Wer andere nicht verraten will, muß bereit sein, deren Sünde mit auf sich zu nehmen. Ist das der Sinn von Joh 129: Nimmt das Lamm Gottes die Sünde der Welt auf sich, weil es die Menschen nicht verraten will?
Entspricht nicht der Idee des Jüngsten Gerichts, wenn sie als Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht zu verstehen ist, ähnlich wie auch dem Hegelschen Weltgericht ein Erkenntnisbegriff?
Der Aktualitätspunkt, auf den die Prophetie sich bezieht, ihr Wahrheits- und Zeitkern, ist das „Heute, wenn ihr meine Stimme hört“: der „Tag des Herrn“, die dies dominica, den die Christen zum Sonntag neutralisiert haben.
Zoologischer Garten: Der Sündenfall hat nicht die Menschen aus dem Garten der Tiere befreit, sondern er hat das Paradies zum Garten der Tiere gemacht.
Wie hängen Kanaan (die Händler), Kana in Galiläa (die Hochzeit und das erste Wunder sowie die Folgegeschichte in Kapharnaum), die kanaanäische Frau, Simon der Kananäer (der Zelot) und Nathanael, „der aus Kana in Galiläa kam“ mit einander zusammen?
In der vollständig instrumentalisierten Welt verlieren die Sakramente, die auch ein Stück ritualisierter Technik sind, ihre raison d’etre.
Die logische Asymmetrie, die die Ethik zur prima philosophia macht, die es verwehrt, aus Grundsätzen des Handelns Maßstäbe des Urteils zu machen, gründet in der Differenz zwischen der Wahrheit eines Satzes und seiner Instrumentalisierung.
Es gibt eine geheime Kommunikation zwischen dem Fortschritt der Ökonomie und dem der naturwissenschaftlichen Erkenntnis.
Das Anschauen (von dem die subjektiven Formen der Anschauung abstrahiert sind) ist der mitleidslose Blick, der der Logik des „Richtet nicht, …“ unterliegt. Im Weltbegriff wird dieser mitleidslose Blick zur Grundlage eines Totalitätsbegriffs. Die Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs fällt mit der des Staates zusammen.
Begreifen und Denken: Ist der Begriff (vgl. auch die Heideggersche Unterscheidung des Vorhandenen vom Zuhandenen) das apokalyptische Zeichen an Hand und Stirn?
Rechtfertigung zielt auf Unschuld, nicht auf Gerechtigkeit; aber nur Gerechtigkeit ist ein theologischer Begriff, Unschuld dagegen ein Weltbegriff. Die Idee der Gerechtigkeit konstituiert sich im Angesicht Gottes, der Begriff der Unschuld im Anblick der Anderen (im Kontext der Scham). Nur das Recht, nicht Gott, spricht jemanden schuldig oder unschuldig.
Teilhard de Chardin hat einmal auf den instrumentellen Charakter des Organischen hingewiesen, der soweit geht, daß z.B. „der Maulwurf … ein Grabwerkzeug und das Pferd ein Laufwerkzeug, der Tümmler ein Schwimmwerkzeug und der Vogel ein Fliegwerkzeug“ ist. „In diesen verschiedenen Fällen gibt es eine werkzeugliche Besonderheit für jede Gattung, jede Familie oder zoologische Ordnung. Anderswo, z.B. bei den sozialen Insekten, sind ausgewählte Individuen allein mehr oder weniger vollständig zu Kriegs- oder Fortpflanzungswerkzeugen umgebildet.“ (Auswahl aus dem Werk, Freiburg i.Br. 1964, S. 57) Läßt nicht das Leben der Tiere insgesamt (der Begriff des Instinkts verweist darauf) als ein Leben im Bann einer Selbstinstrumentalisierung sich begreifen, den das einzelne Tier durch Reflexion nicht aufzulösen vermag, in den es verstrickt ist, dem es nicht entrinnen kann.
Hegel
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2.12.95
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1.12.95
Brief an Ton Veerkamp:
Zum apokalyptischen Symbol des Tieres (das im moralischen Gebrauch dieses Symbols, in seiner Anwendung auf den Trieb, die Sexualität, gleichsam halbiert wird) ist darauf hinzuweisen, daß es nicht im Gegensatz zur selbsterhaltenden Vernunft, sondern als die apokalyptische Gestalt ihrer kollektiven Verkörperungen zu begreifen wäre: als Verkörperung einer Gestalt der Vernunft, die durch Einschränkung aufs Selbsterhaltungsprinzip sich selbst ihrer erkennenden Kraft beraubt. Der Repräsentant der Selbsterhaltung im Erkenntnisprozeß ist die intentio recta: der Positivismus (Zusammenhang mit dem Weltbegriff; Wittgenstein; Hegels Logik; Kants Definition von Natur und Welt; die Urteilslogik und die subjektiven Formen der Anschauung, das Geld und die Bekenntnislogik; Sprachphilosophie und Theologie des Falls). -
27.11.95
Die Natur ist das Produkt, die Welt das Instrument der Historisierung der Gegenwart, der Erweckung der Kräfte der Vergangenheit in der Gegenwart.
„Ihr seid das Licht der Welt“: Das Christentum hat die Schöpfung, das Sechstagewerk, revoziert und zugleich das Werk des ersten Tages erneuert. Die Aufhebung des Sabbat und seine Verschiebung auf die dies dominica, den „Tag des Herrn“, hängt damit zusammen. War diese Verschiebung nicht zunächst eine Umkehrung, und zwar in dem gleichen Sinne, in dem die Bekehrung eine Umkehrung der Umkehr ist?
Die Apokalypse ist nichts weniger als das Buch mit sieben Siegeln, sie ist vielmehr der Text, der das Verfahren ihrer Lösung in sich birgt. Das siebenfach versiegelte Buch ist die Welt.
Hat die Höhe der angedrohten Bußgelder (100 000 DM) im neu eingerichteten Naturschutzgebiet Rüsselsheim/Mörfelden etwas mit dem Umfang der Schäden zu tun, die die Startbahn West in diesem Gebiet inzwischen angerichtet hat? Und in welcher Beziehung steht das in der Naturschutzverordnung enthaltene Verbot, in diesem Gebiet Bild- oder Tonaufnahmen zu machen, zur derzeitigen politischen Absicht, den großen Lauschangriff einzuführen?
Kriege sind explodierende Schuldverschubsysteme.
Der letzte Krieg konnte nicht mehr durch einen Friedensschluß beendet werden; zugleich hat die Nachkriegsentwicklung die politischen Verlierer zu ökonomischen Gewinnern gemacht. Japan und Deutschland sind mit den USA an die Spitze der mächtigsten Nationen gerückt. Zusammen mit der weltweiten Durchsetzung der Marktgesetze (mit der Herstellung der Einheit der Welt) haben die Quellen der Macht immer offener in die Ökonomie sich verlagert, die dazu ihre eigenen politikunabhängigen Institutionen und Verwaltungsapparate sich geschaffen hat. Die Politik ist zu einem Handlanger der Wirtschaft geworden, die Regierungen der Nationen zu einem Satellitensystem, das das Schwerezentrum der Ökonomie umkreist. Es gibt keine souveränen Staaten mehr, die zu ihrem eigenen Selbstverständnis (und zur Begründung ihrer Souveränität) noch eines Friedensschlusses bedürften (oder dazu überhaupt noch fähig wären). Dem politischen Prozeß (der Regression von Politik in Verwaltung) entspricht ein logischer: Ausdruck dieses Vorgangs ist ein Positivismus, der zur Reflexion seiner eigenen Voraussetzungen nicht mehr fähig ist.
Der Terrorismus spiegelt eine Zustand der Vernunft wider, die unfähig geworden ist, in einer Welt, die von anderen Kräften beherrscht und bewegt wird, etwas anderes als das reine Eigeninteresse noch zu reflektieren. War der Staat einmal die Organisationsform einer Gesellschaft von Privateigentümern, so verweist der Terrorismus auf eine Entwicklungsstufe des Staates (und des Privateigentums), in deren Kontext es zur Selbsterhaltung keine Alternative mehr gibt. -
26.11.95
Gegen Derrida: Der Benjaminsche Text bietet keinen realen Anlaß, im Begriff der „göttlichen Gewalt“ die Endlösung, den Holocaust, Auschwitz wiederzuerkennen. Diese Assoziation wird im Gegenteil durch eine genaue Lektüre des Textes definitiv ausgeschlossen. Was die Beziehung herstellt, ist ein Verfahren, zu dessen Kritik Levinas das durchschlagende Stichwort gegeben hat, als er bemerkte, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen. Die Kontamination der göttlichen mit der mythischen Gewalt, die der Derridaschen Assoziation die Basis liefert, ist das Werk Derridas, nicht Benjamins (in dessen Text er sein Verfahren dann hineinprojiziert), wenn er explizit theologische Texte Benjamins, die der Levinasschen Forderung genügen, zurückübersetzt in den Indikativ (das gleiche Verfahren gehört übrigens zur christlichen Begründung und Ausgestaltung des Dogmas, der Orthodoxie, und markiert deren Differenz zur Wahrheit).
Hilfreich zum Verständnis ist die Benjaminsche Unterscheidung von Ausdruck und Mitteilung. Wenn man sie auf die Derridasche Interpretation des Benjaminschen Textes anwendet, wird man schnell gewahr, daß mit der Übersetzung in den Indikativ das, was bei Benjamin sich ausdrückt, in eine Mitteilung umgeformt wird. Diese Umformung ist eine der Instrumentalisierung, die Rückübersetzung der Offenbarung in den Mythos (eine Übersetzung, die der Weltbegriff gleichsam automatisch leistet: der Weltbegriff ist der Inbegriff der transzendentalen Logik der Instrumentalisierung der Wahrheit und selber das Instrument der Zerstörung des Namens).
Wenn Derrida dem Benjaminschen Text hätte gerecht werden wollen, hätte er zumindest auf die zentrale Rolle des Satzes „Du sollst nicht töten“ in diesem Text eingehen müssen sowie darauf, daß die Idee der göttlichen Gewalt deren Instrumentalisierung schon im Ansatz ausschließt. „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, und die einzig legitime Konsequenz aus der Idee der göttlichen Gewalt wäre es gewesen, sie auf die Täter des Holocausts, in keinem Falle aber auf ihre Tat zu beziehen. Zu den letzten Manifestationen des katholischen Volksglaubens in Deutschland, bevor er endgültig ins Blasphemische sich aufgelöst hat, gehörte unmittelbar nach dem Krieg die Angst: Das wird sich einmal rächen.
Wenn Auschwitz eine theologische Bedeutung hat, dann die, daß es der Instrumentalisierung des Kreuzestodes Jesu, und damit der Opfertheologie, der Bekenntnislogik, dem Dogma und der verdinglichten Orthodoxie (der Konfundierung der Theologie mit dem Weltbegriff), endgültig den Boden entzogen hat.
Die Benjaminsche Unterscheidung von rechtsetzender und rechtserhaltender Gewalt rührt an den Grund der Unterscheidung von Natur und Welt, die als Totalitätsbegriffe im Erkenntnisprozeß genau diese Funktionen: die Bindung der Erkenntnis ans Urteil, abdecken. (Die Geschichte der Naturerkenntnis ist die ins Innere transformierte Fortsetzung der heroischen Gründungsgeschichte des Staates und der Zivilisation, und der Naturbegriff selber das Korrelat und die Stütze des Gewaltmonopols des Staates.)
Die Polizei ist das Paradigma des Hoheitlichen (der Repräsentation der staatlichen Gewalt). Sie gehört zur staatlichen Verwaltung wie das Militär zur Nationalökonomie. Stammt nicht der Name der Polizei aus den Anfängen der Verwaltungswissenschaft?
Rührt nicht Walter Benjamins These vom mythischen Charakter des Rechts an den Grund des Prinzips, demzufolge Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist? Die Aufnahme der Gemeinheit in den Kanon strafrechtlicher Tatbestande hätte die Selbstauflösung des Rechts zur Folge. Genau hier wird deutlich, weshalb der Benjaminsche Begriff der göttlichen Gewalt niemals auf die Endlösung Anwendung finden kann. Auschwitz hat das Recht durch Reduktion auf ihren Gemeinheitskern (auf den Kern der rechtsbegründenden und -erhaltenden mythischen Gewalt) zerstört, der Begriff der göttlichen Gewalt hingegen zielt auf die Auflösung des Rechts durch Zerstörung seines Gemeinheitskerns. (Das Jüngste Gericht ist der Widerpart des Hegelschen Weltgerichts: das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht.)
Aus dem gleichen Grunde wäre abzuleiten, daß der Antisemitismus niemals als Anwendungsfall des Rassismus oder des Vorurteils sich begreifen läßt, sondern nur als deren Wurzel.
Das Obszöne an den raf-Prozessen ist der offene Gebrauch, den Gericht und Bundesanwaltschaft vom Gewaltmonopol des Staates machen. In der Konsequenz dieses Verfahrens liegt es, daß die Angeklagte nur noch als Feind wahrgenommen wird. (Die Verteidung wird im Lichte des Grundsatzes wahrgenommen: Wer sich verteidigt, klagt sich an.) Hier gibts nicht nur keine „Waffengleichheit“ mehr, sondern hier geht die Vorverurteilung soweit, daß Verteidung und Besucher apriori zur Sympathisanten-Szene gezählt werden.
Gehören nicht die drei Formen des gewaltsamen Todes im Neuen Testament zusammen: die Enthauptung des Täufers, die Kreuzigung Jesu und die Steinigung des Stephanus?
Sind der Orion und die Plejaden die Repräsentanten des Tierkreises und der Planeten am Fixsternhimmel? Und auf wen bezieht sich das Binden, und auf wen das Lösen (vgl. Hiob 3831 und 99)?
Kinder haften für ihre Eltern: Der biblische Satz „Wenn dein Sohn dich fragt …“ bezieht sich auf die Weitergabe der Lehre vom Vater auf den Sohn, der 68er Satz „Wenn meine Kinder mich einmal fragen …“ dagegen auf den Rechtfertigungszwang, unter dem das Bewußtsein in Deutschland seit dem Ende des Faschismus steht. Dieser Satz gehört zu dem Schwarzen Loch, das der Faschismus erzeugt hat, das die Lehre nur noch in sich hereinsaugt und ihre Vernichtung befördert, aber nicht mehr ausstrahlt.
Holgers Waschsalon: Sind heute nicht alle religiösen Positionen besetzt von Gruppen, die die Religion als Exkulpationsmaschine (als Hilfe, ihre Schuldgefühle loszuwerden, als synthetische Kuschelecke) brauchen? Dem hat die Theologie schon seit der Zeit der Kirchenväter vorgearbeitet. Aber konvergiert nicht dieser Exkulpationstrieb auf eine ebenso erschreckende wie verhängnisvolle Weise mit der Tendenz, die Religion zugleich in eine Religion für andere umzuformen: in ein Instrument der Vergesellschaftung von Herrschaft?
Creatio mundi ex nihilo: Produkt einer projektiven Erkenntnislogik, die eigentlich auf ein Stück Urgeschichte des Kapitalismus sich bezieht, auf die Vorgeschichte der Kreditschöpfung der Banken? Die Risiken der Banken sind die Risiken der Sparer, die Risiken der Unternehmer sind die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz auf dem Spiel steht, und die Risiken des Krieges sind die der Bevölkerungen, deren Anteil an den Opfern der Kriege den des Militärs inzwischen weit übersteigen. Die Risiken der Entscheidungen haben heute nicht mehr die zu tragen, die sie treffen, sondern die, für die sie getroffen werden (Anmerkung zu den Begriffen Verantwortung und Repräsentation).
„Soll aber der Mensch noch einmal in die Nähe des Seins finden, dann muß er zuvor lernen, im Namenlosen zu existieren“ (Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, S. 150, zitiert nach Derrida, Die Schrift und die Differenz, S. 208). Die Begründung ist einfach: Weil das Sein den Namen löscht, alles gleichnamig macht. Wenn Derrida in diesem Zusammenhang auf die Kabbala verweist (auf die „unaussprechbare Möglichkeit des Namens“), so weiß er nicht, wovon er redet. Das Ziel der Kabbala war die Heiligung des Gottesnamens, während die Ontologie seit je darauf abzielte, den Gottesnamen zu tilgen.
War die Ontologie (das „Sein“: die Installierung des Urteils) das Schwert, mit dem Alexander den gordischen Knoten durchschlagen hat? -
19.11.95
Astrologie: Grenz- und Selbstreflexion der Organisation der staatlichen Gemeinschaft im Medium der Astronomie, Planeten als gegenständliche Verkörperungen der inneren Repräsentation seiner Außenbeziehungen. Zentrale Funktion der Venus im astrologischen Konzept (Funktion der „Verehrung“, der Idolatrie; Trennung der Liebe von der Sexualität zusammen mit der Konstitution des Weltbegriffs und der Verdrängung der Herrschaftskritik; Wiederkehr der verdrängten Geschichte der „Venus-Katastrophe“ in der frühmittelalterlichen Minne, auch der devotio moderna, Zusammenhang mit dem Ursprung des Zölibats, der Ohrenbeichte, des Fegfeuers, der Armutsbewegung).
Ist die Venus nicht die weibliche Seite des Mars (Schönheit und Ehre, Begierde und Krieg)? Entspringt nicht hier der Begriff der Liebe, den das Christentum durch Desexualisierung zu reinigen versucht hat (der dann dazu beigetragen hat, die Idee der Barmherzigkeit zu verdrängen, einen von der Idee der Barmherzigkeit gereinigten Weltbegriff zu begründen)?
Wenn Hegel die Außenbeziehungen der Staaten (in denen das Königtum, der Krieg, der Handel und die Ehe sowie das weltkonstituierende Inzestverbot begründet sind) als Naturbeziehungen beschreibt, heißt das nicht auch, daß die Formen dieser Außenbeziehungen die Konstellation beschreiben, in denen der Naturbegriff einmal entsprungen ist (Zusammenhang des Naturbegriffs mit dem Begriff der Barbaren, gemeinsamer Ursprung und gemeinsame Logik beider)?
Wenn es heißt, daß Gott die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt hat, bezieht sich das auf die Planeten und den Tierkreis (sind die Planeten die Säulen der Erde)? Und fällt in diesem Zusammenhang nicht ein Licht auf das Wort in der Verheißung an Abraham von den „Sternen des Himmels“ und dem „Sand des Meeres“?
Sind die großen Seeungeheuer unterhalb oder oberhalb der Vögel des Himmels (gehören sie zu den unteren oder zu den oberen Wassern)?
Richtig und wahr, oder über das Verhältnis der Orthodoxie zur Orthogonalität (des Dogmas zur Geschichte der Naturwissenschaften): Das Richtige (die Orthodoxie ebenso wie die naturwissenschaftlich objektivierte Welt) ist gnadenlos, während die Idee der Wahrheit die der Versöhnung, der Befreiung, der Erlösung mit einschließt.
Das Christentum hat durch sein Bündnis mit der Herrschaft die Gnadenlosigkeit der Welt ratifiziert (und die Wahrheit egozentrisch deformiert).
Gordischer Knoten: Das All entspringt mit der Trennung von Natur und Welt; und die Reflexion der Todesangst, die Franz Rosenzweig zufolge das All sprengt, ist die Reflexion dieser Trennung.
Der Begriff des Seins gewinnt seine emphatische Bedeutung nur aus seiner Beziehung zum Gottesnamen, dessen entfremdete, entstellte und verzerrte Erinnerung in ihm sein letztes Echo findet. Die Fundamentalontologie Heideggers ist die Selbstreflexion des Seins im Bann dieser Enfremdung und Entstellung.
Zoon politikon: Der Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung ist politisch, herrschaftsgeschichtlich vermittelt. Modell des Objektbegriffs ist die Ware, der mit dem Handel (genauer: mit dem Fernhandel) sich bildet. Zu den ersten Waren gehören der Raub und die Kriegsbeute: neben den geraubten Gütern auch die Gefangenen, die als Sklaven für den Eigengebrauch wie für den Markt gewinnbringend genutzt wurde. Die Fremdheit der Dinge gründet in der Fremdheit der anderen Völker, Stämme, Sprachen und Nationen. -
15.11.95
Das Schuldverschubsystem ist ein Mittel der Stabilisierung der Welt. Die Selbstentlastung, die mit seiner Hilfe erreicht wird, ist ein Konstituens der Einheit der Welt (und der Einheit des Subjekts, die logisch mit dem Schuldverschubsystem verknüpft ist).
Die transzendentale Ästhetik enthält bereits die Elemente einer Kritik des Inertialsystems, und sie verweist zugleich auf den Grund der Trennung der mathematischen und dynamischen Kategorien, der Trennung von Natur und Welt. Wird diese Trennung im Generationenkonflikt ausgetragen, in der die Trennung von Begriff und Objekt oder der mit der Urteilsform gesetzte Konflikt ausgetragen wird? Das Über-Ich ist der Repräsentant des Begriffs im Ich (Pendant der Objektivierung des Subjekts). Und die vaterlose Gesellschaft verdrängt das Über-Ich anstatt es durch Reflexion aufzulösen.
Auf diese Konstellation verweist der Satz aus der Dialektik der Aufklärung, daß die Distanz zum Objekt vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt (Hinweis auf den herrschaftsgeschichtlichen Grund der Logik).
Als Dinglogik ist die Hegelsche Logik die Selbstreflexion der Bekenntnislogik. Deren Vorstufe war die aristotelische Logik, die am Neutrum sich entfaltet.
Das Neutrum ist das Schwert, das den gordischen Knoten durchschlagen, die Objektivität begründet, indem sie sie in Welt und Natur getrennt hat. (Das Neutrum ist der Statthalter des Urteils in der Sprache: Repräsentant des durch den Begriff vermittelten Objektbegriffs.)
Durch das opfertheologische Konstrukt der „Entsühnung der Welt“ (durch die Herausnahme von Joh 129 aus dem Nachfolgegebot) ist das Christentum zu einer Religion der präventiven Schuldbefreiung geworden, zum apriorischen Alibi für die Unterwerfung und Ausbeutung der Welt: des europäischen Imperialismus. -
13.11.95
Ist die Bezeichnung der Urkirche als „Sekte“ nicht ebenso konsequent wie anachronistisch, wenn man – wie Wayne A. Meeks – die gesamte Eschatologie, das apokalyptische Element in der paulinischen Theologie, nur als ein Instrument der Gemeinschaftsbildung (der Bindung nach innen und der Abgrenzung nach außen) begreift? Der Begriff der Soziologie, der den Erörterungen Meeks‘ zugrundeliegt, projiziert die Gegenwart in die Vergangenheit, weil er von der politischen, herrschaftsgeschichtlichen Reflexion abstrahiert.
An der Zeit wäre eine Kritik der Naturwissenschaft, die sie nicht „widerlegt“, wohl aber die Wunde, die sie geschlagen hat, erfahrbar macht.
Das Inertialsystem hat die subjektiven Formen der Anschauung Kants nicht nur vergegenständlicht, sondern zugleich die Zeit unter die Form der äußeren Anschauung subsumiert. Das war der Preis für die Konstruktion des Inertialsystems. Aber ist nicht in der gleichen Bewegung der Raum zu einer Form der inneren Anschauung geworden: zur Grundlage und zum Medium der subjektiven „Vorstellungen“, zum Phantasieraum?
Verletzt nicht der Rassebegriff, die Vorstellung von Erhaltung der Reinheit des Blutes, indem er der Exogamie den Weg verstellt, das Inzestverbot (Zusammenhang mit dem modernen Naturbegriff!)?
Der „Mantel der Nächstenliebe“ übt Gnade für die Täter, aber er ist gnadenlos gegen die Opfer.
Die Maschine, die Hegel in der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes als das Reifen des sich bildenden Geistes mißversteht (Bd 3 der Theorie-Werkausgabe, S. 18), hat nach Hegel weitergearbeitet, sie hat sich durch die Idee des Absoluten nicht bremsen lassen.
Im Rahmen einer Kritik der Beweislogik wäre nachzuweisen, daß es Beweise gibt, die das genaue Gegenteil dessen beweisen, was sie zu beweisen vorgeben. Darauf bezieht Benjamins Satz „Überzeugen ist unfruchtbar“. Die Kritik des ontologischen Gottesbeweises ist unter Berücksichtigung Hegels nach Kant über Kant hinauszutreiben.
Im Lateinischen heißt Beweis demonstratio. Dr Begriff und die Methode des Beweises stammen aus der Geometrie (von Euklid bis Spinoza).
Steckt nicht in jedem Beweis etwas vom Anspruch der Intersubjektivität, der dem andern bedeutet, dem eigenen Denken zu entsagen. Der Beweis fordert die Unterwerfung unter eine Logik, die – allerdings nicht grundlos – zu durchbrechen wäre. Es ist kein Zufall, daß die Formalisierung der Logik zu Lasten der Logik der Begründung geht. Die Argumentation appelliert auch an die Namenskraft der Sprache, in der der Satz „Wer A sagt, muß auch B sagen“, nicht unbedingt gilt.
„Rede von Gott“: Die Rede ist per definitionem monologisch. Ihr Adressat ist nicht der Einzelne, sondern die Gemeinschaft: ein Kollektiv. Wer einen einzelnen „zur Rede stellt“, will, daß er sich „unterordnet“, in eine ihm vorgeordnete Gemeinschaft wieder eingliedert. Reden erwarten keine Antwort, vielleicht Beifall, aber niemals Widerspruch. Die Rede ist die säkularisierte Predigt. Keine Rede ohne Selbsterhöhung, ohne die Hybris des Redenden. Es ist diese Hybris, die sich den Hörern mitteilt (und die von ihnen erwartet wird). Hitler war in erster Linie, wenn nicht sogar ausschließlich, ein Redner. Seine politischen Handlungen waren Inszenierungen, die den Raum, den Resonanzboden, für seine Reden bereiten sollten (der Zusammenbruch des Faschismus war der Zusammenbruch dieses Raumes: danach, ohne diesen Raum, war Hitler ein Nichts, nur noch eine komische Figur: einer, der sich grundlos aufregt). Es gibt keine Rede ohne Ritual, ohne standardisierte Argumentation, auch ohne den spezifischen Ton der Rede. Die Rede lebt von dem Klima der Empörung, das sie erzeugt (darin gleicht sie dem Gerede, mit dem sie unter dem beiden gemeinsamen Bann von Rechtfertigungszwängen steht, auf deren Instrumentalisierung, die ausschließlich über die Mechanismen der Empörung läuft, sie abzielt). Ziel der Rede ist es, Emotionen zu wecken, „Hunde hinterm Ofen hervorzulocken“. Für die Hörer ist die Rede der Handlungsersatz (das moralische Alibi) der Ohnmächtigen. Das Grundmodell der Rede ist die antisemitische Rede. Reden sind ghettobildend: Sie „überzeugen“ nur die eigenen „Anhänger“, andere erreichen sie nicht mehr.
Zum Begriff der Rede: Jemandem „ins Gewissen reden“ heißt, ihm das Gewissen ausreden. -
10.11.95
Hegels Logik steht unterm Bann des Dingbegriffs, sie ist eine Dinglogik. Sie vermag den Knoten, der das Ich mit dem Ding verknüpft, nur zu reflektieren, nicht zu lösen.
Der Weltbegriff ist das Produkt und die Organisationsform der Selbstreflexion des Andersseins der Dinge (ihrer Erscheinung). Hieran läßt sich erkennen, daß der Andere und das Fremde nicht nur nicht bedeutungsgleich sind: Der Fremde erscheint als Fremder im Kontext der Selbstreflexion des Andersseins. Der Fremde ist das Realsymbol der ausschließenden Gewalt des Weltbegriffs (an ihm läßt der nationale Grund des Weltbegriffs sich ablesen).
Oben und unten: Welcher Logik ist es zu verdanken, wenn der Rassismus mit Rangordnungsstrukturen, mit Wertordnungen und hierarchischen Abstufungen verbunden ist, mit paranoiden Verschwörungskonstrukten und mit Reinheitszwängen: mit einem Hygienezwang, der bis zum Genozid fortschreitet? Ist nicht der Antisemitismus in der Tat die Wurzel des Rassismus (und nicht nur eine seiner Erscheinungesformen)? Welches objektiv destruktive Potential steckt nicht in der Verharmlosung des Rassismus zur Weltanschauung, die ihn der Bekenntnislogik unterwirft, die selber ein Ausfluß des Rassismus ist, nicht seine Grundlage.
Ist der kyrios als messianischer Titel Jesu der über die LXX vermittelte Gottesname adonai, der Deckname des Tetragrammatons, das selber nicht ausgesprochen werden durfte? Was bedeutet es, wenn dieser Deckname dem Christus Jesus zuerkannt wird, gleichzeitig aber das Tetragrammaton ersatzlos verschwindet? Der Name des Vaters benennt ihn bloß, er ist kein Name, in dem sich Gott selbst zu erkennen gibt.
Ist das Dogma der Tempel, mit dem Opfer als Grundlage: das Haus seines Namens? Läßt sich die Geschichte des Dogmas (die bruchlos in die naturwissenschaftliche Aufklärung übergeht) an der Geschichte der Architektur des Kirchenbaus ablesen? Hat Hegel nicht die Geschichte der Architektur als die Geschichte der Organisation der Schwere und des Lichts aufgefaßt und beschrieben? Ist hier nicht das Verbindungselement, das das Dogma mit der naturwissenschaftlichen Aufklärung verbindet?
Hören und Sehen: Die Nacktheit (da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren) verweist auf die Entkleidung der Dinge, ihr Herausfallen aus dem (paradiesischen) seligen Sprachgeist. Nackte Tatsachen sind obszön, und die subjektiven Formen der Anschauung, in deren Kontext sie sich konstituieren, sind der Unzuchtsbecher der Apokalypse. -
9.11.95
Die Lehre von der Erschaffung der Welt, die auf die weltkonstituierende Funktion des Staates zurückweist, läßt sich auch nicht durch das angehängte ex nihilo heilen (das auf den ökonomischen Grund der weltkonstituierenden Funktion des Staates zurückweist). Es sei denn, daß dieses ex nihilo die Vorstellung ausschließen soll, es gäbe eine ursprüngliche Vergangenheit, eine Vergangenheit vor der Schöpfung.
Die Marxsche Idee einer klassenlosen Gesellschaft und seine Vorstellung vom Absterben des Staates enthalten einen erkenntniskritischen Aspekt, der mit zu entfalten wäre. Bezeichnen nicht die drei evangelischen Räte (Armut, Keuschheit und Hören) genau die Elemente, die die Logik des Absterbens des Staates zu begründen vermögen.
Wenn die griechische Grammatik das Paradigma einer (in der Trennung des Sehens vom Hören begründeten) Logik der Schrift ist, dann ist die hebräische Grammatik das einer (im Hören begründeten) Logik des Worts.
Im Credo steht das secundum scripturas nach dem et resurrexit tertia die, nicht nach dem crucifixus etiam pro nobis: sub Pontio Pilato passus et sepultus est.
Für die Griechen waren die Barbaren die Fremden, für die Christen – bis hin zu Thomas – die Völker, die Heiden; die Neuzeit wird mit dem projektiven Namen der Wilden eröffnet; erst Hegel hat diese ganze Sphäre zusammengefaßt im Objekt des Weltgerichts: in den Opfern der Geschichte. Damit ist die Barbarei endgültig historisiert worden.
Wayne A. Meeks verweist auf einen archäologischen Fund in Korinth, der auf die Existenz einer hebräischen Synagoge dort verweist (Urchristentum …, S. 107). Demnach war in römischer Zeit der Name der Hebräer noch in Gebrauch.
Das Argument, daß (im Mörfelder Wald) Wege deshalb nicht gesperrt worden sind, weil erkennbar war, daß sie ohnehin kaum benutzt worden sind, entspringt einer Logik, die das Gefühl genießt, hier auch die letzten drei Spaziergänger noch aus dem Wald ausschließem zu können. Ist dieses Gefühl so weit von dem entfernt, das Skinheads ergreift, wenn sie Behinderte, Ausländer oder Obdachlose angreifen? Im Kontext hierarchischen Verwaltungsdenkens ist die Bevölkerung das, was unten ist und sich nicht wehren kann.
Wie verträgt sich eigentlich die fortschreitende Privatisierung öffentlicher Dienste und Aufgaben, die den Staat zur Beute der Privatwirtschaft macht, mit der sich zuspitzenden Durchdringung der öffentlichen Verwaltungen durch hoheitlich-hierarchisches Verwaltungsdenken?
Der Staat ist das Wesen, das kreuzigt, die Welt ist der Ort, die Schädelstätte, an der gekreuzigt wird, während Natur das Deck- und Rätselbild des Opfers vor Augen stellt, ohne das es den Staat und die Welt nicht geben würde (christologischer Naturbegriff).
Das Gewaltmonopol des Staates, das einmal die Rachelogik durchbrechen sollte, ist inzwischen selbst zu einem Instrument der Rachelogik geworden.
Gewissenhaft, befähigt und befugt, gesinnt und gesonnen: Hinweis zur Konvergenz der Sprache der Verwaltung mit der Sprache des Nationalismus (die hierarchische Struktur der faschistischen Organisationen war ein genaues Abbild der hierarchischen Verwaltungsstrukturen).
Die Idee der Heiligung des Gottesnamens, die die Sprache von den Folgen des Sündenfalls, von der Erbsünde, reinigt, entzieht jeder Herrschaftsreligion, jeder Form der Religion für andere, damit aber jeder Religion überhaupt den Grund. -
31.10.95
Das Geld, das Inertialsystem und die Bekenntnislogik sind die Grundlage des Bewußtseins, der Trennung des Bewußtseins vom Unbewußten.
Der biblische Begriff der Erlösung ist an die Verwandschaftsordnung gebunden. Dadurch, daß Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, durch den Sohn zum Vater aller geworden ist, wird auch die biblische Erlösungsordnung, in der der Nächstverwandte den Verwandten, der unten ist, löst, auf alle übertragen. Deshalb sind die Verwandten Jesu nicht seine Mutter, seine Schwestern oder Brüder, sondern die, die den Willen des Vaters tun. Und diese Erlösungsordnung ist nicht spirituell oder sakramental, sondern sehr materiell.
Der Weltbegriff und in seinem Kern der Objektbegriff (der Dingbegriff) verdanken sich in ihrem Ursprung der Konvertibilität von Mitteln und Zwecken. Modell des Objektbegriffs ist das zum Selbstzweck gewordene Mittel. Der Primat und die Herrschaft des Kausalitätsprinzips gründet in dieser Hypostasierung der Mittel, in dem logischen Vorrang, den sie damit gegen die Zwecke gewinnen. Das Kausalitätsprinzip selber ist ein Mittel der Instrumentalisierung, in deren Bannkreis alle Zwecke zu bloß subjektiven Zwecken werden, die per List in den objektiven Zusammenhang der Kausalitätsordnung (ins Reich der Erscheinungen) überführt werden.
Das Geld, das Inertialsystem, die Bekenntnislogik sind reine Mittel. (Das Geld ist die Inkarnation der List der Vernunft, die Verkörperung der Logik der Hypostasierung der Mittel und der Instrumentalisierung fremder Zwecke.)
Die Verdinglichung ist ein Instrument der List der Vernunft. Der Genitiv im Begriff der List der Vernunft ist ein genitivus subjectivus und objectivus zugleich: Die Vernunft ist ebensosehr Uhrheber wie Opfer dieser List.
Das Frontdenken ist ein Produkt des verdinglichenden Denkens. So verfängt es sich in der Logik des gleichen Systems, gegen das es kämpft, und wird, ohne es noch wahrnehmen zu können, dessen Opfer. Das Frontdenken ist der agent provocateur des Feindes.
Eine Revolution, die auf Änderung der Verhältnisse (und nicht auf Identitätserhaltung der Revolutionäre) abzielt, muß fähig sein, auch die Logik zu reflektieren. Für Marx war die Logik Hegels wichtigstes Buch; aber wäre diese Logik nicht endlich auf ihren aktuellen Stand zu bringen?
Botschaft und Nachricht: Eine Informationsgesellschaft, die nur noch Perspektiven aufs Urteilen, keine mehr aufs Handeln eröffnet, verfängt sich in den Verstrickungen ihrer eigenen Logik.
Die Aufklärung hat die Magie und den Mythos nicht nur überwunden, sondern mit ihrer „Widerlegung“ zugleich auch das verdrängt, wovon sie das falsche Bewußtsein waren. Das Verhältnis gleicht nicht zufällig dem der dogmatischen Theologie zu den Häresien. -
29.10.95
Theologie: domestizierte Paranoia? Nicht Gott, sondern Sein NAME ist Gegenstand der Theologie. Der Gott, „über“ den zu reden wäre, ist ein paranoisches Produkt. Theologie im Angesicht Gottes ist die Theologie der Arglosigkeit.
Ist nicht das Dogma – mit seinem Kern, der Opfertheologie – ein paranoides System, und zwar das konsequenteste, logisch durchgebildetste?
Wenn Jugendliche heute in der Oper lachen, verweist das nicht auf den Zerfall der bürgerlichen Privatsphäre, die in der Oper an ihren herrschaftsgeschichtlichen Ursprung im Barock (an ihren Ursprung in der Geschichte der Privatisierung der Herrschaft) erinnert wird?
Beispiele sind kein Beweis: Die Frage ist nicht, ob es Fortschritt in der Geschichte gibt, sondern was das ist, was wir Fortschritt nennen.
Wenn Ulrich Duchrow unter Berufung auf Ton Veerkamp sagt, daß der Überbau nicht nur wirtschaftlich determiniert sei, neutralisiert er den Widerspruch zu einem sowohl als auch. Es gab nicht den Dornbusch und daneben das Feuer, sondern im brennenden Dornbusch hat Gott sich offenbart.
Das Inertialsystem ist der Systemgrund der Ästhetisierung der Erscheinungen. Eine Kritik der Phänomenologie, des Begriffs und der Sache (von Lambert über Hegel bis Husserl), müßte insbesondere dieses Moment der Ästhetisierung im Begriff der Erscheinungen ins Bewußtsein heben. In diesen Zusammenhang gehört die Bedeutung des Präfixes er- im Begriff der Erscheinung sowie seine Beziehung zum Sein: Beide erinnern an die Logik der dritten Person (des Andern), die den Grund benennt, aus dem der Weltbegriff und der Begriff der Erscheinungen hervorgehen.
Zur Kritik der Trinitätslehre: Die Erscheinung wird erzeugt, wie auch der theologische Ursprung auf die Christologie (auf die „Erscheinung des Herrn“), zurückweist. Wie der Sohn ist auch die Erscheinung „gezeugt, nicht geschaffen“: Deshalb ist der Begriff der Schöpfung auf die Natur nicht anwendbar (und deshalb gibt es so etwas wie eine „christologische Struktur“ des Naturbegriffs).
Die Bewegung des Lichts im Raum wird mit den Begriffen Fortpflanzung und Ausbreitung beschrieben, und diese Begriffe bezeichnen nicht das Gleiche: Verhält sich nicht die Ausbreitung zur Fortpflanzung wie die Fläche zur Norm? Und ist es nicht diese Beziehung der beiden Begriffe, die dem Korpuskel-Welle-Dualismus zugrundeliegt, in ihm sich reflektiert?
Mit der Austreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel hat Jesus den Auftrag an Josue zu Ende geführt: er hat den Bann über Kanaan vollstreckt.
Der wachsende Anteil der Gremien, die Regierungsaufgaben übernehmen, aber nicht demokratisch gewählt und keiner demokratischen Kontrolle unterworfen sind: Verfassungsgericht und Zentralbanken im Innern, transnationale Gremien wie IWF, Weltbank, Europäischen Union draußen (vgl. Duchrow, Alternativen, S. 106). Zusammenhang mit dem Konstituierungsprozeß, in dem die Marktgesetze nach innen und außen sich durchsetzen („schlanker Staat“, Privatisierung öffentlicher Betriebe, Entpolitisierung der Politik und Ausbreitung der – nur noch „Sachgesetzen“ gehorchenden – Verwaltung). -
14.10.1995
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und das Plancksche Wirkungsquantum sind Hinweise auf die Irreversibilität der Richtungen im Raum.
Die Linguistik reicht ebensowenig an die Ursprungsgeschichten der Sprachen heran wie die Naturwissenschaften an die der Welt. Ist nicht die Urknalltheorie rassistisch, bezeichnet sie in der Physik die Stelle, die in der Linguistik das Problem des Ursprungs der indogermanischen Sprache bezeichnet?
Hegels Begriff der List der Vernunft ist das Eingeständnis, daß die bürgerliche Vernunft sich vom Betrug nicht freimachen kann. Dieser Betrug steckt in den Fundamenten der Welt, sein Kern ist der Weltbegriff, sein Grund das Herrendenken.
In welchem Zusammenhang stehen die Begriffe Verdacht, Unterstellung und Behauptung?
Hegels Philosophie gleicht der Katze, die sich selbst in den Schwanz beißt, sie gleicht dem Swinegel un sin Fru, die den Hasen sich zu Tode rennen lassen, weil er sie nicht unterscheiden kann, wenn sie rufen „Ick bün all do“. Sie unterschlägt, daß die Katze eigentlich die Maus meint, und daß das Ich des Swinegels und das siner Fru nicht dasselbe Ich ist. Grund des Betrugs ist in beiden Fällen die List, die das Ungleichnamige gleichnamig macht. Diese List zerstört den Namen, ersetzt ihn durch den Begriff.
Sind Begriffe terroristische Vereinigungen, bildet das strafrechtliche Konstrukt der terroristischen Vereinigung ein Moment im Prozeß der Begriffsbildung ab? Wenn ich einen, der gemordet hat, Mörder nenne, subsumiere ich ihn unter einen Allgemeinbegriff, der ihn terrorisiert („abschreckt“). Gilt das Gleiche nicht auch, wenn ich eine Katze eine Katze, ein Rind ein Rind und einen Löwen einen Löwen nenne? Was ist wirklich passiert, als Adam die Tiere benannte?
Wenn ich aus dem Begriff „Rache des Objekts“ das Psychologische herausnehme, trifft er einen sehr realen Sachverhalt.
Die Hegelsche Idee des Absoluten ist die Rache des Objekts am Begriff.
Beweislogik und Objektivität: Ist nicht das Recht der Beweis, daß die Logik ein Instrument der Rache des Objekts (die instrumentalisierte Rache des Objekts) ist?
Das Prophetenwort: Mein ist die Rache, spricht der Herr, ist der Kern der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung, der Kern des Bilderverbots, und ein Hinweis auf das mit der Heiligung des Gottesnamens Gemeinte.
Wer ist das Subjekt der Geschichte? Erst durch den Begriff wird das Objekt zum Objekt (der Begriff konstituiert den Raum, in dem das Objekt als Objekt erscheint): Erst durch die Geschichtsschreibung, die die Geschichte in die Vergangenheit bannt, sie zum Gegenstand der Anschauung macht, wird die Geschichte zur Geschichte.
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