Zur Kritik der Urteilskraft: Hat nicht Auschwitz der Idee des Erhabenen den Boden entzogen?
Hegels Bemerkung, daß, was aus dem Grunde kommt, auch zugrunde geht, ist ein Ausdruck der absoluten Verzweiflung: Kant zufolge ist der Grund eine Reflexionsform des Zwecks. Für Hegel gibt es, anders als für Kant, keinen „Endzweck“; der ist in der Idee des Absoluten untergegangen und begraben.
Der Begriff der Größe wird vor allem auf historische Personen angewandt, insbesondere auf Herrscherfiguren wie Alexander, Konstantin, Karl der Große, Friedrich der Große (und sein Vater: der große Kurfürst); merkwürdig, daß es im gleichen historischen Kontext auch ein weibliches Exemplar der Größe gibt: Katharina die Große. Dieses Attribut scheint insbesondere den Reichsgründern zuerkannt zu werden; welche Bewandnis hat es dann mit der Gründung des preußischen Staates (gegen eine in die Repräsentation des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation eingebundene österreichische Herrscherin, und im Vorgriff auf die Gründung des Zweiten Deutsche Reichs)? Was zeichnete diesen Staat (der zum Modell der Hegelschen Staatsmetaphysik, der Verkörperung der Idee des Absoluten, geworden ist) vor anderen Staaten aus, und was verbindet ihn mit dem Untergang des Ersten Reiches? Dazu merkwürdig, daß Alexander und Karl inzwischen in Verdacht geraten, nur Phantomfiguren zu sein, als Verkörperungen einer Geschichtslogik, die ihre Objekte einem Verfahren der Ästhetisierung unterwirft, sich ins Irreale zu verflüchtigen scheinen.
Mit dem mathematischen Begriff der Größe ist die Orthogonalität mit gesetzt. Kann es sein, daß der ästhetische Begriff der Größe, der der Idee des Erhabenen zugrunde liegt, durch einen der Orthogonalisierung vergleichbaren Effekt sich auszeichnet? Und kann es sein, daß die Vorstellung des dreidimensionalen Raumes ihre säkularisierende Wirkung darin hat, daß sie die Vollständigkeit der Fundierungsbedingungen der mathematischen Größen (nicht ihre Realisierungsbedingungen: die schließen einen subjektiven Akt, einen Akt der Setzung, der Konvention mit ein) in sich enthält (was darin sich manifestiert, daß sie im Prinzip bereits dem ästhetischen Begriff der Größe die Grundlage entzieht)? These: Der Begriff der historischen Größe und die Idee des Erhabenen gründen in einem noch vornewtonschen, naiven Verständnis der Schwere; sie stehen in einem logischen Zusammenhang mit der Geschichte und der Logik des Weltbegriffs (seiner Beziehung zum Begriff des Falls – vgl. Wittgesteins Definition des Weltbegriffs). Kann es sein, daß Größe und Erhabenheit (die beim Augustus sogar zum Namen geworden sind) als besondere ästhetisch-historische Kategorien die christliche theologisch-dogmatische Weiterbildung der Logik, den Begriff und die Realität der Orthodoxie, voraussetzen, auf ihrer Grundlage sich gebildet haben? – Die vorchristliche Welt kannte die „sieben Weltwunder“ (und die rechtsgründenden Taten der Heroen), aber – außer den erst in christlicher Erinnerung so genannten – keine „Großen“; dagegen stand die Logik des Mythos und des Schicksals, insbesondere das absolute Urteil der Hybris.
Ist nicht das Attribut „der Große“ ein (dem Alexander aus durchsichtigen Gründen nachträglich zuerkanntes) „historisches“ Attribut?
Vgl. die Reflexionen Lyotards zum Begriff des Erhabenen!
Hat die Logik der Orthodoxie (die Bekenntnislogik) für die Geschichte der Theologie und des Dogmas die gleiche Funktion wie die durch die Orthogonalität als Norm determinierte Raumvorstellung für die Bildung der Vorstellung kontinuierlicher und diskreter Größen?
In welcher Beziehung stehen das aristotelische Staunen und die „sieben Weltwunder“ zu den Wundern der Evangelien, waren sie so etwas wie eine gleichsam prophylaktische Vorkehrung, die dem fundamentalistischen Mißverständnis dieser Wunder Vorschub geleistet (ihren „symbolisch-typologischen“ Sprachsinn unkenntlich gemacht) haben? Und war nicht dieses fundamentalistische Mißverständnis eine der Ursprungsbedingungen des Dogmas?
Die mathematische Größe bedarf des Maßes; das aber ist Produkt einer Konvention. Es gibt kein „natürliches“ Maß der Länge, der Zeit, des Gewichts, des Geldes.
Wenn die moderne Sprachtheorie die Worte als konventionelle Symbole begreift, verwechselt sie die Sprache mit der Mathematik. Und ist nicht der Begriff der Konvention ein falscher Ausdruck für die verandernde Kraft des Urteils? Wer das Resultat dieser Veranderung zur Sache der Konvention macht, trennt die Sprache von ihrer Wurzel im Namen.
Die verandernde Kraft des Urteils aber gründet in der Eigentumslogik (der der Staat und der Weltbegriff sich verdanken, und die dem Naturbegriff sein Objekt gibt): in der Beziehung der objektivierenden Kraft des Seins (der Kopula) zu der objektivierenden Kraft, die der staatlich geregelten und rechtlich sanktionierten Eigentumsordnung (der Trennung und Unterscheidung der Öffentlichkeit, der Sphäre des Eigentums anderer, von der Privatsphäre) sich verdankt.
Zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Die Tatsache, daß die Lichtgeschwindigkeit eine „empirische“ Größe ist, macht ein durch Konvention definiertes Element (ein durch „konventionelle“ Maßbestimmungen mit definiertes Element) zu einem Systemelement, das die „Objektivität“ der Erkenntnis mit garantiert. Ist dieses Systemelement nicht eines, das in den Grund des Feuers hinabreicht? Deshalb ist die Bestimmung der Beziehungen des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu den Konstituentien der Mikrophysik so zentral. Ist das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit der durch Umwendung ins Äußere unkenntlich gemachte Knoten, der zu lösen wäre?
Lust ist eine ins Ästhetische reflektierte, durchs Ästhetische vermittelte Empfindung. Das Korrelat der Unlust ist der Schmerz. Jede Empfindlichkeit ist pathologisch, der Schmerz ist real.
Erscheint der historisch-ästhetische Begriff der Größe (des Erhabenen) auch bei Hegel? Vgl. auch die Weltgeschichtlichen Betrachtungen Jakob Burckhardts. Im Gröfaz („größten Führer aller Zeiten“) ist der Begriff der Größe explodiert (und zwar sowohl in den unmittelbaren Zielen und Folgen der nationalsozialistischen Politik, als auch in den Metastasenbildungen in den Diktaturen heute); seit Auschwitz gibt es kein Erhabenes mehr. Reflektiert sich das nicht in der Sprache der Nachgeborenen, die z.B. den Begriff der Anmut nicht mehr kennen („heute nennen wir das geil“), aber auch in der Neigung der Medien, das Interesse der Gesellschaft anstatt durch die Sache, durch Steigerung der Reize zu gewinnen (Sensation ist ein Empfindungsbegriff, der von der Last der Reflexion entbindet)?
Ist nicht die Größe prima facie ein Attribut des Männlichen, und das Schöne (die „Anmut“, das „Liebliche“) eines des Weiblichen? Die Blume ist schön, der Baum erhaben? Hängt es nicht mit der Verwischung der Geschlechterdifferenz zusammen, wenn in der Sprache der Jugendlichen das Erhabene vom Wahn und das Schöne vom Sexuellen nicht mehr sich scheint trennen zu lassen? Sind nicht die Attribute, mit denen Jugendliche die Dinge heute benennen, ein Indiz des Weltzustandes? Verweist nicht die Differenz des Schönen und Erhabenen auch auf die Unterscheidung von Natur und Welt, ist nicht das Schöne ein Objektgefühl, das Erhabene ein Verstandesgefühl (das Absolute ist das an sich Erhabene)? Gehören nicht das Schöne wie das Erhabene einer Sphäre an, die im Urteil gründet (und nur dem Gefühl sich erschließt, aber einem, das den Anspruch auf Objektivität erhebt)? Der Faschismus, der zum absoluten Objekt der Verurteilung geworden ist, ist weder schön noch erhaben, eigentlich die Vernichtungsmaschine beider. In diesen Zusammenhang gehört Adornos Satz, nach Auschwitz Gedichte schreiben sei barbarisch (gegen den alle protestierten, die das Privileg nicht aufgeben wollten, sich weiterhin einen Reim auf diese Vergangenheit zu machen).
Blumen sind schön, Bäume erhaben: Heißt das nicht auch, daß Blumen als Naturwesen, Bäume als Weltwesen apperzipiert werden? Was bedeutet dann die Wendung „durch die Blume sprechen“?
Wer die Korrektur-Vorschläge der Kant-Herausgeber in den Anmerkungen der Kant-Ausgaben liest, bekommt einen Vorbegriff davon, wie der Duden einmal entstanden sein mag. Kaum eine „Verbesserung“, an der nicht mit Händen sich greifen ließe, daß nicht nur die kantische Sprachlogik sondern mit ihr entscheidende Motive seiner Philosphie nicht mehr verstanden wurden. Alle „grammatischen Fehler“, die hier „berichtigt“ werden, sind nicht nur keine, sie drücken in Wahrheit genau das aus, was seitdem an Kant verdrängt und vergessen wurde.
Hegel
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12.7.96
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11.7.96
Zur den Krankheiten, von denen vor allem kirchliche Autoren befallen sind, gehört der von der Bekenntnislogik nicht abzulösende apologetische Ton (aber warum und wodurch unterscheiden sich Karl Thieme und Kornelis H. Miskotte, die doch beide auf Rosenzweig sich beziehen? Liegt der Grund dafür, daß Thieme gänzlich unapologetisch schreibt, darin, daß er Laientheologe war?). Bei der Verkündigung der Geburt des Johannes ist der Adressat der Vater, Zacharias, nicht Elisabeth, und der Ort ist der Tempel (Lk 15ff); bei der Verkündigung der Geburt Jesu ist Maria die Adressatin, nicht Josef (dem dann die Engel im Traum erscheinen); der Ort dieser Verkündigung ist „eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazareth“ (Lk 126ff). Die einzige Stelle, an der der Name Josefs im Kontext des öffentlichen Wirkens Jesu erscheint, ist die bei dem öffentlichen Auftritt Jesu in Nazareth, wo die Leute fragen: Ist das nicht der Sohn des Josef (Mt: der Sohn des Zimmermanns; Mk: der Zimmermann, der Sohn der Maria). Bei Lk sind es dann die gleichen Leute, die ihn steinigen wollten (Lk 416ff). Greuel der Verwüstung: Wenn Heinsohn/Steiger den Begriff des Privateigentums durch den des Eigentums ersetzt sehen möchten, müßte das nicht Konsequenzen haben im Hinblick auf ihre Stellung zur Politik der Privatisierung von Unternehmen und Einrichtungen der öffentlichen Hand? Oder drückt sich darin nur die Einsicht aus, daß diese „Privatisierung“ in Wirklichkeit keine ist, sondern eine Form der Vergesellschaftung, bei der die Verantwortung ins Funktionale gerückt, und d.h. aufgehoben wird? Seit es in den entscheidenden Bereichen der Wirtschaft keine „Unternehmer“ mehr gibt, deren Tätigkeit durch die „Unternehmensführung“, durch ein Verwaltungsmanagement, ersetzt wurde, handelt nur noch das Wertgesetz als Vollstrecker der Imperative des Marktes. „Verantwortlich“ ist die Geschäftsführung allein den „Eigentümern“, die weder zur Produktion noch zu den Produzenten noch eine Beziehung haben, statt dessen nur noch das eine Interesse, daß die Rechnung stimmt. Das Eigentum, dessen Verwaltung ans Management delegiert wird, ist in der Tat kein Privateigentum mehr, sondern nur noch das Eigentum anderer (die Verschmelzung des Eigentumsbegriffs mit dem Weltbegriff). Die „Privatisierung“ von Betrieben der öffentlichen Hand ist nur ein weiterer Beleg dafür, daß die Politik in wachsendem Maße sich aus der Verantwortung stiehlt, nicht nur immer mehr Aufgaben an die Zwillinge der Multis, die transnationalen Verwaltungen delegiert, sondern zugleich selber zur bloßen Verwaltung der in diesen Formen des Eigentums verkörperten „objektiven“ Interessen (der Imperative des Marktes) degeneriert. Mit der heute sich durchsetzenden Form des Eigentums wird der kantischen Bemerkung, daß die Achtung vor dem Gelde aus der Vorstellung herrührt, was man damit alles machen könne, die Grundlage entzogen: Mit dem Eigentum anderer, einem gleichsam ontologisierten, „harten“ Eigentum, kann man nichts mehr machen: hier wird das Possessivpronomen der männlichen dritten Person singular zum Ausdruck der Universalität des Eigentums der Anderen, zum Äquivalent des Infinitivs „Sein“. Das ist der wirkliche Grund der gegenwärtigen „Sparpolitik“, die ihre apriorischen Objekte am „weichen“ Eigentum derer findet, die ihr Eigentum nur fürs Überleben, nicht aber mehr für seine würdigeren Aufgaben nutzen: als verpfändbares und belastbares Eigentum Grund der Geldschöpfung (oder müßte es „Gelderzeugung“ heißen?) zu sein. Wenn das Weltgericht das Jüngste Gericht ist, dann sind die Eigentümer die Richtenden und die Geretteten zugleich, während die bloß Besitzenden im Fegefeuer sich befinden und die Armen in der Hölle. Gibt es in der Schrift Hinweise auf die Trennung von Besitz und Eigentum, oder ist diese Trennung das Werk der Moderne, Grund der Trennung von Ding und Sache? Gehören zu den Gefühlen der Lust, die Kant zur Grundlage seiner ästhetischen Theorie, seiner Theorie des Schönen, macht, nicht auch die Sexuallust, die Urteilslust und die Mordlust? Bezog sich die Vorstellung, daß zur richtigen Gesellschaft vielleicht auch ein paar Unternehmer als Haustiere gehören könnten, nicht eigentlich auf den Staat, dessen Domestikation immer noch aussteht? Die Welt ist der Inbegriff jener Äußerlichkeit, die im Eigentumsprinzip gründet. Verweist das Wort Einsteins: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit; aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher“, nicht auf einen realen Zusammenhang? Hat die Vorstellung des unendlichen Raumes nicht in der Tat den Grund für eine Dummheit gelegt, von der das Attribut der Unendlichkeit nicht mehr zu trennen ist? Läßt sich das Verhältnis des einen zu den sieben anderen Geistern an dem Verhältnis des Eigentums zu seinen Denominationen demonstrieren? Zur Logik von Kants „Gefühl der Lust“: Die Lustgrenze ist die Feuergrenze (vgl. 1 Joh 216: das Wort von der Fleischeslust, Augenlust und Hoffahrt des Lebens, die nicht vom Vater, sondern von der Welt stammen; außer der Sexuallust gibt es die Urteilslust und die Mordlust, außerdem den Machttrieb). Sind die Planeten Verkörperungen der Lust? Zu den Denominationen der Hegelschen Logik gehören: die Geschichte, die Kunst, die Religion, die Philosophie, das Recht, die Natur, der Geist. Jede Verurteilung gründet in und partizipiert an der Eigentumslogik. Begriffe sind die Duftmarken des Hundes, der Eigentum heißt. Ist es nicht ein tiefer logischer Instinkt, der Hunden die Namen der Caesaren gibt (insbesondere Caesar und Nero)? Paul Celan hat Ende April 1970 in Paris, Jean Amery am 17. Okt. 1978 in Salzburg, Primo Levi am 11. April 1987 in Turin Selbstmord begangen.
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10.7.96
In der Einleitung zur „Kritik der Urteilskraft“ verbindet Kant das „Gefühl der Lust“ mit der Vorstellung einer „Zweckmäßigkeit der Natur“ (Ausgabe Meiners Hamburg, 1954, S. 23ff). Aufgrund dieser selber apriorischen Vorstellung der „Zweckmäßigkeit der Natur“ ist Kant zufolge auch das Gefühl der Lust „durch einen Grund apriori und für jedermann gültig bestimmt“ (S. 24). Hat Kant hier nicht den systemischen Grund der Kunst (das ästhetische Äquivalent der subjektiven Formen der Anschauung), und damit das logische Prinzip, das dann Hegels Ästhetik ermöglichte, bestimmt? Ist nicht zugleich und darüber hinaus die Vorstellung einer „Zweckmäßigkeit der Natur“ eher eine historische als eine naturwissenschaftliche Kategorie, rührt sie nicht an den emphatischen Gebrauch des Naturbegriffs in den Erörterungen Kants zur „Weltgeschichte“, zur Frage eines Endzwecks der Menschheitsentwicklung, die Hegel dann in seiner Geschichtsphilosophie geglaubt hat, endgültig beantworten zu können (allerdings um den Preis der Ästhetisierung der Geschichte wie der Vernunft)? – Ist die Kunst der apokalyptische „Unzuchtsbecher“? Nach Kant ist jede Lust, auch die „sinnliche Lust“, Urteilslust; ihre Grundlage ist der Weltbegriff. Ist damit nicht die moralische Entgegensetzung von Vernunft und Sinnlichkeit ebenso irreführend wie die inhaltliche von Aufklärung und Mythos? Der Mythos wird erst dann begriffen sein, wenn das mythische Element an der Schwelle von Mythos und Aufklärung, am Dogma, begriffen ist. Die Vorstellung einer Zweckmäßigkeit der Natur wird in der Natur selbst real in der Gestalt des Tieres. Das Tier ist ein durch seine immanente Teleologie (durch den „Selbsterhaltungstrieb“) selber Instrumentalisiertes, es steht unter dem Bann der Natur, aus dem nicht die Selbsterhaltung, sondern allein die Sprache herausführt. Die Vorstellung einer Zweckmäßigkeit der Natur ist ein Reflex der Selbsterhaltung. Das Feuer und der Tod widerlegen die Vorstellung eines absoluten Naturzwecks. Der Unzuchtsbecher ist zugleich der Taumelbecher und der Kelch des göttlichen Zorns und Grimms. Stellt nicht Hegels Definition des Wahren der Philosophie die Diagnose: Alkoholismus?
Carl Friedrich von Weizsäcker hatte den Satz, daß eigentlich nicht studieren dürfe, wer es nicht selber bezahlen könne, nicht zu mir, sondern in meiner Gegenwart und über mich zu einem andern (einem Mitglied seiner Familie) gesagt. Ist nicht diese kommunikative Konstellation (eine Konstellation der sprachlichen Ausgrenzung) ein Modell des Weizsäckerschen Erkenntnisbegriffs, ein Modell übrigens, das Habermas dann seiner Kommunikationstheorie zugrunde gelegt hat? Gibt es nicht einen Zusammenhang dieser Konstellation mit der dem Weltbegriff zugrunde liegenden Eigentumslogik? Und gründet nicht Kants „Gefühl der Lust“ in der gleichen Logik, die in dieser Konstellation ihren Grund findet? Ist diese Logik die Logik der „Verhärtung des Herzens Pharaos“? -
5.7.96
Der Eigentumskonkretismus, dem Heinsohn verfallen ist, ist ein Trick, mit dem Heinsohn den Begründungszusammenhang, der das Eigentum mit dem Staat verbindet, ausblendet. Wenn er Eigentümer von Nichteigentümern unterscheidet, macht er den Staat zu einem Appendix der Eigentümer (und den Eigentumsbegriff zu einem Teil der Hausbesitzerideologie). Das Geld ist durch eine Eigenschaft definiert, die es von den „Gütern“ ähnlich unterscheidet wie den Raum von den Dingen in ihm (oder wie das Instrument von der Materie, die es bearbeitet): durch die logische (nicht empirische) Eigenschaft der Unvergänglichkeit, die als Folie der Vergänglichkeit die Dinge wie die Waren dem Untergang (der Verarbeitung, dem Verbrauch, dem Verzehr) zueignet. Wenn der Schuldknecht ein Eigentümer ist (S. 180), dann ist der Proletarier ein Schuldknecht seiner selbst. Gezeugt, nicht geschaffen: Güter werden produziert, Geld ist die Voraussetzung einer Produktion, in der es eigentlich nur sich selbst reproduziert (wie auch der Raum, der durch die subjektive Form der äußeren Anschauung hindurch sich konstituiert). Der philosophische Substanzbegriff ist ein Reflex des Eigentumsbegriffs: auf den Substanzbegriff und seine immanente Logik bezieht sich der trinitarische Begriff der homousia. War nicht die mittelalterliche Eucharistielehre eine sakrale Geldtheorie? Heinsohn abstrahiert von der Tatsache, daß Eigentum überhaupt erst im Prozeß des Ursprungs des Staates, mit dem Staat zusammen, sich konstituiert. Im Eigentumsbegriff steckt das, was heute Staatsgewalt heißt (und jeder Eigentümer hat Anteil an dieser Staatsgewalt; darin gründet der Nationalismus). Eigentumsbildung erfolgt nicht allein durch Revolution (der Schuldknechte gegen die Feudalherrn), sondern auch durch Eroberung, die das Eigentum der Eroberer an der unterworfenen Bevölkerung wie an ihrem Besitz begründet (vgl. die archaischen, regressiven Züge des Jugoslawien-Konflikts). Zur Logik jeder Revolution gehört es, daß sie nicht einfach nur den Staat, sondern ihn zugleich als Eroberungsstaat begründet. Gründet nicht der Missionsauftrag der Kirche in der gleichen Logik (ist nicht das Zeugen in der Trinitätslehre das Movens des Missionsauftrags der Kirche: Gehet hin in alle Welt …)? Hegels Satz, daß eine Grenze bestimmen sie überschreiten heißt, gründet in dieser Eigentumslogik. Es ist die gleiche Logik, die das Anschauen mit der Nacktheit verbindet (und den Ursprung des Staats mit dem Ursprung der Sexualmoral). Die Trinitätslehre hat das Problem, das der Philosophie im Römischen Staat sich stellte, gelöst, aber nur das logische, nicht das herrschaftsgeschichtliche Problem, das in dem logischen sich verbirgt. So ist diese Lösung zur neuen Grundlage einer imperialistische Ideologie geworden. Der Preis für die Hellenisierung war das proton pseudos der Theologie: die Opfertheologie. Steckt nicht in dem polemischen Teil der Heinsohnschen Theorie, in seiner Lust an der Entdeckung der Dummheit der Anderen, genau das tabuisierende Element, ein religiöses Erbe? Tempelwirtschaft: War nicht die „Religion“ ein Instrument der Legitimierung des Kontrakts und damit des „Eigentums“ und der mit ihm sich entfaltenden Logik? Die Tempel-, Priester- und Opferreligion wäre selber zu begreifen als gleichsam embryonale Frühform der Eigentumslogik. Am Astralkult und an der daraus hervorgegangenen Astrologie läßt der Zusammenhang mit der Eigentumslogik, mit der altorientalischen Gestalt der politischen Ökonomie, mit Händen sich greifen. Darin gründet die Vermutung, daß die „Venus-Katastrophe“ weniger auf eine astronomische, als vielmehr auf eine politisch-ökonomische Katastrophe sich bezieht. Sind Jupiter, Mars, Merkur und Venus, aber auch Sonne, Mond und Saturn, Verkörperungen einer an den Himmel projizierten Gesellschaftstheorie? Die „Wege des Irrtums“ (Jakobusbrief) oder die sieben unreinen Geister: Es gibt nicht mehr nur eine Dummheit, sondern eine (abzählbare) Vielheit an Gestalten der Dummheit, die alle durch Unbelehrbarkeit (und jede für sich durch Unwiderlegbarkeit) sich auszeichnen (vgl. die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos). „Was ist Wahrheit“ (Pilatus): Heute ist der Wahrheit gegenüber jeder im Vorteil, der sich dumm stellt. Kehren nicht die „theologischen Mucken der Waren“ heute in den wirren Phantasien über die Beziehungen der modernen Naturwissenschaften zur Religion wieder? „Ihr laßt die Armen schuldig werden“ (Goethe): Heinsohn/Steiger weisen „die Hauptlast bei der Verteidigung der Preisstabilität nicht … der Zinspolitik, sondern … der Einkommenspolitik in Gestalt der Nominallohnpolitik“ zu (S. 273). In einer Wirtschaft, in der die Unternehmensleitung nicht mehr Sache der „Eigentümer“, sondern die eines selber „lohnabhängigen“ (besitzverwaltenden) Managements ist, das nach „objektiven“ Grundsätzen einer „betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ handelt, erweist sich die Einkommenspolitik als die letzte weiche Stelle in einem ansonsten von lauter „harten Fakten“ bestimmten Kostengerüst. Die letzten „Eigentümer“, die mit ihrem Eigentum (mit ihrer nackten Existenz) für die Schuld, ohne belastbares, pfändbares, jedenfalls in Geld ausdrückbares Eigentum geboren zu sein, haften, sind die Arbeiter und Angestellten. Die Eigentümer haben sich aus der Verantwortung gestohlen, an der sie einmal ihre Würde hatten; die, die die Verantwortung haben, tun nur ihre Pflicht, wissen aber nicht mehr was sie tun (und die Wissenschaft, die ihnen dabei behilflich ist, verkörpert genau dieses Nichtwissen); nur die, die als Eigentumsledige jeder Einwirkungsmöglichkeit beraubt und aller Verantwortung enthoben sind, tragen die ganze Last des Risikos.
Gibt es eigentlich eine Abhängigkeit des außer jeder Relation zur Gesamtentwicklung des Preisniveaus sich vollziehenden Steigens der Grundstückpreise zur Entwicklung des die Logik der Geldwirtschaft beherrschenden Eigentums insgesamt? Ich vermute, die These ist nicht nur begründbar, sondern auch beweisbar, daß die Preissteigerungen am Grundstückmarkt (die als Folge der durch keine Leistung fundierten, sondern allein die Eigentumsmacht reflektierenden Mieterhöhungen sich begreifen lassen) als Index und als Spiegelbild der Gesteinsverschiebung in der gesamtwirtschaftlichen Eigentumsverteilung sich erweisen. Ist die jeder äußeren Einwirkung sich entziehende (gegen jeden moralischen Appell immun gewordene) Eigentumsmacht nicht die Perfektionierung der gleichen Strukturen und Mechanismen, die in anderen Zeiten im Phänomen der Majestätsbeleidigung sich manifestierte: Ist das Eigentum die unverletzbar gemachte (gegen das Ansinnen der Moral immunisierte) Verletzlichkeit der Herrschaft (die Stelle des Lindenblatts beim Siegfried)? Polanyi hat darauf hingewiesen, daß die Subsumtion des Grund und Bodens, der Arbeit und des Geldes unters Tauschprinzip dem Kapitalismus den Weg freigemacht hat. Welche Konsequenzen lassen sich aus dieser Konstellation angesichts der gegenwärtigen Globalisierung der Ökonomie für die Objekte dieser Subsumtion im einzelnen (für Grund und Boden, für die Lohnarbeit, für die Geldentwicklung) ableiten; rücken diese Konsequenzen nicht auch die Beziehungen dieser Elemente in ein neues Licht (ähnlich wie die Beziehungen der drei Richtungen im Raum)? Die Eigentums- und Geldtheorie Heinsohns und Steigers ist das Produkt einer genauesten Entfaltung der Logik der Ökonomie; aber ist diese Logik nicht eine Harakiri-Logik, ein Instrument der Selbstzerstörung der ökonomischen Theorie: das Opfer der Ökonomie an den Absolutheitskern ihrer eigenen Idee (das Gegenstück des newtonschen „absoluten Raums“)? -
1.7.96
Die Nachkriegsverdrängung in Deutschland hat den Prozeß der Verdinglichung vollendet: sie war das Äquivalent der Konstituierung des Inertialsystems. Mit der Nachkriegsverdrängung ist eine Stummheit in die Verhältnisse eingedrungen, die die Sinnlichkeit unvermittelt und direkt gemacht hat, die der Kritik nur den Ausweg der Gewalt gelassen hat und der Schuld nur den der Projektion. Ist nicht die raf, an der diese Strukturen sich studieren lassen, das getreue Spiegelbild des Staates, den sie bekämpft?
Mit der Fixierung aufs Feindbild transportieren wir den Staat in den Hinterkopf, machen wir uns zu Marionetten des Staates. Der Einzige, der dem sich hat entziehen können, ist dafür gekreuzigt worden, und sein Wort „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist das Motto für die Befreiung des Sünders vom Weg des Irrtums (für die Kritik der Astronomie). Der eine Sünder, der sich bekehrt, über den mehr Freude im Himmel herrscht als über die 99 Gerechten: das ist der Staat.
Das Schlimme ist, daß man heute selber als Opfer, als „Betroffener“, sich präsentieren muß, wenn man an die Leiden der Anderen erinnern will. Jeder, der für andere sich einsetzt, muß den Verdacht ausräumen, er tue es aus Eigeninteresse. Warum soll man sich dann nicht auch auf dieses Eigeninteresse, daß man in einer Welt nicht leben möchte, in der man für andere nicht mehr sich ensetzen darf, berufen? Heute muß die einfachste Sensibilität noch begründet werden. Damit ist man in der Täter-Opfer-Falle drin, die den Tätern den Weg frei macht, sie unangreifbar macht.
Ist nicht das Meßopfer, die „Wandlung“, die Transsubstantiation, das Deckbild eines anderen Vorgangs: der noch ausstehenden Realisierung?
Gerät nicht die katholische Tradition zur Zeit auf eine Entwicklungsstufe, auf der sie nur durch Realisierung noch zu retten ist?
Daß Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern befreit wird, wird an der gleichen Stelle erwähnt, an der berichtet wird, daß sie die erste war, der der Auferstandene erschienen ist (Mk 169, vgl. hierzu Joh 2011-18, insbesondere v. 14 u.16). Nur bei Lk wird das Ausfahren der sieben Geister schon bei der ersten Nennung der Frauen aus Galiläa erwähnt (Lk 82).
Die Geschichten mit den sieben unreinen Geistern gehören zu den sich wechselseitig erhellenden Geschichten in der Schrift, ähnlich wie die Geschichten über Lazarus. Gehört dazu nicht auch der Jonas ben Amittai, Jair (und Jairus)?
Die Wertethik hat versucht, die Ethik auf die „Gefühle von Lust und Unlust“ zu gründen. Aber gründen nicht die Gefühle von Lust und Unlust selber in der Urteilsform, und käme es nicht darauf an, diese Beziehung aufzuhellen?
Die christliche Gestalt der Unsterblichkeitslehre, die Lehre vom individuellen Seelenheil, der katholische Mythos von Himmel, Fegfeuer und Hölle, hat durch Hypostasierung der Urteilslust die Wahrheit (in der Form des Dogmas) ans Urteil gebunden und das Urteil selber (ähnlich wie der Weltbegriff die Herrschaft) der Kritik entzogen.
Andersens Märchen von „des Kaisers neuen Kleidern“ wäre kein Märchen, wenn der Kaiser ein König wäre.
Zu den im Kontext der naturwissenschaftlichen Erkenntnis nicht mehr rekonstruierbaren Sinnesqualitäten gehören die Farben, das Licht, Wärme und Kälte, Geschmack und Geruch, der Klang, nicht zuletzt das Wort, die Sprache. Ist diese Abstraktion nicht ein verständlicher Vorgang, der sich erklären läßt aus dem Gesetz der „Veranderung“: Ich kann nicht mit den Augen des Andern sehen, mit seinem Gefühl fühlen, mit seinen Ohren Hören, mit seiner Zunge schmecken, mit seiner Nase riechen. Genau das ist aber der Effekt der subjektiven Formen der Anschauung wie auch des Weltbegriffs, daß jeder – ebenso wie er Rechts und Links nicht mehr unterscheiden kann – sich als Anderer für andere erfährt, dann aber mit seinen Augen nicht mehr sehen, mit seinen Ohren nicht mehr hören … kann.
Die Aufgabe, die der Philosophie heute gestellt ist, ist aber nicht die Rekonstruktion der sinnlichen Erfahrung, sondern die Rekonstruktion des Ursprungs der naturwissenschaftlichen Erkenntnis: Erinnerungsarbeit.
Das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum ist die List, mit der der Verstand gegen die Dinge sich durchsetzt. Das Angesicht ist die Realität des durchs Prinzip der Reversibilität Verdrängten: die Widerlegung der Vorstellung eines unendlichen Raumes, gegen die das Angesicht eine andere Unendlichkeit repräsentiert: den Blick des Andern.
Die Schamfalle: Der Angeschaute senkt den Blick, der Anschauende ist frech.
– Die Plagen an dem erkennen, wie sie hervorgerufen werden, was sie wem tun,
. das Blut,
. die Frösche,
. die Mücken,
. das Geziefer,
. die Pest,
. die Beulen und Geschwüre,
. der Hagel,
. die Heuschrecken,
. die Finsternis.
– Welche Plagen werden angekündigt, wie werden sie herbeigerufen?
– Bei welchen Plagen sagt der Herr „Laß mein Volk ziehen, daß es mir diene“?
– Und wie verhält es sich mit dem Opfer, das nach drei Tagen in der Wüste dargebracht werden sollte: Wann wird es wirklich dargebracht, was wird geopfert (das „Scheusal Ägyptens“)? Vgl. die Stelle in der Johannes-Apokalypse, das Sodom, Ägypten und Golgatha zusammenbringt?
Heinsohn/Steiger: Eigentum etc. (Hamburg, 1996).
. Wird hier nicht die Ökonomie in eine Engführung gebracht, aus der sie nicht mehr herauskommt?
. Erneut Berufung auf „kosmische Katastrophen“, kann sich gesellschaftliche Naturkatastrophen (trotz Auschwitz, für das er eine Spezialtheorie braucht) nicht vorstellen (vgl. S. 34)?
. Kennt Hegels Rechtsphilosophie nicht: Staat als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern (gemeinsamer Ursprung des Staats, des Welt- und des Naturbegriffs). -
29.6.96
Karl Thieme zufolge war das Konzil von Trient das Konzil der Privatisierung des Glaubens (Gott und die Geschichte, Herder Freiburg 1948, S. 160ff, vgl. hierzu insbesondere S. 175, 191), mit folgender bemerkenswerten Konsequenz: „Anders als die Frage nach dem Verhältnis von geistlicher und weltlicher Obrigkeit, die seit dem Ende des ‚Mittelalters‘ suspendiert ist …, ist … der große Kampf zwischen Episkopalismus und Papalismus zugunsten des letzteren entschieden worden, … zur restlosen freiwilligen Unterwerfung … dann 1870 …“ (S. 196). So der „universalhistorisch orientierte Laien-Theologe“ (S. 195), als den er sich selbst bezeichnet.
Der Himmel ist Sein Thron, die Erde der Schemel Seiner Füße: Gott, nicht dem Staat, gehört das Land. Deshalb ist das Territorialprinzip (cujus regio ejus religio) der Keim des Totalitarismus (vgl. das Burckhardt-Zitat bei Thieme, S. 155).
Karl Thieme verweist auf die Differenz zwischen Phil 210 und Kol 120, auf das „nicht zufällige Fehlen der ‚Unterirdischen’“ an der letzteren Stelle (S. 137): Die „unter der Erde“ beugen auch ihr Knie, haben aber keinen Anteil an der Versöhnung. Die Unterirdischen, das sind die im hades, in der scheol, im Totenreich: Reicht dieses Totenreich nicht in unsere Erfahrungswelt hinein: mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, mit dem Trägheitsprinzip, mit dem durch die subjektiven Formen der Anschauung definierten Reich der Erscheinungen?
Ist der Schlüssel Petri nicht sowohl der Schlüssel zum Abgrund (zu den „Pforten der Hölle“) wie auch der zum Himmel, und das kopernikanische System der Totenkopf des kosmos?
Das Ich denke begleitet nicht nur alle meine Vorstellungen, es ist das Formgesetz ihrer Erscheinung. Im Begriff der Erscheinung steckt als sein Apriori der Adressat mit drin: Was erscheint, muß jemandem erscheinen. Deshalb gehört zur transzendentalen Logik die transzendentale Ästhetik, die diesen Adressaten repräsentiert. Ist nicht das „Fest der Erscheinung des Herrn“ der Namenstag jeglicher Phänomenologie von Lambert über Hegel bis Husserl?
Alle meine Vorstellungen: Das ist der Inhalt des Unzuchtsbechers.
Aufgrund welcher Logik erscheinen Firmenbeziehungen im Bilde der Mutter-Tochter-Beziehung? Ist die juristische Peron weiblich?
War das der Hintergrund der „Venus-Katastrophe“, die eine gesellschaftliche Naturkatastrophe war: War die Tempelwirtschaft die mythische Vorform der kapitalistischen Wirtschaftsorganisation, der Ischtar/Astarte-Kult die Ursprungsgestalt der juristischen Person, die weiblich war? Zu dieser Logik, die mit der Praxis der Schuldknechtschaft sich entfaltet hat, würde der hieros gamos wie auch das Bild vom Kinder-fressenden Moloch passen.
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25.6.96
Versöhnung über Gräbern: Um eines von jeder Erinnerung unbelasteten Anfangs willen hat das Christentum die Vergangenheit verraten, sie aber gerade dadurch konserviert.
Sind nicht die Rechtfertigungszwänge, die Daniel Goldhagen evoziert hat, ein Beweis für die Wahrheit seiner Thesen?
Daß „Hitler selbst und seine Satrapen … soviel Wert darauf gelegt (haben), den Holocaust dem deutschen Volk möglichst nicht öffentlich bekannt zu machen“ (Jörn Rüsen in der FR vom 25.6.96, S. 11), ist kein Beweis dafür, daß die Deutschen „nichts gewußt“ hätten, sondern diese Geheimhaltung, deren Adressat weniger das deutsche Volk als vielmehr die Weltöffentlichkeit war, lag im Interesse aller; auch die Komplizenschaft scheut die Öffentlichkeit. Lifton hat in seinem Ärztebuch nachgewiesen, daß selbst die Täter auf zwei Ebenen lebten, die gleichsam durch eine innere „Geheimhaltungs“-Grenze (eine Grenze in den Subjekten selber) von einander getrennt waren. Das war die objektive Grundlage des pathologisch guten Gewissens nach dem Kriege.
Anmerkung zur Rechtfertigungslehre: Auch das Geld deckt eine Menge Sünden zu.
Das Ende der Zeiten wird kommen, wenn entweder aus Freiheit die Umkehr vollzogen wird oder es zur Umkehr keine Alternative mehr gibt. Und wehe denen, die das dann nicht wahrzunehmen in der Lage sind.
Wird nicht bei Hauke Brunkhorst (Der Mensch muß sich selbst erfinden, FR vom 25.6.96) das projektive Moment im Begriff der Ursache (und im Konzept der „Ursachenforschung“) mit Händen greifbar? Ist nicht der Begriff der Ursache ein Schuldverschub- und Exkulpationsbegriff?
Gehört nicht zum Reden auch das Ausreden (sowohl das Ausreden-Lassen, als auch das Jemandem-etwas-Ausreden), die Nutzung der Sprache als Radiergummi?
Ist nicht das „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“ die Finsternis über dem Abgrund?
Wer so umstandslos gegen die Todesstrafe ist, sollte der nicht auch einmal darüber nachdenken, daß der Wohlstand hier das Todesurteil für Millionen ist?
Zum Weltbegriff:
– Gott hat Himmel und Erde erschaffen, nicht die Welt,
– Weltbegriff als Schwelle der Zivilisation, Ursprung des Weltbegriffs (zusammen mit den Begriffen Wissen und Natur),
– Weltbegriff das gegenständliche Korrelat des Staates und der Philosophie (Verstrickung der Philosophie in die Herrschaftsgeschichte),
– Weltbegriff als logisches Apriori (Reorganisation des Zeitbegriffs, Konstituierung und Legitimierung der instrumentellen Vernunft),
– wechselseitige Legitimation der Totalitätsbegriffe: Selbstlegitimation des Bestehenden durch die Naturwissenschaften,
– das Eine ist das Andere des Anderen: der Begriff der Erscheinung und die Logik der Veranderung, das Anderssein (nur Gott sieht ins Herz der Menschen),
– die List der Vernunft oder der „hintertückische“ Weltbegriff, Grenzen der Beweislogik, Ursprung und Begriff der Gemeinheit,
– Gnosis, Theologie und Hegel: der Staat als Schöpfer der Welt, Problem des Begriffs der creatio mundi,
– „Entsühnung der Welt“: Sexualmoral für andere (Sexualmoral als Urteilsmoral) und die apriorische Freisprechung der Herrschaft.
– Der Weltbegriff transformiert die Theologie aus dem Angesicht Gottes hinter Seinen Rücken.
– Das schwierigste Teilstück der Kritik des Weltbegriffs ist die Kritik der Naturwissenschaften: die Geschichte der Subjektivierung der „Sinnesqualitäten“ zur Empfindung, der Kritik zur Meinung und der Schuld zu Schuldgefühlen.
– Gehört nicht auch die Lösung des Rätsels Swedenborgs (der Träume eines Geistersehers, dessen Geistesgegenwart jedoch hinreichte, Luthers Begriff der Rechtfertigung zu durchschauen) zur Kritik des Weltbegriffs? -
23.6.96
Welche Organe des Fisches befreien die Sara vom Asmodei, und welche Organe heilen den Tobias von seiner Blindheit? Und welche Bedeutung haben diese Organe nach dem Sohar?
Jannes und Jambres (2 Tim 38) hießen nach einer apokryphen jüdischen Überlieferung die ägyptischen Zauberer, die die ersten Wunder von Moses und Aaron vor dem Pharao ebenfalls vollbrachten (Ex 711.22, 87).
Das transzendentale Subjekt, das „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, ist der Repräsentant des Begriffs im Subjekt: der Repräsentant der Herrschaftslogik. Die Trennung des Denkens von meinen Vorstellungen reflektiert die Trennung von Begriff und Objekt, von Welt und Natur. Durch diese Trennung verselbständigen sich auch „meine Vorstellungen“ gegen mein Denken, werde ich manipulierbar (transzendentallogischer Grund des Fernsehens). Herr über meine Vorstellungen werde ich nur durch die Kraft der Reflexion (durch die Kritik der intentio recta).
Die Objektivierung des Vergangenen ist ein Gradmesser der Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft, die nur durch Erinnerungsarbeit aufzulösen ist.
Bemerkenswert die unterschiedliche Funktion, der unterschiedliche sprachlogische Stellenwert der Affixe in den klassischen europäischen Sprachen im Verhältnis zu den modernen Sprachen, insbesondere zur deutschen Sprache: Während in den alten Sprachen Präpositionen als Präfixe den Verben vorgesetzt werden (prae-, ad-, de-, cum- u.ä.) und Suffixe in erster Linie Mittel der Flexion sind (der Bestimmung des Geschlechts sowie zur Deklination beim Nomen und zur Bestimmung der Person und zur Konjugation beim Verb), kommen in den modernen Sprachen zusammen mit der Verselbständigung der Personalpronomina objektkonstituierende Präfixe (be-, er-, ver-, zer- u.ä., primär bei Verben) und substantivierende, begriffkonstituierende Suffixe (-heit, -keit, -ung u.ä.) hinzu (nach Vorbereitung dieser Formen im Lateinischen: in den Formen des Supinum, Gerundium, Gerundivum u.ä.?). In den modernen Sprachen ist die Trennung von Natur und Welt bereits in die Struktur der Sprachen und in die Grundlagen der Wortbildung mit eingegangen (Ursprung des Nominalismus).
Ist nicht das „Ungetüm“ (eines der Substantive, die nur aus Prä- und Suffixen gebildet sind) ein Schlüsselwort der deutschen Sprache (gleichsam der Repräsentant des Seeungeheuers: Ist die deutsche Sprache der Bauch des Walfisches, der den Jonas verschlingt, und war die Reise nach Tarschisch die Flucht der griechischen Sprache vor der Wahrheit, die dann im „Bauche des großen Fisches“ endete)?
Die descensio ad inferos (Jonas im Bauche des Fisches) ist der Beginn der Bearbeitung der Finsternis über dem Abgrund.
Ist die Etymologie von Leviatan bekannt (Behemoth ist das Getier)? Das Namensregister meiner Vulgata-Ausgabe (von 1824) notiert „Copulatio, Societas sua“ (?).
Zu Bubers „Geziefer“: Er hat vom Ungeziefer die Negation hinweggenommen. Nach Kluge verweist aber das Stammwort (Geziefer) auf ein ahd. „zebar“, ae. „tiber“, anord. „tivurr“, Worte die allesamt auf das Opfer zurückzuweisen scheinen. Demnach wäre Ungeziefer ein Name für „unreine“, nicht zum Opfer geeignete Tiere? Hat Buber vielleicht vom Ungewitter, in dem das Un- als Verstärker, nicht als Negation erscheint, sich verleiten lassen und Geziefer als eine nur harmlosere Form des Ungeziefer aufgefaßt (vielleicht auch den antisemitischen Gebrauch des Wortes „Ungeziefer“ ausschließen wollen)? – Vgl. auch Unkosten, Unwetter, in denen das Un- keine Negation, sondern eine Steigerung einer bereits gegebenen negativen Konnotation des Stammworts ausdrückt.
Läßt nicht an Hegels Bemerkung, wonach die Natur, nachdem die Idee sie frei aus sich entlassen hat, den Begriff nicht halten kann, die Logik des Naturbegriffs (Natur als Inbegriff aller Objekte: Inbegriff des Begriffslosen) sich demonstrieren? Vgl. hierzu insbesondere die Hegelsche Begründung: sein Hinweis auf die unterschiedlichen Gattungen und Arten der Tiere, die es nach der Logik des Begriffs nicht geben dürfte. Ist nicht der Begriff der Ganzheit ein spätes Echo dieser Logik, und richtet sich dagegen nicht Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“?
Das Inertialsystem ist der dogmatische Kern der Urteilsmagie. Das weist zurück auf den Schuldzusammenhang, den das Inertialsystem (zusammen mit dem Geld und der Bekenntnislogik) verkörpert.
Wer glaubt, die Abstraktion verwerfen und sich der Unmittelbarkeit des Konkreten versichern zu können, verfällt der Abstraktion.
Ist nicht Spenglers „zweite Religiosität“, die heute die Religionen durchherrscht, die die Agonie begleitende Euphorie?
Spätestens im Barock ist die Religion zum Trost der Herrschenden geworden.
Sind nicht Wendungen wie „Ich glaube zu wissen“ und „Ich würde sagen“ Symptome des gegenwärtigen Zustandes des kosmos noetos?
Zu den Vätern im NT vgl. Eph 64 und Kol 321: Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht.
Gehört nicht zu dem Satz „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ auch der andere: „Gott ist kein Gott der Toten, sondern der Lebenden“?
Die Jakobus-Wendung „nicht schnell zum Zürnen“ verweist darauf, daß
– das Zürnen ein Urteilen ist und
– vor dem Urteil die Hemmung des Sich-Hineinversetzens in den, über den das Urteil ergeht, steht.
Sind die Tefillin (die Zeichen an Hand und Stirn) ein Symbol der Bekenntnislogik?
Sch’ma Jisrael: Das Leuchten des Angesichts ist das Licht des Hörens. Das Dunkel des gelebten Augenblicks ist der blinde Fleck im Kern der Philosophie: das tode ti.
Ist der Satz, daß man Herr seiner eigenen Phantasien sein soll, nicht der schärfste Einwand gegen das Fernsehen?
Haben die beiden apokalyptischen Tiere etwas mit der Beziehung des „Ich denke“ zu „meinen Vorstellungen“ (mit der Beziehung von Politik und Ökonomie) zu tun? -
18.6.96
Das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren, hat die Fähigkeit zur Reflexion des Urteils, die Kritik der Magie des Urteils, zum Ziel. Es geht darum, das Urteil aus seiner magischen Bindung ans Jüngste Gericht herauszulösen, die Frage offenzuhalten, ob das Jüngste Gericht ein urteilendes sein wird.
Enthalten nicht die ersten drei Schöpfungstage eine vollständige Urteilstheorie: Am ersten Tag werden Licht und Finsternis geschieden, und die Geschiedenen werden benannt; am zweiten Tag wird die Feste geschaffen, die die oberen von den unteren Wassern trennt, und diesmal werden nicht die Getrennten, sondern das Trennende wird benannt; am dritten Tag sollen die unteren Wasser an einem Ort (nach der Kabbala: am Ort Eins) sich sammeln: das Meer, und das Trockene soll hervortreten: das Land.
Was hat das Trockene mit der Feste zu tun? Und gehört nicht zum dritten Tag der prophetische Satz, daß am Ende der Geist die Erde erfüllen wird wie die Wasser den Meeresboden bedecken, und daß das Meer am Ende nicht mehr sein wird?
Hat nicht der Bilderstreit (vgl. Horst Fuhrmann) eine Lösung gefunden, die die Katastrophe überhaupt erst herbeigeführt hat: die Unterscheidung des Bildes von dem durch das Bild Bezeichneten? Hier ist implizit die Sprache zum Bild entmächtigt worden.
Die einzige Krone, die im Neuen Testament vorkommt, ist die Dornenkrone (bei Mt 2729, Mk 1517, Joh 192.5).
Hängt es nicht mit der Logik der Verurteilung, die bis ins Zentrum der christlichen Theologie hinein sich nachweisen läßt, zusammen, daß seit je die Hölle deutlicher und verständlicher ausgemalt wurde als der Himmel?
Horst Fuhrmann ist ein drastisches Beispiel für eine Geschichtswissenschaft, die sich selbst zum Instrument des Vergessens geworden ist. Seine Urteile sind in erster Linie Urteile ad personam, d.h. Geschwätz. So kann er auf die Himmlersche Verehrung irgend eines Heinrich „wertfrei“ hinweisen, während er den Aries einen „Sonntagshistoriker“ nennt und ein Gerücht, das es über ihn mal gegeben hat, kolportiert, ohne es für nötig zu halten, seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Oder er berichtet über die Fälschungen im Mittelalter, ironisiert zugleich die Bemerkung von Hallers, daß man nicht auf Vorrat fälscht, um diese Bemerkung mit genau dem Hinweis zu bestreiten, den sie gerade problematisiert. H.F. ist nur noch „herrschende Meinung“; deshalb braucht er nicht mehr zu argumentieren. Die Heinsohn-/Illig-Gruppe, auf die mehrere seiner Themen verweisen (neben dem Fälschungsproblem z.B. auch der Fall Kammeier), wird nur verschwiegen, an keiner Stelle benannt.
Auf dem Bauche sollst du kriechen und Staub sollst du fressen: Ist das Fernsehen nicht inzwischen Zoohaltung und -fütterung des Drachen geworden?
Ist nicht der Fernsehmoderator eine institutionelle Verkörperung des „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können? Nur daß im Fernsehen beides, das Ich denke und meine Vorstellungen vergesellschaftet und durch den Abgrund des Bildschirms von mir geschieden sind. Die Grundlüge des Fernsehens ist das Wort, mit dem alle Moderatoren auf die nächste Ausgabe der Sendung verweisen: „Wir sehen uns wieder am …“ Hier erscheint dieses pseudotherapeutische „Wir“, das zur Krankenhaussprache gehört und hier wie dort die Adressaten entmündigt und hospitalisiert.
Hat nicht die Ersetzung des Gottesnamens durch die Personalpronomina in der Buber-Rosenzweigschen Bibelübersetzung etwas mit Ulli Wickert zu tun?
Kommt das „Verurteilen“ in Hegels Philosophie vor (im Hegel-Register erscheint es nicht)? Wann und in welchem Zusammenhang ist es entstanden? Gehört es in seinem Ursprung zur Sprache des Staatsanwalts (ist es zusammen mit diesem Titel entstanden – der Kluge enthält weder den Staatsanwalt noch das Verurteilen)?
Steht der Grund in Hegels Philosophie (überhaupt in der Philosophie) an der Stelle, an der in der biblischen Tradition die Barmherzigkeit steht (der Mutterschoß oder der „Grund“, aus dem die Prophetie kommt)? In der Philosophie geht (trotz Heidegger), was aus dem Grunde kommt, auch wieder zu Grunde. Der „Mutterschoß“, aus dem die Philosophie (der Begriff) hervorgeht, ist das Schicksal, die mythische Schicksalsidee.
Kritik zielt auf Begriffe, nicht auf Objekte; darin liegt ihre reinigende Kraft.
Mit dem Inertialsystem setzt sich das Subjekt ans Ende der Zeitreihe (tauft es die Welt, die so zur Welt wird, mit der Taufe der Vergangenheit, antizipiert es das Ende der Welt), aber tut das nicht in der geldwirtschaftlich determinierten Realität der „Reiche“, das kapitalistische Wirtschaftssubjekt? Ist nicht das Bewußtsein des Entronnenseins eine der Verführungen des Geldes: die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit? Diese Vorstellung ist der Grund des Hegelschen Weltgerichts, gegen das Jakobus das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht setzt.
Was hat das Weltgericht mit der Sexualität zu tun? -
17.6.96
Spital begründet die kirchliche Ablehnung des Priestertums von Frauen mit dem Hinweis auf die Einsetzung des Priestertums beim letzte Abendmahl, bei dem auch nur Männer zugegen gewesen seien. Hierzu einige Hinweise:
– zweimal verweisen die Evangelien auf das Gedenken: bei der „Einsetzung der Eucharistie“ und bei der Salbung Jesu;
– war die Teilnahme der Jünger nicht stumm und passiv, und waren es nicht die gleichen Jünger, die in Getsemane geschlafen haben und bei der Kreuzigung geflohen sind, während nur die Frauen Zeugen der Kreuzigung waren?
– Unter diesen Jüngern war der eine, der ihn verraten hat, und der andere, der ihn dreimal verleugnet hat.
– Ist nicht die Eucharistie zum Anfang der Instrumentalisierung des Kreuzestodes, zum Kristallisationskern der Opfertheologie geworden?
Am Verständnis des Abendmahls entscheidet sich, ob Joh 129 in die Opfertheologie hineingehört, oder ob es ein Teil des Nachfolgegebots ist. (Johannes berichtet nicht über das Abendmahl, bei ihm steht an der Stelle die Geschichte von Fußwaschung. Im Johannes-Evangelium wird nicht Wein in Blut, sondern Wasser in Wein verwandelt. Ist nicht das Johannes-Evangelium das Auferstehungs-Evangelium?)
Wenn das Jüngste Gericht das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht ist, heißt das dann auch, daß es gnadenlos gegen die Gnadenlosen sein wird, daß es die Richtenden richten wird?
Hat Lillian Klein nicht ein für allemal klargemacht, weshalb das Buch der Richter ein prophetisches und kein historisches Buch ist?
Der real existierende Sozialismus war ein auf Verwaltung sich gründendes Herrschaftssystem, während der Faschismus als „naturwüchsige“ Volksbewegung sich konstituierte, die die „natürlichen“ Vorurteile aller mobilisiert und ausgebeutet hat. Der Faschismus lebte von der Symbiose („alle hatten das Gefühl, daß Hitler jeden persönlich angeblickt hat“).
Grundlage dieser Symbiose ist eine Emanation der Urteilsform, der Mechanismus der Verurteilung, ein Mechanismus, von dem die Theologie in der Geschichte der Dogmenentwicklung erstmals Gebrauch gemacht hat, und der in diesem Gebrauch sich konstituiert hat, und zwar sowohl im Urschismus (im kirchlichen Antijudaismus) als auch im „Kampf“ gegen die Häresien. Erkauft war diese Symbiose mit dem Ausschluß der Frauen aus der Theologie (und aus der Bekenntnisgemeinschaft, die ein Männerbund war).
Der Mechanismus der Verurteilung war das erste Produkt einer Vergesellschaftung der Philosophie, der Anfang einer Säkularisationsbewegung, an deren Ende die naturwissenschaftliche Aufklärung steht, die den Verurteilungsmechanismus im Inertialsystem (und schon in seiner erkenntnispraktischen Voraussetzung, in den „subjektiven Formen der Anschauung“) selber instrumentalisiert hat. Stabilisatoren dieses Verurteilungsmechanismus waren die Totalitätsbegriffe der Aufklärung: Wissen, Natur und Welt, die in diesem Prozeß erst entsprungen sind (war nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens des Pharao in der Geschichte der zehn ägyptischen Plagen der erste prophetische Begriff dieses Prozesses? – Sind die drei Frösche der Apokalypse, die auf die ägyptische Froschplage zurückweisen, Symbole der Totalitätsbegriffe?).
Das theologische Konstrukt der creatio mundi ex nihilo war nicht nur eine Fortentwicklung des philosophischen Weltbegriffs. In Wahrheit war der Weltbegriff nur über dieses Konstrukt (über seine theologische Verarbeitung mit den Mitteln der Verurteilungsmechanik) zu halten. Der Preis dieser Fortentwicklung war zugleich sein Gewinn, der Mehrwert, der auf diesem Wege produziert worden ist und abgeschöpft werden konnte: die Verinnerlichung der vergöttlichten Herrschaft (die Verinnerlichung des Opfers). Das schlimme Wort aus dem katholischen Weltkatechismus, daß der erste Satz der Bibel, der von Himmel und Erde spricht, damit eigentlich die Welt meine, belegt, daß die Kirche nicht mehr weiß, wovon sie redet (oder weiß sie es nur zu genau?).
Zu den nachkatholischen christlichen Denominationen: Man kann nicht die Orthodoxie rezipieren und gleichzeitig die Philosophie, aus der sie hervorgegangen ist, verwerfen. Hier liegt der Grund, weshalb ich vom Katholizismus nicht lassen kann.
Zur Genese des pathologisch guten Gewissens (und der Verhärtung des Herzens): Die Fatalitäten des Schuldverschubsystems liegen darin, daß sie die Schuld selber unsichtbar machen, sie der Reflexion entziehen; dem verdanken sich die „Schuldgefühle“, die als Materie des Schuldverschubsystems leicht als „irrational“ sich denunzieren lassen, damit aber dem Herrendenken (das der Schuldgefühle der anderen sich bedient, dazu, nämlich zur Reproduktion dieser Schuldgefühle, der Religion und ihrer Institutionen bedarf) die Bahn freimachen, ihm die Widerstände aus dem Weg räumen. Die Befreiung von der Last wird zum Instrument der Unterjochung aller.
Heute beginnen die Dinge sich in eine Normalität zurückzuentwickeln, die es nach Auschwitz eigentlich nicht mehr hätte geben dürfen. Führt diese Normalität nicht aufgrund ihrer eigenen Logik zu dem Punkt, der in der Geschichte der drei Leugnungen als Selbstverfluchung sich enthüllt?
Hegel hat (in der Folge Kants) die Wahrheit zu einer Qualität des Urteils gemacht. Eben dadurch ist ihm das Wahre zum bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist, geworden.
Wenn Drewermann den Begriff der Lehre, zu dem er nur das Dogma assoziieren kann (und dessen jüdische Tradition er offensichtlich nicht kennt), verwirft, so bleibt in der Tat nur die Personalisierung übrig. Die Konfliktunfähigkeit Drewermanns gründet in der Unfähigkeit, im Licht des theologischen Begriffs der Lehre die Urteilsform zu reflektieren. Er bleibt dem Glauben an die Magie des Urteils, der im dogmatischen Theologieverständnis (und d.h. in der katholischen Tradition) begründet ist, verhaftet; deshalb kennt er zur therapeutischen Bearbeitung von Schuldgefühlen keine Alternative. Ebenso wie es einmal einen jüdischen Antisemisemitismus gegeben hat, scheint es heute einen katholischen (klerikalen) Antiklerikalismus zu geben.
Zum Verständnis des Rosenzweigschen Begriffs des „hintertückischen, verandernden Wissen des Denkens“ gehört die Einsicht, daß das Wissen auch im Denken gründet (nicht allein im Objekt). Diese Einsicht verdankt sich der kantischen Vernunftkritik, der Transzendentalphilosophie.
Mit der Sexualmoral hat die Kirche das Jesus-Wort „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ verletzt (und die Welt von jeder Kritik freigestellt).
Die Empörungslust, die hier ihren Ursprung hat, und die jedes Geschwätz und jedes Gerede nährt, ist die Lust, über die die Erbsünde sich fortpflanzt, nicht die Sexuallust. Sie pflanzt sich über die Zunge fort, nicht über den Phallus. Die Empörungslust ist identisch mit der Urteilslust und der Augenlust (mit der Lust an dem Aufdecken der Blöße). Ist das Keuschheitsgebot nicht auch ein die Gotteserkenntnis leitendes Gebot?
Die Empörungslust gründet im Schuldverschubsystem, das mit ihr sich entfaltet und stabilisiert. Wäre die Reflexion dieses Schuldverschubsystem nicht heute der Schlüssel zur Theologie?
Die Empörungslust verhindert die Schuldreflexion; sie verhindert die Reflexion jener Mechanismen, von denen sie bewußtlos Gebrauch macht und deren Objekt sie selber ist.
Die Empörungslust ist Urteilslust, ein Ableger der in die Bekenntnislogik transformierten und zugleich verdrängten Sexuallust. Sie nährt sich vom Rachetrieb, den sie selber zugleich mit nährt. Dagegen steht das Wort „Mein ist die Rache, spricht der Herr“.
Gibt es ein griechisches Wort für den Ankläger, den Satan (wie heißt der Akkusativ im Griechischen?)? Und wie hängt der daimon (der böse oder auch der unreine Geist der Evangelien) mit dem Ankläger zusammen? Gibt es den daimon (auch den sokratischen) erst, seit es den Weltbegriff gibt? Hat die Austreibung der Dämonen (und der daraus abgeleitete kirchliche Exorzismus, auch der Hexenwahn) etwas mit der Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs zu tun (ebenso wie die Krankenheilungen, die Totenerweckungen und die Sündenvergebung)?
Hat nicht Franz von Assissi diesen Zusammenhang noch gekannt, als er dem Mitbruder, der für die Einführung der Studien sich einsetzte, entgegenhielt: Unus daimon plus scit quam tu?
Ankläger ist der kategoros, kategor; Anklage die kategoria, und anklagen kategoreo. Also ist die Kategorienlehre eine Theorie der Anklage.
In ihrem Lexikon der Sprachwissenschaft (Stuttgart 19902) nennt Hadumod Bußmann den grammatischen Begriff Akkusativ (lat. casus accusativus) eine „Fehlübersetzung von griech. ptosis autiatike, Kasus des Bewirkten“ (S. 57). Sind im Griechischen nicht Ursache und Grund (aitia) und die Schuld noch ungeschieden; und verweist nicht der Name der Kategorie (des Begriffs) über die Anklage an die Schicksalsidee, aus der der Begriff hervorgegangen ist? Der Akkusativ ist der eigentlich Objekt-Kasus, der durch diesen Namen in den Kontext des Gerichts (der Anklage und des Richtens) gerückt wird. Gründet nicht die kantische Lehre von den synthetischen Urteilen apriori, die Deduktion der Kategorien, in der Apriorisierung des Objekts durch die subjektiven Formen der Anschauung (durch die transzendentale Ästhetik)?
Im Griechischem gibt es den Parakleten, den Beistand, den Verteidiger.
Das „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ ist der Stachel im Fleisch der griechischen, insgesamt der indoeuropäischen Sprachen.
Das Dogma entspringt mit der Verschiebung der Urteilslust auf die Sexuallust (mit dem Ursprung der Sexualmoral); die Freigabe der Urteilslust durch die Sexualmoral (die aufs engste mit der Geschichte des Zölibats zusammenhängt) ist der apokalyptische Unzuchtsbecher.
mit der Bekenntnislogik, die den Namen leugnet, indem sie ihn bekennt, ist der unreine Geist in die Theologie eingedrungen.
Mizrajim:
– Steckt darin mi und sara? Und gehört zum Namen Mizrajim nicht die Geschichte von Abraham und Sara in Ägypten (taucht hier vielleicht der Name Ägyptens zum erstenmal auf)?
– Hängen die Namen Mizrajim und Israel mit einander zusammen (Mizrajim wird mit Sade, Israel mit Sin geschrieben, ebenso Sara)?
Mit dem „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, hat Kant den Grund der Idolatrie und seiner modernen Denomination, des Nationalismus (der Nationalismus ist der durch den Weltbegriff modifizierte Götzendienst), benannt.
Als Jesus am Kreuz starb, hat die Erde gebebt, ist der Vorhang des Tempels entzweigerissen. Als er auferstand, da gab es keine Pauken und Trompeten, nur das leere Grab, und die ersten, die ihn sahen, erkannten ihn nicht.
-
16.6.96
Zeugen der Kreuzigung waren die Frauen, Zeugen der Auferstehung waren nach Maria Magdalena die Apostel. Ist nicht darin das Schicksal der Kirche vorbezeichnet gewesen? War nicht das Dogma (und mit ihm die Confessio: das Bekenntnis und die Konfession) der Fluchtpunkt des männlichen Verhaltens in den Anfängen?
Die Idee des Jüngsten Gerichtes widerspricht der Vorstellung, daß der Tod alle gleichmacht.
Instrumentalisierung: Wird der Katholizismus heute nicht zu einer Gemeinschaft der verbiesterten Frommen, die es nur noch als Erscheinung, als „Vorbilder“ für andere sind?
Zur Frage der Sündenvergebung:
– die Taufe des Johannes,
– vergeben wird dem, der anderen vergibt,
– Verstockung: „daß sie sich nicht bekehren und keine Vergebung finden“ (Mk 412),
– die Heilung des Gelähmten,
– „ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt“,
– die Sünde wider den Heiligen Geist,
– wenn ihr betet, so vergebt dem, der etwas gegen euch hat,
– „in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt allen Nationen, anfangend von Jerusalem“,
– wem ihr die Sünden vergebt (behaltet), dem sind sie vergeben (behalten). (Die einzige Stelle im Johannes-Evangelium, 2023)
Das Inertialsystem als Generalamnestie: Ist das nicht die Quelle der Inspiration Drewermanns?
Der Kapitalismus hat die Schuld von der Sünde getrennt; er „läßt den Armen schuldig werden“. Hier gründet die Logik, für die das Schuldigwerden mit dem Erwischtwerden zusammenfällt. Steckt diese Logik nicht schon in Hegels Begriff des Handelns, der allein auf dessen objektive Manifestation abstellt; die Gesinnung, die „bloße“ Absicht und das „abstrakte“ Sollen werden unerheblich.
Verhält sich nicht der Sabbat zur dies dominca wie die Erfüllung des Worts zur Erfüllung der Schrift? Der Sabbat ist der Tag, an dem Jesus im Grab gelegen hat; und es war Joseph von Arimathäa, der ihn am Vorabend des Sabbat vom Kreuz abgenommen und in sein Grab gelegt hat, in das gleiche Grab, das am „Ostermorgen“, am Tag nach dem Sabbat, leer war.
Die Augenlust ist die Urteilslust, der Zwang, das Gesehene einzuordnen.
Gründet das Rosenzweigsche Wort vom „hintertückischen, verandernden Wissen des Denkens“ nicht in dem kantischen Satz vom „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, auf das Einheitsprinzip der transzendentalen Logik, den Grund des kantischen Begriffs der Erscheinungen? Das „meine Vorstellungen begleitende Denken“ macht sie zu „meinen Vorstellungen“, begründet eine Art Eigentumsordnung der Vorstellungen (zusammen mit dem rechtlich faßbaren Begriff des Plagiats). Ist nicht die Eigentumsordnung, deren Urheber und Garant der Staat ist, das Organisationsprinzip der transzendentalen Logik? Gründet nicht der Nationalismus (und mit ihm die Xenophobie, in letzter Konsequenz der Antisemitismus) in der Organisation der instrumentalisierten Vernunft, deren gegenständliches Korrelat die in Natur und Welt aufgeteilte Objektivität ist?
Die Lichtgeschwindigkeit ist die Asche der Teleologie.
Augenschein als Ideologie: Das Auge „scheint“ nicht, sondern wird vom Schein des Lichts getroffen.
Ist nicht die Fallbeschleunigung die Pforte der Hölle (der Grund des Zeitkontinuums)?
Mit dem Himmel hat der katholische Mythos auch die Hölle verräumlicht, die ihr innewohnende Beziehung zum Herrendenken, zur Vergangenheit, zum Tod, durch Ideologisierung unkenntlich gemacht. -
15.6.96
Als Hegel die Antinomien der reinen Vernunft aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik transformierte, hat er die Logik ästhetisiert. Die Spuren davon sind in der Hegelschen Logik nachzuweisen, insbesondere im Stellenwert und in der Funktion des Begriffs des Scheins, aber auch im Konzept der „List der Vernunft“ und nicht zuletzt in der Idee des Absoluten selber. So ist die Hegelsche Logik zur dialektischen Logik geworden.
Sind nicht die von Daniel Goldhagen herausgearbeiteten Elemente des deutschen Vernichtungs-Antisemitismus in Strukturen aufzuweisen, die den Faschismus deshalb überlebt haben, weil er nie wirklich aufgearbeitet worden ist, insbesondere in der schrecklichen Neigung der Deutschen, sich ständig in den Augen der anderen (des „Auslands“) zu sehen? Dem entsprechen die öffentlichen Reaktionen auf Anschläge auf Ausländer, an denen ein deutscher Innenminister nur schlimm fand, daß sie „im Ausland“ einen so schlimmen Eindruck machen? (Wenn es das Ausland nicht gäbe, dann dürften wir’s?) Die Taten selbst und ihre entsetzlichen Folgen wurden nicht einmal wahrgenommen. Seitdem laufen alle Meldungen über Anschläge auf Wohnungen, in denen Ausländer wohnen, solange die Täter noch nicht ermittelt wurden, mit der stereotypen Erklärung, „ausländerfeindliche Motive“ seien nicht erkennbar.
Nach 68 haben wir eine Form der Auseinandersetzung mit dem Faschismus gefunden, die es nicht mehr nötig hat, wirklich an die Wunde rühren. Auch das ist ein Resultat der „68er Bewegung“, die aus dem Bann der Logik ihrer Eltern nie herausgetreten ist.
Hat die Grundthese Daniel Goldhagens nicht schon in den „Minima Moralia“ gestanden: in dem Hinweis auf das Gespräch im Eisenbahnabteil, das in seiner Konsequenz auf einen Mord hinausläuft? Diese Gespräche gibt es auch heute noch, nur daß niemand mehr die Sensibilität aufweist, die die Voraussetzung wäre, um die Konsequenzen dieser Gespräche noch wahrzunehmen.
Was hat Jean Amery, Primo Levi, Paul Celan in den Selbstmord getrieben, wenn nicht die Erfahrung, daß die schrecklichen Erinnerungen am steinernen Herz der Gegenwart abgeprallt sind, die Öffentlichkeit nicht erreicht haben?
Es gibt einige Lieblingsvokabeln der deutschen Medien, an denen man das demonstrieren kann. Dazu gehört das Adjektiv „selbsternannt“, auch der Hinweis von Autoren, die mit dem Faschismus sich befassen, daß es ihnen nicht darauf ankäme, „das Entsetzen zu konservieren“. Hier trifft sich die prinzipielle Gehorsamsbereitschaft gegenüber dem Bestehenden mit dem drohenden Hinweis, daß man auf die Gefühle derer, die den Schrecken und das Entsetzen nicht mehr loswerden (die sie „konservieren“), keine Rücksicht mehr zu nehmen braucht. So wurden die letzten, die sich noch erinnerten, unter Quarantäne gestellt, als wären sie Aussätzige.
Haben die Emotionen, die das Stichwort „Rinderwahnsinn“ provoziert, die nicht unbegründet sind, nicht auch etwas mit diesem verdrängten antisemitischen Bodensatz zu tun?
Die antisemitische Tradition wurde u.a. konserviert durch eine Tradition, die von den Flüchtlingswitzen nach dem Krieg bis hin zu den Türkenwitzen der 80er Jahre reicht, bevor diese Tradition dann in einer manifesten Ausländerfeindschaft explodierte. Es gibt in der Tat einen Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und einer Witz-Tradition, zu der auch die an Stammtischen wie in der Politik allgegenwärtigen sexistischen Zoten gehören, an denen die Mechanismen der Demütigung des Opfers und der Komplizenschaft der Lachenden sich demonstrieren lassen.
Dazu gehört auch eine Logik, die in völliger Umkehrung der Grundsätze der Gastfreundschaft davon ausgeht, daß Fremde als „Gäste“ in Deutschland sich anzupassen haben.
Wer an diese Dinge erinnert, wird prompt darauf hingewiesen, daß es diese Dinge doch nicht nur in Deutschland gibt, sondern auch in den USA, in Frankreich, in Polen und wer weiß, wo sonst noch. Als ob das eine Entschuldigung wäre.
Sind nicht Vorurteile generell synthetische Urteile apriori, und ist nicht eines der ersten das antisemitische Vorurteil? Das kantische „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“ ist zum logischen Repräsentanten des Kollektivs, des Nationalismus und seiner Derivate geworden.
Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hat Einstein die Lichtgeschwindigkeit und den ganzen Bereich der Erscheinungen, auf den sie sich bezieht, von der empirischen auf die systemische Ebene verschoben. Es war die besondere Leistung der „Kopenhagener Schule“, daß sie, indem sie Einstein für veraltet erklärte, diese Einsicht verdrängt hat. Das gilt vor allem für ihre deutsche Version, für die Gruppe um Heisenberg und Weizsäcker. So brauchten sie sich um die Irritationen der speziellen Relativitätstheorie nicht mehr zu kümmern, ersparten sich aber zugleich die Peinlichkeiten der „deutschen Physik“.
Wird nicht heute das Konzept der Gewaltenteilung dadurch obsolet, daß die Gewalt, um deren Teilung es geht, aus der Politik in die Ökonomie gerutscht ist? Gesetzgebung, Verwaltung und Richten: Heute vereinigt sich das in der Gewalt, die im Tauschprinzip (im Wertgesetz, in der normativen Gewalt des Marktes) sich verkörpert.
Ist nicht die Gewaltenteilung ein Säkularisat der Trinitätslehre und durch sie vorbereitet? Und hängen nicht beide auf eine unterirdische Weise mit der Dreidimensionalität des Raumes, mit den Verdrängungsprozessen, in denen dieses Konstrukt sich konstituiert, zusammen: mit der Abstraktion von den qualitativen Differenzen der räumlichen Dimensionen?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie