Die 42 Auschwitz-„Theorien“, die Heinsohn zusammenstellt und „widerlegt“, erinnern nicht zufällig an die kantischen Antinomien der reinen Vernunft, die Argumente Heinsohns an die „apagogischen“ Argumente Kants: Sowohl die (meisten der) „Theorien“ als auch deren Widerlegung sind wahr. Das ungute Gefühl, das einen beschleicht, wenn man sieht, wie Heinsohn die „Elemente des Antisemitismus“ aus der Dialektik der Aufklärung zur „Theorie“ zusammenstutzt, gründet darin. Für die Gesamtkonstruktion Heinsohns scheint die Verarbeitung des apokalyptischen Elements entscheidend zu sein. Durch einen Trick wird es vorab „unschädlich“ gemacht: durch das naturhistorische Konstrukt der Venus-Katastrophe, auf deren Erinnerung die Apokalypse generell reduziert wird; so verliert die Apokalypse durch Projektion ins Vergangene (als Erinnerung an eine vergangene Naturkatastrophe) jede „prophetische“, auf die Zukunft bezogene Bedeutung. Nur, was Heinsohn übersieht: Die Apokalypse ist zwar seit je (in der Urgeschichte des Fundamentalismus seit Augustinus) als Angst-Generator, als ein Mittel, die Menschen in einen Zustand zu versetzen, in dem sie beherrschbar sind, genutzt worden (in diesem Sinne war auch Hitler ein Apokalyptiker) – und gegen diesen Gebrauch richtet sich das Verfahren, das in der Geschichte der Aufklärung ebenfalls seit je als Mittel der Angstbearbeitung genutzt worden ist: die Projektion ins Vergangene. So, durch die gleichen Formen der Verdrängungsarbeit, hat die Aufklärung in der Ursprungsgeschichte der Philosophie den Mythos und das Schicksal, und mit dem Ursprungskonstrukt der modernen naturwissenschaftlichen Aufklärung (mit dem Inertialsystem) die Projektionen der Angst und des schlechten Gewissens in einer keineswegs „entsühnten Welt“ zu bewältigen versucht. Etwas anderes ist es jedoch, wenn man versucht, in der Apokalypse, in ihren Symbolen und Bildern, den rationalen Kern zu entdecken, sie als ein Mittel der Angstbearbeitung zu nutzen.
Der Preis für seine (von ihm nicht reflektierte) apagogische Beweisführung ist die Identifizierung des jüdischen „Monotheismus“ mit dem philosophischen und die Ausscheidung der Apokalypse aus der Prophetie.
Die heinsohnsche „Ursachenforschung“ trägt gleichsam bekenntnis-technische Züge: Wer die Ursache kennt, kann sie abstellen. Das Ergebnis ist eine Knopfdruck-Philosophie. Zugleich scheint ihr Motto zu sein: „Dixi et salvavi animam meam“, ein Satz, der bei Ezechiel eine ganz andere Funktion und Bedeutung hatte, jedenfalls nicht auf die Rechtfertigung derer abzielte, die glauben, doch nichts ändern zu können, und deshalb wenigstens rechtbehalten wollen.
Adorno hat einmal auf die ihn erschreckende Erfahrung aufmerksam gemacht, daß Studenten weithin nur noch auf eine sehr instrumentalisierte Weise erfahrungsfähig sind, daß sie aus dem, was einer sagt, nur noch heraushören, wofür oder wogegen es sich richtet. Unter dem Bann dieser Fixierung scheint auch das heinsohnsche Konzept zu stehen; das ist es, was er aus den Auschwitz-Theorien vorab herauszuhören scheint. So entartet Kritik zum Grabenkrieg im Bekenntniskampf.
Das apagogische Argument (dessen Logik damit zusammenzuhängen scheint) rührt an die Grenzen der Beweislogik, wie auch der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Das aber verweist darauf, daß die Explosion von Gemeinheit, als welche der Faschismus in der Erinnerung sich enthüllt, außerhalb der Beweislogik liegt. Es gibt keinen Wahn, der nicht auch von einer nur ihm eigenen Logik beherrscht wird. Und um einen Wahn aufzulösen, bedarf es auch der Kritik der Logik, die ihn beherrscht. Diese Kritik der Logik ist nicht irrational, sondern die Freisetzung einer Rationalität, die den Bann des Wahns bricht. Zentral in der Kritik der Logik ist die Kritik des Rechtfertigungszwangs, die die Fähigkeit zur Schuldreflexion mit einschließt. Logische Zwänge sind auch Rechtfertigungszwänge, sie gehorchen dem Exkulpationstrieb. Ihre Überzeugungskraft gründet in der exkulpatorischen Wirkung des Objektivationsprozesses. Insofern hängt Auschwitz in der Tat mit dem, was in Joh 129 die „Sünde der Welt“ heißt, zusammen.
Zur Auflösung der Problems des apagogischen Beweises (die ein Problem der Logik der Schrift ist) trägt das Jesaia-Wort vom Rind und Esel bei, die Unterscheidung von Joch und Last, die Reflexion der Asymmetrie im dialogischen Kern der Sprache, von der das geschriebene Wort abstrahiert (die Logik der Schrift neutralisiert die Asymmetrie von Ich und Du, Zukunft und Vergangenheit, Himmel und Erde). Hierzu gehört der ungeheure Gedanke Kants, daß allein die Hoffnung das Gleichgewicht der apagogischen Beweise, das die Antinomie der reinen Vernunft begründet, zu stören vermag.
Habermas: Die subtilste Art des Vatermords ist die, sich selbst zum Erben zu erklären. Eine Erbschaft kann nur antreten, wer davon ausgeht, daß der Erblasser tot ist. Das Erbe setzt die Enteignung der Toten, die Aufhebung ihrer Eigentumsfähigkeit, voraus. Steht nicht das Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren, gegen die Form der Erbschaft unterm Gesetz des Privateigentums, die das uneingeschränkte Verfügungsrecht mit einschließt (und jeden Anspruch der Toten gegen uns ausschließt)? Vater und Mutter ehren heißt, aus der Rolle des Erben heraustreten. Vgl. dagegen die auf das Erbschaftsinstitut reflektierenden Erörterungen bei Paulus, aus denen u.a. der Begriff des „Neuen Testaments“ sich herleitet. Das Testament regelt die Erbschaft und setzt den Tod des zu Beerbenden voraus, während der Bund auf das Verhältnis freier Partnern sich bezieht. Die Vorstellung, das Christentum habe Israel beerbt, ist der Grund des christlichen Antijudaismus (mit der Folge der Neutralisierung der Prophetie, die im Antisemitismus, im Judenmord, endet).
Zum Kontext des Begriffs des Erbes gehört der Weltbegriff, der aufgrund der Erbschafts-Konstellation in ihm den (am Ende eskalierenden) Generationenkonflikt aus sich entläßt.
Nietzsches Wort „Gott ist tot, wir haben ihn getötet“ ist keine theoretische Feststellung, sondern Ausdruck einer verzweifelten Erfahrung. Die christliche Theologie war seit ihrem Ursprung eine Tod-Gottes-Theologie, ein nekrophiles Konstrukt. Das Wort „Gott ist tot“ steht erstmals in der „Fröhlichen Wissenschaft“. Hier ist erstmals das Lachen als Argument erfahren worden, dem Nietzsche nichts mehr entgegenzusetzen hat, und an dem er zugrunde gegangen ist. Der Sohar hat es noch gewußt: Lachen ist schlimmer als Zorn. Nietzsches Philosophie: Der verzweifelte Ausdruck der Hilflosigkeit und Ohnmacht im Angesicht des Lachens; darin gründet sowohl die Lehre vom Übermenschen und vom Willen zur Macht als auch deren metaphysisches Korrelat, die Lehre von der ewigen Wiederkehr des Gleichen.
Das apokalyptische Symbol des Lachens ist der Unzuchtsbecher.
Haß der Welt: Die Scham macht den Andern (und der Inbegriff aller andern ist die Welt) zum Richter über das Subjekt, setzt das Weltgericht an die Stelle des Jüngsten Gerichts.
Traum und Vision haben im Buch Daniel eine Entwicklungsgeschichte:
– Vom Traum des Nebukadnezar, über den das Buch Daniel objektiv, in der dritten Person, berichtet, den Nebukadnezar vergessen hat, und den Daniel, bevor er ihn erklären kann, erst rekonstruieren muß,
– über den Traum, den Nebukadnezar (in der ersten Peron) selbst erzählt, und den Daniel dann auslegt,
– über Belsazar und die Schrift an der Wand, die Daniel erklärt,
– über das Traumgesicht des Daniel,
– bis zu den Gesichten Daniels.
Beschreibt diese Geschichte die Ursprungsgeschichte des „Gesichts“, der apokalyptischen Vision?
Die Getsemane-Geschichte wird unauflösbar, wenn das Kelch-Symbol in dieser Geschichte nur auf den privaten Tod Jesu, auf das Schicksal, das ihm widerfährt, bezogen wird. Vor diesem Hintergrund verdampft das Kelch-Symbol zu einem erbaulichen Vergleich, wird der Kelch gleichsam „innerhalb“ des Kelchs verstanden (der Kelch auf sich selbst angewendet): So wird der Kelch zum Unzuchtsbecher (Subsumtion des Kelches unter den Kelch: die Verwechslung von Joch und Last, Rind und Esel). Hiermit hängt es zusammen, wenn in den Texten des Christentums nur Esel und Lamm (das im Opfer für die Erstgeburt des Esels eintritt) noch erinnert werden, die Erinnerung ans Rind aber verschwunden ist.
Klingt nicht im philosophischen Begriff der Erscheinung (und im Namen der Phänomenologie) der Name des Festes der Epiphanie, der „Erscheinung des Herrn“, nach?
Hitler
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1.3.1995
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26.2.1995
Falsch an der Astrologie ist nicht ihr Widerspruch gegen die Naturwissenschaften, gegen das kopernikanische System, sondern falsch ist ihre Zuordnung zum individuellen Schicksal der Menschen. Aber ist sie nicht genau dadurch, durch ihre Anbindung ans Prinzip der Selbsterhaltung, zur Vorstufe der wissenschaftlichen Naturerkenntnis, die aus dem Prinzip der Selbsterhaltung sich herleitet, geworden?
Nicht die Seelen, sondern die Namen der Verstorbenen sind im Himmel, der am Ende als Buch des Lebens sich enthüllt, aufbewahrt.
Das Substantiv ist der Repräsentant der namenlos gewordenen Toten in einer Grammatik, in der die Kraft des Namens erloschen (der Himmel gegenstandslos geworden) ist. Eine Vorstufe dieses Sprachverständnisses war der Ursprung des Weltbegriffs und dessen theologische Rezeption in der Lehre der creatio mundi ex nihilo. Vgl. hierzu den katholischen „Weltkatechismus“, der glaubt, den ersten Satz der Genesis durch den Hinweis, daß Himmel und Erde nur ein mythischer Ausdruck für alles, was ist, sei, erklären zu können.
Daß der Himmel aufgespannt ist: Ist das nicht auch ein Hinweis darauf, daß diese fast unerträgliche Spannung des Symbolischen zum Wörtlichen (im realhistorischen Sinne) auszuhalten ist, wenn die Idee des Himmels nicht ganz verloren gehen soll?
Der Fundamentalismus nimmt die Schrift wörtlich, nachdem er das Wort vergessen (gelöscht) hat; er ist die Rache der Opfertheologie an der Schrift (dessen erste Manifestation war der Islam, der der Opfertheologie nicht mehr bedurfte, weil er sie schon im „Islam“, im Opfer der Vernunft, verinnerlicht hatte).
Das Dogma hat den Knoten durchschlagen, nicht gelöst (und die Kirche hat seitdem nur gebunden, nicht gelöst). Das Schwert, mit dem der Knoten durchschlagen worden ist, läßt sich genaue bezeichnen: es steckt im Begriff der homousia, einem Vorboten des Inertialsystems. – Bezieht sich der gordische Knoten nicht auch auf das Verhältnis von Rind und Esel (von Joch und Last), und löst nicht das Wort des Jesaia das gordische Rätsel?
Die Sünde der Theologie: Das Dogma ist das vergrabene Talent.
Der Rosenzweig-Benjaminsche Begriff des Mythos, der ihn in Widerspruch zu Offenbarung anstatt zur Auklärung setzt, findet deshalb so schwer Eingang in die christliche Theologie, weil deren Tradition selber in die Geschichte der Aufklärung verstrickt ist. Und diese Verstrickung reicht bis in den Kern der theologischen Inhalte hinein. Die christliche Theologie ist in den Säkularisationsprozeß verstrickt; so sie ist zur Theologie hinter dem Rücken Gottes geworden.
Zum Ursprung des Neutrum: Gibt es nicht für den Tod den Ausdruck „ire ad plures“? Und verweist dieser Ausdruck nicht sowohl auf den Ursprung des Objektivationprozesses wie auch auf den des Begriffs der Materie (sowie der Begriffe Welt und Natur)? Heidegger hat dieses „ire ad plures“ in seinem „Vorlaufen in den Tod“, das dann in der völkischen Fundamentalontologie sich wiederfindet, wörtlich genommen. In Getsemane erscheint dieses „ire ad plures“ unter dem Symbol des Kelches.
Gibt es nicht eine ganze Gruppe frühchristlicher Häresien, die sich alle um das Verständnis des Kreuzestodes gruppieren, an der die Ursprünge des Projekts der opfertheologischen Instrumentalisierung des Kreuzestodes sich ablesen und demonstrieren lassen? Lassen nicht alle diese Häresien daraus sich ableiten, daß das Ereignis in einer vom Neutrum beherrschten Sprache in der Tat unverständlich ist (dem inneren Objektivationstrieb dieser Sprache sich widersetzt)?
Zum Säkularisationskonzept von Johann Baptist Metz (zu seinem affirmativen Verständnis der „Verweltlichung der Welt“) wäre differenzierend auf die „Dornen und Disteln“ (und deren Interpretation durch Eleazar von Worms) sowie auf Walter Benjamins Bemerkung über die Beziehung des Messianischen zum Profanen hinzuweisen. Die Verweltlichung der Welt ist eins mit der Vergesellschaftung von Herrschaft, deren Reflexion die Theologie vom Bann der Herrschaft befreien könnte.
Haben wir nicht längst vor dem Problem, das Verhältnis der drei Dimensionen im Raum zu begreifen, kapituliert? Und ist nicht alles weitere eine Folge dieser Kapitulation?
Ist nicht der Begriff der „Rede“ (in der „Rede von Gott“) ein im schlechten Sinne politischer (die säkularisierte Gestalt der ebenfalls schon monologischen Predigt)? Dieser Begriff der Rede hat in Hitler seine apokalyptische Dimension offenbart. Ist er danach (als „Rede von Gott“) auf den Begriff der Theologie noch anwendbar? Er hat mehr mit der propaganda fidei und dessen göbbelsschen Ausläufern zu tun, als der Theologie lieb sein darf. „Rede von Gott“: Das ist der „Schrecken um und um“ der Theologie. Theologie würde sich in einer Sprache erfüllen, die die Kraft des Namens wieder erweckt, und in der der Name – als Sprache der Erkenntnis – wieder theophore Züge annimmt: in der Heiligung des Gottesnamens. Das „Heute, wenn ihr seine Stimme hört“ ist das Heute, an dem wir unsern Namen hören (deshalb gehört das „Ich, mit Vor und Zunamen“, „Ich, Franz Rosenzweig“, zu den objektiven Gründen des Sterns der Erlösung). -
30.11.1994
Das Tier ist der Fürst dieser Welt.
Die aristotelische Prämisse: „Alle Menschen streben nach dem Glück“ wäre durch die Definition des Glücks zu ergänzen: Glücklich ist, wer die Möglichkeit hat, gut sein zu können. Nur so gewinnt die daraus abgeleitete christliche Idee des seligen Lebens Inhalt.
Der Weltbegriff ist der Quellpunkt und der Inbegriff der Staatslogik, deren Ursprungsgeschichte die mythischen Kosmologien und Kosmogonien zu beschreiben suchten.
Taucht der Naturbegriff bei Rosenzweig in systematischem Zusammenhang nur in der „Metaphysik“, bei der Konstruktion des mythischen Gottes auf? Interessant wäre die Rekonstruktion der Stellung und des Schicksals der drei kantischen Totalitätsbegriffe, Wissen, Natur und Welt.
– Das Wissen erscheint in der Gestalt des Nichtwissens (zu dessen Konstituentien die Todesangst gehört),
– die Natur erscheint im Kontext der Konstruktion des mythischen Gottes, und
– nur die Welt ist (als eines der Objekte des Nichtwissens) eines der drei „Elemente“, in die das All mit der Reflexion der Todesangst zerspringt.
Wenn die Philosophie (die Selbstreflexion der Herrschaftsgeschichte) der mystische Leib Christi ist, wirft das nicht ein neues Licht auf das Bild der Pieta?
Der Kelch: Nachdem die Kirche mit der Opfertheologie sich auf die Seite der Täter der Ermordung Jesu gestellt hat, wiederholt sie zwangshaft dieses Tätersyndrom im Säkularisationsprozeß. Ist nicht dieses Tätersyndrom der Grund einer Gnadenlehre, die die Christen zur Ohnmacht (und die Attribute Gottes, die nach Hermann Cohen Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, zum spurlosen Verschwinden) verurteilt? Und war diese Gnadenlehre nicht die christliche Transformation des Islam (das Handeln eine Form der Ergebung)? Aber hatte Jesus nicht seine „Vollmacht“ auf die Jünger und Apostel übertragen, und bezieht sich diese Vollmacht nicht auf die Taten, mit denen Jesus die Frage des Täufers beantwortete, ob er es sei, der da kommen soll?
Hätte Jesus länger gelebt, wenn er seinen Vater, der nach seiner Kindheit aus der Geschichte Jesu spurlos verschwindet, und seine Mutter, die er mit dem „was habe ich mit dir zu schaffen“ abfertigt, geehrt hätte?
Das Christentum ist der Verführung durch die Sexualmoral erlegen: einer Verführung, die in dem Glauben sich ausdrückte, es gebe so etwas wie Unschuld in dieser Welt. Indem nur die Frauen an der Idee der Virginitas gemessen wurden, wurden zwei Effekte erzielt:
– Die Politik wurde aus dem Bereich der Idee der Keuschheit ausgegrenzt, und
– die (an das Organ der Gebärmutter gebundene) Idee der Barmherzigkeit wurde theologisch gegenstandslos (um dann im projektiven Konstrukt der Hysterie wiederzukehren).
Bezieht sich der apokalyptische Unzuchtsbecher auf diesen Sachverhalt?
Ist die Beziehung des Femininum zum Plural (beim bestimmten Artikel im Deutschen) nicht im Begriff der Materie vorgebildet (dem Begriff der Materie einbeschrieben)? Und ist dieser Gedanke nicht der Schlüssel zur Lösung des Rätsels der Planckschen Strahlungstheorie (des Planckschen Wirkungsquantums)? (Hatte Hitlers Instinkt nicht die Masse als Weib erkannt?)
In welcher Beziehung stehen im Planckschen Strahlungsgesetz die zeitbezogenen Energiequantelungen (der Korpuskelt-Welle-Dualismus) und die raumbezogenen Materiequantelungen (die Atome)? Drückt nicht das Plancksche Strahlungsgesetz die Beziehung der mechanischen Bewegung zur Lichtgeschwindigkeit (der kinetischen Wärmeenergie zur Strahlungsenergie) nach dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus? Und sind nicht die Gleichungen der Lorentz-Transformation nur ein anderer Ausdruck der Form dieser Beziehung? -
5.10.1994
Das Objekt des Vorurteils ist aufgrund seiner Apriorität unzerstörbar (und der Antisemitismus aus diesem Grunde unbelehrbar).
Das Problem des falschen Propheten findet seine Lösung in der Unterscheidung zwischen der Erfüllung der Schrift (der „Unheilsprophetie“) und der Erfüllung des Wortes („Heilsprophetie“). Die „Unheilsprophetie“ ist aufgrund ihrer Beziehung zur Logik der Schrift grundsätzlich wahr (kann jedoch durch das Erbarmen Gottes „enttäuscht“ werden); die „Heilsprophetie“ ist nur dann wahr, wenn „das Wort sich erfüllt“. In dieser Konstellation findet das Bild des Tieres vom Lande seine Lösung.
Scham ist die Innenerfahrung des Witzes (die Erfahrung, die das Objekt eines Witzes mit dem Witz macht). Sensibilität ist die Fähigkeit, diese Innenerfahrung des Witzes zu reflektieren.
Die Idee des Parakleten gründet in der Umkehr der Logik des Witzes: Ihre Intention ist die Verteidigung des Objekts, über das gelacht wird, gegen das Kollektiv der Lacher (gegen die Welt). Zur Idee des Parakleten gehört der Satz: Aufgrund der Asymmetrie zwischen mir und den anderen ist Selbstverteidigung nur über die Verteidigung des andern erlaubt.
Steckt nicht in jedem objektivierenden Verfahren, in der Konstitution des Objekts selber, etwas von dem Auslachen, gegen das die Idee des Parakleten sich richtet?
Die Idee des Absoluten hat die Verinnerlichung der Scham zur Grundlage; über die Verinnerlichung der Scham ist die Idee des Absoluten an den Weltbegriff gebunden. Wittgensteins Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist, verweist auf diese Konstellation.
Die List der Vernunft gehört zu den Konstituentien der Idee des Absoluten. Wer den Realgehalt dessen, was Hegel die List der Vernunft nennt, begreifen will, muß den Argumentationsstil Kohls (unter Einschluß der Elemente der Selbstinszenierung: von der Versöhnung über den Gräbern bis hin zum bedenkenlosen Gebrauch der Gemeinheit) untersuchen.
Wie wär’s mit dem schönen Titel: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört?
Als Adam sich unter den Bäumen des Gartens versteckte, da schämte er sich. Stammten diese Bäume vom Baum der Erkenntnis?
Der Takt verbietet es, im Hause des Mörders vom Opfer zu sprechen: Dieser Takt war der Grund, aus dem der Begriff der Kollektivscham hervorgegangen ist (Kohl: Es gibt Wichtigeres als Solingen).
Zur Feste des Himmels: Kann es sein, daß Gott keine „Rückseite“ hat, daß es diese „Rückseite“ nur für uns gibt: Sie fällt zusammen mit der Idee des Absoluten : mit dem Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft (mit der Spiegelung Gottes in der Logik der Schrift).
Wie hängen die Idee des Absoluten, die Feste des zweiten Tages und die Gestalt des Elias (des Vorläufers des Messias) miteinander zusammen?
Das philosophische Subjekt, Korrelat des Weltbegriffs, ist ein Produkt der Logik der Schrift.
Das Richtige unterscheidet sich von der Wahrheit durch seine Beziehung zu anderen; im Falle des Richtigen ist diese Beziehung eine konstitutive, im Falle der Wahrheit eine regulative Beziehung. Beide unterscheiden sich wie die Lüge und das falsche Zeugnis (wie Schrift und Wort).
Der ungeheure Gedanke, daß Gott meine Schuld gegen andere nicht vergeben kann, daß er deren Vergebung nicht antizipieren kann, verweist auf den Tabestand, der dem Lösen zugrunde liegt. („Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dort eingedenk wirst, daß dein Bruder hat etwas gegen dich hat, …“ Mt 523). Ist das Bußsakrament nicht eine ungeheure Anmaßung: werden hier nicht die Opfer ihrer Kraft zu vergeben, die der Grund ist, daß ihnen selbst vergeben wird, enteignet? – Haben die sieben unreinen Geister nicht tatsächlich etwas mit den sieben Sakramenten zutun?
Die Philosophie beschreibt den Akt des Heraustretens aus dem Bann des Mythos. Wäre der letzte Akt der Philosophie nicht der ihrer Selbstauflösung: der des Heraustretens aus dem mythischen Bann der Logik der Schrift? Dazu bedarf es der Hilfe der Theologie: beide können diesen Schritt nur gemeinsam gehen.
Die Opfertheologie war der Preis für die theologische Rezeption des Weltbegriffs; die Höllenvorstellung, die Vorstellung von der Ewigkeit der Höllenstrafen, der Preis für die Rezeption des Naturbegriffs (die projektive Verarbeitung des Feuers).
Haschamajim: Die Sintflut ist das Realsymbol der Verinnerlichung des Schicksals (der Überflutung der Objektivität durch die Fluten des Begriffs); sie repräsentiert den Wasseraspekt der Geschichte der Aufklärung. Die Verinnerlichung der Scham (die Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung der Raumvorstellung) und ihr gegenständliches Korrelat, die Verdinglichung der Welt, repräsentiert die Vorgeschichte des Feuers: Die Erfüllung der Logik der Schrift als Vorgeschichte der Erfüllung des Worts. „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon.“
Die spontane Reaktion auf die ersten Meldungen über Auschwitz: „das wird sich einmal rächen“, ist wahr geworden im Begriff der Kollektivscham. Ralph Giordano wäre dahin zu korrigieren: Nicht die Zweite Schuld bezeichnet den Kern der Nachkriegsentwicklung, sondern die zweite Intrumentalisierung der Schuld im Begriff der Kollektivscham. Die Erfindung der Kollektivscham war der schreckliche Versuch der Naturalisierung der Schuld, der Versuch, die Pforten der Hölle endgültig und ausweglos zu schließen. Sie war der Greuel al heiligen Ort.
Erst die Reflexion der Scham macht die Theologie zu einer experimentellen Wissenschaft.
Die Apokalypse des Johannes ist kein Schauspiel, nicht durch die ästhetische Objektivitätsgrenze von der Gestalt des Zuschauers getrennt. Wir stecken mitten drin wie Jonas im Bauch des Fisches. Auch die Apokalypse ist aus dem Bann der Logik der Schrift zu befreien. (Ist nicht der Fisch ein Sprachsymbol: ein Symbol der Logik der Schrift? Und ist der Fisch, das große Seeungeheuer, das Zweitgeschaffene, wie die Logik der Schrift das eigentlich apokalyptische Symbol: die Logik der universalen Vergegenständlichung?)
In der Astronomie gilt – wie im Recht -, daß das Nichtbeweisbare nicht existiert (Folge der ästhetischen Beziehung zur Sternenwelt). Gilt der die Grenzen des Rechts definierende Satz: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, auch für die Astronomie (und in ihrer Folge für die modernen Naturwissenschaften)? Die Grenzen der Beweislogik widerlegen sie nicht, aber sie machen die Beweislogik reflexionsfähig und das, was durch die Beweislogik ausgeschlossen wird, doch noch erkennbar. Vor allem ist jeder Versuch, die Beweisgrenzen zu schließen, auf seine Haltbarkeit und auf seine Nebenwirkungen zu prüfen.
Beweislogik und Verdinglichung: Das deiktische Element im bestimmten Artikel ist ein Produkt der Beweislogik. Dagegen hat die negative Dialektik das mikrologische Verfahren der Reflexion zu mobilisieren versucht.
Hitlers Wort, daß die Masse ein Weib ist, knüpft an die merkwürdige Beziehung des Femininum zum PLural an (die gleiche Beziehung, die auch im Begriff der Materie sich ausdrückt).
Die Logik der Schrift, deren Ursprung an der Hegelschen Analyse des Hier und Jetzt (in der Phänomenologie des Geistes), sich demonstrieren läßt, entfaltet sich in der Vorstellung des Inertialsystems, gewinnt in ihr ihre ungeheure abstraktive Gewalt. Sie ist der Grund des Abstraktionsprozesses, der (über die Opfertheologie) in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung sich vollendet.
Die Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren, ist das erste (und notwendige) Resultat der Kritik des Inertialsystems (und der Opfertheologie: der Vorstellung, daß die Welt durch den Kreuzestod Jesu entsühnt worden sei). Der Versuch, dieses Gefühl durch durch die Vorstellung, „in Gottes Hand geborgen“ zu sein, zu unterdrücken, ist der Kern der Verführung durchs Herrendenken.
Die Kritik der Naturwissenschaft findet ihren Hauptwiderstand an der nie reflektierten pseudotheologischen Begründung des naturwissenschaftlichen Erkenntnisbegriffs (an ihrem Zusammenhang mit der Opfertheologie). -
20.9.1994
Drückt in den Wendungen, mit denen heute nicht selten Reflexionen eingeleitet werden, wie „ich denke“ oder „ich würde sagen“ nicht eine Konsequenz aus der Logik der Schrift sich aus, die heute zu einer Gestalt der Selbstausbeutung geworden ist? Als Erbschaft der Logik der Schrift findet jeder im eigenen Innern eine Autorität vor, der niemand mehr entweichen kann, und vor der jede Äußerung durch den Vorbehalt des „ich denke“ oder „ich würde sagen“ vorsorglich sich exkulpiert. Während die Philosophie, und später auch mit dem Dogma die Theologie, dieser Autorität sich unterwirft, sie als Maß des eigenen Denkens akzeptiert, ist es die Prophetie, die im „Spruch des Herrn“ die Wolken der Logik der Schrift als Blitz durchschlägt. Erhob nicht der Logos, das „Wort Gottes“, den Anspruch, die Verkörperung dieses „Spruchs des Herrn“ zu sein?
Wann und in welchem Kontext ist das kreisende Schwert des Kerubs zum zweischneidigen Schwert geworden? Hat das etwas mit dem Ursprung der Weltreiche (und mit dem Schwert, mit dem Alexander den gordischen Knoten durchschlagen hat) zu tun?
Im Begriff der Spekulation steckt ein dezisionistisches Element (wie in seiner Anwendung aufs Geldgeschäft ein schicksalhaftes): das Abbrechen der Reflexion. Es käme darauf an, auch die Spekulation (und ihr Produkt, das Absolute) der Reflexion zu unterwerfen.
Das Absolute ist der Korken auf der Flasche, in der der Geist gefangen ist.
Wie sind Deklination und Konjugation auf einander bezogen, verhalten sie sich nicht invers zu einander? Diese inverse Beziehung begründet das projektive Element (das Moment der logischen Selbstbegründung) der Sprache: die Deklination lähmt die Sprache, die Konjugation macht sie blind. Die „verandernde Kraft“ des Wortes „ist“, der Kopula, gründet darin, daß sie das verbale Element (den Ausdruck der Tätigkeit) in ein begriffliches umformt, es zu einer dinglichen Eigenschaft des Subjekts macht. Das Sein verwandelt das Handeln in ein Geschehen (macht die Ethik zur Ontologie).
Drückt nicht die Beziehung der beiden Dreiecke im Bild des Sterns der Erlösung, der am Ende als Antlitz sich enthüllt, die Beziehung von Deklination und Konjugation aus (läßt die Beziehung von Deklination und Konjugation am Angesicht sich ablesen)?
Eine der wichtigsten Funktionen der Logik der Schrift (der Urteilslogik) ist die ihr einbeschriebene Exkulpationsautomatik (Zusammenhang der Grenze der Beweislogik mit dem Schuldverschubsystem).
Die Urteilslogik ist der Kern der Logik der Schrift; in der Objektivität hat sie sich mit den subjektiven Formen der Anschauung verankert.
Die christliche Theologie hat die Kritik der Logik der Schrift selber wieder der Logik der Schrift unterworfen.
Der Zusammenhang der Offenbarung mit der Kritik der Logik der Schrift manifestiert sich im Namen der „hebräischen“ (Schrift)-Sprache. Zum Kontext der Kritik der Logik der Schrift gehören insbesondere die Symbole der Schlange, des Kelches und später auch des Kreuzes (bezieht sich nicht das Kreuzessymbol auf das Deklinationssystem?).
Liegt das Konstruktionsprinzip des Turmbaus zu Babel in der Logik der Schrift?
Die Naziparole „Blut und Boden“ hat ihren Grund in der mythisierten (heroisierten) Opfertheologie, sie ist eine Konsequenz aus der Subsumtion der Opfertheologie unter die Logik der Schrift.
Das „Praestet fides supplementum, sensuum defectui“ ist der genaueste Ausdruck der Rezeption des Dingbegriffs in der Theologie. Das Ding ist kein Gegenstand der Sinne, sondern Produkt der projektiven Kraft der transzendentalen Logik. Die katholische Theologie hat sich bis heute aus diesem Bann nicht befreien können.
Sprache und Gestik: Deutsch wird mit der Hand in der Hosentasche gesprochen (sie ist gefangen in ihrer reinen Sprachlogik); das wäre in keiner der romanischen Sprachen möglich (die ohne ihre sinnliche Realisation stumm wären). Der Ursprung des Deutschen liegt in der Kanzleisprache, die Luther zur Sprache der Bibel gemacht hat. Der Versuch, in der deutschen Sprache aus der Sprachlogik auszubrechen, führt direkt in den Kannibalismus (Hitler), während er in der italienischen Sprache in die Operette führt (Mussolini).
Die deutsche Sprache ist die Sprache des „Grauens um und um“, erkennbar an der Funktion und grammatischen Ausgestaltung des bestimmten Artikels. -
2.9.1994
Die Geschichte, der Raum und das Vergessen. Der Raum neutralisiert die Zeit, macht die Geschichte zum Steinbruch, in dem man sich beliebig bedienen kann. Geschichtliche Taten und Ereignisse werden einander äußerlich und austauschbar, vergleichbar den gegen Raum und Zeit neutralisierten „Erfahrungen“ in den Laboratorien der Naturwissenschaften.
Die Bekenntnislogik schließt eine eingebaute Exkulpationsautomatik mit ein; deren Kern ist das Schuldverschubsystem, durch das die Bekenntnislogik mit dem Schuldbekenntnis verbunden ist. Ist die Exkulpationsautomatik die transzendentale Ästhetik zur Bekenntnislogik?
Kein Bekenntnis ohne Feindbild: Das Gebot der Feindesliebe ist ein durchschlagender Einwand gegen Dogma und Bekenntnislogik.
Die moderne Praxis kirchlicher Architektur, Innenwände wie die Außenwand zu gestalten, drückt aufs genaueste die Beziehungen der Gläubigen zu ihrer Kirche aus: Sie sind zugleich drinnen und draußen, die Innenwelt hat der Außenwelt, und die Außenwelt der Innenwelt sich angeglichen. Die Differenz ist getilgt, beide sind ununterscheidbar geworden, damit aber ist die Außenwelt zur Norm der Innenwelt und die Innenwelt vollends barbarisch geworden. Ist das nicht die logische Folge und die fatale Erfüllung der inneren Säkularisationsgeschichte: der Geschichte der Verweltlichung, Produkt der verandernden Kraft, die als das bewegende Zentrum der Säkularisationsgeschichte sich erweist.
Mit dieser Beziehung von Innen und Außen hängt es zusammen, daß, was Karl Rahner einmal die absolute Zukunft genannt hat, nicht mehr in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit liegt. Quellpunkt der verandernden Kraft ist die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die sie nur noch in den vergangenen Hoffnungen erfahrbar macht. Die Wiedererweckung der vergangenen Hoffnung ist der Beginn der Auferstehung.
Eine logische Studie: Hängt der demagogische Trick Kohls, die Gemeinheiten, die er von sich gibt, zugleich zu dementieren und seinem politischen Gegner anzuhängen, nicht mit der Logik seines Geschichtsbegriffs (und dieser mit Hitlers Begriff der Vorsehung) zusammen? Die gleiche Logik macht ihn unfähig, die Untaten von Rostock, Mölln, Solingen anders als durch den Blick des „Auslands“, und d.h. als „Schande“ wahrzunehmen. Es ist dieser Blick, der insgeheim die Zustimmung zu den Dingen, von denen er sich verbal distanziert, signalisiert.
Der Slogan „Bewahrung der Schöpfung“ bleibt falsch, solange er nur auf die äußere Natur sich bezieht (ist nicht die Ökologie-Diskussion u.a. auch ein Produkt des Schuldverschubsystems, dient sie nicht auch der Ablenkung von den heranreifenden gesellschaftlichen Naturkatastrophen, gehört sie nicht in den Bereich der Exkulpationsstrategien?).
Erinnert nicht das Wort „Gottesfrage“ (Duchrow/Veerkamp) fatalerweise an die Seins- oder die Judenfrage (generell an Heideggers Begriff der Frage)?
Joh 129 stellt den Aktualitätsbezug des Wortes (des Logos), seine Beziehung zur Prophetie, her: durch die Hereinnahme der Schuld-Reflexion.
Zu Jürgen Ebachs Hinweis auf das „es rächt sich“ ist an den Gebrauch dieser Wendung in der Nachkriegszeit, nach Bekanntwerden der organisierten Judenvernichtung durch die Nazis, zu erinnern: Fromme Katholiken waren überzeugt: „Das wird sich einmal rächen“. Aber das wurde schnell vergessen; statt dessen sollen die sogenannten „Rachepsalmen“ aus dem kirchlichen Brevier herausgenommen worden sein. War die Erinnerung an die Schuld so nahe gerückt, daß sie unerträglich wurde (wird man nicht daran zweifeln dürfen, ob der Abschaffung der Todesstrafe wirklich nur „humane“ Motive zugrundelagen)?
Über den nationalen Ursprung der Transzendentalphilosophie: Die Begriffe historisch und empirisch waren einmal gleichbedeutend; das Historische war das Empirische und umgekehrt. Dagegen enthält der deutsche Begriff der Geschichte eine Verschiebung, der mit der Wortbedeutung, die ans neutrale, subjektlose Geschehen (das ontologische Sein) erinnert, zusammenhängt. Die Geschichtsphilosophie ist eine Es-Philosophie; und Hegels Bemerkung, daß das Wort Geschichte sowohl die historischen Taten und Ereignisse als auch die Geschichtsschreibung (die sie zu historischen Taten und Ereignissen erst macht) bezeichnet, weist auf das Zentrum des Neutralisierungsprozesses (und auf die in ihm wirkenden Kräfte, auf seine sehr spezifisch deutsche Logik) hin.
In Spinozas Deus sive Natura steht dieser Deus fürs Absolute, für den Gott der Philosophen: für den Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft.
Das reale Objekt der Sexualmoral wäre (wenn man sie auf ihre herrschaftskritischen Ursprünge zurückführt) die Mordlust, nicht die Sexuallust. Hier gründet das Wahrheitsmoment der Lustfeindschaft. -
2.8.1994
Hitler war nicht der Antichrist, vielleicht die Generalprobe, das aber nicht als Person, sondern als Repräsentant und Vollstrecker des Weltgeistes, denn der ist der Drache. Die Orthogonalität transponiert die Linearität der Zeit von der Vergangenheit in die Zukunft. Das Relativitätsprinzip stellt die Äquivalenz her zwischen Objektbewegungen und Bewegungen des Raumes in sich selber. Das Sein, die Kopula, ist der Repräsentant der Orthogonalität (des Andersseins) in der Sprache. Vergewaltigung: Ist das Inertialsystem nicht obszön, und ist es nicht zugleich ein Produkt neutralisierter und verdrängter Mordphantasien (das Inertialsystem ist in der gleichen Zeit „entdeckt“ worden wie die nackten Wilden, die „Kannibalen“: Projektion der Eucharistie-Verehrung)? Zum Moment der Frauenfeindschaft in der Bekenntnislogik: Hängt das nicht zusammen damit, daß die Umkehr von den Verheißungen getrennt und so zur Buße gemacht worden ist? Und war es nicht dieser Begriff der Buße, der die Barmherzigkeit zur Hysterie und die Umkehr zur Vergewaltigung gemacht hat? Kritik des Dogmas: Gilt das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ auch im Hinblick auf Auschwitz? Die Frage nach der (allgemeinen) Geltung dieses Satzes ist unsinnig, da nur die Opfer ihn sagen könnten, die Täter aber keinen Anspruch darauf, daß ihnen die Opfer vergeben, geltend machen können; sie scheitert an der Asymmetrie des ihm zugrunde liegenden Sachverhalts. Aber ist dieser logische Schnitzer nicht die Geschäftsgrundlage einer Theologie, die glaubt, die Wahrheit zum Gegenstand von Urteilen machen (sie in Dogmen fassen) zu können; ist er nicht die Geschäftsgrundlage einer Theologie hinter dem Rücken Gottes? Und ist nicht die Asymmetrie in der Sache der Grund dafür, daß heute jede Alternative zu einer Theologie im Angesicht Gottes versperrt ist?
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18.5.1994
Zu Jeremias: Die Herrschaft Babylons, die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar und der – hiernach endgültige – Verlust der politischen Autonomie Judas, war nicht nur „Anlaß“ (in einer sonst unveränderten Welt) für die Prophetie des Jeremias, sie hat vielmehr die Welt selbst verändert, und nur die prophetische Reaktion darauf hat dann die Prophetie, ihren Inhalt, verändert. Das Urteil der Geschichte, das Kohl ständig im Munde führt, ist ein Abkömmling der Hitlerschen Vorsehung. Im Paradies, im Garten der Tiere, war die Weltgrenze noch eine Grenze zwischen Tier und Pflanze; erst mit dem Sündenfall, nach der Vertreibung aus dem Paradies, ist sie zu einer Grenze zwischen den Gattungen geworden. Liegen darin nicht die Ursprungsbedingungen der Astrologie? Und ist das kreisende Flammenschwert des Cherubs nicht das Symbol dieser Weltgrenze? Gehört nicht zur Geschichte mit dem roten und weißen Nilpferd (Ebach, Leviathan und Behemoth, S. 24) die Josefs-Geschichte: Josef, der ein Sohn Jakobs ist, aber nicht zu den zwölf Stämmen Israels gehört, ist der Erbauer des Sklavenhauses Ägypten (als Vollstrecker der „ursprünglichen Akkumulation“ des ägyptischen Staatskapitalismus), das allerdings als Sklavenhaus sich etabliert, nachdem Josef vergessen wurde. Diese Geschichte ist vorgezeichnet in der vom Mundschenk und vom Bäcker: Der Mundschenk (der den Wein ausschenkt, das Symbol des Gerichts) kehrt in Amt und Würde zurück, während der Bäcker (der das Brot, Symbol der Gnade, bereitet) hingerichtet wird (gibt es eine Beziehung diesr Geschichte zu der der beiden Schächer am Kreuz?). Ist nicht, was für Ägypten eine Chaosmacht ist, für Israel der Grund seiner Existenz? Das Tier aus dem Meer: Die Geschichte der Philosophie beginnt mit dem Satz: Alles ist Wasser; sie endet mit dem Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist. Enthält das nicht einen Hinweis auf das „Zeichen des Jona“ (auf die Geschichte mit dem „Walfisch“)? Ein ungeheuerlicher Hinweis: Die Deutschen haben den Namen der Heiden zu ihrem eigenen gemacht. Der Vorteil des Weltbegriffs ist die entlastende Distanz zur Welt: die eingebaute Exkulpationsautomatik. Der Weltbegriff schließt den der Gottesfurcht, den er durch die säkularisierte Herrenfurcht (durchs autoritäre Syndrom) ersetzt, aus.
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8.5.1994
Die theologische Tradition hat Joh 129 durch die Pluralisierung der Sünde der Welt neutralisiert; durch das Verb „Hinwegnehmen“ hat sie das Wort des Täufers zu einem Instrument der Projektion und des Schuldverschubsystems gemacht; so ist es zum Prinzip der Selbstzerstörung und zur Quelle der Greuel der Verwüstung geworden.
Berufung im Mutterschoß (bei Jesaias und Jeremias, auch in der Jesus-Geschichte): Ist das die Berufung aus der Gebärmutter, aus der Barmherzigkeit. Macht der Barmherzige sich zum Mutterschoß Gottes, und hängt das zusammen mit dem „in Schmerzen wirst du gebären“ und dem Begriff der messianischen Wehen? „Abgewichen sind die Gottlosen vom Mutterschoße an, es irren vom Mutterleibe an die Lügenredner.“ (Ps 584)
Ist die „Rechte Gottes“ seine Gebärmutter (der Ort der Barmherzigkeit)? Beziehen sich hierauf (auf den zur Rechten sitzenden Sohn) die messianischen Wehen?
Es ist die Barmherzigkeit, die die Prophetie auf die Aktualität verweist, und unbarmherzig geworden ist die Philosophie durch den Begriff, durch dessen Beziehung zur Zeit, die in der Löschung der Aktualität durch die Beziehung zum tode ti gründet.
Karl Thieme, der darauf hingewiesen hat, daß Hitler nicht der Antichrist gewesen sei, wohl aber die Generalprobe, war der einzige, der in den 50er Jahren eine Umfrage einer katholischen Monatszeitschrift (Wort und Wahrheit) zum Thema „Heiligung der Welt“ mit dem Hinweis auf die Gegenstandslosigkeit dieses Worts beantwortet hat: Es gibt nur die Heiligung des Gottesnamens, aber keine „Heiligung der Welt“. In der jüdischen Tradition war das Motiv der Heiligung des Gottesnamens mit der Idee des Martyriums, der Zeugenschaft, verbunden: der Zeugenschaft eher für die göttliche Barmherzigkeit als für das Gericht, und wenn für das göttliche Gericht, dann für ein Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht und seine in der Regel christlichen Repräsentanten.
Ist dieses Zeugnis nicht das Zeugnis, mit dem der Vater und der Sohn sich wechselseitig bezeugen?
Kritik der Metzgertheologie: Die Erlösungsbedeutung des Bluts, die Reinigung der Seele im Blut des Erlösers, darf nicht biologistisch verstanden werden, sie gründet vielmehr im Kontext der Nachfolge, im Kontext der Idee der Blutzeugenschaft, des Martyriums (in unserm Anteil an den messianischen Wehen). Dagegen gründet die Metzgertheologie in dem Theologumenon, daß Jesus die Welt entsühnt habe (mit dem zugehörigen Erfüllungskonstrukt: daß in ihm die Prophetie sich erfüllt), in dem gleichen Zeitverständnis, das auch dem Inertialsystem zugrunde liegt und durch den Begriff einer absoluten Vergangenheit die Exkulpation an die Welt delegiert: den Weltbegriff als Grund des Begriffs und des gesamten Objektivationsprozesses konstituiert. Die Opfertheologie wird in der gleichen Bewegung magisiert, in der die Prophetie (oder die Idee einer Theologie im Angesicht Gottes) durch Historisierung neutralisiert wird.
Nur wenn ich den Weltbegriff zur Grundlage mache, kann ich die Vergangenheit zum Steinbruch für meine Phantasiekonstruktionen machen, kann ich mir eine religiöse Kuschelecke in einer Welt, die ich doch nicht ändern kann, einrichten.
Der Name des Menschensohns enthält auf einen doppelten Hinweis:
– Er bezeichnet den Sohn Adams, den, der die Sünde Adams als sein Erbteil auf sich nimmt; und
– er ist antitotemistisch: am Anfang der Ahnenreihe steht kein Tier, kein Behemoth und kein Leviathan, sondern der Mensch. -
25.4.1994
Eine Kritik der politischen Ökonomie heute müßte auch die Astronomie durchsichtig machen.
Zur Geschichte des naturwissenschaftlichen Freiheitsbegriffs: Sie beginnt mit dem liberum arbitrium, Reflex der Freiheitsgrade des Raumes und Produkt der Neutralisierung der Richtungen im Raum, und sie endet mit dem Freiheitsbegriff der Quantenphysiker, der an die Unbestimmtheitsrelation und das Komplementaritätsprinzip sich anlehnt (als falsches Bewußtsein der Freiheit vom Zwang des Inertialsystems).
Im Begriff der Weltanschauung enthüllt sich die Bekenntnislogik als (patriarchale und sexistische) eine subjektive Form der Anschauung: Der Krieg Hitlers gegen die Sowjet-Union war als Weltanschauungskrieg ein Vernichtungskrieg (wie jetzt wieder der Bürgerkrieg in Jugoslawien). Weltanschauungen gibt es nur unter der Voraussetzung des „naturwissenschaftlichen Weltbildes“; der Begriff der Weltanschauung rückt die logische Beziehung der Bekenntnislogik zur subjektiven Form der äußeren Anschauung, zum Raum, ins Licht.
Daß die transzendentale Ästhetik in dreifacher Gestalt sich präsentiert: als Form des Raumes, in der Logik des Geldes und als Bekenntnislogik, ist selbst wieder in der Form des Raumes begründet, im Problem der „drei Abmessungen“ des Raumes, in seiner Dreidimensionalität, darin, daß diese drei Dimensionen entgegen der Form ihrer mathematischen Beziehung im Raum nicht gleichwertig, nicht äquivalent, sind. Ihre mathematische Äquivalenz ist selber bereits Produkt der dreifachen, selbstreferentiellen Abstraktion. Das „von allen Seiten hinter dem Rücken“ konstituiert sich in der Abstraktion
– von der Umkehr,
– vom Namen (von der benennenden Kraft der Sprache) und
– vom Angesicht,
wobei
– der Raum primär die Differenz zwischen vorn und hinten,
– das Geld die zwischen Rechts und Links und
– das Bekenntnis die zwischen Oben und Unten
neutralisiert und in dieser Neutralisierung sich konstituiert.
– Das Bekenntnis ist der Quellpunkt des autoritären Charakters,
– das Geld der Quellpunkt der verdinglichten Welt und
– der Raum der Quellpunkt des Absoluten und der Verblendung.
Sind die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Hölle; und ist nicht der Abstieg zur Hölle die Vorstufe der Auferstehung?
Das Substantiv ist das durch die Kasus, die Formen der Deklination (der Veranderung) hindurch sich bestimmende Nomen; der Staub und die Asche in einer Welt, in der der Name zu Schall und Rauch geworden ist. Zu den Konstituentien des Substantivs gehört die Neutralisierung der differierenden Bestimmungen der Kasus (Akkusativ, Genitiv, Dativ, Ablativ, Instrumentalis, Lokativ): Indem das Substantiv die Objektbeziehung ins Nomen mit hereinnimmt, unterdrückt und verdrängt sie die Reflexion auf den Objektivationsprozeß, der in den Formen der Deklination sich entfaltet. Damit hängt es zusammen, wenn in dem Ausdruck „Wir Deutschen“ der Name der Deutschen zum reinen Ausdruck und zugleich zum Alibi der Gemeinheit und Brutalität geworden ist.
Der Begriff des Substantiv ist Ausdruck der Trennung von Ding und Sache, Geburtsname der Verdinglichung, dem auf der Subjektseite der Personbegriff entspricht (Dinge gibt es, seit es juristische Personen gibt). Er ist der reinste Ausdruck einer Welt, in der alles nur noch das ist, was der Fall ist.
Welche grammatische Bedeutung und welche logische Funktion hat das Suffix -iv in den grammatischen Begriffen (vom Substantiv bis zum Infinitiv)?
Ist der griechisch-lateinische Gottesname Produkt einer Verschmelzung des -ivum mit dem deiktischen Affix d- (und damit der genaueste Ausdruck der Geburt des Absoluten)? Woher kommt dann der germanische Name „Gott“ (nach Ferdinand Ebner soll er aus einer Wurzel stammen, die das Anrufen, das Objekt der Anrufung, ausdrückt)?
Hat die Venus-Katastrophe die Voraussetzungen für die Staatenbildung geschaffen:
– Privateigentum und Geldwirtschaft,
– Tempel, Opfer und Schrift,
– Monogamie und Inzestverbot?
Die Venus-Katastrophe hat das Planetensystem nicht nur ergänzt und vervollständigt, sondern es in Konstellationen eingerückt, die dann in die internen Voraussetzungen der Staatenbildung mit eingegangen sind.
Gehört die chaldäische Astrologie zur Ursprungsgeschichte der indogermanischen Sprachen (insbesondere zur Ausgestaltung der Deklinationsformen, die selber vermittelt sind durch die Umgestaltung der Konjugationen)?
Welcher Kasus und welcher Planet repräsentiert das Selbsterhaltungsprinzip? Die Logik des Selbsterhaltungsprinzips ist eine männliche Logik, es ist die Logik der vom Privateigentum beherrschten Welt. Klingt ihr Geheimnis nicht im Namen des Jupiter an (des Divus-Pater, des Erzeugers des Merkur, der Venus und des Mars, gleichsam seiner Emanationen, der aber der Macht des Kronos, des Saturn, auch wenn er ihn besiegt, nicht entgeht: der der Gefahr der Paranoia ausgesetzt bleibt)?
Ist die Paranoia die patriarchalische Erscheinung der Melancholie (der messianischen Wehen)?
Vgl. die Antwort Jesu auf die Frage der Pharisäer (der Schriftgelehrten, der Sadduzäer?) nach dem jenseitigen Schicksal der Frau und ihrer sieben Männer?
Ist Heideggers Fundamentalontologie nicht gleichsam eine interne Erläuterung des Thalesschen Satzes: Alles ist Wasser? War nicht die Sintflut die Überschwemmung mit dem Was?
Turmbau zu Babel: Der Turm, der bis zum Himmel reicht, und der herniederfahrende Gott bezeichnen präzise den Ursprung des Mythos.
Die Bekenntnislogik ist eine reine Exkulpationslogik, Produkt der Weigerung, die Sünde der Welt auf sich zu nehmen; deshalb gehören die Opfertheologie und das Konzept der Entsühnung der Welt durchs Kreuzesopfer als deren innerster Kern zur Bekenntnislogik.
Die Confessiones des Augustinus sind (als Dokument seiner Bekehrungsgeschichte) Sündenbekenntnisse (z.B. in den Kindheitsgeschichten, aber auch in der Geschichte der namenlosen Mutter seines Sohnes Adeodatus), aber Sündenbekenntnisse, die vom Instrumentarium des mythischen Schuldverschubsystems: von den Formen projektiver Schuldverschiebung, sich nicht lösen können: Darin stellt sich die Beziehung zum Glaubensbekenntnis her, die durchs Schuldverschubsystem (die Opfertheologie und das Konstrukt der Entsühnung der Welt) vermittelt ist. Vermutlich gehört die Geschichte über das mit der Erbsünde belasteten Kind Augustinus zu den geschichtlichen Ursachen der Einführung der Kindertaufe. Hier wurde der Trieb in die Seelen eingesenkt, der antstatt an der Herstellung gerechter Zustände nur noch an der eigenen Unschuld interessiert ist.
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3.3.1995
Ist nicht Gunnar Heinsohn Opfer seines eigenen historischen Objektivitätsbegriffs geworden? Seine These, daß Hitler die Judenvernichtung angeordnet habe, um mit den Juden die Erinnerung an das Tötungsverbot zu tilgen, ist von der Motivation her wahr; nur gilt diese Motivation für den Antisemitismus insgesamt, und Hitler unterscheidet sich von den Antisemiten sonst durch durch das Maß an Konsequenz, durch den pseudomessianischen Akt: Er legitimiert sich als Führer dadurch, daß er in vollem Bewußtsein der Konsequenzen die Verantwortung für diesen Antisemitismus übernimmt; er nimmt „die Sünde der Welt“ auf sich (er nimmt den Tätern die Schuld ab, in die er sie doch zugleich verstrickt). Es geht in der Tat nicht um die Juden; eine Erinnerung tilgt man nicht, indem man die Träger dieser Erinnerung vernichtet. Zur beabsichtigten Wirkung der „Endlösung“ gehört sowohl die Binnenwirkung der Komplizenschaft (der „Treue“: wer in diese Taten verstrickt ist, kommt davon nicht mehr los) als auch die Außenwirkung des Terrors („wat denn, icke mir uffhängen lassen, lieber gloob ick an’n Sieg“) mit dazu: die irrationale Kommunikation der Gewalt als Verdrängungshilfe, ohne die das Tötungsverbot nicht aufzuheben ist. Ohne den gesamtgesellschaftlichen Resonanzboden, der selber zu dechiffrieren wäre, allein durch den Rekurs auf die Absicht und den Willen Hitlers wäre diese Tat nicht möglich gewesen. Dieser „Resonanzboden“-Effekt hat am Ende des Krieges, als das Konstrukt in der Niederlage implodierte, den ungeheuren Rechtfertigungsdruck erzeugt, der die Nachkriegsgeschichte in Deutschland beherrscht (und alle Voraussetzungen des Wiederholungszwangs in sich birgt). Selbst der Erklärungsbedarf steht unter diesem Rechtfertigungszwang und müßte ihn in die Reflexion mit aufnehmen, wenn er wirklich zur Befreiung beitragen soll. Ich habe das Gefühl, daß die heinsohnsche Form der Verarbeitung des apokalyptischen Aspekts dieser Geschichte (Entschärfung der Apokalypse durch Neutralisierung, durch Reduktion auf die Erinnerung an eine längst vergangene Naturkatastrophe, als hätten wir nicht das Objekt für das Studium der Apokalypse in der jüngstvergangenen gesellschaftlichen Naturkatastrophe vor Augen).
Gunnar Heinsohn scheint alle bisherigen „Auschwitz-Theorien“ nur als Konkurrenz zum eigenen Konzept wahrzunehmen; und es gehört schon einiges dazu, allen bisherigen Reflexionen über Auschwitz (so u.a. den Studies in Prejudice, der Dialektik der Aufklärung, oder etwa dem Werk Hannah Arendts) bloß „Ratlosigkeit“ zu attestieren, um dann sein eigenes Werk als die gleichsam endgültige Lösung des Problems zu empfehlen. Wäre nicht eher von einer gemeinsamen Anstrengung zur Aufklärung des wahrhaft Unbegreiflichen ausgehen. Denn unbegreiflich bleibt diese Tat (wie auch die Welt, in der sie möglich war) für jeden, für den die Moral das sich von selbst Verstehende ist. Das Problem ist eher: Wie müßte die Welt aussehen, wenn man sie unter der Voraussetzung dieses Prinzips zu verstehen versucht; eine Welt, die dem Bann der Ontologie entronnen ist, und deren prima philosophia die Ethik wäre?
Durch seinen Beitrag zur Chronologie-Revision („Die Sumerer gab es nicht“), zur Ursprungsgeschichte des Geldes („Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft“), und jetzt zur Erforschung des Antisemitismus („Was ist Antisemitismus“ und „Warum Auschwitz“) hat Gunnar Heinsohn Wesentliches zur Selbstaufklärung der Gegenwart beigetragen. Kann es sein, daß es nur noch einer kleinen Korrektur seines Konzepts bedarf?
Zu Heinsohns Bemerkungen über den Totenkopf wäre an Benjamin zu erinnern, der im Totenkopf die Urallegorie erkannt hat. (Gibt es nicht Gesichter, in denen dieses leere Grinsen des Totenkopfs geronnen, als Charaktermaske eingezeichnet ist? Sind es nicht die „schneidigen“ Profile, die unter Offizieren verbreitet waren, und dann in der SS zum Züchtungsziel der nordischen Rasse geworden sind?)
Tucholskys Satz „Alle Soldaten sind Mörder“ ist zweifellos eine Übertreibung; aber gibt es nicht im Bereich des Soldatischen ein Magnetfeld, das seine Anziehungskräfte vor allem auf einen disziplinierten Mordtrieb ausübt, auf die, die zur Ausübung dieses Triebs die institutionelle Deckung (den „Befehl“) brauchen? Und ist es nicht gerade dieser disziplinierte Mordtrieb, der so empfindlich auf den Vorwurf in dem Satz Tucholskys reagiert?
Die Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung, die nicht zufällig mit der Astronomie beginnt (sowohl in der Antike, als auch in der modernen Welt), ist ein Teil des Gattungsprozesses der Menschheit.
Das Angesicht steht für die Fähigkeit, sich mit anderen zu identifizieren, für die Empathie und Barmherzigkeit, dafür daß niemand weiß, ob er selbst anders wäre als einer, den er zu verurteilen geneigt ist, wenn er ernsthaft in seine Situation sich hineinversetzt. So hängt das Angesicht mit Urteil zusammen: Es ist nicht nur die Tötungshemmung, die Emanuel Levinas in ihm erkennt, sondern vielmehr und vor allem eine Urteilshemmung, die zugleich deutlich macht, daß es eine Erkenntnis gibt, die den Rahmen des Urteils sprengt. Auf diesen Sachverhalt bezieht sich das Prophetenwort vom Rind und vom Esel: Diese Urteilshemmung macht die Unterscheidung von Last und Joch erfahrbar.
Die homousia ist das neutralisierte homologein, Produkt der Hellenisierung der Theologie, Anfang der Theologie hinter dem Rücken Gottes. Dieser Neutralisierung verdankt sich der Begriff des Bekenntnisses.
Gründet das Neutrum im Menschenopfer?
Waren nicht die Astrologie und die Alchimie gleichsam Häresien zu einer naturwissenschaftlichen Orthodoxie, die aus ihnen (durch symbolischen Elternmord) sich entwickelt hat? Wie alle Häresien sind sie nur verurteilt, verdrängt und verfolgt, nicht aber aufgearbeitet worden. Während die Astrologie gleichsam die politische Außenseite der Naturwissenschaft repräsentiert, repräsentiert die Alchimie ihre mystische Innenseite. Beide bezeichnen Knotenpunkte der Begriffsgeschichte von Schicksal und Scham.
Der Begriff der Kollektivscham hat den Rechtfertigungszwang, der im Kern der modernen Aufklärung enthalten ist, nur verstärkt, anstatt ihn zu reflektieren.
Der Objektbegriff ist der Pflug, vor den Rind und Esel gespannt sind.
Hodie, si vocem eius audieritis: Dieses Heute tritt ein, wenn der Bann der Natur gelöst ist (mit der Einung des Gottesnamens): Wenn aus den Blinden und Lahmen die, die tun und hören, geworden sind.
Definition der Kommunikationstheorie: Theorie der Signale, mit denen Isolationshäftlinge sich untereinander verständigen (oder auch, nur getrennt davon, ihre Wächter).
Dauer, Folge und Zugleichsein: Gründet nicht die Dauer in der Beziehung von Vorn und Hinten, die Folge in der von Rechts und Links und das Zugleichsein in dem von Oben und Unten (im Verhältnis der Fläche zu der zu ihr gehörenden Normalen)? Ist nicht die Orthogonalität zweier Geraden in einer Fläche zu unterscheiden von der Orthogonalität der Normalen zur Fläche? Kann es sein, daß diese beiden Formen der Orthogonalität sich zueinander verhalten wie die Orthodoxie des Symbolums zu dem der Konfession? -
04.10.93
Die Anschauung verletzt das Bildergebot, ihr ist das Gesetz der Verdinglichung einbeschrieben.
Ist nicht das Präsens in jeder Hinsicht eschatologisch: das Ende des Alten und der Beginn des Neuen?
Muß man den hegelschen Satz, wonach die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, nicht heute dahin verschärfen: daß der bürgerliche Reichtum jetzt aus seinen eigenen Prämissen und Voraussetzungen die Armut und den Pöbel erzeugt?
Stämme, Völker, Sprachen und Nationen: Ist das nicht aufzuschlüsseln nach: Genealogien, Königtümern (Tempel und Opfer), Sprachen, Städte (Geldwirtschaft, Handel)?
Zum Kerub mit dem kreisenden Flammenschwert: Thront nicht Gott auf den Keruben, und ist nicht der Himmel sein Thron (und die Erde der Schemel seiner Füße)? Aber heißt es nicht auch: Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst (und das kreisende Flammenschwert zurückgenommen) sein?
Das Bekenntnis ist undialogisch: das gemeinsame Bekenntnis von Einsamen.
Wenn Kohl vom Urteil der Geschichte spricht, denkt man nicht dann an den zukünftigen Tatenruhm, der den toten Helmut überleben soll? Aber ist der Toten Tatenruhm nicht heute durchsetzt von dem Leichengift und dem Leichengeruch von Auschwitz?
Ist nicht Brechts „Der Schoß ist fruchtbar noch“ noch zu harmlos, beginnt nicht die Vergangenheit, aus der Auschwitz hervorgegangen ist, heute Auschwitz zu überleben? Und war es nicht genau das, was Heitmann zum Ausdruck gebracht hat?
Hat Auschwitz nicht in der Tat der Opfertheologie (der theologischen Instrumentalisierung des Kreuzestodes) die Grundlage entzogen, und ist der Hinweis in den Elementen des Antisemitismus (in der Dialektik der Aufklärung) nicht doch endlich ernst zu nehmen?
– Ein undeutliches Bild aus der Kindheit: Es ist Winter, draußen liegt Schnee, ich stehe in der Küche am Küchenfenster. Draußen ist jemand mit einem Schlitten, der mich auffordert, herauszukommen und auf dem Schlitten mitzufahren. Aus einer Wunde (wessen Wunde es war, weiß ich nicht mehr) tropft Blut in den Schnee, und ich bin nicht mehr dazu zu bewegen, nach draußen in den Schnee zu gehen.
– Kann es sein, daß es am Rande (neben dem realen Anlaß: den Gesprächen zuhause über Hitler und die wachsende Nazibewegung) eine Beziehung zur Frage des Fünfjährigen gibt, wann die Welt untergehen wird?
– Das Ganze wächst weiter, als ich in der Vorbereitungszeit vor der Erstkommunion auf Geschichten aus der Märtyrerzeit stoße, die mir klarmachen, daß man nicht Christ sein kann ohne die Bereitschaft, im Ernstfall auch physisches Leiden auf sich zu nehmen.
– Das nächste ist die Geschichte der Operation, der ich mich als 16-jähriger habe unterziehen müssen, eine Operation an einer für einen Jungen in diesem Alter sicher empfindlichsten Stelle: eine Phimose-Operation. In dem Lazarett (1943, ich war Luftwaffenhelfer), in dem die Operation vorgenommen wurde, lag im gleichen Zimmer ein SS-Unterscharführer, der von seiner Beteiligung an den Judendeportationen aus Holland erzählt. Hat sich vielleicht die Erinnerung an die Operationen mit Vorstellungen über eine Beschneidung vermischt? – Aber die Operation war ebensowenig eine Beschneidung wie Auschwitz ein Holocaust war.
Hängen meine Ängste bei physischen Eingriffen, von der Blutentnahme beim Arzt bis zur Zahnarzt-Behandlung, mit diesen Erinnerungen zusammen? Und reicht das nicht mit hinein in die (zweifellos aus der christlichen Sexualmoral erwachsene) Vorstellung, daß Sexuelles an den Grund der Welt rührt (in welcher Beziehung steht die Sexualität zu den objektivierenden, verdinglichenden Logiken des Inertialsystems, der Geldwirtschaft und des Bekenntnisses)?
Das Werk der subjektiven Formen der Anschauung (insbesondere der Form des Raumes) ist die Vernichtung des Angesichts.
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