Heinsohn

  • 20.1.1997

    Apokalypse:
    – Pseudepigraphie als Versuch, die Welt durch die Augen des Andern zu sehen; säkularisiert als Fälschung (Pseudo-Dionysius, isidorische Fälschung, das Problem Karl d.Gr. etc.), schließlich als Roman.
    – Modell: Der Traum des Nebukadnezar.
    – Ist das Namensproblem der Evangelien (und in ihm das Problem der Väter) ein apokalyptisches (mit Saulus/Paulus als doppelte Epigraphie: Simon von Kyrene und Sergius Paulus)?
    – Kontext: Ursprung des Weltbegriffs (des Staates und der Zivilisation: Bedeutung Babylons).
    – Naturbegriff: Vätertheologie und Neukonstituierung des Christentums (irisches Christentum: die Flucht nach Tarschisch), das Problem des Johannes Scottus Eriugena.
    – Satan, Schlange und Dämonologie: Das grammatische Problem und der Ursprung der Bekenntnislogik.
    – Apokalypse und Sprache: Gibt es eine hebräische Apokalypse, sind nicht alle Apokalypsen griechische, syrische, äthiopische etc. (selbst Daniel ist im Kern aramäisch)?
    – Verweist das Chronologie-Problem (die Verfälschung/Korrektur der altorientalischen Geschichte: „Die Sumerer gab es nicht“, die historische Bibelkritik und der Antisemitismus) auf eine Apokalypse-Vermeidungsstragie?
    – Scholastischer Universalismus, die Irrwege der Theologie; Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.
    Wer die Apokalypse als ein sprachlogisches und sprachhistorisches Problem begreift, begreift das Problem des Namens.
    Sind nicht die Namen in den Evangelien Zitate, angefangen von Joschua, über Joseph und Mirjam, Sacharja und Jochanan, Schimon, Juda, aber auch Andreas, Philippus?
    Zum Namen:
    – Wann (und weshalb) spricht Jesus von sich in der dritten Person („der Menschensohn“ – vgl. auch die Antwort an den Täufer)?
    – Was hat es mit dem „Namen, den niemand kennt als der ihn empfängt (als er selbst)“ (Off 217, 1912) auf sich?
    – Daniel und die anderen jungen Männer erhalten in Babylon andere Namen.
    Die Einladung der Vögel des Himmels zum großen Gottesmahl, die Aufforderung, das Fleisch der Könige, das Fleisch der Kriegsobersten, das Fleisch der Starken, das Fleisch der Pferde und derer, die darauf sitzen, und das Fleisch aller Freien und Sklaven und Kleinen und Großen zu fressen, drückt aufs deutlichste die Beziehung von Fleischessen und Hierarchie aus. Zugleich bezeichnet es einen sprachlogischen Sachverhalt: das Ende des Komparativs (ist nicht der Raum, alles mathematisch Meßbare und dann dessen Inbegriff: das Inertialsystem, ein Produkt des hypostasierten Komparativs, des Wie, das den Himmel verzehrt?).
    Hat nicht die Scholastik über das Verfahren der Analogie den Superlativ in die Theologie mit aufgenommen, damit den Grund aller Hierarchien in die Theologie verlegt, und war das nicht die Grundlage der Sakramentenlehre?
    Der Satz „Gott ist barmherzig“ ist eins mit dem Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht. Und das hat etwas zu tun mit dem Stellenwert der Unerkennbarkeit der Dinge an sich in der kantischen Philosophie. Nur die Barmherzigkeit rührt ans An sich der Dinge. Hierin gründet der schärfste Einwand gegen die Geheimdienste (deren Ziel die Feinderkenntnis, das Gegenteil der Barmherzigkeit, ist).
    Läßt nicht die Astrologie als die vollständige Versammlung der Objekte sich begreifen, in denen der Faschismus sich selbst überlebt? Und lassen sich nicht alle diese Objekte an ihrer Feindbildlogik, an dem Gemisch von Rechtfertigungszwängen, Abwehrmechanismen und Projektionen erkennen? Und sind nicht alle Objekte Zwillingsgestalten, Produkte eines Feindbild-Clinchs?
    Ist nicht das Feindbild das wirksamste Instrument der Rechtfertigung?
    Summa contra gentiles: Die Scholastik hat das Barbaren-Paradigma in der Theologie rekonstruiert: im Namen der Heiden, aus denen dann die Wilden hervorgegangen sind.
    Ist nicht die Sexualmoral ein Produkt der Metaphorik, das dann im Herrschaftsinteresse (und im Kontext des Ursprungs des Weltbegriffs, in dem das Herrschaftsinteresse sich objektivierte) fundamentalistisch mißverstanden worden ist?
    Dummheit und Projektion: In den „überwundenen“ Stufen der Vergangenheit spiegelt sich nur die Dummheit der Gegenwart.
    Ist das Neutrum die verdinglichte Außenseite der Projektion (die cartesische „Ausdehnung“)?
    Hat nicht die Allgemeine Relativitätstheorie etwas mit Heinsohns Geldtheorie zu tun, mit dem Paradigma der Schuldknechtschaft, und die spezielle Relativitätstheorie etwas mit dem des Tauschparadigmas?

  • 19.09.1996

    Sind wir nicht selber Opfer der gleichen Verurteilungslogik, die wir zur Selbstentlastung auf andere anwenden, ohne sie zu durchschauen?
    Das Zeichen des Jonas: Ist nicht das Christentum die Flucht nach Tarschisch und die Kirche das Fluchtschiff?
    Empfindlichkeit und Sensibilität: Wer anderen Empfindlichkeit vorwirft, ist unsensibel. Es gibt keine unmittelbaren Empfindungen (außer der des Schmerzes), jede Empfindung ist in sich selbst vermittelt. Die Empfindung setzt die Abstraktion von dem, was sie begründen soll, von der sinnlichen Erfahrung, deren Außer-Kraft-Setzung, voraus (aus den Empfindungen läßt die sinnliche Wahrnehmung ebenso wenig sich rekonstruieren wie das Licht aus den Maxwellschen Gleichungen). Das gilt auch für den erkenntnistheoretischen Gebrauch dieses Begriffs, der zusammen mit den modernen Naturwissenschaften entstanden ist. Empfindlichkeit ist ein Reflex der Ohnmacht gegen das Urteil der anderen („Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten, daß sie nackt waren“); sie ist ein Reflex der Ohnmacht gegen die Gemeinheit, die das Urteil nach außen (auf das Objekt, über das es ergeht, ohne daß es fähig wäre, in diesem Urteil sich selbst wiederzuerkennen) ausstrahlt. In der Empfindung, die selbst blind, ohne Erkenntniskraft ist, erfährt sich das Subjekt als Objekt, als Ding unter Dingen. Die Empfindung ist der Reflex des mechanischen Stoßes im Subjekt (der Begriff verhält sich zum logischen Objekt wie der Stoß zum mechanischen Objekt).
    Jak 520: Der Grund der Auferstehung Jesu liegt in Maria Magdalena, die er von den sieben unreinen Geistern befreite (nicht in Petrus, der ihn dreimal verleugnete).
    In der Ursprungsgeschichte des Symbolums hat die Kirche das Evangelium in ein System von Pflichten transformiert. Mit dem Symbolum ist auch der Glaube in Pflicht mit hereingenommen worden (und so in dem spezifisch christlichen Sinne zum Glauben überhaupt erst geworden).
    Hat das Hören etwas mit der Gravitation und das Sehen mit der Mechanik und der Elektrodynamik (als Repräsentanten der Unmittelbarkeit und der Reflexion) zugleich zu tun (ist die Gravitation das Produkt der Abstraktion vom Hören, die Mechanik und die Elektrodynamik das der Abstraktion vom Sehen)? – Nach dem Fall gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
    Nackte Tatsachen: Das Objekt der Gemeinheit ist nackt.
    Die 120 000, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, und soviel Vieh: Ist das nicht das Bild des Sünders, mit dessen Bekehrung vom Weg des Irrtums man die eigene Seele vom Tod errettet? Hat nicht Gott, als er Ninives sich erbarmte, sich selbst gerettet?
    Zu Ebach: Nicht Knüpfungen, sondern Lösungen? Verbleibt nicht „Kassandra und Jona“ im Kontext des durchschlagenen Knotens?
    Die kantischen Antinomien der reinen Vernunft rühren an die Gottesnamen, auf die dem Sohar zufolge die sechs Richtungen des Raumes versiegelt sind.
    Menetekel: Kant hat gegen die Antinomien der reinen Vernunft nur die Hoffnung gesetzt (und mit Recht im Hinblick auf ihre Auflösung zu leicht befunden), den einzigen Grund der Hoffnung aber aus dem Blick verloren: die Barmherzigkeit. Haben ihn die subjektiven Formen der Anschauung geblendet?
    Allein im Kontext des letzten Satzes aus dem Jakobusbriefes läßt die Gnadenlehre sich verständlich machen. Gibt nicht der Jakobusbrief, den Luther verworfen hat, die Antwort auf seine Frage: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“? Jeder andere Gnadenbegriff ist autoritär und führt in eine politische Theologie, in der am Ende Staat und Kirche nicht mehr sich unterscheiden lassen. Aber der Kirchenstaat ist ebenso falsch wie die Staatskirche (ist nicht heute die Gefahr der Staatskirche größer als die eines Kirchenstaats, insbesondere nachdem Staat und Ökonomie ihre eigene Theologie entwickelt haben, gegen die die orthodoxe Tradition der Theologie als zusehends ohnmächtiger sich erweist?).
    Ist nicht die Ökonomie das Tier aus dem Wasser und der Staat das Tier vom Lande (der falsche Prophet), und ergänzend: repräsentiert nicht die Ökonomie die Natur und der Staat die Welt?
    Vgl. hierzu den paulinischen Naturbegriff, wonach
    – „die Natur selbst (uns lehrt), daß, wenn ein Mann lange Haare trägt, es eine Schmach für ihn ist, wenn aber eine Frau lange Haare trägt, es eine Ehre für sie ist“ (1 Kor 1114f), oder
    – wenn er Heiden „von Natur Unbeschnittene“ nennt (Röm 227).
    Rührt nicht diese Assoziation von Natur und Konvention an die logischen Wurzeln des Naturbegriffs?
    Die Geschichte der nachkantischen Systeme des deutschen Idealismus ist die Geschichte der Wendung der Kritik ins Affirmative.
    Mit Kopernikus wurde die Orthodoxie in die Orthogonalität (aus der sie einmal hervorgegangen ist) zurückgenommen: Das Inertialsystem ist die letzte, sich selbst begründende Gestalt des Dogmas.
    Die Geschichte der drei Leugnungen sprengt den Bann der Identität, dem auch die Bekenntnislogik noch unterliegt.
    Die subjektiven Formen der Anschauung (und in ihrer Folge das Inertialsystem) suspendieren die Schuldreflexion: Haben sich nicht im Faschismus die Energien in einer Explosion entladen, die zur Verdrängung der Schuldgefühle gebraucht wurden (kann es sein, daß es in der Alten Welt eine ähnliche gesellschaftliche Naturkatastrophe gegeben hat, der die Heinsohn-Gruppe heute eine reale Naturkatastrophe substituieren möchte)? Läßt sich nicht der Faschismus als das Produkt eines übermächtigen Rechtfertigungszwangs begreifen, des Triebs, um jeden Preis den öffentlichen Schein des guten Gewissens hervorzubringen, und sei es über die Vernichtung derer, in denen man glaubte, die Urheber aller Schuldgefühle zu erkennen, der Juden?
    Die Eltern ehren heißt nicht, ein gutes Bild von ihnen haben, sie um jeden Preis rechtfertigen, sondern es heißt, ihnen die Ehre zu geben, sie auch dort noch zu verstehen, wo sie uns verletzt haben; sie nicht zu verurteilen, dabei jedoch auch die Schrecken der Kindheit nicht zu verdrängen.

  • 11.7.96

    Zur den Krankheiten, von denen vor allem kirchliche Autoren befallen sind, gehört der von der Bekenntnislogik nicht abzulösende apologetische Ton (aber warum und wodurch unterscheiden sich Karl Thieme und Kornelis H. Miskotte, die doch beide auf Rosenzweig sich beziehen? Liegt der Grund dafür, daß Thieme gänzlich unapologetisch schreibt, darin, daß er Laientheologe war?). Bei der Verkündigung der Geburt des Johannes ist der Adressat der Vater, Zacharias, nicht Elisabeth, und der Ort ist der Tempel (Lk 15ff); bei der Verkündigung der Geburt Jesu ist Maria die Adressatin, nicht Josef (dem dann die Engel im Traum erscheinen); der Ort dieser Verkündigung ist „eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazareth“ (Lk 126ff). Die einzige Stelle, an der der Name Josefs im Kontext des öffentlichen Wirkens Jesu erscheint, ist die bei dem öffentlichen Auftritt Jesu in Nazareth, wo die Leute fragen: Ist das nicht der Sohn des Josef (Mt: der Sohn des Zimmermanns; Mk: der Zimmermann, der Sohn der Maria). Bei Lk sind es dann die gleichen Leute, die ihn steinigen wollten (Lk 416ff). Greuel der Verwüstung: Wenn Heinsohn/Steiger den Begriff des Privateigentums durch den des Eigentums ersetzt sehen möchten, müßte das nicht Konsequenzen haben im Hinblick auf ihre Stellung zur Politik der Privatisierung von Unternehmen und Einrichtungen der öffentlichen Hand? Oder drückt sich darin nur die Einsicht aus, daß diese „Privatisierung“ in Wirklichkeit keine ist, sondern eine Form der Vergesellschaftung, bei der die Verantwortung ins Funktionale gerückt, und d.h. aufgehoben wird? Seit es in den entscheidenden Bereichen der Wirtschaft keine „Unternehmer“ mehr gibt, deren Tätigkeit durch die „Unternehmensführung“, durch ein Verwaltungsmanagement, ersetzt wurde, handelt nur noch das Wertgesetz als Vollstrecker der Imperative des Marktes. „Verantwortlich“ ist die Geschäftsführung allein den „Eigentümern“, die weder zur Produktion noch zu den Produzenten noch eine Beziehung haben, statt dessen nur noch das eine Interesse, daß die Rechnung stimmt. Das Eigentum, dessen Verwaltung ans Management delegiert wird, ist in der Tat kein Privateigentum mehr, sondern nur noch das Eigentum anderer (die Verschmelzung des Eigentumsbegriffs mit dem Weltbegriff). Die „Privatisierung“ von Betrieben der öffentlichen Hand ist nur ein weiterer Beleg dafür, daß die Politik in wachsendem Maße sich aus der Verantwortung stiehlt, nicht nur immer mehr Aufgaben an die Zwillinge der Multis, die transnationalen Verwaltungen delegiert, sondern zugleich selber zur bloßen Verwaltung der in diesen Formen des Eigentums verkörperten „objektiven“ Interessen (der Imperative des Marktes) degeneriert. Mit der heute sich durchsetzenden Form des Eigentums wird der kantischen Bemerkung, daß die Achtung vor dem Gelde aus der Vorstellung herrührt, was man damit alles machen könne, die Grundlage entzogen: Mit dem Eigentum anderer, einem gleichsam ontologisierten, „harten“ Eigentum, kann man nichts mehr machen: hier wird das Possessivpronomen der männlichen dritten Person singular zum Ausdruck der Universalität des Eigentums der Anderen, zum Äquivalent des Infinitivs „Sein“. Das ist der wirkliche Grund der gegenwärtigen „Sparpolitik“, die ihre apriorischen Objekte am „weichen“ Eigentum derer findet, die ihr Eigentum nur fürs Überleben, nicht aber mehr für seine würdigeren Aufgaben nutzen: als verpfändbares und belastbares Eigentum Grund der Geldschöpfung (oder müßte es „Gelderzeugung“ heißen?) zu sein. Wenn das Weltgericht das Jüngste Gericht ist, dann sind die Eigentümer die Richtenden und die Geretteten zugleich, während die bloß Besitzenden im Fegefeuer sich befinden und die Armen in der Hölle. Gibt es in der Schrift Hinweise auf die Trennung von Besitz und Eigentum, oder ist diese Trennung das Werk der Moderne, Grund der Trennung von Ding und Sache? Gehören zu den Gefühlen der Lust, die Kant zur Grundlage seiner ästhetischen Theorie, seiner Theorie des Schönen, macht, nicht auch die Sexuallust, die Urteilslust und die Mordlust? Bezog sich die Vorstellung, daß zur richtigen Gesellschaft vielleicht auch ein paar Unternehmer als Haustiere gehören könnten, nicht eigentlich auf den Staat, dessen Domestikation immer noch aussteht? Die Welt ist der Inbegriff jener Äußerlichkeit, die im Eigentumsprinzip gründet. Verweist das Wort Einsteins: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit; aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher“, nicht auf einen realen Zusammenhang? Hat die Vorstellung des unendlichen Raumes nicht in der Tat den Grund für eine Dummheit gelegt, von der das Attribut der Unendlichkeit nicht mehr zu trennen ist? Läßt sich das Verhältnis des einen zu den sieben anderen Geistern an dem Verhältnis des Eigentums zu seinen Denominationen demonstrieren? Zur Logik von Kants „Gefühl der Lust“: Die Lustgrenze ist die Feuergrenze (vgl. 1 Joh 216: das Wort von der Fleischeslust, Augenlust und Hoffahrt des Lebens, die nicht vom Vater, sondern von der Welt stammen; außer der Sexuallust gibt es die Urteilslust und die Mordlust, außerdem den Machttrieb). Sind die Planeten Verkörperungen der Lust? Zu den Denominationen der Hegelschen Logik gehören: die Geschichte, die Kunst, die Religion, die Philosophie, das Recht, die Natur, der Geist. Jede Verurteilung gründet in und partizipiert an der Eigentumslogik. Begriffe sind die Duftmarken des Hundes, der Eigentum heißt. Ist es nicht ein tiefer logischer Instinkt, der Hunden die Namen der Caesaren gibt (insbesondere Caesar und Nero)? Paul Celan hat Ende April 1970 in Paris, Jean Amery am 17. Okt. 1978 in Salzburg, Primo Levi am 11. April 1987 in Turin Selbstmord begangen.

  • 9.7.96

    Das liberum arbitrium hängt mit den Freiheitsgraden des Raumes so zusammen wie die Reflexion mit der Abstraktion. Es setzt an die Stelle die Freiheit, die der Reflexion sich verdankt, die Freiheit, die die Abstraktion verspricht; die Beziehung beider ist durchs Opfer vermittelt, auf dessen Geschichte sie zurückweist. Der Preis der Abstraktion ist das Opfer der Vernunft. Die Vorstellung des unendlichen Raumes ist das Produkt des vollendeten Opfers. Der Begriff ist das Opfer des Worts an die Idee des Absoluten. Deshalb hängt die Entdeckung des Begriffs mit der Entdeckung der Orthogonalität, der Winkelgeometrie, zusammen.
    Die Vergegenständlichung der Zeit, die die Sprachlogik der indoeuropäischen Sprachen einmal begründete, ist das Prinzip der Abstraktion. Ihr praktischer Grund war die Konstituierung des Eigentums. Hat die Zeitvorstellung zusammen mit dem Zins sich gebildet? Der Atheismus heute gründet in der Unfähigkeit, den Bann der Logik des Eigentums durch Reflexion zu brechen.
    Die Vorstellung einer unendlichen Zeit, Produkt ihrer Vergegenständlichung und Reflex der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, ist das subjektive Apriori der gegenständlichen Erkenntnis. Im Bann dieser Erkenntnis gilt, daß ER kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Ist die so rapide sich ausbreitende Furcht vor Einbrechern nicht ein apokalyptisches Zeichen?
    Menschenfischer: Das Feindbild ist der Köder, mit dem der Kapitalismus seine Gegner fängt. Über das Feindbild und über die Mechanismen der Empörung (des schnellen Zorns) gerät man in eine subjektive Verfassung, in der man, ohne es zu wissen und auch, wenn man es nicht will, das Geschäft der anderen Seite betreibt. Logischer (und objektiver) Ausdruck dieser „subjektiven Verfassung“ ist der Weltbegriff.
    Mit der Beziehung zur Zeit hängt es zusammen, wenn das Weltgericht nicht mit dem Jüngsten Gericht verwechselt werden darf. Wenn es ein Jüngstes Gericht gibt, wird es das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht sein. Gnadenlos ist das Weltgericht durch die Objektivierung der Zeit.
    Der Faschismus hatte Recht, wenn er sich auf die indogermanische Tradition berief: Im Faschismus ist das barbarische Potential des Abstraktionsschrittes, dem die Logik der indoeuropäischen Sprachen sich verdankt, explodiert. Das erste Opfer dieser Explosion waren nicht zufällig die Juden, die die andere, verdrängte Tradition verkörperten: der Antisemitismus war der Zündsatz des Faschismus.
    Nach dem Holocaust kann man zwar kein Jude mehr werden, notwendig und überfällig aber ist die Rückbesinnung auf ihre Tradition, die die eigene Tradition des Christentums ist, allerdings eines Christentums, das den Hahnenschrei vernommen hat und endlich aus dem Schlaf, in den es seit Getsemane versunken ist, erwacht. Erinnert nicht Reinhold Schneiders Satz „Allein den Betern kann es noch gelingenen …“ an die Aufforderung, die Jesus in Getsemane an die Jünger richtete, als er sie schlafend fand: „Wacht und betet, daß ihr nicht in Versuchung fallt“?
    Zu Getsemane: Wenn die Todesangst Jesu messianische Qualität hat, dann kann sie sich nicht (oder jedenfalls nicht nur) auf den eigenen Tod, sondern muß sich zugleich auf die Herrschaft des Todes in der Welt beziehen. Da aber stellt sich eine wahrhaft ungeheuerliche Beziehung zum Symbol des Kelches her, der genau diese Herrschaft des Todes repräsentiert.
    Hat das Christentum nicht seit je die Fleischwerdung des Wortes mit seiner Wiederkunft verwechselt, hat es nicht so getan, als hätten Kreuz und Aufertehung schon das geleistet, was erst die Wiederkunft leisten wird? Eben damit aber ist das Christentum selber der Versuchung der Welt zum Opfer gefallen. – Oder war auch diese Opferfalle noch providentiell, ein Teil des Opfers, das eben nicht schon alles geleistet hat?
    Erst wenn die Gestalt der Unsterblichkeits- und Auferstehungshoffnung, die sich aus dem Selbsterhaltungsprinzip herleitet, verbrannt ist, wird die Wahrheit hervortreten. – „Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.“
    Der Begriff der trägen Masse, der Materie, ist der Reflex des Eigentumsbegriffs in der Natur, mehr noch: Der Eigentumsbegriff konstituiert den Begriff der Natur (Naturschutz ist Eigentumsschutz). Das Dogma reflektiert den logischen Schritt, mit dem die physis in die natura und der kosmos in den mundus transformiert wurde.
    Wenn Kant Raum und Zeit als subjektive Formen der Anschauung begriffen hat, so wäre das heute zu ergänzen: Die Subjektivität der subjektiven Formen der Anschauung ist in sich selber gesellschaftlich vermittelt, sie ist eine gesellschaftliche Subjektivität, die Reflexion des Andern im Subjekt. Insoweit, nämlich als gesellschaftliche, sind die subjektiven Formen der Anschauung zugleich auch objektiv.
    Der Vergesellschaftungsprozeß ist in der Struktur der Raumvorstellung selber nachvollziehbar. Den drei Abstraktionsschritten, in denen der Raum als subjektive Form der Anschauung sich konstituiert, korrespondieren die drei ökonomischen Abstraktionsschritte, denen Polanyi zufolge die Konstituierung der Eigentumsgesellschaft sich verdankt: die Verwandlung von Grund und Boden, der Arbeit und des Geldes in Waren, in Objekte des Tauschprinzips. Es ist der Begriff des Eigentums, der in diesem Prozeß sich entfaltet, der zugleich die Außenwelt konstituiert, die Äußerlichkeit der Dinge außer uns, deren Formgesetz dann in der Form des Raumes sich entfaltet. Insofern ist die kopernikanische Wende, die die Vorstellung des unendlichen Raumes, der nichts mehr außer sich hat, begründet, das kosmologische Korrelat einer restlos vom Tauschprinzip durchdrungenen Welt.
    Es müßte eigentlich nachweisbar sein, daß das Steigen der Grundstückspreise im Nachkriegsdeutschland zusammenhängt mit der Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Banken (vgl. den Hinweis auf die ostasiatischen Länder <S. 109f> und insbesondere auf Japan <S. 234> bei Heinsohn/Steiger). Haben sich hier nicht die Banken selber die Grundlage für die Ausweitung ihres Kreditvolumens geschaffen?
    Ist der Fall Schneider, wenn er denn wirklich ein Opfer seiner Banken sein sollte, ein Beleg dafür, daß es heute möglich ist, das Erwischtwerden durch die Tat selber auszuschließen (vgl. Lyotards Reflexionen zum „absoluten Verbrechen“)?
    Gibt es eigentlich eine spezielle Affinität
    – der Banken zum Grundstücksgeschäft,
    – der Produktion zum Spekulationsgeschäft und
    – des Staates zum Arbeitsmarkt, dem ersten Objekt seiner „Spar“-Maßnahmen?
    Sind nicht die Banken, die Wirtschaft und der Staat die „natürlichen“ Repräsentanten dieser spekulativen Formen der Eigentumsbearbeitung? (Zum Zusammenhang mit den drei Abstraktionsschritten, die den Kapitalismus begründen: die Überführung des Grund und Bodens, der Arbeit und des Geldes in veräußerbare, tauschbare Handelsware, vgl. Polyani.)
    „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“: Ist der Rosenzweigsche Satz, daß Gott die Welt, nicht die Religion erschaffen hat, eine Folge seiner Staatsphilosophie?
    Die Verteidigung des Eigentums, als dessen institutionelle Verkörperung der Staat sich begreift, ist die zentrale Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die mit dem Eigentum eigentlich die universelle Geltung des Tauschprinzips, die „gesellschaftliche Ordnung“, nach innen (wie das Militär das Eigentum selber nach außen) verteidigt und schützt. Ist nicht die Institution des Eigentums der logische Kern des anklagenden („satanischen“) wie auch des verwirrenden („teuflischen“) Prinzips, das seit Babylon in den großen Imperien sich verkörpert, mit deren Ursprung auch die Gestalt und der Name des Anklägers (sh. Hiob) sich gebildet hat? Ist nicht der Teufel wie auch der Satan in den Evangelien der Repräsentant des weltlichen Reiches?
    Das Recht stellt bei der Schuldzuweisung (beim „Urteil“) auf das Wissen und die Absicht der Person (des Angeklagten) ab. Vor diesem Hintergrund ist der Links-Terrorismus das absolute Verbrechen, während Auschwitz eine Naturkatastrophe war. Fürs Recht ist die Unterscheidung einfach: Die Linke weiß, was sie tut, die Rechte weiß nicht, was sie tut.
    Der Fehler des „realexistierenden Sozialismus“, der heute bei den Umweltschutzgruppen sich zu wiederholen scheint, lag darin, daß er glaubte, die Kritik der Ökonomie von der Kritik der Verwaltung (von der Kritik der Macht, deren technische Organisation der Verwaltung obliegt) trennen zu können, die Verwaltung als eine „neutrales“ Instrument anzusehen. Die Kritik der Verwaltung hätte von dem Satz auszugehen: Alle tun ihre Pflicht, aber keiner weiß, was er tut. Die Verwaltung ist das Schuldverschubsystem des Staatsapparats; und das scheint eine ihre Hauptaufgaben zu sein: sie deckt in der Tat eine Menge Sünden zu und wartet auf einen gnädigen Gott.
    Wie hängt die Aufblähung der Verwaltung mit der Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Banken zusammen; erinnert die Beziehung beider nicht an die Beziehung von Blähungen und Verdauung, und rührt daher die heute verbreitete Neigung zur analen Metaphorik (vgl. Freuds Bemerkung über die Beziehung des Geldes zur analen Metaphorik: „der Teufel scheißt auf den größten Haufen“)?
    Ist nicht die Logik selber das Rattennest der Widersprüche, und die alternative wie insbesondere die Punk-Szene der ebenso hilflose wie selbstzerstörerische Versuch, metaphorisch die Wahrheit der Welt zu verkörpern, sie sichtbar zu machen, die Ratte zu domestizieren, ein unüberhörbarer Aufschrei, in dieser Realsymbolik das Wesen dieser Welt endlich zu begreifen? Anders kommen sie nicht davon los, die Logik dieser Welt symbolisch auszuagieren. Auch die deutsche Wirklichkeit hat ihre Slums, mitten in den Familien, sichtbar auf den Straßen unserer Städte.
    Die Geschichte der Verdrängung, die im Weltbegriff sich gründet, hat einen Punkt erreicht, an dem es auch um die Lösung des Problems der Symbollogik geht, an dem es nicht mehr nur um das Verhältnis von Marx und Freud, sondern zugleich um die Beziehung beider zu Einstein geht.
    Das Mathematische bei Einstein ist nur ein Hilfsmittel der Kritik des Logischen. Das logische Problem wird kenntlich, wenn man das Inertialsystem als ein Referenzsystem begreift, das in der speziellen Relativitätstheorie als ein selbstreferentielles System sich erweist: Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird eine empirische, meßbare Größe zu einem Strukturelement des gleichen Systems, durch das diese Größe selber überhaupt erst sich definiert.
    Ist die Welt die „babylonische Gefangenschaft“?
    Besteht nicht die Sünde wider den Heiligen Geist in der Umkehrung der Beziehung von Anklage und Verteidigung, in dem Versuch, diese Beziehung, die ein asymmetrische ist, reversibel zu machen, die dann unweigerlich auf die Verteidung der Herrschaft hinausläuft, und ist das nicht die Verführung des Staates (die, im Falle des absehbaren Erfolgs, die Pforten der Hölle schließen würde)? Hier ist der Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat, auf den jedoch auch der Satz sich bezieht: Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein (nur wer Himmel und Erde durch den Weltbegriff ersetzt, kann aus diesem Satz die Ohrenbeichte deduzieren).

  • 8.7.96

    Worauf Heinsohn/Steiger überhaupt nicht eingehen, das ist die staatliche Begründung und Organisation des Eigentums, der Zusammenhang des Ursprungs des Eigentums mit dem des Staats.
    Der Eigentümer, der nur noch an der „Verteidigung des Eigentums“ interessiert ist, instrumentalisiert die Welt, die nur so zur „Welt“ wird. In diesem Kontext der entspringt der Naturbegriff: als Inbegriff der Objektseite der Welt, des besiegten und unterworfenen Feindes.
    Ist die Miete nicht die Umkehrung des im Schuldverhältnis gründenden Zinses: Der Eigentümer verzichtet nicht auf seine Eigentumsrechte (wie bei der Beleihung im Falle eines Kredits), sondern auf seine Nutzungsrechte. Befristet übertragen wird nicht ein Eigentumsanrecht, sondern werden die Besitzrechte. Die Miete (wie auch die Pacht) ist der Zins für die Nutzung fremden Eigentums.
    Sind Eigentum und Besitz nicht Begriffe, die sich nicht abstrakt nur trennen lassen, die sich vielmehr in einander reflektieren (wie Zins und Miete)?
    Wie harmlos, oder wie idyllisch und katastrophisch zugleich wird es, wenn Heinsohn und Steiger auf das Problem der Beziehung von Tausch- und Gebrauchswert zu sprechen kommen. Hier bleibt der Gebrauchswert im Bann des Tauschwerts, alles andere wird ausgeblendet. Der Markt (die in Geld sich definierende Nachfrage, nicht die Lebensbedürfnisse der Menschen) entscheidet darüber, ob ein Gebrauchswert ein Tauschwert ist. Die Verteidiger des Eigentums sind an den Nebenwirkungen des Eigentums nicht interessiert.
    Heinsohn hat insoweit recht, als das Tauschparadigma in Herrschaftskritik terminiert; und indem er das Tauschparadigma „widerlegt“, glaubt er auch das Herrschaftsproblem (zwar nicht gelöst, wohl aber) beseitigt, aus dem Blick gerückt zu haben. Man sieht’s nicht mehr. Ist hier nicht der Punkt, an dem der Objektivierungsprozeß umschlägt in den Prozeß der Subjektivierung von Kritik zur bloßen Meinung? – Implizit ist damit auch (wie vorher schon für die Naturwissenschaft, so in ihrer Folge auch für die Philosophie) Kant erledigt, die Erinnerung an seine Vernunftkritik gelöscht.
    Das Problem der Herrschaftskritik ist durchs Eigentumsparadigma nicht erledigt, nur auf seine Wurzel zurückgeführt: Eigentum ist der Naturgrund der Herrschaft.
    Wodurch unterscheidet sich im Kontext der Eigentumslogik die Geschäftsführung von der Lohnarbeit? Gründet die Geschäftsführung, das Management, in einem Mietverhältnis (in dem Nutzungsrechte an Sachen delegiert, und nicht – wie im Fall der Lohnarbeit – Nutzungsrechte an der eigenen Person übertragen werden)? (noch nicht klar)
    Hängt die Unterscheidung von Eigentum und Besitz mit der von Welt und Natur (Begriff und Objekt, Tausch- und Gebrauchswert) zusammen? Ist die Ursprungsstunde des Eigentums die des Begriffs (des „Seins“)? Ist die Ontologie der „innere Begriff“ des Eigentums, die Idee einer „Eigentumswirtschaft“ gleichsam die Fundamentalontologie der politischen Ökonomie: wird hier nicht das Possessivpronomen der männlichen dritten Person („sein“) zur Kopula (die Unterscheidung von Eigentum und Besitz spiegelt sich bei Heidegger in der von Vorhandenem und Zuhandenem, aber auch in der von Eigentlichem und Uneigentlichem)?
    Ist nicht der letzte Satz in dem letzten der „idealtypischen Kernsätze“ zur Eigentumswirtschaft ebenso dunkel wie erschreckend, wonach es „eine Politik (braucht), deren Radikalität den historischen Sternstunden (sic!) der Schaffung von Eigentum nicht nachsteht“ (Heinsohn/Steiger, S. 445)? Wenn Heinsohn von „Sternstunden“ spricht, liegt die Assoziation der „Venuskatastrophe“ nahe. Paßt nicht überhaupt der Konkretismus seiner Theorie der altorientalischen Geschichte zu seiner „Eigentumstheorie“? Auch diese Theorie ist zwar nicht dunkel, sondern außerordentlich stringent, darum aber in der Sache nicht weniger erschreckend; nur scheint er nicht zu realisieren, auf was das, was er beschreibt, hinausläuft. In seiner Rekonstruktion der alten Geschichte projiziert er eine gesellschaftliche Naturkatastrophe an den Himmel.
    Will Heinsohn mit dem oben zitierten Satz andeuten, daß die Radikalität der Politik, die notwendig wäre, Opfer fordern wird, die den Opfern der Ursprungsgeschichte des Eigentums nicht nachstehen? Hat das nicht etwas mit dem Glück des Wissens, des Rechtbehaltens zu tun, das seinen Bestand am Untergang derer, die dieses Wissen nicht teilen wollen, findet? Und ist das nicht heute eine der gefährlichsten Verführungen? Wenn das Buch Jona nur diese Verführung kenntlich gemacht hat, so ist damit seine Aufnahme in den Kanon der prophetischen Bücher gerechtfertigt.
    Die sieben unreinen Geister sind gegenüber dem einen Geist die sieben anderen Geister (in dem letzten Satz S. 445 sucht der eine unreine Geist die sieben anderen: hier wird’s astrologisch).
    Bezeichnend die Neigung Heinsohns zu monokausalen Ableitungen, zur Eindimensionalität, die zwar den Nerv trifft, nicht aber die Wahrheit. Das gilt sowohl für die „Venus-Katastrophe“, wie auch für seine Antisemitismus- und Auschwitz-Theorie und nicht zuletzt für diese Eigentumstheorie. Manche Passagen bei Heinsohn erinnern an das Halali nach einer erfolgreichen Jagd; ähnlich führt er die erlegte Beute vor, die als dunkler Hintergrund sein eigenes, siegendes Konzept nur umso strahlender aufleuchten läßt. Nur: Ist er sicher, daß er nicht gelegentlich auch Treiber und harmlose Spaziergänger mit erlegt? Auch Nimrod, der Erbauer der „großen Stadt“ war ein „gewaltiger Jäger vor dem Herrn“.
    Gibt es nicht neben dem „monetären“ und den „realen Schocks“ (vgl. S. 387f) noch den Theorie-Schock, vor dem er selbst zurückschreckt? Ist der Fehler Heinsohns (und nicht nur Heinsohns) nicht ein ausgesprochener Theorie-Fehler, nämlich der des Zuschauers, der vergißt, daß er selber in die Vorgänge, denen er glaubt entspannt zuschauen zu können, verstrickt ist?
    Wäre nicht Kants Begriff der Aufklärung, das Heraustreten aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, heute zu verschärfen: nämlich in das Ziel der Selbstbefreiung aus dem selbstverschuldeten Wahn? Und liefert dazu nicht die Heinsohnsche „Eigentumsgesellschaft“ wichtiges Anschauungsmaterial? Bezeichnet nicht der Eigentumsbegriff die Wurzel (wie der Herrschaft, so auch) des Wahns, aber eine objektive, existierende, nicht eine, die durch einen Gesinnungswechsel oder einen Wechsel der Anschauungen zu eliminieren wäre? Ein Beleg für den Satz, daß, wer das Unkraut vor der Zeit ausreißt, den Weizen mit ausreißt? Ist das Eigentum ein Oberbegriff für Weizen und Unkraut zugleich?
    Ist der Eigentumsbegriff nicht eine Erläuterung zu jener Definition der Welt, die Wittgenstein zufolge alles ist, was der Fall ist? Und verweist auf die Eigentumsverführung vielleicht die eine der Verführungen Jesu in der Wüste, sich von der Zinne des Tempels zu stürzen?
    Verkörpert der Prophet Hananja, der sich Jeremias entgegenstellte, nicht das hellenistische Element in der jüdischen Tradition, wenn er gegen Jeremias glaubte, das babylonische Joch, das ein eisernes war, kein hölzernes, zerbrechen zu können? Dieses Zerbrechen des Jochs war das Werk der Philosophie, Symbol der individuellen Befreiung in einer unbefreiten Welt, es war Schein.
    Sind die Propheten nicht auch nach ihrem Namen zu unterscheiden: die, deren Name auf -ja endet (wie Jeremia, Sacharja u.ä.), von denen, deren Name auf -el endet (wie Ezechiel, Daniel und Joel)? Hat diese Unterscheidung etwas mit Babylon, mit dem Ursprung des Weltbegriffs, mit der Ursprungsgeschichte der Apokalypse zu tun?
    Übertragen auf die Naturwissenschaften würde das Heinsohnsche Eigentums-Konzept auf die Forderung hinauslaufen, das Trägheitsgesetz (die Mechanik) aus der Gravitation abzuleiten, während genau hier der Akt der Umkehr sich bestimmen ließe: Abzuleiten wäre die Mikrophysik aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.
    Das Eigentumsprinzip benennt das Prinzip, aus dem in der Ökonomie der Vorrang der Vergangenheit herrührt; das Eigentum ist ebenso unaufhebbar wie die Vergangenheit (und wie die Natur). Das Konzept der Venus-Katastrophe ersetzt und verhindert die Suche nach dem gemeinsamen Ursprung von Astronomie und Staat und nach der gemeinsamen Logik beider, es setzt sie nur voraus. An die Stelle historischer Konkretion tritt der Konkretismus einer Naturkatastrophe, der den geschichtlichen Schuldzusammenhang ausblendet, ins Irrationale verschiebt.
    Griechenland und Rom: Alexander war ein Schüler des Aristoteles. In Rom waren die Philosophen Schüler der Caesaren. In dieser Konstellation gründet das christliche Dogma, so ist es zu einer Station (oder auch Durchgangsphase) in der Geschichte der Philosophie geworden. Der letzte Philosoph der römischen Geschichte war Augustinus, der in seinem Namen als Kaiser-Schüler sich bekannte.
    Eigentum, das aus dem Verwertungsprozeß, dem ökonomischen Prozeß herausfällt, ist Abfall oder herrenloses Gut. Ist das nicht eine reale Erfahrung in weiten Teilen der heute nachwachsenden Generation? Und sind nicht zentrale Erscheinungsformen in der Jugendszene, von der Musik über die Frisur bis zur Kleidung, Ausdruck dieser Erfahrung (zur Punk-Szene gehört die obligatorische Ratte, das Abfall-Tier).
    Die Eigentumstheorie ist eine Exkulpationstheorie, die Materialisierung der Befreiung vom Rechtfertigungszwang, in den sie zugleich alle verstrickt. Die Schuld wird unsichtbar, wenn sie zum Absoluten wird.

  • 7.7.96

    Hat die Eigentumstheorie Heinsohns etwas mit der Erforschung der Tiefen des Satans in der Apokalypse zu tun?
    Zu Prinzip der „Verteidigung des Eigentums“ gehören die Diebstahl- und Einbruchsängste, gehört das Bild einer Wolfswelt, deren Ordnung durch Gewalt sicherzustellen ist, gehören Hunde, während zum Prinzip der Anerkennung des Eigentums eine Welt gehört, die durch gegenseitige Achtung sich bestimmt. Die Ambivalenz des Eigentumsbegriffs gründet in der Dichotomie zwischen mir und dem Andern.
    Der apokalyptische Topos, wonach die Zeit des Antichrist das Gesicht einer Hundes tragen wird, hängt mit Eigentumsbegriff zusammen. Die „Verteidigung des Eigentums“ scheut das Licht, das Eigentum ist etwas, was man (wie die Sexualiät) verbergen muß. Hunde und Skinheads ertragen den Blick des Andern nicht, aber sie koitieren öffentlich.
    Der hündische Zwang, überall Duftmarken zu setzen, scheint etwas mit dem Eigentumsbegriff zu tun zu haben.
    Ist nicht die Eigentumswirtschaft in ihrer praktischen Realität eine Besitzwirtschaft? Die Eigentümer sieht man nicht mehr, sie sind die unsichtbaren Götter. Wer die Verfügungsgewalt über sein Eigentum an andere delegiert, setzt auf deren Komplizenschaft, möchte sich selbst die Hände nicht mehr schmutzig machen.
    Ist das der „Greuel am heiligen Ort“, daß die Eigentümer den Himmel zu ihrem Thron und die Erde zum Schemel ihrer Füße gemacht haben? Und hat nicht das kopernikanische System (mit der Vorstellung des „unendlichen Raumes“) den Himmel, aus dem es den Gott vertrieben hat, zum Thron der Eigentümer gemacht?
    Sind Insekten elektromagnetische Tiere, Inertialsystem-Tiere? Und kann es sein, daß Beelzebub, der „Herr der Fliegen“, etwas mit dem mikrophysikalischen Herrschaftskonzept (mit der atomaren Technik) zu tun hat?
    Gibt es eine Beziehung der Einheit des Reiches in der Geschichte vom Beelzebub mit der Einheit des Ortes, an dem die Wasser sich sammeln sollen.
    In dem Wort von dem „einen Ort“ ist das Eine kein unbestimmter Artikel, sondern eine Zahlbestimmung, und die kabbalistische Anmerkung hierzu ist sprachlich determiniert. Das Mißverständnis rührt daher, daß es, wie es scheint, den unbestimmten Artikel, der ein Subsumtionsverhältnis anzeigt, im Hebräischen (allerdings auch im Griechischen und Lateinischen) nicht gibt. Im Griechischen und Lateinischen gibt es wohl die Beziehung des Einen zum Andern, die aber das Nomen noch unberührt läßt, das erst durch den unbestimmten Artikel in diese Logik mit hereingezogen (und damit zum Substantiv) wird. Das ontologische Prinzip „Unum et verum convertuntur“ begründet (durch die Vermittlung des bonum, das im Eigentumsprinzip gründet) die Herrschaft des Beelzebub.
    Der unbestimmte Artikel reflektiert das Anderssein des Einen, er setzt den Weltbegriff voraus. Ist die Frage nach dem Ursprung des unbestimmten Artikels nicht eine sprachgeschichtliche Schlüsselfrage, mit deren Hilfe die sprachlogische Funktion und der Stellenwert des Neutrum sich bestimmen läßt?
    In allen modernen Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch) gibt es den unbestimmten Artikel (die sprachliche Form der Subsumtionsbeziehung); in all diesen Sprachen konvergiert der unbestimmte Artikel mit dem Begriff des Einen, nur im Englischen ist er davon unterschieden (Unterscheidung von a und one).
    Fundamentalontologie: Das Eigentum ist die metaphysische Wurzel des Besitzes. Ist es nicht eine Funktion des oikos, des Hauses?
    Die Begriffsbildung läuft über das Verfahren der Objektivierung: der Unterwerfung und Beherrschung von Feinden (Modell der Objekte).
    Erst wenn die Theologie sich von ihrem philosophischen Erbe, vom Einverständnis mit dem Tod (mit der Vergangenheit des Vergangenen) befreit, befreit sie sich selber, wird sie aus einer Theologie hinter dem Rücken zu einer Theologie im Angesicht Gottes (werden die Apostel aus dem Schlaf von Getsemane geweckt).
    In folgenden Situationen sind in den Evangelien die drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes mit dabei:
    – bei der Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk 129 parr),
    – bei der Heilung der Tochter des Synagogenvorstehers (Mk 537 parr),
    – auf dem Berg der Verklärung (Mt 171 parr) und
    – in Getsemane (Mt 2637 parr).
    Diese drei sind nicht identisch mit den von Paulus so genannten „drei Säulen“ (zu denen der „Herrenbruder“ <nach Karl Thieme identisch mit dem „kleinen“ Jakobus, mit Jakobus Alphäus>, nicht der Zebedäussohn Jakobus gehört). Zu Petrus und Johannes vgl. das Johannes-Evangelium (1323, 1815, 202, 217, 2120) sowie Apg (3,4 und 814).
    Welche sprachlogische Funktion haben die Pronomina (Personal-, Demonstrativ-, Frage-, Possessiv-, Reflexiv-, Relativpronomen)? Gibt es eine sprachlogische/sprachgeschichtliche Beziehung zu den Affixen?

  • 6.7.96

    Marktkolonialismus: Ist das Schuldenproblem der Dritten Welt, insbesondere auch in Lateinamerika, nicht auch darin begründet, daß das belastbare Eigentum in den betroffenen Ländern in fremder Hand sich befindet? Die multinationalen Konzerne entziehen der Idee der Nation im wörtlichsten Sinne den Boden.
    Eigentumsgesellschaften sind Eroberungsgesellschaften (die Revolution gegen den Feudalismus ist nur die eine Seite der Sache, der Ausbreitungs- und Eroberungstrieb die andere). Eigentum gibt es nur im Kontext staatlicher Organisation des Eigentums: Liegt die Lücke des Heinsohnschen Konzepts etwa darin, daß er das nationale Problem ausblendet, damit aber auch die Affinität der Eigentumslogik zum Nationalismus (vgl. die Jugoslawienkrise, aber auch den Slogan „Standort Deutschland“)? Ist die Ausblendung der sie fundierenden Beziehung zur Nation nicht ein Teil der Eigentumslogik, die ohne diese Abstraktion nicht zu halten ist?
    Wer den Ursprung des Geldes auf den des Eigentums zurückführt, darf eigentlich die Ursprungsgeschichte des Eigentums nicht ausblenden, wobei das Problem auf den Ursprung des Eigentums nicht mehr sich eingrenzen läßt. Auch die Naturwissenschaften gründen in der Eigentumslogik, die nur zusammen mit einer Kritik der Naturwissenschaften sich reflektieren läßt. Und darin liegt das Grundproblem der Kritik der Naturwissenschaften, daß sie die Kritik der Eigentumslogik voraussetzt und mit einschließt: als Kritik der Funktion der Naturwissenschaften im Prozeß der Selbstlegitimation des Bestehenden.
    Faszinierend wäre die Analyse der Beziehung des Ursprungs und der Geschichte des Eigentums zur Geschichte der Sexualität, zum Ursprung der Sexualmoral.
    Ist nicht der Begriff der Gnade seit Augustinus ein Produkt der gleichen Abstraktion (der gleichen Halbierung), der auch der Ursprung und die Entfaltung der „subjektiven Formen der Anschauung“ sich verdanken: der Konstituierung der Trägheit, des Objektseins, der Passivität, am Ende des Selbstmitleids: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“? Im Kontext der vergegenständlichten Natur gibt es keinen „gnädigen Gott“!
    Hat nicht der Begriff des Eigentums in der Ökonomie den gleichen Stellenwert und die gleiche Funktion wie der Begriff der Trägheit in den durchs Inertialsystem definierten Naturwissenschaften?
    Es gehört zur Ambivalenz des Namens Jesu („Jesus Christus“), daß er so wie der Name einer Privatperson klingt, während er doch den Anspruch erhebt, der Name des Messias zu sein (den aufgrund dieser Privatisierung niemand mehr kennt, wie anhand des Problems der Vergöttlichung Jesu leicht sich nachweisen läßt). Wenn die „Todesangst“ Jesu in Getsemane nicht auf die abstrakte Privatperson, sondern zugleich auf die messianische Kraft, die sie verkörpert, und auf den Zustand der Welt, an dem diese Kraft sich mißt, bezogen wird: auf die Angst des Mißlingens, erhält dann diese Geschichte nicht eine ganz andere Bedeutung, ein ganz anderes Gewicht? Drückt die privatisierende Gewalt des Ereignisses nicht exakt in dem Schlaf der Apostel sich aus? Sie haben im wörtlichsten Sinne diese „eine Stunde“ verschlafen. Auch der Messias kann es nicht alleine, er kann es nicht für sich sein.
    Ist Christ ein Name, mit dem ich benannt bin, oder ein Begriff, unter den ich subsumiert werde?
    Das himmlische Jerusalem der Apokalypse, ist das nicht das nicht das Gegenstück der Schechina im Exil? Ist nicht die christliche Ära die Zeit der Restituierung des geschändeten, verwundeten, zerschlagenen Jerusalem, an deren Ende es als himmlisches Jerusalem (als geschmückte Braut) wiederkehrt? Aber das himmlische Jerusalem wird eines sein, in dem kein Tempel mehr ist.
    1968 hat das Generationenproblem erstmals an den Grund der Welt gerührt.
    Worauf bezieht sich die Unterscheidung der Bücher, die geöffnet werden, von dem „anderen Buch“, das auch geöffnet wird (Off 2012)? Ähnlich wurde vorher schon zwischen Engeln und „anderen Engeln“ unterschieden (vgl. auch Petrus und den „anderen Jünger“ im Johannes-Evangelium). Was bedeutet dieser Begriff des „anderen“? Das „andere Buch“ ist das „Buch des Lebens“, während die „Bücher“ auf die „Schriften“ zu verweisen scheinen (die in der Passion und Auferstehung Jesu „sich erfüllen“). Bezieht sich das „andere Buch“, das Buch des Lebens, auf etwas, das man im Hinblick auf die Erfüllung der Schrift die Erfüllung des Worts nennen könnte? Und haben dieses „andere Buch“ wie auch die „anderen Engel“ (und der „andere Jünger“) etwas mit dem „einen Sünder“ zu tun (über den größere Freude im Himmel herrscht als über 99 Gerechte) – und mit der verlorenen Drachme? Und bezieht sich darauf der letzte Satz des Jakobus-Briefs?
    Wenn Reinhold Schneider als toter Hund am Fuße des Kreuzes begraben sein, an der Auferstehung nicht teilhaben wollte, steckte darin nicht der wahrhaft begründete Widerwille gegen die Opfertheologie, der Widerwille gegen die (erst heute?) unerträgliche Vorstellung, durch das Blut dieses Opfers von Sünden rein gewaschen zu werden?
    Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Wie wahr ist der Plural in diesem Satz. Nackte Tatsachen, das sind die vom Blick der Barmherzigkeit entkleideten Tatsachen. Ist nicht die Nacktheit ein logischer Begriff, hat sie nicht Anteil an der Allgemeinheit des Begriffs, als Reflex der Abstraktion, in der der Begriff sich konstituiert?
    Nachdem Ham die Blöße seines Vaters nicht zudeckte, wurde nicht er, sondern sein Sohn Kanaan dafür verflucht. Hat nicht jedes Geschwätz, jedes Gerede über andere (das Gerede „hinter dem Rücken“ des Andern, das die Gunst seiner Abwesenheit nutzt), jede projektive Verarbeitung der Unfähigkeit, die eigene Schuld zu reflektieren, und deshalb zur eigenen Entlastung des Mittels der Schuldverschiebung sich zu bedienen, Teil an diesem Mechanismus des Aufdeckens der Blöße? Der Gebrauch, den jede Apartheid und jeder fundamentalistische Rassismus von der Ham-Geschichte macht, greift schon deshalb zu kurz, weil der Fluch nicht Ham (den Hitzigen), sondern Kanaan (den Händler) trifft, damit aber nicht einen Typus des Rassismus, sondern einen der Ökonomie (der eigentumsbegründenden Gelwirtschaft).
    Gibt es nicht in einem der Theaterstücke Becketts, im „Endspiel“, einen Ham (zusammen mit Estragon)?
    Hat Rosenzweigs Kritik des All (die er mit der sprengenden Kraft der Todesfurcht begründet) etwas mit den weißen Kleidern in der Apokalypse zu tun (mit der Bedeckung der Nacktheit)? „Die Nackten kleiden“, auch das gehört zu den Werken der Barmherzigkeit. Unterm Bann der Eigentumslogik, die durch ihren Systemgrund die Barmherzigkeit ausblendet, die Dinge entkleidet, sie nackt vor Augen stellt, sind wir nur noch Aufdecker der Blöße. Nach Jakobus haben die Reichen „den Gerechten verurteilt, getötet; er widersteht euch nicht“ (56).
    Der Gottesname in dem Satz, daß der Gepfählte ein Fluch Gottes ist, ist der Name Elohim (Dt 2123).
    Sind nicht die Werke der Barmherzigkeit insgesamt auch Explikationen des Gebots der Heiligung des Gottesnamens? Wie verhalten sich die Werke der Barmherzigkeit („die Hungrigen speisen, die Nackten kleiden …“) zu den Werken, auf die Jesus verweist, als Johannes ihn durch seine Jünger fragen läßt, ob er es sei, der da kommen soll („die Blinden sehen, die Lahmen gehen …“)? Sind nicht die Werke der Barmherzigkeit die Weiterführung dieser Werke?
    Verweist der Begriff des Realsymbolischen, der auch die Werke der Barmherzigkeit überhaupt erst gehörig ins Licht rückt, nicht auf die Namenskraft der Sprache, die deren kommunikative Eingrenzung und Abstraktion sprengt? Und rührt dieser Begriff des Realsymbolischen nicht an die Intention, die die Erfüllung der Schrift in die des Wortes zu transformieren trachtet? Die Heiligung des Gottesnamens bezieht sich auf den gleichen Sachverhalt. Barmherzigkeit, nicht Opfer.
    Das Inertialsystem (und in ihm die subjektive Form der äußeren Anschauung) macht die Dinge eigentumsfähig
    – durch Orthogonalisierung des Raumes, die jede Umkehr in eine andere Richtung des Raumes überführt,
    – durch Eliminierung der Umkehr aus dem Begriff der Erkenntnis, durch Fixierung auf die intentio recta,
    (beide Momente sind durch das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum miteinander verknüpft)
    – durch Veränderung ihrer Beziehung zur Sprache (die mit der Form der Anschauung gesetzte intentionale Objektbeziehung löscht die der Sprache, dem Namen, innewohnende Kraft der Erkenntnis, sie ersetzt den Namen durch den Begriff).

  • 5.7.96

    Der Eigentumskonkretismus, dem Heinsohn verfallen ist, ist ein Trick, mit dem Heinsohn den Begründungszusammenhang, der das Eigentum mit dem Staat verbindet, ausblendet. Wenn er Eigentümer von Nichteigentümern unterscheidet, macht er den Staat zu einem Appendix der Eigentümer (und den Eigentumsbegriff zu einem Teil der Hausbesitzerideologie). Das Geld ist durch eine Eigenschaft definiert, die es von den „Gütern“ ähnlich unterscheidet wie den Raum von den Dingen in ihm (oder wie das Instrument von der Materie, die es bearbeitet): durch die logische (nicht empirische) Eigenschaft der Unvergänglichkeit, die als Folie der Vergänglichkeit die Dinge wie die Waren dem Untergang (der Verarbeitung, dem Verbrauch, dem Verzehr) zueignet. Wenn der Schuldknecht ein Eigentümer ist (S. 180), dann ist der Proletarier ein Schuldknecht seiner selbst. Gezeugt, nicht geschaffen: Güter werden produziert, Geld ist die Voraussetzung einer Produktion, in der es eigentlich nur sich selbst reproduziert (wie auch der Raum, der durch die subjektive Form der äußeren Anschauung hindurch sich konstituiert). Der philosophische Substanzbegriff ist ein Reflex des Eigentumsbegriffs: auf den Substanzbegriff und seine immanente Logik bezieht sich der trinitarische Begriff der homousia. War nicht die mittelalterliche Eucharistielehre eine sakrale Geldtheorie? Heinsohn abstrahiert von der Tatsache, daß Eigentum überhaupt erst im Prozeß des Ursprungs des Staates, mit dem Staat zusammen, sich konstituiert. Im Eigentumsbegriff steckt das, was heute Staatsgewalt heißt (und jeder Eigentümer hat Anteil an dieser Staatsgewalt; darin gründet der Nationalismus). Eigentumsbildung erfolgt nicht allein durch Revolution (der Schuldknechte gegen die Feudalherrn), sondern auch durch Eroberung, die das Eigentum der Eroberer an der unterworfenen Bevölkerung wie an ihrem Besitz begründet (vgl. die archaischen, regressiven Züge des Jugoslawien-Konflikts). Zur Logik jeder Revolution gehört es, daß sie nicht einfach nur den Staat, sondern ihn zugleich als Eroberungsstaat begründet. Gründet nicht der Missionsauftrag der Kirche in der gleichen Logik (ist nicht das Zeugen in der Trinitätslehre das Movens des Missionsauftrags der Kirche: Gehet hin in alle Welt …)? Hegels Satz, daß eine Grenze bestimmen sie überschreiten heißt, gründet in dieser Eigentumslogik. Es ist die gleiche Logik, die das Anschauen mit der Nacktheit verbindet (und den Ursprung des Staats mit dem Ursprung der Sexualmoral). Die Trinitätslehre hat das Problem, das der Philosophie im Römischen Staat sich stellte, gelöst, aber nur das logische, nicht das herrschaftsgeschichtliche Problem, das in dem logischen sich verbirgt. So ist diese Lösung zur neuen Grundlage einer imperialistische Ideologie geworden. Der Preis für die Hellenisierung war das proton pseudos der Theologie: die Opfertheologie. Steckt nicht in dem polemischen Teil der Heinsohnschen Theorie, in seiner Lust an der Entdeckung der Dummheit der Anderen, genau das tabuisierende Element, ein religiöses Erbe? Tempelwirtschaft: War nicht die „Religion“ ein Instrument der Legitimierung des Kontrakts und damit des „Eigentums“ und der mit ihm sich entfaltenden Logik? Die Tempel-, Priester- und Opferreligion wäre selber zu begreifen als gleichsam embryonale Frühform der Eigentumslogik. Am Astralkult und an der daraus hervorgegangenen Astrologie läßt der Zusammenhang mit der Eigentumslogik, mit der altorientalischen Gestalt der politischen Ökonomie, mit Händen sich greifen. Darin gründet die Vermutung, daß die „Venus-Katastrophe“ weniger auf eine astronomische, als vielmehr auf eine politisch-ökonomische Katastrophe sich bezieht. Sind Jupiter, Mars, Merkur und Venus, aber auch Sonne, Mond und Saturn, Verkörperungen einer an den Himmel projizierten Gesellschaftstheorie? Die „Wege des Irrtums“ (Jakobusbrief) oder die sieben unreinen Geister: Es gibt nicht mehr nur eine Dummheit, sondern eine (abzählbare) Vielheit an Gestalten der Dummheit, die alle durch Unbelehrbarkeit (und jede für sich durch Unwiderlegbarkeit) sich auszeichnen (vgl. die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos). „Was ist Wahrheit“ (Pilatus): Heute ist der Wahrheit gegenüber jeder im Vorteil, der sich dumm stellt. Kehren nicht die „theologischen Mucken der Waren“ heute in den wirren Phantasien über die Beziehungen der modernen Naturwissenschaften zur Religion wieder? „Ihr laßt die Armen schuldig werden“ (Goethe): Heinsohn/Steiger weisen „die Hauptlast bei der Verteidigung der Preisstabilität nicht … der Zinspolitik, sondern … der Einkommenspolitik in Gestalt der Nominallohnpolitik“ zu (S. 273). In einer Wirtschaft, in der die Unternehmensleitung nicht mehr Sache der „Eigentümer“, sondern die eines selber „lohnabhängigen“ (besitzverwaltenden) Managements ist, das nach „objektiven“ Grundsätzen einer „betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ handelt, erweist sich die Einkommenspolitik als die letzte weiche Stelle in einem ansonsten von lauter „harten Fakten“ bestimmten Kostengerüst. Die letzten „Eigentümer“, die mit ihrem Eigentum (mit ihrer nackten Existenz) für die Schuld, ohne belastbares, pfändbares, jedenfalls in Geld ausdrückbares Eigentum geboren zu sein, haften, sind die Arbeiter und Angestellten. Die Eigentümer haben sich aus der Verantwortung gestohlen, an der sie einmal ihre Würde hatten; die, die die Verantwortung haben, tun nur ihre Pflicht, wissen aber nicht mehr was sie tun (und die Wissenschaft, die ihnen dabei behilflich ist, verkörpert genau dieses Nichtwissen); nur die, die als Eigentumsledige jeder Einwirkungsmöglichkeit beraubt und aller Verantwortung enthoben sind, tragen die ganze Last des Risikos.
    Gibt es eigentlich eine Abhängigkeit des außer jeder Relation zur Gesamtentwicklung des Preisniveaus sich vollziehenden Steigens der Grundstückpreise zur Entwicklung des die Logik der Geldwirtschaft beherrschenden Eigentums insgesamt? Ich vermute, die These ist nicht nur begründbar, sondern auch beweisbar, daß die Preissteigerungen am Grundstückmarkt (die als Folge der durch keine Leistung fundierten, sondern allein die Eigentumsmacht reflektierenden Mieterhöhungen sich begreifen lassen) als Index und als Spiegelbild der Gesteinsverschiebung in der gesamtwirtschaftlichen Eigentumsverteilung sich erweisen. Ist die jeder äußeren Einwirkung sich entziehende (gegen jeden moralischen Appell immun gewordene) Eigentumsmacht nicht die Perfektionierung der gleichen Strukturen und Mechanismen, die in anderen Zeiten im Phänomen der Majestätsbeleidigung sich manifestierte: Ist das Eigentum die unverletzbar gemachte (gegen das Ansinnen der Moral immunisierte) Verletzlichkeit der Herrschaft (die Stelle des Lindenblatts beim Siegfried)? Polanyi hat darauf hingewiesen, daß die Subsumtion des Grund und Bodens, der Arbeit und des Geldes unters Tauschprinzip dem Kapitalismus den Weg freigemacht hat. Welche Konsequenzen lassen sich aus dieser Konstellation angesichts der gegenwärtigen Globalisierung der Ökonomie für die Objekte dieser Subsumtion im einzelnen (für Grund und Boden, für die Lohnarbeit, für die Geldentwicklung) ableiten; rücken diese Konsequenzen nicht auch die Beziehungen dieser Elemente in ein neues Licht (ähnlich wie die Beziehungen der drei Richtungen im Raum)? Die Eigentums- und Geldtheorie Heinsohns und Steigers ist das Produkt einer genauesten Entfaltung der Logik der Ökonomie; aber ist diese Logik nicht eine Harakiri-Logik, ein Instrument der Selbstzerstörung der ökonomischen Theorie: das Opfer der Ökonomie an den Absolutheitskern ihrer eigenen Idee (das Gegenstück des newtonschen „absoluten Raums“)?

  • 3.7.96

    Gegen den 68er Bruch: Der Faschismus war keine Naturkatastrophe, und das Horkheimer-Wort, daß, wer vom Faschismus redet, vom Kapitalismus nicht schweigen dürfe, wird heute durch Umkehrung wahr: Vom Kapitalismus darf nicht reden, wer vom Faschismus schweigt.
    Die 68er Bewegung hat den faschistischen Zivilisationsbruch als Kulturbruch ratifiziert. Mit der Beziehung zum (weiterhin realen) Staat hat sich auch die Beziehung zur Sexualität, das Verhältnis von Eigentum und Besitz, verändert. Die traditionelle Sexualmoral war Ausdruck der am Eigentumsbegriff sich orientierenden Beziehung der Person zu sich selbst. Ist nicht an die Stelle der Eigentumsbeziehung (deren Respektierung die Sexualmoral leisten sollte) das Besitzverhältnis (an die Stelle des Respekts vor dem Andern die Freiheit der Güternutzung) getreten? Gibt es (nach der Globalisierung des Marktes und der Verrottung des Staates) überhaupt noch „Eigentum“? Ist sein Verschwinden nicht am Verschwinden des Tabus auf der Sexualität (mit den Folgen, die das insbesondere für den weiblichen Teil der Gesellschaft hatte) ablesbar?
    Das Privateigentum konstituiert die Privatsphäre (den idiotes).
    Rühren die Probleme der Theorien Heinsohns nicht daher, daß er einem Theorie- und Objektivitätsmodell sich verpflichtet fühlt, daß aus der Physik stammt? Die vermittelnde Kategorie scheint der Eigentumsbegriff zu sein, der in der Tat einmal den Naturbegriff konstituiert hat: Der Eigentumsbegriff verhält sich zur Geldwirtschaft wie die träge Masse zur Physik insgesamt.
    Die begriffliche Trennung von Eigentum und Besitz, die mit der von Tausch- und Gebrauchswert zusammenhängt, determiniert die Widersprüche, die Heinsohns Konzept durchziehen (vgl. z.B. S. 129 und 137 zum Verhältnis der Volkswirtschaftslehre zur Geschichte).
    Wenn Heinsohn die Geschichte sowohl braucht als auch abwehrt, so drückt sich darin genau die Ambivalenz seiner Theorie aus: Er braucht die Geschichte als Mittel zur Erkenntnis der Logik der Ökonomie, er muß sie abwehren, weil sie diese Logik zugleich zum Sprechen zu bringen droht.
    Besitz ist eine Gebrauchskategorie, Eigentum eine Geldkategorie (vgl. Heideggers Unterscheidung des Zuhandenen vom Vorhandenen). Hat nicht Polyani den Ursprung der Eigentumsgesellschaft sehr viel genauer beschrieben, nämlich anhand der Übertragung der Wareneigenschaften auf Grund und Boden (Eigentum), auf die Arbeit (Lohnarbeit) und aufs Geld (Banken)? Heinsohn selber verweist darauf, daß die Lohnarbeit erst in der modernen Entwicklung hinzukommt; verweist das nicht auf eine qualitative Differenz auch beim „Eigentum“ und beim Geld (doppelte Buchführung)?
    Der philosophische Reflex des Eigentumsbegriffs ist der Begriff der Substanz (der mit dem Begriff des Substantivs das Verständnis der Grammatik und der Sprache verändert hat, der das Nomen gelöscht und die Sprache zu einem Mittel der Information gemacht hat).
    Das Substantiv ist eine Fortbildung des Begriffs der Substanz. Drückt nicht im Begriff des Substantivs eine qualitative Veränderung im Eigentumsbegriff sich aus?
    Der Konkretismus Heinsohns manifestiert sich nicht nur in der Theorie der Venus-Katastrophe (in der Ersetzung der gesellschaftlichen Naturkatastrophe durch eine reale kosmische Katastrophe), sondern auch in seinem Eigentumsbegriff, der ihm zu einem festen Grundlagenbegriff wird, und an dem er den historischen Prozeß, dem er entspringt und in dem er sich verändert, nicht wahrnimmt. Die Trennung von Eigentum und Besitz manifestiert sich in den Änderungen der ökonomischen Gesellschaftformen, in der Übertragung der Geschäftsführung an ein Management und im Ursprung und in der Entfaltung und Ausdifferenzierung der Verwaltung (die die Besitzfunktionen des Eigentums realisiert). Aber ist nicht das Eigentum unabhängig vom Besitz (vom Gebrauch, der es qualifiziert) eine leere Abstraktion? Wie das Eigentum im ökonomischen Prozeß sich verändert, kann man heute von jedem Landwirt (noch krasser freilich an den Vorgängen in der Dritten Welt, die jetzt langsam anfängt zu begreifen, was ihr geschieht) erfahren.
    Durch seinen Eigentumsbegriff wird dieses Buch zum Kompendium einer Hausbesitzer-Ideologie.
    Das Konstrukt der Venus-Katastrophe war notwendig, weil der genetische Zusammenhang des Eigentumsbegriffs mit dem Begriff und der Praxis der Gewalt in der Gesellschaft ausgeblendet wird. Gehört nicht der Eroberungskrieg (wie am modernen Kolonialismus drastisch sich zeigen läßt) zur Ursprungsgeschichte des Eigentums (die Ureinwohner der kolonialisierten Länder „kennen keine Schrift, kein Geld, sind nackt“; sie sind deshalb nicht fähig, über ihren Besitz wie über Eigentum zu verfügen; als „Wilde“ sind sie apriorische Objekte von Gewalt)?
    War die Kosntituierung des Eigentums das Ergebnis einer Revolution von innen (bei den Griechen als Revolution gegen den mykenischen Feudalismus), oder war sie das Ergebnis einer Eroberung von außen, durch umherstreifende Brüder- und Männerhorden (Rom, die Hapiru, die „Hebräer“)? Unterscheidet sich darin nicht das Eigentums-Buch vom Patriarchats-Buch Heinsohns?
    Irgendjemand hat einmal die Tempel als Säkularisations-Instrumente beschrieben (Entzauberung der Welt durch Konzentration des Heiligen im Tempel). Eine ähnliche Funktion scheinen die christlichen Kirchen, Kathedralen und Dome im Mittelalter gehabt zu haben. Als Säkularisations-Instrument hat der Tempel die Welt eigentumsfähig und damit zur Welt gemacht; deshalb gehören zur Tempelwirtschaft die Kosmogonien.
    Waren der Islam das Persien, Frankreich und England hingegen das Griechenland des Mittelalters? Dann war Deutschland das Rom.
    Adorno hat mich in die Lage versetzt, mein Faschismus-Trauma zu bearbeiten; anders wäre ich das Opfer dieses Traumas geworden.
    Heinsohn: der Drewermann der Nationalökonomie?
    Die Orthogonalität ist das Abstraktionsgesetz der Erkenntnis, sie ist zugleich das Formprinzip des Urteils. Durch die Orthogonalität werden die Richtungen des Raumes getrennt und unterschieden und zugleich zueinander in Beziehung gesetzt; das gleiche Formgesetz gilt für die Beziehung von Raum und Zeit und dann auch für die Beziehung von Raum und Zeit zur Materie. Die Orthogonalität (die Entdeckung der Winkelgeometrie durch die Griechen) ist das Modell der Beziehung von Begriff und Objekt. Wie hängt die Entdeckung der Orthogonalität mit dem Ursprung des Eigentumsbegriffs, mit der Unterscheidung von Eigentum und Besitz und mit dem Ursprung des Staates zusammen?
    Im Buch Josue wird das Land Kanaan durchs Los auf die Stämme Israels verteilt. Wann und auf welche Weise erfolgte die individuelle Eigentumsbegründung (zusammen mit der Begründung weiblicher Erbrechte)? In der Bibel wird vom Kauf eines Grundstücks nur im Hinblick auf kanaanitisches Eigentum (bei Abrahams Kauf des Grundstücks für das Grab Saras und bei Davids Kauf der Tenne Araunas) berichtet.
    Sind die Probleme, vor die die Philosophie in jeder Epoche neu sich gestellt sieht, die logischen Probleme des Eigentums; und ist die Philosophie deshalb der Reflex der Herrschaftsgeschichte?
    Das Armutsgebot, das wir heute ganzen Erdteilen aufzwingen, der Export der Armut in die Dritte Welt: Die Eigentumslosigkeit schlägt die Eigentumslosen zur bloßen Natur, macht sie zu einer brachliegenden Ressource, für die es keine Verwendungsmöglichkeiten mehr gibt: zu herrenlosem Gut.
    Nachdem die Aufklärung, und ihrer Folge Kant und der deutsche Idealismus, der Natur schöpferische Kräfte angedichtet hat, hat da nicht Marx, als er glaubte, im Proletariat das Subjekt der Revolution zu erkennen, daraus nur die Konsequenz gezogen (das Proletariat: die Verkörperung er resurrectio naturae)?
    Werden heute nicht alle Siege zu Pyrrhus-Siegen?
    Ist nicht jede Personalisierung ein Indiz mangelnder Autonomie? Zitiert nicht jede Personalisierung (und jeder Konkretismus) die kollektive Absicherung einer Projektion?
    Hängt nicht die mittelalterliche Fälschungsgeschichte mit den übermächtigen Legitimationsbedürfnissen, die die Begründung der Eigentumsgesellschaft wachgerufen hat, zusammen?

  • 2.7.96

    „Selbstverständlich jedoch ist die historische Entstehung des Eigentums für seine wirtschaftstheoretische Auslotung vollkomen bedeutungslos“ (Heinsohn/Steiger, S. 129). Damit blockieren die Autoren die Reflexion der Eigentumsgesellschaft ab, die in der Tat auf eine gesellschaftliche Naturkatastrophe (die Heinsohn in seinem früheren Buch benennt: die Schuldknechtschaft, die vor dem Ursprung der „Eigentumsgesellschaft“ liegt, nicht danach) zurückweist, nicht auf eine kosmische Katatrophe. War nicht die altorientalische Religion, der Tempelkult, das Opferwesen, die Astrologie (Ischtar/Astarte-Kult) der verzweifelte Ausdruck dieser (gesellschaftlichen) Naturkatastrophe, nicht die fundamentalistisch verstandene „Venus-Katastrophe“?
    Die Frage des Richters Klein an Birgit Hogefeld, ob sie nicht eine Erklärung abgeben wolle, daß es die raf nicht mehr gibt, verdiente eine präzise Antwort:
    – Herr Klein muß wissen, daß Birgit Hogefeld keine verbindliche Erklärung für die „raf“ abgeben kann (ebenso wie er wissen mußte, daß Hubertus Janssen Pfarrer ist und nicht nur sich selbst so bezeichnet);
    – in der Sache liegt die Erklärung der raf (vom April 92) vor, in der sie öffentlich ihren Verzicht auf terroristische Aktionen kundtut; und schließlich:
    – nicht zuletzt die Vorgehensweise des Gerichts begründet die Vermutung: Bad Kleinen war keine Sache der raf, sondern eine der BAW, des BKA und der GSG 9; bei vernünftiger, von rationalen Motiven geleiteten Planung hätte es zu der Katastrophe nicht zu kommen brauchen, deren Aufklärung der Senat durch seine Ablehnung der entsprechenden Anträge der Verteidigung blockiert; der Verdacht liegt auf der Hand, und er wird durch die Umstände, durch die Art des Vorgehens und die Wahl des Orts der Festnahme erhärtet, daß – aus welchen Gründen auch immer – Tote wenn nicht geplant, so doch billigend in Kauf genommen worden sind. Es ist absolut unverständlich, wie dieses Gericht den angeblichen Mord des GSG 9-Beamten Newrzella durch Wolfgang Grams aus der Beweiserhebung konsequent ausschließt, den gleichen (gerichtlich somit nicht erwiesenen) „Mord“ unter Hinzuziehung fadenscheiniger Konstruktionen dann aber der Angeklagten anlasten will.

  • 1.7.96

    Die Nachkriegsverdrängung in Deutschland hat den Prozeß der Verdinglichung vollendet: sie war das Äquivalent der Konstituierung des Inertialsystems. Mit der Nachkriegsverdrängung ist eine Stummheit in die Verhältnisse eingedrungen, die die Sinnlichkeit unvermittelt und direkt gemacht hat, die der Kritik nur den Ausweg der Gewalt gelassen hat und der Schuld nur den der Projektion. Ist nicht die raf, an der diese Strukturen sich studieren lassen, das getreue Spiegelbild des Staates, den sie bekämpft?
    Mit der Fixierung aufs Feindbild transportieren wir den Staat in den Hinterkopf, machen wir uns zu Marionetten des Staates. Der Einzige, der dem sich hat entziehen können, ist dafür gekreuzigt worden, und sein Wort „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist das Motto für die Befreiung des Sünders vom Weg des Irrtums (für die Kritik der Astronomie). Der eine Sünder, der sich bekehrt, über den mehr Freude im Himmel herrscht als über die 99 Gerechten: das ist der Staat.
    Das Schlimme ist, daß man heute selber als Opfer, als „Betroffener“, sich präsentieren muß, wenn man an die Leiden der Anderen erinnern will. Jeder, der für andere sich einsetzt, muß den Verdacht ausräumen, er tue es aus Eigeninteresse. Warum soll man sich dann nicht auch auf dieses Eigeninteresse, daß man in einer Welt nicht leben möchte, in der man für andere nicht mehr sich ensetzen darf, berufen? Heute muß die einfachste Sensibilität noch begründet werden. Damit ist man in der Täter-Opfer-Falle drin, die den Tätern den Weg frei macht, sie unangreifbar macht.
    Ist nicht das Meßopfer, die „Wandlung“, die Transsubstantiation, das Deckbild eines anderen Vorgangs: der noch ausstehenden Realisierung?
    Gerät nicht die katholische Tradition zur Zeit auf eine Entwicklungsstufe, auf der sie nur durch Realisierung noch zu retten ist?
    Daß Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern befreit wird, wird an der gleichen Stelle erwähnt, an der berichtet wird, daß sie die erste war, der der Auferstandene erschienen ist (Mk 169, vgl. hierzu Joh 2011-18, insbesondere v. 14 u.16). Nur bei Lk wird das Ausfahren der sieben Geister schon bei der ersten Nennung der Frauen aus Galiläa erwähnt (Lk 82).
    Die Geschichten mit den sieben unreinen Geistern gehören zu den sich wechselseitig erhellenden Geschichten in der Schrift, ähnlich wie die Geschichten über Lazarus. Gehört dazu nicht auch der Jonas ben Amittai, Jair (und Jairus)?
    Die Wertethik hat versucht, die Ethik auf die „Gefühle von Lust und Unlust“ zu gründen. Aber gründen nicht die Gefühle von Lust und Unlust selber in der Urteilsform, und käme es nicht darauf an, diese Beziehung aufzuhellen?
    Die christliche Gestalt der Unsterblichkeitslehre, die Lehre vom individuellen Seelenheil, der katholische Mythos von Himmel, Fegfeuer und Hölle, hat durch Hypostasierung der Urteilslust die Wahrheit (in der Form des Dogmas) ans Urteil gebunden und das Urteil selber (ähnlich wie der Weltbegriff die Herrschaft) der Kritik entzogen.
    Andersens Märchen von „des Kaisers neuen Kleidern“ wäre kein Märchen, wenn der Kaiser ein König wäre.
    Zu den im Kontext der naturwissenschaftlichen Erkenntnis nicht mehr rekonstruierbaren Sinnesqualitäten gehören die Farben, das Licht, Wärme und Kälte, Geschmack und Geruch, der Klang, nicht zuletzt das Wort, die Sprache. Ist diese Abstraktion nicht ein verständlicher Vorgang, der sich erklären läßt aus dem Gesetz der „Veranderung“: Ich kann nicht mit den Augen des Andern sehen, mit seinem Gefühl fühlen, mit seinen Ohren Hören, mit seiner Zunge schmecken, mit seiner Nase riechen. Genau das ist aber der Effekt der subjektiven Formen der Anschauung wie auch des Weltbegriffs, daß jeder – ebenso wie er Rechts und Links nicht mehr unterscheiden kann – sich als Anderer für andere erfährt, dann aber mit seinen Augen nicht mehr sehen, mit seinen Ohren nicht mehr hören … kann.
    Die Aufgabe, die der Philosophie heute gestellt ist, ist aber nicht die Rekonstruktion der sinnlichen Erfahrung, sondern die Rekonstruktion des Ursprungs der naturwissenschaftlichen Erkenntnis: Erinnerungsarbeit.
    Das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum ist die List, mit der der Verstand gegen die Dinge sich durchsetzt. Das Angesicht ist die Realität des durchs Prinzip der Reversibilität Verdrängten: die Widerlegung der Vorstellung eines unendlichen Raumes, gegen die das Angesicht eine andere Unendlichkeit repräsentiert: den Blick des Andern.
    Die Schamfalle: Der Angeschaute senkt den Blick, der Anschauende ist frech.
    – Die Plagen an dem erkennen, wie sie hervorgerufen werden, was sie wem tun,
    . das Blut,
    . die Frösche,
    . die Mücken,
    . das Geziefer,
    . die Pest,
    . die Beulen und Geschwüre,
    . der Hagel,
    . die Heuschrecken,
    . die Finsternis.
    – Welche Plagen werden angekündigt, wie werden sie herbeigerufen?
    – Bei welchen Plagen sagt der Herr „Laß mein Volk ziehen, daß es mir diene“?
    – Und wie verhält es sich mit dem Opfer, das nach drei Tagen in der Wüste dargebracht werden sollte: Wann wird es wirklich dargebracht, was wird geopfert (das „Scheusal Ägyptens“)? Vgl. die Stelle in der Johannes-Apokalypse, das Sodom, Ägypten und Golgatha zusammenbringt?
    Heinsohn/Steiger: Eigentum etc. (Hamburg, 1996).
    . Wird hier nicht die Ökonomie in eine Engführung gebracht, aus der sie nicht mehr herauskommt?
    . Erneut Berufung auf „kosmische Katastrophen“, kann sich gesellschaftliche Naturkatastrophen (trotz Auschwitz, für das er eine Spezialtheorie braucht) nicht vorstellen (vgl. S. 34)?
    . Kennt Hegels Rechtsphilosophie nicht: Staat als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern (gemeinsamer Ursprung des Staats, des Welt- und des Naturbegriffs).

  • 18.6.96

    Das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren, hat die Fähigkeit zur Reflexion des Urteils, die Kritik der Magie des Urteils, zum Ziel. Es geht darum, das Urteil aus seiner magischen Bindung ans Jüngste Gericht herauszulösen, die Frage offenzuhalten, ob das Jüngste Gericht ein urteilendes sein wird.
    Enthalten nicht die ersten drei Schöpfungstage eine vollständige Urteilstheorie: Am ersten Tag werden Licht und Finsternis geschieden, und die Geschiedenen werden benannt; am zweiten Tag wird die Feste geschaffen, die die oberen von den unteren Wassern trennt, und diesmal werden nicht die Getrennten, sondern das Trennende wird benannt; am dritten Tag sollen die unteren Wasser an einem Ort (nach der Kabbala: am Ort Eins) sich sammeln: das Meer, und das Trockene soll hervortreten: das Land.
    Was hat das Trockene mit der Feste zu tun? Und gehört nicht zum dritten Tag der prophetische Satz, daß am Ende der Geist die Erde erfüllen wird wie die Wasser den Meeresboden bedecken, und daß das Meer am Ende nicht mehr sein wird?
    Hat nicht der Bilderstreit (vgl. Horst Fuhrmann) eine Lösung gefunden, die die Katastrophe überhaupt erst herbeigeführt hat: die Unterscheidung des Bildes von dem durch das Bild Bezeichneten? Hier ist implizit die Sprache zum Bild entmächtigt worden.
    Die einzige Krone, die im Neuen Testament vorkommt, ist die Dornenkrone (bei Mt 2729, Mk 1517, Joh 192.5).
    Hängt es nicht mit der Logik der Verurteilung, die bis ins Zentrum der christlichen Theologie hinein sich nachweisen läßt, zusammen, daß seit je die Hölle deutlicher und verständlicher ausgemalt wurde als der Himmel?
    Horst Fuhrmann ist ein drastisches Beispiel für eine Geschichtswissenschaft, die sich selbst zum Instrument des Vergessens geworden ist. Seine Urteile sind in erster Linie Urteile ad personam, d.h. Geschwätz. So kann er auf die Himmlersche Verehrung irgend eines Heinrich „wertfrei“ hinweisen, während er den Aries einen „Sonntagshistoriker“ nennt und ein Gerücht, das es über ihn mal gegeben hat, kolportiert, ohne es für nötig zu halten, seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Oder er berichtet über die Fälschungen im Mittelalter, ironisiert zugleich die Bemerkung von Hallers, daß man nicht auf Vorrat fälscht, um diese Bemerkung mit genau dem Hinweis zu bestreiten, den sie gerade problematisiert. H.F. ist nur noch „herrschende Meinung“; deshalb braucht er nicht mehr zu argumentieren. Die Heinsohn-/Illig-Gruppe, auf die mehrere seiner Themen verweisen (neben dem Fälschungsproblem z.B. auch der Fall Kammeier), wird nur verschwiegen, an keiner Stelle benannt.
    Auf dem Bauche sollst du kriechen und Staub sollst du fressen: Ist das Fernsehen nicht inzwischen Zoohaltung und -fütterung des Drachen geworden?
    Ist nicht der Fernsehmoderator eine institutionelle Verkörperung des „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können? Nur daß im Fernsehen beides, das Ich denke und meine Vorstellungen vergesellschaftet und durch den Abgrund des Bildschirms von mir geschieden sind. Die Grundlüge des Fernsehens ist das Wort, mit dem alle Moderatoren auf die nächste Ausgabe der Sendung verweisen: „Wir sehen uns wieder am …“ Hier erscheint dieses pseudotherapeutische „Wir“, das zur Krankenhaussprache gehört und hier wie dort die Adressaten entmündigt und hospitalisiert.
    Hat nicht die Ersetzung des Gottesnamens durch die Personalpronomina in der Buber-Rosenzweigschen Bibelübersetzung etwas mit Ulli Wickert zu tun?
    Kommt das „Verurteilen“ in Hegels Philosophie vor (im Hegel-Register erscheint es nicht)? Wann und in welchem Zusammenhang ist es entstanden? Gehört es in seinem Ursprung zur Sprache des Staatsanwalts (ist es zusammen mit diesem Titel entstanden – der Kluge enthält weder den Staatsanwalt noch das Verurteilen)?
    Steht der Grund in Hegels Philosophie (überhaupt in der Philosophie) an der Stelle, an der in der biblischen Tradition die Barmherzigkeit steht (der Mutterschoß oder der „Grund“, aus dem die Prophetie kommt)? In der Philosophie geht (trotz Heidegger), was aus dem Grunde kommt, auch wieder zu Grunde. Der „Mutterschoß“, aus dem die Philosophie (der Begriff) hervorgeht, ist das Schicksal, die mythische Schicksalsidee.
    Kritik zielt auf Begriffe, nicht auf Objekte; darin liegt ihre reinigende Kraft.
    Mit dem Inertialsystem setzt sich das Subjekt ans Ende der Zeitreihe (tauft es die Welt, die so zur Welt wird, mit der Taufe der Vergangenheit, antizipiert es das Ende der Welt), aber tut das nicht in der geldwirtschaftlich determinierten Realität der „Reiche“, das kapitalistische Wirtschaftssubjekt? Ist nicht das Bewußtsein des Entronnenseins eine der Verführungen des Geldes: die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit? Diese Vorstellung ist der Grund des Hegelschen Weltgerichts, gegen das Jakobus das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht setzt.
    Was hat das Weltgericht mit der Sexualität zu tun?

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