Die gelegentliche Bemerkung Emmanuel Levinas‘, daß alle Gewissensprobleme apriorische Probleme sind (Vier Talmud-Lesungen, S. 118), ist eine schlagende Widerlegung jedes affirmativen Verständnisses der transzendentalen Logik. Sie wirft ein Licht auf die Gründe des „Grübelns“: auf das sinnlose Kreisen in dem Raum einer apriorischen Logik (das nicht zufällig dem sinnlosen Kreisen gleicht, in dem das kopernikanischen System die Planeten gefangen hält – hat die „Venus-Katastrophe“ vielleicht etwas mit der Katastrophe des Ursprungs der Sexualmoral zu tun?), aber auch auf das großartige Wort Kants, das das moralische Gesetz in mir zum Sternenhimmel über mir in Beziehung setzt. Wäre es möglich, daß diese Bemerkung das Rätsel der Gravitation löst: ist das Licht das durchs Gravitationsgesetz verschlossene Innere der Schwerkraft (vgl. die Jesaia-Stelle über das Licht und die Finsternis)?
Auf den gleichen Zusammenhang bezieht sich das Wort Adornos, daß heute alle sich ungeliebt fühlen, weil keiner zu lieben mehr fähig ist.
„Ihr seid das Licht der Welt“: das Licht, das in jeder Epoche durch Reflexion der Finsternis (der „Sünde der Welt“) der Finsternis neu abzuringen ist.
Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hat das Objekt der naturwissenschaftlichen Erkenntnis sich verschoben: Im kopernikanisch-newtonschen System kreisen die Planeten um die Sonne (um das Gravitationszentrum), in der speziellen Realtivitätstheorie Einsteins kreist das Inertialsystem um die Lichtgeschwindigkeit (ist nicht das Licht die aufgehobene Schwerkraft?). Die Gleichungen der Lorentz-Transformation sind die Gravitationsgleichungen, die dieses Kreisen beherrschen.
In diesen Kontext gehört der Hinweis von Levinas, daß das Gesicht des Andern das Gebot „Du sollst nicht töten“ verkörpert (das gleiche Gesicht, das den absoluten Charakter der subjektiven Formen der Anschauung, der in der Abstraktion vom Blick des Andern gründet, und damit die Vorstellung der unendlichen Ausdehnung des Raumes und das kopernikanisch-newtonsche System widerlegt).
Auch die Kirche steht in der Tradition Babels: Ist nicht die Ursprungsgeschichte des Dogmas und die Geschichte der Orthodoxie ein spätes Echo der babylonischen Sprachverwirrung?
Das Feigenblatt, Ochs und Esel: Gehören sie nicht zu dem Vorgang, in dem das Besserwissen sich vor die Erkenntnis schiebt?
Inquisition: Ebenso schlimm wie die direkte Zerstörung des Vertrauens (die „wissende“ Kinder hervorbringt) ist der Mißbrauch des Vertrauens: der Kindern, die man selber schamlos belügt, zugleich das Lügen verbietet. Ist die Naturerkenntnis, die unterm Apriori der subjektiven Formen der Anschauung steht, das Paradigma eines solchen „Mißbrauchs des Vertrauens“, sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung eine Verkörperung dieses Mißbrauchs?
Die Kritik der reinen Vernunft verbindet die Begründung der naturwissenschaftlichen Erkenntnis mit der Kritik dieser Erkenntnis. Die Beziehung von Begründung und Kritik erscheint im System in der Unterscheidung und Trennung der Kritik der Urteilskraft von der Kritik der reinen Vernunft. In der Wirkungsgeschichte Kants scheint allein das Moment der Begründung der naturwissenschaftlichen Erkenntnis sich durchgesetzt zu haben, während das Motiv der Kritik angesichts der überwältigenden Erfolge der Naturwissenschaften verdrängt und vergessen wurde (vorbereitet wurde das in der Hegelschen Instrumentalisierung der Kritik, die es ihm ermöglichte, sie mit dem erkenntnisbegründenden Teil der kantischen Vernunftkritik zu verschmelzen und die neue Form der Einheit beider als Dialektik zu domestizieren).
Kritik wird durch Instrumentalisierung zur Komplizenschaft.
Hegel
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28.12.95
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26.12.95
Für den „Leidenskelch“, von dem Bedenbender gelegentlich spricht, gibt es zwei neutestamentliche Belegstellen: die Getsemane-Geschichte und die Stelle, an der Jesus den Jakobus fragt, ob Jakobus den Kelch trinken könne, den er, Jesus, wird trinken müssen. Aber meinen diese Stellen nicht eigentlich etwas anderes: Ist der „Leidenskelch“ nicht in Wahrheit der Taumelkelch, der Kelch des göttlichen Zorns und Grimms, am Ende der Unzuchtsbecher: Symbol der Geschichte des Herrendenkens (der Taumelkelch ist der Kelch, den die Herrschenden trinken, der sie besoffen macht; vgl. Hegels Definition des Wahren in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes, Theorie-Werkausgabe, S. 46)?
Zur Jotham-Fabel: Der Feigenbaum ist ein Symbol des Friedens (das Sitzen unterm Feigenbaum). Die Dornen und Disteln wachsen in der Wüste (mit der Wüste als Symbol der wachsenden Herrschaft des Äußeren über das Innere: der Geschichte des Weltbegriffs).
Verweist nicht der strafrechtliche Begriff des Mordes auf eine merkwürdige Über-Kreuz-Verschiebung (ursprünglich verweist das lateinische mors, aus dem der Begriff des Mordes sich herleitet, auf das subjektlose Sterben, während der Begriff des Todes auf ein Töten durch einen andern zurückweist)? Im Begriff des Mords ist nicht mehr die Tat, sondern der Täter das eigentlich definierende Moment: in ihn ist das Moment der Konkurrenz zum Staat mit eingegangen, das den Mord zum Mord und den anderen Tod zu einem neutralen Ereignis, einem Naturereignis, gemacht hat (darin spiegelt sich die Beziehung des Ursprungs und der Geschichte des Staats zum Ursprung und zur Geschichte des Naturbegriffs).
Gehört nicht das strafrechtliche Konstrukt des Mörders zu den logischen Bedingungen des Objektbegriffs, fällt es nicht unter die Kritik der Verdinglichung? Die Begründung einer Eigenschaft durch eine vergangene Tat, die zugleich verurteilt wird (die Begründung der Eigenschaft und des Dings in der Logik der Verurteilung): Steht dagegen nicht Joh 129, die Forderung der Übernahme der Sünde Adams, die den christlichen Namen begründet? Es gibt keine Theologie ohne die so begriffene Idee der Erbsünde: Die Sünde der Welt ist die Erbsünde (und die Taufe, die „von der Erbsünde befreit“, das Symbol der Erfüllung des Nachfolgegebots).
Die Theologie im Angesicht Gottes gründet in der Erinnerung des Paradieses.
Im Gegensatz zum Gott der Philosophen ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs einer, den etwas gereut: der lernfähig ist. Diese Lernfähigkeit gehört zu den Attributen Gottes, die im Imperativ, nicht im Indikativ stehen.
Die kantische Vernunftkritik hat (als Kritik des Wissens) die Idee eines „allwissenden“ Gottes widerlegt; sie hat damit eine Gottesvorstellung widerlegt, zu deren Konsequenzen die Leugnung der Lernfähigkeit: die Leugnung des Attributs der Barmherzigkeit, gehört.
Der aristotelische Gott war der „erste Beweger“; den „allwissenden“ Gott hingegen haben die Muslime erfunden, die dann konsequenterweise aus der Barmherzigkeit Gottes seine unterschiedslose „Allbarmherzigkeit“ gemacht haben.
Gott ist nicht allwissend, er sieht ins Herz der Menschen (das ist das Feuer, das Jesus vom Himmel bringen wollte, und er wollte, es brennte schon).
Die InfoAG gleicht darin dem Gericht sich an, daß sie die Beziehung der „Kirchenleute“ zur Angeklagten zu diskriminieren versucht, ihnen in ähnlicher Weise wie das Gericht Hubertus Janssen unterstellt, er unterstütze die raf, den Verdacht, „objektiv“ für den VS zu arbeiten, anzuhängen versucht. Beide Konstrukte sind paranoid, beide arbeiten nach der Methode der Umkehr der Beweislast: der Ankläger braucht seine Unterstellung nicht zu begründen, der Beschuldigte soll seine Unschuld beweisen. Beide machen Gebrauch von dem Satz, wonach Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist.
Das Feinddenken und die Ausgrenzung und Diskriminierung des Verräters sind, weiß Gott, nicht unbegründet, sie sollten aber reflexionsfähig gehalten werden, weil sie anders in eine Logik hineinführen, die am Ende als Logik der Identifikation mit dem Aggressor sich erweist. Diese Logik ist die Logik des Staates, die es zu durchbrechen gilt.
Die Bekenntnislogik hat einen paranoiden Kern.
Der Begriff der Erscheinung erinnert nicht zufällig an den Bereich des Gespenstischen: Sind nicht die neutestamentlichen Dämonen Vorläufer der Naturwissenschaften (in deren Bann die Welt insgesamt heute steht)?
Hegel hat den kantischen Kritikbegriff vergegenständlicht (ins Vergangene transformiert), ihn in den Begriff der Objektivität selbst hineingetrieben, wo er dann in der Idee des Weltgerichts sich verkörpert. So ist Kritik zu einer im Interesse der Herrschaft instrumentalisierten und domestizierten Kritik geworden. Dieser Kritikbegriff hat die Dialektik begründet, er ersetzt Solidarität durch Komplizenschaft. Er hat den Erkenntnisbegriff durch ein eingebautes Freund-Feind-Denken vergiftet.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit läßt auch eine Interpretation zu, in der die Lichtgeschwindigkeit selber als unendliche Geschwindigkeit sich erweist, während die schlechte Unendlichkeit der räumlichen Ausdehnung (und mit ihr das die Raumvorstellung konstituierende Prinzip der Gleichzeitkeit) auf die Logik der Zeitumkehr, der im Objekt nichts entspricht, zurückweist. Nur im Kontext dieser Logik, die die Vorstellung des Zeitkontinuums begründet (die Zukunft zu einer zukünftig vergangenen Zukunft macht), sind die Richtungen des Raumes reversibel. Die Logik der Zeitumkehr verwirft die Idee der Rettung, sie macht den katastrophischen Lauf der Geschichte unumkehrbar. In den indoeuropäischen Sprachen beherrscht diese Logik über die Formen der Konjugation (insbesondere über das Präsens und über den darin fundierten Ursprung des dritten Geschlechts, des Neutrums) die Grammatik (in der Geschichte vom Sündenfall symbolisiert die Schlange das Neutrum). Die Logik der Zeitumkehr ist der Kern der Logik der Schrift.
Zum Verständnis der „subjektiven Formen der Anschauung“: Ein Kind, das etwa 20 m hinter seiner Mutter hergeht, blickt mich, als ich ihm begegne, ganz kurz aus seinen Augenwinkeln an, senkt dann seinen Blick, verschließt sein Gesicht und drückt so seine Weigerung aus, aus dem Status des Objekts meiner Anschauung (dem Status des räumlichen Objekts) herauszutreten und mit mir, und sei es nur durch den Blick, zu kommunizieren.
Es gibt nichts Neues unter Sonne (Kohelet): Es ist die gleiche Sonne, die Homer und die uns bescheint, aber es sind nicht die gleichen Sterne.
Gehört nicht das Auftreten der Ehrenbataillone beim Empfang fremder Staatsmänner im Fernsehen ebenso zu den Formen der politischen Verdummung wie der Auftritt der MP- und Schußwesten-bewehrten Polizeibeamten beim Hogefeld-Prozeß? In beiden Fällen verselbständigt sich die öffentliche Demonstration gegen das, was wirklich dort passiert (und gegen die Öffentlichkeit abgeschirmt werden soll). Dieser Prozeß darf nicht einmal mehr ein Schauprozeß sein, weil er sich damit selbst entlarven würde. Daß Justitia eine Binde vor den Augen trägt, heißt, daß sie ohne Ansehen der Person urteilt (sie soll nicht den Rang der Person, sondern nur die Tat vor Augen haben). Dieser Grundsatz jeden rechtsstaatlichen Verfahrens wird suspendiert, wenn statt des Angeklagten ein Feind zum Gegenstand des Verfahrens wird.
Zu den Konstruktionsprinzipien synthetischer Urteile apriori gehört das Prinzip der Austauschbarkeit, der Reversibilität von Subjekt und Prädikat. Im Rahmen dieser Logik begründet der Satz „Alle Mörder sind Staatsfeinde“ den Schluß „Alle Staatsfeinde sind Mörder“. Das aber ist die Logik des Vorurteils (der moralischen Version des synthetischen Urteils apriori) ebenso wie die der mathematischen Erkenntnis (diese Logik liegt u.a. der kopernikanisch-newtonschen Astronomie zugrunde): Sie macht das Ungleichnamige (e.g. Himmel und Erde) gleichnamig. Die kantischen Antinomien der reinen Vernunft (die Hegel, um seine dialektische Logik zu begründen, neutralisieren muß) beziehen sich auf diesen Sachverhalt, sie haben ihn erstmals kenntlich gemacht, und zwar mit Hilfe der logischen Figur des „apagogischen Beweises“, mit dessen Hilfe Kant dem Prinzip der Reversibilität von Subjekt und Prädikat endgültig die Grundlage entzogen hat. Dieser Nachweis aber reicht weiter, als es zunächts erscheint: Er rührt an den Grund und die Grenze der Beweislogik, und damit an den Grund und die Grenze des Satzes, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist (der u.a. dazu dient, das Verfahren der Umkehr der Beweislast unangreifbar zu machen). Der kantische Nachweis ist die erste Demonstration der logischen Relevanz des Levinas’schen Hinweises auf die Asymmetrie zwischen mir und dem Andern, ein Hinweis, der den logischen Universalismus sprengt (und in diesem Zusammenhang den Erkenntnisbereich, auf den in der theologischen Tradition der Begriff Lehre sich bezog, neu begründet). In der kantischen Antinomie der reinen Vernunft hat die Philosophie das Prophetenwort vom Rind und Esel (und dessen biblischen Konnotationen, die tief in den theologischen Begriff des Opfers hineinreichen) eingeholt.
Das Prinzip der Umkehr der Beweislast begründet das positivistische Rechtsverständnis, indem es das Recht zu einem Subsumtionsrecht macht (das dann den Weg frei macht für ein Verfahren, in dem der Angeklagte zum Feind wird).
Gemein ist jede Präventiv-Anklage, die dem andern die Last des Unschuldsbeweises zuschiebt, die davon ausgeht, daß die Verteidigung allein Sache des Angeklagten sei. Diese Form der Präventiv-Anklage geht davon aus, daß Unbarmherzigkeit und Gnadenlosigkeit erlaubt sind (und das ist der logische Abgrund, aus dem der Staat hervorgeht). Dieser Logik hat Kant den Boden entzogen.
Was ist von einem Verfahren zu halten, in dem durch Gerichtsbeschluß die Wege verstellt werden, auf denen vielleicht der Unschuldsbeweis zu führen möglich wäre?
Ist nicht die Bekenntnislogik der Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat, der eigentlich zu lösen wäre: der Knoten, der den gesellschaftlichen Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang zusammenbindet? Wäre nicht die Kritik der Bekenntnislogik das Ende des Bücherschreibens (die Widerlegung des Kohelet), das Heraustreten aus dem Bann der Logik der Schrift, das Heraustreten aus dem Bann der Logik des Weltbegriffs?
Hängt die Bedeutung der apokalyptischen Formel „der ist, der war und der sein wird“ nicht auch von der Reihenfolge der Zeitbestimmungen ab?
Zu den Orionen (vgl. das Jesaia- Zitat bei Bedenbender) wäre die Hiob-Stelle hinzuzunehmen (über den Orion und die Plejaden). Beschreiben nicht die Planeten die Außengrenzen, zu denen neben dem König, dem Krieg und dem Handel (der Geldwirtschaft) auch die Frauen gehören (Zitat eines Ethnologen: das ist ein feindlicher Stamm, mit dem heiraten wir nur).
Empfindlichkeiten sind Wege in die Opferfalle: Bezeichnen sie nicht genau den Punkt, in den das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden, Hoffnung zu pflanzen versucht?
Pharisäer und Schriftgelehrte: Nur unterm Rechtfertigungszwang, der selber aus dem Vergangenheitscharakter des Gebots entspringt, wird das Gebot zum Gesetz.
Zu Kafkas Parabel vom Schauspieldirektor, der eine Neuinszenierung vorbereitet: Müßte er nicht den zukünftigen Schauspieler, dessen Windeln er wechselt, erst zeugen?
Diente nicht die Verschiebung des Naturbegriffs von der Zeugung zur Geburt (von physis zur natura) dazu, die messianischen „Wehen der Geburt“ zu verdrängen, sie unsichtbar zu machen, sie zu individualisieren, sie als individuelle Strafe für die „Sünde der Welt“ dem ganzen Kollektiv der Frauen anzuhängen? Verweist die Bedeutungsverschiebung in den Begriffen Natur und Welt nicht auf eine sprachlogische Differenz, die auf die Beziehung der griechischen zur lateinischen Grammatik zurückweist? Und liegt dieser sprachlogischen Differenz nicht die Differenz in den politischen Institutionen zugrunde, der Unterschied der institutionellen und imperialen Entfaltung des Römischen Reiches und des Caesarismus zur philosophiebegründenden polymorphen Gestalt der griechischen Polis?
Gab es die hagiographische Unterscheidung von Confessor und Virgo schon in der griechischen Kirche, oder gehört sie zur Gründungsgeschichte der lateinischen Kirche? Hängt sie mit der Umformung des Symbolums in eine Confessio, mit der nicht nur der Name, sondern zugleich die Logik der Sache sich ändert, zusammen? Die Vermutung wäre zu begründen, daß das Symbolum (das für Augustinus noch ein sacramentum war) im Schuldzusammenhang der imperialen lateinischen Sprachlogik zur Confessio geworden ist. -
22.12.95
Der Stern der Erlösung beginnt mit der Todesangst und endet mit der Konstruktion des Angesichts. Levinas hat erstmals im Gesicht des andern die Verkörperung des Gebots: du sollst nicht töten, erkannt (Grund der Verworfenheit und der Dekonstruktion jedes Fahndungsplakats).
In jedem Gesicht erkennt sich Gott; im Paßfoto und im Fahndungsplakat, in ihrer identifizierenden Gewalt, erkennt sich der Staat.
Der Staat ist nicht der „sterbliche Gott“, sondern die Sterblichkeit Gottes; sein Lebensgrund ist das von der Barmherzigkeit, vom Atem Gottes, getrennte strenge Gericht: der Erstickungstod Gottes.
Hängt nicht die Geschichte vom Feigenbaum zusammen mit dem Levinas’schen Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ stehen? Nach der Interpretation des Johannes Scottus Eriugena wäre das Feigenblatt das Symbol des in den Indikativ übersetzten Gebots (die Logik dieser Übersetzung ist die Bekenntnislogik). Der Feigenbaum, der nur Blätter, keine Frucht trägt, wäre dann das Dogma, die indikativische Theologie, die Theologie hinter dem Rücken Gottes: Diesem Feigenbaum gilt die Verfluchung (deren Folgen Petrus dann erkennt).
Ist nicht der Levinas’sche Satz über die Attribute Gottes der Schlüssel zum Verständnis des Jesus-Worts über die Sünde wider den Heiligen Geist? Die Übersetzung des Imperativs in den Indikativ, die Universalisierung der Theologie, die Verwandlung der Lehre in eine theoretische Wahrheit: Das wäre dann die Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser, noch in der zukünftigen Welt vergeben werden kann.
In der Schwierigen Freiheit zitiert Levinas einen Satz aus dem Talmud, wonach die Prophetie auf die messianische Zeit sich bezieht, während die zukünftige Welt etwas ist, was noch kein Auge gesehen hat.
Das Inertialsystem hat im wörtlichen Sinne den Himmel ausgelacht.
Adornos Kritik der Verdinglichung ist die Kritik des desensibilisierenden Kerns der Hegelschen Logik: Der Kern der Hegelschen Logik ist der Dingbegriff.
Zur Genese des Nationalismus: Der Preis für die Rezeption des Weltbegriffs ist die Identifikation mit dem Staat. Der Weltbegriff ist die Tarnkappe des Staats; als Prinzip der Vergegenständlichung der Welt wird der Staat selber entgegenständlicht; er wird in den blinden Fleck der Vernunft gerückt und somit unsichtbar. Der Weltbegriff ist die automatisierte Rechtfertigung des Bestehenden, er ist das Produkt einer List der Vernunft, die Herrschaftskritik gegenstandslos macht. -
19.12.95
Jede Wunde ist eine Widerlegung der Geometrie.
Das Absterben des Staates, der Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern, ist konkret das Absterben des Nationalstaates. Das aber verweist auf einen Vorgang, der identisch ist mit einem Prozeß im Kern der Erkenntnis, der Vernunft, des Wissens. Der Fokus, in dem das Bewußtsein und die Wirklichkeit auf einander sich beziehen, ist der Staat, der nur als Nationalstaat sich begreifen läßt, und auf den Hegels Wort von der Natur, die den Begriff nicht halten kann, sich beziehen läßt, wenn es nicht überhaupt hier seinen Ursprung hat. Die anorganische Natur, auf die der Staat als organische Lebensform, als Organismus, sich bezieht, ist die Ökonomie.
Das Absterben des Staates ist der Grund des Absterbens der Vernunft. So hängt die Fundamentalontologie mit dem Faschismus zusammen.
Der biblische Schöpfungsbericht läßt auch als Ursprungsgeschichte der der staatlich organisierten Objektivität sich begreifen (ist nicht die erste Natur durch die zweite vermittelt?). Zum dritten Schöpfungstag: Das Land (auch ein Synonym für den Staat), der feste Boden unter den Füßen, hängt mit dem Grund der Ökonomie, der Währungshoheit und dem Gewaltmonopol des Staates zusammen. Blut und Boden war nicht zufällig eine faschistische Parole. Das Land ist die Nation, das Meer der Inbegriff dessen, was draußen ist, des Fremden. Was bedeuten in diesem Kontext die biblischen Hinweise auf die „Inseln“ (im Kontext der Genealogie Japhets), und hängt hiermit das apokalyptische Wort, daß das Meer am Ende nicht mehr sein wird, zusammen?
Das „Gegebene“ und das „Es gibt“: Ist nicht der Gebende, das Subjekt des Gebens, der Staat: der Staat, der die Welt eigentumsfähig macht (vgl. die Beziehung von Sein und Meinen)?
Zur Kritik der Deutschlehrer-Frage „Was hat der Dichter damit gemeint?“: Die Objektivität der Wahrheit ist eine durch die Reflexion der Sprache vermittelte; deshalb ist sie niemals Gegenstand des Meinens.
Wenn die Ökonomie das Meer ist (vgl. Apk), hat dann das Recht etwas sowohl mit dem Sand am Meer als auch mit den Sternen des Himmels zu tun?
Während die Bäume die Erkenntnis repräsentieren, repräsentieren die Tiere die Stämme, Völker, Sprachen und Nationen.
Was passiert in einer Welt, in der die Nation ihre identitätskonstituierende Kraft verliert (vgl. Bosnien)?
Herrschaftskritik und Fähigkeit zur Schuldreflexion gehören zusammen; ihre Trennung begründet das Schuldverschubsystem, den (nationalen ebenso wie den individuellen) Egozentrismuis. Nur in diesem Kontext läßt der Verblendungszusammenhang, der im Rechtfertigungszwang gründet, sich auflösen.
Das Bekenntnis ist die durch den Rechtfertigungszwang vermittelter (und entstellte) Gestalt der Wahrheit.
Turmbau zu Babel: Die Sprachen wurden verwirrt, als die Nation als Exkulpationsagentur sich konstituierte. Diese Exkulpationsagentur (und ihre Logik, die Bekenntnislogik) trägt patriarchale (phallische) Züge; ihr Bild ist der Turm.
Rohe Natur: Daß die Natur den Begriff nicht halten kann, heißt u.a., daß sie im Kontext des Begriffs als verurteilte erscheint, daß sie ähnlich wie der Verbrecher, der in den Knast gesteckt wird, aus der Herrschaftsordnung des Begriffs herausfällt, zum reinen Objekt der Gewalt wird.
Die Empfindlichkeit, mit der Politiker heute auf den Satz „Soldaten sind Mörder“ (oder auch, was damit zusammenhängt, auf das Kruzifix-Urteil des BVG) reagieren, rührt daher, daß nicht die „Ehre der Soldaten“ angegriffen wird, sondern der Staat als die das Tun der Soldaten (oder auch der Staatsanwälte, der Richter) exkulpierende Macht. Der Staat ist eine Mordmaschine.
Geld macht sinnlich: Diese Sinnlichkeit ist das den Organismus des Staates belebende und dirigierende Prinzip. Dem Bilde der „rohen Natur“ liegt die Logik des Geldes zugrunde.
Die Konstellation „Völker, Stämme, Sprachen und Nationen“ taucht in der Johannes-Apokalypse auf; sie zitiert eine Stelle aus den toledot, den Genealogien Japhets, Hams und Sems (Gen 10). Im Falle Japhets, mit dem Hinweis auf die „Inseln“, in abweichender Reihenfolge. Bei Daniel (und an einigen Stellen in der Apk) fehlen die Stämme? Wie sieht das bei den Apokryphen aus?
Das Gelächter Pharaos: Der ungeheuerliche, blasphemische Zynismus des antisemitischen Liedverses „die Wellen schlagen zu, die Welt hat Ruh“. Hier wird der Exodus widerrufen; den Beweis des Widerrufs hat Auschwitz geführt.
„Der Mensch“ (der Jude, der Asylant, der Ausländer): Der Kollektivsingular ist ein Produkt des Schuldverschubsystems. Indem es die Gattung schuldig spricht, sie in Kollektivhaft nimmt, meint sie den Inbegriff des Andersseins, der alle anderen mit einschließt, den Sprechenden aber ausnimmt; die gleiche Logik liegt dem Massenbegriff zugrunde.
Das Geld als Instrument der Vergesellschaftung von Herrschaft und sein genetischer Zusammenhang mit dem Phänomen der Schuldknechtschaft.
Das Gefühl, daß die Theologie mit den Naturwissenschaften nicht koexistieren kann, findet eine Bestätigung in dem „tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam“, das mit der Verheißung verknüpft ist: „und die Pforten der Unterwelt werden sie (sc. die ecclesia) nicht überwältigen“ (Mt 1618). Die Unterwelt, das Totenreich, das wäre die vollendete Vergangenheit, der Grund einer Gegenwart, die als Präsens auf der Grundlage der verdrängten Vergangenheit sich konstituiert. In den Naturwissenschaften nimmt der Prozeß dieser Verdrängung (die Hegelsche Arbeit des Begriffs) den Schein einer bestehenden Welt an. Dieser Schein ist das Produkt einer unvermeidbaren kollektiven Verdrängung, deren Agent in den Subjekten die Bekenntnislogik ist (und erst daraus abgeleitet die subjektiven Formen der Anschauung, mit der Form des Raumes im Kern: die Bekenntnislogik geht der Ausbildung und Entfaltung der subjektiven Formen der Anschauung voraus, sie bleibt in ihnen erhalten, wird durch sie automatisiert und ist in ihnen bewußtlos wirksam und tätig). Die Konstituierung des Inertialsystems, in dem die subjektiven Formen der Anschauung sich vergegenständlichen, ist der Versuch, die Pforten der Unterwelt zu schließen.
„Was bedeutet dieses Leid der Unschuldigen? Zeugt es nicht von einer Welt ohne Gott, von einer Erde, auf der allein der Mensch das Gute und das Böse mißt? Die einfachste Reaktion wäre, auf Atheismus zu erkennen. … Doch mit welch borniertem Dämon, welch merkwürdigem Zauberer habt ihr denn euren Himmel bevölkert, ihr, die ihr ihn heute für verödet erklärt? Und weshalb sucht ihr unter einem leeren Himmel noch eine vernünftige und gute Welt?“ (Levinas: Die Thora mehr lieben als Gott, in Schwierige Freiheit, S. 110) -
16.12.95
Pilatus als Kirchenvater: Hat er nicht mit der Freigabe des Barabas die kirchliche Trinitätslehre begründet? Der Name Barabas bezeichnet die vergegenständlichte Selbsterfahrung Jesu, rückt diese in den Bannkreis des Herrendenkens. Als Jesus mit einer Gegenfrage sich weigerte, die Vollmacht, mit der er spricht, vor den Pharisäern und Schriftgelehrten zu benennen, hat er diese Vollmacht gegen ihre Vergegenständlichung verteidigt. Die Nicht-Antwort war die schärfste Kritik der Theologie. Diese Nicht-Antwort präludiert sein Schweigen vor dem Hohen Rat und dann vor Pilatus. Ist nicht die Theologie heute die Produktion dieses Schweigens? Vertritt nicht die Theologie die Pharisäer und Schriftgelehrten, den Hohen Rat und Pilatus gegen ihr eigenes Objekt, das sie zum Schweigen verurteilt (weil sein Wort ihr Angst macht)? Deshalb ist es zu einer der Hauptaufgaben der Theologie geworden zu beweisen, daß die Schrift das, was sie sagt, nicht so meint.
Ist nicht die Geschichte vom Steuergroschen eine Belegstelle für das Wort vom Greuel am heiligen Ort?
Theologie-Kritik: Die apologetische Suche nach einer Legitimation der Theologie beweist nur, daß niemand an die der Theologie immanente, sie überhaupt erst begründende Kraft der Selbstlegitimation mehr glaubt.
Begründung des Rechts: In den Verbrechern erkennt die staatlich organisierte Gesellschaft das projektive Bild ihres eigenen Tuns; das Rechtsurteil und die Strafe sollen die eigene Schuld und das Erschrecken davor durch projektive Bearbeitung aufheben.
Vgl. Hegels Satz „Das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“ mit Spinozas Definition der Wahrheit: Verum est index sui et falsi. Liegt die Differenz zwischen den beiden Sätzen nicht im Problem der Beweislogik? Die Spinoza Wahrheit liegt in der Einsicht, sie unterliegt nicht der Beweislogik, während das Wahre Hegels das Wahre für andere ist, das bewiesen werden muß: die durch die Beweislogik vermittelte Wahrheit. Ist die Differenz nicht ein Beleg für das, was Levinas einmal die Asymmetrie zwischen Ich und Du (zwischen mir und dem Andern) genannt hat? Ist nicht Spinozas Definition eine theologische, Hegels Definition hingegen eine juristische?
Wenn der Apokalypse zufolge das Meer am Ende nicht mehr sein wird, muß man da nicht das Werk des dritten Schöpfungstags zur Erklärung mit hinzuziehen? „Und Gott sprach: Das Wasser unter dem Himmel sammle sich an einen Ort, daß das Trockene sichtbar werde! Und es geschah also. Und Gott nannte das Trockene Land, und die Ansammlung der Wasser nannte er Meer. …“ (Gen 19f). Hinweis: In Texten der Kabbala wird die Stelle, an der es heißt: … sammle sich an einen Ort, übersetzt: sammle sich am Ort der Eins. Bezieht sich das Nicht-mehr-Sein des Meeres auf das Ende des Identitätsbegriffs, auf einen Zustand, in dem es der Identität nicht mehr bedarf? – Vgl. auch die kabbalistische Unterscheidung im Namen des Himmels (schamajim), in dem die Namen von Wasser und Feuer enthalten sind, und das „Alles ist Wasser“ des Thales, mit dem die Philosophie, die Herrschaft des Identitätsbegriffs, beginnt, sowie das Jesus-Wort: „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“. -
14.12.95
Vollendung der Mechanik: Wenn das Bestehende zum Betonklotz wird, dann müssen seine Kritiker aufpassen, daß sie nicht zu Betonköpfen werden.
Zum Begriff der Religion: Nicht mehr Kitt, sondern Zement; nicht die Fensterscheibe, die die Innen- von der Außenwelt oder den Käufer vom Warenangebot trennt, sondern die Betonwand, an der man sich den Kopf einrennt. Im Bildschirm des Fernsehers maskiert sich diese Betonwand als Fenster. Das Fernsehen hat die Wohnungen zu Monaden gemacht: sie sind fensterlos (seitdem vertragen die real existierenden Fenster keine Gardinen mehr). Das Fernsehen transportiert nicht das Warenangebot ins Wohnzimmer, sondern das Wohnzimmer ins Innere der Ware (das sich beim Erwachen aus dem Alptraum der Logik des Tauschprinzips als das Innere der Hölle erweisen wird).
Faschismus als Modernisierungsschub: War Hitler der Vorläufer, das Modell und die Keimzelle des Fernsehens? Läßt diese Frage in eine der Kritik der politischen Ökonomie sich übersetzen (Selbstzerstörung der politisch-moralischen Kategorie der Souveränität)?
Das Wort, daß der Menschensohn auf den Wolken des Himmels (wieder-)kommen wird, enthält einen Hinweis auf einen Prozeß im Begriff und in der Struktur der Öffentlichkeit, auf den wirklichen „Strukturwandel der Öffentlichkeit“.
In der Unterscheidung von Macht und Herrschaft spiegelt sich die von Wut und Zorn. Zur Bestimmung der Begriffe Herrschaft, Macht und Gewalt vergleiche die Bemerkungen von Emmanuel Levinas zum Begriff der Gewalt (Schwierige Freiheit, S. 19, 25). Sind nicht Gewalt und Macht Manifestationen der Herrschaft, reflektiert im Medium der Gemeinheit (der Urteilsform), und verhalten sich Gewalt und Macht wie Natur und Welt (wie Objekt und Begriff)? Deshalb ist die Frage der Gewalt eine essentielle Frage der Linken, die der Welt ihre Naturseite (der Weltgeschichte die Naturgeschichte) vorhält, während die Machtfrage das Erkennungszeichen, an dem die Rechten sich erkennen, ist (Gewalt ist eine Form der Herrschaft, die den Begriff nicht halten kann).
Gewalt ist ein Akt der Befreiung, nur die Nazis haben „die Macht ergriffen“.
Unterm Rechtfertigungszwang schnurrt die Wahrheit zusammen zur Ideologie, zum puren Bekenntnis, entfaltet sich in ihr die Bekenntnislogik, zu deren Elementen das Feindbild, die Eliminierung der Häretiker und der Sexismus, die Frauenfeindschaft, gehören.
Wenn ein Mord sich verständlich machen, niemals aber sich begründen läßt, dann einzig unter dem Aspekt der Notwehr, aber nicht mit dieser unsäglichen Begründung, daß Geiselnahme immer auch die Möglichkeit des Tötens mit einschließt (gleichsam eine Situation, in der Notwehr sich nicht ausschließen läßt), oder dem Hinweis auf „absolut negative Menschen“, die nicht sich ersetzen lassen. Diese Logik ist antisemitisch (der Holocaust wurde als ein präventiver Akt der Notwehr verstanden, die jüdische Rasse als eine Gruppe absolut negativer Menschen).
Der Versuch, einen Mord zu rechtfertigen, gerät zwangsläufig zur Begründung, zur Festlegung einer Norm, die dann auch auf andere Fälle sich anwenden läßt. Da aber sei Gott vor.
Läßt sich nicht die Hegelsche Dialektik von Herr und Knecht auf die Nachkriegsgeschichte anwenden, in der die Verlierernationen (Deutschland und Japan) am Ende über die ehemaligen Siegermächte triumphieren?
Sind nicht die Streiks in Frankreich eine Folge der Übertragung der deutschen Wirtschafts- und Währungspolitik (Standort Deutschland und Stabilität der DM) auf die EU? Und ist nicht die Konstruktion der EU, die nur eine neue, demokratisch weder legitimierte noch kontrollierte Verwaltungsebene geschaffen hat, ein Hinweis auf die politisch-ökonomischen Gesteinsverschiebungen, die der Faschismus ausgelöst hat: der Sieg der Ökonomie über die Politik, die Rückverwandlung von Politik in Verwaltung? Ein Subjekt dieses Vorgangs ist nicht mehr erkennbar, der rechtspolitische Begriff der Souveränität (das Bewußtsein der Verantwortung des Staates für die Herrschaft der Gerechtigkeit und des Friedens, das ersetzt worden ist durch den gegen jede Kontrolle abgeschirmten Gebrauch des staatlichen Gewaltmonopols) ist endgültig gegenstandslos geworden. Wozu der Staat allein noch gebraucht wird, ist ideologischer Natur: er ist zur Exkulpationsmaschine geworden, der die Gewalt, die er nicht mehr beherrschen kann, wenigstens rechtfertigen soll.
Hat nicht Heinrich Böll mit seinem Wort vom verfaulenden, verrotteten Staat ein Stichwort geliefert, das in der Lage wäre, das Marxsche Konzept vom Absterben des Staates zu spezifizieren: Der Staat ist abgestorben, aber ohne daß etwas anderes an seine Stelle getreten wäre, und wir wohnen im Augenblick dem Verwesungsprozeß bei, dem Prozeß der Verrottung und gleichzeitigen Vergiftung aller Lebensverhältnisse.
Der Staat hat in einer Reihe von Institutionen die Einrichtungen geschaffen, die dazu dienen, ihm die Last Souveränität, der Entscheidung und der Verantwortung dort, wo er sich unfähig weiß, sie zu tragen, abzunehmen (Verfassungsgericht, Bundesbank). Die wütende Reaktion auf einige Urteile des BVG, die dem Exkulpationsbedürfnis des Staates nicht entgegenkamen, ist nur so zu erklären. Der vorauseilende Gehorsam der Deutschen Bundesbank, ist da schon genehmer.
Der Kopf des Fisches: Der Verrottungsprozeß des Staates hatte eine Vorgeschichte, er war schon zu erkennen an seinen letzten höchsten Repräsentanten, am Kaiser Wilhelm und an Hitler.
Versucht nicht dieser Prozeß gegen Birgit Hogefeld die Verfahren gegen die raf auf eine neue Ebene zu schieben? Geht es jetzt nicht energisch an das Konzept der Konstruktion synthetischer Urteile apriori, der Einbeziehung des ganzen raf-Komplexes in ein reines Subsumtionsrecht, in dem es dann auch der Kronzeugen nicht mehr bedarf? Dazu gehört u.a. das Verfahren der Einführung bereits rechtskräftiger Urteile, die falsch sein mögen, die aber den Vorzug haben, daß sie einer nochmaligen Beweisführung nicht mehr bedürfen, somit gegen jede erneute Diskussion abgesichert sind. Hierher gehört insbesondere auch der Teil aus der Anklage gegen B.H., der auf ihre Beteiligung an dem „Mord“ und den „Mordversuchen“ in Bad Kleinen abstellt. Wird hier nicht eine Logik konstruiert, die dann als Subsumtionslogik auf alle weiteren raf-Verfahren, die noch anstehen mögen, anwendbar wäre, in jedem Falle aber die Wirkung einer Präventivabschreckung haben würde. Einer Präventivabschreckung, die u.U. dann auch auf den gesamten Bereich der herrschaftskritischen Reflexion und gegen jede Form der Staatskritik sich anwenden ließe (die Habermassche Konzeption des herrschaftsfreien Diskurses, könnte sich als ein Stück vorauseilenden Gehorsams erweisen), nach dem mittelalterlichen Rechtsgrundsatz: Mitgefangen, mitgehangen.
Hat nicht der Gesetzgeber dem schon vorgearbeitet, und tut er es nicht weiterhin? Nur: Niemand merkt’s mehr. Wenn’s hoch kommt, dann reicht’s nur zum folgenlosen Protest.
Der Frontbegriff und die Verräterdiskussion waren logische Fallen, in die alle Empörten hereingelaufen sind. Die Empörungslust war von Anfang an sexistisch.
Die Uniform hebt das Tötungsverbot auf, indem sie das Gesicht löscht. (Welche Konsequenzen hat dieser Satz für das Verständnis des Hegelschen Begriffs der „Aufhebung“? Ist die Aufhebung der Transformator, der das Gebot in ein Gesetz verwandelt, gehört der Begriff der Aufhebung zu den Konstituentien der Bekenntnislogik? Ist das Dogma die aufgehobene Wahrheit?) -
13.12.95
Heute zerstört das Hegelsche Weltgericht die moralischen und natürlichen Grundlagen des Lebens.
Propheten: Nicht die Väter und nicht die Herren, sondern die Söhne und Töchter werden weissagen, die Greise werden Träume träumen, die Jünglinge Gesichte sehen, über die Knechte und Mägde wird Gott seinen Geist ausgießen.
Zu Birgit Hogefeld vgl. Christina von Brauns Bemerkungen über die Ursprung und Geschichte der Hysterie (ein Produkt männlicher, sexistischer Definitionsmacht), die Beziehung von Hysterie und Barmherzigkeit (deren hebräischer Name aus dem der Gebärmutter sich herleitet).
Der Prozeß gegen Birgit Hogefeld ist ein Prozeß, der auch gegen die Öffentlichkeit geführt wird: Die Diskriminierung der Linken unterwirft die Öffentlichkeit Rechtfertigungszwängen und desensibilisiert sie zugleich. Nur in diesem Kontext wird der Angeklagte zum Feind, werden Verteidiger und Prozeßbesucher zu Sympathisanten. Restituierung des mittelalterlichen Rechtsprinzips „Mitgefangen, mitgehangen“. Das Perverse ist, daß Birgit Hogefeld, deren Erklärungen durch ein hohes Maß an Reflexion sich auszeichnen, weder durch ihr Verhalten noch durch den bisherigen Prozeßverlauf das Bild bestätigt, in das die Anklage und offensichtlich auch das Gericht sie hineinzwingen wollen (gespenstisches Gefühl, der Konstruktion eines synthetischen Urteils apriori beizuwohnen). Stigmatisiert wird die Angeklagte nur durch die Rahmenbedingungen des Prozesses, der als „raf-Prozeß“ mit dem eingespielten Ritual (martialisches Polizeiaufgebot, teilweise mit Maschinenpistolen, Polizeihunden; entwürdigende, die Besucher diskriminierende und die Öffentlichkeit abschreckende Eingangskontrollen) geführt wird. Offene Angriffe gegen Prozeßbesucher (auch gegen die Mutter der Angeklagten), nicht nur von Polizeibeamten, sondern auch von Bundesanwaltschaft und Nebenkläger, ohne daß der Senat sich veranläßt sähe, einzugreifen, während die Angeklagte und ihre Verteidigung Einschränkungen unterworfen werden, die teilweise den Eindruck erwecken, daß sie der strategischen Absicherung der „Beweisführung“ dienen.
Wie hängt die Feindbildlogik, die das Verfahren zu beherrschen scheint, mit dem theologischen Erbe des „stellvertretenden Opfers“ zusammen? Nach staatlicher Rechtslogik bedarf der „Mord“ an dem GSG-9-Beamten der „Sühne“. Die ist aber am toten Wolfgang Grams juristisch nicht mehr möglich (man kann keinen Prozeß gegen einen Toten führen). Diese „Sühne“ ist an ihm möglicherweise schon vollstreckt worden, was jedoch aufgrund eines Senatsbeschlusses nicht in die Beweisführung mit eingebracht werden darf. Die Unschuld des Staates, die dann auch die, die ihn vertreten, freispricht, ist erst gewährleistet, wenn die Tat, die nicht aufgeklärt werden darf, stellvertretend an einer Person gesühnt wird, auch wenn mit Sicherheit feststeht, daß sie sie nicht begangen hat.
Ein ganzes System von Schuldverschiebungen ist erforderlich, um hier zu einem Urteil zu kommen, das das leistet, was es leisten soll: den Staat freisprechen, und mit ihm die Bundesanwaltschaft und das Gericht, die ohnehin den Eindruck erwecken, daß sie den Grundsatz „In dubio pro reo“ für die Angeklagte nicht mehr verfügbar haben, da sie ihn schon für sich verbraucht haben.
Ist nicht der Titel Staatsanwalt Teil einer Rechtslogik, deren erster Zweck nicht die Begründung und Förderung von Gerechtigkeit, sondern die Freisprechung des Staates ist? Nur dieser Staat braucht – wie sonst nur ein Beschuldigter – einen Anwalt. In zivilisierteren Ländern gibt es den öffentlicher Ankläger, der schon sprachlich, durch seine Berufsbezeichnung, der Komplizenschaft mit dem Staat enthoben ist. Beim Staatsanwalt, der nicht in eigener Verantwortung die Anklage vertritt, besteht ein gleichsam existentielles Interesse am rechtsförmlichen Nachweis der Unschuld des Staates. Nur so kann der Staat das leisten, was der Staatsanwalt von ihm als Gegenleistung für seinen Dienst erwartet: Ihn von der Verantwortung für die belastende Tätigkeit des Anklägers befreien (er tut nur seine Pflicht).
Die Verdrängung der Sensibilität, die bewußtlose Form der Gemeinheit, die Gemeinheit mit gutem Gewissen, produziert den empfindlichen Staat, einen Staat, den man nicht ungestraft verunglimpfen darf. Die Empfindlichkeit des Staates ist ein Gradmesser seiner Schuldverstrickung und seiner Verdrängungsleistung (gründet nicht jeder Fundamentalismus in einer solchen Empfindlichkeit, und ist deren subjektive Wurzel nicht die Empörung?). -
11.12.95
Was bedeutet der Begriff der Heiligung in dem Satz „Der Zweck heiligt die Mittel“? Heißt es nicht, daß hier eine Sache nur der Kritik entzogen wird? Gehört es nicht in einen Zusammenhang, in dem Blasphemie und Majestätsbeleidigung (Verunglimpfung staatlicher Symbole) nicht mehr sich unterscheiden lassen, ist es nicht eine Heiligkeit, die als Unberührbarkeit der Macht sich begreift: als Verdinglichung des Heiligen? Es ist das genaue Gegenteil des Begriffs der Heiligung, der dem Gebot der Heiligung des Gottesnamens zugrundeliegt.
Zum Begriff des Neutrums gehört auch die grammatische Form des Indikativs, einer sprachlichen Form der Objektivität, die von allem Subjektiven (Wunsch, Zweifel, subjektiv Möglichem) gereinigt ist, das dann in den Konjunktiv verschoben wird. Im Lexikon der Sprachwissenschaft (Kröner, Stuttgart, 19902) wird der Indikativ als „neutraler Darstellungsmodus“ definiert (S. 407). Vgl dazu Hegels Bestimmung des Ursprungs und der Form der Prosa (ein Begriff, der im ebengenannten Lexikon ebensowenig vorkommt, wie auch nur ein Ansatz zu einem Versuch der sprachlogischen Bestimmung des Neutrums).
Als Habermas mit dem Titel „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ das Thema verfehlte, hat er sich von der kritischen Theorie verabschiedet. Seitdem gilt er als ihr Vertreter.
Heute ist die Gegenwart in einem Maße historisiert, daß jeder kritische Impuls Gefahr läuft, sich ins Kontrafaktische zu verlieren (zum ohnmächtigen und unverbindlichen Räsonnement wird, das die Betonwand des Wirklichen nicht mehr zu durchdringen vermag). Die kontrafaktische Reflexion bezieht sich nicht mehr nur auf vergangene Entscheidungen, sondern die Gegenwart selber ist in einem Maße vorentschieden, daß Reflexion insgesamt in Gefahr ist, kontrafaktisch zu werden.
Merkwürdiges Gefühl beim Heribert Prantl: Er rührt an den Kern der Dinge, aber auf eine bloß noch räsonnierende Weise: auf die Weise des resignierten, ohnmächtigen Protests, dem die Kapitulation vor der Übermacht des Bestehenden schon einbeschrieben ist (vgl. Ulrich Sonnemann: Der verwirkte Protest, in: Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten, Hamburg 1963).
Als Habermas die Natur von der Hoffnung auf eine befreite Gesellschaft ausschloß, hat er vor der Übermacht des Bestehenden kapituliert.
Heute reflektieren alle nur noch über die Sache, anstatt die Sache zu reflektieren. Wäre der Satz, mit dem das kommunistische Manifest beginnt: „Ein Gespenst geht um in Europa – …“, heute nicht anders weiterzuführen: Anstatt auf den Kommunismus wäre er heute auf die Gestalt des abgestorbenen Geistes (und nur so gewinnt der Name des Gespensts Realität), die in den Banken umgeht und rumort, zu beziehen. Der Macht und dem Tun dieses Gespenstes ist es zu danken, wenn heute der Name des Geistes endgültig obsolet geworden zu sein scheint. Als der Faschismus Vergangenheit geworden ist, hat er die Gegenwart in diesen Hades mit hereingezogen. Auf dem Boden der Katastrophe gibt es nur noch die Macht der Reflexion; wer glaubt, auf diesem Boden eine andere Welt erbauen zu können, wird in ihren Strudel mit hereingezogen. Wenn die kopernikanische Wende (die neue Astronomie) die Neukonstituierung der politischen Institutionen begleitet, ist dann nicht das Medium, in dem die neue Physik sich herausgebildet hat, insbesondere die Elektrodynamik, Symptom des Ursprungs und der Entfaltung jener Macht, die die politischen Institutionen der Moderne unterminiert, neutralisiert und verdrängt: der Ökonomie?
Gründet nicht die Verdrängung der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung in der bewußtslosen Anwendung des Satzes, daß der Zweck die Mittel heiligt? Der diesem Satz zugrundeliegende Begriff der Heiligung steht in genauestem Gegensatz zum Gebot der Heiligung des Gottesnamens. Die Heiligung des Gottesnamens ist ein Erkenntnisgebot, die Heiligung der Mittel durch die Zwecke ist ein Ensemble von Tabus, von Verdrängungen, von Erkenntnisverboten (Quellpunkt des Opfers der Vernunft).
Wer das, was Bundesanwälte, Richter und die Polizei sich heute selber antun, beim Namen nennt, beleidigt sie. Damit hängt es zusammen, daß es einen herrschaftsfreien Diskurs solange nicht geben wird, wie es nicht gelingt, die Reflexion von Herrschaft auch in die Institutionen des Rechts hineinzubringen.
Der Drache, das Tier aus dem Meere und das Tier vom Lande: Es gilt zu begreifen, daß das Neutrum zwar ein Instrument der Desensibilisierung ist, selber aber das sensibelste, empfindlichste Wesen ist (Geld macht sinnlich).
Die Exkulpationsmacht des Staates ist nur solange zu halten, wie sie selber der Reflexion und der Kritik sich entzieht (durchs Tabu, durch den Schutz vor „Verunglimpfung“). Wäre nicht das adornosche Stichwort der „vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte“ zu ersetzen (und zu erfüllen) durch die restlose Reflexion des Säkularisationsprozesses, zu dessen Geschichte die der Theologie dazugehört? Für den Mord an Menschen, die herrschaftskritische Hoffnungen verkörpern, gibt es unendlich viele Beispiele. Gibt es ein einziges Beispiel eines wirklich gelungenen Tyrannenmords? Ist nicht das einzige historische Beispiel hierfür der Mord an Julius Caesar, der real den Caesarismus (bis hinein in den Caesarismus der dogmatischen Theologie, in dessen Kern die Opfertheologie steht, die eher auf die Ermordung Caesars als auf den Kreuzestod Jesu sich beziehen läßt) überhaupt erst begründet hat? War nicht Brutus das Modell für das christliche Verständnis des Verräters Judas? Die Kosmologie, die Naturphilosophie und dann die Naturwissenschaft sind der Schatten und das Reflexionsmedium der Staatenbildung. -
10.12.95
Die Idee des Heiligen ist jener Verdinglichungslogik zu entreißen, in die Rudolf Otto sie verbannt hat.
Im Kontext der drei theologischen Gegenstände: Angesicht, Name und Feuer, steht das Feuer fürs Gebet (vgl. den Vers aus dem Sonett Reinhold Schneiders: „Allein den Betern kann es noch gelingen, …“, den letzten Satz in Blochs „Geist der Utopie“: „… und die Wahrheit als Gebet“, und die Verknüpfung des Gebets mit dem Versöhnungsgebot im Evangelium).
Es gibt nicht „das Gute“, das ist eine platonische Erfindung. Das Gute ist immer das Gute für jemanden, und das gilt auch für den Gebrauch dieses Begriffs im Schöpfungsbericht (und Gott sah, daß es gut war), wobei der Name Elohim, das Sehen und das Adjektiv „gut“ zusammengehören. Das Gute ist ein Korrelat des Sehens, nicht der Hörens, es ist ein Korrelat des Gerichts (des Urteilens), nicht der Barmherzigkeit. Beim J gehört die Erkenntnis des Guten und Bösen (als Teil der richtenden Erkenntnis) zum Sündenfall, sie ist eine herrschaftsbegründende Erkenntnis.
Ist es nicht eine fatale Verschiebung, die durch die Übersetzung ins Griechische, zuerst durch die LXX, in die Schrift hereingebracht worden ist, wenn der Gottesname JHWH mit kyrios, Herr, wiedergegeben wird? In Ps 1101: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten“, ist hiernach der Herr (die Verkörperung der Barmherzigkeit) vom Herrn (dem Namen der Herrschaft) nicht mehr zu unterscheiden. Rühren nicht wesentliche Probleme der Evangelien daher, daß die Unterscheidung der Gottesnamen fast unmöglich geworden ist:
– Im messianischen Titel Gottessohn ist nicht mehr erkennbar, ob der darin zitierte Gottesname auf Elohim oder auf JHWH sich bezieht. Was bedeutet das für die, die Jesus Gottessohn nennen (Petrus, die Dämonen)? Ist der Titel Gottessohn (hyos theou) wirklich identisch mit dem Namen des Sohnes in dem Satz „mein Sohn bist du“, in dem das „mein“ vom Ursprung her auf JHWH (den Barmherzigen), und nicht auf „Gott“ (die Übersetzung von Elohim) sich bezieht?
– Ist der Vatername die neutestamentliche Version des Namens JHWH (auch das würde den Titel Gottessohn in ein anderes Licht rücken)?
Haben das Dogma, die Opfertheologie, die Bekenntnislogik aus dem Sohn der Barmherzigkeit den Sohn des Gerichts gemacht?
Bindung Isaaks: Die Aufforderung, den einzigen Sohn als Opfer darzubringen, geht vom Engel Elohims, gerettet wird Isaak (und mit ihm das Erbe Abrahams) durch den Engel JHWHs. Es ist JHWH, der das Volk Israel begründet.
Hodie, si vocem ejus audieritis: Hegel hat den Isaak geopfert, seine Ohren gegen das Wort des Boten JHWHs verstopft.
Gehören nicht die beiden Sätze (vom Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt, und der andere: Ehe Abraham ward, bin ich) zusammen, und werden nicht beide falsch, wenn man sie indikativisch versteht? Gehören nicht beide in den Kontext des Nachfolgegebots, und werden sie nicht aus diesem Kontext und dann auch von einander getrennt durch die Opfertheologie, durch das theologische Konstrukt des „stellvertretenden Opfers“?
Der Staat ist die Instrumentalisierung Elohims; darin gründet seine weltkonstituierende Funktion.
Solidarität ohne Komplizenschaft: Auch die Aktionen der raf müssen reflexionsfähig gehalten werden. Lernfähigkeit schließt auch die Fähigkeit mit ein, Vergangenes an seinen Folgen zu messen.
Zur Kritik der Beweislogik (oder zur Logik des nachfaschistischen Staates): Dem Titel Staatsanwalt liegt ein instrumentalisiertes Verständnis des Begriffs der Anklage zugrunde: Während ein öffentlicher Ankläger seine Ermittlungen und die daraus abzuleitende Anklage selber verantworten muß, wird dem Staatsanwalt diese Verantwortung durch den Staat abgenommen. Die Anklage wird zu einem Attribut des Staates, zu einem Teil seines Wesens. Der Titel des Staatsanwalts begründet eine ihm eigene Exkulpationsautomatik, er macht den Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, indem er ihn instrumentalisiert, unangreifbar. Eben damit aber verwischt er die Grenze zwischen dem Angeklagten und dem Feind. -
6.12.95
Definition der Prophetie (für Jürgen Ebach): So tief in einen Sachverhalt eindringen, daß die Zukunft in ihm ablesbar wird. Diese Zukunft ist katastrophisch: Prophetie ist per definitionem „Unheilsprophetie“, unter den Bedingungen des Weltbegriffs ist sie apokalyptisch.
Die Logik der Schrift wird erst durchsichtig, wenn in ihr die Logik des Weltbegriffs, das objektivitätskonstituierende Element in der Logik der Schrift, erkennbar wird. (Anmerkung: Hubertus Janssen berichtet, daß H.-E. Richter die Erklärung zum Hogefeld-Prozeß nicht unterschrieben hat mit der Begründung, er kenne die Fakten nicht und könne nicht zu Dingen Stellung nehmen, die er nur vom Hörensagen kennt. Der Hogefeld-Prozeß gewinnt demnach erst Realität, zu ihm kann man erst Stellung nehmen, wenn öffentlich über ihn berichtet wird: Die Existenz einer Sache ist ein logischer Sachverhalt, der konstituiert wird durch Öffentlichkeit: durch die Schrift, die selber wiederum zu den Konstituentien der Öffentlichkeit gehört (beide, Schrift und Öffentlichkeit, begründen den Weltbegriff). Das begründet hinreichend das ambivalente Verhältnis des 5. Senats des Frankfurter OLG zur Öffentlichkeit, wenn er diese aufteilt in Sympathisanten, eine Art nichtöffentlicher Öffentlichkeit, und eine „seriöse“ Berichterstattung, die sich an die Vorgaben der amtlichen Pressestellen hält.)
Medien und Banken: Nicht nur die Schrift, auch das Geld ist existenz- und weltbegründend (ähnlich wie das Inertialsystem nur im Zusammenhang seiner objekt- und naturbegründenden Funktion sich bestimmen läßt). Ist hier nicht der Vermittlungspunkt, an dem sich zeigen läßt, daß und weshalb Geschichte durch Geschichtsschreibung sich konstituiert und Realität gewinnt?
Kelch des göttlichen Zorns: Die Vorstellung des Zeitkontinuums ist vermittelt (bedingt) durch die des dreidimensionalen Raumes; die Unendlichkeit der Zeit ist ein Reflex der Unendlichkeit des Raumes: Der Raum ist der Betondeckel auf der Vergangenheit, die Leugnung der Idee der Auferstehung. Diese Leugnung gehört zu den Konstituentien des Herrendenkens.
Simulieren nicht die Fernsehnachrichten (die Berichterstattung im Fernsehen allgemein, die inzwischen zur Norm auch der übrigen Medien geworden ist, und das in einem durchaus geometrisch begründbaren Sinne) den privaten Blick auf die Dinge: den Blick aus dem Wohnzimmer? Machen sie sich nicht schon präventiv mit den Zuschauern gemein, die durch die Information in ihrer Privatruhe nicht gestört sein wollen und selber wiederum einer genau darauf abgestimmten Organisation der Information bedürfen, um diese Ruhe abzusichern (Drachenfutter)? Wie wäre es anders zu erklären, wenn heute „nationale“ Sportereignisse politischen und wirtschaftlichen Informationen in der Berichterstattung den Rang streitig machen können? Die Information rückt die Welt aus dem Bereich des Handelns in den des Urteils. Die transzendentale Logik der Medien wäre noch zu schreiben (Voraussetzung wäre die Bestimmung der zugrundeliegenden transzendentalen Ästhetik der Medien, ihrer „subjektiven Formen der Anschauung“, die auf den Schuldzusammenhang, der ein Urteilszusammenhang ist, zurückweisen).
Nicht nur der Schuldzusammenhang, auch der Herrschafts- und Verblendungszusammenhang ist ein Urteilszusammenhang, die Urteilsform ist ihr Kristallisationskern.
Nachrichten: Einübung in die Entsolidarisierung der Kritik. Sie fordern anstatt zum Handeln zum Urteilen heraus (Schuldverschubsystem, Esel und Rind). Entsolidarisierung schafft den Boden, auf dem die Sensationen wachsen und gedeihen (Beispiel: die Scharping-Kampagne, die von einem bestimmten Zeitpunkt an zum Selbstläufer geworden ist, der keines der Medien sich mehr zu entziehen vermochte).
Der wechselseitigen Konstituierung von Privatsphäre und Information korrespondiert die „Amtlichkeit“ der Nachrichten, ihr gleichsam hoheitlicher Charakter: Moderatoren und Sprecher werden präsentiert, als stünden sie hinterm Schalter oder säßen an einem Schreibtisch (und Schalter oder Schreibtisch werden dann via Fernsehen ins Wohnzimmer transportiert). Ist der Nachrichtensprecher ein später Nachfahre des „Engels Elohims“ (der Abraham aufforderte, seinen Sohn zu opfern)?
Die Medien verarbeiten die Informationen imd Interesse des „beschränkten Untertanenverstandes“.
Jürgen Ebachs Bemerkung: „wir haben nur unsere Ohren“ (Junge Kirche), wäre im Hinblick auf den Gebrauch des Possessivpronomens zu überprüfen. Verstopft nicht dieses Possessivpronomen die Ohren? Die Norm des Hörens, die im „Heute“ begründet ist (Heute, wenn ihr seine Stimme hört), wird durchs Possessivpronomen gleichsam inertialisiert, von der Erinnerungsarbeit getrennt, die der Tatsache Rechnung zu tragen versucht, daß dieses Heute durchaus ein vergangenes sein kann (das der Prophetie, der Schrift, die „vergangene Hoffnung“ der Dialektik der Aufklärung). Nicht das Unser, sondern das Heute ist das Kriterium des Hörens, das der zukünftigen Welt den Weg freimacht.
Die Zeugenschaft gründet im Sehen (das Ezechiel aufs Antlitz fallen läßt); deshalb ist die authentische Form der Zeugenschaft das Blutzeugnis. Die Auferstehung hingegen gründet im Hören (das Ezechiel wieder aufrichtet).
In ihrer Ursprungsphase war die raf selber ein Teil des öffentlichen Diskurses. Sie stand in der Tradition der „symbolischen Aktionen“ (so der Kaufhausbrand in Frankfurt, aber auch der Anschlag auf das Heidelberger Hauptquartier der US-Army, mit dem der Anschlag auf den US-Airport in Frankfurt sich nicht mehr vergleichen läßt), diese zielten in erster Linie auf die kritische Öffentlichkeit. Terroristisch wurde die raf, als sie fundamentalistisch wurde, ihre Aktionen aus dem symbolischen Diskurs in den dogmatisch-politischen Indikativ übersetzte: als sie aus dem Bereich der Öffentlichkeit und der Sprache in den der Macht sich abdrängen ließ. Der zweiten und dritten Generation der raf fehlte das Sensorium für den kritisch-symbolischen Diskurs, sie ist aus der Öffentlichkeit (freilich nicht ohne Mitwirkung der Institutionen der Öffentlichkeit selber, die tatkräftig mitgeholfen haben, diesen Diskurs durch Diskriminierung zu neutralisieren) nur noch herausgefallen, wie die Szene dann nur noch stumm geblieben ist. Diese Generation ist zur Erinnerungsspur des Verdrängten geworden; sie wird nicht mehr wahrgenommen, sondern löst – wie alles Verdrängte – nur noch Ängste und Aggressionen aus.
Merkwürdig das Stichwort „Generationenkonflikt“, das sehr früh ins Spiel gebracht, aber nie wirklich begriffen worden ist. Hat dieses Stichwort nicht einen ganz anderen Sachverhalt verdeckt: Dies war die erste Generation, für die der Faschismus Geschichte, Vergangenheit, nur noch Gegenstand des Urteils, nicht mehr der eigenen lebendigen Erfahrung war. Sie war die erste Generation, die ohne es durchschauen zu können, allein durch ihre Geburt in einen Schuldzusammenhang verstrickt war, an dem sie sich (zu Recht) unschuldig fühlte. Sie stand unter einem Rechtfertigungsdruck, dessen Ursprung für sie selbst im Dunkel lag. Die Gnade der späten Geburt erwies sich als deren genaues Gegenteil: als ein objektives, schicksalshaftes Urteil, dem sie nur durch die Verurteilung der Generation glaubte entrinnen zu können, die für sie diese Vergangenheit verkörperte und die sie durch ihre Beteiligung an dieser Geschichte in diese Lage gebracht hatte. Dieser Ausweg aber war keiner. Der Konflikt ist im Felde des Urteils nicht aufzulösen. Das Stichwort „Generationenkonflikt“ hat den Konflikt nur scheinbar verständlich gemacht; sein Preis war der Abbruch der Kommunkation. Dieser Konflikt war kein Generationenkonflikt, sondern Symptom einer herrschaftsgeschichtlichen Katastrophe, ein verzweifeltes Echo der „Endlösung“. Das Stichwort Generationenkonflikt entlastet nur, löst aber nichts auf. Im Gegenteil: Indem es entlastet, vermehrt es die Last.
Beitrag zur Kritik der Phänomenologie: Symptomatisch, daß die Vermummung der Polizei gleichzeitig erfolgte wie das gesetzliche „Vermummungsverbot“, in dem die „Erscheinung“ des Jugendprotests als Handeln erkannt und diskriminiert wurde. Was ist da wirklich passiert? (Hinweis: Der Personbegriff verweist ebenso wie auf die Sphäre des Rechts auf die des Schauspiels. Persona war die Maske des Schauspielers, durch die hindurch seine Stimme tönte.)
Hegels Hinweis, daß die Natur den Begriff nicht zu halten vermag, wird von ihm selbst begründet mit dem Hinweis auf die Differenzierung der Gattungen und Arten der Tierwelt; er ließe sich ebenso demonstrieren an der Differenzierung der „Gattungen und Arten“ der indoeuropäischen Sprachen, die den gleichen Sachverhalt widerspiegelt. Die indoeuropäischen Sprachen haben das Perfekt vom Handeln ins Urteilen verschoben, indem sie es in die Vergangenheit zurückgestaut haben.
Betroffenheit: Das Wörterbuch des Unmenschen, das heute implodiert und die Sprache insgesamt in sich aufsaugt und verschlingt, entstammt der theologischen Tradition.
Das Hegelsche Absolute ist die Seele des sterblichen Gottes, als dessen Namen Hobbes den Leviathan erkannte. Ist nicht das Absolute die in den Begriff erhobene Natur, das Tier, das nicht mehr in der Endlichkeit der Gattungen und Arten gefangen ist?
Brauchten die Christen nicht einen „persönlichen Gott“, um dem Konstrukt der Sündenvergebung die erforderliche Grundlage zu geben? Erst, wenn ich mich zum Objekt der Sündenvergebung mache, wenn ich sie als Mittel der Vernichtung meiner Schuldgefühle mißbrauche, benötige ich als magischen Helfer einen „persönlichen Gott“ (das absolute Kuscheltier).
Mit der Einführung des Priestertums ist die sadduzäische Tradition (das Bündnis mit der Macht) ins Christentum mit aufgenommen worden. (Wer ist die Magd und wer sind die Knechte des Hohenpriesters in der Geschichte von den drei Leugnungen?) Symptom dieser sadduzäische Tradition ist die Stellung zur Lehre von der Auferstehung: Das Christentum hat diese Lehre neutralisiert, als sie sie zum Gegenstand der Bekenntnislogik machte. Würde auch nur ein Theologe wirklich an die Auferstehung glauben, die Theologie würde anders aussehen.
Die Idee des Heiligen läßt sich durch ihre Beziehung zum Possessivpronomen definieren. Das Heilige ist dem Anwendungsbereich des Possessivpronomens (den der Weltbegriff umschreibt und definiert) enthoben. Theologie im Angesicht Gottes ist die Erfüllung des Gebots der Heiligung des Gottesnamens, und die Kritik des Weltbegriffs ist die Kritik der universalen Anwendbarkeit des Possessivpronomens (das am Andern seine Grenze findet: das Antlitz des Andern ist die Sichtbarkeit dieser Grenze; deshalb ist das Gesicht die Verkörperung des Gebots „du sollst nicht töten“).
Die „vollständige Säkularisation aller theologischen Gehalte“ ist eine contradictio in adjecto: Der Begriff der vollendeten Säkularisation postuliert den universalen Geltungsanspruch des Possessivpronomens; dagegen ist die Theologie der letzte Einspruch. Das Gesicht ist das Wunder in der Erscheinungswelt. -
5.12.95
Die Sünde gehört der Ordnung des Handelns an, die Schuld der des Urteils. Jedes Urteil aber kommt post festum. Ist nicht der Begriff eines Urteils apriori eine contradicition in adjecto, nur zu begründen in einer Ordnung, in der auch die Zukunft als vergangene angesehen werden kann: in einer Sprache, in der es das Futur II gibt, und im Inertialsystem, dem die gegenständliche Welt durchdringenden Formgesetz des Futur II. Zu vermeiden ist die Sünde, nicht die Schuld, die den Täter, wenn er sie nicht zu reflektieren vermag, schicksalhaft trifft. Ziel ist eine Ordnung der Gerechtigkeit, nicht die Rechtfertigung der Sünder. Die Unfähigkeit, sich in einen andern hineinzuversetzen, gründet in der Logik der Instrumentalisierung, zu der es auf der Grundlage der „subjektiven Formen der Anschauung“ keine Alternative gibt. Die Fassung des kategorischen Imperativs, derzufolge Menschen niemals nur als Mittel, sondern immer zugleich auch als Zweck zu behandeln sind, hat die Antinomien der reinen Vernunft zur Voraussetzung. Hat Hegel in seiner Kritik der Antinomien nicht dem Weltgericht das letzte Wort gegeben und der Barmherzigkeit den letzten Zugang verstellt? Die Kritik des Weltbegriffs ist das theoretische Äquivalent der Heiligung des Gottesnamens.
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3.12.95
Zum Begriff des Objekts:
– Der Begriff des Objekts ist ein Weltbegriff: es ist die Welt, die der Natur den Objektbegriff zugrundelegt, so den Naturbegriff begründet.
– Die Natur dynamisiert den Objektbegriff, der nur im Kontext des Weltbegriffs als statischer, ein für allemal gegebener Begriff erscheint (darin reflektiert sich das Erhaltungsgesetz der kapitalistischen Produktion, die nur als ständig sich erweiternde sich erhält: mit dem marktwirtschaftlichen Konzept der „Währungsstabilität“, das nur über eine „ausgeglichene Außenhandelsbilanz“ sicherzustellen ist, ist die Ausbeutung der Dritten Welt mitgesetzt). Ohne fortschreitende Naturerkenntnis, und d.h. ohne den Prozeß, den sie gegen die Objekte in sie hineintreibt, würde es den Objektbegriff nicht geben.
– Der Satz aus der Dialektik der Aufklärung, daß die Distanz zum Objekt, Voraussetzung der Abstraktion, vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, verweist darauf, daß in der Strukturgeschichte des Objekts (in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis) die Herrschaftsgeschichte sich widerspiegelt, die jedoch dem Herrendenken selber, das unter dem Primat des Welt-, nicht des Naturbegriffs steht (oder das sich selbst im blinden Fleck steht), verborgen bleibt: das „Innere der Natur“, das der Erkenntnis sich entzieht, ist die Herrschaftsgeschichte, die sich selbst nicht durchschaut (außer in der „Heiligung des Gottesnamens“).
In dem Satz: Das Innere der Natur ist die Herrschaftsgeschichte, steckt die Beziehung von Hegel zu Schelling.
Hat die Beziehung der Begriffe Natur und Welt etwas mit der Beziehung der Planeten zum Tierkreis, hat sie etwas mit der Beziehung der Plejaden zum Orion zu tun? Und bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen auf den Weltbegriff, den Inbegriff des Bindens, zu dem es bis heute ein Lösen (das dann auch auf den Himmel sich erstrecken würde) noch nicht gibt?
Ist nicht die „Währungsstabilität“ das politisch-ökonomische Äquivalent der „subjektiven Formen der Anschauung“: die eine garantiert die Stabilität des Marktes im Innern der Nationen (auf Kosten der „Dritten Welt“), sie garantiert die Einheit der Nationalökonomie, die andere die Stabilität des Wissenschaftsbegriffs (der Identität der wissenschaftsfundierenden Totalitätsbegriffe Natur und Welt), und damit die Einheit des erkennenden Subjekts.
Der Kampf gegen den Baal war der prophetische Kampf gegen die Anfänge des Herrendenkens, während die Apokalypse die Ursprungsgeschichte einer Situation reflektiert, in der (mit der Ursprungsgeschichte des Staates, im Namen Babylons, und in der logischen Konstruktion des Weltbegriffs) das Herrendenken objektivitätskonstituierende Bedeutung gewinnt. Dieser Prozeß wird in der Prophetie im Bilde des Kelchs reflektiert (Taumelkelch, Kelch des göttlichen Zorns: der Kelch, den die Herrschenden trinken, bis hin zum Unzuchtsbecher in der Johannes-Offenbarung; vgl. auch Hegels Satz: das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist).
Bezieht sich nicht das Wort am Kreuz: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, auf alle Gestalten des Bewußtseins, die unterm Bann des Weltbegriffs stehen, auch auf die Theologie seit den Kirchenvätern (auf die Theologie hinter dem Rücken Gottes, eine Theologie, die bis heute nur gebunden, nicht gelöst hat)?
Wer an Gott glaubt, muß an die Aufertehung der Toten glauben. Gott ist der Erwecker der Toten. Alles andere ist Rechtfertigung, Ideologie.
Unschuldssyndrom: Wer nur unschuldig sein will, hat der Gerechtigkeit bereits entsagt. Es gibt keine Unschuld in dieser Welt, nur die Gottesfurcht; und die ist in der Tat der Anfang der Weisheit. Die Bekenntnislogik, zu der die Rechtfertigungslehren gehören, verdankt sich dem Unschuldssyndrom.
Der Satz: „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, sprengt den Objektbegriff, der selber ein Depositum des Rachebedürfnisses ist (das Rachebedürfnis begründet und konstituiert das Präsens und den Indikativ).
Die theologische Qualität der deutschen Sprache läßt sich an Wörtern wie Zorn und Wut (an der Unterscheidung der beiden Begriffe), an der Äquivokation des Seins (Infinitiv und maskulines Possessivpronomen) oder des Zeugen und der Zeugung, die keine bloßen Äquivokationen sind, an der Deklination der bestimmten Artikel und nicht zuletzt am Begriff des Substantivs erkennen.
Im Kontext seiner Funktion als Possessivpronomen ist das Sein das Fundament des Rechts und des Staats.
Der Substantiv ist der apokalyptische Drache, der das Weib, das den Knaben geboren hat, verfolgt.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie