Astrologie: Grenz- und Selbstreflexion der Organisation der staatlichen Gemeinschaft im Medium der Astronomie, Planeten als gegenständliche Verkörperungen der inneren Repräsentation seiner Außenbeziehungen. Zentrale Funktion der Venus im astrologischen Konzept (Funktion der „Verehrung“, der Idolatrie; Trennung der Liebe von der Sexualität zusammen mit der Konstitution des Weltbegriffs und der Verdrängung der Herrschaftskritik; Wiederkehr der verdrängten Geschichte der „Venus-Katastrophe“ in der frühmittelalterlichen Minne, auch der devotio moderna, Zusammenhang mit dem Ursprung des Zölibats, der Ohrenbeichte, des Fegfeuers, der Armutsbewegung).
Ist die Venus nicht die weibliche Seite des Mars (Schönheit und Ehre, Begierde und Krieg)? Entspringt nicht hier der Begriff der Liebe, den das Christentum durch Desexualisierung zu reinigen versucht hat (der dann dazu beigetragen hat, die Idee der Barmherzigkeit zu verdrängen, einen von der Idee der Barmherzigkeit gereinigten Weltbegriff zu begründen)?
Wenn Hegel die Außenbeziehungen der Staaten (in denen das Königtum, der Krieg, der Handel und die Ehe sowie das weltkonstituierende Inzestverbot begründet sind) als Naturbeziehungen beschreibt, heißt das nicht auch, daß die Formen dieser Außenbeziehungen die Konstellation beschreiben, in denen der Naturbegriff einmal entsprungen ist (Zusammenhang des Naturbegriffs mit dem Begriff der Barbaren, gemeinsamer Ursprung und gemeinsame Logik beider)?
Wenn es heißt, daß Gott die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt hat, bezieht sich das auf die Planeten und den Tierkreis (sind die Planeten die Säulen der Erde)? Und fällt in diesem Zusammenhang nicht ein Licht auf das Wort in der Verheißung an Abraham von den „Sternen des Himmels“ und dem „Sand des Meeres“?
Sind die großen Seeungeheuer unterhalb oder oberhalb der Vögel des Himmels (gehören sie zu den unteren oder zu den oberen Wassern)?
Richtig und wahr, oder über das Verhältnis der Orthodoxie zur Orthogonalität (des Dogmas zur Geschichte der Naturwissenschaften): Das Richtige (die Orthodoxie ebenso wie die naturwissenschaftlich objektivierte Welt) ist gnadenlos, während die Idee der Wahrheit die der Versöhnung, der Befreiung, der Erlösung mit einschließt.
Das Christentum hat durch sein Bündnis mit der Herrschaft die Gnadenlosigkeit der Welt ratifiziert (und die Wahrheit egozentrisch deformiert).
Gordischer Knoten: Das All entspringt mit der Trennung von Natur und Welt; und die Reflexion der Todesangst, die Franz Rosenzweig zufolge das All sprengt, ist die Reflexion dieser Trennung.
Der Begriff des Seins gewinnt seine emphatische Bedeutung nur aus seiner Beziehung zum Gottesnamen, dessen entfremdete, entstellte und verzerrte Erinnerung in ihm sein letztes Echo findet. Die Fundamentalontologie Heideggers ist die Selbstreflexion des Seins im Bann dieser Enfremdung und Entstellung.
Zoon politikon: Der Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung ist politisch, herrschaftsgeschichtlich vermittelt. Modell des Objektbegriffs ist die Ware, der mit dem Handel (genauer: mit dem Fernhandel) sich bildet. Zu den ersten Waren gehören der Raub und die Kriegsbeute: neben den geraubten Gütern auch die Gefangenen, die als Sklaven für den Eigengebrauch wie für den Markt gewinnbringend genutzt wurde. Die Fremdheit der Dinge gründet in der Fremdheit der anderen Völker, Stämme, Sprachen und Nationen.
Heidegger
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19.11.95
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21.10.95
Gründen nicht die räumlichen Beziehungen von vorn und hinten, rechts und links sowie oben und unten in einer innerzeitlichen Beziehung: sind sie nicht räumliche Spiegelungen der Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft? Die Vergegenständlichung der Zeit, die Vorstellung eines Zeitkontinuums entspricht dem (räumlichen) Seitenblick auf die Zeit.
Hat das Wort „eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit“ etwas mit der Formel der Summenzahlen: (n + n2)/2 zu tun? Und ist diese Formel ein Symbol des Inertialsystems: der Beziehung der Fläche und ihrer Norm (n2 + n) zur halbierten (um die Zukunft verkürzten) Zeit?
Der Begriff (oder die Herrschaftsverhältnisse, die er abbildet) hat ein Elefantengedächtnis, er vergißt nichts.
Ist das Ich die Spur einer Verletzung, deshalb ist es vom Rachetrieb nicht zu trennen? Vor diesem Hintergrund wird das „Mein ist die Rache, spricht der HERR“ verständlich.
Das Ich hat sich im Kontext der philosophischen Unsterblichkeitslehre gebildet, zu der in ihrer konsequentesten Fassung die Lehre von der Hölle dazugehört. Die Unsterblichkeitslehre war ein Nebenprodukt der Verinnerlichung der Schicksalsidee. Ist das Ich das verinnerlichte Schicksal für andere (das Feuer der Hölle)?
Die Bubersche Theologisierung des Personalpronomens ist der kürzeste Weg in den Mythos. Anders verhält es sich mit dem Namen: Kinder nennen sich, bevor sie lernen „ich“ zu sagen, mit ihrem Namen.
Die in der Nazizeit verbreiteten Denunziationen waren ein Beweis dafür, daß die Totalisierung der Verhältnisse nicht vollständig gelungen war. Erst nach dem Krieg wurde die denunziatorische Beziehung zu anderen (als Solidarität der Denunzianten, Grundlage der Leugnung des Geschehenen) so verinnerlicht, daß es der Praxis der Denunziation nicht mehr bedurfte. Die Kollektivschuld-Debatte und ihre fatale Lösung durch den Begriff der Kollektivscham gehören in diesen Zusammenhang.
Mit der Bekenntnislogik ist das pharisäische Prinzip, die Heuchelei, mit der Opfertheologie das sadduzäische Prinzip, das Herrendenken, in die Theologie mit aufgenommen worden.
Repräsentieren im Planetensystem Jupiter und Mars den Nominativ und den Akkusativ, Merkur und Venus hingegen den Genitiv und Dativ?
Geld, Handel und Herrschaft: Die Nahrungsvorräte, die in den Tempeln aufbewahrt waren (den Nachfolgern der Josephschen Getreidelager), wurden zuerst kapitalisiert (Tempelschatz), dann kommerzialisiert (der Tribut, die Erfindung des Rechts und des Geldes). Die erste Handelsware waren Sklaven: zu der in Kriegen gemachte Beute gehörten die Gefangenen (die als Sklaven verkauft wurden). Dagegen richtete sich das Institut des Banns: Es durfte keine Beute genommen, kein Gefangener zum Sklaven gemacht werden. Den Gefangenen gleichgestellt waren die in Schuldknechtschaft geratenen Armen (die so zu Sklaven geworden sind).
Der Objektbegriff ist ein deiktischer Begriff, sein grammatischer Repräsentant ist der bestimmte Artikel, der das Nomen zum Substantiv gemacht hat. Der Objektbegriff ist das gegenständliche Korrelat oder, wenn man will, die Projektionsfolie der intentio recta (die intentio recta aber, der ausgestreckte Zeigefinger, ist ein optischer Imperativ: „da!“, „siehe!“). In Heideggers Da-Sein begreift sich das Subjekt als Objekt. -
4.9.1995
Empfindlichkeit verharrt im Leidensdruck, während Sensibilität die Reflexion auf das Leiden anderer, auf den Imperativ, der von diesem Leiden ausgeht, in sich mit aufnimmt. Diese Sensibilität ist Resultat einer Befreiung, die in der Reflexion von Herrschaft anhebt. Das Bekenntnis gewinnt im Angesicht Gottes (durch Selbstbefreiung von der Bekenntnislogik) eine andere Qualität: Es wird zur Verkörperung des Geistes. Hatte nicht die griechische Kirche recht, als sie darauf beharrte, daß der Geist vom Vater ausgeht? Und war das filioque der lateinischen Kirche, in der Konsequenz der homousia, der zweite Sündenfall der Orthodoxie? Es sei denn, die imago des Sohnes wird als Verkörperung der Wahrnehmung des Leidens anderer: als Inbegriff der Sensibilität, begriffen. Das aber setzt die Auflösung der verdinglichten Gestalt der Wahrnehmung des Leidens anderer im Kruzifix, das die Sensibilität blockiert, von den „geringsten meiner Brüder“ ablenkt und die Leidenswahrnehmung ausblendet, voraus. Das Kruzifix instrumentalisiert diese Blockade, diese Ablenkung, dieses Ausblenden: es ist ein Instrument des Herrendenkens. Gewinnt vor dem Hintergrund dieser Konstellation und im Kontext der Einbindung des Christentums in die Herrschaftsgeschichte nicht 1 Kor 1527f (Denn alles hat er seinen Füßen unterworfen … Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei) in Verbindung mit Ps 87 (… alles hast du ihm unter die Füße gelegt<: Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels, die Fische des Meeres, was da die Pfade der Fluten durchzieht>) einen nachvollziehbaren Sinn: dann wird auch die hypostasierte „Trinität“ in eine Welt im Angesicht Gottes sich auflösen. Ist das Planetensystem das Instrument der Stabilisierung des Gewölbes, der Feste des Himmels? In einer Theorie des Feuers wäre zu klären, wie die Feuer im Namen des Himmels mit der Konstruktion der Verdrängungsmechanismen und ihrer Funktion im Kontext der Erkenntnis zusammenhängen. Himmel und Erde: Im Schöpfungsbericht „bringt“ die Erde die Pflanzen und Tiere „hervor“, der Mensch ist aus dem Lehm der Erde gemacht, während die Feste (die dann Himmel genannt wird) die oberen von den unteren Wassern trennt. Dafür gibt es die Sterne des Himmels, die Vögel des Himmels und die Himmelsheere. Gotteserkenntnis ist in seinem Kern politisch: sie schließt die Reflexion von Herrschaft (die der Gotteserkenntnis den Weg versperrt) mit ein. Gotteserkenntnis, wenn sie ihren imperativen Kern begreift, ist der Grund der Autonomie. „Mein Gott“: Die Bekenntnislogik hängt mit dem Geschwätz, und beide hängen mit dem Gottesgejohle zusammen. Das Bekenntnis rückt Gott in eine Possessivbeziehung zum Gläubigen (es ist das Gegenteil, der Widerpart, der Heiligung des Gottesnamens), das Geschwätz („mein Gott, was hast du denn da schon wieder angestellt?“) ist die Einübung dieser Possessivbeziehung und das Gottesgejohle die Drohung gegen jeden, der sich dem nicht anpaßt. Das „mein Gott“ ist das blasphemische Instrument der Vergesellschaftung des Herrendenkens durch Religion. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen (Mt 2746, Ps 222): Ist diese Verlassenheit nicht eine sprachlogische Folge des Possessivpronomens? Das Bekenntnis ist (bis hin zu den Skinheads) ein Ausdruck der Gottverlassenheit. Ist nicht das Bekenntnis der Greuel am heiligen Ort? Das deutsche Wort Besessenheit (griechisch: daimonizomenos, echontos pneumata akatharta) erinnert nicht zufällig an den Besitz. Besitz ist eine Reflexionskategorie: Man ist besessen von dem, was man besitzt. Drückt in der Besessenheit (im Namen der Dämonen, der unreinen Geister) nicht ein objektiver, in die Geschichte des Tauschprinzips fallender Sachverhalt sich aus: der Ursprung und die individuelle Verkörperung der Herrschaft der Reflexionsbegriffe, der Ursprung des Weltbegriffs? Dann aber wäre das Bekenntnis, das den Glauben zu einem Possessivum macht, die genaueste logische Form der Besessenheit. Steckt darin nicht die Lösung des Problems des Dämonenglaubens in den Evangelien (der kein Dämonenglauben war, den hat erst der Islam hervorgebracht) und der Gechichte von den sieben unreinen Geistern? NB: Mt 424 bringt die Besessenen mit Mondsüchtigen (und mit Gelähmten) zusammen. Mt 1715 definiert einen Mondsüchtigen als einen, der „oft ins Feuer und oft ins Wasser“ fällt (nach Mk 917 handelte es sich um einen „stummen Geist“); die Jünger konnten ihn „wegen ihres Kleinglaubens“ nicht heilen (vgl. den „Kleinglauben“ an den anderen Stellen des Matthäus-Evangeliums: 630, 826, 1431, 168, 1720, sowie Lk 1228 – entspr. Mt 630). Besessenheit und Lachen (Jesus hat nicht gelacht, aber die Dämonen ausgetrieben): Das Lachen ist die reinste Form des Hinter dem Rücken, das Auslachen löscht den Geist (das Dogma lacht die Wahrheit aus). Wer in der Gegenwart eines andern über ihn redet, ohne ihn in das Gespräch mit einzubeziehen (so wie die Theologie über Gott „redet“), lacht ihn aus (macht ihn tendentiell autistisch). Orthogonalität und Trägheit (Maria Magdalena wurde von den sieben unreinen Geistern befreit): In der Form des Raumes lacht jede Richtung die Gegenrichtung und jede Dimension die andere aus, in der Vorstellung des Zeitkontinuums lacht die Vergangenheit die Zukunft aus, und im Inertialsystem lacht das System die Dinge aus. Die Ontologie lacht sich selbst aus: Dieses Auslachen begründet das Bewußtsein der Eigentlichkeit (den Schein der Unschuld im Kern der faschistischen Selbstzerstörung der Moral, der im realitätsverleugnenden Bewußtsein der „heilen Welt“ überlebt; war die Eigentlichkeit Produkt einer Entscheidung, ein dezisionistischer Akt, so bedarf das Bild der heilen Welt der ständigen Erneuerung und Reproduktion: hier liegt der seins- und sprachlogische Grund des Fernsehens – gegenständliches Korrelat der heideggerschen Entschlossenheit). Was etwas „eigentlich“ ist, ist das, was es dem Begriffe nach ist, aber der Begriff ist ambivalent: Deshalb gibt es keine Eigentlichkeit ohne die Diffamierung des Uneigentlichen, das eigentlich identisch ist mit dem Eigentlichen, als Schein. Das Eigentliche ist das Wahre und Echte (das Wahre ist nach Hegel „der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“). Das Eigentliche und Echte ist das Ungeheuchelte, das Nicht-Pharisäische. So hängt der Begriff der Eigentlichkeit mit dem Antijudaismus, der Tradition der Diskriminierung der Pharisäer, zusammen. Eigentlichkeit ist die Narbe an der Stelle der verdrängten Reflexionsfähigkeit, der zerstörten Sensibilität. Eigentlichkeit ist der blinde Fleck der Philosophie. Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist der Grund des Mythos, der Ästhetik und der Herrschaftslogik. Hierauf (auf die Umkehr-Beziehung von Sehen und Hören) bezieht sich das biblische Bilderverbot. Die Metastasen der Eigentlichkeit leben fort in der Moral der Polizei und des Militärs (Zusammenhang von Uniform und Folter). Nur die Symbole des Staates lassen sich verunglimpfen: Gegenstand der Verunglimpfung ist das Eigentliche. Im Stern der Erlösung kommt das Purim-Fest nicht vor. Ihr seid das Licht der Welt: Die Prophetie ist das Licht im blinden Fleck der Philosophie (des Weltbegriffs). „Kultur für alle“: Wer die Religionen als kulturelles Erbe begreift und sie konservieren möchte, möchte sie ins religionshistorische Museum (dem historischen Pendant des naturwissenschaftlichen Labors) einsperren. Er blendet genau das aus, was die Religionen ihrer Substanz beraubt und zu einem Teil des Kulturerbes gemacht hat: die Gewalt des alles durchdringenden Wertgesetzes. Religionen sind Formen der Besessenheit und zugleich Denkmäler der Geschichte der politischen Kosmologie; die Kritik der politischen Ökonomie ist ein Teil der Kritik dieser Geschichte. Konservierte Religionen sind (wie die konservierte Kultur insgesamt) fürs Bestehende ungefährlich; die Mauern der Museen sind ein sicherer Schutz.
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23.8.1995
Wenn der Bann (gegen Amalek oder die Kanaaniter) gegen die ökonomische Motivation, gegen das Beutemachen, sich richtet, dann schließt er auch den Erwerb von Sklaven durch Kriege aus: dann ist er gegen den Ursprung des Handels gerichtet (gegen „Kanaan“ auch in diesem Sinne). Ausgeschlossen sind somit alle Formen der Razzia (Überfälle, die zum Zweck des Beutemachens geführt werden).
Das Barock hat das System Achaschwerosch (den demonstrativen Pomp als Quelle des Sexismus und des Antisemitismus) auf der Stufe des Feudalsystems vergesellschaft. Heute hat diese Vergesellschaftung alle erreicht: als Faschismus.
Wann taucht der Name des Volkes (der als Plural sich konstituiert) erstmals in der Schrift auf? Und erscheint er nicht jedesmal in der Konstellation „Völker, Stämme, Nationen, Sprachen“, insbesondere bei Daniel (bzw. in der Apokalypse, zuvor aber schon vollständig in Gen 10/11, dann in Ansätzen bei Esth, Jes, Ez)?
Ist nicht der Name des „auserwählten Volkes“ ein Name, der den nationalen (= indikativischen) Mißbrauch grundsätzlich (schon aus sprachlogischen Gründen, die mit der Beziehung des Gottesnamens zur Sprache, zu ihrer Namenskraft, zusammenhängt) ausschließen sollte? Hinweis: Das Subjekt der Psalmen ist keine Privatperson, sondern (das etwa in Davids Königtum sich verkörpernde) Israel.
Geschichtsphilosophie des Volkes: Stämme sind Lebensgemeinschaften, Völker Schicksalsgemeinschaften, Reflex des Ursprungs und der Geschichte des Weltbegriffs. Der Name des Volks entspringt gemeinsam mit der Institution des Königtums. Der Name des Volkes gründet in herrschaftsgeschichtlichem Kontext.
Hängen nicht Struktur und Funktion des Islam damit zusammen, daß hier der „Übergang“ in die Welt vermieden, die „Sünde der Welt“: der Prozeß der Individuation, nicht vollzogen wurde. So konnte der Bann der Stammesgesellschaft nicht gebrochen werden. Der Islam ist der (mißlungene) Versuch, in einem „vorweltlichen“ Unschuldszustand zu verharren. Deshalb ist der Übergang in den Säkularisationsprozeß so schwierig (und deshalb hat der Islam diese Anziehungskraft für Völker, die dem Eintritt in die säkularisierte Welt sich widersetzen).
Gibt es im Islam die Institution des Königs? Und ist nicht die Prophetie – als deren Widerpart – an diese Institution gebunden? Ohne die Institution des Königs verändert sich auch die Prophetie, und zwar sowohl im Islam (mit Muhammed, der nur noch der Sekretär eines Gottes ist, der seinen Koran selber schreibt) wie auch im Christentum. Auch Jesus war ein Prophet, aber einer, der nicht mehr den König, sondern den Caesar als Objekt hat, und deshalb mit den Insignien eines zur Schande, zum Spott gewordenen Königs (Dornenkrone, „Jesus Nazarenus, Rex Judaeorum“) ans Kreuz geschlagen wurde.
Die Reflexion der Grammatik hat die Spuren der Herrschaftsgeschichte in der Sprache zum Gegenstand.
Kruzifix-Urteil: Als Instrument der Rechtfertigung ist das Bekenntnis zynisch: die Verharmlosung einer tödlichen Waffe (und die Verdrängung des Bewußtseins seiner Außenwirkung).
Der „Mut zur Bürgerlichkeit“ (Odo Marquard in der FR vom 22.8.95) erinnert nicht zufällig an den „Mut zur Erziehung“; zu fordern wäre, diesen Mutbegriff endlich einmal zu reflektieren. Dieser Mut ist Ausdruck der Feigheit, die dem, was ohnehin alle denken, nicht mehr entgegen zu treten wagt. Dieser Mut erinnert an die faschistoiden Mutproben von peer-groups, an die gemeinschaftsstiftende Kraft z.B. von Grabschändungen (die auf einen ähnlichen gruppendynamischen Hintergrund zurückweisen), oder an einen soldatischen Mut, der nur zu feige ist, den mörderischen Handlungen, an denen er teilzunehmen sich gezwungen sieht, sich zu widersetzen (und sein Gewissen, den „inneren Schweinehund“, durch die Vorstellung der Ehre übertäubt). Es sollte eigentlich eine Warnung sein, daß der faschistische Mut, der aus dieser Konstellation erwachsen ist, seit je an den Schwächsten (an Juden, Frauen, Ausländern, Behinderten) sich abreagierte (und heute wieder abreagiert). Der Mut gehört zur Bekenntnislogik, diese aber ist ein Produkt des Herrendenkens, das von seinem theologischen Ursprung sich emanzipiert hat. Und der „Bürger“, auch wenn er heute kein „Untertan“ mehr ist, ist längst zur Parodie der hegelschen Dialektik von Herr und Knecht geworden: die reinste Verkörperung einer Knechtsgesinnung, die ihren eigenen Herrn noch überlebt und darin den Grund seines Herrendenkens findet.
Läßt sich bei Jeremias (oder überhaupt bei den „großen“ Propheten) nicht die Konstellation, der der Übergang vom Namen der Hebräer zu dem Juden sich verdankt, rekonstruieren? Ich denke an die Beziehung des Satzes „Bete nicht mehr für dieses Volk“ zu dem anderen „Bete für das Wohl der Stadt“ (zusammen mit einigen anderen Motiven, die genau zur Geschichte des Ursprungs des Weltbegriffs und deren Zusammenhang mit der „babylonischen Gefangenschaft“ paßt)? – Dazu gehören das „Grauen um und um“, der Gottesknecht des Deuterojesaia, die Visionen des Ezechiel.
Differenz im Begriff des Daseins: Bei Heidegger bezeichnet er das reine deiktische Moment des Draußen (der Geworfenheit), während er im Gottesnamen in der buber-Rosenzweigschen Bibel-Übersetzung das Bei-uns-Sein Gottes bezeichnet, Seine Barmherzigkeit. Der Name der Barmherzigkeit ist nichts, ist wesenlos und gegenstandslos ohne die Idee der Heiligung des Gottesnamens. Heiligung des Gottesnamens, das heißt: das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen.
Wird nicht der Glaube im Angesicht Gottes aus seiner Beziehung zum Wissen (die ihn verhext) herausgelöst und zum Vertrauen?
Macht die Rechtfertigungslehre seit Luther nicht einen unzulässigen Gebrauch von dem Satz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (und gilt dieser Satz nicht im Kern schon fürs Dogma, insbesondere für die Trinitätslehre)?
Handelt es sich bei dem Himmel, der am Ende wie eine Buchrolle sich aufrollt, um das Werk des zweiten Tags: das Gewölbe, die Feste des Himmels? Und erscheint darin nicht das Jüngste Gericht (in dem jeder sich selbst wiedererkennt), das aufgedeckte Angesicht, der geheiligte Name Gottes, das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht?
Zum Unterschied zwischen Himmel- und Gottesreich: Gebunden und gelöst wird (so wie zuvor auf Erden) im Himmel, nicht „in Gott“.
Darin, daß das Licht vor den Leuchten erschaffen wurde, liegt die biblische Begründung der Kritik der Verdinglichung. -
16.8.1995
Der Protestantismus hat die Erlösung als „Rechtfertigung“ an das Bekenntnis des Trinitätsdogmas gebunden: Produkt der Feigenblatt-Logik.
Ist die Berufung (die zur Logik der Verwaltungstheologie gehört, zur priesterlichen Verwaltung der Tradition) nicht das Gegenstück zur Bekehrung (zu der sie sich ähnlich verhält wie der Ruf zur Umkehr, das Hören zum Tun)?
Ist nicht Heidegger ein Produkt der Trinitätslehre (Rückverwandlung des Priestertums ins Schamanentum)?
Das Substantiv ist der Staub, zu dem das Männliche wird (und den die auf dem Bauche kriechende Schlange frißt).
Erst im Deutschen ist der Gehorsam endgültig vom Hören getrennt worden.
Die subjektiven Formen der Anschauung abstrahieren vom Gegenblick, vom Angeblicktwerden. Ist dieser Gegenblick nicht die Sprache, deren Wurzel der Gottesname ist, und ist die Abstraktion, die die Formen der Anschauung verkörpern, nicht diese Abstraktion von der Sprache? Das Leuchten Seines Angesichts ist ein sprachlicher Sachverhalt: die in der Sensibilisierung der Wahrnehmung und Erfahrung sich selbst ganz durchsichtig gewordene Sprache. Daß Gott den Menschen „nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes“ erschaffen hat, verweist auf zwei unterschiedene Aspekte der menschlichen Sprache.
Indem Kopernikus den Raum ins Unendliche öffnet, verschließt er ihn gegen die Sprache.
Perfekt: Kontrafaktische Urteile gibt es nicht nur in der Geschichte, sondern ebenso in der Theologie; sie sind in beiden Fällen der Schatten des Indikativs: Liegt hier nicht der Ursprung des Problems der kontrafaktischen Urteile, ist nicht die Vergegenständlichung Gottes die Voraussetzung der Geschichtsschreibung (und die Geschichte, Inbegriff der vollendeten Vergangenheit, das genaue Korrelat sowohl der vergegenständlichten Natur, die wie die Vergangenheit dem Eingriff des Menschen entzogen ist, als auch der Theologie hinter dem Rücken Gottes)?
Der Folie, vor der kontrafaktische Urteile als solche sich erweisen, sind in der Geschichte die erwiesenen Tatsachen, während es in der Theologie die dieser Wissenschaft eigentümliche Logik ist. Diese Logik hat eine dem Begriff der Tatsache (an dem kontrafaktische Urteile sich müssen messen lassen) vergleichbare Struktur und Gegenständlichkeit.
Haben nicht die Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie, hat nicht eigentlich das Dogma insgesamt die gleiche Funktion innerhalb des Christentums, die der Historismus für das Weltbewußtsein hat (wodurch unterscheidet die moderne Geschichtsschreibung von der antiken)?
Die Trinitätslehre ist ein erstes Produkt der Säkularisation, sie folgt aus dem logischen Gebrauch des Satzes, aus dem die ganze Hegelsche Philosophie sich herleiten läßt: Das Eine ist das Andere des Anderen. Hegels Philosophie läßt sich als die Auflösung der Logik dieses Satzes zugunsten des Anderen begreifen. Deren Anfang liegt im spekulativen Trinitätsbegriff der patristischen Theologie (in der „asymmetrischen Spiegelung“ der Eigenschaften und Tätigkeiten der „göttlichen Personen“). Was bei Plato noch eine isolierte Bemerkung war, gewinnt mit der Trinitätslehre die systembildende Kraft, die dann bei Hegel sich vollendet. Die Trinitätslehre ist ein Produkt dessen, was Franz Rosenzweig die „verandernde Kraft“ des Denkens genannt hat.
Die Trinitätslehre steht (wie die Tiere) unterm Bann des Weltbegriffs, dessen Apriori in dem System der sich wechselseitig bedingenden und reflektierenden Instrumentalisierungen sich manifestiert). Sie macht das Christentum zur Religion für andere (und damit im strengen Sinne zur Religion): So ist sie zur Grundlage der Priesterreligion geworden (die Luther durchs allgemeine Priestertum zur allgemeinen Religion: zur alles durchdringenden Logik des Bewußtseins gemacht hat).
Die Trinitätslehre steht in einer gleichsam magnetischen Beziehung zum Nationalismus: Beide sind wie die ungleichnamigen Pole eines Magenten durch wechselseitige Anziehungskräfte verbunden. Das Magnetfeld wird durch die Bekenntnislogik erzeugt. In ihm ist sie zugleich ein Nationalismus-Generator.
Die Trinitätslehre ist der Kälteschock, der es der christlichen Tradition ermöglichte, im Gefrierhaus Welt zu überwintern (die Trinitätslehre heult mit den Wölfen). Nur so hat die Tradition zweitausend Jahre Christentum überleben können. -
6.8.1995
Die Sklaverei ist eine Vorstufe des Handels und der Geldwirtschaft. Die ersten Waren waren die bei Eroberungen erbeuteten Gefangenen. Zur Schöpfung gehört die Folge von Katastrophe und Rettung, erst das Christentum war die Rettung als Katastrophe. Zur Kritik des Tauschprinzips: Der Faschismus verweist auf ein ungelöstes Problem in der Marxschen Kapitalismuskritik. Die Identität des Objekts gründet in der Identität des Vergangenen: Das Wasser unter dem Himmel sammle sich an einem Ort, daß das Trockene sichtbar werde (Gen 19). – Aber verweist nicht die Einsteinsche Zeitdilatation, die auf die Richtungen im Raum getrennt sich bezieht, darauf, daß es diese Identität des Vergangenen nicht gibt? Die Zeitdilatation bezieht sich auf die Grenze zu einer Vergangenheit, die insgesamt nicht ist: auf das Moment des Nichtseins an der Vergangenheit. Zum Begriff des Gesetzes (des Inertialsystems): Verweist nicht die Gesetzesbindung der Verwaltung darauf, daß auch die Verwaltung eine Art Gericht ist: ein Standgericht, das seine Urteile unmittelbar vollstreckt? Die hoheitliche Tätigkeit des Beamten, deren Modell die Tätigkeit der Polizei ist, bezeichnet den Anteil der Verwaltung an einer richtenden Tätigkeit, zu der es in der Regel keine Verteidigungsmöglichkeit mehr gibt. Verwaltungsgerichte sind Revisionsgerichte. Für die einen ist das Recht ein Mittel der Selbsterhaltung, ein Instrument der Berechenbarkeit und Beherrschung gesellschaftlicher Prozesse, für die anderen ist es bloß Schicksal. Durch die Naturschutzmaßnahmen im Mönchbruch werden auch Handlungen als Vergehen definiert, die nicht die Natur, sondern nur die Allmachtsphantasien und das Gesetzesverständnis der Verwaltung berühren. Haben die Israeliten in den Geschichten der Eroberung Kanaans vielleicht erlittene Erfahrungen als eigene Handlungen beschrieben, um so diese Erfahrungen bearbeiten zu können? Ist nicht die ganze Schrift Erinnerungsarbeit (und kein normativer Text)? Sind die „drei Abmessungen“ des Raumes (wie Kant sie nannte) auf die Trinitätslehre versiegelt? Der Staat nimmt die Sünde der Welt hinweg: er erlaubt es seinen Bürgern, ihren Rachetrieb in der Justiz und in den Knästen auszuleben und nimmt die Schuld daran auf sich. So entsühnt er die Welt. Ding und deutsch: Wie hängt die Verdinglichung mit dem Nationalismus (in der Religion: mit dem Fundamentalismus) zusammen? Der Nationalismus ist (wie der Fundamentalismus) ein Schutz vor der Wahrnehmung der logischen Konsequenzen der Verdinglichung: ein Instrument der Verblendung. Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon. Ist dieses Feuer das Symbol des Gegenblicks, das die Formen der Anschauung durchbrechende Element (das Feuer im hebräischen Namen des Himmels)? Und ist dieses Feuer die Verkörperung des „Wer“ (und das Wasser die des „Was“)? Und sind nicht die Formen der Anschauungen die logischen Formen des Deiktischen (der Grund des Heideggerschen „Daseins“)? War die Heinsohnsche Revision der Chronologie nur möglich bei gleichzeitiger Abstraktion von der Bedeutung dieser Revision für die Gegenwart? Das heißt: War sie nur möglich unter den Bedingungen des Konkretismus („Venus-Katastrophe“)? Wie hängt im christlichen Begriff der Liebe das passive, das Ich erweckende und konstituierende Element der Empfindung mit dem aktiven Element der tätigen Liebe (der Barmherzigkeit) zusammen? Liegt nicht dazwischen die Passion und Auferstehung? Zu Ez 412ff: Zu den Attributen der Hölle gehörte in der christlichen Tradition immer auch der Gestank. Der Gestank destruiert und vertreibt die Erinnerung. Haben das Riechen und der Geruch (die göttliche Wahrnehmung der Gebete der Heiligen) etwas mit dem ruach zu tun? Hängt nicht die Beziehung von Kot und Geld mit dieser die Erinnerung destruierenden und vertreibenden Gewalt zusammen? Steckt in der Menschenkot-Stelle bei Ezechiel nicht auch noch die Beziehung zur Geschichte des Opfers: zur Ablösung der Erstgeburt des Menschen durch das Rind (nicht der Armen: die wird ausgelöst durch die Taube, die dann zum Symbol des Heiligen Geistes geworden ist)? Das Exil hat den genealogischen und kollektiven Schuldzusammenhang gesprengt, die Verantwortung individualisiert. Der gesprengte Schuldzusammenhang reproduziert sich im Kontext des „dixi et salvavi animam meam“: Die individualisierte Verantwortung ist auf das Ganze bezogen. Gründet nicht die Kommunikationstheorie in der Trennung der Sprache von ihrer erkennenden Kraft, in der Aufzehrung ihres eigenen Grundes? Das war erst möglich im Banne einer vom Neutrum beherrschten Sprachlogik. Ist nicht die Hegelsche Philosophie, wie an der Dialektik von Herr und Knecht in der Phänomenologie des Geistes nachzuweisen wäre, „kanaanäisch“ (Gen 925)? In der Marxschen Transformation der Hegelschen Dialektik drückt sich das im Paradigma des Tauschprinzips aus. Vergewaltigung: Ist nicht die Orthodoxie (das Dogma, das Bischofsamt und das kirchliche Lehramt) eine Verletzung des Rates der Keuschheit, die auch durchs Zölibat nicht aufzuheben ist?
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4.8.1995
Kelch des göttlichen Zorns, das Inertialsystem oder der Ursprung der indogermanischen Sprachen: Wer sich zum Herrn des Raumes macht, wird zum Objekt der Zeit. Das Perfekt ist keine Qualität des Handelns mehr, sondern eine der Zeit: die „vollendete Vergangenheit“.
Transzendentale Ästhetik: Das Reich der Erscheinungen ist der Inhalt des Kelchs.
Wie der Begriff des Ewigen die Vergangenheit von sich ausschließt, so der des Heiligen die Eigentumsfähigkeit, die Verfügbarkeit, die Beherrschbarkeit. Die Idee des Ewigen konstituiert sich in ihrer Beziehung zur Zeit, die des Heiligen in ihrer Beziehung zum Raum. Deshalb gehört zur Heiligkeit die Umkehr. Heiligkeit hat mit den drei evangelischen Räten, mit Armut, Hören und Keuschheit, zu tun.
Die Heiligung des Gottesnamens ist das Abarbeiten der Ontologie in der Theologie. Die Ontologie bezeichnet das Moment der Selbstreferenz in der Philosophie.
Der Säkularisationsprozeß ist die Geschichte der Entfaltung des Eigentumsprinzips, er ist zugleich die Geschichte der Selbstlegitimation des Bestehenden.
Im Modernisiserungsschub des Faschismus ist der beschränkte Untertanenverstand zum Verwaltungsverstand geworden.
Heidegger hat mit seinem Begriff des „In-der-Welt-Seins“ die Distanz, die Kant mit dem Imperativ, daß der Mensch niemals nur als Mittel, sondern zugleich auch als Zweck zu behandeln sei, bezeichnet hat, endgültig aufgehoben, nivelliert, neutralisiert. Dann aber bleibt in der Tat nur das Vorlaufen in den Tod (das die Eigentlichkeit begründet: den verzweifelten Nachhall dessen, was einmal Würde hieß).
Die Paranoia gründet im Eigentumsprinzip.
Gotteserkenntnis, die Erkenntnis, daß Gott den Himmel aufgespannt und die Erde gegründet hat, schließt die Kritik eines Schöpfungsbegriffs, der den Staat und die Welt an einander bindet, mit ein.
Handel, Banken, Verkehr: Das Trägheitsgesetz wird durchsichtig am Modell der Zirkulation, das Gravitationsgesetz an dem des Kredits.
Wo kommt der Name des „Neuen Testaments“ erstmals vor? Wahrscheinlich (zusammen mit dem Begriff des Erben, der Erbschaft) bei Paulus? Wenn nach Paulus die Christen (als „Kinder Gottes“) „Erben des Reiches“ sind, so werden sie hier in die Passivität der Erwartung gebannt, dem Wort vom Binden und Lösen wird die Grundlage entzogen, das Lösen (oder genauer: jede Alternative zum Binden) wird ausgeschlossen. Das „Neue Testament“ steht unter dem Bann der Vergangenheit. Gründet nicht der Name des „Neuen Testaments“ in der Rezeption des Weltbegriffs?
Was bedeutet Hebr 916f: „Denn wo ein Testament ist, da muß der Tod dessen erfolgen, der es errichtet hat; denn ein Testament ist für den Todesfall fest, weil es keine Kraft hat, solange der lebt, der es errichtet hat“? Heißt das, daß Gott tot ist, oder daß Gott von uns durch eine Todesgrenze getrennt ist?
Die List der Vernunft bezeichnet den projektiven Anteil am Begriff der Erkenntnis und des Wissens: die List der Schuldverschiebung, die die Erkenntnis neutralisiert, sie „objektiv“, „für alle gültig“ macht. Die Idee der Wahrheit aber schließt die Fähigkeit zur Schuldreflexion mit ein (und so, im asymmetrischen Kontext der „Sündenvergebung“, auch das des Bekenntnisses).
Bekenntnis und Sündenvergebung: Nur wer zur Kirche (zur Nation etc.) sich bekennt, wird von der Sünde, nicht dazu zu gehören: von der Sünde der Trennung befreit. In dieser logischen Konstellation (die mit der Entstehung der Großreiche – mit dem Ursprung des Staates – sich bildet und in der Prophetie erstmals reflektiert wird) konstituiert sich der Glaube.
Herrendenken: Das Inertialsystem (Repräsentant des Staats in der Natur) trennt Täter und Opfer in der Katastrophengeschichte, trennt die Verursacher von den Objekten (vgl. die sprachlogische Diffenrenz von Sehen und Hören bei Ezechiel). -
10.7.1995
Die Bekenntnislogik
– ist ein Produkt der Vergesellschaftung von Herrschaft,
– sie instrumentalisiert die Religion, macht sie zur Religion für andere,
– sie verhindert damit apriori die Gotteserkenntnis.
Die Bekenntnislogik und der Weltbegriff begründen sich wechselseitig, zu ihren Ursprungsbedingungen gehören die Unfähigkeit zur Herrschaftskritik und eine rigide Sexualmoral, die die Stelle einnimmt, die die Herrschaftskritik zuvor geräumt hat (Produkt der Umkehrung des Schuldbekenntnisses). Die Bekenntnislogik ist der Kern eines jeden Fundamentalismus.
Die Bekenntnislogik entspringt in der Umkehrung des Schuldbekenntnisses (im Rechtfertigungszwang, in der Apologetik), einem Verfahren der Instrumentalisierung, sie begründet, indem sie das Schuldbekenntnis instrumentalisiert, es reversibel und so technisch beherrschbar macht, das Schuldverschubsystem: An die Stelle des wirklichen Adressaten der Barmherzigkeit oder der Versöhnung: des Armen, des Fremden, des Geschädigten, des Opfers, des „Schuldigers“, tritt eine kollektive Instanz, die Kirche, die Nation, eine Partei, ein Verein.
Die Bekenntnislogik erzeugt (durch Umkehrung der Logik des Schuldbekenntnisses) ihren eigenen Inhalt: Das christliche Dogma (die Opfertheologie, die Christologie und die durch beide definierte Trinitätslehre) ist ihr konsequentester Ausdruck, gleichsam der apriorische Inhalt ihrer transzendentalen Logik.
Das Christentum hat die Bekenntnislogik weder erfunden, noch hervorgebracht; es war ihr erstes, allerdings zugleich auch paradigmatisches Opfer.
Das Substantiv (Grab des gekreuzigten, gestorbenen und begrabenen „Wortes“, Repräsentant der Geschichte des Opfers und Realsymbol der Schuldknechtschaft in der Sprache) oder die Schrift als Spiegel der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen (vgl. Grammatologie, S. 208).
Wenn der Name der heilige Ort ist, dann ist das Substantiv der Greuel am heiligen Ort. (Haben männlich und weiblich etwas mit Begriff und Namen zu tun?)
Hat der „hebräische Sklave“ im Dt und bei Jer etwas mit der „hebräischen Schrift“ zu tun?
Die Dornen und Disteln symbolisieren zusammen mit dem „Gesetz der Profangeschichte“ die Logik der indoeuropäischen Sprachen, der Herrschaftssprache. (Haben nicht auch die Nahrungsgebote einen sprachlogischen Sinn?)
Sprachlogisch begründet die creatio mundi ex nihilo das Gewaltmonopol des Staates, seine „Allmacht“ (die jüdische Religion ist nicht „monotheistisch“, der Monotheismus ist der Erbe der Idolatrie mit universalem Anspruch).
Das Zugrundeliegende ist das Unterworfene (das Objekt der heideggerschen Geworfenheit), es ist reines Substrat von Herrschaft (der Gekreuzigte).
Bieten, beten, bitten: Verbot und Gebot leiten sich her vom Verbieten und Gebieten. Drückt nicht in den Präfixen ein Gestus sich auch?
– Das Präfix ge- bezeichnet den Gestus des Gewährens, des Schenkens;
– be- drückt das Handeln der Welt am Objekt aus: seine Veranderung, seine Verweltlichung;
– ver- ist der Gestus der Vernichtung, der Annihilierung (der „Reinigung“ im Sinne der chemischen Reinigung, der Herstellung von Laborbedingungen, oder auch ihrer gesellschaftlichen Entsprechung: der Subsumtion unter die Verwaltung);
– er-, wie in Erscheinung, Erzeugung, der Gestus des Hervorrufens;
– zer- annihiliert nicht nur, sondern zerstört, zernichtet, zerlegt: es beschreibt das Töten als Produktion von Materie (paradigmatisch ist die Ersetzung des Geistes durchs Gehirn in der herrschenden Sprache, Verkörperungen des zer- sind Institutionen wie Anatomie, Schlachthaus, Konzentrationslager).
Hat nicht die kopernikanische Wende das „prasselnde Feuer“ entzündet, in dem nach dem 2. Petrus-Brief (310) am Ende die Himmel vergehen werden (ist die kantische Philosophie der brennende, die Hegelsche der ausgebrannte Dornbusch)?
Zum Begriff der Blasphemie: Mit den Scheiterhaufen hat das Christentum (als Agent der Welt) den brennenden Dornbusch in eigene Regie übernommen. -
29.6.1995
Umfeld des Begriffs der Wahrheit: wahr, wahrnehmen, bewahren (aufbewahren), bewähren, Währung. Die moderne Definition des Begriffs der Wahrheit (Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand) bindet die Wahrheit an den Begriff des Wissens, an die Urteilsform, an die getrennte Existenz der Außenwelt.
Zur Konstituierung der Außenwelt: Das Problem wird erkennbar im Rückgriff auf das der Konstituierung der Mathematik, die einem Abstraktionsakt sich verdankt, in dem das Subjekt von sich selbst abstrahiert. Der gleiche Abstraktionsprozeß liegt dem Begriff und der Vorstellung einer vom Subjekt unabhägigen Außenwelt zugrunde. Ist nicht die mathematische Abstraktion eine doppelte? Vgl. die „ägyptische“ Geometrie und die „babylonische“ Algebra , die übrigens schon die „Zahl“ 0 enthielt, die die Griechen wieder vergessen mußten, und die über Indien und die Araber (den Islam) erst im Mittelalter nach Europa gekommen ist. Dieser Unterscheidung (von Geometrie und Algebra) liegt die Logik der Innen-Außen-Trennung zugrunde. Und hat nicht auch das Wissen einen doppelten Gegenstand: die Geschichte und die Natur?
Die Sänger im jüdischen Tempel waren kein Kirchenchor, sondern repräsentierten die orale Tradition der Schrift. In welcher Beziehung standen sie zu den späteren „Schreibern“?
„Auf der Flucht erschossen“: Von wem werden die Jogger gejagt? Werden sie nicht von ihren Problemen verfolgt, und am Ende sind nicht ihre Probleme, sondern sie selbst weg?
Jogging ist ein Politiker-, ein Präsidentensport. Erinnert es nicht an die Theorie, daß das Königtum aus dem Opfer hervorgegangen ist?
„To be or not to be“ ist nicht gleichbedeutend mit „Sein oder Nichtsein“, eher schon mit „zu sein oder nicht zu sein“. Die Differenz verweist auf den imperativen Charakter des Infinitivs und auf die Beziehung von Indikativ und Imperativ, auf das Problem des Namens: Der Nominalismus, der den Namen in Schall und Rauch verwandelt, entspringt mit der Trennung von Indikativ und Imperativ (mit dem Ursprung des Objektbegriffs); er gründet in der Entfernung des Imperativs aus dem Namen, seiner Übersetzung in den Indikativ.
Die ontologische Rückverwandlung des Indikativs in einen Imperativ, die dem Naturbegriff zugrunde liegt, (die Rückverwandlung des Handelns in ein naturhaftes, subjektloses Geschehen, auf das das Subjekt keinen Einfluß mehr hat, das ohne sein Zutun sich vollzieht, dem es bloß zuschaut, an dem es „unschuldig“ ist, m.e.W. die Rückverwandlung des Handelns in den Vollzug der Seinshörigkeit, des blinden Gehorsams) ist faschistisch.
Bei Hegel ist das Subjekt, als welches die Substanz der Welt in ihrer logischen Explikation sich erweist, der Staat, bei Heidegger, bei dem diese Explikation zum fundamentalontologischen kurzen Prozeß des Seins verkommt, das Volk.
Joh 129, oder die Opfertheologie und das Nachfolgegebot: Die Differenz zwischen Ontologie und Ethik als prima philosophia ist die Differenz zwischen einem Weltgeschehen, das ohne mein Zutun sich vollzieht, dem ich als unschuldiger Zuschauer bloß beiwohne, und einer Welt, in der das Leiden, das sie produziert, in die Verantwortung aller fällt. Hier liegt der Grund der Gottesfurcht, die der Anfang der Weisheit ist. Der Fluchtpunkt der christlichen Furcht vor der Gottesfurcht war die Opfertheologie, die Neutralisierung und Instrumentalisierung des Kreuzestodes.
Nach der jüdischen Tradition werden Sünden wider den Nächsten am Versöhnungstag nicht vergeben, nur Sünden gegen Gott. Der Weltbegriff hat die Sünde wider den Nächsten in sich mit aufgenommen und so universalisiert: Hierauf bezieht sich die neutestamentliche „Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden kann“. Die Sünde der Welt in Joh 129 ist der im Weltbegriff verkörperte Inbegriff der Sünde wider den Nächsten, die auch nach jüdischer Tradition durch Gott nicht vergeben werden kann (sondern nur durch Versöhnung mit dem Nächsten). Diese Sünde hat das Lamm Gottes nicht hinweg-, sondern auf sich genommen. Damit aber verschiebt sich ihr theologischer Sinn von der Opfertheologie ins Nachfolgegebot.
Steckt nicht die ganze Theologie in der sprachlogischen Beziehung von Imperativ und Indikativ?
Der Kelch ist das Symbol der Schrift, deren logische Grundlage sind die subjektiven Formen der Anschauung, die Grammatik ist das Produkt ihrer „organischen“ Ausgestaltung. Deshalb ist die „Erfüllung“ der Schrift von der des Wortes zu unterscheiden: Diese ist durch Umkehr auf jene bezogen. Die Schrift ist logozentrisch, das Wort wird erfüllt in der Heiligung des Gottesnamens. -
14.6.1995
Die Blinden und die Lahmen: Gibt es nicht ein Erblinden und Erlahmen durch die Theologie?
Hängt Joh 129 zusammen mit der Antwort Jesu auf die Frage des Täufers, ob er es sei, der da kommen soll, und bezieht sich das in den Evangelien (Mt 33) auf Johannes bezogene Prophetenwort (Jes 403): „die Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet seine Straßen gerade“, auf die Johannes-Apokalypse?
Gehört es nicht zum Begriff der Moderne, daß sie die „Wilden“ erfunden hat?
Der Garant der transzendentalen Logik ist das transzendentale Subjekte, das die Distanz zum Objekt herstellt, durch die es in den herrschaftsgeschichtlichen Prozeß verflochten ist: seine Einheit. Es ist kein Zufall, daß die Philosophie auf ihrer Spitze, in Hegels Logik und Staatsphilosophie, zur Selbstbegründung des Nationalismus geworden ist.
Bezeichnet nicht der Name der Basilika den unter den Bedingungen des Hellenismus säkularisierten, auf den König anstatt auf den nationalen Gott bezogenen Tempel (die Handels-, Bank-, Gerichts- und Versammlungsstätte)?
Die subjektiven Formen der Anschauung konstituieren das Objekt, und sie trennen den Namen, den sie zugleich depotenzieren, vom Begriff.
Die Person ist der Statthalter des Namens unter den Bedingungen des Staates (des Rechts).
Zu den Confessiones des Augustinus: Der Vater und die Geliebte bleiben namenlos, während die Mutter und der Sohn mit Namen genannt werden.
Ich und Du: Im Deutschen wird zwischen Antlitz und Angesicht unterschieden. Worin liegt der Unterschied, und ist dieser Unterschied nicht in der deutschen Sprachlogik (in ihrer Verarbeitung der christlichen Tradition) begründet? Bezeichnet nicht das Antlitz das Entgegenblickende, das Angesicht das Angesehene?
Zur Frage des Maimonides (ob nicht der Messias, wenn er am Ende erscheinen wird, das Antlitz dessen tragen wird, der schon einmal dagewesen ist) gibt es auch noch eine dritte Möglichkeit: Es könnte sein, daß der, der am Ende kommen wird, das gleiche Gesicht haben wird wie der, der im Stall geboren und am Kreuze hingerichtet worden ist; aber werden wir ihn wiedererkennen? Vgl. hierzu Theodor Haeckers Bemerkung über die Evangelien, in denen das Aussehen Jesu nicht überliefert wird, und den Zusammenhang dieser Bemerkung mit der unmittelbar nachfolgenden Verwechslung des Israeliten mit dem Hebräer. Ist nicht die Ikonographie Jesu, sein in der Kunst überliefertes Aussehen, selber schon ein Produkt der Theologie hinter dem Rücken Gottes, und ist dieses Antlitz nicht schon Ausdruck des kirchlichen Antisemitismus?
Was findet sich im Personalausweis und auf Fahndungsfotos: das Antlitz oder das Angesicht? (Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Kruzifix und dem Fahndungsfoto?)
Politische Theologie leistet keinen Beitrag zur Institutionenlehre, zur Begründung der Organisation des Staates. Politische Theologie ist Herrschaftskritik.
Der deutsche Schöpfungsbegriff hat die Welt insgesamt in den Kelch transponiert. Heideggers Dasein als In-der-Welt-Sein, Produkt des Vorlaufens in den Tod, ist der genaueste Ausdruck davon.
Ist nicht Heideggers Eigentlichkeit ein letzter Nachhall von Hegels Bewußtsein der Freiheit, das selber schon den Hinweis darauf mit einschließt, daß hier das Subjekt zum Opfer seiner eigenen List der Vernunft geworden ist? Hegels Bewußtsein der Freiheit ist Ausdruck der tiefsten Verzweiflung, der Heidegger mit seinem Begriff der Eigentlichkeit noch einen positiven Sinn abzugewinnen versucht: den Sinn von Sein. Die Eigentlichkeit hängt mit dem Sinn von Sein auch insofern zusammen, als sie daran erinnert, daß die Subjektqualität an die Funktion des Urteilens gebunden ist, dessen Kern die Kopula, das Sein, ist. Aber Eigentlichkeit konstituiert sich nur, wenn zugleich verdrängt wird, daß der Urteilende das Urteil auch über sich selbst aufrichtet, selber zum Objekt des Urteils wird (Ableitung der Schicksalsidee aus der Urteilsform). Wenn Kants erhabene Nüchternheit gegen den ontologischen Gottesbeweis an der Differenz zwischen dem realen und einem bloß gedachten Vermögen festhält, so rührt Kant damit an die im Weltbegriff selber verankerte Beziehung des Infinitivs Sein zum Possessivpronomen der dritten Person singular, männlich, das ebenfalls durch das Wort „Sein“ ausgedrückt wird.
Lassen sich nicht die Bemerkung aus der Dialektik der Aufklärung, daß „jedes Tier an ein abgründiges Unglück (erinnert), das in der Urzeit sich ereignet hat“, und der darauf bezogene Wunsch, „daß der Mensch, der durch Vergangenes mit ihm eins ist, den erlösenden Spruch findet und durch ihn das steinerne Herz der Unendlichkeit am Ende erweicht“ (Neupublikation 1969, S. 264), die ohnehin an prophetische Zusammenhänge erinnern, auf das apokalyptische Tier, auf die Kirche (das steinerne Herz der Welt) und auf das Wort vom Binden und Lösen beziehen?
Wenn man sieht, daß ein Kind in den Brunnen fällt, bedarf es keiner Autorität, die einem sagt, was zu tun ist. Aber gibt es nicht auch den andern Fall, daß einer in den Abgrund geschaut hat, in den nicht mehr nur ein Kind fällt, dem vielmehr die Welt, die ihn aus sich selbst erzeugt, zurast: Sind die Konsequenzen dann nicht ebenso zwingend und spontan wie im Falle des Kindes und des Brunnens? Ist es dann nicht ebenso wichtig, die Mechanik dieses Vorgangs zu studieren in der absurden Hoffnung, vielleicht doch noch die Stelle zu finden, an der ein Eingreifen möglich ist?
Die kopernikanische Wende hat die Voraussetzungen für den Kapitalismus geschaffen, sie hat den Weg freigemacht.
„Die Distanz des Subjekts zum Objekt, Voraussetzung der Abstraktion, gründet in der Distanz zur Sache, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt.“ (Dialektik der Aufklärung, 1969, S. 19) -
13.6.1995
Die Wahrheit des Dezisionismus ist das Bewußtsein des ungeheuren Gewaltpotentials, das der Zivilisationsprozeß erzeugt hat.
Mit dem Begriff der Intersubjektivität ist schon eine apriorische Vorentscheidung getroffen, die innerhalb der Philosophie nicht sich rückgängig machen läßt.
Intersubjektivität entscheidet den Hegelschen Satz „Das Eine ist das Andere des Anderen“ zugunsten des Anderen, bringt das Eine zum Verschwinden. Ins Deutsche übersetzt heißt Intersubjektivität: Anpassung an die Welt, wie sie nun einmal ist. Das eröffnet dann den Spielraum fürs „Experimentieren“, tastet aber die Maschine nicht mehr an.
Der Begriff der intersubjektiven Vernunft verletzt das Verbot, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen.
Philosophie und Projektion: Es stimmt, daß wir nur das erkennen, was wir in die Dinge hineinprojizieren (und der Begriff der Intersubjektivität sanktioniert diese Projektion, die eine kollektive ist). Nur daß wir im Prozeß dieser Projektion den eigenen blinden Fleck herausarbeiten, dessen Reflexion dann die Philosophie wäre. Die Hegelsche Philosophie (Hegels Logik) ist dieser gleichsam entfaltete und durchorganisierte blinde Fleck.
Zu Metz: Die „Verweltlichung der Welt“, das ist die Entfaltung des blinden Flecks.
Kann es sein, daß die memoria passionis mit dem Gebot der Feindesliebe konvergiert? Oder umgekehrt: Ist nicht das Gebot der Feindesliebe der Hebel, mit dessen Hilfe Moderne und Religion gemeinsam auszuhebeln wären, damit beide sich erfüllen? Was in der Verweltlichung der Welt sich herausarbeitet, ist der „Feind“, in dem wir uns selbst (unser eigenes Angesicht) erkennen. In diesen Zusammenhang gehört das Wort vom Greuel der Verwüstung am heiligen Ort. – Ist nicht die Aufklärung der Feind, in dem die Kirche sich selbst erkennen würde, wenn sie aus dem eigenen blinden Fleck heraustritt? Und ist nicht Religion selber heute der Greuel der Verwüstung am heiligen Ort?
Die memoria passionis gewinnt konkrete Gestalt erst im Kontext des parakletischen Denkens. Und der Universalimus kommt zu sich selber in dem Satz, daß am Ende Gotteserkenntnis die Erde erfüllen wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken (zusammen mit dem Jeremias-Wort, daß keiner den Andern mehr belehren wird, weil alle Gott erkennen).
Hat Hegel nicht, als er die Antinomien der reinen Vernunft aus der transzendentalen Ästhetik in die Logik transponierte, die transzendentale Ästhetik erst recht unangreifbar und undurchschaubar gemacht?
Warum gibt es in der ganzen Adorno-Schule niemand, der einen Kommentar zu Hegels Logik schreibt? Das Potential, das den Bann hätte lösen können, war da.
Der Titel des Werks von Hermann Cohen „Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“ ist bis heute uneingelöst. – Vgl. insbesondere die Bemerkung Cohens, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, die Emmanuel Levinas dann so verschärft hat: Die Attribute Gottes stehen im Imperativ, nicht im Indikativ. Hierin liegt das Programm der Gotteserkenntnis, der Grund der Unterscheidung von Gebot und Gesetz und die Dekonstruktion des Begriffs der Intersubjektivität (die das Subjekt zum Objekt seiner eigenen Formen der Anschauung macht).
Das Angesicht ist eine logische Konstruktion: die Grenze, an der die Logik sinnlich wird.
Der Begriff ist ein Totengedenken und Hegels Philosophie ein Heldenfriedhof (und Heideggers „Vorlaufen in den Tod“ ein Versuch, selber noch einen Platz auf diesem Heldenfriedhof zu erhalten). Aber wäre nicht dieses Totengedenken aufzusprengen, in ihm die Kraft des Namens wiederzuerwecken, denn Gott ist kein Gott der Toten (und: Laßt die Toten ihre Toten begraben).
Der Mörfelder Wald ist durchsetzt von Erinnerungen an die Startbahn-Auseinandersetzungen, in denen kommunikatives Handeln durch Schlagstock und Wasserwerfer erfahren werden konnte.
Die Habermassche Theorie des kommunikativen Handelns hat das hilflose Postulat des gewaltfreien Diskurses an die Stelle der Reflexion der Gewalt gesetzt: Sie hat der eingreifenden Argumentation entsagt und, ohne es noch zu bemerken, ihr Vertrauen in die Kräfte des sich selbst regulierenden Marktes, die selber eine der Quellen der Gewalt ist, gesetzt.
Als der Studentenprotest aus der Öffentlichkeit herausgeprügelt worden ist, ist die raf in die Studentenbewegung hineingeprügelt worden.
Es gehört zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, wenn es nicht gelungen ist, Derrida’s unverschämte Benjamin-Kritik öffentlichkeitswirksam zu destruieren.
Wäre nicht die Frage von Maimonides, ob nicht der Messias, wenn er am Ende erscheinen wird, das Antlitz dessen tragen wird, der schon einmal da gewesen ist, auch in die christliche Theologie mit aufzunehmen: Muß Christus, wenn er wiederkommen wird, notwendig das Antlitz dessen tragen, der im Stall geboren wurde und am Kreuze starb?
Theologie im Angesicht Gottes wäre nicht mehr religiös, sondern politisch.
Der Name der Theologie wäre zu retten, wenn der Logos die Erinnerung an den Begriff in sich tilgen und die Kraft des Namens in sich wachrufen würde. Schwieriger wäre es mit dem Namen der Philosophie: Hier wäre aus der Sophia das Abgeklärte zu entfernen.
Die Fähigkeit zur Reflexion der Gewalt hängt auf eine sehr merkwürdige Weise mit der Fähigkeit zur Reflexion der subjektiven Formen der Anschauung zusammen: Die subjektiven Formen der Anschauung erbringen (gemeinsam mit dem Weltbegriff) eine Vorleistung, deren Reflexion die der Gewalt überhaupt erst ermöglicht.
In dem Augenblick, als man den Raum durch das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen in ihm definierte, als man ihn gegen die Zeit verselbständigte, zusammen mit der Geometrisierung des Raumes, wurde die Idee der Umkehr destruiert. Über diese Logik hängen Orthogonalität und Orthodoxie mit einander zusammen.
Zur Geschichte der Scham (zu ihrer Ursprungsgeschichte im Sündenfall) gehören auch die Benennung der Tiere durch Adam und die Erschaffung der Eva. Gehört nicht der Tierkreis zur Benennung der Tiere durch Adam, das Planetensystem zur Vertreibung aus dem Paradies und zum Cherub mit dem kreisenden Flammenschwert? -
28.5.1995
Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt: Dieses Präsens ist zweideutig; es kann sowohl eine vergangene, abgeschlossene Handlung bezeichnen (den Kreuzestod: das Opfer, in dem die Schrift sich erfüllte) als auch eine zukünftige, noch ausstehende Tat (die Wiederkunft: die Erfüllung des Worts). Das Präsens ist indifferent gegen Vergangenheit und Zukunft, es ist indifferent gegen Imperfekt und Perfekt. Die gleiche Logik gilt für den Begriff des Faktums, der Tatsache, für den die Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft unerheblich geworden: in einem allgemeinen Zeitbegriff untergegangen ist.
Haben Rind und Esel etwas mit Imperfekt und Perfekt zu tun, und wird das Verbot des gemeinsamen Pflügens durch die indoeuropäische Grammatik (durch das Neutrum und durch veränderten Formen der Konjugation) verletzt?
Synthetische Urteile apriori sind Produkte eines selbstreferentiellen Beweises, gleichsam des institutionalisierten falschen Zeugnisses. Die Nichtunterscheidbarkeit von Joch und Last (die Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden) ist der Grund dieser logischen Selbstreferenz.
„Das wesentliche Gebet“ von Henri Bremond beschreibt das technische Konzept und die technische Entwicklung der Exkulpationsautomatik. Das „Wirkenlassen“, die Gelassenheit, das, was Heidegger später das Seinlassen nennt, produziert den Mechanismus, mit dessen Hilfe das Subjekt aus der Welt sich herausstiehlt (indem es die Welt zum bloßen – subjektunabhängigen – Geschehen neutralisiert). Indem es so dem Schuldzusammenhang der Welt glaubt entrinnen zu können, verstrickt es sich in ihn. Die Techniken der Nichtwahrnehmung, der Verdrängung der Schuld sind keine Techniken der Befreiung von Schuld. Sie produzieren nur ein (somit falsches) Bewußtsein der Freiheit von Schuld. Diese Mystik ist eine Mystik der Desensibilisierung, sie schließt sich nicht zufällig an die Trinitätslehre an.
War nicht die Sakramentenlehre ein Versuch, unterm Bann des Weltbegriffs die Erinnerung an die Schöpfung, die der Weltbegriff leugnet, zu rekonstruieren? Vermittelt wurde diese Rekonstruktion durch die Idee des Opfers (der Entsühnung der Welt). Auch für die Sakramentenlehre gilt das Wort: Barmherzigkeit, nicht Opfer.
Aus welchem Anlaß und in welchem Zusammenhang sagt Jesus zu Petrus: Noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen? Alle Stellen nach dem letzten Abendmahl; Mt, Mk und Lk auf dem Wege zum Ölberg, Joh vor den Abschiedsreden.
– Mt 2630ff: … gingen sie hinaus zum Ölberg. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet in dieser Nacht alle an mir Anstoß nehmen; denn es steht geschrieben: „Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen“ (Sach 137). Wenn ich aber auferweckt worden bin, werde ich euch nach Galiläa vorangehen. Da antwortete Petrus und sagte zu ihm: Wenn alle an dir Anstoß nehmen, werde ich doch niemals an dir Anstoß nehmen. Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.. Petrus sagt zu ihm: Auch wenn ich mit dir sterben müßte, werde ich dich nicht verleugnen. Ebenso sagten auch alle Jünger.
– Mk 1426ff: im wesentlichen wie Mt (nur: ehe der Hahn zweimal kräht).
– Lk 2231ff: Simon, Simon, siehe der Satan hat sich euch ausgebeten, um euch im Sieb zu schütteln wie den Weizen; ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre; und du, wenn du dich einst bekehrt hast, stärke deine Brüder! Er aber sagte zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Da sprach er: Ich sage dir, Petrus: Der Hahn wird heute nicht krähen, bis du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen.
– Joh 1336ff: Simon Petrus sagte zu ihm: wohin gehst du? Jesus antwortete: Wohin ich gehe, dahin kannst du mir jetzt nicht folgen, du wirst aber später folgen. Petrus sagte zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich hingeben. Jesus antwortet: Dein Leben willst du für mich hingeben? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen,bis du mich dreimal verleugnet hast.
Wenn es zu Joh 129 keine Alternative mehr geben wird, wird das Schuldverschubsystem tödlich.
Selbstaufklärung der transzendentalen Logik: Der Bekenntnisbegriff (der selber aus der Idolatrie, aus der Tempelreligion, hervorgegangen ist) war die Urgestalt der subjektiven Formen der Anschauung.
Nicht Saul und nicht David, sondern erst Salomon hat dem Namen des Herrn ein Haus gebaut.
Wird nicht der Bosnienkonflikt langsam zu einem Lehrstück, an dem die letzte Phase der Herrschaftsgeschichte sich ablesen läßt: Exempel eines Staatsterrorismus, gegen den die traditionellen Machtmittel der Staatengemeinschaft hilflos und unwirksam sind, und das nicht zuletzt deshalb, weil die Phantasie der Politiker und Militärs, von der eigentlich die Lösung zu erwarten wäre, blockiert ist durch Komplizenschaft. Vom Vietnam- bis zum Golfkrieg haben die darin verwickelten Mächte nach den gleichen Prinzipien gehandelt, gegen die sie jetzt ohnmächtig sind, weil diese Prinzipien ihre eigene Vorstellungskraft und ihre Phantasie blockieren. Der Schlauheit und dem Scharfsinn der faschistischen Gemeinheit hat die gemeine Dumpfheit des administrativen Gewaltmonopols nichts mehr entgegenzusetzen. Der Erfolg gegen Saddam Hussein war der Erfolg einer Dampfwalze gegen einen Wüstenfuchs. Alle übrigen Erfolge, wie in Grenada oder auf den Falkland-Inseln, waren Ergebnisse von Verwaltungsaktionen, Erfolge gegen einen Gegner, der zum Widerstand nicht fähig war (wie in der Bundesrepublik die „Erfolge“ gegen Ausländer und Asylanten).
Erschreckend der Zynismus der Medien, die, nachdem sie im Innern ihre Fähigkeit und Bereitschaft zur kritischen Begleitung der Politik aufgegeben, der konzentrierten Gewalt der Verwaltung, zu der Politik zu degenerieren droht, keine Phantasie und keinen Gedanken mehr entgegenzusetzen haben, daraus den Schluß ziehen: Wenn man gegen Karadzicz, der zivile Einrichtungen bombardiert und UNO-Soldaten als Geiseln nimmt, nichts mehr machen kann, muß er wohl Recht haben. Und die UNO hat Unrecht, nicht weil ihr zu den Gemeinheiten nichts mehr einfällt, sondern weil sie ohnmächtig ist und keinen Erfolg hat. Es läßt sich aus der Logik der Information begründen, wenn Erfolg und Recht Synonyme geworden sind. Läßt es sich nicht mittlerweile an der berufsspezifischen Grammatik von Journalisten ablesen, daß die Presse nur noch an Meinungen, nicht aber mehr an eine in die Politik eingreifende kritische Öffentlichkeit glaubt? Dieser Zynismus ist das Spiegelbild des Zynismus der Politiker, die Politik von Verwaltung nicht mehr unterscheiden können, und deshalb unfähig, ihn beim Namen zu nennen.
Die Schlange ist sowohl eine sprachgeschichtliches als auch ein herrschaftsgeschichtliches Symbol (Symbol des gemeinsamen Ursprungs des Neutrums und des Staates). Ließe sich nicht heute an den Medien die Bedeutung des Satzes demonstrieren: Auf dem Bauche sollst du kriechen und Staub sollst du fressen? Gründet die „Klugheit der Schlange“ nicht darin, daß sie – anders als die Tiere sonst – nicht bloß den Schuldzusammenhang verkörpert, sondern zugleich auch die Abstraktion davon (den Schuldzusammenhang zusammen mit der Exkulpationsautomatik)?29.5.1995
Schuldzusammenhang: Der Begriff des Anderen ist eine weltkonstituierende Systemkategorie. Jeder ist für Andere ein Anderer. Das rechtliche Pendant des Anderen ist die Person (definiert durch Schuldfähigkeit: durch Eigentumsfähigkeit und Zurechenbarkeit ihrer Handlungen).
„Haas des Mordes bezichtigt“ (Überschrift einer Meldung in der FR vom 27.5.): Nicht bezichtigt, denn auch der Bundesanwalt unterstellt nicht, sie habe einen Mord begangen, sondern nur angeklagt: Ihr wird ein Mord angelastet, den ein anderer an einem Ort, an dem sie selbst nicht gewesen ist, begangen hat, im Zusammenhang mit einer Tat, an deren Vorbereitung sie möglicherweise mitgewirkt hat. Wirft diese Anklage nicht die Frage der Kollektivschuld wieder auf: Hat nicht ein ganzes Volk an der Vorbereitung und militärischen Absicherung des millionenfachen industriellen Judenmords durch die größte terroristische Vereinigung, die es je in diesem Land gegeben hat, und deren Mitglieder die meisten waren, mitgewirkt? Und hat nicht eine ganze Richtergeneration, die sich nie dafür hat verantworten müssen, wenn nicht durch aktive Teilnahme, so doch durch Nichtverfolgung dieses Verbrechens mitschuldig gemacht?
„Dadurch, daß man sich nicht um das kümmert, was in der Seele eines anderen vor sich geht, wird man wohl nicht so leicht unglücklich; wer aber nicht mit aller Aufmerksamkeit den Bewegungen der eigenen Seele folgt, muß notwendig unglücklich werden.“ (Marc Aurel: Selbstbetrachtungen, II,8) Wirft dieser Satz – Ausdruck der Sorge um das eigene Seelenheil, das durch die Probleme der anderen sich nicht irritieren lassen will – nicht ein Licht auf den Problemkreis, dem auch der Ursprung des Christentums sich verdankt? Wird hier mit der Paranoia nicht zugleich auch die Barmherzigkeit verworfen? Ließe die Idee der Ataraxia (Urbild der Souveränität des Herrschers) nicht als der Versuch sich bestimmen, vom Mitleid nicht überwältigt zu werden, ohne der Paranoia zu verfallen? – „Mit aller Aufmerksamkeit den Bewegungen der eigenen Seele folgen“: Definition der (männlichen) Selbstbeherrschung (die das Tier im eigenen Innern: im Trieb, in der „sinnlichen“ Begierde, erkennt, und den Versucher in den den Trieb hervorrufenden Sinnesreizen: in den Frauen).
Unterm Bann der Paranoia erscheint Barmherzigkeit als Hysterie.
Das Inertialsystem und die Sünde der Welt: Im historischen Objektivationsprozeß (mit der Verweltlichung der Welt) verändert sich der Bereich dessen, was ohne unser Zutun geschieht, und dem wir nur als Zuschauer noch beiwohnen. Die letzte Phase dieser profanen Entrückung wurde eingeläutet mit der Erfindung des Fernsehens, das unseren aktiven Anteil an der Welt unwiderruflich von dem theoretischen (dem unserm Zuschauen präsenten) Anteil getrennt hat. Wir sind zu Zuschauern unseres eigenen Lebens geworden, das aber um den Preis, daß unser Leben nicht mehr von uns, sondern von der Welt gelebt wird. Die Welt ist zum handelnden Subjekt unseres Tuns geworden (Hegel: die Substanz ist zum Subjekt geworden), und wir zu ohnmächtigen, gespannt zuschauenden Voyeuren. Unser Handeln ist zu einem Passivum geworden, unser letztes Aktivum ist das Zuschauen, mit dem der moralische Tod unser Leben ergriffen hat. Die Akte der Empörung, der letzten Form der Anteilnahme an der vom Fernsehen präsentierten Welt, vermögen das Leben, das aktive Eingreifen in die Katatrophe, nicht zu ersetzen. Die Empörung (lange schon eingeübt im Gerede, im Geschwätz) ersetzt das Handeln durchs Urteil (die Barmherzigkeit durchs strenge Gericht). Vorgebildet ist diese reallogische Konstruktion in einer Theologie, die seit langem schon zur Theologie hinter dem Rücken Gottes geworden ist (hängt nicht das Fernsehen mit der Trinitätslehre, mit der Opfertheologie und mit der Vergöttlichung Jesu zusammen?).
Die Bekenntnislogik ist die Logik der Ästhetisierung der Theologie (Rosenzweigs Frage, „ob Künstler selig werden können“, gilt auch für Theologen).
Hat die Trennung von Handeln und Zuschauen (die in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit gründet) etwas mit der Unterscheidung des Tieres vom Lande vom Tier aus dem Wasser zu tun?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie