr exkulpationsfähig sind. Die Möglichkeit, Schuld durch Naturalisierung abzuwälzen, hat ihre Grenze erreicht. Die Unschuldsfalle ist zugeschnappt (das Substantiv ist der Greuel am heiligen Ort).
– Nach Theodor Haecker ist Deutschland das Land, in dem Lächerlichkeit nicht tötet, sondern nur stur macht. (S. 32) Deutlicher kann man die Wirkungslosigkeit des Kabaretts in D. nicht bezeichnen. Aber wo liegt der Grund dieses Phänomens?
– Die rechte Unterscheidung zwischen echter Schuld und Nichtschuld ist eine große und unumgängliche Aufgabe der Zukunft. Das Ausgeben von Naturnotwendigkeiten für Schuld kann soviel Unheil anrichten wie das umgekehrte Ausgeben und kann zu Leugnung von Schuld überhaupt führen. Man muß einräumen, daß wir in einer großen Unwissenheit und Unsicherheit leben. (S. 33, Hervorhebung H.H.)
– Propaganda: Die Dinge dieser Welt können trotz einer ungeheuren Belastung mit Lügen erstaunlich lange Zeit weiterlaufen, ohne zusammenzubrechen, ja sie scheinen gestärkt zu werden. Das ist unheimlich und eine große Versuchung für den Geist, an der entscheidenden Bedeutung der Wahrheit für das Geschehen in der Welt zu zweifeln. Aber es ist doch nur eine Versuchung: im Innersten des Geistes ist eine Gewißheit, daß die Lüge einen Menschen und also auch ein Volk vernichtet. (S. 43)
– Was einem am kältesten ans Herz greift, ist der geistige Zustand und das Gebaren der deutschen Richter. Sie verurteilen einen Menschen, der einem Polen ein Glas Bier bezahlt hat, zu Gefängnis. Das ist furchtbar. (ebd.)
– Die deutsche Herrgott-Religion (S. 47 u.ö.).
– Der Zustand dieser Welt ist ohne das Böse, und zwar dessen Macht, gar nicht zu verstehen. (S. 53)
– Die Religion des deutschen Herrgotts ist die Religion des steinernen Herzens. (S. 55)
– Die Deutschen werden nicht durch Menschenkraft besiegt werden, Sie sind das stärkste und furchtbarste Volk der Erde. Sie werden von Gott selber besiegt werden, ach, wahrscheinlich ohne es zu merken. (S. 73)
– Der „Terror“ ist eine Erfindung abgefallener Geister. (S. 103)
– So würde ich im Augenblick ganz gerne wissen, wann eigentlich zum erstenmal die „Geschichte“ als richtende Gottheit angerufen wurde. … Ehe es soweit kommen konnte, mußte etwas passiert sein. Was war das? (S. 137)
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie